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als PDF herunterladen - Unsere schöne Gemeinde Quarnbek

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CHRONIK<br />

9<br />

Viel Freude an der wirtschaftlichen Freiheit hat er aber nicht<br />

gehabt, denn der Erfolg blieb aus. Bereits Martini 1798 und<br />

erneut am Maitag 1799 musste er die Pacht von jeweils 53<br />

Reichstalern und 19 Schillingen schuldig bleiben. Zehn Jahre<br />

später spitzte sich die Lage immer weiter zu. Nachdem zunächst<br />

in den Gutsrechnungen immer wieder Versuche zu erkennen<br />

sind, die Pachtrückstände zu begleichen, hatten sich<br />

die Schulden am Maitag 1808 schließlich auf 862 Reichs -<br />

taler und 25 Schillinge summiert. In Relation zum Gesamtwert<br />

der Hufe, der auf der Grundlage einer Taxation von<br />

1806 mit 9611 Reichstalern angegeben wurde, scheint die<br />

Schuld gering. Da den Zeitpächtern aber auch das Inventar<br />

der Stelle nicht gehörte, stand den Schulden keine Sicherheit<br />

gegenüber. Vielen anderen Hufnern und Insten, wie die Tage -<br />

löhnerbauern dam<strong>als</strong> genannt wurden, ging es ähnlich. Die<br />

Liste der Schuldner – der „Restanten“ – ist lang. Die Umstellung<br />

auf eine marktorientierte Wirtschaft fiel vielen offenbar<br />

sehr schwer.<br />

Zu einer Katastrophe für die ganze Familie Brocks führte der<br />

Versuch die Situation mit illegalen Mitteln zu entschärfen.<br />

Anfang 1808 wurde Claus Brocks wegen „Diebsgutshehlerey“<br />

vor dem <strong>Quarnbek</strong>er Gutsgericht der Prozess gemacht.<br />

Zwar ist das Protokoll des Gerichtsverfahrens nicht überliefert,<br />

erhalten geblieben ist aber die Quittung des Warleberger<br />

Holzvogts Johann Hinrich Popp, über vier Reichstaler<br />

und 8 Schillinge für die Überstellung Claus Brocks am<br />

21. Mai 1808 von Rajensdorf in das Zuchthaus Neumünster.<br />

In den Zuchthausakten ist auch das Urteil des Gerichtshalters<br />

Christensen, das auf zwei Jahre Haft lautete, nachzulesen.<br />

Die 32 männlichen und 18 weiblichen „Züchtlinge“ wurden<br />

dort in der Zuchthausspinnerei beschäftigt. Der inzwischen<br />

72jährige Claus Brocks habe zunächst daran nicht teilnehmen<br />

können, weil kein Spinnrad geliefert worden sei, später<br />

ist in den Zuchthausakten vermerkt, er sei zu dieser Arbeit<br />

„unfähig“.<br />

Mit der Verurteilung war dem Zeitpachtvertrag für die Hufe<br />

die Grundlage entzogen und das Pachtverhältnis wurde aufgehoben.<br />

Die älteren Kinder werden sich <strong>als</strong> Tagelöhner,<br />

Knechte, Dienstmägde oder Meiereimädchen verdingt haben.<br />

Die Ehefrau Elisabeth Brocks konnte mit den kleineren<br />

Kindern noch ein Jahr im Hufengebäude wohnen bleiben.<br />

Für den Unterhalt kam die Gutskasse auf. Erhalten sind die<br />

Quittungen für die Lieferung von Nahrungsmitteln wie Roggen<br />

und Buchweizen an die „Frau des Arrestanten Claus<br />

Brocks“, gesorgt wurde aber auch für Hilfsmittel zum Flicken<br />

von Kleidung oder für die Reparatur der Schuhe. Es war<br />

nicht etwa die Menschenfreundlichkeit des Gutsherren, die<br />

diese Hilfe ermöglichte, sondern der Paragraph 8 der königlichen<br />

„Verordnung wegen Aufhebung der Leibeigenschaft“<br />

von 1804. Dort ist festgehalten, dass, wer seine Pachtstelle<br />

verliert, auf Lebenszeit Wohnrecht im Gut erhält. Mit diesem<br />

Wohn- bzw. Heimatrecht war dann auch die Armenversorgung<br />

verknüpft. Gut zu erkennen ist <strong>als</strong>o, dass das Netz der<br />

sozialen Absicherung, wie es in der Zeit der Leibeigenschaft<br />

existiert hatte, durch diese königliche Maßgabe in die neue<br />

Zeit hinein verlängert worden ist, um soziale Härten der<br />

Reform wenigstens ein wenig abzufedern.<br />

Dass die Entwicklung für die Familie Brocks dennoch eine<br />

Tragödie gewesen sein muss, lässt sich anhand der Quittungen<br />

der Armenkasse erahnen. Nachdem die Hufe zum Maitag<br />

1809 neu vergeben worden war, kam Elisabeth Brocks<br />

zunächst in Heidholm bei Melsdorf unter. Die Miete dort<br />

wurde wiederum von der Gutskasse übernommen. 1810 sind<br />

Mutter und unmündige Kinder wieder in Rajensdorf verzeichnet,<br />

für eine Tochter wird das Kostgeld nach Stampe gezahlt.<br />

Claus Brocks selbst kam nach seiner Entlassung aus<br />

dem Zuchthaus im Mai 1810 zusammen mit seinem dam<strong>als</strong><br />

siebenjährigen jüngsten Sohn Carl zunächst bei seinem<br />

Schwiegersohn, dem Brandsbeker Schmied Sommer, unter.<br />

Beide wurden von der <strong>Quarnbek</strong>er Armenkasse unterhalten.<br />

Elisabeth Brocks ist am 11. August 1816 in Stampe gestorben,<br />

Claus Brocks mit 84 Jahren am 21. November 1819 in<br />

Hollien, einer Kate des Gutes Rathmannsdorf im Kirchspiel<br />

Dänischenhagen. Der „vieljährige Hufner in Rainstorf“habe<br />

sich gewünscht, dass seine „irdischen Gebeine“ in Flemhude<br />

ihre letzte Ruhe finden möchten, vermerkt Pastor Düncker<br />

in seiner respektvollen Eintragung im Flemhuder „Todtenregister“.<br />

Sechzehn Jahre später werden im Volkszählungsprotokoll<br />

von 1835 im Gut <strong>Quarnbek</strong> noch fünf Kinder der Familie<br />

Brocks genannt: vier Söhne, von denen drei <strong>als</strong> Tagelöhner in<br />

Stampe oder Strohbrück mit ihren Familien lebten, und der<br />

oben erwähnte Carl, der <strong>als</strong> Knecht auf dem Meierhof Mettenhof<br />

diente. Die Tochter Elisabeth Cathrina hatte den<br />

Rajensdorfer Hufenpächter Hans-Jürgen Thode geheiratet.<br />

Deren Sohn Johann Hinrich Thode – <strong>als</strong>o Claus und Elisabeth<br />

Brocks Enkel – war um 1850 wieder Pächter einer Rajensdorfer<br />

Vollhufe.<br />

Zum Schluss eine Bitte an die Rajensdorfer „Ureinwohner“:<br />

Es wäre ein <strong>schöne</strong>r Abschluss dieser kleinen Geschichte,<br />

wenn Sie dabei helfen könnten, herauszufinden, bei welcher<br />

der heutigen Hofstellen es sich um die ehem<strong>als</strong> Brocksche<br />

Hufe handelt. Vielleicht gibt es ja sogar noch ein Foto des alten<br />

Hufengebäudes. Als Anhaltspunkt mag dienen, dass 1864<br />

der 54jährige Witwer Hinrich/Heinrich Osbahr der Pächter<br />

war. Erbe der Pachtung könnte dessen dam<strong>als</strong> 21jähriger<br />

Sohn Jürgen Hinrich Osbahr gewesen sein. Über einen Anruf<br />

unter 04522-3064 würde ich mich sehr freuen.<br />

Karsten Dölger<br />

Das Gebäude des Zuchthauses Neumünster wurde 1822 an die<br />

Brüder Renck veräußert. Sie richteten darin eine Fabrik ein. Mit<br />

Dank an den Wacholtz-Verlag in Neumünster für die Genehmigung<br />

zum Abdruck.

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