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diese Widerspenstigkeit „an sich“ politisch wäre. Im Folgenden soll eben eine entsprechende<br />

Rekonstruktion rund um Fragen der kulturellen Aneignung oder Verwendung von Illegalität und<br />

Kontrolle versucht werden. Kriminalität und Abweichung erscheinen so nicht mehr zwangsläufig als<br />

Produkte eines passiv erlittenen und durch Mächtige durchgeführten Definitionsprozesses, wie ihn<br />

zum Beispiel eine radikale Labeling-Perspektive oder aber das Subjektivierungsverständnis einiger<br />

Gouvernementalitätsstudien nahelegen, sondern als fortlaufende, gegenwartsbezogene, kreative<br />

Konstruktionsleistungen, die mit einem Blick auf die gefühlten Möglichkeiten wie symbolische<br />

Potenziale inszeniert werden. Das Spezifische der Kultur oder kulturellen Praktiken, ihre relative<br />

Autonomie, wird ersichtlich. Kriminalität, Abweichung und Kontrolle, so die These, werden populär<br />

als Transgression performiert und affektiv erlebt, verkörpern etwas wie einen Ausschnitt einer<br />

alltagsweltlichen Dramatik. Demnach gilt es auch im Kontext von Normalität, sozialer Kontrolle und<br />

Abweichung den kulturellen Eigensinn und Widerständiges zu erfassen, um nicht lediglich einer<br />

kontrollgesellschaftlichen Planungsrationalität aufzusitzen. Abweichung wäre hier nur noch begrenzt<br />

ein Verhalten, welches man so nennt, sondern gleichzeitig eine sinnvolle (Selbst-)Inszenierung in<br />

einem sozialen Prozess, an dem sich unterschiedlichste Akteure in hegemonialen Deutungskämpfen<br />

rund um kulturelle Praktiken und Bemächtigungsversuche beteiligen. Graffiti liefern eben ein solches<br />

alltagskulturelles Phänomen umkämpfter Alltagskultur. Im Rahmen ihres häufig expressiven wie<br />

emotionalen Ausagierens entlang von kulturellen Mustern erzeugen Kriminalität, Transgression und<br />

Kontrolle Realitäten und bringen wiederum Diskurse und Praktiken hervor. Kulturelle Entwicklungen<br />

transportieren sich über und mit Deutungen von Kriminalität (Ferrell, Hayward, Young 2008, S. 2).<br />

Mit der These der Performanz im Zusammenspiel mit kulturell artikulierten Performativität von<br />

Kriminalität, Transgression und sozialer Kontrolle stellt sich somit weniger die klassische<br />

Definitionsfrage der kritischen Kriminologie, „What is Crime“, als die gegenwartsbezogene Frage,<br />

„What makes Crime real“ 1 . Neben der Textualität von Kriminalitätsdiskursen oder politökonomischen<br />

Allokationsprozessen – zwei, wie wir sehen werden, nicht unbedeutsamen<br />

Dimensionen - geht es bei der Performanz um den gegenwartsbezogenen Ereignischarakter einer<br />

„kriminellen Situation“ (Ferrell 1998). Somit rücken auch unterschiedliche kulturelle Sensibilitäten,<br />

durchstilisierte Inszenierungen und populäre Praktiken gegenüber oder von Abweichung in den<br />

Mittelpunkt der hier angedachten, vor allem post-strukturalistisch geführten Betrachtung. Im<br />

Verhältnis zur Macht geht es eben neben den strukturellen Bedingungen auch um alltäglichen<br />

Eigensinn, wie ihn Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1970, S. 155, ähnlich Lüdtke 1989) verstand: als<br />

Freiheit in Knechtschaft, weder reine Form des Wesens, noch Produkt des Einzelnen, sondern ein<br />

geschicktes Handeln in einem formierten Kontext verkörpernd. Michel Maffesoli (2003) spricht in<br />

seiner einfühlsamen Alltagssoziologie häufiger von kleinen Zwischenräumen der Freiheiten, die<br />

gegenüber den rationalistischen Herrschaftsstrukturen und ihrer Gewalt auch weiterhin im Alltag der<br />

1 Um die Frage des Subjektes an dieser Stelle aufzugreifen, könnte man die These aufstellen,<br />

dass das Subjekt der Transgression, das Subjekt wäre, welches sich durch sein Begehren in<br />

seiner Subjektivierung durchkreuzt.

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