Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft
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RECHT & GESELLSCHAFT<br />
tikvernetzung in den Ländern ist es, möglichst<br />
die ganze Breite an Verwaltungs kompetenzen,<br />
dh an operativen Steuerungsmöglichkeiten,<br />
stärker "unten" zu konzentrieren.<br />
Wie ausgeführt, sollte vermehrt bereichsübergreifende,<br />
vernetzte Politik ermöglicht<br />
und das bisher eher isolierte Verwaltungshandeln<br />
in umfassende Struktur-, Ziel- und<br />
Projektplanungen eingebunden werden. Die<br />
(vorgesehene) Übertragung der "mittelbaren<br />
Bundesverwaltung" an die Länder wäre in<br />
dieser Beziehung durchaus ein positiver<br />
Schritt. Eine weitere zentrale Frage ist die<br />
Nutzung privat<strong>recht</strong>licher (auch <strong>gesellschaft</strong>s<strong>recht</strong>licher)<br />
Instrumente der Landespolitik.<br />
Selbstbestimmte Koordination zwischen<br />
unterschiedlichen Akteuren, zu denen<br />
auch das Land, die Gemeinden, die Unternehmen<br />
der Gebietskörperschaften, beauftragte<br />
Unternehmen, Verbände ua gehören,<br />
darf durch Bundesverfassungs<strong>recht</strong> nicht behindert<br />
werden. Unerträglich wäre es aus diesem<br />
Grunde, die Privatwirtschaftsverwaltung<br />
der Ländern an die Kompetenzverteilung<br />
der Bundesverfassung zu binden.(67)<br />
Die Fragen der Reform des Bundesrats,<br />
der Einspruchs<strong>recht</strong>e der Länder, der Stellung<br />
der Landeshauptleutekonferenz, des<br />
Konsultationsmechanismus ua können hier<br />
nicht behandelt werden. Nur einige Ziele seien<br />
angedeutet: Eine bessere Einbindung der<br />
Landesparlamente, durch eigene Einrichtungen<br />
und/oder durch Vorabverfahren, die Vertreter<br />
des Landes nach außen binden, und im<br />
Zweifel eher eine stärkere Eigenverantwortung<br />
der jeweils zuständigen Ebene mit allen<br />
damit verbundenen Kompetenzen und Instrumenten.<br />
Damit schließt sich der Kreis zur<br />
Bundesstaatsreform: Die Schaffung arrondierter<br />
Kompetenzbereiche und die Übertragung<br />
von Einnahmenverantwortung an die<br />
Länder (68) gehört zu einer Bundesstaatsreform<br />
im Sinne der neuen Aufgaben der Länder<br />
unverzichtbar dazu.<br />
7. Landesverfassungen und<br />
Europäische Politikebene<br />
Ich vertrete die Außenseitermeinung, daß es<br />
weder erforderlich und noch möglich ist, daß<br />
die Länder die Integrationspolitik maßgeblich<br />
beeinflussen. Heute ~teht vor allem die<br />
Aufgabe an, die Europapolitik zu "europäisieren".<br />
Die staatsübergreifenden Problematiken<br />
müssen endlich europäisch definiert<br />
und in einen europäischen politischen Diskurs<br />
eingebunden werden. Die Politik in der<br />
EU darf nicht zur Summierung nationalstaatlicher,<br />
aber auch nicht regionaler Perspektiven<br />
verkommen. Das Modell der Politikverflechtung,(69)<br />
etwa im Sinne eines Regionalrats<br />
oder einer Ausweitung der Länderbeteiligung,<br />
ist daher aus meiner Sicht<br />
nicht zielführend. Der Versuch, ständig von<br />
den unteren staatlichen Einheiten her auf die<br />
Willenbildung der Gemeinschaft Enfluß zu<br />
nehmen, hindert diese an der vieldiskutierten<br />
"Vertiefung" ihrer sozialen und ökologischen<br />
Entwicklung. Daraus ergibt sich folgerichtig<br />
und entgegen dem heutigen Trend eine kritische<br />
Sicht des Subsidiaritätsprinzips.(70)<br />
Wenn es dahin verstanden wird, die Regulierungskompetenzen<br />
des Zentralstaats gegenüber<br />
den Regionen und die der EU gegenüber<br />
den Mitgliedstaaten zu begrenzen, dann<br />
wird damit paradoxerweise die für eine sozialökologisch<br />
effiziente Regionalpolitik unabdingbare<br />
supranationale Flankierung und<br />
Unterstützung behindert. Das Subsidiaritätsprinzip,<br />
wie es heute überwiegend verstan-<br />
den wird, läßt unberücksichtigt, daß die Probleme<br />
"unten" großer Lösungen "oben" bedürfen.<br />
Die lokalen und regionalen Einheiten<br />
können erfolgreiche Politik nur auf dem<br />
Sockel der auf zentraler Ebene, heute zunehmend<br />
auf europäischer Ebene, geschaffenen<br />
Voraussetzungen und Rahmenbedingungen<br />
aufbauen. Die Krise der regionalen Politik ist<br />
gleichzeitig eine Krise des politischen Gesamtsystems.<br />
EU und Zentralstaat müssen<br />
von da her die neuen Funktionen der regionalen<br />
Ebene stärken und absichern, mit dem<br />
Ziel, eine intelligent-vernetzte Beeinflussung<br />
des Wachstums- und Modernisierungsprozesses<br />
zu ermöglichen, damit die Hegemonie<br />
der öffentlichen Interessen über die wesentlichen<br />
lebensqualitätbezogenen Entwicklun ~<br />
gen in der Region wiedererrungen werden<br />
kann. Damit kann auch der wesentliche<br />
Punkt der Beziehungen zwischen EU und<br />
Regionalpolitik näher umrissen werden: Es<br />
geht um die Beseitigung von derzeit erkennbaren<br />
Hindernissen für eine Regionalpolitik,<br />
die sich als Komplementärfunktion gegenüber<br />
den Wachstums- und Modernisierungsfolgen<br />
und als Organisator der konkret-stofflichen<br />
Komponenten in jedem Politikfeld<br />
versteht. Die Funktionen der verschiedenen<br />
Handlungsebenen (EU, Bund, Länder) stehen<br />
zueinander nicht in einem Gegensatz,<br />
sondern sie ergänzen einander.<br />
Die Rolle der Regionen im europäischen<br />
Raum muß sicherlich verstärkt werden, aber<br />
nicht im Sinne der Kleinstaaterei, sondern im<br />
Sinne einer intelligenten Dezentralisierung.<br />
Die regionale Ebene wird im Rahmen dieser<br />
Konfiguration tatsächlich immer wichtiger.<br />
Ihre zunehmend unersetzliche Funktion ist<br />
vorerst die der dezentralen Lebensqualitätsicherung<br />
durch ein starkes, die Defizite des<br />
Marktes ergänzendes und seine Folgen verhinderndes<br />
oder kompensierendes Gegennetzwerk.<br />
•<br />
Dr. Klaus Firlei ist Professor am Institut<br />
für Arbeits- und Sozial <strong>recht</strong> der<br />
Universität Salzburg.<br />
(67) So aber die Republik Österreich, Bundeskanzleramt<br />
- Verfassungsdienst (Hrsg), Strukturreformkommission,<br />
Neuordnung der Kompetenzverteilung<br />
in Österreich (oJ) in den Schlußfolgerungen<br />
532.<br />
(68) V gl Ruppe, Neuordnung der bundesstaatlichen<br />
Kompetenzverteilung. Teilbereich Finanzverfassung,<br />
in: Republik Österreich, Bundeskanzleramt<br />
- Verfassungsdienst (Hrsg), Strukturreformkommission,<br />
Neuordnung der Kompetenzverteilung<br />
in Österreich (oJ) 289 ff, der die gegenwärtige<br />
Finanzverfasung als " geprägt von Zentralismus,<br />
Asymetrien, einer Verwischung der<br />
34<br />
Verantwortungs bereiche und Elementen der<br />
Fremdbestimmung" kennzeichnet; Schönbäck,<br />
Neuordnung der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung.<br />
Teilbereich ökonomische Gesichtspunkte<br />
der Steuer- und Aufgabenverteilung, in:<br />
ebendort 393 ff; zum geltenden System siehe<br />
Pernthaler, Österreich ische Finanzverfassung.<br />
Theorie. Praxis-Reform (1984); Ruppe, Finanzverfassung<br />
im Bundesstaat (1977).<br />
(69) Vgl Scharpf, Die Politikverflechtungsfalle:<br />
Europäische Integration und deutscher Föderalismus<br />
im Vergleich, PVS 1985, 323 ff; Abromeit,<br />
Föderalismus. Mod~lle für Europa, ÖZP 1993,<br />
207ff<br />
(70) Der einschlägige Art 3b des Vertrages über<br />
die Europäische Union lautet: " ... In den Bereichen,<br />
die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit<br />
fallen, wird die Gemeinschaft nach dem Subsidiaritätsprinzip<br />
nur tätig, sofern und soweit die<br />
Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf<br />
Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht<br />
werden können und daher wegen ihres<br />
Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene<br />
erreicht werden können. "<br />
Juridikum 1/99