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JURA Heft 11/2012 Friedrich Schoch Untersagung »Unerwünschten Verhaltens« <strong>im</strong> <strong>öffentlichen</strong> <strong>Raum</strong> REPETITORIUM<br />

863<br />

gen 70 . Abzugrenzen ist eine derartige Einrichtung von einer<br />

<strong>öffentlichen</strong> Sache <strong>im</strong> Gemeingebrauch; <strong>im</strong> Straßenrecht fallen<br />

hierunter durch (i. d. R. förmlichen) Widmungsakt geschaffene<br />

öffentliche Straße, Wege und Plätze, die ohne Einschränkung<br />

jedermann zugänglich sind.<br />

In der Entscheidung zu Fall 1 behauptet das OLG, bei der Grünanlage<br />

handele es sich um eine »Sache <strong>im</strong> Gemeingebrauch«, nämlich um eine<br />

kraft Widmung jedermann ohne besondere Zulassung zugängliche öffentliche<br />

Verkehrsfläche; daher habe die Benutzungsordnung nicht als<br />

Regelung bzgl. einer gemeindlichen Einrichtung kompetenzgemäß erlassen<br />

werden können 71 . – Danach ist die Benutzungsordnung unwirksam,<br />

weil sie nach Auffassung des OLG weder ordnungsrechtlich noch<br />

straßenrechtlich und auch nicht kommunalrechtlich Bestand haben<br />

könne.<br />

Richtig ist die vom OLG Hamm zu Fall 1 getroffene Entscheidung<br />

auf der Grundlage des geltenden Kommunalrechts nicht.<br />

Gemeingebrauch 72 i. S. d. Straßenrechts kann nur an einer »<strong>öffentlichen</strong>«Straßebzw.einem»<strong>öffentlichen</strong>«WegoderPlatzauf<br />

Grund eines entsprechenden Widmungsaktes bestehen; die<br />

Widmung ist indessen streng formuliert und hat durch Allgemeinverfügung<br />

zu erfolgen 73 . Schon diese Voraussetzungen<br />

lagen<strong>im</strong>konkretenFallnichtvor,sodassdierichterliche»Umdefinition«derstädtischen<strong>öffentlichen</strong>Einrichtungineine»Sache<br />

<strong>im</strong> Gemeingebrauch« fehlerhaft ist. Außerdem ist die GrünanlagevonSmitnichten»jedermann«zugänglich;berechtigtsindnur<br />

Einwohner und Besucher <strong>im</strong> Rahmen des Widmungszwecks,<br />

nämlich der Naherholung (und eben nicht zum Zwecke des<br />

Alkoholkonsums). Eine derartige Zweckbest<strong>im</strong>mung ist auf<br />

Grund der skizzierten kommunalen Satzungsautonomie zulässig<br />

74 . Die Benutzungsordnung der Stadt S hätte in Fall 1 als<br />

rechtswirksame Satzung anerkannt werden müssen.<br />

III. Betteln <strong>im</strong> <strong>öffentlichen</strong> <strong>Raum</strong><br />

Selbstverständlich keine Erscheinungsform der »Eventkultur«<br />

ist das (in manchen Innenstädten wieder vermehrt zu beobachtende)<br />

Betteln <strong>im</strong> <strong>öffentlichen</strong> <strong>Raum</strong>. Das Betteln (nebst Begleiterscheinungen)hateinelangeTradition<br />

75 undwirdseitjeher<br />

–auch–mitdenMittelndesRechtszubekämpfenversucht.Eines<br />

der behördlichen Ziele ist die Schaffung »bettelfreier« Innenstadtbereiche<br />

76 . Es geht demnach um »unerwünschtes Verhalten«<br />

<strong>im</strong> <strong>öffentlichen</strong> <strong>Raum</strong>. Die aufgeworfenen Rechtsfragen<br />

sind inzwischen weitgehend geklärt 77 , so dass hier ein kurzer<br />

ÜberblickzuderThematikgenügt.DerVeranschaulichungdient<br />

Fall 5.<br />

Fall 5: Die Stadt S erlässt formell ordnungsgemäß eine »Verordnung<br />

zur Aufrechterhaltung der <strong>öffentlichen</strong> Sicherheit und Ordnung auf und<br />

an <strong>öffentlichen</strong> Straßen und in <strong>öffentlichen</strong> Anlagen«. Diese Verordnung<br />

untersagt u. a. (in genau beschriebenen <strong>öffentlichen</strong> Bereichen)<br />

»das Betteln«. B, der in der Innenstadt von S regelmäßig still auf dem<br />

Boden sitzend seinen Hut umgedreht vor sich stehen hat, um »milde<br />

Gaben« von Passanten zu empfangen, fragt nach der Wirksamkeit der<br />

Verordnung 78 .<br />

Ein generelles Bettelverbot kennt die deutsche Rechtsordnung<br />

nicht. Das Betteln ist auch nicht mehr strafbar 79 . Gezielte<br />

gesetzliche Ermächtigungen zur behördlichen Untersagung des<br />

Bettelns <strong>im</strong> <strong>öffentlichen</strong> <strong>Raum</strong> bestehen nur vereinzelt 80 . Bettelverbote<br />

können seitens der Verwaltung daher nur nach<br />

Maßgabe bestehender allgemeiner Verwaltungsgesetze erlassen<br />

werden.<br />

1. Straßenrecht<br />

Betteln wird definiert als »die an einen beliebigen Fremden<br />

gerichtete Bitte um eine Zuwendung« 81 . Rechtlich zu unterscheiden<br />

sind »aggressives Betteln« und »stilles Betteln«.<br />

Aggressives Betteln wird angenommen bei einem gezielten<br />

körpernahen Ansprechen von Personen (ggf. sogar mittels Behinderung<br />

oder Anfassen von Passanten) 82 . Bei dem in der<br />

Praxis vornehmlich diskutierten stillen Betteln verzichtet der<br />

Bettler auf das nachdrückliche bzw. hartnäckige Zugehen auf<br />

andere Personen und verhält sich (wie in Fall 5) passiv.<br />

Unter straßenrechtlichen Gesichtspunkten ist geklärt, dass<br />

das »stille Betteln« Gemeingebrauch darstellt und keine Sondernutzung<br />

ist 83 . Denn wie andere Verkehrsteilnehmer nutzt<br />

der Bettler die öffentliche Verkehrsfläche zur Fortbewegung<br />

und zum Verweilen. Nach zutreffender Auffassung nicht anders<br />

zu beurteilen ist das »aggressive Betteln«; da der subjektive<br />

Zweck einer Nutzung öffentlicher Verkehrsflächen für die straßenrechtliche<br />

Ordnung der Rechtsverhältnisse unbeachtlich<br />

ist 84 , führt das Motiv des »Broterwerbs« nicht zu einer Umwertung<br />

der Straßennutzung, zumal evtl. Behinderungen von Passanten<br />

nicht als ernsthafte Störung der Ausübung des Gemeingebrauchs<br />

qualifiziert werden können 85 .<br />

In der Entscheidung zu Fall 5, in der es nicht um eine Sondernutzungssatzung<br />

ging, hat der VGH <strong>im</strong> Wege der inzidenten Prüfung festgestellt,<br />

da das »stille« Betteln vom Gemeingebrauch umfasst werde,<br />

unterliege es von vornherein nicht der Satzungskompetenz zur Reglementierung<br />

von Sondernutzungen. Daher könne offen bleiben, ob und<br />

inwieweit die straßenrechtliche Befugnis zum Erlass von Sondernutzungssatzungen<br />

Sperrwirkung gegenüber den gesetzlichen Regelungen<br />

zum Erlass von Gefahrenabwehrverordnungen habe.<br />

2. Polizei- und Ordnungsrecht<br />

Mit dem Instrument der Polizei-/Gefahrenabwehrverordnung<br />

kann dem Betteln <strong>im</strong> <strong>öffentlichen</strong> <strong>Raum</strong> nur begegnet werden,<br />

wenn eine abstrakte Gefahr für ein Schutzgut (öffentliche<br />

Sicherheit oder Ordnung) vorliegt (s. o. II. 2. a). Be<strong>im</strong> »stillen«<br />

Betteln ist geklärt, dass weder ein Schutzgut betroffen ist noch<br />

eine abstrakte Gefahr bejaht werden kann. Von den Schutzelementen<br />

der <strong>öffentlichen</strong> Sicherheit 86 kommt allenfalls eine<br />

70 Röhl in: BesVwR (Fn. 4) 1. Kap. Rdn. 155.<br />

71 OLG Hamm NVwZ 2010, 1319 (1320); zust<strong>im</strong>mend Brückner LKV 2012, 202<br />

(207); ebenso zuvor bereits Hebeler/Schäfer DVBl 2009, 1424 (1428).<br />

72 § 14 I 1 StrWG NW; zu den Parallelbest<strong>im</strong>mungen unten Fn. 94.<br />

73 § 6 StrWG NW; ausf. zum Landesrecht insgesamt v. Danwitz in: BesVwR<br />

(Fn. 4) 7. Kap. Rdn. 40 ff.<br />

74 Finger Offene Szenen (Fn. 15) S. 230 f.<br />

75 Vgl. Bindzus/Lange JuS 1996, 482 ff., mit Erwiderung Bracker JuS 1996, 1048<br />

und Oppenborn JuS 1997, 480.<br />

76 Dazu ausf. Höfling Die Verwaltung 33 (2000), 207 ff.<br />

77 Vgl. auch Fallbearbeitung von Kube JuS 1999, 176 ff.<br />

78 Fall nach VGH BW DVBl 1999, 333 = NVwZ 1999, 560 = VBlBW 1998, 428 ?<br />

Ehlers JK 99, Pol.- u. OrdR, PolVO/1.<br />

79 Zum vormaligen (1974 außer Kraft gesetzten) § 361 Nr. 4 StGB Bindzus/Lange<br />

JuS 1996, 482 (485); Finger Offene Szenen (Fn. 15) S. 172 ff.<br />

80 Nach § 3 a Nr. 6 BremG über Rechtsetzungsbefugnisse der Gemeinden können<br />

Gebote oder Verbote erlassen werden »zur Vermeidung von Beeinträchtigungen<br />

durch aggressives Betteln oder Missbrauch von Kindern zum Betteln«. Zu<br />

Verboten des Bettelns durch den Einsatz von Kindern Finger Offene Szenen<br />

(Fn. 15) S. 95, 177 f.<br />

81 VGH BW DVBl 1999, 333 = NVwZ 1999, 560 = VBlBW 1998, 428 (429).<br />

82 Bindzus/Lange JuS 1996, 482 (486); Oppenborn JuS 1997, 480; Höfling Die<br />

Verwaltung 33 (2000), 207 (209); Finger Offene Szenen (Fn. 15) S. 39, 93 f.<br />

83 VGH BW DVBl 1999, 333 = NVwZ 1999, 560 f. = VBlBW 1998, 428 (430);<br />

VGH BW VBlBW 1999, 101 (104); Höfling Die Verwaltung 33 (2000), 207<br />

(215 f.); Finger Offene Szenen (Fn. 15) S. 269 f. – Sauthoff Öffentl. Straßen<br />

(Fn. 17) Rdn. 298 meint, ein »längeres Verweilen zum Betteln« könne ggf. eine<br />

Sondernutzung darstellen.<br />

84 Vgl. Nachw. Fn. 98.<br />

85 Holzkämper NVwZ 1994, 146 (147 f.).<br />

86 Näher dazu Schoch in: BesVwR (Fn. 4) 2. Kap. Rdn. 108.<br />

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Heruntergeladen am | 10.11.13 21:52

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