Nation - Jens Peter Kutz
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<strong>Nation</strong> 00.00.46<br />
• eingeschränkte Definition von K. W. Deutsch:<br />
die <strong>Nation</strong> ist das politisch mobilisierte Volk, welches über gemeinsame Identitäten (Kultur,<br />
Sprache, Religion) verfügen muß, um als Kommunikationsgemeinschaft zusammen<br />
handlungsfähig zu sein, und im Besitz autonomer politischer Macht ist<br />
⇒ <strong>Nation</strong> = Volk im Besitz eines Staates<br />
↔ aber: <strong>Nation</strong>en können auch ohne eigenen Staat existieren (vgl. Deutschland, Polen, <strong>Nation</strong>en<br />
in Groß- und Vielvölkerstaaten), deshalb erweiterte Definition:<br />
soziale Gruppe, die sich durch historisch gewachsene Beziehungen (Sprache, Kultur, Religion,<br />
Geschichte, Staats-, Gesellschafts- und Rechtsauffassungen) ihrer Zusammengehörigkeit<br />
bewußt geworden ist und die Forderung nach politischer Selbstbestimmung stellt oder diese<br />
im Rahmen des <strong>Nation</strong>alstaats bereits erfüllt hat<br />
⇒ Bewußtsein eines Volkes, eine <strong>Nation</strong> zu sein, verbunden mit dem Anspruch auf politische<br />
Selbstbestimmung<br />
(Staat und <strong>Nation</strong> hängen somit eng zusammen → vgl. nation in der Bedeutung von Staat und<br />
<strong>Nation</strong> in der englischen und französischen Sprache)
• die begriffliche Differenzierung Staatsnation ↔ Kulturnation überschneidet sich in der Realität<br />
→ z.B. konnten die Elsässer als Deutsche gelten, weil sie durch Kultur und Geschichte zur deutschen<br />
Kulturnation gehörten, andererseits konnten sie als Franzosen gelten, weil sie sich dem französischen<br />
Staat zugehörig fühlten<br />
⇒ im Begriff der <strong>Nation</strong> sind beide Definitionen miteinander verschränkt, weil sich auch ein freiwilliges<br />
Bekenntnis zu einer <strong>Nation</strong> immer auf bestimmte kulturelle Gemeinsamkeiten stützen muß (→ die Staatsnation<br />
wird immer durch die Kulturnation legitimiert und gefestigt)<br />
• Ende des 18. Jh. wurden zwei unterschiedliche <strong>Nation</strong>alideen entwickelt:<br />
Frankreich → Abbé Sieyes<br />
subjektiv-politische Staatsnation<br />
<strong>Nation</strong> als politisch handelndes<br />
Volk, das sich als politisch bewußte<br />
Staatsbürger zu ihr bekannte<br />
Deutschland → Johann Gottlieb Herder<br />
objektiv-kulturelle Kulturnation<br />
Zusammenfassung der Menschen zu einer<br />
Kultur- und Sprachgemeinschaft, die<br />
unabhängig vom Willen des einzelnen ist<br />
• ursprüngliche Bedeutung des Begriffs »<strong>Nation</strong>«:<br />
→ Natio (von lat. nasci = geboren werden) bezeichnet eine Abstammungsgemeinschaft, d.h. eine Gruppe<br />
von Menschen mit gemeinsamer Herkunft (vgl. die nationes an den europäischen Universitäten des MA)<br />
→ später wurde darunter die Gesamtheit der politisch Handelnden verstanden, die eine Beziehung zur Krone<br />
oder eine ständische Vertretung besaßen = Ständische <strong>Nation</strong> (vgl. Heiliges Römisches Reich deutscher<br />
<strong>Nation</strong> [seit 1409]) ⇒ 1789 erfolgte eine Erweiterung dieses Kreises in dem Sinne der revolutionären<br />
Idee von der <strong>Nation</strong> als dem politisch handelnden Volk (vgl. Abbé Sieyès: »Was ist der Dritte<br />
Stand?«)<br />
⇒ Wandlung des <strong>Nation</strong>sbegriffs seit der Französischen Revolution dahingehend, daß sich der Kreis der<br />
politisch handelnden Individuen ausdehnte