Klebebinden â - Bindereport
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MENSCHEN<br />
INTERVIEW<br />
„Machen wir<br />
vorher lieber<br />
einen Testlauf“<br />
bindereport-Chefredakteur Frank Baier<br />
im Interview mit Ulrike und Reiner<br />
Vettermann, Buchbinderei Schaumann<br />
(Darmstadt), über Preis- und Zeitdruck,<br />
Ideenklau und das Netzwerk Bind I Net<br />
Geschäftsführer mit Engagement: Ulrike und Reiner Vettermann waren wieder Aussteller auf<br />
der Frankfurter Buchmesse 2012. <br />
FOTO: FRANK BAIER<br />
bindereport: Wo drückt der sprichwörtliche<br />
Schuh im heutigen Tagesgeschäft?<br />
Wie stellt sich die aktuelle<br />
Situation für Ihr Unternehmen dar?<br />
Ulrike Vettermann: Immer öfter stellen<br />
wir fest, dass aus dem Auftrag ein ganz<br />
tolles Produkt werden kann, doch viele<br />
der Beteiligten nehmen sich keine Zeit<br />
dafür, sodass alles in der Regel nicht bis<br />
ins Letzte durchdacht wird. Stattdessen<br />
wird in der Druckerei nach dem Motto<br />
„das machen wir jetzt einfach so“<br />
schlichtweg drauflos produziert. Letztlich<br />
bekommen wir in der Buchbinderei<br />
mit einem nicht schlüssig durchdachten<br />
Produkt ganz schnell Probleme. Somit<br />
sind es Arbeitsschritte mal im Druck,<br />
mal in der Druckveredelung, auf die wir<br />
keinen Einfluss mehr haben.<br />
bindereport: Können Sie dafür ein<br />
typisches Beispiel nennen?<br />
Ulrike Vettermann: Kürzlich hatten wir ein<br />
hochwertiges Buch für einen Automobil-<br />
Hersteller zu verarbeiten. Hierbei wurde<br />
der Einband von der Druckerei mit einer<br />
hochwertigen Spot-Lackierung und<br />
einem Wabenmuster veredelt. Wiederum<br />
hat dieses Motiv bei der Weiterverarbeitung<br />
in unserem Haus einen Abdruck<br />
auf der Einband-Rückseite erzeugt. Vorher<br />
wussten wir nichts von der Druckveredelung,<br />
denn das hätte allen Beteiligten<br />
viel Ärger erspart. Wären wir in die<br />
vorherige Abstimmung eingebunden<br />
gewesen, hätten wir gesagt: Stopp, das<br />
funktioniert so einfach nicht. Machen wir<br />
vorher lieber einen Testlauf, damit wir<br />
sehen, wie das Buch danach ausschaut.<br />
bindereport: Eigentlich ist doch die<br />
richtige Reihenfolge bei der Weiterverarbeitung<br />
entscheidend.<br />
Reiner Vettermann: Gerade heute wird<br />
die richtige Reihenfolge der normalen<br />
Geradeaus-Produktion nicht mehr<br />
diskutiert. Jedoch werden wir gar nicht<br />
gefragt, und irgendwann ist ein Statusquo<br />
erreicht, dass ein Druckprodukt in<br />
die Buchbinderei kommt, wo das Produkt<br />
eigentlich „reifen“ muss. Leider müssen<br />
wir an dieser Stelle Abstriche machen,<br />
weil die technische Umsetzung dessen,<br />
was ursprünglich gedacht war, in diesem<br />
Stadium gar nicht mehr funktioniert,<br />
weil wir beim Entstehungsprozess nicht<br />
hinzugezogen wurden. Besonders kritisch<br />
ist das, weil wir bei Kunstbüchern<br />
viele Materialwechsel fahren müssen.<br />
Ohnehin sind sich wenige Agenturen,<br />
Verlage und Druckereien bewusst, was<br />
im gesamten, umfangreichen Prozess<br />
der Weiterverarbeitung geschieht.<br />
Meistens folgt aber das Argument:<br />
Irgendein Buchbinder wird das schon<br />
hinkriegen.<br />
„Viele Kunden<br />
nehmen sich für die<br />
Auftragsvorbereitung<br />
zu wenig Zeit“<br />
bindereport: Normal bekommen Sie<br />
Ihre Aufträge von der Druckerei. Ist<br />
denn kein vorheriges Zusammenwirken<br />
möglich?<br />
Ulrike Vettermann: Selbst bei Druckerei-<br />
Partnern, von denen wir intensive<br />
Zusammenarbeit gewohnt sind, stehen<br />
die Verlage derart unter Zeitdruck,<br />
dass eine nähere Abstimmung entfällt.<br />
Dadurch werden bestimmte Aufträge<br />
bei uns in der Produktion unterbrochen,<br />
weil irgendwelche, nicht vorhersehbare<br />
Fehler eintreten. Das nimmt definitiv zu.<br />
Sowohl Verlage als auch Agenturen nehmen<br />
sich für die Auftragsvorbereitung<br />
wenig Zeit, wobei man für manche Dinge<br />
eben Zeit braucht.<br />
bindereport: Zahlreiche Druckereien<br />
haben in eigene Weiterverarbeitung<br />
investiert. Spüren Sie als Buchbinderei<br />
irgendwelche Auswirkungen?<br />
Ulrike Vettermann: Besonders ist das<br />
Fachwissen über die Weiterverarbeitung<br />
unterschätzt worden, mitunter in einigen<br />
Druckereien aber gar nicht vorhanden.<br />
Bekanntlich gibt es im Prozess des<br />
Druckens viele Innovationen – jedoch<br />
mit entsprechenden Konsequenzen für<br />
die Weiterverarbeitung. Diese „Fallen“<br />
reichen von den Trocknungszeiten für<br />
Farben und Lacke bis zur Haltbarkeit<br />
einer Klebebindung. Meistens geht es<br />
um chemische Reaktionen von Materialien,<br />
und die lassen sich schwer<br />
abschätzen, sondern nur mit Tests<br />
ergründen. Daher müssen sich alle<br />
28 bindereport 2/2013