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862<br />

REPETITORIUM<br />

Untersagung »Unerwünschten Verhaltens« <strong>im</strong> <strong>öffentlichen</strong> <strong>Raum</strong> Friedrich Schoch<br />

Heft 11/2012 JURA<br />

meindestraßen, z. T. auch an Ortsdurchfahrten von Bundes-,<br />

Landes- und Kreisstraßen) keiner (Einzel-)Erlaubnis bedürfen;<br />

ferner kann die Sondernutzung satzungsrechtlich abweichend<br />

von den Modalitäten, die bei der einzelnen Sondernutzungserlaubnis<br />

zu beachten sind, geregelt werden. Gegenstand der<br />

Satzung kann demnach allein die Ausübung von Sondernutzungen<br />

sein 52 . Es geht also um die Erleichterung der über den<br />

Gemeingebrauch hinausgehenden Straßennutzung. Der Regelungsbefugnis<br />

des Satzungsgebers entzogen bleibt hingegen die<br />

Grenzziehung zwischen Gemeingebrauch und Sondernutzung<br />

53 . Diese Abgrenzung ist landesgesetzlich bindend vorgegeben.<br />

Eine »Grenzverschiebung« mittels Satzung ist unzulässig.<br />

Deshalb hat der Satzungsgeber keine Befugnis, ein<br />

Verhalten, das nach dem Gesetz Gemeingebrauch darstellt,<br />

als Sondernutzung zu qualifizieren 54 .<br />

In Bezug auf den Alkoholkonsum auf <strong>öffentlichen</strong> Straßen,<br />

Wegen und Plätzen bedeuten diese gesetzlichen Vorgaben, dass<br />

sich eine Sondernutzungssatzung nur dann <strong>im</strong> Rahmen der<br />

Ermächtigungsgrundlage hält, wenn der Regelungsgegenstand<br />

tatsächlich eine »Sondernutzung« betrifft. Es ist mittlerweile<br />

jedoch unstreitig, dass sich der Alkoholkonsum auf <strong>öffentlichen</strong><br />

Verkehrsflächen straßenrechtlich noch <strong>im</strong> Rahmen des<br />

Gemeingebrauchs hält 55 . Zwar geht es nicht pr<strong>im</strong>är um Ortsveränderung<br />

(Verkehr i. e. S.); jedoch umfasst der Gemeingebrauch<br />

auch den kommunikativen Verkehr (Verkehr<br />

i. w. S.) 56 , so dass die Nutzung einer <strong>öffentlichen</strong> Verkehrsfläche<br />

durch Menschen zum zeitweiligen Aufenthalt, zur kurzzeitigen<br />

Erholung sowie zur Kontaktaufnahme untereinander und<br />

Kommunikation miteinander noch vom Gemeingebrauch gedeckt<br />

ist 57 . Wenn dabei alkoholische Getränke konsumiert werden,<br />

ist dies unbeachtlich. Denn ein generelles rechtliches Verbot<br />

des Alkoholkonsums <strong>im</strong> <strong>öffentlichen</strong> <strong>Raum</strong> kennt unsere<br />

Rechtsordnung nicht 58 .<br />

Für Fall 4 bedeutet dies, dass das sich Niederlassen <strong>im</strong> innerstädtischen<br />

Bereich vom Gemeingebrauch gedeckt ist (falls der Gemeingebrauch<br />

anderer hierdurch nicht unzumutbar beeinträchtigt wird).<br />

Wenn dabei Alkohol getrunken wird, ändert dies nichts daran, dass<br />

die öffentliche Fläche zum Zwecke des Gemeingebrauchs genutzt wird.<br />

Die Sondernutzungssatzung von X erfasst Verhaltensweisen, die Gemeingebrauch<br />

sind; hierfür fehlt es jedoch an der gesetzlichen Ermächtigung<br />

59 . Die Satzung ist daher – vom OLG <strong>im</strong> Wege der inzidenten<br />

Prüfung festgestellt – nichtig; der Bußgeldbescheid ist mangels wirksamer<br />

Rechtsgrundlage rechtswidrig, C muss nicht zahlen.<br />

4. Alkoholkonsumverbot nach Kommunalrecht<br />

Das Handlungsinstrument zur Normierung abstrakt-generell<br />

wirkender Gebote oder Verbote ist auf kommunaler Ebene<br />

die Satzung. Soweit mittels Satzung in Grundrechte eingegriffen<br />

wird, reicht die allgemeine Satzungsautonomie 60 als Ermächtigungsgrundlage<br />

allerdings nicht aus; vielmehr verlangen<br />

der Vorbehalt des Gesetzes und das Best<strong>im</strong>mtheitsgebot für<br />

die Legit<strong>im</strong>ation von Grundrechtseingriffen eine ausdrückliche<br />

(spezielle) gesetzliche Ermächtigungsgrundlage 61 . In Bezug auf<br />

den Alkoholkonsum <strong>im</strong> <strong>öffentlichen</strong> <strong>Raum</strong> und damit verbundene<br />

Verhaltensweisen besteht eine derartige Befugnisnorm<br />

nur vereinzelt 62 .<br />

Ist eine satzungsrechtliche Regelung nicht als »Eingriff in<br />

Freiheit und/oder Eigentum« zu qualifizieren, reicht in Bezug<br />

auf gemeindliche Einrichtungen eine allgemeine Ermächtigungsgrundlage<br />

aus, soweit satzungsrechtlich Best<strong>im</strong>mungen<br />

zur Benutzung der Einrichtung getroffen werden 63 . Derartige<br />

gesetzliche Best<strong>im</strong>mungen für den Satzungserlass sind <strong>im</strong><br />

Kommunalrecht vorhanden 64 . Anschaulich ist formuliert worden,<br />

mit der Inanspruchnahme der Einrichtung unterwerfe sich<br />

der Benutzer gleichsam den Regelungen, die zur Erlangung des<br />

Nutzungsvorteils für ihn mit entsprechenden Belastungen verbunden<br />

seien 65 . Entscheidend ist in der Tat, dass der Berechtigte<br />

die kommunale öffentliche Einrichtung freiwillig betritt und in<br />

Anspruch n<strong>im</strong>mt. Wird insoweit satzungsrechtlich keine<br />

Pflicht normiert, liegt kein Grundrechtseingriff vor; einer spezifischen<br />

Rechtfertigung bedarf es nicht. Vielmehr umfasst die<br />

Ermächtigung zur Schaffung der <strong>öffentlichen</strong> Einrichtung<br />

i. V. m. der allgemeinen Satzungsautonomie nach Maßgabe<br />

des Kommunalrechts die Befugnis, das Benutzungsverhältnis<br />

durch Satzung zu regeln 66 .<br />

Voraussetzung für eine derartige Festlegung des Nutzungsreg<strong>im</strong>es<br />

ist, dass es um eine öffentliche Einrichtung i. S. d.<br />

Kommunalrechts geht. Ist dies der Fall, stellt die Gestaltung<br />

des Benutzungsverhältnisses eine autonome Entscheidung der<br />

Gemeinde (Stadt) dar 67 . Begrenzt wird die Satzungsautonomie<br />

durch den Einrichtungszweck und durch höherrangiges<br />

Recht 68 . Eine kommunale öffentliche Einrichtung ist (nach<br />

Maßgabe des entscheidenden funktionalen Verständnisses)<br />

die Gesamtheit personeller und sächlicher Mittel, die von der<br />

Kommune <strong>im</strong> Rahmen ihrer (Selbstverwaltungs-)Aufgaben geschaffen<br />

und unterhalten sowie durch (i. d. R. formlose) Widmung<br />

der best<strong>im</strong>mungsgemäßen Nutzung durch die Berechtigten<br />

(Einwohner, ggf. auch externe Nutzer) zugänglich gemacht<br />

wird 69 . Dazu zählen u. a. öffentliche kommunale Grünanla-<br />

52 ThürOVG ThürVBl 2001, 109 (110) ? Schoch JK 10/01, ThürStrG § 18/1.<br />

53 BayVGH NVwZ-RR 2004, 879 (880) = BayVBl 2004, 336 (337); BayVBl 2009,<br />

661 Tz. 42; Sauthoff Öffentl. Straßen (Fn. 17) Rdn. 431; Stahlhut in: Kodal,<br />

Straßenrecht, 7. Aufl. 2010, Kap. 27 Rdn. 35.1.<br />

54 OLG Saarbrücken NJW 1998, 251.<br />

55 VGH BW VBlBW 1999, 101 (103); OLG Hamm NVwZ 2010, 1319 (1320) ?<br />

Schoch JK 4/11, GO NW § 8/3; Kohl NVwZ 1991, 620 (626); Hebeler/Schäfer<br />

DVBl 2009, 1424 (1428); Hecker NVwZ 2010, 359 (363); Brückner LKV 2012,<br />

202 (205); Köppert Alkoholverbotsverordnungen (Fn. 37) S. 71 ff.; Finger Offene<br />

Szenen (Fn. 15) S. 265 ff. (auch zu früheren abw. Auffassungen).<br />

56 Näher dazu v. Danwitz in: BesVwR (Fn. 4) 7. Kap. Rdn. 60.<br />

57 OLG Saarbrücken NJW 1998, 251.<br />

58 Vgl. Nachw. oben Fn. 26.<br />

59 Auch in der Entscheidung zu Fall 1 erkannte das OLG Hamm, dass straßenrechtlich<br />

keine Sondernutzung vorlag; die Benutzungsordnung konnte daher<br />

nicht als rechtswirksame Sondernutzungssatzung i. S. d. § 19 StrWG NW (zu<br />

Parallelvorschriften s. o. Fn. 51) gedeutet werden.<br />

60 § 4 GO BW; Art. 23 BayGO; § 3 BbgKVerf; § 5 HessGO; § 5 KV MV; § 10<br />

NdsKomVG; § 7 GO NW; § 24 GO RP; § 12 KSVG SL; § 4 SächsGO; § 6 GO<br />

LSA; § 4 GO SH; § 19 ThürKO.<br />

61 BVerwGE 90, 359 (363) = NJW 1993, 411 (412); VGH BW DVBl 1993, 778<br />

(779) [m. Bespr. Lübbe-Wolff DVBl 1993, 762] = NVwZ 1993, 388 ? Erichsen<br />

JK 94, GG Art. 13/6; VGH BW VBlBW 2010, 161 (164); BayVGH BayVBl<br />

2009, 367 (368); OVG RP NVwZ-RR 2009, 394 (395) ? Ehlers JK 11/09, GG<br />

Art. 12/15.<br />

62 § 3 a Nr. 7 BremG über Rechtsetzungsbefugnisse der Gemeinden; dazu Brückner<br />

LKV 2012, 202 (205 f.).<br />

63 BVerwG BayVBl 2011, 510 (511); BayVerfGH NVwZ-RR 2012, 50 (51) ?<br />

Ehlers JK 4/12, GG Art. 28 II/36; OVG RP NVwZ-RR 2009, 394 (395) ? Ehlers<br />

JK 11/09, GG Art. 12/15; Burgi Kommunalrecht, 3. Aufl. 2010, § 15 Rdn. 40.<br />

64 § 4 i. V. m. § 10 II GO BW; Art. 24 I Nr. 1 BayGO; § 3 I 1 i. V. m. § 12 I BbgKVerf;<br />

§ 5 I i. V. m. § 20 I HessGO; § 5 I 1 i. V. m. § 14 II KV MV; § 10 I i. V. m. § 30 I<br />

NdsKomVG; § 7 I i. V. m. § 8 II GO NW; § 24 I 1 i. V. m. § 14 II GO RP; § 12 I 1<br />

i. V. m. § 19 I KSVG SL; § 4 I 1 i. V. m. § 10 II SächsGO; § 6 I 1 i. V. m. § 22 I GO<br />

LSA; § 4 I 1 i. V. m. § 18 I 1 GO SH; § 20 II 1 Nr. 1 ThürKO.<br />

65 OVG RP NVwZ-RR 2009, 394 (395) ? Ehlers JK 11/09, GG Art. 12/15.<br />

66 OVG NW GewArch 2009, 367; Finger Offene Szenen (Fn. 15) S. 234 ff.<br />

67 VGH BW VBlBW 1998, 58 (59 f.); NVwZ 1999, 565 – VBlBW 1998, 349 (350);<br />

NdsOVG NdsVBl 2007, 166 (167) ? Schoch JK 9/07, NdsGO § 22/1.<br />

68 VGH BW NVwZ-RR 1994, 325 (326) = VBlBW 1995, 15 (16); VBlBW 1998, 58<br />

(60).<br />

69 SächsOVG SächsVBl 2005, 14 ? Schoch JK 6/05, SächsGemO § 10 II/2;<br />

SächsOVG NVwZ-RR 2007, 549; Bader JURA 2009, 940 (942); Ehlers JURA<br />

2012, 692; Burgi KommunalR (Fn. 63) § 16 Rdn. 5.<br />

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Heruntergeladen am | 10.11.13 21:52

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