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M. Tschannen: Optik für Schützen - VSMS

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M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

Vorwort<br />

Der vorliegende Artikel erschien im Waffen-Digest 2004 des Verlags Stocker-Schmid unter<br />

dem Titel „<strong>Optik</strong> für Scharfschützen und Jäger“. Geschrieben wurde er bereits Ende Jahr<br />

2002 und seither hat die Technik schon wieder erhebliche Fortschritte gemacht, namentlich<br />

was Restlichtverstärkung und Wärmebild anbelangt. Da der Artikel aber kein Marktführer<br />

sein soll, sondern in die Prinzipien einführen will, verzichtete ich auf eine entsprechende<br />

Aktualisierung.<br />

Das Layout ist für umseitigen Druck in schwarz-weiss vorbereitet.<br />

Marcel <strong>Tschannen</strong><br />

3


4<br />

M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1. Winkelmasse (MOA, MIL und Rad) 7<br />

2. Aufbau und Elemente des Zielfernrohrs 11<br />

3. Vergrösserung 17<br />

4. Parallaxe 21<br />

5. Absehen und Distanzen schätzen 26<br />

6. Nachtzielgeräte, Laser und andere 33<br />

Zusammenfassung 39<br />

5


6<br />

M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

<strong>Optik</strong> für Schützen<br />

Die <strong>Optik</strong> ist in der Physik ein wohl erforschtes Gebiet, jedoch fehlen weitgehend<br />

Darstellungen, die sich konkret auf die Verwendung von optischen Geräten als Ziel-<strong>Optik</strong><br />

ausrichten. Genau damit aber hat es der Schütze zu tun und dieser Artikel soll Fragen zu<br />

Themen wie Absehen, Parallaxe, Austrittspupille u.ä. beantworten. Die Perspektive auf das<br />

Thema ist die des Präzisions-Gewehrschützen, in deren Mittelpunkt das Zielfernrohr steht,<br />

aber auch andere Ziel-<strong>Optik</strong>en werden erklärt.<br />

1. Winkelmasse (MOA, MIL und Rad)<br />

In der Anwendung und Beschreibung von Zielfernrohr-(ZF-)Gewehren muss man häufig mit<br />

kleinen Winkeln arbeiten. Deshalb seien hier einführend die wichtigsten Winkeleinheiten<br />

sowie einige Beziehungen dargestellt, die besonders im Umgang mit kleinen Winkeln von<br />

Nutzen sind.<br />

Das geläufigste Winkelmass ist wohl das „Grad“, welches man definiert, indem man den<br />

Vollkreis in 360 gleiche, schnitzförmige Sektoren aufteilt. Für die Arbeit mit kleinen Winkeln<br />

teilt man das Winkelgrad nochmals in sechzig gleiche Sektoren und erhält die Bogen- oder<br />

Winkelminute (engl.: minute of angle, MOA), also 1 MOA = 1/60 grad.<br />

Besonders praktisch für Rechnungen, wie sie beim Schiessen auftreten, ist das „Promille“, in<br />

der englischen Literatur häufig als „MIL“ bezeichnet. Mathematisch gesprochen ist dies<br />

eigentlich der Tangens (Formel 1.5) des Winkels, definiert als das Kathetenverhältnis G/g<br />

(Bild 1.1), angegeben in Tausendstel.<br />

Formel 1.1)<br />

α[MIL] = G/g · 1000 = G[mm] / g[m] (gilt nur für kleine Winkel; s.u.)<br />

In der Mathematik benutzt man ein drittes Mass, das sogenannte Bogenmass „Rad“. Das<br />

Bogenmass bezeichnet die Länge des Bogens, der vom Winkel bestrichen wird, am<br />

Einheitskreis (Kreis mit Radius 1). Der Vollkreis erhält das Mass 2π (π ≅ 3.14), was seinem<br />

Umfang entspricht. Da der Vollkreis in Grad das Mass 360 erhält, ergibt sich folgende<br />

Umrechnungsformel:<br />

Formel 1.2) α[grad] = α[rad] · 360/2π => α[grad] ≅ α[rad] · 57.32<br />

α .<br />

G = sin α<br />

g = cos<br />

Bild 1.1: Kreis mit Radius = 1<br />

Ein rechtwinkliges Dreieck wie in Bild 1.1 findet der Schütze z.B. im Verhältnis von Zielhöhe<br />

(= G) zu Zieldistanz (= g). Da die Zielhöhe immer viel kleiner ist als die Zieldistanz, erhalten<br />

wir die eingangs erwähnten kleinen Winkel, die wegen ihrer Kleinheit zeichnerisch gar nicht<br />

darstellbar sind.<br />

7


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

Der Vollständigkeit halber seien noch kurz die Winkelfunktionen Cosinus, Sinus und<br />

Tangens eingeführt, mit Bezug auf Bild 1.1. Man muss diese Funktionen nicht unbedingt<br />

kennen, aber sie sind überaus nützlich und auf vielen Taschenrechnern fest programmiert.<br />

Formel 1.3)<br />

Formel 1.4)<br />

Formel 1.5)<br />

cos α = g<br />

sin α = G<br />

tan α = sin α / cos α = G/g<br />

Für kleine Winkel (kleiner als 1grad) gelten in Rad folgende Näherungen, die viele<br />

Berechnungen im Zusammenhang mit dem Büchsenschuss stark vereinfachen, weil man so<br />

die Winkelfunktionen weglassen kann:<br />

Formel 1.6)<br />

α ≅ sin α ≅ tan α ; cos α ≅ 1 (Winkel in Rad)<br />

Da Winkel in MIL wie schon erwähnt eigentlich den Tangens angeben, folgt aus Formel 1.6<br />

die Umrechnung von MIL in Rad:<br />

Formel 1.7) α [rad] = α [MIL]/1000 (für kleine Winkel bis ca. 1grad)<br />

(Die Winkelfunktionen kann man natürlich auch umkehren, wenn man z.B. wissen will,<br />

welcher Winkel zu einem gegebenen Tangens gehört. Die Umkehrfunktionen bezeichnet<br />

man dabei mit „arc“ (für arcus = Bogen), also „arc sin“, „arc cos“ und „arc tan“.)<br />

Da wir nun die Winkelfunktionen kennen, können wir auch die Umrechnung von MIL in MOA<br />

angeben, welche in der Praxis sehr häufig benutzt wird:<br />

Formel 1.8) α[MIL] ≅ α[MOA] ·0.29 (für kleine Winkel bis ca. 60MOA bzw. 1grad)<br />

Dies gilt nur für kleine Winkel gemäss Formel 1.6. Genau müsste man eigentlich den<br />

Tangens benutzen, was aber kaum von Bedeutung ist.<br />

Formel 1.8a) α [MIL] = tan( α[MOA] / 60) · 1000<br />

Formel 1.8b) α [MIL] = tan( α[MOA] ·0.00029) · 1000<br />

(Rechnung in Grad)<br />

(Rechnung in Rad)<br />

Zur Untermauerung des Gesagten seien einige Winkel in verschiedenen Einheiten<br />

aufgelistet:<br />

[MOA] [rad] [MIL] cm auf 100m<br />

1 0.00029074 0.29 2.91<br />

2 0.00058148 0.58 5.81<br />

3 0.00087222 0.87 8.72<br />

5 0.0014537 1.45 14.54<br />

10 0.00290741 2.91 29.07<br />

60 0.01744444 17.45 174.46<br />

600 0.17444444 176.24 1762.36<br />

1800 0.52333333 577.00 5769.96<br />

Tabelle 1.1: Winkelmasse im Vergleich (nach Formeln 1.2 und 1.8a)<br />

Die Tabelle zeigt deutlich, wie die Gleichheiten aus Formel 1.6 eben nur für kleine Winkel<br />

gelten und nicht z.B. für 30 grad (1800 MOA). Für Kopfrechnungen im Felde sollte man sich<br />

merken, dass 1 MOA ≅ 0.3 MIL oder umgekehrt 1 MIL ≅ 3 MOA. In angelsächsischen<br />

Einheiten gilt ausserdem die besonders einfache Beziehung: 1 MOA ≅ 1 inch auf 100 yards<br />

8


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

(1“ = 25.4mm, 1 yard = 0.9144m). Statt MIL oder Promille wird in wissenschaftlichem<br />

Zusammenhang auch oft die gleichwertige Einheit Milrad (1/1000 Rad) benutzt.<br />

Für die Anordnung gemäss Bild 1.2 ergibt sich ausserdem nach Formel 1.6, dass die Winkel<br />

α und α‘ gleich sind, immer unter der Voraussetzung genügend kleiner Winkel.<br />

g<br />

α‘<br />

G<br />

α<br />

G<br />

Bild 1.2: Bezug auf Zentrum oder Fuss des Zieles ergeben gleichen Winkel<br />

Drei Beispiele sollen das bisher Dargestellte erläutern:<br />

Beispiel 1.1: Im Feldstecher mit Promill-Skala erscheint eine Türe, die 2 m hoch sei, unter<br />

einem Winkel von 8 MIL. Wie weit ist die Türe entfernt?<br />

Mit Formel 1.1 und den Bezeichnungen in Bild 1.1 können wir folgende Gleichung<br />

schreiben:<br />

8 MIL = 2 m / g ·1000<br />

Diese Gleichung umgeformt nach der Unbekannten g ergibt<br />

g = 2 m · 1000 / 8 MIL = 250 m<br />

Die Türe ist also 250m von uns entfernt (siehe auch Abschnitt 5).<br />

Beispiel 1.2: Beim Einschiessen auf 150 m liege der mittlere Treffpunkt unserer Drei-<br />

Schuss-Gruppe 4 cm rechts der Mitte (vgl. Abschnitt 5). Wieviel müssen wir das ZF<br />

korrigieren?<br />

Nach Formel 1.1 ist der gesuchte Winkel in Promill<br />

α[MIL] = 40 mm / 150 m = 0.27 MIL<br />

Falls unser ZF für MOA graviert ist, rechnen wir um gemäss umgekehrter Formel 1.8<br />

(oder aus Tabelle 1.1 geschätzt)<br />

α[MOA] = α[MIL] / 0.29 = 0.27 / 0.29 = 0.93 MOA ≅ 1 MOA<br />

Beispiel 1.3: Gemäss den Angaben des Herstellers habe unser Gewehr mit der<br />

empfohlenen Munition eine Streuung von ½ MOA. Können wir damit ein Hühnerei<br />

(Durchmesser 4 cm) auf 200 m treffen?<br />

Wenn die Streuung eines Gewehres in Winkelmassen angegeben wird, bedeutet<br />

dies, dass praktisch alle Schüsse in eine Fläche treffen, die aus der Schnittfläche<br />

einer lotrechten Ebene mit einem Kegel des angegebenen Oeffnungswinkels besteht.<br />

Die Verteilung der Einschüsse innerhalb dieser Fläche allerdings ist mehr oder<br />

weniger zufällig. Um ein Ziel sicher treffen zu können, muss demnach der Streukreis<br />

kleiner sein als das Ziel.<br />

9


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

α<br />

Bild 1.3: Streukegel<br />

Für unser Hühnerei ergibt sich unter Ausnutzung der Beziehung, die in Bild 1.2<br />

behauptet wird, ein Oeffnungswinkel von<br />

α = 0.04 m / 200 m = 0.2 MIL<br />

oder in MOA ausgedrückt nach Formel 1.8<br />

α = 0.7 MOA > ½ MOA<br />

Um das Hühnerei zu treffen, darf der Oeffnungswinkel des Streukegels also 0.7 MOA<br />

nicht überschreiten. Da unser Gewehr mit 0.5 MOA deutlich weniger streut als<br />

zulässig, müssten wir das Ei treffen können - Schützenfehler natürlich<br />

ausgeschlossen.<br />

Man kann auch andersherum rechnen: ½ MOA Streuung entsprechen auf 200 m<br />

einem Streukreis von 29 mm (Formeln 1.1, 1.8, Tabelle 1.1). Da diese Streuung<br />

kleiner ist als unser Hühnerei mit Durchmesser 40 mm, sollte man es mit dem ersten<br />

Schuss treffen können.<br />

10


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

2. Aufbau und Elemente des Zielfernrohrs<br />

Die Linsensysteme und feinmechanischen Verstellmechanismen der modernen, qualitativ<br />

hochstehenden Zielfernrohre sind unglaublich kompliziert. Dieser Abschnitt und die drei<br />

folgenden sollen an Hand vereinfachter Modelle das Verständnis der Funktionsprinzipien<br />

ermöglichen. Zu diesem Zweck zeigt das Schema in Bild 2.1 den groben Aufbau eines 2x<br />

vergrössernden ZF.<br />

Für dünne Linsen gilt die sogenannte Abbildungsgleichung:<br />

Formel 2.1)<br />

1/f = 1/g + 1/b (f: Brennweite „focus“; g: Gegenstandsweite; b: Bildweite)<br />

In realen ZF ist jede im Bild 2.1 als Strich dargestellte dünne Einzellinse (1), (2) und (3) ein<br />

ganzes System von Linsen, mit dem Zweck, die Gesamtlänge des Rohres kurz zu halten und<br />

Verzerrungen von Farbe und Form bis zum Rand des Rohres hin zu vermeiden. Ausserdem<br />

werden die Linsen beschichtet (engl.: coated), um ihre Lichtdurchlässigkeit zu erhöhen.<br />

Farbtreue, Randschärfe und Brillanz sind wichtige, einfach zu überprüfende<br />

Qualitätsmerkmale eines ZF.<br />

(1) (2) (3)<br />

g OB<br />

b OB<br />

b OK<br />

f OK<br />

g OK<br />

Objekt<br />

(1) Objektivlinse<br />

(2) Linse des Umkehrsystems<br />

(3) Okularlinse<br />

g OB Objektivgegenstandsweite<br />

b OB Objektivbildweite<br />

g OK Okulargegenstandsweite<br />

b OK Okularbildweite<br />

Brennweite Objektiv<br />

f OB<br />

f UM<br />

Brennweite des<br />

Umkehrsystems<br />

f OK Brennweite des Okulars<br />

f OB<br />

f OB<br />

4 · f UM<br />

Bild 2.1: Strahlengang und Zwischenbilder in Zielfernrohr mit Vergrösserung 2x<br />

(siehe dazu auch Bild 2.2.)<br />

Der Teil des ZF, der dem Gegenstand („Objekt“) zugewandt ist, heisst „Objektiv“. Vom<br />

Gegenstand der Gegenstandsweite g OB erzeugt die Linse des Objektivs (1) ein kleines,<br />

reelles, auf dem Kopf stehendes Zwischenbild mit der Bildweite b OB (Objektivbildebene). In<br />

dieser Ebene montiert man üblicherweise das Absehen, manchmal aber auch in der<br />

Okulargegenstandsebene g OK („Fadenkreuz“; siehe Abschnitt 5: Absehen und Distanzen<br />

schätzen.)<br />

11


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

Bild 2.2: Schnitt und Strahlengang eines Zielfernrohrs von Schmidt&Bender. Gut erkennbar das schwenkbar gelagerte<br />

Innenrohr mit dem Absehen und dem Umkehrsystem.<br />

12


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

Die Lichtstrahlen gehen dann weiter in das Umkehrsystem (2), das die Grösse des Bildes<br />

nicht verändert, es aber auf die Füsse stellt, so dass der Betrachter ein richtig stehendes Bild<br />

zu sehen bekommt. Das Bild steht nun nicht mehr in b OB , sondern in g OK . Das Umkehrsystem<br />

ist der Hauptgrund dafür, dass Zielfernrohre immer ziemlich lang bauen.<br />

Der Teil des ZF, der dem Auge zugewandt ist, heisst „Okular“. Die Okularlinse (3) wirkt als<br />

Lupe, mit welcher der Betrachter das kleine Bildchen mit Abstand g OK im Innern des ZF<br />

betrachtet; dadurch kommt eigentlich die Vergrösserung zustande (vgl. Abschnitt 3). Dieses<br />

Bild der Lupe in b OK ist das eigentliche Zielbild und man nennt es ein „virtuelles“ Bild, weil<br />

man es nicht mit einem Schirm sichtbar machen kann und weil es nur durch die Lupenlinse<br />

hindurch gesehen werden kann; dies im Gegensatz zum „reellen“ Bild der Objektivlinse,<br />

welches mit einem Schirm sichtbar gemacht werden könnte (vgl. Projektoren,<br />

Photoapparate).<br />

In Bild 2.1 ist die Okulargegenstandsweite g OK etwas kleiner als die Brennweite f OK , was<br />

einem schlecht eingestellten ZF entspricht. Man sollte das Okular nämlich so einstellen, dass<br />

das Bildchen genau in den Brennpunkt der Okularlinse (g OK = f OK ) fällt; die Bildweite b OK wird<br />

dann unendlich und das Auge kann entspannt in die Ferne sehen. Am besten findet man<br />

diese Einstellung, indem man mit dem ZF auf eine entfernte weisse Wand zielt und am<br />

Okular schraubt, bis man bei entspanntem Auge das Absehen scharf sieht. Es ist unbedingt<br />

zu vermeiden, in das Rohr zu starren, weil man es dann schlecht einstellt und das Auge<br />

beim Zielen ermüden wird.<br />

1 2 3<br />

Bild 2.3: Okularverstellung.<br />

1) Okular mit Konterschraube zur Fixierung der Einstellung ohne weitere<br />

Bedienelemente (Leupold)<br />

2) Okular mit selbsthemmender Verstellung sowie Einstellring für Vergrösserung<br />

(Schmitd&Bender)<br />

3) Okular mit selbsthemmender Verstellung sowie Einstellring für<br />

Parallaxausgleich (Bausch&Lomb)<br />

Das Gehäuse sorgt dafür, dass alle Linsen und Verstellmechanismen beim Schuss an ihrem<br />

Ort bleiben (Schussfestigkeit) und dass keine Feuchtigkeit in das Rohr eindringt<br />

(Wasserdichtigkeit). Wie gut ein ZF diese Bedingungen erfüllt, lässt sich vor dem Kauf leider<br />

nicht zerstörungsfrei testen, der private Käufer muss sich da auf den guten Ruf des<br />

Herstellers verlassen. Zur Erhöhung der Lichtdurchlässigkeit und um ein Beschlagen der<br />

Linsen zu vermeiden, sind manche Rohre mit Stickstoff gefüllt.<br />

13


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

Eintrittspupille<br />

Gesichtsfeldbegrenzung<br />

Austrittspupille<br />

Auge<br />

Absehen<br />

Bild 2.4: Lichtbündel im ZF<br />

Wegen der unterschiedlichen Weglängen der Randstrahlen gegenüber den Mittelstrahlen ist<br />

es nicht möglich, über den ganzen Linsendurchmesser ein brillantes Bild zu erhalten. Aus<br />

diesem Grund montieren die Hersteller eine Lochblende – die Gesichtsfeldbegrenzung - in<br />

das Strahlenbündel, um die unbrauchbaren Randstrahlen wegzuschneiden (Bild 2.4). Diese<br />

Massnahme gewährleistet eine gleichmässig hohe Schärfe und Farbtreue über das ganze<br />

sichtbare Bild, verkleinert aber natürlich den wirksamen Objektivdurchmesser und somit das<br />

Sehfeld.<br />

Damit die Begrenzung des virtuellen Zielbildes auch mit der realen Begrenzung durch das<br />

Okular übereinstimmt, muss das Auge einen bestimmten Abstand zu diesem einhalten. Um<br />

die Wahl des richtigen Rohres mit Rücksicht auf die Art der Waffe und deren Rückstoss zu<br />

ermöglichen, geben gewissenhafte Hersteller den Augenabstand in ihren Katalogen an; er<br />

beträgt meistens knapp 10cm.<br />

Zur Montage auf das Gewehr findet man den richtigen Ort für das ZF, indem der Schütze die<br />

Waffe in seiner bevorzugten Stellung anschlägt, wobei die Wange fest auf dem Kolben<br />

aufliegen muss. In dieser Stellung muss das ZF so hoch sein, dass das Auge des Schützen<br />

genau in der Seele des Rohres liegt. Natürlich muss der Schaft so gestaltet sein, dass dies<br />

auch möglich ist, mittels einer geeigneten Wangenauflage.<br />

falsch<br />

richtig<br />

Bild 2.5: Schlecht ausgeleuchtetes Absehen (links) wegen falschem Augenabstand<br />

Der Abstand des Rohres zum Auge des Schützen mit der Waffe im Anschlag muss so<br />

gewählt werden, dass der Schütze ein „sauber ausgeleuchtetes“ Absehen sieht. Das heisst,<br />

die Begrenzung des Gesichtsfeldes muss schön scharf sein und darf nicht diffus auslaufen<br />

(Bild 2.5).<br />

Zum Abschluss dieses Abschnitts seien noch die wichtigsten Kennzahlen eines ZF erklärt:<br />

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M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

a) Ein ZF bezeichnet man nach der Vergrösserung und dem wirksamen Durchmesser<br />

des Objektivs (Eintrittspupille, Bild 2.4); z.B. 4x42 bedeutet 4x Vergrösserung und<br />

einen Objektivdurchmesser von 42mm, 3-9x50 bezeichnet ein ZF mit variabler<br />

Vergrösserung von 3x bis 9x und einem Objektivdurchmesser von 50mm.<br />

b) Wichtig zu wissen für die Wahl der Montage, also dem Verbindungsstück von ZF und<br />

Waffe, ist der Aussendurchmesser des Mittelrohres. Dabei findet man fast<br />

ausschliesslich zwei Masse: 1“ (=25.4 mm) oder 30 mm. (Für ausgesprochene<br />

Weitschuss-Büchsen bieten Schmidt&Bender neuerdings Rohre mit einem<br />

Mittelrohrdurchmesser von 34 mm.) Manche Rohre sind allerdings gar nicht nur rund,<br />

sondern schon für eine spezifische Montage vorbereitet (STANAG, Zeiss-Schiene<br />

u.ä.). Am verbreitetsten sind aber gewiss die runden Rohre, die mittels zwei bis vier<br />

Ringen auf die Hülse des Gewehrs montiert werden. Eine feste, sauber angebrachte<br />

Montage ist eine unbedingte Notwendigkeit, denn wenn sie wackelt, nutzt die beste<br />

Ausrüstung und gründlichste Einsatzvorbereitung nichts. Da Scharfschützengewehre<br />

in der Regel keine offene Visierung haben, kann man gut auf Schwenk- oder<br />

Schnellmontagen verzichten und stattdessen eine starke Festmontage wählen.<br />

Allerdings sollte die Montage verstellbar sein, um ein genaues Ausrichten des ZF zu<br />

ermöglichen.<br />

c) Nebst diesen elementaren Angaben findet man manchmal noch die<br />

Dämmerungszahl. Durch die Vergrösserung des ZF gibt sich gegenüber dem nackten<br />

Auge nämlich noch eine gewisse Aufhellung, so dass man mit ZF weiter in die<br />

Dämmerung sehen kann als von blossem Auge. Die Dämmerungszahl wird wie folgt<br />

definiert (Erfahrungswert):<br />

Formel 2.2)<br />

Dämmerungszahl = √(Vergrösserung · Objektivdurchmesser)<br />

Die Dämmerungszahl ist also die Wurzel aus dem Produkt genau der beiden<br />

Kennzahlen, die oben in a) erklärt werden und auf jedem ZF eingraviert sind. ZF mit<br />

einer Dämmerungszahl ab 20 erachtet man als nachttauglich.<br />

d) Mit den Angaben Vergrösserung und Objektivdurchmesser kann man ausserdem den<br />

Durchmesser der Austrittspupille berechnen. Das ist der Durchmesser des<br />

Lichtbündels, das aus dem Okular austritt und in das Auge eintritt (siehe Bild 2.4).<br />

Formel 2.3)<br />

Austrittspupille[mm] = Objektiv[mm] / Vergrösserung ZF<br />

Die Pupille des menschlichen Auges variiert von 1.2 mm (Sonne) bis 7 mm (Nacht).<br />

Wenn die Austrittspupille kleiner ist als die Augenpupille, nutzt das ZF die Fähigkeiten<br />

des Auges nur ungenügend, weshalb ein Nachtglas eine Austrittpupille von 7 mm<br />

haben sollte. Das Mass der Austrittspupille ist also wichtig für die Wahl eines Tagoder<br />

Nachtrohres und da es im Gegensatz zur Dämmerungszahl physikalisch<br />

begründet ist, als Kriterium derselben vorzuziehen.<br />

e) Manchmal findet man sogar noch die Angabe des Sehfeldes auf eine gewisse<br />

Distanz, meistens auf 100 m. Natürlich gilt, dass das Sehfeld grösser wird mit<br />

grösserem Objektiv und umso kleiner, je stärker das ZF vergrössert. Ein grosses<br />

Sehfeld bringt den Vorteil der raschen Zielerfassung, ein kleines bietet dafür ein<br />

Maximum an Präzision (vgl. Bild 3.3).<br />

Formel 2.4) Sehfeld[m] = (0.6 - 1.7) · Austrittspupille[mm] · Distanz[100 m]<br />

(Zusammenzug von Herstellerangaben)<br />

Die grosse Spanne 0.6 - 1.7 des theoretisch konstanten Faktors erklärt sich aus der<br />

konstruktiven Freiheit der Hersteller bei der Grösse der Gesichtsfeldbegrenzung (und<br />

15


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

wahrscheinlich aus Fehlern in den Katalogen). Berechnen kann man das Sehfeld<br />

deshalb nicht ohne weitere Angaben über das Innere des ZF, aber die meisten<br />

Hersteller geben das Mass bezogen auf 100 m in ihren Katalogen an. Zum<br />

Umrechnen auf andere Distanzen als 100 m benutzt man die Formeln aus Abschnitt<br />

1 und drückt das Sehfeld in Winkelmassen aus (vgl. Tabelle 1.1).<br />

f) Um die Schusslage korrigieren zu können, ist das Absehen verstellbar gelagert.<br />

Diese Verstellung hat natürlich ihre Schranken und der Bereich innerhalb dieser<br />

Schranken heisst Verstellbereich. Sinnvollerweise gibt man seine Grösse in MOA an<br />

und er sollte in der Höhe von Anschlag zu Anschlag mindestens 40 MOA betragen;<br />

für schwere, langsame Geschosse und/oder grosse Einsatzdistanzen sollte man ein<br />

ZF mit über 80 MOA Verstellbereich wählen. Da ein Scharfschütze den<br />

Verstellmechanismus nicht nur zum Einschiessen, sondern auch zum Ausgleich der<br />

Flugbahn benutzt, belastet er ihn mehr als z.B. ein Jäger dies tut. Deshalb sollte er<br />

darauf achten, dass sein Rohr über eine Mechanik aus Metall verfügt.<br />

Nebst der Fachliteratur bieten die grossen Hersteller (Zeiss, Schmidt&Bender, Leupold u.a.)<br />

in ihren Katalogen sehr viel gute Informationen, Schnittzeichnungen eingeschlossen. Wenn<br />

man dazu noch die Preislisten studiert, sollte man nicht erschrecken, wenn man sieht, dass<br />

ein Spitzen-ZF noch einmal soviel kostet wie das Gewehr selbst; gute Rohre sind diesen<br />

Preis wert.<br />

Beim Katalog-Studium sollte man auch nach nützlichem Zubehör wie Schutzdeckeln und<br />

besonders nach Sonnenblenden (röhrenförmige Verlängerung, die vor das Objektiv<br />

geschraubt wird) Ausschau halten. Eine Sonnenblende, deren Länge mindestens gleich dem<br />

Objektivdurchmesser ist, verhindert nämlich sehr wirksam verräterische Reflexionen der<br />

Objektivlinse und schützt das Auge vor direkter Sonneneinstrahlung; für Scharfschützen ein<br />

unerlässliches Zubehör.<br />

Bild 2.6: Objektiv mit aufgesetzter Sonnenblende (links) und ohne (rechts)<br />

Aber wieso braucht man überhaupt ein Zielfernrohr? Ein offenes Visier bestehend aus<br />

Kimme (bzw. Diopter) und Korn hat auch seine unbestreitbaren Vorteile: Es ist extrem robust<br />

und bietet eine sehr tiefe Visierhöhe. Demgegenüber sprechen für ein ZF folgende Vorteile<br />

(vgl. die folgenden Abschnitte):<br />

- es hilft, Zielfehler zu vermeiden;<br />

- es fördert eine genaue Zielerkennung;<br />

- es ermöglicht einen Schuss bis weit in die Dämmerung hinein;<br />

- es bietet sehr feine Verstellmöglichkeiten.<br />

Keine andere Visierung vereint all diese Vorteile in sich, weshalb das ZF für<br />

Präzisionsschützen die erste Wahl darstellt (vgl. Alternativen gem. Abschnitt 6).<br />

16


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

3. Vergrösserung<br />

Physikalisch betrachtet ist die Vergrösserung eine Frage der Sehwinkel: Der Sehwinkel wird<br />

definiert durch das Verhältnis Gegenstandsgrösse / Gegenstandsweite und ein<br />

normalsichtiges Auge kann Winkel von 1 MOA noch auflösen. Die Vergrösserung V ist dann<br />

Formel 3.1)<br />

V = Sehwinkel mit <strong>Optik</strong> / Sehwinkel ohne <strong>Optik</strong><br />

Die praktische Wirkung der Vergrösserung ist die, dass ich das Ziel sehe, als ob es<br />

entsprechend grösser oder näher wäre. D.h. einen Mann von 1.80 m Grösse sehe ich auf<br />

100 m bei 4x-Vergrösserung, als ob er entweder bei gleicher Grösse bloss 25 m entfernt<br />

wäre oder bei Entfernung 100 m, als ob er 7.20 m gross wäre.<br />

Beispiel 3.1: Kann ich mit meinem ZF der Vergrösserung 6x ein Schussloch Kaliber 5.56<br />

mm auf 50 m sehen?<br />

Mit Formel 1.1 berechnen wir den Sehwinkel, unter dem das Loch erscheint, zu 0.11<br />

MIL oder ca. 0.4 MOA ohne ZF und 2.4 MOA mit ZF (Formel 3.1). Das Loch ist also<br />

von blossem Auge nicht, mit ZF jedoch erkennbar.<br />

Formel 3.1 kann man umformen, um folgende typische Fragestellung zu beantworten:<br />

Welche Vergrösserung brauche ich, um einen Gegenstand auf eine gewisse Distanz<br />

beobachten zu können? Dies führt zur praktischen „Spektiv-Formel“:<br />

Formel 3.1a) V min = 0.29 · g[m] / G[mm]<br />

g: Distanz (Gegenstandsweite)<br />

G: Objektgrösse (Gegenstandsgrösse)<br />

Beispiel 3.2: Was für ein Beobachtungsglas brauche ich, um auf 1000 m ein Schussloch<br />

Kal. .50 erkennen zu können?<br />

Nach Formel 3.1a gilt V min = 0.29 · 1000 m / 12.7 mm, also V 22.8<br />

Handelsübliche Spektive erreichen problemlos Vergrösserungen über 40x, eine<br />

Vergrösserung von 22x und mehr ist auch mit speziellen Zielfernrohren möglich.<br />

Im Linsensystem des ZF berechnet sich die Vergrösserung aus dem Verhältnis aus<br />

Objektivbrennweite zu Okularbrennweite:<br />

Formel 3.2) V = f OB / f OK (Bezeichnungen aus Bild 2.1)<br />

d<br />

2 · f 1<br />

2 · f 2<br />

Bild 3.1: System von zwei dünnen Linsen<br />

17


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

Die Brennweite einer Linse ist durch ihre Form und das Material gegeben. Wie kann man<br />

nun eine variable Vergrösserung (engl.: zoom) erreichen? Die Linse des menschlichen<br />

Auges ist weich und durch Muskelspannung deformierbar; beim Bau von ZF hingegen ist<br />

man beim jetzigen Stand der Technik auf starre Linsen aus Glas angewiesen. Systeme von<br />

mehreren dünnen Linsen, die nahe beieinander liegen, haben die interessante Eigenschaft,<br />

dass sich ihre Brennweiten zu einer Gesamtbrennweite zusammenfassen lassen, gemäss<br />

Formel 3.3 für das einfachste System bestehend aus zwei Linsen:<br />

1 1 1 d<br />

Formel 3.3) = + -<br />

(Bezeichnungen aus Bild 3.1)<br />

f gesamt f 1 f 2 f 1 · f 2<br />

Wenn man nun die zwei Linsen so montiert, dass der Abstand d über eine Art Schraube mit<br />

Feingewinde verstellbar ist, erhält man eine variable Brennweite f OK und somit nach Formel<br />

3.3 eine variable Vergrösserung. Grundsätzlich könnte man jede der drei Linsen gemäss<br />

Schema Bild 2.1 durch ein solches variables System ersetzen, aus gutem Grund tut man<br />

dies allerdings immer mit der Okularlinse (Probleme mit Scharfstellung und Parallaxe!).<br />

Selbstverständlich muss das Rohr so konstruiert sein, dass bei der Veränderung der<br />

Vergrösserung der Treffpunkt erhalten bleibt.<br />

Bild 3.2: Ring zur Einstellung der Vergrösserung bei variablem ZF<br />

Beispiel 3.3: Sei ein ZF mit Objektivbrennweite f OB = 12 cm, Brennweite der Umkehrlinse<br />

f UM = 3 cm (vgl. Bild 2.1). Das Okular bestehe aus zwei Linsen der Brennweite 3 cm.<br />

d [cm] f Okular, gesamt [cm] Vergrösserung<br />

0.50 1.64 7.33<br />

1.00 1.80 6.67<br />

1.50 2.00 6.00<br />

2.00 2.25 5.33<br />

2.50 2.57 4.67<br />

Tabelle 3.1: Variable Vergrösserung (nach Formel 3.3 und Bild 3.1)<br />

Dies wäre mit den zusammengezählten Teillängen nach Bild 2.1 ein ZF der<br />

ungefähren Gesamtlänge von ca. 27cm. Nach Tabelle 3.1 ergäbe dies ein ZF der<br />

variablen Vergrösserung von 4.7-7.3x.<br />

18


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

Ein stark vergrösserndes Rohr bietet viele Vorteile: Es erlaubt ein sicheres Ansprechen<br />

(Jägerjargon für Erkennen, Identifizieren) des Zieles, es bringt eine hohe Dämmerungszahl<br />

(Formel 2.2) und es verspricht ein genaues Anbringen des Schusses.<br />

Man darf aber auch die Nachteile nicht übersehen: Ein starkes ZF vergrössert natürlich auch<br />

die Schützenfehler, wie z.B. das Wackeln. So juckt das Absehen bei einer Vergrösserung 6x<br />

im liegenden Anschlag schon merklich im Takt des Herzschlags auf und ab und stehend frei<br />

kann man die Waffe kaum mehr auf dem Ziel halten.<br />

Ausserdem verkleinert sich das Sehfeld mit zunehmender Vergrösserung (Formel 2.4), was<br />

die Zielerfassung sehr erschwert. Beim Scheibenschiessen, wie z.B. dem extrem präzisen<br />

Benchrest-Schiessen mit Vergrösserungen um 36x, spielt dies keine Rolle, auf der Pirsch<br />

oder im Einsatz als Scharfschütze hingegen sehr wohl. Man beachte in Bild 3.3, dass der<br />

Schütze zwar mit Vergrösserung 16x das Ziel sehr genau sieht, jedoch nicht mehr sagen<br />

kann, welches der drei X er im Visier hat!<br />

XXX<br />

Bild 3.3: Sehfeld. Links Vergrösserung 4x, rechts 16x<br />

Als letzter Nachteil eines ZF mit starker Vergrösserung bleibt noch seine Empfindlichkeit<br />

gegen das Wabern heisser Luft – genannt Mirage – zu erwähnen. Von jedem heissen Fleck<br />

der Umgebung und natürlich auch vom warmen Lauf steigen Luftschlieren hoch, durch die<br />

hindurch das Ziel unscharf wie eine Fata Morgana erscheint. Je stärker die Vergrösserung<br />

ist, umso mehr stört die Mirage den Schützen beim Zielen. Wer auf so starke<br />

Vergrösserungen nicht verzichten kann, benutzt mit Vorteil ein Flimmerband, also einen<br />

Streifen Tuch, der spannungsfrei über den Lauf gelegt wird und so die aufsteigenden<br />

Luftschlieren aus dem Gesichtsfeld lenkt. Namentlich für Sportschützen, die längere<br />

Schussfolgen schiessen, ist ein Flimmerband unabdingbar. (Bemerkung: Benchrester<br />

benutzen statt des Flimmerbandes lieber ein Rohr, das ähnlich einer Sonnenblende vor die<br />

Objektivlinse geschraubt wird, aber bis zur Mündung reicht; dank dieser Vorrichtung bleibt<br />

der Lauf wirklich vollständig freischwingend.)<br />

Rohre mit variabler Vergrösserung erscheinen gerne als Universallösung, aber auch sie<br />

haben ihre Nachteile. Zum einen hat jede zusätzliche Linse im System des ZF durch<br />

Reflexion ihre Verluste an Lichtdurchlässigkeit, zum andern erhöht der Mehraufwand an<br />

präziser Feinmechanik den Preis und die Störungsanfälligkeit des ZF. Wo darauf verzichtet<br />

werden kann, sollte man dies deshalb tun.<br />

Besonders geeignet sind ZF mit variabler Vergrösserung für Einsteiger, die damit wertvolle<br />

Erfahrungen sammeln können, oder bei geeigneter Wahl des Verstellbereichs für Jäger, die<br />

mit derselben Waffe sowohl pirschen als auch ansitzen, und für Polizeischarfschützen, weil<br />

solche Rohre sowohl genaues Erkennen als auch gute Uebersicht gewährleisten<br />

(Empfehlung: Bereich mindestens 4 – 9x, besser 3 – 12x, Objektivdurchmesser 42 mm – 50<br />

mm).<br />

Aus all diesen Gründen ist es äusserst wichtig, bei der Wahl des geeigneten ZF eine<br />

realistische Einschätzung des geplanten Einsatzes zu haben.<br />

19


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

Nachdem wir nun verstanden haben, wie die Vergrösserung grundsätzlich funktioniert und<br />

welche Vor- und Nachteile die verschiedenen Vergrösserungen bieten, stellt sich noch die<br />

Frage: Wieso gibt es ZF mit Vergrösserung 1x, also eigentlich ohne Vergrösserung?<br />

Das Auge kann sich – wie auch jedes technische Linsensystem – nur jeweils auf eine<br />

Distanz scharf stellen. Beim Zielen mit offenem Visier, also mit Kimme und Korn, sind aber<br />

drei Distanzen zugegen: die Distanz zum Ziel, die Distanz zum Korn und die Distanz zur<br />

Kimme; nur eines davon kann der Schütze scharf sehen, aber welches?<br />

Aus der Schiesslehre wissen wir, dass wir uns auf das Korn konzentrieren müssen, aber die<br />

Tatsache bleibt, dass dabei Ziel und Kimme unscharf bleiben. Nicht so beim ZF: Egal,<br />

welche Vergrösserung wir einsetzen, das Visierbild besteht nur noch aus der einen Ebene<br />

des Absehens und nicht mehr aus den zwei Ebenen von Kimme und Korn. Zusätzlich fällt bei<br />

geschickter Konstruktion des ZF die Bildebene des Zieles (b OB , siehe Bild 2.1) mit der Ebene<br />

des Absehens zusammen, womit also das Auge Visierung und Ziel zugleich scharf sehen<br />

kann. Aus drei verschiedenen Bildebenen ist plötzlich eine einzige entstanden, auf die sich<br />

das Auge sehr gut einstellen kann. So erleichtert also auch ein ZF mit Vergrösserung 1x das<br />

Zielen.<br />

20


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

4. Parallaxe<br />

Die Parallaxe erscheint vielen Schützen als sehr geheimnisvolles Phänomen und tatsächlich<br />

ist der Fehler durch Parallaxe beim Schiessen auch schwierig zu berechnen, aber vor allem<br />

deshalb, weil die entsprechenden Angaben durch die Hersteller von ZF häufig fehlen. Im<br />

Grunde genommen handelt es sich dabei aber um eine äusserst alltägliche Erscheinung,<br />

was zwei Beispiele verdeutlichen sollen.<br />

Beispiel 4.1: Bilden Sie mit Ihren zwei Zeigefingern ein Kreuz und zielen Sie damit auf ein<br />

Türschloss. Wenn Sie dann den Kopf bewegen, wird das Kreuz unweigerlich aus dem<br />

Ziel wandern. Gehen Sie nun zu dem Türschloss und legen Sie das Fingerkreuz<br />

direkt darauf: Wie auch immer Sie den Kopf bewegen, dass Kreuz bleibt auf dem<br />

Türschloss.<br />

Beispiel 4.2: Nehmen Sie ein dickes Lineal und versuchen Sie, aus einer Landkarte eine<br />

Distanz abzulesen. Wenn Sie den Kopf bewegen, bemerken Sie, dass die<br />

Strichmarken des Lineals mit Ihren Kopfbewegungen hin und her wandern, was ein<br />

genaues Ablesen erschwert, denn man muss den Kopf genau senkrecht über die<br />

Karte halten.<br />

Nehmen Sie nun ein Lineal mit geschliffener Messkante oder eines, bei dem die<br />

Strichmarken auf ein dünnes Blech geätzt sind: egal wie Sie nun den Kopf drehen<br />

und wenden, die Marken bleiben auf der Karte stehen.<br />

Auge<br />

e P : Bildabstand (Parallaxempfindlichkeit)<br />

γ: Betrachtungswinkel<br />

B: scheinbarer Bildversatz (Parallaxefehler)<br />

γ<br />

B<br />

e P<br />

Bild 4.1: Parallaxe<br />

Die in den Beispielen dargestellten Abweichungen nennt man Parallaxefehler. Er entsteht<br />

immer dann, wenn man versucht, zwei verschiedene Bildebenen in Einklang zu bringen, und<br />

er verschwindet, wenn die zwei Bildebenen zusammenfallen. Anders gesagt: der<br />

Parallaxfehler wird umso grösser, je weiter die zwei Bildebenen auseinander sind (e P gross)<br />

und je mehr der Betrachtungswinkel abweicht (γ gross).<br />

Was hat dies nun mit ZF zu tun, wo die eine Ebene des Absehens („Fadenkreuz“) unmöglich<br />

auf das Ziel gelegt werden kann, das ja mehrere zehn, wenn nicht hunderte von Metern<br />

entfernt liegt?<br />

Es ist gewiss nicht nötig, mit dem Gewehr bis zum Ziel zu laufen, denn aus Bild 2.1 sieht<br />

man, dass das Objektiv ein Bild des Zieles im Innern des ZF erzeugt. Wenn man nun das<br />

Absehen genau in dieser Objektivbildebene montiert, fallen die zwei Bildebenen von Ziel und<br />

Absehen zusammen und der Parallaxefehler verschwindet (Bild 4.2). Man braucht also nur<br />

die Bildweite b OB zu kennen, das Absehen dort zu montieren und der Parallaxfehler existiert<br />

nicht mehr.<br />

21


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

Leider ist es nicht ganz so einfach, denn die Bildweite ändert sich beständig mit der<br />

Gegenstandsweite (Formel 2.1). Wer nun Ziele in verschiedenen Entfernungen beschiessen<br />

will, sieht sich mit dem Problem konfrontiert, dass sich die Bildweite ebenfalls ändert, womit<br />

das Zwischenbild aus der Ebene des Absehens heraus wandert und ein Parallaxefehler<br />

möglich wird.<br />

1 2<br />

Absehen<br />

Absehen<br />

Linse<br />

Zwischenbild<br />

Bild 4.2: Absehen in Bildebene (1): keine Parallaxe;<br />

neben Bildebene (2): Parallaxfehler möglich!<br />

Bild 4.2 zeigt einen wichtigen Nebeneffekt der Parallaxkorrektur: Durch die Nachführung der<br />

Bildebenen kann der Schütze immer Absehen und Bild zugleich scharf sehen, was sonst<br />

nicht gelingt.<br />

Aus den Beispielen 4.1 und 4.2 sowie Bild 4.1 wird klar, dass man mit einer immer gleichen<br />

Kopfhaltung den Parallaxefehler vermeiden kann. Schon in Abschnitt 2 wurde erwähnt, dass<br />

man das ZF so montieren soll, dass das Auge des Schützen beim Anschlag mit der Wange<br />

fest an den Schaft gedrückt möglichst genau in der Seele des Rohres liegen soll – eine<br />

Massnahme, welche Parallaxefehler wirksam verhindert.<br />

Für Schützen, die sich nicht auf das saubere Anschlagen der Waffe verlassen wollen, bieten<br />

die Hersteller Rohre mit Parallaxausgleich an. Dazu werden entweder die Objektivlinse und<br />

somit das Gegenstandsbild (Bild 4.3.1) oder das Absehen (Bild 4.3.2-3) verschoben, bis die<br />

beiden Bilder zusammenfallen. Solche Verstellmechanismen sind meistens von einigen<br />

Metern (z.B. 50m) bis „Unendlich ∞“ graviert, wobei „Unendlich“ bei einigen hundert Metern<br />

beginnt. Ab solchen Distanzen ändert sich die Objektivbildweite nämlich kaum noch, sie fällt<br />

praktisch mit der Brennweite zusammen und ein weiteres Abgleichen der Zwischenbilder<br />

lohnt sich nicht mehr (vgl. Bilder 4.4 und 4.5).<br />

1 2 3<br />

Bild 4.3: Drei Varianten des Parallaxausgleichs:<br />

1) am Objektiv (Detail Leupold)<br />

2) seitlich am Mittelrohr (Detail Schmidt&Bender)<br />

3) am Okular (Detail Bausch&Lomb)<br />

Variante 1 verschiebt die Objektivlinse, Varianten 2 und 3<br />

verschieben das Absehen.<br />

22


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

Für die Parallaxverstellung gilt sinngemäss, was wir schon im vorderen Abschnitt über die<br />

variable Vergrösserung festgestellt haben: Die komplizierte Feinmechanik erhöht den Preis<br />

des ZF und verschlechtert dessen Robustheit.<br />

Jagd-ZF, die z.T. grosse Strapazen erdulden müssen, sind deshalb meistens fest so<br />

eingestellt, dass die Parallaxe bei einer jagdtypischen Schussdistanz von 100 m<br />

verschwindet. Da der Parallaxfehler kaum je mehr als ¼ MOA ausmacht - was bei<br />

Jagdbüchsen in der allgemeinen Streuung völlig untergeht - ist diese Wahl sicher<br />

gerechtfertigt (Bild 4.5).<br />

Ausserdem ist hier die Physik dem Schützen für einmal freundlich gesonnen: Bei weiten<br />

Distanzen im Bereich von Unendlich ändert sich die Bildweite kaum noch und das Absehen<br />

braucht keine Korrektur mehr. Bei kurzen Distanzen, wo der Parallaxefehler wichtig sein<br />

könnte, erscheint dafür das Ziel umso grösser. Der Parallaxefehler gleicht sich also ein Stück<br />

weit selber aus.<br />

Dies gilt nicht für extreme Präzisionsansprüche, namentlich im Bereich des Polizei-<br />

Scharfschützenwesens, wo man nie im Vornherein weiss, auf welche Distanz man schiessen<br />

muss und das Ziel bloss einen Durchmesser von 4 cm hat, z.B. bei einer Geiselbefreiung (im<br />

jagdlichen Schiessen geht man von einer Zielgrösse von 8 cm aus). Für diesen Einsatz ist<br />

sicher ein ZF mit Parallaxausgleich zu empfehlen, ebenso wie eine variable Vergrösserung.<br />

Auch die Einwände bezüglich Robustheit eines so komplizierten ZF greifen hier nicht, da ein<br />

Polizeischarfschütze ja nicht tagelang durch Wälder robben muss.<br />

Ein (relativ) einfaches Rechenmodell soll die qualitativen Aussagen untermauern: Berechnet<br />

wird mit Formel 2.1 zuerst der Abstand (in mm) des Bildes des Objektes vom Bild des<br />

Absehens (vgl. Bild 4.2) in der Zwischenbildebene nach dem Umkehrsystem für ein<br />

einfaches ZF wie in Bild 2.1 dargestellt. Nach Bild 4.1 ist dieser Zwischenbildabstand<br />

massgeblich für die Grösse des Parallaxefehlers und somit ein taugliches Mass für die<br />

Parallaxempfindlichkeit e P eines Zielfernrohrs.<br />

Formel 2.1) 1/f = 1/g + 1/b<br />

4.500<br />

4.000<br />

3.500<br />

3.000<br />

2.500<br />

2.000<br />

1.500<br />

1.000<br />

0.500<br />

0.000<br />

10<br />

20<br />

30<br />

40<br />

50<br />

60<br />

70<br />

80<br />

90<br />

100<br />

200<br />

300<br />

400<br />

500<br />

600<br />

700<br />

800<br />

900<br />

1000<br />

Bild 4.4: Zwischenbildabstand e P in [mm] als Mass für die Parallaxempfindlichkeit<br />

Objektiv-<br />

Brennweite<br />

Bild 4.4 zeigt den Betrag des Abstandes der zwei Zwischenbilder von Objekt und Absehen in<br />

[mm] für verschiedene Objektiv-Brennweiten und Zieldistanzen. Bei der Bezugsdistanz, für<br />

100mm<br />

150mm<br />

200mm<br />

Distanz [m]<br />

23


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

welche das ZF ausgelegt wurde – hier bei 100 m – wird der Abstand 0, d.h. beide Bilder<br />

fallen zusammen und es ist keine Parallaxe mehr möglich.<br />

Zur Berechnung des Parallaxfehlers selbst bestimmt man weiter den scheinbaren Bildversatz<br />

B in der Zwischenbildebene gemäss Bild 4.1 unter Anwendung der Sinus-Funktion. Der<br />

Betrachtungswinkel γ - also der Winkel zwischen der Seele des Rohres und der Blickrichtung<br />

des Schützen – wird vorerst willkürlich mit 1 grad festgelegt.<br />

Formel 4.1) B[mm] = e P · sin γ (e P : Parallaxempfindlichkeit bzw. Zwischenbildabstand<br />

in [mm] gem. Bildern 4.1 und 4.4)<br />

Eine weitere Formel aus der Strahlenoptik erlaubt dann die letztendliche Berechnung des<br />

Parallaxefehlers, also die Umrechnung des Bildversatzes aus der Zwischenbildebene in die<br />

Gegenstandsebene (Bezeichnungen nach Abschnitt 2):<br />

Formel 4.2)<br />

G/B = g/b<br />

(Formel 4.2 besagt, dass das Verhältnis von Gegenstandsgrösse G zu Bildgrösse B gleich<br />

dem Verhältnis von Gegenstandsweite g zu Bildweite b sei.) Aus diesen Formeln folgt:<br />

Formel 4.3) Parallaxfehler[MIL] = e P · sin γ · (1/f OB – 1/g OB )<br />

(Objektivbrennweite f OB und Gegenstandsweite g OB in [m], e P in [mm])<br />

Die Verwendung des Rechenmodells für e P (s.o., vgl. Bild 4.4) bringt das Resultat wie in Bild<br />

4.5 dargestellt. Man stelle die Grösse des Parallaxfehlers in Relation zur zulässigen<br />

Gesamtstreuung!<br />

Parallaxfehler in MOA<br />

(Betrachtungswinkel = 1grad)<br />

24<br />

1.400<br />

1.200<br />

1.000<br />

0.800<br />

0.600<br />

0.400<br />

0.200<br />

0.000<br />

10<br />

20<br />

30<br />

40<br />

50<br />

60<br />

70<br />

80<br />

90<br />

100<br />

Distanz [m]<br />

Bild 4.5: Parallaxfehler<br />

200<br />

300<br />

400<br />

500<br />

600<br />

700<br />

800<br />

900<br />

1000<br />

Objektiv-<br />

Brennweite<br />

Ein doppelt so grosser Betrachtungswinkel bringt einen doppelt so grossen Parallaxfehler;<br />

dieser wird jedoch für typische Gewehr-Einsatzdistanzen kaum je ¼ MOA überschreiten. Die<br />

Verläufe sind für drei verschiedene Objektivbrennweiten dargestellt (100mm, 150mm und<br />

200mm). ZF mit grossen Brennweiten sind demnach anfälliger für Parallaxefehler, weshalb<br />

sich für solche Rohre ein mechanischer Parallaxausgleich eher lohnen kann. Das Modell<br />

zeigt auch, dass es hinsichtlich des Parallaxfehlers keine Rolle spielt, ob das Absehen in der<br />

Objektiv- oder in der Okularebene montiert wird. Insgesamt bestätigt das Modell die<br />

qualitativen physikalischen Ueberlegungen.<br />

100mm<br />

150mm<br />

200mm


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

Den effektiven Parallaxfehler am eigenen ZF kann man mangels Daten damit nicht<br />

berechnen, aber man hat doch einige Kriterien gelernt, um seine Parallaxempfindlichkeit zu<br />

beurteilen:<br />

- bedeutende Parallaxfehler sind bei sehr kurzen (unter 50m) und sehr weiten (über<br />

500m) Schüssen möglich (falls ZF für 100m ausgelegt ist);<br />

- ZF mit grosser Brennweite (typisch bei starker Vergrösserung) sind besonders<br />

anfällig für Parallaxefehler.<br />

Man kann den Parallaxefehler am eigenen Rohr feststellen, indem man zielt, dann den Kopf<br />

leicht bewegt und versucht abzuschätzen, wie weit das Fadenkreuz auf dem Ziel wandert; so<br />

gewinnt man eine realistische Einschätzung des eigenen ZF.<br />

Letztlich bleibt auch am Ende dieses Abschnittes die Schlussfolgerung, dass ein ZF bloss<br />

ein Werkzeug ist, das man für den geplanten Einsatz gezielt auswählen muss. Obwohl der<br />

Parallaxfehler nicht immer vernachlässigbar ist und eine mechanische Verstellung<br />

wünschenswert erscheinen mag, soll man doch nicht vergessen, dass sich der<br />

Parallaxefehler durch eine geeignete Schäftung und saubere Schiessstellung mit korrekt<br />

ausgeleuchtetem Absehen (s. Bild 2.5) wirksam vermeiden lässt.<br />

25


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

5. Absehen und Distanzen schätzen<br />

Die beiden Themen sollen gemeinsam behandelt werden, da viele Absehen in ihrer Form so<br />

gestaltet sind, dass sie sich zum Distanzschätzen eignen; das Eine lässt sich ohne das<br />

Andere nicht verstehen. Die Hauptaufgabe des Absehens ist es jedoch, ein möglichst klares<br />

Zielbild zu ergeben.<br />

Die Absehen der ersten ZF bestanden aus feinen Drähten, was z.T. heute noch so gemacht<br />

wird und zur laienhaften Bezeichnung „Fadenkreuz“ geführt hat, die nur selten zutrifft. Häufig<br />

ätzen die Hersteller die Absehenmuster auf Glasplättchen, was eine wesentlich freiere<br />

Gestaltung (s. Bild 5.7) und robustere Befestigung erlaubt. Allerdings bringt die zusätzliche<br />

Scheibe im System auch einen zusätzlichen Verlust an Lichtdurchlässigkeit.<br />

Aus den vorderen Abschnitten wissen wir, dass das Absehen in eine der<br />

Zwischenbildebenen gelegt werden muss, damit man es scharf erkennen kann und der<br />

Parallaxefehler verschwindet (Bild 4.2). Nach der traditionell europäischen Bauweise kommt<br />

das Absehen in die Objektivbildebene b OB (1. Bildebene, s. Bild 2.1) zu liegen, die<br />

amerikanischen Hersteller bevorzugten ursprünglich die Okulargegenstandsebene g OK (2.<br />

Bildebene). Dies hat Konsequenzen, wenn es sich bei dem ZF um eines mit variabler<br />

Vergrösserung handelt: Liegt das Absehen in b OB , wird es bei ändernder Vergrösserung<br />

mitvergrössert, bleibt also relativ zum Bild gleich; liegt es in g OK , wird es nicht mitvergrössert,<br />

also relativ zum Bild mit zunehmender Vergrösserung immer feiner (was den Vorteil dieser<br />

Anordnung ausmacht, s. Bild 5.1). Will man das Absehen zum Distanzschätzen nutzen, ist<br />

es vorteilhaft, wenn die Bezüge zwischen Absehen und Bild erhalten bleiben; das Absehen<br />

sollte also in der Objektivbildebene liegen („europäisch“).<br />

Bild 5.1: Variable Vergrösserung: Absehen (A) europäisch (B) amerikanisch<br />

Absehen werden in Höhe und Seite beweglich montiert, um damit die Schusslage verstellen<br />

zu können. Die feinen Verstellschrauben sind von aussen zugänglich und häufig mit einer<br />

Klick-Rasterung versehen (vgl. Bild 5.2). Auf die Verstellschrauben sind Ringe oder<br />

Scheiben geschraubt oder geklemmt, die eine gravierte Skala zeigen. Diese Skala gibt an,<br />

um welchen Winkel und in welche Richtung sich die Schusslage ändert, wenn man die<br />

Verstellschraube entsprechend dreht; der Winkel wird meistens in MOA oder Bruchteilen<br />

davon angegeben (z.B. ¼ MOA pro Klick). Für Anwendungen, wo die Waffe, die Patrone und<br />

das ZF im Vornherein gegeben sind (militärische oder polizeiliche Korpswaffen), kann man<br />

auch gleich distanzbezogene Marken anbringen, was natürlich sehr praktisch ist, sofern die<br />

26


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

Skala auch stimmt. Solchen Distanzskalen (engl.: BDC, Bullet Drop Compensator) auf<br />

kommerziellen ZF, wo der Hersteller gar nicht wissen kann, mit welcher Waffe und Munition<br />

sein Rohr eingesetzt werden soll, muss man allerdings mit grösstem Misstrauen begegnen.<br />

A B C<br />

Bild 5.2: Höhen- und Seitenverstellung<br />

(A) jagdlich mit Schutzdeckeln (Leupold)<br />

(B) sportlich (Leupold)<br />

(C) taktisch (Schmidt&Bender);<br />

als Option eine Skala mit BDC<br />

Die einfachste Art der Verstellung, bei welcher die Verstellschrauben direkt das Absehen<br />

bewegen, hat einen Nachteil: Es wandert aus der Seele des Rohres (nicht-zentriertes<br />

Absehen), was den Schützen erheblich stören kann. Um dies zu vermeiden, fasst man das<br />

Absehen und das Umkehrsystem in einem Innenrohr zusammen, das schwenkbar gelagert<br />

ist (Bild 2.2). Statt nur das Absehen zu verschieben, wird so das ganze Innenrohr<br />

geschwenkt, und das Absehen bleibt immer schön in der Mitte des Gesichtsfeldes<br />

(zentriertes Absehen); diese Konstruktion ist heute Standard.<br />

Bild 5.3: zentriertes Absehen links, nicht zentriertes Absehen rechts<br />

Wenn das Gewehr mit dem ZF eingeschossen ist, kann man die Skala von der Verstellschraube<br />

lösen und frei drehen, bis die Null-Marke der Skala mit der Null der Verstellschraube<br />

übereinstimmt, und dann wieder fixieren. Diesen Vorgang nennt man „Justieren“<br />

(engl.: Zeroing) und er erlaubt dem Schützen, nach allfälligen Verstellungen immer wieder<br />

die ursprüngliche Einstellung zu finden.<br />

Zum Schutz des feinen Mechanismus ist die Verstellung bei Jagd-ZF meistens mit einer<br />

Schutzkappe zugedeckt und zum Verstellen selbst benötigt man ein Werkzeug, einen<br />

Schraubenzieher oder eine Münze. Scheiben-ZF hingegen haben häufig grosse, von blossen<br />

Händen drehbare und liegend ablesbare Verstelltürme. Das ist sehr bequem, um rasche<br />

Feinkorrekturen vorzunehmen, aber die weit abstehenden Türme könnten im Gelände rasch<br />

abbrechen. Für militärische Anwendungen findet man deshalb auf ZF flache Verstelltürme,<br />

27


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

die weniger empfindlich sind, aber ebenfalls eine rasche Korrektur im liegenden Anschlag<br />

ermöglichen (vgl. Bild 5.2).<br />

Eine Auswahl von drei besonders wichtigen Absehen sei in Bild 5.4 dargestellt:<br />

Bild 5.4a: Jagdabsehen Nr. 1<br />

Bild 5.4b: Duplex<br />

Bild 5.4c: Mildot<br />

Bild 5.4a – c: Bevorzugte Absehen<br />

Alle drei Absehen bieten die Möglichkeit, Distanzen zu schätzen. Im klassischen deutschen<br />

Jagdabsehen Nummer 1 mit Zielstachel sind die Enden der dicken Balken so gesetzt, dass<br />

sie einen querstehenden Rehbock (ca. 70 cm) auf hundert Meter genau einfassen (vgl. Bild<br />

5.1A). Auf die doppelte Distanz 200m füllt derselbe Bock noch den Abstand von der Mitte<br />

des Zielstachels zum Rand eines der dicken Balken, also die Hälfte. So kann der Jäger<br />

während des Zielens nochmals rasch die Schussdistanz überprüfen und allenfalls ein<br />

bisschen höher oder tiefer halten. In der praktischen Sprache der Winkel, die wir in Abschnitt<br />

1 eingeführt haben, bedeutet dies, dass die Enden der dicken Balken einen Winkel von 7<br />

MIL (Formel 1.1) oder ca. 24 MOA (Formel 1.8) einschliessen.<br />

28


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

Genau denselben Bezug auf den Rehbock halten auch die Duplex-Absehen, die für die Jagd<br />

wie für das Scheibenschiessen gleichermassen geeignet sind und immer mehr Beliebtheit<br />

gewinnen. Diese Spezialisierung auf Rehböcke ist jagdlich praxisnah, bringt aber wegen der<br />

ungeraden Zahlen (7 MIL) Nachteile, wenn man auf andere Ziele schiessen will.<br />

Auch beim Mildot-Absehen geben die Enden der dicken Balken einen wohldefinierten<br />

Sehwinkel (10 MIL) an, aber der eigentliche Clou liegt in den kleinen Punkten. Angeblich<br />

wurde dieses Absehen von amerikanischen Militärscharfschützen entwickelt und es bietet<br />

wirklich viele Vorteile für diese Anwendung, was wir im Folgenden genauer ausführen<br />

wollen.<br />

Erstens bietet die einfache kreuzförmige Gesamterscheinung des Mildot-Absehens ein<br />

klares Zielbild ohne allzu grosses Risiko, in Stresssituationen auf einen falschen Hilfspunkt<br />

zu verfallen. Zweitens bieten die kleinen Punkte auf den Linien, die jeweils genau 1MIL<br />

voneinander entfernt sind, ein einfaches Hilfsmittel zur Distanzschätzung.<br />

Bild 5.5: Distanzschätzen mit Mildot-Absehen<br />

In diesem engeren Zusammenhang sei das Beispiel 1.1 wiederholt:<br />

Eine Türe von 2m Höhe erscheine unter einem Winkel von 8MIL (Bild 5.5). Da diese<br />

Rechnung immer wieder vorkommt, wollen wir eine möglichst einfache Faustformel angeben<br />

(Formel 5.1):<br />

α<br />

g<br />

G<br />

Bild 5.6: Die Tangens-Beziehung<br />

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M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

Formel 1.1) α[MIL] = G / g · 1000<br />

Formel 5.1) g[m] = G[mm] / α[MIL] „Distanz-Formel“ zu Mildot-Absehen<br />

Mit den Zahlen aus Beispiel 1.1 G = 2 m = 2000 mm und α = 8 MIL ergibt sich die<br />

Entfernung g = 250 m. Dies ist eine praktische Anwendung der Tangens-Funktion<br />

und der Formel 1.6.<br />

Ausser dem einfachen Schätzen von Distanzen bietet das Mildot-Absehen noch den Vorteil,<br />

durch Zielen mit einem Hilfspunkt, also einem anderen als dem Mittelpunkt, rasch<br />

Korrekturen vorzunehmen oder den Verstellbereich um fünf MIL zu erweitern.<br />

Beispiel 5.1: Der Seitenwind von rechts sei so stark, dass ich auf 100m eine Abweichung von<br />

10cm erwarten muss. Dies entspricht einem Winkel von 1MIL (Formel 1.1), weshalb<br />

ich mit dem ersten Punkt links der Mitte im Mildot-Absehen ziele.<br />

Eine noch bequemere Möglichkeit zum Schätzen von Distanzen bieten Absehen, wie sie z.B.<br />

in den russischen Dragunov-ZF zu finden sind. Diese Absehen zeigen nebst dem<br />

Fadenkreuz eine Hilfskurve wie in Bild 5.7 dargestellt:<br />

Bild 5.7: Hilfskurven zum Distanz-Schätzen: Links Detail aus<br />

Dragunov-Absehen, rechts modernes Bryant-Absehen<br />

Die Kurve im Dragunov-Absehen gibt jeweils die Höhe eines 1.70 m hohen Zieles an: Wenn<br />

es den Raum zwischen der Kurve und der Fusslinie ausfüllt, kann man die Schussdistanz<br />

auf der Skala ablesen (in Bild 5.7 also 400 m). Abwandlungen dieser Hilfskurve sind die<br />

Treppenstufen des Bryant-Absehens oder die 9“-Ringe der Nightforce-ZF.<br />

Variable Zielfernrohre mit dem Absehen in der Okularbildebene („amerikanisch“) bieten<br />

ebenfalls die Möglichkeit, Distanzen zu schätzen, indem man wie folgt vorgeht: Man fixiert<br />

das Ziel im Absehen und verändert die Vergrösserung, bis die zugeordneten Distanzmarken<br />

im Absehen (z.B. die Enden der Kreuzbalken) das Ziel bekannter Grösse (z.B. einen<br />

querstehenden Bock; vgl. Bemerkungen zu Absehen 1 und Duplex) genau einfassen.<br />

Im Bild 5.8a wäre dies also bei Vergrösserung 4x der Fall; aus dieser Vergrösserung kann<br />

nun der Schütze auf die Distanz schliessen. Leupold z.B. unterstützen diese Technik, indem<br />

sie bei den dafür vorgesehenen ZF zu jeder Vergrösserung gleich die zugeordnete Distanz<br />

mit eingravieren, z.B. beim 3.5-10x42 Tactical steht bei 3.5x die Marke 200 m, bei 8x 500 m<br />

und bei 10x 600 m.<br />

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M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

5X<br />

4X<br />

Bild 5.8a: Distanz schätzen „amerikanisch“<br />

3X<br />

Beispiel 5.2: Ein ZF mit Duplex-Absehen in der Okularbildebene und variabler Vergrösserung<br />

4-12x soll fürs Distanzen-Schätzen genutzt werden. Zuerst zielt man mit der<br />

kleinsten Vergrösserung 4x auf eine bekannte Distanz – z.B. 100 m – auf ein<br />

Objekt, das ein gutes Ablesen der Breite erlaubt, z.B. eine Standard-Zielscheibe. So<br />

stellt der Schütze fest, dass die waagerechten Stachel seines Absehens auf 100 m<br />

eine Zielbreite von z.B. 1 m einfassen – dies sei sein Bezugsmass. Zielt der Schütze<br />

nun auf ein Ziel der Breite 1 m auf eine unbekannte Distanz und verstellt die<br />

Vergrösserung, bis die waagerechten Stachel es einfassen, so kann er aus der<br />

resultierenden Vergrösserung auf die Distanz schliessen, denn da 4x 100 m<br />

entspricht, ergibt 8x 200 m und 12x 300 m. Ein Ziel der doppelten Breite 2 m ist bei<br />

gleicher Vergrösserung halb so weit weg (siehe Bild 5.8b). Dasselbe gilt<br />

sinngemäss auch für die Verwendung der Zielhöhe als Bezugsmass.<br />

Vergrösserung<br />

12X<br />

8X<br />

Bezugsmass<br />

2xBezugsmass<br />

4X<br />

100m<br />

200m<br />

300m<br />

400m<br />

500m<br />

600m<br />

Schussdistanz<br />

Bild 5.8b: Distanz schätzen „amerikanisch“<br />

Theoretisch erlaubt diese Methode das Schätzen von Distanzen ohne Kopfrechnen, da das<br />

Resultat direkt vom ZF abgelesen werden kann. Die Nachteile in der Praxis sind jedoch<br />

offensichtlich: Die Methode ist nur anwendbar, wenn das Gewehr wirklich absolut ruhig auf<br />

das Ziel gerichtet liegt, und da der Schütze am ZF manipulieren muss, ist er während des<br />

Vorgangs nicht schussbereit. Daher die Bemerkung zu Beginn dieses Abschnittes, dass ein<br />

variables ZF mit Eignung zum Distanz-Schätzen das Absehen in der Objektivbildebene<br />

haben sollte.<br />

Diese ganzen Verfahren der Distanzbestimmung mit Hilfe von Skalen in optischen Geräten<br />

(man findet Aehnliches auch in Feldstechern) wurden bewusst immer als „Schätzung“<br />

bezeichnet, denn nur zu gern wandert das Auge des Schützen zu einem Skalenpunkt, der<br />

eine besonders einfache Berechnung erlaubt. Ausserdem ist die Zielhöhe G in den<br />

seltensten Fällen so genau bekannt, wie dies für eine exakte Berechnung der Zieldistanz g<br />

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M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

notwendig wäre. Der unbestreitbare Vorteil der genannten Methoden besteht zweifellos<br />

darin, dass kein Zusatzgerät erforderlich ist.<br />

Mit dem Fortschritt der Lasertechnologie sind aber sehr bemerkenswerte Geräte auf dem<br />

Markt erschienen, die für den Scharfschützen schlechterdings ein Muss sind.<br />

Laserentfernungsmesser mit Messbereichen bis tausend Meter in der Grösse eines<br />

Feldstechers sind schon zu recht bescheidenen Preisen zu haben. Sie befreien den ohnehin<br />

unter Druck stehenden Schützen von lästigen und fehlerträchtigen Kopfrechnungen und<br />

sollten weder im Einsatz noch beim Einschiessen fehlen. Aber Vorsicht im taktischen<br />

Einsatz: Laserdetektoren können das angepeilte Ziel warnen und den Schützen verraten!<br />

Bild 5.9: Der Leica „Vector“ bietet<br />

Beobachtung, Distanz- und<br />

Neigungsmessung in einem kompakten,<br />

feldtauglichen Gerät<br />

Eine andere einfache Möglichkeit, Distanzen zu bestimmen, besteht darin, sie aus einer<br />

Karte abzulesen. Der Massstab der Karte sollte allerdings höchstens so sein, dass 1 mm<br />

noch 50 m entspricht, also 1:50’000 oder feiner.<br />

Obwohl in diesem Abschnitt das Distanz-Schätzen einen Themenschwerpunkt bildet, weil die<br />

Methoden z.T. ausführlicher Erklärungen bedürfen, sollte man nicht vergessen, dass das<br />

Absehen vor allem ein einfaches, klares Zielbild ergeben soll. Dazu muss es auf die Form<br />

des Zieles und die Art des Schiessens abgestimmt sein: starke Zielstachel fördern eine<br />

rasche Zielerfassung, verdecken aber viel vom Ziel; feine Fadenkreuze sind günstig für eine<br />

maximale Präzision, springen aber weniger ins Auge. Ein Absehen, das mit Hilfsmarken<br />

überlastet ist, kann den Schützen auch eher verwirren, anstatt ihm zu helfen.<br />

Empfehlenswert sind beleuchtbare Absehen, wobei man darauf achten sollte, dass ihre<br />

Leuchtkraft fein einstellbar ist, damit sie nie blenden. Ausserdem muss entweder das ganze<br />

Absehen gleichmässig angeleuchtet werden oder aber nur ein bestimmtes Element<br />

desselben (z.B. der Mittelpunkt); eine ungleichmässige Beleuchtung des Absehens ist<br />

störend und ein Zeichen von schlechter Qualität.<br />

Meistens benötigt die Beleuchtung Strom aus einer Batterie, zum Teil kommen aber auch<br />

selbstleuchtende, radioaktive Materialien (Tritium) oder Glasfasern, die das Umgebungslicht<br />

sammeln, zum Einsatz.<br />

32


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

6. Nachtzielgeräte, Laser und andere<br />

Besondere Verhältnisse verlangen besondere Zielgeräte, besonders natürlich bei Nacht.<br />

Dazu gibt es Nachtsichtgeräte, die mit Absehen und Montagemöglichkeit ausgestattet, als<br />

Zielgerät benutzt werden können. Wie jedes andere Visier müssen auch diese<br />

eingeschossen werden, weshalb man mit Vorteil eine entsprechend ausgestattete<br />

„Nachtbüchse“ bereithält, weil man sonst vor jedem Nachteinsatz noch ein paar<br />

Kontrollschüsse abgeben müsste. Eine neue Generation von Nachtzielgeräten vermeidet<br />

diesen Nachteil, indem sie sich einfach vor das Zielfernrohr montieren lassen, das bereits<br />

eingeschossen ist (Bild 6.3). Diese Lösung ist sehr geschickt, erlaubt sie doch dem<br />

Schützen, bei Nacht das gleiche Absehen und dieselbe Visierkorrekturtabelle zu benutzen<br />

wie bei Tage, wobei allenfalls die höhere Visierlinie zu berücksichtigen bleibt.<br />

Grundsätzlich sind Nachtsicht-, bzw. Nachtzielgeräte (NVS: Night Vision Sights) in aktive und<br />

passive zu unterscheiden, wobei beide eine Stromquelle benötigen (Batterie oder Akku):<br />

a) aktive NVS: Diese Geräte nutzen die Tatsache, dass das menschliche Auge Licht nur<br />

in einem beschränkten Bereich von Wellenlängen wahrnehmen kann (ca. 450 – 700<br />

nm). Die „aktive“ Komponente des Geräts besteht aus einem Scheinwerfer im<br />

unsichtbaren Infrarot-Bereich (über 700 nm); wie ein Scheinwerfer mit sichtbarem<br />

Weisslicht beleuchtet dieser das Ziel. Die vom Ziel reflektierte Infrarotstrahlung gelangt<br />

dann in einen Bildwandler, der diese für das Auge sichtbar macht (Bild 6.1). Der<br />

Schütze sieht dann die Umgebung auf dem grünlich fluoreszierenden Bildschirm<br />

seines Zielgerätes, als ob sie beleuchtet würde (was ja tatsächlich auch der Fall ist). Im<br />

taktischen Rahmen wird dieses System heute kaum noch eingesetzt, da die Lichtquelle<br />

natürlich von einem Gegner, der auch einen Infrarot-Bildwandler hat, sehr leicht geortet<br />

werden kann. Solche Geräte arbeiten nur in einem Bereich, der dem sichtbaren recht<br />

nahe ist; Wärmestrahlung, die noch langwelliger ist, kann nur ein Wärmebildgerät<br />

sichtbar machen (s.u.).<br />

Bildwandler<br />

Gegner<br />

IR-Strahler<br />

Schütze<br />

IR-Licht<br />

Ziel<br />

Bildwandler<br />

Bild 6.1: Infrarotbildwandler mit Lichtquelle im Einsatz<br />

b) passive NVS: Dabei handelt es sich um Restlichtverstärker, welche aus geringen<br />

Mengen sichtbaren Lichts ein für das Auge erkennbares Bild erzeugen können. Da sie<br />

ohne Lichtquelle auskommen, sind sie natürlich vom Gegner nicht zu orten, und die<br />

grosse, sperrige Leuchtquelle fällt weg. In der Regel bietet die Umgebung genügend<br />

Restlicht von den Sternen, dem Mond oder künstlichen Lichtquellen, um ein<br />

befriedigendes Bild zu erzeugen. Wie auch bei den aktiven NVS kommt das sichtbare<br />

Bild auf einem grünlichen Fluoreszenz-Bildschirm zustande. Falls Blendlicht in das<br />

33


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

Gerät fällt – und sei es nur das Mündungsfeuer! -, kann dies wegen der Verstärkung<br />

den Schützen kurzzeitig blenden oder sogar das Gerät zerstören. Deshalb setzte man<br />

Restlichtverstärker früher immer in Verbindung mit hochwirksamen Feuerschein- oder<br />

gar Schalldämpfern ein; modernere Geräte haben elektronische Schutzvorrichtungen,<br />

die schwaches Licht mehr und starkes weniger verstärken.<br />

Bildschirm<br />

Elektron<br />

Photon<br />

(Lichtquant)<br />

Bild 6.2: Restlicht(Bild)verstärker<br />

Photokathode<br />

Die Leistungsfähigkeit von NVS bemisst man nach dem Verhältnis der vorhandenen<br />

Beleuchtungsstärke zu der resultierenden, gemessen in lux (lx). Tabelle 6.1 gibt einige<br />

natürliche Beleuchtungsstärken an:<br />

Sonnenlicht im Sommer 100000<br />

Sonnenlicht im Winter 10000<br />

Bedeckter Himmel im Sommer 5000 ... 20000<br />

Bedeckter Himmel im Winter 1000 ... 2000<br />

Grenze der Farbwahrnehmung ca. 3<br />

Nachts bei Vollmond 0.2<br />

Mondlose Nacht 0.0003<br />

Tabelle 6.1: Natürliche Beleuchtungsstärken in lx<br />

Je nachdem, wie sehr NVS die Intensität des einfallenden Lichts verstärken, ordnet man sie<br />

verschiedenen „Generationen“ zu:<br />

1. Generation: Verstärkung max. 35000x<br />

2. Generation: Verstärkung max. 65000x<br />

In einer Vollmondnacht erzeugt ein NVS 2. Generation also ein Bild wie an einem trüben<br />

Sommertag (allerdings in Grün)! Beim jetzigen Stand der Technik wären Verstärkungen bis<br />

100000x machbar. Die Verstärkung der Lichtintensität darf man nicht mit der optischen<br />

Vergrösserung eines Zielfernrohrs verwechseln; NVS bieten in der Regel nur<br />

Vergrösserungen bis 4x.<br />

Aktive und passive Systeme werden gerne kombiniert, indem zum Restlichtverstärker noch<br />

eine feine Infrarotquelle eingesetzt wird, z.B. in Form eines Lasers (s.u.). Der feine<br />

Lichtstrahl kann vom Gegner nur schwierig geortet werden, gibt aber dem Restlichtverstärker<br />

genügend Licht, um ein besseres Bild zu erzeugen.<br />

Ein besonders mächtiges passives System ist die Wärmebildkamera. Ein solches Gerät<br />

macht die sehr langwellige infrarote Wärmestrahlung sichtbar, die von jedem Körper<br />

ausgeht, und kann Temperaturunterschiede von bloss 0.1° Celsius noch ausmachen; so<br />

kann es sogar durch dichten Nebel oder leichte Tarnung hindurch das Ziel zeigen. Wegen<br />

der aufwendigen Kühlung, die diese Geräte brauchen, sind sie allerdings ziemlich gross und<br />

schwer, was ihren Einsatz als Zielgerät für Handfeuerwaffen stark einschränkt; in<br />

Kampfpanzern und Hubschraubern hingegen sind sie sehr verbreitet.<br />

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M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

Bild 6.3: Simrad-Restlichtverstärker auf Zielfernrohr aufgesetzt.<br />

Man beachte die um 7 cm erhöhte Visierlinie.<br />

Wie das Zielfernrohr ist auch das NVS ein optisches Gerät, das erst durch das Absehen zum<br />

Zielgerät wird. Eine ganz andere Kategorie von Zielhilfen sind die Laserzielgeräte: Ein Laser<br />

ist eine Lichtquelle, deren monochromatisches kohärentes Licht kaum streut. D.h. ein<br />

Laserlichtstrahl von 1 mm Durchmesser ist auf 100 m erst vielleicht 10 cm gross (je nach<br />

Qualität des Lasers), wodurch dieses Gerät zum idealen Zielpunktprojektor wird (Bild 6.4).<br />

Um es ganz deutlich zu machen: Wenn in ZF oder NVS die Zielmarke auf einem künstlich<br />

erzeugten Zwischenbild erscheint, markiert der Laser den Treffpunkt auf dem Ziel selbst. Der<br />

Vorteil ist offensichtlich, denn so wird jegliche Art von Zielfehlern unmöglich, ja man kann<br />

sogar „aus der Hüfte“ präzise schiessen. Ein unsichtbarer Infrarot-Laser kann bei einem<br />

geeigneten NVS das Absehen ersetzen, genauso wie auch ein sichtbarer (in der Regel roter)<br />

bei einem ZF. Gerade Polizeischarfschützen schätzen dieses Hilfsmittel, denn schon<br />

mancher Bankräuber soll aufgegeben haben, als er den roten Laserpunkt des<br />

Scharfschützen auf seiner Brust entdeckt hat.<br />

Geschossbahn<br />

Laserstrahl<br />

Ziel<br />

Bild 6.4: Anwendung des Zielpunktprojektors (Laserzielgerät)<br />

Leider haben Laser auch ihre Nachteile. Zum einen sind sie selbst bei Nacht nur auf ca. 150<br />

m noch erkennbar, bei Tageslicht sogar noch weniger. Zum andern bieten sie in der Regel<br />

nicht die komfortablen Verstellmöglichkeiten des ZF, die es dem Schützen erlauben, das<br />

Gerät rasch auf eine andere Schussdistanz einzustellen. Der wohl wichtigste Nachteil aber<br />

ist der, dass die Zielmarke erst sichtbar wird, wenn sie auf dem Ziel ist; gerade bei kleinen<br />

freistehenden oder rasch bewegten Zielen gelingt es kaum, den Punkt auf das Ziel zu<br />

bringen.<br />

35


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

Daher ist der eigentliche Einsatzzweck des Laserzielgerätes weniger das<br />

Scharfschützengewehr, sondern eher das Sturmgewehr oder die Maschinenpistole. Gerade<br />

bei kleinen Maschinenpistolen, die keinen Kolben haben und nur im Hüftanschlag zu<br />

schiessen sind, ist der Laser die einzige Möglichkeit zu zielen. Aber auch bei<br />

Handfeuerwaffen mit Kolben wird es schwierig, durch das Visier zu zielen, wenn man eine<br />

Schutzmaske und eine Kugelweste trägt; der Laser wird somit zur erwünschten Zielhilfe. In<br />

jedem Fall ist der Laser eher eine Deutschussunterstützung für den Nahkampf und weniger<br />

eine Hilfe für präzise Schüsse auf weite Distanzen.<br />

Eine weitere Kategorie von Zielgeräten sind die Kollimationsvisiere. Sie nutzen die Tatsache,<br />

dass der Mensch mit zwei Augen sieht, deren einzelne Wahrnehmungen dann im Gehirn zu<br />

einem Gesamtbild zusammengefasst werden (Bild 6.5). Das Kollimationsvisier nun stellt vor<br />

dem einen Auge eine Zielmarke dar, währenddem das andere am Zielgerät vorbei auf das<br />

Ziel sieht; im Gehirn entsteht dann der Eindruck einer auf das Ziel projizierten Zielmarke. Um<br />

dem Gehirn die Ueberlagerung der zwei Bilder zu ermöglichen, arbeiten Kollimationsvisiere<br />

ohne Vergrösserung. Im Gegensatz zum Laser also, der wirklich eine Marke auf das Ziel<br />

projiziert, erzeugt das Kollimationsvisier nur die Illusion davon. Gegenüber dem Laser ist der<br />

Vorteil der, dass der Schütze die Zielmarke auch sehen kann, wenn sie noch nicht auf dem<br />

Ziel liegt, wodurch er die Waffe sehr schnell ausrichten kann. Kollimationsvisiere vereinen<br />

die Schnelligkeit des Deutschusses mit der Präzision des sauber gezielten, wodurch sie zum<br />

vollkommenen Visier für die Drückjagd oder die Nachsuche werden, also für den flüchtigen<br />

Schuss. Taktisch nutzt man sie vorwiegend auf Maschinenpistolen und Sturmgewehren, für<br />

den Einsatz auf einem Scharfschützengewehr sind die Zielmarken zu grob<br />

(Punktdurchmesser von mehr als 3 MOA) und auch die fehlende Vergrösserung ist ein<br />

Nachteil.<br />

Bild des linken Auges<br />

Bild des rechten Auges<br />

Ziel<br />

Zielmarke<br />

Ueberlagerung beider Bilder<br />

36<br />

Bild 6.5: Anwendung des Kollimationsvisiers<br />

Die einfachste Ausführung eines Kollimationsvisiers ist das Single-Point, bei welchem eine<br />

leuchtende Glasfaser vor eine Lupe in einen Metallblock als Träger eingelegt wird. Solche<br />

Geräte verdecken das Ziel völlig, der Schütze muss unbedingt mit beiden Augen zielen.<br />

Daher sind sie ausschliesslich für schnelle Schüsse zu gebrauchen, denn wenn man<br />

versucht, sorgfältig zu zielen, beginnt sich die Ueberlagerung im Gehirn zu verwirren. Dafür<br />

sind die Single-Points sehr klein, robust und brauchen keine Stromquelle.<br />

Die verbreitetste Variante sind die Reflexvisiere, in welchen das Licht einer kleinen<br />

Leuchtquelle über eine geeignete verspiegelte Linse ins zielende Auge reflektiert wird (Bild<br />

6.6). Die Linse ist so geschliffen, dass alle reflektierten Lichtstrahlen immer parallel zur<br />

Visierlinie verlaufen; der Schütze kann also durch die Linse sehen, wie er will, die Zielmarke<br />

(normalerweise ein roter Punkt) bezeichnet immer den Zielpunkt, d.h. das Visier ist frei von<br />

Parallaxe. So verliert der Schütze keine Zeit damit, sein Visier auszurichten, und auch der


M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

Augenabstand spielt keine Rolle. Nebst dem guten Ueberblick auf das Zielgelände ist dies<br />

mit ein Grund dafür, warum diese Visiere so schnell sind.<br />

Auge<br />

durchlässig verspiegelte Linse<br />

Leuchtdiode<br />

Ziellinie<br />

Bild 6.6: Prinzip des Reflexvisiers<br />

Reflexvisiere erlauben auch einen sorgfältig gezielten Schuss, indem der Schütze wie bei<br />

einem Zielfernrohr durch die Linse sieht; für diese Anwendung gibt es sogar Ausführungen<br />

mit leichter Vergrösserung, wodurch allerdings der gewichtige Vorteil des guten Ueberblicks<br />

und der damit verbundenen raschen Reaktionsmöglichkeit verloren geht. Als Vorteil<br />

gegenüber dem ZF bleiben die kontraststarke, leuchtende Zielmarke und die Parallaxfreiheit<br />

erhalten.<br />

Gute Reflexvisiere sind relativ teuer, denn die Form der Linse ist ziemlich kompliziert und<br />

muss bei der Herstellung sehr genau eingehalten werden. Ausserdem ist häufig die<br />

Lagerung der Leuchtquelle ein Problem; wenn diese zu wackeln beginnt, wird das Gerät<br />

unbrauchbar.<br />

Bild 6.7: Sturmgewehr SIG 551 mit Reflexvisier<br />

Die meisten benutzen batteriegespeiste Leuchtdioden als Lichtquelle, einige Ausführungen<br />

hingegen Glasfasern, die das Tageslicht sammeln, unterstützt durch selbstleuchtende<br />

radioaktive Materialien (z.B. Tritium); letztere Version, die ohne Stromquelle auskommt, ist<br />

natürlich gerade für den harten Gebrauch im Felde sehr vorteilhaft.<br />

Eine sehr junge Konstruktionsvariante sind Kollimationsvisiere, die die Zielmarke als<br />

Hologramm darstellen (Bild 6.8). Dies ist ein mit Computer berechnetes räumliches Feld von<br />

vielen möglichen Marken, von welchen das zielende Auge immer genau die zu sehen<br />

bekommt, die der Ziellinie entspricht. Auch hier kann der Schütze in beliebiger Weise durch<br />

das Gerät zielen, die Marke wird immer den Zielpunkt zeigen. Diese Lösung bietet viele<br />

Vorteile: Die Zielpunkttreue ist unabhängig von der Qualität, mit welcher allfällige Linsen<br />

geschliffen wurden, da das Absehen ja rechnerisch erzeugt wird; die Hologramm-Platte lässt<br />

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M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

sich zuverlässiger lagern als kleine Leuchtdioden; die Gestalt der Marke ist nicht nur auf<br />

einen roten Punkt beschränkt, sondern kann nahezu beliebige Form annehmen.<br />

Hologramm<br />

Ziellinie<br />

Ziel<br />

Bild 6.8: Holografisches Absehen<br />

Einige der hier vorgestellten Zielhilfen zeigen beeindruckende Effekte, aber eines darf man<br />

nie vergessen: Jedes Visier muss immer auf die Waffe eingeschossen werden und stimmt<br />

immer nur genau für die eingeschossene Distanz. Dank der starken Vergrösserung, den<br />

feinen Zielmarken und umfangreichen Verstellmöglichkeiten ist sicher das Zielfernrohr das<br />

richtige Visier für den Scharfschützen, allenfalls ergänzt durch ein Nachtzielgerät.<br />

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M. <strong>Tschannen</strong>: <strong>Optik</strong> für Schützen<br />

Zusammenfassung<br />

Dem Schützen steht eine breite Palette von Zielvorrichtungen zur Verfügung. Das einfachste,<br />

billigste und robusteste Visier ist das mechanische Visier mit Kimme (bzw. Lochkimme,<br />

Diopter) und Korn. Die grobe Zielmarke verdeckt allerdings viel vom Ziel und der Schütze<br />

kann nicht Zielmarke und Ziel zugleich scharf sehen.<br />

Optische Visiere haben mindestens eine Linse, die eine virtuelle Zielmarke erzeugt, welche<br />

mit dem Ziel zugleich scharf gesehen werden kann. Zielfernrohre erlauben besonders<br />

genaues Zielen, weil sie das ganze Zielbild noch vergrössern und über feine Zielmarken<br />

verfügen. Im Gegensatz zum mechanischen Visier bieten die optischen Visiere präzises,<br />

ermüdungsfreies Zielen, sind dafür aber viel teurer und empfindlicher als die mechanischen<br />

Stahlvisiere.<br />

Die feinen Zielmarken und starke Vergrösserung des Zielfernrohres sind von Nachteil, wenn<br />

schnelle Zielerfassung wichtiger wird als Präzision. Deshalb gibt es elektronische Visiere,<br />

welche dem Schützen eine leuchtende Zielmarke darbieten und mit Rücksicht auf eine<br />

schnelle Zielerfassung nur mit geringen Vergrösserungen arbeiten. Solche Visiere sind<br />

kleiner und leichter als ein Zielfernrohr, aber eher noch empfindlicher, denn durch leere<br />

Batterien werden sie unbrauchbar.<br />

Die verschiedenen Konzepte werden gerne kombiniert: Die moderne Technik bietet<br />

mechanische Stahlvisiere mit eingelegten stromunabhängigen Leuchtquellen, Zielfernrohre<br />

mit beleuchtbaren Absehen und Reflexvisiere, deren Leuchtpunkte stromunabhängig von<br />

Tageslicht-Sammlern erzeugt werden; ausserdem wird den empfindlichen optischen und<br />

elektronischen Visieren gerne ein mechanisches Visier als „Notvisier“ beigestellt.<br />

Manche Visiere sind für spezielle Einsätze optimiert, andere sind sehr vielfältig verwendbar,<br />

jedoch kein Visier taugt für alles. Der Schütze muss sich bewusst machen, auf welche<br />

Distanzen er schiessen können will, welche Präzision er verlangt, aus was für Stellungen er<br />

normalerweise schiesst, was für Lichtverhältnisse er annehmen muss, wie gross und schwer<br />

die ganze Waffe werden darf, welchen Strapazen er seine Ausrüstung aussetzt und wie<br />

sorgfältig er sie warten kann. Natürlich muss das Visier auch auf die Präzision und den<br />

Einsatzzweck der Waffe abgestimmt sein, denn ein riesiges Zielfernrohr auf einer<br />

Maschinenpistole nutzt sowenig wie ein Reflexvisier auf einer Präzisions-Büchse.<br />

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