Klinische Perlen aus dem Alltag von Praxis und Spital - Vereinigung ...
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Symposium VZI 2009<br />
<strong>Klinische</strong> <strong>Perlen</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Alltag</strong><br />
A. Ciurea & M. Meier
Fall 1<br />
Martina Meier<br />
Oberärztin Medizin<br />
<strong>Spital</strong> Bülach
Leukämie?<br />
45 jähriger Patient<br />
Zugewiesen <strong>von</strong> der Notfallärztin mit<br />
Verdacht auf Leukämie bei Panzytopenie<br />
<strong>und</strong> Gingiva-Blutung
Anamnese<br />
Rezidivierendes Erbrechen seit 2 Wochen<br />
Appetitlosigkeit, Diarrhoe<br />
Bewegungsabhängige Schmerzen des linken<br />
Knies <strong>und</strong> beider Hüften
Noxen<br />
1 Flasche Rotwein <strong>und</strong> 7 dl Schnaps/Tag<br />
Nikotin, kumulativ ca. 30 py<br />
Sporadisch Cannabis <strong>und</strong> Heroin Konsum
Status<br />
Verwahrloster 45j. Patient in reduziertem AZ,<br />
adipös (BMI 41kg/m2), Vitalparameter stabil<br />
Kardiopulmonal unauffällig<br />
Abdomen <strong>aus</strong>ladend, weich, normale DG<br />
Schmerzbedingte Bewegungseinschränkung<br />
beider Knie <strong>und</strong> Hüften, keine Überwärmung<br />
oder Rötung
Integument
Integument
Labor
Labor
Ursache der erhöhten LDH?<br />
1. Äthylische Hepatitis<br />
2. Myokardinfarkt<br />
3. Intramedulläre Hämolyse<br />
4. Muskelabbau bei katabolem Zustand
1. Frage Fall 1:<br />
Ursache der erhöhten LDH?<br />
1) Äthylische Hepatitis<br />
15.1%<br />
2) Myokardinfarkt<br />
0.7%<br />
3) Intramedulläre Hämolyse<br />
46.0%<br />
4) Muskelabbau bei katabolem<br />
Zustand<br />
38.1%
Hypoproliferative makrozytäre<br />
hyperchrome Anämie<br />
Vermutungsdiagnose: Vitamin B12-Mangel
DD Vitamin B12-Mangel<br />
Perniziöse Anämie (atrophe Gastritis)<br />
Nutritiv<br />
Gastroskopie: kein Nachweis einer atrophen Gastritis<br />
Intrinsic Factor <strong>und</strong> Antiparietalzell-Ak negativ<br />
Ätiologie also am ehesten nutritiv
Anamnese - Teil 2<br />
Ernährungsanamnese
Frühstück<br />
Käse<br />
Weissbrot
Abendessen<br />
Weisser Reis<br />
Wenig Fleisch
Getränk
Abklärung Haut- <strong>und</strong> Gelenkbeschwerden?<br />
1. Rheumatologische Abklärung:<br />
Röntgen, BSR, Immunserologie<br />
2. Weitere Vitamin-Spiegel abnehmen<br />
3. Hautbiopsie<br />
4. Überweisung ans USZ
2. Frage Fall 1:<br />
Abklärung Haut- <strong>und</strong> Gelenkbeschwerden?<br />
1) Rheumatologische Abklärung: Röntgen,<br />
BSR, Immunserologie<br />
44.8%<br />
2) Weitere Vitamin-Spiegel abnehmen<br />
44.8%<br />
3) Hautbiopsie<br />
9.8%<br />
4) Überweisung an USZ 0.7%
Ursache für dermatologische<br />
Veränderungen <strong>und</strong> Gelenkbeschwerden?<br />
Vitamin C
Zu Skorbut passende Symptome:<br />
Plantare Hyperkeratose<br />
Perifollikuläre Hämorrhagien<br />
Korkenzieherhaare<br />
Zahnverlust<br />
Diffuse Gelenkbeschwerden, insbesondere der<br />
grossen Gelenke
Vitamin C (Ascorbinsäure)<br />
Geschichte:<br />
Skorbut schon bei Ägyptern beschrieben<br />
Haupttodesursache <strong>von</strong> Seeleuten durch Ernährung<br />
<strong>von</strong> Pökelfleisch <strong>und</strong> Zwieback<br />
Verlust <strong>von</strong> 100/160 Mann auf einer Reise <strong>von</strong> Vasco<br />
da Gama<br />
James Lind 1754, britischer Schiffsarzt, entdeckte<br />
die Wirkung <strong>von</strong> Zitrusfrüchten gegen Skorbut
Skorbut<br />
Skorbut-Epi<strong>dem</strong>ien im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert:<br />
Weltkriege, Konzentrationslager, Gulag<br />
Kinder der deutschen Nachkriegszeit
James Lind, 1716-1794
Albert <strong>von</strong> Szent-Györgyi<br />
1893-1986<br />
1931 Isolation <strong>von</strong><br />
Ascorbinsäure <strong>aus</strong><br />
Kohl, Paprika,<br />
Orangen <strong>und</strong><br />
Nebennieren
Tadeus Reichstein, 1897-1996<br />
gelingt die Vitamin C<br />
Synthese <strong>aus</strong> Glucose<br />
1950 Nobelpreis der<br />
Medizin
Rolle <strong>von</strong> Vitamin C<br />
Reduktion <strong>von</strong> Eisen <strong>und</strong> Folsäure<br />
Kollagensynthese: Prolin- <strong>und</strong> Lysin-Hydroxylierung<br />
Mangel: gestörte W<strong>und</strong>heilung, gestörte Zahnbildung,<br />
gestörte Osteoblasten- <strong>und</strong> Fibroblastenfunktion<br />
Noradrenalin-Synthese <strong>aus</strong> Dopamin braucht Vitamin C
Skorbut<br />
Wirbeltiere können Vitamin C herstellen mit Hilfe<br />
des Enzyms L-Gluconolacton-Oxidase<br />
Menschen, Meerschweinchen <strong>und</strong> Schlangen fehlt<br />
dieses Enzym, deshalb können sie an Skorbut<br />
erkranken
Skorbut<br />
Auftreten ca. 3 Monate nach letzter Vit. C-Einnahme<br />
Vitamin C-Einnahme <strong>von</strong>
Fall 2<br />
Annette Ciurea<br />
Leitende Ärztin Notfallstation<br />
<strong>Spital</strong> Bülach
37 jährige Frau mit linksseitigem Thoraxschmerz<br />
Anamnese<br />
stechender Schmerz beim Einatmen linker Thorax seit ein paar<br />
Tagen, konsekutiv Atemnot. Sonst ges<strong>und</strong>, keine Medikamente<br />
Labor<br />
Lc 7600, Hb 13,5g/dl, Tc 223‘000, CRP
37 jährige Frau mit linksseitigem Thoraxschmerz<br />
Überweisung ins <strong>Spital</strong>:<br />
Verdacht auf Lungenembolie<br />
Status im <strong>Spital</strong><br />
Guter AEZ, BD 114/67 mmHg, Puls 83/Min.,<br />
O 2 -Sättigung 99%, AF 18/Min.,<br />
Temperatur axillär 36,7°<br />
kardiopulmonale Untersuchung bland
Modifizierte Wells Kriterien<br />
• <strong>Klinische</strong> Symptome für TVT (3 Punkte)<br />
• Andere Diagnosen weniger wahrscheinlich als LE (3 Punkte)<br />
• Puls >100 (1.5 Punkte)<br />
• Immobilisation ≥3 Tage od. Operation in letzten 4 Wo (1.5 Pkte)<br />
• Status nach TVT/LE (1.5 Punkte)<br />
• Hämoptyse (1 Punkt)<br />
• Tumorleiden (1 Punkt)<br />
Unsere Patientin: 0 Punkte (< 4 Punkte: LE unwahrscheinlich)<br />
(van Belle et al, JAMA 2006 Jan 11; 295 (2): 172-9)
Algorhythmus bei Verdacht auf Lungenembolie<br />
Quelle uptodate: van Belle et al. JAMA 2006; 295:172
1: Immer<br />
2: Häufig<br />
3: Selten<br />
4: Nie<br />
Frage 1:<br />
Wie oft wenden sie einen Algorithmus bei<br />
Abklärung einer TVT oder LE an?<br />
5: Kenne keinen
1. Frage Fall 2:<br />
Wie oft wenden Sie einen Algorhythmus bei Abklärung einer<br />
TVT oder LE an?<br />
1) immer<br />
8.3%<br />
2) häufig<br />
17.3%<br />
3) selten<br />
30.8%<br />
4) nie<br />
26.3%<br />
5) kenne keinen 17.3%
Initiale Abklärungen<br />
Labor:<br />
D-Dimer 499 (Norm 68-494)
Algorhythmus bei Verdacht auf Lungenembolie<br />
Quelle uptodate: van Belle et al. JAMA 2006; 295:172
1: CT Thorax<br />
Frage 2:<br />
Was ist Ihr nächster Schritt?<br />
2: symptomatische Therapie mit NSAR<br />
3: Lungenfunktionsprüfung<br />
4: Konsilium Pneumologie<br />
5: Anamnese erweitern
2. Frage Fall 2:<br />
Was ist Ihr nächster Schritt?<br />
1) Thorax CT<br />
40.5%<br />
2) Symptomatische Therapie mit NSAR<br />
19.6%<br />
3) Lungenfunktionsprüfung<br />
0.6%<br />
4) Konsilium Pneumologie<br />
0.6%<br />
5) Anamnese erweitern 38.6%
Differentialdiagnose multiple Lungenr<strong>und</strong>herde<br />
Maligne<br />
(Mamma, Melanom, Non Hodgkin Lymphom, ..)<br />
Infektiös<br />
(bakteriell embolisch, abszedierend, Pilze)<br />
Entzündlich<br />
(Sarkoidose, Wegener Granulomatose, rheumatoide<br />
Arthritis,..)<br />
Pneumokoniose<br />
(Silikose, ..)
Frage 3:<br />
Welche Ursachengruppe kommt am ehesten<br />
in Betracht?<br />
1: Maligne<br />
2: Infektiös<br />
3: Entzündlich<br />
4: Pneumokoniose<br />
5: Keine Ahnung
3. Frage Fall 2:<br />
Welche Ursachengruppe kommt am ehesten in Betracht?<br />
1) Maligne<br />
19.5%<br />
2) Infektiös<br />
14.1%<br />
3) Entzündlich<br />
51.0%<br />
4) Pneumokoniose<br />
8.1%<br />
5) Keine Ahnung 7.4%
Anamnese erweitern<br />
Systemanamnese:<br />
Morgensteifigkeit, Schwellung <strong>und</strong> Schmerzen in<br />
beiden Händen<br />
Status:<br />
Leichte Synovitis einzelner MCP beider Hände
Abklärung bei Verdacht auf rheumatoide Arthritis<br />
Immunserologie:<br />
Rheumafaktor
Diagnose<br />
Rheumatoide Arthritis mit<br />
Polyarthritis beider Hände<br />
pulmonalen <strong>und</strong> pleurale Rheumaknoten
Lungenbefall bei rheumatoider Arthritis<br />
Interstitium<br />
- interstitielle Pneumonitis/-fibrose<br />
-BOOP<br />
- Rheumaknoten<br />
Atemwege<br />
- obliterative Bronchiolitis<br />
- Bronchiektasen<br />
- chronische Obstruktion der kleinen Atemwege<br />
Pleuritis<br />
- Pleuraerguss, Pleuraverdickung<br />
Pulmonale Gefässe: pulm. Hypertonie, Vaskulitis
Lungenbefall bei rheumatoider Arthritis<br />
Pleurale Beteiligung bei RA bei Autopsie in 70%<br />
Pleuraergüsse meist einseitig (Transsudat/Exsudat)<br />
Pulmonale Rheumaknoten meist peripher gelegen,<br />
einzeln oder multipel. Oft in Assoziation mit<br />
subkutan gelegenen Knoten. Asymptomatisch.<br />
Pulmonale Beschwerden entstehen im Verlauf oft<br />
durch die Therapie (rezidivierende Infekte, NW<br />
durch MTX, u.a.)
Frage 4:<br />
Welche Aussage zu Rheumaknoten stimmt?<br />
1: Histologisch bestehen sie <strong>aus</strong> zentraler Nekrose mit<br />
palisadenartig angeordneten Makrophagen & Lymphozyten<br />
2: Kommen auch im Perikard vor<br />
3: Rauchen erhöht das Auftreten <strong>von</strong> Rheumaknoten<br />
4: Sind bei ca. 30% der Patienten mit RA vorhanden<br />
5: Alle sind richtig
Rheumaknoten<br />
Abb. <strong>aus</strong>: St. Clair, Pisetsky, Haynes, Eds., Rheumatoid arthritis, Lippincott, 2004.<br />
Forster, Ed., Aktuelle Aspekte in der Therapie der RA, Uni-Med 2007.
Fall 3<br />
Martina Meier<br />
Oberärztin Medizin<br />
<strong>Spital</strong> Bülach
Fall 3<br />
34 jähriger Patient<br />
Selbstzuweisung auf Notfallstation
Jetziges Leiden<br />
Flug <strong>von</strong> Hannover nach Zürich<br />
Bemerkt 10 Minuten nach <strong>dem</strong> Start ein<br />
Druckgefühl auf beiden Ohren
Jetziges Leiden<br />
Danach Unvermögen das rechte Auge zu schliessen,<br />
Herunterhängen des rechten M<strong>und</strong>winkels mit Verlust<br />
<strong>von</strong> Flüssigkeit beim Trinken, Koordinationsprobleme<br />
rechtsseitig in M<strong>und</strong> <strong>und</strong> Zunge<br />
Sensibilität intakt. Keine Aphasie. Motorik der<br />
Extremitäten nicht beeinträchtigt.
Was tut die Flight Attendant?<br />
1. Verabreicht Aspirin 500mg<br />
2. Beruhigt Patienten<br />
3. Informiert Maitre de Cabine <strong>und</strong> veranlasst<br />
notfallmässige Zwischenlandung in München<br />
4. Meldet in Bülach ein CT Schädel an
Verlauf<br />
Nach 5 Minuten lassen die Symptome nach<br />
Nach 10 Minuten vollständige Regredienz
Persönliche Anamnese<br />
Bland<br />
Zur Zeit leichte Erkältung
Noxen<br />
Nikotin: negativ<br />
Alkohol: negativ<br />
Andere Drogen: negativ
Status<br />
T 37.1 C, BD 140/85mmHg, Hf 82/min reg.<br />
Pupillen isokor mit normaler Lichtreaktion<br />
Hirnnerven 2-12 unauffällig<br />
Motorik <strong>und</strong> Sensibilität allseits intakt<br />
MER symmetrisch, Babinski negativ<br />
Armvorhalte-Versuch, Finger-Nase-Versuch<br />
Unauffällig, Eudiadochokinese
Status<br />
Cor: Reine Herztöne, keine Geräusche<br />
Karotis-Puls bds palpabel, kein Strömungsgeräusch<br />
Gehörgänge bds. Frei, Trommelfelle bds intakt<br />
Normaler Lichtreflex, Valsalva positiv
Wie weiter?<br />
1. CT Schädel mit Frage nach Blutung, Ischämie<br />
2. Carotis-Duplex mit Frage nach relevanten<br />
Stenosen<br />
3. Langzeit-EKG mit Frage nach intermittieren<strong>dem</strong><br />
Vorhofflimmern<br />
4. Lipid-Status<br />
5. Patient beruhigen
Faziale Baroparese<br />
Tritt auf bei kurzfristiger Veränderung des Aussendrucks,<br />
welcher zu einem Überdruck des Innenohrs führt <strong>und</strong> dadurch<br />
eine Dehiszenz des N.facialis mit Parese <strong>aus</strong>löst.<br />
Auftreten während Dysfunktion der Tuba Eustachi (Erkältung)<br />
Bekannter bei Tauchern, aber auch bei Flugzeug-<br />
Passagieren beschrieben
Mittelohr <strong>und</strong> N. facialis
Faziale Baroparese<br />
Spontan regredient<br />
Kein erhöhtes Wiederholungsrisiko
Literatur<br />
Bergh<strong>aus</strong>: Flüchtige Fazialisparese beim Fliegen.<br />
HNO 2001.49:927-929<br />
Grossman: Facial Nerve Palsy Aboard a Commercial<br />
Aircraft. Aviation, Space, and Environmental<br />
Medicine;75;12;2004<br />
Molvaer: Facial Baroparesis: A Review.<br />
Undersea Biomedical Research;14;3;1987
Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit