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Ausgabe 04/2013 - Kulturnews

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Poprock<br />

Herz über Kopf<br />

Vom Fan zum Bandmitglied: Anna Loos liebte schon vor ihrer DDR-Flucht die Band<br />

Silly, 2010 stieg die preisgekrönte Schauspielerin dann als Sängerin ein – und führt den<br />

Erfolgsweg fort. Ein Interview über Druck, Streitkultur und Vaterlandsliebe.<br />

Anna, fühlst du dich eher als Schauspielerin oder Sängerin?<br />

Anna Loos: Ich bin Schauspielerin mit Leib und Seele, zum Glück kann<br />

ich mir meine Projekte mittlerweile aussuchen. Die nächsten fünf Jahre<br />

habe ich eine grobe Planung, <strong>2013</strong> hab ich mir – bis auf einen Film – für<br />

die Band frei gehalten. 24 Monate haben wir hart am Album gearbeitet,<br />

wir lagen uns in den Armen und hingen in den Seilen, weil wir am Ende<br />

völlig geschafft waren.<br />

Sind Silly wieder eine Band?<br />

Loos: Gemeinsam sind wir Silly, und dieses Jahr ist Band angesagt. Im<br />

Westen kennen uns viele noch nicht, für die neuen Fans sind auch die alten<br />

Songs neu.<br />

Ritchie Barton: Vor „Alles rot“ hatten wir zehn Jahre Pause, in denen Uwe<br />

und ich für Theater und Film komponiert haben. Ein Bandalbum zu machen<br />

ist etwas anderes, wir mussten uns wieder reinfinden.<br />

Für das neue Album „Kopf an Kopf“ hat Anna zehn Songtexte geschrieben.<br />

Loos: Wenn man seine eigenen Gedanken zu Texten macht, wirken die<br />

Lieder authentischer. Also habe ich, mithilfe eines befreundeten Texters,<br />

selber geschrieben.<br />

Uwe Hassbecker: Schon bei „Alles rot“ hatte Anna den Wunsch, sich mehr<br />

einzubringen. Aber das ist eine Entwicklung, die Zeit braucht. Jetzt ist der<br />

Wunsch wahr geworden.<br />

Anna, worum geht es in „Blutsgeschwister“?<br />

Loos: Ich war 17, als ich mit meiner besten Freundin geflohen bin. Dieser<br />

Song berichtet auch von unserem Gang durchs Minenfeld. Hinterher sind<br />

wir unserer Wege gegangen und haben uns total auseinandergelebt. Das<br />

hat echt weh getan.<br />

Im Stück „Im Kreis“ stellst du dir vor, als spießige Oma zu enden …<br />

Loos: Spießig aus jugendlicher Sicht. Ich glaube nicht, dass ich mich selbst<br />

irgendwann für spießig halte, aber meine Kinder tun das heute schon.<br />

Manchmal fühle ich mich wie 18, doch für sie bin ich eine alte Frau. Bei<br />

meinen Enkeln wird’s wahrscheinlich noch schlimmer werden … Deshalb<br />

stelle mir vor, wie ich spießig, alt und fett Apfelkuchen backe.<br />

In „Vaterland“ hingegen geht es um die unheilige deutsche Tradition der<br />

Waffenexporte – mit der Frage: „Wie lieb ich son Land?“ …<br />

Loos: Der Text stammt von Werner Karma (dem einstigen Stammtexter von<br />

Silly, Die Red.), es ist eins meiner Lieblingslieder. Es gab immer kritische<br />

Songs von Silly, das ist wichtig für die Band, weil wir die Gesellschaft kritisch<br />

betrachten.<br />

Barton: Wir hatten mit dem Begriff „Vaterland“ unsere Probleme. Ich weiß<br />

gar nicht, was Vaterlandsliebe sein soll. Meine Ehefrau stammt aus Bulgarien,<br />

die versteht nicht, dass wir nicht haben, was alle europäischen Länder<br />

haben. Aber wegen unserer Vergangenheit geht es eben nicht.<br />

Loos: Dabei lieben wir unsere Heimat, wir lieben Berlin und Europa. Wir<br />

haben eine tolle Kultur, es gibt hier großartige Komponisten und Schriftsteller.<br />

Ich bin froh, dass ich in dieses Land hineingeboren wurde! Aber es<br />

existieren Altlasten. Im Zweiten Weltkrieg haben Leute viel Geld mit Waffen<br />

verdient. Diese Leute gibt es immer noch, sie produzieren immer noch<br />

Waffen, aber niemand spricht über sie.<br />

Wie war eigentlich eure Zusammenarbeit bei „Kopf an Kopf“?<br />

Hassbecker: Dickköpfig …! Wo gehobelt wird, fallen Späne – und bei uns<br />

wurde gehobelt. Es gab natürlich auch einen gewissen Druck, den der<br />

Erfolg von „Alles rot“ erzeugt hat. Man versucht nicht daran zu denken, aber<br />

irgendwie sitzt der einem doch im Nacken.<br />

Loos: Wir sind vier Individualisten, jeder hat eine eigene Meinung.<br />

Es heißt, über Geschmack lässt sich nicht streiten.<br />

Jäcki Reznicek: Aber man kann sich annähern in der Diskussion, ein<br />

kreativer Streit bringt schon etwas.<br />

Loos: Wir sind immer glücklicher herausgekommen, als wir hineingegangen<br />

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