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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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RECHT & GESELLSCHAFT<br />

schärfer als ein Pfeil<br />

Blasi und Pepi, die Federwesen<br />

eine musikalische Annäherung<br />

an tatrichterliche Denkspuren<br />

und eine Hommage<br />

an das Juridikum<br />

p.,.<br />

. .. J J .J I J:i I<br />

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I,ttc EH n .' l'J I J Jl I<br />

VON MARIA NICOLINI<br />

t I<br />

:n J d<br />

Richtig rauschend und anschwellend<br />

wird dieser Abgesang, wenn wir in fünf<br />

Gruppen singen. Gruppe 1 singt die ersten<br />

zwei Takte bis d/,tot'/Viertelpause. Während<br />

in Gruppe 1 die nächste Phrase eine Terz<br />

höher anhebt, setzt Gruppe 2 ein, singt ebenfalls<br />

bis d/,tot'/Viertelpause. Dann Einsatz<br />

von Gruppe 3 undsoweiter. Die Melodie ist<br />

leicht zu erlernen, bewegt sich auf der ersten,<br />

dritten und fünften Stufe der D-Tonleiter.<br />

Hat Gruppe 1 im Kanon mit den anderen<br />

Gruppen zweimal ganz durchgesungen, lassen<br />

wir den Gesang in der Terz ausklingen<br />

und mit den Wörtern ,da da da tot tot' enden.<br />

Enden? Nein. Auch wenn das Juridikum<br />

nach zehnjährigem Bestehen mit dem fastfünfzigsten<br />

Heft, dem neunundvierzigsten<br />

nämlich, nun letztmalig erscheinen und nach<br />

der in Erwägung gezogenen fünf jährigen<br />

Verschnaufpause wirklich nicht wieder erstehen<br />

sollte, es stürbe ni~ht. Werfen ~ir den<br />

Blick auf jene Zeile des Covers, die das Juridikum<br />

genauer ~enennt: Zeitschrift im<br />

Rechtsstaat. Vergäße ich alle Juridikum-Texte,<br />

diese Zeile bliebe mir, ihre Lakonie, ihre<br />

Botschaft ':. ':. ':. Zeit Schrift Recht Staat ':. ':. ':.<br />

26<br />

dazwischen die Abgründe, und an den Rändern<br />

jemand, der in die Abgründe hineinblickt,<br />

scharfäugig, ohnmächtig wachsam.<br />

Der Ort des Juridikums, der Zeitschrift im<br />

. Rechtsstaat, ist nicht der sakral aufgeladene<br />

Raum des juristischen Grals. Der Ort des Juridikums<br />

ist das Außen des Grals, seine<br />

Nachtseite. Da ist Iücht Macht, nicht Überlegenheit.<br />

"Der Unterlegene hat natürlich den<br />

schärferen Blick" (Elf riede Jelinek) , das präzisere<br />

Ohr. Er nimmt wahr, wie man Menschen<br />

das Rückgrat bricht. Zeitschrift im<br />

Rechtsstaat bedeutet, abgründigen öffentlichen<br />

Vorgängen eine Sprache geben, eine andere<br />

Richtung. In der Zeit-Schrift wird die<br />

Zeit angehalten, erhält die Sprache Dauer, gewinnt<br />

die Richtung Brisanz. "Die Feder<br />

schießt schärfer als ein Pfeil" sagt ein jiddisches<br />

Sprichwort. Kann das Juridikum denn<br />

sterben?<br />

vulgo Sepp<br />

Wie sich die Ereignisse treffen. Eine abgründige<br />

Woge aus Österreichs "informalem<br />

Rechtsstaat" (Benjamin Davy) war gerade<br />

hochgegangen, als das Juridikum 1989 erstmals<br />

erschien. Klagenfurts damaliger Bürgermeister,<br />

der auf der Gitarre den Schneewalzer<br />

spielen und das Lied ,i muaß in mein frijan<br />

Lebm aReblaus gwesn sein' singen konnte,<br />

was ihm den Ruf des beliebtesten österreichischen<br />

Bürgermeisters und damit glaublich<br />

größere Freiräume eingetragen hatte, geriet<br />

wegen des Verdachts des fünffachen<br />

Amtsrnißbrauchs in die Bredouille Quridikum<br />

Heft 4/91). Unter anderem wurden<br />

durch Unterlassung des Gesetzesvollzugs<br />

vier Multis begünstigt und eine Nachbarin in<br />

ihrer Gesundheit schwergeschädigt. Das Verfahren<br />

hatte zwei Rechtsgänge. Im zweiten<br />

Rechtsgang, der kurz war und einheimisch,<br />

kam der Mann schließlich frei. Zum Wohl der<br />

Bürger und überdies in Irrtümern verfangen,<br />

habe er, selbst Jurist und seit fünfzig Jahren<br />

als solcher tätig, die Gesetze falsch oder nicht<br />

vollzogen. Güte ~nd Irrtum aber seien ihm<br />

nicht vorwerfbar. Ein Irrender könne kein<br />

Wissender sein, daher auch kein Amtsmißbraucher.<br />

Liest man die Protokolle jener Hauptverhandlungen<br />

(LG Klagenfurt 10 Hv 5/89),<br />

fällt einem ein wesentlicher Unterschied zur<br />

Zeitschrift im Rechtsstaat auf: das Verschwinden<br />

der Konturen (des Rechts), das<br />

Verdecken der Abgründe (des Handelns).<br />

Das Geschehen wird so lange gebogen, bis es<br />

unkenntlich wird, schließlich eine andere<br />

Identität gewinnt: Der Verdacht des Amtsmißbrauchs<br />

wird verwandelt in gesundes<br />

Volksempfinden, in Bürgernähe, in Irrtum.<br />

Umknetung durch Sprache. Die sprachliche<br />

Analyse der Protokolle zeigt die Finsternis<br />

der Un<strong>recht</strong>spraxis, zeigt eine Sprache, in der<br />

jeder Satz dem Un<strong>recht</strong> zuarbeitet, es in jedem<br />

Augenblick befestigt und zugleich witternd<br />

vorwegnimmt. Die Verständigung zwischen<br />

Richter und angeklagtem Juristen ist so<br />

geschmeidig, so sicher, so selbstverständlich<br />

wie Schwarzbrot. Und die Schöffen wissen:<br />

Hier steht einer, der nur das Beste wollte.<br />

Dem Mann muß geholfen werden.<br />

Ein Generalanwalt kommentierte damals:<br />

"Wenn ein Strafrichter jemanden freisprechen<br />

will, dann spricht er ihn frei. Das ist die<br />

Irrationalität des Straf<strong>recht</strong>s" 'f 'f ':. Zeit Sprache<br />

Un<strong>recht</strong> Staat 'f ':. ':. Unlängst ließ jener<br />

Bürgermeister, vulgo Sepp, über sich ein<br />

Buch erscheinen, in welchem er sich zu seinem<br />

Strafverfahren äußert: "dieser Lärm hat<br />

mir eine ungeheure Popularität eingebracht,<br />

nicht nur in Kärnten, sondern in ganz Österreich"<br />

(in: Bitte kein Denkmal! Klagenfurt:<br />

Carinthia 1998, S 146).<br />

Für den Fall, daß man als Zeuge, als Zeugin<br />

in ein Amtsmißbrauchsverdachtsverfahren<br />

geladen wird, sollte man folgendes wis-<br />

Juridikum 1/99

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