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Coverdale Review 2/2010

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Sprechen Sie „Chinapisch“?<br />

Nein? Sie sprechen also weder Chinesisch noch Japanisch?<br />

Keine Sorge, das macht nichts – mit Englisch können Sie sich in der interkulturellen<br />

Zusammenarbeit sicher locker sprachlich verständigen. Weitaus schwieriger ist da schon die<br />

Auseinandersetzung mit den kulturellen Gepflogenheiten und Unterschieden zwischen Ihren<br />

internationalen Kollegen.<br />

(c) Fotalia.com/Yuri Arcurs<br />

Wie also arbeitet man in multikulturellen Teams erfolgreich zusammen?<br />

Was gilt es zu beachten?<br />

Was sind Do’s, was sind Don’ts?<br />

Hinterlasse ich einen schlechten Eindruck, wenn ich in Spanien eine Abendgesellschaft<br />

vorzeitig verlasse?<br />

Bringt es mir Vorteile, wenn ich in Japan mit Stäbchen esse?<br />

Schaut man einem Chinesen bei der Begrüßung in die Augen?<br />

Wann ist der richtige Zeitpunkt, um ein Geschenk zu übergeben?<br />

Darf man in Korea die Reisschale an den Mund heben?<br />

Muss ein Meeting in Norwegen pünktlich beginnen?<br />

Ist es in Serbien ein Faupax, im Restaurant getrennt bezahlen zu wollen?<br />

Darf ich in Indien ein Geschenk gleich nach dem Erhalt öffnen?<br />

Diese und viele ähnliche Fragen gilt es für all jene zu beantworten, die in internationalen<br />

Teams arbeiten oder ein solches leiten. Denn nur, wer kulturelle Gepflogenheiten und<br />

landesspezifische Mentalitäten kennt, respektiert und auch wertschätzt, kann<br />

Missverständnisse vermeiden und hat die Chance, mit seinem multikulturellen Team<br />

Synergieeffekte und letztlich auch Erfolge zu generieren. Wer also die Kultur des anderen<br />

kennt, kann dieses Wissen in einen Vorteil verwandeln. Was aber ist Kultur eigentlich genau?<br />

Kultur. Was ist das?<br />

Zu dieser Frage gibt es unzählige Antworten und Definitionen. Beginnen wir mit einer<br />

allgemeinen, jener der UNESCO: „Die Kultur kann in ihrem weitesten Sinne als die<br />

Gesamtheit der einzigartigen geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte


angesehen werden, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen. Dies<br />

schließt nicht nur Kunst und Literatur ein, sondern auch Lebensformen, die Grundrechte des<br />

Menschen, Wertsysteme, Traditionen und Glaubensrichtungen.“ Geht es im Geschäftsleben<br />

um Kultur, werden zur Erklärung zumeist die Kulturdimensionen von Geert Hofstede, einem<br />

niederländischen Kulturwissenschaftler und Professor für Internationales Management<br />

herangezogen.<br />

Hofstedes fünf Kulturdimensionen<br />

Hofstede hat 116.000 IBM Manager und Angestellte in verschiedensten Ländern zu ihren<br />

Managementauffassungen befragt und daraus fünf Kulturdimensionen abgeleitet:<br />

1) Machtdistanz<br />

Diese Dimension zeigt an, inwieweit weniger mächtige Individuen eine ungleiche Verteilung<br />

der Macht akzeptieren und erwarten.<br />

2) Individualismus – Kollektivismus<br />

In individualistischen Gesellschaften werden die Rechte des Individuums besonders<br />

geschützt. In kollektivistischen Gesellschaften dagegen zählt die Einbindung in Netzwerke<br />

und das Wir-Gefühl.<br />

3) Feminität – Maskulinität<br />

Hier geht es um die Gegenüberstellung des „Ich“ und der Beziehung zu anderen.<br />

4) Unsicherheitsvermeidung<br />

Die Unterscheidung erfolgt anhand des Grades, bis zu dem die Mitglieder einer Kultur sich<br />

durch uneindeutige oder unbekannte Situationen bedroht fühlen. Gesellschaften, die<br />

Unsicherheit vermeiden wollen, zeichnen sich durch festgeschriebene Gesetze und<br />

Sicherheitsmaßnahmen aus. Risikoreichere Kulturen sind toleranter und haben wenige<br />

Regeln.<br />

5) Langzeit- – Kurzzeit-Orientierung<br />

Diese Dimension gibt an, wie groß der zeitliche Planungshorizont in einer Gesellschaft ist.<br />

Langzeitorientierung steht für das Hegen von Tugenden, die auf künftigen Erfolg ausgerichtet<br />

sind. In kurzzeitig orientierten Gesellschaften dominieren Flexibilität und Egoismus.<br />

Ziel seiner Untersuchungen war der Beweis, dass die Unternehmenskultur nicht in allen<br />

Filialen ein und dieselbe sein kann, weil die nationale Kultur nicht ausblendbar ist. Er zeigte,<br />

dass es nationale und regionale Kulturgruppen auf der Welt gibt und dass diese einen<br />

wesentlichen Einfluss auf das Verhalten von Unternehmen, deren Organisation und Führung<br />

haben. Er wies ebenfalls darauf hin, dass sich kulturelle Unterschiede verschieden<br />

manifestieren und auf unterschiedlichen Hintergründen basieren. In seinem Zwiebelmodell<br />

benennt er vier Schichten kultureller Prägung: Symbole, Helden oder Vorbilder, Rituale und<br />

Werte.<br />

Trompenaars sieben Kulturdimensionen<br />

Hofstedes Schüler, der Wissenschaftler und Unternehmensberater Fons Trompenaars<br />

unterscheidet in seiner Kulturdefinition sogar sieben Kulturdimensionen, die sich in drei<br />

Kategorien menschlicher Probleme zuordnen lassen:<br />

Universalismus versus Partikularismus


Beziehungen zu den Mitmenschen<br />

Individualismus versus Kollektivismus<br />

Neutralität versus Affektivität<br />

Spezifität versus Diffusität<br />

Statuszuschreibung versus Statuserreichung<br />

Einstellung zur Zeit<br />

Einstellung zur Umwelt<br />

Einstellung zum Raum<br />

Edward T. Halls Kulturverständnis<br />

Eine etwas andere Kulturdefinition liefert Edward T. Hall, der als Begründer der<br />

Interkulturellen Kommunikation als anthropologische Wissenschaft gilt. Er konzentrierte sich<br />

in seinen Studien auf Verhaltensunterschiede, die in der interkulturellen Kommunikation<br />

Konflikte auslösen können und identifizierte so vier Kulturdimensionen: Kontextorientierung,<br />

Raumorientierung, Zeitorientierung und Informationsgeschwindigkeit.<br />

Die neun Kulturdimensionen der GLOBE Studie<br />

Den wohl umfangreichsten Ansatz in Sachen Kulturdefinition liefert wohl die GLOBE-Studie<br />

(Global Leadership and Organizational Behaviour Effectiveness Research Program). Sie ist<br />

eine groß angelegte, empirische Studie im Bereich der Kulturforschung, die 1991 von<br />

Professor Robert J. House von der Wharton University Pennsylvenia, USA initiiert wurde. In<br />

62 Ländern untersuchten während mehr als zehn Jahren über 170 Management- und<br />

Sozialwissenschaftler die Zusammenhänge zwischen „Nationalkulturen“, Organisationskultur<br />

und Führung.<br />

Ziel dieses weltweiten Forschungsprogrammes ist die Einführung von Dimensionen, um<br />

Unterschiede zwischen Kulturen zu messen und zu vergleichen. Zur Differenzierung der<br />

Gesellschaften und Organisationen wurden neun Kulturdimensionen definiert:<br />

Unsicherheitsvermeidung, Machtdistanz, institutioneller Kollektivismus, Gruppen- /<br />

Familienbasierter Kollektivismus, Geschlechtergleichheit, Bestimmtheit, Zukunftsorientierung,<br />

Leistungsorientierung und Humanorientierung.<br />

Diese und andere Kulturmodelle dienen letztlich lediglich als Hilfsmittel, um kulturelle<br />

Unterschiede identifizieren und charakterisieren zu können. Sie helfen, mögliche kulturelle<br />

Differenzen zu erkennen und zu vermeiden und das gegenseitige Verständnis zu verbessern.<br />

Aber wie schon Goethe wusste - „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie und grün des Lebens<br />

goldner Baum“ - kommt es bei der Zusammenarbeit in internationalen Teams in erster Linie<br />

auf die erfolgreiche Umsetzung dieses Wissens an. Was also gilt es in der Praxis zu beachten?<br />

Generell gilt: Interkulturell kompetent ist, wer große Sensibilität für kulturelle Unterschiede<br />

hat und über theoretisches sowie praktisches Hintergrundwissen verfügt, um andere<br />

Arbeitsstile und Denkweisen nicht nur zu verstehen, sondern konstruktiv zu nutzen.


Hinderlich hingegen sind vor allem Stereotype, Klischees und Vorurteile.<br />

Fünf entscheidende Erfolgsfaktoren<br />

In der Zusammenarbeit mit Menschen anderer Kulturen gibt es fünf grundlegende<br />

Bereiche,die die Art der Arbeit beeinflussen:<br />

1) Zeit<br />

Die Zeitvorstellung einer Kultur prägt wesentlich das Verhalten der Menschen dieser Kultur.<br />

Während in Westeuropa eine lineare Zeitbetrachtung vorherrscht, sieht man die Zeit in vielen<br />

asiatischen und südamerikanischen Ländern zyklisch, als eine im Überfluss vorhandene<br />

Ressource. Wer interkulturelle Kompetenz beweisen will, tut gut daran, sich der<br />

verschiedenen Zeitkonzeptionen bewusst zu sein und sich mit der Art und Weise, wie<br />

Projekte geplant, Konferenzen abgehalten und soziale Kontakte gepflegt werden, vertraut zu<br />

machen.<br />

2) Autorität und Führung<br />

Wie viel Wert eine Kultur auf Individualität oder Gemeinschaft legt, gibt auch darüber<br />

Auskunft, mit welcher Art von Führung sich eine Kultur wohl fühlt. In den meisten<br />

westlichen Kulturen zählt das Individuum mehr als die Gruppe, die Unternehmen pflegen<br />

daher einen partizipatorischen Führungsstil und ermutigen zur Beteiligung. In<br />

kollektivistischeren Ländern, wie etwa Japan, China und Russland, in denen mehr Wert auf<br />

die Gruppe bzw. Gemeinschaft gelegt wird, herrscht starke Hierarchiebildung vor, Autorität<br />

wird von der Hierarchie bestimmt.<br />

3) Kommunikations- und Verhandlungsprinzipien<br />

Auch in diesem Punkt teilt sich die Welt: In ergebnisorientierte Kulturen, die viel Wert auf<br />

direkte, klare und offene Kommunikation legen. Und in prozessorientierte, die anhand von<br />

persönlichen Netzwerken und Beziehungen zu Familien und Freunden operieren und eher<br />

indirekter und subtiler kommunizieren. Und auch die non-verbale Kommunikation, also<br />

Gesten und Körpersprache, werden in beiden Kulturen sehr unterschiedlich gehandhabt.<br />

4) Denkweise<br />

Viele westliche Kulturen sind einem strukturierten, logischen Denken verhaftet,<br />

Entscheidungen beruhen oft auf dem Mechanismus von Ursache und Wirkung,Projektplanung<br />

ist zielgerichtet und orientiert sich an definierten Endergebnissen. Die ostasiatische<br />

Denkweise dagegen verfolgt eher einen intuitiven, philosophischen Ansatz,Konzepte folgen<br />

nicht einer linearen, logischen Struktur, sondern laufen parallel.<br />

5) Feedback und Konfliktkultur<br />

Kulturen unterscheiden sich darin, wie viel Wert sie auf Harmonie versus Offenheit und<br />

Direktheit legen. Dies hat direkten Einfluss auf die Art und Weise, wie mit Kritik und<br />

Konflikt umgegangen wird. Wird in Westeuropa direktes und personenbezogenes Feedback<br />

bevorzugt, ist in asiatischen Kulturen die Pflege langfristiger Beziehungen wichtiger.<br />

Negatives Feedback, vor allem vor Anderen, wird möglichst vermieden. In der internationalen<br />

Zusammenarbeit gilt es, genau auf Signale und Körpersprache zu achten,um Konflikten<br />

vorzubeugen und Missverständnisse frühzeitig zu klären. Empathie und Verständnis sind<br />

zudem unabdingbar bei der Lösung interkultureller Konflikte.<br />

„Love your neighbour but maintain your hedge“ Dieses walisische Sprichwort ist in der<br />

interkulturellen Zusammenarbeit zwar nicht streng wörtlich zu nehmen, spricht aber einen<br />

wichtigen Punkt an.


Es geht nicht darum, die eigene Kultur zu verleugnen oder hintanzustellen. Es geht vielmehr<br />

darum, durch Offenheit, Wertschätzung und Verständnis von Seiten aller Beteiligten<br />

gemeinsam erfolgreich zu sein. Denn schlussendlich gehört die erfolgreiche Zusammenarbeit<br />

heute genauso zu den entscheidenden Wettbewerbsfaktoren eines Unternehmens wie dessen<br />

strategische Ausrichtung und die Produkt- bzw. Servicequalität.<br />

Spielregeln für die Arbeit<br />

Die Chance auf Erfolg erhöht zudem, wer nicht nur interkulturell kompetent agiert, sondern<br />

die Zusammenarbeit des Teams auch systematisch anpackt. In sieben Stufen können<br />

Menschen ihre gemeinschaftliche Arbeit gezielt voranbringen:<br />

Nicht immer verlaufen diese Stufen linear, sondern sind als Zyklus oder Regelkreis zu sehen.<br />

Aber, wer diese Stufen als Leitsystem für die Zusammenarbeit nutzt, der hat gute Chancen,<br />

mit einem High-Performance-Team erfolgreich zu sein.<br />

Und nicht vergessen: „Durchs Reden kommen die Leut z’am“. Das allerbeste aber, das<br />

Mitarbeiter oder Manager interkultureller Teams tun können: kommunizieren, kommunizieren<br />

und nochmals kommunizieren.<br />

Wer stets in Kontakt mit seinen Kollegen ist, der erkennt Probleme rasch und kann sie<br />

rechtzeitig beseitigen. Der kann Konsens herstellen, motivieren, Feedback geben und vor<br />

allem aktiv lenken. Es gilt also das Motto: „Reden ist Silber…und auch Gold.“<br />

Copyright <strong>Coverdale</strong> Österreich, Mohsgasse 1/Halbstock, 1030 Wien. www.coverdale.at,<br />

office@coverdale.at, 0043-1-5334427

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