Pfarreiblatt 22/2011 - Katholische Kirchgemeinde Kriens
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Thema 17<br />
Die Legende vom vierten König<br />
Krippe und Kreuz sind nah<br />
Der deutsche Schriftsteller Edzard<br />
Schaper, der 1984 in Bern starb, hat<br />
die folgende russische Legende<br />
meisterhaft gestaltet. Auf eindrückliche<br />
Art drückt die Legende die<br />
theologische Nähe von Weihnachten<br />
und Ostern aus.<br />
Ausser Caspar, Melchior und Balthasar<br />
war auch ein vierter König aus<br />
dem Morgenland aufgebrochen, um<br />
dem Stern zu folgen, der ihn zu dem<br />
göttlichen Kind führen sollte. Dieser<br />
vierte König hiess Coredan. Drei<br />
wertvolle rote Edelsteine hatte er zu<br />
sich gesteckt und mit den drei anderen<br />
Königen einen Treffpunkt vereinbart.<br />
Doch Coredans Reittier lahmte.<br />
Und so kam er nur langsam voran.<br />
Wer gibt, wird neu empfangen: roter Edelstein.<br />
(Foto: www.max3d.pl)<br />
Hilft allen Bedrohten<br />
Plötzlich entdeckte er am Wegrand<br />
ein blutendes und bitterlich weinendes<br />
Kind. Voll Mitleid nahm er das<br />
Kind auf sein Pferd, übergab es im<br />
nächsten Dorf einer Frau zur Pflege<br />
und vermachte dem Kind einen Edelstein,<br />
damit sein Leben gesichert sei.<br />
Dann ritt er weiter und fragte die<br />
Menschen nach dem Weg, weil er<br />
den hellen Stern verloren hatte.<br />
Als er diesen wieder erblickte, wies<br />
ihn der Stern durch eine Stadt, wo er<br />
einen Leichenzug antraf. Hinter dem<br />
Sarg schritt eine verzweifelte Frau mit<br />
ihren Kindern. Diese waren in Schulden<br />
geraten, und vom Grabe weg<br />
sollten die Frau und die Kinder als<br />
Sklaven verkauft werden. Coredan<br />
gab ihnen den zweiten Edelstein, der<br />
eigentlich dem neugeborenen König<br />
zugedacht war. Erst nach langer Zeit<br />
fand Coredan erneut den Stern, der<br />
ihn durch ein fremdes Land führte, in<br />
dem Krieg wütete. In einem Dorf hatten<br />
Soldaten die Bauern zusammengetrieben,<br />
um sie grausam zu töten.<br />
Die Frauen schrien und Kinder wimmerten.<br />
Mit zitternden Händen übergab<br />
Coredan ihnen auch seinen letzten<br />
Edelstein und rettete so die Männer<br />
vor dem Tod und das Dorf vor der<br />
Verwüstung.<br />
Wird Bettler und Sklave<br />
Müde und traurig ritt er jahrelang weiter.<br />
Doch sein Stern leuchtete nicht<br />
mehr. Zuletzt ging er zu Fuss, weil er<br />
auch sein Pferd verschenkt hatte.<br />
Schliesslich bettelte er und pflegte<br />
Kranke. Eines Tages kam er am Hafen<br />
einer Stadt gerade dazu, als ein Vater<br />
seiner Familie entrissen und auf eine<br />
Galeere verschleppt werden sollte.<br />
Coredan bot sich anstelle des Familienvaters<br />
selbst an. Nach Jahren auf der<br />
Galeere entdeckte er endlich seinen<br />
Stern wieder und man liess ihn unerwartet<br />
frei. Im nächtlichen Traum rief<br />
ihm eine Stimme: «Eile, eile!» Sofort<br />
brach Coredan auf und kam an die<br />
Tore einer grossen Stadt.<br />
Begegnet dem wahren König<br />
Aufgeregte Gruppen zogen ihn mit,<br />
hinaus vor die Mauern. Oben auf einem<br />
Hügel ragten drei Kreuze. Coredans<br />
Stern, der ihn einst zu dem Kind<br />
führen sollte, blieb über dem Kreuz<br />
in der Mitte stehen, leuchtete noch<br />
einmal auf und war dann erloschen.<br />
Ein Blitzstrahl warf den müden Greis<br />
zu Boden. «So muss ich also sterben»,<br />
flüsterte er in jäher Todesangst, «sterben,<br />
ohne dich gesehen zu haben? So<br />
bin ich umsonst durch die Städte und<br />
Dörfer gewandert wie ein Pilger, um<br />
dich zu finden? Endlich bin ich da,<br />
meine Hände sind leer, aber mein<br />
Herz ist reich.» Da faltete der vierte<br />
König die Hände. Drei Blutstropfen<br />
des sterbenden Jesus fielen in diese<br />
gefalteten Hände. Dann neigte Jesus<br />
das Haupt und starb.<br />
Als der vierte König seine Hände wieder<br />
aufmachte, da waren die Blutstropfen<br />
verschwunden, sie waren zu<br />
drei herrlichen, roten Edelsteinen geworden.