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MARIA CALLAS Eine Sendereihe von Jürgen Kesting - Kulturradio

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Maria Callas – 5. Folge Seite 8 <strong>von</strong> 9<br />

Kaum dass das „nuovo delitto begangen, ziehen Gäste in den Palast des<br />

mörderischen Paares ein. Macbeth fordert die Lady auf, sie willkommen zu heißen –<br />

mit einem Trinkspruch. Zur Ausführung schrieb Verdi am 2. Januar 1847 an<br />

Marianna Barbieri-Nini, die Sängerin der Uraufführung.<br />

Es ist nicht nötig, Ihnen zu sagen, dass das Brindisi leicht und brillant und mit allen<br />

Appoggiaturen, Gruppetti und Mordenten gesungen werden muss. Ich kann mich<br />

nicht genau erinnern, ob Sie mühelos Triller singen. Ich habe Triller vorgesehen,<br />

aber ich habe nichts dagegen, wenn Sie sie auslassen.<br />

Dieses Trinklied kommt in virtuoser Einkleidung daher, erfordert also wieder die<br />

Reserven großen technischen Könnens; es klingt jedoch nicht, anders als das<br />

Brindisi aus „La Traviata“, wie ein Gesang exuberanter Lebensfreude. Durch eine<br />

Gegenhandlung wird denn auch deutlich, dass dieses Lied nichts ist als ein Versuch,<br />

Heiterkeit vorzutäuschen; es dient wieder dem Suspense. Ein Mörder erscheint in<br />

der Tür und berichtet Macbeth vom Tod Bancos. Macbeth gerät in Panik. Auf die<br />

Frage der Lady, was ihn <strong>von</strong> den Freuden des Festes abhalte, erwidert Macbeth, er<br />

warte auf den Nobelsten der Gäste: auf Banco. Wie er sich auf dessen Platz setzen<br />

will, erscheint Macbeth der Geist des Ermordeten. Alsbald verliert er die Kontrolle<br />

über sich. In einer Panikattacke fleht er Banco an, er möge ihn nicht der Mordtat<br />

bezichtigen. Auf die Mahnung der Lady, sich zu ermannen, erwidert er.<br />

Ja, und kühn dazu, da ich etwas anblicke, was selbst dem Teufel Schrecken einjagen<br />

würde … da … da … erkennst du ihn nicht?<br />

(zum Geist )<br />

Oh, wenn du den Kopf schütteln kannst, dann sprich auch! Schicken die Gräber uns<br />

die Toten zurück?<br />

Mit angestrengter Munterkeit nimmt die Lady wieder den Gesang auf, dessen<br />

virtuoser Gestus in einem grotesken Kontrast zum Geschehen steht.<br />

Musik 12<br />

EMI 5 66447-2<br />

LC 06646<br />

T.128<br />

Giuseppe Verdi, MACBETH<br />

„Si colmi il calice“ Maria Callas, Sopran<br />

Orchester des Teatro alla Scala. Victor de<br />

Sabata<br />

02:00<br />

Mit Blick auf den „Macbeth“ also <strong>von</strong> einer „Oper ohne Gesang“ zu sprechen, ist<br />

irrig. Es ging dem Komponisten um eine im Gesang vermittelte psychologische<br />

Wahrhaftigkeit: um die Erkundung eines kranken, eines schauerlich kranken<br />

Seelenlebens. Dabei folgte Verdi der Maxime:<br />

Die Wahrheit nachzubilden mag gut sein. Die Wahrheit zu erfinden ist besser, viel<br />

besser.<br />

Verdi gibt der Lady die Physiognomie eines Weibsteufels, die zunehmend die<br />

Kontrolle verliert. Ihr Schlussgesang ist ein innerer Monolog manisch kreisender<br />

und Gedanken und wahnhafter Bilder. Aber anderes als in vielen Wahnsinnsszenen<br />

fehlt diesem Gesang ein idealistischer oder tröstender Widerschein. Von der<br />

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