MARTIN SCHALLER
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86 Meine kultur<br />
GRAZETTA: Warum baut und erhält die Katholische Kirche?<br />
Hertha Ferk: Die Kirche hat einen Auftrag. In erster Linie,<br />
was Gebäude betrifft, Substanz zu erhalten, weil unser Grundauftrag<br />
die Seelsorge ist. Um das gut machen zu können, brauchen wir<br />
eine gesicherte Infrastruktur. Das heißt, wir haben die kirchlichen<br />
Gebäude, um unseren Grundauftrag zu erfüllen. Mit diesen Gebäuden<br />
schaffen wir Orte für den Gottesdienst, Orte für Begegnung, wo<br />
sich Menschen von jung bis alt treffen können und Gemeinschaft<br />
erlebt wird. Nachdem wir flächendeckend 388 Pfarren in der Steiermark<br />
haben, kann man sagen, dass auch wirklich eine Seelsorge vor<br />
der Haustüre möglich ist.<br />
GRAZETTA: Ist es etwas Besonderes, dass es die Seelsorge flächendeckend<br />
in der Steiermark gibt?<br />
H. Ferk: Aus der Geschichte heraus ist die Kirche in Österreich<br />
so entstanden, dass die nächste Pfarrkirche zu Fuß erreichbar<br />
sein musste, weshalb die Pfarren regional auch demnach positioniert<br />
wurden und wir diese heute noch haben. Natürlich herrscht unter<br />
den neuen demographischen Gegebenheiten und der Zunahme der<br />
Mobilität eine neue Sachlage, die wir durch die Gründung von Pfarrverbänden<br />
zu bewältigen versuchen. Gleichzeitig ist unser Auftrag<br />
aber auch in jeder Pfarre, diese Kulturdenkmäler und den seelsorglichen<br />
Raum zu erhalten. Wir legen großen Wert darauf, dass es jede<br />
einzelne Pfarre weiterhin gibt, weil diese den Ort strukturiert und<br />
die Menschen etwa durch die Taufe, die Firmung oder die Eheschließung<br />
schließlich auch eine Verbindung zu „ihrer“ Kirche haben.<br />
GRAZETTA: Wie viele Bauten betreut die Diözese steiermarkweit<br />
bzw. im Grazer Raum?<br />
H. Ferk: Die Diözese Graz-Seckau besitzt 2.400 Gebäude in<br />
der Steiermark, wobei ein Drittel Sakralgebäude sind. Die anderen<br />
zwei Drittel repräsentieren weltliche Gebäude, wie Seelsorgeräume,<br />
Pfarrhöfe und die notwendigen Verwaltungsräume für die Pfarrkanzlei<br />
vor Ort. Die kirchlichen Bauwerke gilt es auch für unsere<br />
Nachwelt zu erhalten, weil sie von unschätzbarem kulturhistorischem<br />
Wert sind, die Kultur des Miteinanders fördern, aber auch<br />
den Tourismus beleben.<br />
GRAZETTA: Was bedeutet dieses Bauen für die steirische<br />
Wirtschaft?<br />
H. Ferk: Sehr viel. Wir haben heuer eine Studie veröffentlicht,<br />
die wir vor einem Jahr genau zu diesem Aspekt in Auftrag<br />
gegeben haben, weil wir wirklich transparent machen wollen, was<br />
das kirchliche Handeln in Bezug auf die Bauten aussagt. Das JO-<br />
ANNEUAM RESEARCH hat die Studie „Auswirkungen kirchlicher<br />
Baumaßnahmen auf die steirische Wirtschaft“ von 2002 bis 2012<br />
ausgeführt und ermittelt, dass in diesem Beobachtungszeitraum<br />
rund 295 Mio. Euro in bauliche und Erhaltungsausgaben der Katholischen<br />
Kirche Steiermark investiert wurden. Auch in konjunkturschwachen<br />
Jahren hat die Kirche durchschnittlich jährlich etwa<br />
30 Mio. Euro Bauvolumen ausgegeben, wobei ein Großteil der Aufträge,<br />
nämlich 95 Prozent direkt an steirische Unternehmen ging.<br />
Die Wertschöpfung für den entsprechenden Zeitraum beträgt gemessen<br />
in Vollzeitarbeitsplätzen, als weiteren Effekt der getätigten<br />
Investitionen, 230 ausgelastete Vollzeit-Arbeitsplätze für zehn Jahre.<br />
GRAZETTA: Müssen die Pfarren dieses Budget eigentlich<br />
selbst lukrieren? Wer finanziert die Renovierungsarbeiten?<br />
H. Ferk: Die Finanzierung in der Kirche fußt auf mehreren<br />
wichtigen Säulen, wobei der Kirchenbeitrag die allerwichtigste Säule<br />
darstellt. Wenn ich das Jahresergebnis der Diözese Graz-Seckau<br />
hernehme, sind das von der Einnahmenseite 83 Prozent Kirchenbeitrag.<br />
Eine weiter Säule sind die unverzichtbaren Spenden, über die<br />
wir sehr froh sind. Diese Spenden sind was das Bauen betrifft meistens<br />
projektbezogen. Wenn ein Kirchendach saniert wird, gibt es<br />
oft die kreativsten Ideen, um Mittel aufzubringen. Die öffentlichen<br />
Gelder sind auch projektbezogen, denn ein Großteil unserer Gebäude<br />
befindet sich unter Denkmalschutz. Demnach habe ich sogar die<br />
Verpflichtung, diese Gebäude zu erhalten. Die letzte wichtige Säule<br />
ist die freiwillige Arbeitsleistung, die Menschen zur Verfügung stellen<br />
und das ist vor allem eine Leistung, die man nicht unterschätzen<br />
darf und die genauso notwendig ist. Das Budget basiert aber auch<br />
auf Eigeneinnahmen, durch Vermieten oder Verpachten.