Ausgabe 04/2013 - Kulturnews
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Chansonjazz<br />
Foto: Rocky Schenk<br />
Madeleine Peyroux<br />
Der Abgrund rumort<br />
Der Geschlechterkampf ist noch längst nicht zu Ende, behauptet Madeleine Peyroux –<br />
und beweist das mit einem überraschenden Kunstgriff bei ihrer Mauswahl.<br />
Auf ihrer CD „The Blue Room“ hat die amerikanische Sängerin Madeleine<br />
Peyroux ausschließlich Lieder aufgenommen, die ursprünglich von Männern<br />
gesungen wurden. Wenn man sie nach diesem Umstand fragt, erntet man<br />
einen ausführlichen Monolog.<br />
Was man sexuelle Revolution nennt, doziert Peyroux, sei noch längst<br />
nicht beendet. Es wurmt sie, dass es im Popgeschäft bis heute kaum<br />
erfolgreiche Songschreiberinnen gibt. Und warum wird von einer<br />
Musikerin stets Perfektion erwartet, während sich ein Musiker ruhig zu seinen<br />
Schwächen bekennen darf? Das versteht sie nicht, wirklich. Und als<br />
sie einem guten Freund kürzlich ihre Version von Randy Newmans „Guilty“<br />
vorgespielt hat, sagte der doch tatsächlich zu ihr: „Ich denke, diese<br />
Nummer passt nicht zu einer Sängerin.“<br />
Das irritierte Peyroux, sie wurde richtig wütend, sagt sie, schließlich hat<br />
sie eine Aversion gegen überholte Geschlechterklischees. „Hey, wir Frauen<br />
sind nicht nur brav und lieb“, regt sie sich auf. „Auch in uns rumoren<br />
Abgründe!“<br />
Deswegen geht Peyroux gern auf Konfrontationskurs. Sie pocht auf ihre<br />
Stärke; auf ihr neues Album ist sie unheimlich stolz. Ursprünglich hatte sie<br />
mit ihrem Produzenten Larry Klein eine Hommage an Ray Charles’ legendäre<br />
Platte „Modern Sounds of Country and Western Music“ aus dem Jahr<br />
1962 geplant, doch schon bald erweiterte sie ihr Repertoire. „Es hat mich<br />
einfach gereizt“, sagt sie, „etwas tiefer in die Musikgeschichte einzutauchen.“<br />
Deshalb folgt auf Ray Charles’ „Bye bye Love“ Buddy Hollys „Changing<br />
all your Changes“. Später gesellen sich Leonard Cohens „Bird on a Wire“<br />
oder Warren Zevons „Desperados under the Eaves“ dazu. So bringt ihr Album<br />
Jazz, Soul, Blues, Country und Pop zusammen. Die oft bittersüße Musik<br />
findet ihre Schönheit in Molltönen, sie ordnet sich Madeleine Peyroux’ dunkel<br />
getönter Stimme unter. Sogar Vince Mendozas anschmiegsame Streicherarrangements<br />
lassen dem Gesang den Vortritt.<br />
Dadurch gelingt es der 40-Jährigen, jeder dieser Nummern etwas Eigenes<br />
hinzuzufügen. Die meisten Titel kennt sie eh seit ihrer Kindheit, obwohl sie<br />
damals keine große Plattensammlung besaß. „Von meinem Taschengeld<br />
konnte ich mir nicht viel leisten“, sagt sie, „also haben mir Freunde ein paar<br />
Lieblingslieder auf Kassette überspielt.“<br />
Kopieren also bringt die Kunst voran – lass das mal nicht die Musikindustrie<br />
hören!<br />
Dagmar Leischow<br />
The blue Room erscheint am 12. April.<br />
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