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sie das subjektive Sicherheitsgefühl beeinträchtigen und eine Wirkung bis hin zu einem „urban decay“<br />

hervorrufen können. Graffiti signalisieren im kriminologischen wie kriminalpolitischen Diskurs<br />

demnach eine real existierende wie direkt wahrnehmbare Anomie; oder sie verweisen aus der Sicht<br />

ihrer Gegner auf einen drohenden Zusammenbruch der gesamten Rechtsordnung, die durch ein<br />

subversives Unterlaufen des Eigentumsbegriffs erzeugt wird. Dem entgegen - oder eben dem<br />

entsprechend - wird bei der aktuellen Produktion städtischen Raums verstärkt auf weiche, symbolische<br />

Faktoren wie „Aufenthaltsqualität“ gesetzt und darauf gezielt, eine saubere, ordentliche und sichere<br />

Stadt in einem globalen Standortwettbewerb zu vermarkten. Die erwünschte Warenförmigkeit<br />

städtischen Raums implizit den Versuch, eine homogene Erscheinung oder Ästhetik durchzusetzen. So<br />

gesehen stellt sich rund um die bunten Bilder, und fortwährend seit den 1970er Jahren, auch die Frage,<br />

wer legitim städtische Räume besetzen oder produzieren kann. Dabei stellen Graffiti und deren<br />

Bekämpfung eines der ersten urbaner Konfliktfelder dieser neuen, vor allem neoliberalen Stadtpolitik<br />

als Standortpolitik dar. Man könnte mit einigen Einschränkungen so weit gehen, dass das Aufkommen<br />

der bunten Bilder auf der Oberfläche der Stadt eben ein Versuchsraum für neuere städtische<br />

Kontrollstrategien und Allianzen lieferte. Somit ergibt sich die Fragestellung wie politische<br />

Rahmungen, städtische Kultur und Fragen von Legalität/Illegalität gemeinsam artikuliert werden. Wie<br />

beeinflussen sich offizielle Verlautbarungen oder Steuerungsbemühungen und inoffizielle,<br />

subkulturelle oder eben populäre Praktiken.<br />

Nun, sicherlich passt das Modell „NYC 1970“ nicht auf den gegenwärtigen bundesrepublikanischen<br />

Kontext und dessen aktuelle Formation der Graffiti, zumindest passt es nicht, ohne erhebliche<br />

Einschränkungen in seiner Kontextualisierung nachzuzeichnen. Dennoch artikulierten sich die<br />

Writingkultur und das entsprechende Bekämpfungskonzept in ähnlicher Weise. Eine neue Formation<br />

von Sicherheit und eine neue Kultur von Kontrolle deuten auf eine veränderte Wirkweise von<br />

Regelbrüchen im Alltag hin. Der (kritische) Kriminologe deutet diese Fragen städtischer Kontrolle<br />

häufig vor dem theoretischen Hintergrund der von Deleuze (1993) skizzierten Kontrollgesellschaften.<br />

Ihre neue, „post-panoptische“ Funktionsweise soll nicht nur durch die Verwendung neuer<br />

Technologien, wie die der elektronischen Fußfessel, neue, post-wohlfahrtsstaatliche<br />

Regulationsweisen und Subjektivitäten hervorbringen. Die zu erfassenden Stichworte sind Biopolitik,<br />

Risiko und Gouvernementalität. Sie, so die weithin geteilte Schlussfolgerung, erfordern eine<br />

veränderte Theoretisierung von Abweichung und Kriminalität. Vor dem Hintergrund der aktuellen<br />

Formation von (Un-)Sicherheit und Risiko entsteht sowohl eine neue Formation der<br />

Kriminalitätskontrolle im Alltag, das sogenannte „Governing Through Crime“ (vgl. Simon 2007), wie<br />

sich gleichzeitig eine tieferliegende Krise der kritischen Kriminologie und des Labeling-Gedankens<br />

andeutet. Kritische Theoriebildungen rund um Abweichung und soziale Kontrolle, man denke zum<br />

Beispiel an moralische Paniken, scheinen die Intensität gegenwärtiger Kriminalitätsdiskurse, kaum<br />

noch zu erfassen. Die Deutung einer „neuen Kultur der Kontrolle“ (vgl. Garland 2001) macht die

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