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864<br />

REPETITORIUM<br />

Untersagung »Unerwünschten Verhaltens« <strong>im</strong> <strong>öffentlichen</strong> <strong>Raum</strong> Friedrich Schoch<br />

Heft 11/2012 JURA<br />

Beeinträchtigung der objektiven Rechtsordnung in Betracht.<br />

Ein Verstoß gegen § 118 OWiG wird indes verneint, weil das<br />

Betteln kein grob ungehöriges Verhalten sei, das die Allgemeinheit<br />

belästige, etwa weil es gegen weithin anerkannte Regeln<br />

von Sitte und Anstand verstoße; das Unbehagen (»schlechtes<br />

Gewissen«), das ein Bettler einem Teil der Passanten bereite,<br />

erfülle ebenfalls nicht den Tatbestand des § 118 OWiG 87 . Die<br />

öffentliche Ordnung 88 sei schon deshalb nicht tangiert, weil das<br />

Betteln eine Erscheinungsform des (Zusammen-)Lebens der<br />

Menschen sei und daher <strong>im</strong> <strong>öffentlichen</strong> Verkehrsraum hingenommen<br />

werden müsse 89 .<br />

Selbst wenn ein Schutzgut tangiert wäre, könnte diese Beeinträchtigung<br />

rechtlich kaum als »abstrakte Gefahr« qualifiziert<br />

werden. Dass Bettelei typischerweise und regelmäßig zu konkreten<br />

Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung<br />

führt 90 , lässt sich schon deshalb nicht behaupten, weil das<br />

(»stille«) Betteln mit best<strong>im</strong>mten Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten<br />

nicht in einen engen Wirkungszusammenhang<br />

gebracht werden kann 91 und das (»aggressive«) Betteln i. d. R.<br />

allenfalls eine Belästigung darstellt 92 .<br />

In der Entscheidung zu Fall 5 hat der VGH erkannt, dass das (»stille«)<br />

Betteln keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstelle.<br />

Daher könne das Betteln nicht verordnungsrechtlich verboten<br />

werden. Die Verordnung musste daher (nach § 47 V 2 VwGO) für<br />

unwirksam erklärt werden.<br />

Unberührt von der Ungültigkeit des abstrakt-generell normierten<br />

Bettelverbots bleibt das behördliche Vorgehen <strong>im</strong><br />

Einzelfall durch Verwaltungsakt. Danach kann gegen einen<br />

Bettler, der durch sein konkretes Verhalten die öffentliche Sicherheit<br />

oder Ordnung stört, eingeschritten werden.<br />

3. Kommunalrecht<br />

Bettelverbote auf Grund kommunaler Satzungen nach Gemeinderecht<br />

haben die Gerichte, soweit ersichtlich, bislang<br />

nicht beschäftigt. In der Sache gelten die zum Alkoholverbot<br />

angestellten Überlegungen (s. o. II. 4.). Danach könnte <strong>im</strong> Rahmen<br />

der Best<strong>im</strong>mung des Widmungszwecks das Betteln in einer<br />

kommunalen <strong>öffentlichen</strong> Einrichtung untersagt werden.<br />

IV. Straßennutzung durch Partybike<br />

Fall 6: P bietet Fahrten mit dem Partybike <strong>im</strong> Internet über seine Homepage<br />

an. Ein »Partybike« (auch »Bierbike« genannt) ist ein vierräderiges<br />

Gefährt von etwa 5,50 m Länge und 2,30 m Breite, auf dem bis zu 16<br />

Personen Platz finden können. Bis zu 12 Personen sitzen auf Hockern<br />

quer zur Fahrtrichtung, jeweils sechs an beiden Längsseiten eines in der<br />

Mitte befindlichen Tisches. Angetrieben wird das Partybike durch Pedale,<br />

die von den an den Längsseiten sitzenden Personen getreten werden.<br />

Der Fahrer (ein Mitarbeiter des P) sitzt mit Blick in Fahrtrichtung<br />

auf einem Sitzplatz <strong>im</strong> Frontbereich des Gefährts, lenkt und bremst es;<br />

selbst antreiben kann er das Gefährt, das eine Fahrgeschwindigkeit von<br />

6 km/h bis 10 km/h erreicht, nicht. Auf dem Partybike befindet sich ein<br />

Behältnis für (alkoholische) Getränke und eine Soundanlage mit CD-<br />

Player. Der Fahrer trinkt während der Fahrt keine alkoholischen Getränke.<br />

Die zuständige Ordnungsbehörde der Stadt E untersagt P den<br />

Einsatz des Partybikes auf <strong>öffentlichen</strong> Straßen, Wegen und Plätzen <strong>im</strong><br />

Stadtgebiet, weil P den <strong>öffentlichen</strong> Verkehrsraum ohne die notwendige<br />

Sondernutzungserlaubnis benutze 93 .<br />

Nach geltendem Straßenrecht 94 ist der Gebrauch öffentlicher<br />

Straßen (sowie Wege und Plätze) jedermann <strong>im</strong> Rahmen der<br />

Widmung und der verkehrsrechtlichen Vorschriften gestattet;<br />

kein – erlaubnisfreier – Gemeingebrauch liegt vor, wenn die<br />

Straße nicht vorwiegend zum Verkehr, dem sie zu dienen best<strong>im</strong>mt<br />

ist, benutzt wird. Demgegenüber ist eine – erlaubnispflichtige<br />

– Sondernutzung gegeben, wenn die Straße über<br />

den Gemeingebrauch hinaus benutzt wird 95 . Maßgebend für<br />

die Abgrenzung zwischen Gemeingebrauch und Sondernutzung<br />

sind demnach die straßenrechtliche Widmung und der<br />

Verkehrsbezug der Straßenbenutzung 96 . Dabei meint »Verkehr«<br />

<strong>im</strong> klassischen Sinne die Benutzung der Straße zum Zwecke<br />

der Ortsveränderung (Fortbewegung),u. z. unter Einschluss<br />

des ruhenden Verkehrs; insbesondere in Fußgängerzonen und<br />

verkehrsberuhigten Bereichen tritt der »kommunikative Verkehr«alserlaubnisfreieBenutzungöffentlicherVerkehrsflächen<br />

hinzu 97 .<br />

Ob ein best<strong>im</strong>mtes Verhalten noch vom Gemeingebrauch<br />

umfasst ist, insbesondere ob die Straße (vorwiegend) zum Zwecke<br />

des Verkehrs benutzt wird, ist nach objektiven Merkmalen<br />

(d. h. dem äußeren Erscheinungsbild der konkreten Straßenbenutzung)<br />

zu entscheiden; auf äußerlich nicht erkennbare<br />

Absichten und Motive des Straßenbenutzers kommt es für<br />

die Zuordnung nicht an 98 . Ist <strong>im</strong> konkreten Fall eine Sondernutzung<br />

zu bejahen und wird die Straße ohne die erforderliche<br />

Erlaubnis benutzt, kann die Beendigung der Benutzung angeordnet<br />

werden 99 ; tatbestandlich genügt für den Erlass der Untersagungsverfügung<br />

die formelle Illegalität der Sondernutzung<br />

100 .<br />

87 VGH BW DVBl 1999, 333 (334) = NVwZ 1999, 560 (561) = VBlBW 1998, 428<br />

(430); VGH BW VBlBW 1999, 101 (104); Bindzus/Lange JuS 1996, 482 (486);<br />

Oppenborn JuS 1997, 480. – Be<strong>im</strong> »aggressiven« Betteln kann je nach Vorgehensweise<br />

des Bettlers u. U. eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts<br />

der belästigten Person gegeben sein; Holzkämper NVwZ 1994,<br />

146 (148): Beeinträchtigung der Entschließungsfreiheit von Passanten durch<br />

aufdringliches Verhalten.<br />

88 Näher zum normativen Gehalt dieses Schutzguts Schoch in: BesVwR (Fn. 4)<br />

2. Kap. Rdn. 126.<br />

89 VGH BW DVBl 1999, 333 (334) = NVwZ 1999, 560 (561) = VBlBW 1998, 428<br />

(430); VGH BW VBlBW 1999, 101 (104 f.); Höfling Die Verwaltung 33 (2000),<br />

207 (211 f.).<br />

90 Vgl. dazu oben Text zu Fn. 34.<br />

91 VGH BW DVBl 1999, 333 (335) = NVwZ 1999, 560 (561 f.) = VBlBW 1998,<br />

428 (431); Höfling Die Verwaltung 33 (2000), 207 (212 f.).<br />

92 Holzkämper NVwZ 1994, 146 (148) mit Hinweis darauf (S. 149), dass <strong>im</strong><br />

Einzelfall die öffentliche Ordnung verletzt sein könne.<br />

93 Fall in Anlehnung an OVG NW NVwZ-RR 2012, 422 und OVG NW GewArch<br />

2012, 93 = NWVBl 2012, 195; zu beiden Entscheidungen Schoch JK 5/12,<br />

StrWG NW § 22/2.<br />

94 § 13 I StrG BW; Art. 14 I BayStrWG; § 10 II BlnStrG; § 14 I BbgStrG; § 15 I<br />

BremLStrG; § 16 I, II HbgWG; § 14 HessStrG; § 21 I StrWG MV; § 14 I<br />

NdsStrG; § 14 I, III StrWG NW; § 34 I, III LStrG RP; § 14 I StrG SL; § 14 I<br />

SächsStrG; § 14 I StrG LSA; § 20 I StrWG SH; § 14 I ThürStrG. – Für Bundesfernstraßen:<br />

§ 7 I FStrG.<br />

95 § 16 I StrG BW; Art. 18 I BayStrWG; § 11 I BlnStrG; § 18 I BbgStrG; § 18 I<br />

BremLStrG; § 19 I HbgWG; § 16 I HessStrG; § 22 I StrWG MV; § 18 I NdsStrG;<br />

§ 18 I StrWG NW; § 41 I LStrG RP; § 18 I StrG SL; § 18 I SächsStrG; § 18 I StrG<br />

LSA; § 21 I StrWG SH; § 18 I ThürStrG. – Für Bundesfernstraßen: § 8 I FStrG.<br />

96 Lund DVBl 2011, 339 (340); Stahlhut in: Kodal (Fn. 53) Kap. 25 Rdn. 16 ff.<br />

und Rdn. 21.4 ff.<br />

97 VGH BW NVwZ-RR 2003, 238 (240) = VBlBW 2002, 297 (299) ? Schoch JK<br />

11/02, StrG BW § 16/2.<br />

98 OVG Bln-Bbg BeckRS 2012, 48179; OVG Hamburg DVBl 2012, 504 (505 f.);<br />

a. A. noch VGH BW NVwZ 1998, 91; relativierend VGH BW NVwZ 2003, 238<br />

(241) = VBlBW 2002, 297 (301): innere Motivation unbeachtlich, nach außen<br />

dokumentierte (Verkaufs-)Motivation relevant.<br />

99 § 16 VIII 1 StrG BW; Art. 18 a I 1 BayStrWG; § 14 I 1 BlnStrG; § 20 I 1 BbgStrG;<br />

§ 61 S. 1 HbgWG; § 17 a I 1 HessStrG; § 25 I 1 StrWG MV; § 22 S. 1 NdsStrG;<br />

§ 22 S. 1 StrWG NW; § 41 VIII 1 LStrG RP; § 18 VIII 1 StrG SL; § 20 I 1<br />

SächStrG; § 20 I 1 StrG LSA; § 21 VII 1 StrWG SH; § 20 I 1 ThürStrG. –<br />

Für Ortsdurchfahrten von Bundesfernstraßen: § 8 VIIa 1 FStrG.<br />

100 VGH BW VBlBW 2006, 239; OVG Bremen NVwZ-RR 1997, 385 (386); OVG<br />

NW NVwZ-RR 2000, 429 (430) = NWVBl 2000, 216 (217) ? Ehlers JK 11/00,<br />

StrWG NRW § 22/1; OVG NW NVwZ-RR 2012, 422 (424) und GewArch<br />

2012, 93 (94) = NWVBl 2012, 195 (197).<br />

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Heruntergeladen am | 10.11.13 21:52

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