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Impulse für die Kulturarbeit mit Älteren - Kulturgeragogik

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außen kommende Deklarierung von Hoch- und Subkultur<br />

gegeneinander ausgespielt werden. In der Musik<br />

kann klassische Musik <strong>für</strong> den einen <strong>die</strong> gleiche Bedeutung<br />

einnehmen wie der Schlager <strong>für</strong> den anderen. Der<br />

eine liebt Beethoven, der andere Heino. Zudem müssen<br />

wir Hemmungen und Ängste aufspüren und ihnen<br />

entgegenwirken. Sie entstehen, weil sehr viele ältere<br />

Menschen davon ausgehen, sie seien <strong>für</strong> irgendwelche<br />

kulturellen Betätigungen überhaupt nicht begabt genug.<br />

Aber: Wer etwas bei <strong>die</strong>sen Aktivitäten erlebt, wer dabei<br />

emotional berührt wird und Sinn empfindet, ist auch begabt<br />

– und so<strong>mit</strong> eigentlich jeder, auch der hochaltrige,<br />

bettlägerige, multimorbide Mensch!<br />

Wir folgern: Zur Bewältigung all <strong>die</strong>ser Aufgaben bedarf<br />

es eben einer umfassenden Ausbildung von Kulturgeragoginnen<br />

und -geragogen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> aktuellen gerontologischen<br />

Erkenntnisse in ihren künstlerisch-kulturellen<br />

Angeboten methodisch klug umsetzen und sowohl in<br />

Komm- als auch in aufsuchenden Strukturen verankern,<br />

und dabei den generationsübergreifenden Aspekt<br />

sowie natürlich auch kultursensible Perspektiven einfühlsam<br />

<strong>mit</strong> berücksichtigen. Angebote <strong>für</strong> Menschen <strong>mit</strong><br />

Migrationshintergrund müssen passend aufbereitet werden:<br />

Menschen <strong>mit</strong> demenziellen Veränderungen und<br />

Migrationshintergrund können in späten Sta<strong>die</strong>n oftmals<br />

nur noch kulturelle Codes ihres Ursprungslandes verstehen,<br />

eben ihre Muttersprache bzw. ihre „Muttermusik“<br />

(egal, ob deutsche Auswanderer in Kanada oder Thailand<br />

oder Türken in Deutschland).<br />

Ganz entscheidend ist auch, dass kulturelle Aktivitäten<br />

in unserer Gesellschaft ihren Eigenwert behalten und<br />

nicht über Transferleistungen legitimiert werden müssen<br />

– z.B. nach dem Motto: Mit Musik bleibt <strong>die</strong> Intelligenz<br />

oder Gesundheit länger erhalten. Aber natürlich geht es<br />

auch um Benefits: Die Verbesserung von Lebensqualität<br />

und Lebenszufriedenheit, von Sinnfindung bzw. -erhaltung<br />

durch kulturelle Selbstständigkeit und Mitwirkungs- und<br />

Gestaltungsmöglichkeit. Körperliche und seelische Beeinträchtigungen<br />

im Alter können zudem durch kulturelle<br />

Teilhabe abgemildert und aufgefangen werden. Nonverbale<br />

Kulturtechniken und Künste können mögliche<br />

sprachliche Defizite als Me<strong>die</strong>n der Kommunikation und<br />

des Ausdrucks ergänzen oder gar ersetzen und einen<br />

wesentlichen Beitrag zur Pflege der Seele leisten, <strong>die</strong> ja<br />

im Inventar der pflegerischen Leistungen deutlich zu kurz<br />

kommt. Insofern reicht das System der <strong>Kulturgeragogik</strong><br />

auch in Felder der Gesundheit hinein, in Prophylaxe und<br />

Prävention oder auch Persönlichkeitsbildung, wie etwa<br />

zur Wahrung von Identität.<br />

Kim de Groote und Almuth Fricke haben das in ihrer Publikation<br />

„Kulturkompetenz 50+“ (vgl. 2010, S. 13) treffend<br />

zusammengefasst und da<strong>mit</strong> möchte ich schließen:<br />

„Kulturelle Kompetenz im Alter ist ein Plus <strong>für</strong> Kultureinrichtungen<br />

und Kulturschaffende, <strong>für</strong> den Gesundheitssektor,<br />

den Bildungsbereich und unser Gemeinwesen.“<br />

Prof. Dr. Hans Hermann Wickel stu<strong>die</strong>rte Romanistik, Erziehungswissenschaften und Musik (Orgel, Klavier) und ist<br />

promovierter Musikwissenschaftler. Seit 1995 ist er Professor <strong>für</strong> Musik in der Sozialen Arbeit an der Fachhochschule<br />

Münster. Dort rief er 2004 <strong>die</strong> Weiterbildung „Musikgeragogik“ ins Leben. Seit 2011 ist er zudem Fachleiter der Weiterbildung<br />

„<strong>Kulturgeragogik</strong>“.<br />

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