Thyssenkrupp techforum 1/2011
Thyssenkrupp techforum 1/2011
Thyssenkrupp techforum 1/2011
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ThyssenKrupp<br />
<strong>techforum</strong><br />
Ausgabe 1 I <strong>2011</strong><br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
Herausgeber<br />
ThyssenKrupp AG, Corporate Center Technology, Innovation & Quality, ThyssenKrupp Allee 1, 45143 Essen<br />
Redaktion: Guido Focke, Telefon: +49 201 844-536291, Fax: +49 201 8456-536291<br />
Erscheinungsweise<br />
’ThyssenKrupp <strong>techforum</strong>’ erscheint ein- bis zweimal jährlich in deutscher und englischer Sprache.<br />
Nachdruck nur mit Genehmigung des Herausgebers. Fotomechanische Vervielfältigung einzelner Aufsätze<br />
ist erlaubt. Der Versand des „ThyssenKrupp <strong>techforum</strong>“ erfolgt über eine Adressdatei, die mit Hilfe der<br />
automatisierten Datenverarbeitung geführt wird.<br />
ISSN 1612-2763<br />
Titelbild<br />
Das Bild zeigt den wärmetechnischen Bereich einer Anlage zur Herstellung von<br />
Zement, südlich von Casablanca/Marokko. Die beiden übereinander liegenden Rohr-<br />
leitungen in der Bildmitte leiten 900 °C heiße Luft aus der Kühlzone der Anlage<br />
in den Calcinator, um die Prozesswärme zur Verbrennung zu nutzen. Im Turm auf<br />
der rechten Bildseite ist der zweisträngig ausgeführte, 5-stufige Wärmetauscher<br />
untergebracht. Außen angehängt ist die aufsteigende, zentrale Calcinatorleitung zu<br />
erkennen, die sich oben verzweigt und nach unten in die beiden Stränge des<br />
Wärmetauschers mündet. Ebenfalls in dem Turm, aber durch den Calcinator verdeckt,<br />
befinden sich zwei große Brennkammern der Bauart CC (Combustion Chamber).<br />
Diese Brennkammern sind in den letzten Jahren für den Einsatz von AFR (Alternative<br />
Fuels and Raw Materials) optimiert worden. Hier werden Ersatzbrennstoffe auf-<br />
gegeben und zum Großteil verbrannt. Der rückstandsfreie Ausbrand erfolgt dann in<br />
dem Calcinator. Das Rohmaterial durchläuft diesen Prozess im Gegenstrom, d.h. es<br />
wird im Wärmetauscherturm oben aufgegeben und auf dem Weg nach unten auf<br />
etwa 800 °C vorgewärmt. Im Calcinator wird das Rohmaterial durch Zugabe von<br />
Brennstoff bei 850-900 °C calciniert und anschließend im Drehrohrofen (unten links,<br />
rot) bei 1.450 °C gebrannt. In dem nachgeschalteten Kühler wird der gebrannte<br />
Klinker gekühlt und die so auf 900 °C aufgeheizte Kühlluft dem Ofen und dem<br />
Calcinator als Verbrennungsluft wieder zugeführt. In der anschließenden Mahlung<br />
wird der Klinker zum Zement veredelt.<br />
Die AFR-Strategie von Polysius wurde mit dem ThyssenKrupp Sonderinnovationspreis<br />
„Energie und Umwelt“ 2010 ausgezeichnet.
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
ThyssenKrupp steht für herausragende Ingenieurkompetenzen. Für unseren Konzern ist<br />
es von hoher Bedeutung, unsere Innovationskraft im Zusammenhang mit der Entwicklung<br />
anspruchsvoller Produkte und Dienstleistungen konsequent weiter zu stärken. Wir setzen<br />
vor diesem Hintergrund alles daran, unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dafür<br />
ausreichend Freiraum einzuräumen sowie das technische Know-how unseres Konzerns<br />
verstärkt auf unsere Kunden auszurichten und weiter auszubauen. Dieses Thema hat für<br />
ThyssenKrupp – und für mich als Ingenieur ganz persönlich – zentrale Bedeutung.<br />
Eine wesentliche Institution zur Prämierung von Ideen und Erfindungen ist unser jährlich<br />
ausgerichteter Innovationswettbewerb. In diesem <strong>techforum</strong> möchten wir Ihnen herausragende<br />
Projekte der letzten beiden Jahre vorstellen.<br />
Mit dem Innovationspreis 2009 wurde eine Prozessentwicklung von Uhde ausgezeichnet:<br />
Der STAR process ® ist ein weltweit erstmalig kommerzialisiertes Verfahren mit hoher Produk-<br />
tivität und geringem Energieverbrauch zur gezielten Herstellung von Propylen als Ausgangsprodukt<br />
für die Kunststoffproduktion. Mit ihm können Kosten und CO 2-Emissionen gesenkt<br />
sowie ein aktiver Beitrag zum Umweltschutz geleistet werden.<br />
Erstmalig haben wir in 2009 einen Sonderinnovationspreis „Energie und Umwelt“ ver-<br />
liehen. Als Beitrag zum aktiven Klimaschutz entwickelte ein Projektteam von ThyssenKrupp<br />
Xervon Energy ein ganzheitliches Konzept zum modularen Retrofitting für die Rehabilitierung<br />
und Effizienzsteigerung konventioneller Kraftwerke mit dem Ziel, erhebliche Wirkungsgradverbesserungen<br />
sowie die Reduzierung spezifischer CO 2-Emissionen zu erreichen.<br />
Sieger des Innovationswettbewerbes 2010 ist das konzernübergreifende InCar ® -Projekt,<br />
das bereits auf weltweiten Roadshows vorgestellt und von unseren Kunden äußerst positiv<br />
bewertet wurde. Hier brachten insgesamt 13 Konzernunternehmen über 30 Innovationen<br />
rund ums Automobil in den Bereichen Fahrwerk, Karosserie und Antrieb hervor.<br />
Mit dem Sonderinnovationspreis „Energie und Umwelt“ des letzten Jahres wurde eine<br />
von Polysius entwickelte Strategie zum thermischen und stofflichen Recycling von Abfällen<br />
in der Zementherstellung ausgezeichnet. Fossile Brennstoffe können dadurch eingespart und<br />
CO 2-Emissionen erheblich reduziert werden. Dies führt zu deutlichen Kosteneinsparungen bei<br />
der Zementherstellung und leistet gleichzeitig einen aktiven Beitrag zum Umweltschutz.<br />
Weitere Preisträger der letzten beiden Jahre sind u.a. ein von HDW entwickelter und<br />
gebauter akustisch optimierter Uboot-Propeller aus Kompositwerkstoffen, mit dem Geräusch-<br />
emissionen nahezu aller Frequenzbereiche über den gesamten Geschwindigkeitsbereich<br />
eliminiert werden können. Eine weitere Auszeichnung erhielt ein Team von ThyssenKrupp<br />
Acciai Speciali Terni, Italien, für einen technisch anspruchsvollen Herstellungsprozess, mit dem<br />
große Edelstahl-Rohblöcke mit einem Gewicht von 500 t für die anschließende Herstellung<br />
großer Bauteile, z.B. Generatorwellen und Niederdruckrotoren, gegossen werden können.<br />
Auch die weiteren Beiträge dieser Ausgabe verdeutlichen die Innovationskraft von<br />
ThyssenKrupp, die wir zukünftig durch verstärkte Investitionen in unsere FuE-Maßnahmen<br />
ausbauen werden.<br />
Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht Ihnen<br />
Ihr<br />
Dr.-Ing. Heinrich Hiesinger<br />
Vorsitzender des Vorstands der ThyssenKrupp AG<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
Vorwort / 3
4 / Inhalt<br />
08 / 12 / 18 /<br />
26 / 30 / 38 /<br />
08 / InCar ® – Der innovative Lösungsbaukasten für die Automobilindustrie<br />
Dipl.-ing. olivEr Hoffmann Projektleiter InCar ® /Leiter Anwendungstechnik ThyssenKrupp Steel Europe ag Duisburg<br />
Im Rahmen des divisionsübergreifenden Projektes InCar ® wurde ein automobiler Technologieträger<br />
entwickelt, der sämtliche Produkte und Innovationen von 13 ThyssenKrupp Unternehmen rund ums Auto-<br />
mobil in einem Projekt verbindet sowie die Leistungsfähigkeit und Innovationskraft von ThyssenKrupp<br />
eindrucksvoll demonstriert. Durch interdisziplinäre Zusammenarbeit wurden über 30 innovative Lösungen<br />
für Karosserie, Fahrwerk und Antrieb entwickelt. Mit InCar ® wurde ein neuer Meilenstein für zukünftige<br />
Forschungs- und Entwicklungsarbeiten innerhalb des Konzerns gesetzt.<br />
12 / LubriTreat ® – Eine funktionale Nanobeschichtung für die Automobilindustrie<br />
Dr. rEr. naT. JESSica BrinKBäumEr Fachkoordinatorin Entwicklung Oberfläche FuE ThyssenKrupp Steel Europe ag Dortmund<br />
Dr. rEr. naT. KEn-Dominic flEcHTnEr Fachkoordinator Entwicklung Oberfläche FuE ThyssenKrupp Steel Europe ag Dortmund<br />
Dipl.-ing. pETEr HEiDBücHEl Fachkoordinator Umformtechnik FuE ThyssenKrupp Steel Europe ag Duisburg<br />
Dr. rEr. naT. STElla JanSSEn Fachkoordinatorin Organische Chemie FuE ThyssenKrupp Steel Europe ag Dortmund<br />
Dipl.-ing. gErnoT noTHacKEr Fachkoordinator Produktion FBA 8 ThyssenKrupp Steel Europe ag Dortmund<br />
Dr. rEr. naT. rEinHarD WormuTH Teamleiter Korrosion und Elektrochemie FuE ThyssenKrupp Steel Europe ag Dortmund<br />
ThyssenKrupp Steel Europe hat eine neue Beschichtung entwickelt, die das Umformverhalten verzinkter<br />
Stähle entscheidend verbessert. LubriTreat ® wird hauchdünn direkt auf die Stahloberfläche aufgetragen<br />
und verbessert so die Umformeigenschaften über die gesamte Oberfläche. Das gemeinsam mit Castrol<br />
Industrial entwickelte und patentierte Beschichtungssystem kann mit vorhandener Anlagentechnologie<br />
erzeugt werden. Die Beschichtung ist frei von Schwermetallen und wurde als universale Umformhilfe<br />
konzipiert. Anwendungsbereiche finden sich in der Automobilindustrie sowie bei Herstellern von kom-<br />
plexen Bauteilen mit hohen Anforderungen an die Oberfläche. Eine weltweite Vermarktung des Produktes<br />
ist angestrebt.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
18 / Innovatives Blockgießen für große Bauteile<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
ing. amBro carpinElli Production Manager Società delle fucine S.r.l. Terni/Italien<br />
ing. rEnaTo palomBa Special Projects ThyssenKrupp acciai Speciali Terni S.p.a. Terni/Italien<br />
Dr. anDrEa mignonE Marketing and Industrial Sales Manager Società delle fucine S.r.l. Terni/Italien<br />
Durch den Bedarf des Marktes an immer größeren und schwereren Schmiedestücken, wie z.B. Rotoren<br />
und Generatorwellen für thermonukleare Stromerzeugungsanlagen mit Leistungen von bis zu 1.600 MW<br />
sowie bis zu 6 m breite Stützwalzen für Blechwalzwerke, sah sich ThyssenKrupp Acciai Speciali Terni (AST)<br />
veranlasst, alle anlagentechnischen Änderungen zu planen und vorzunehmen, die für die Herstellung von<br />
Gussblöcken mit einem Gewicht von 500 t und mehr erforderlich sind. Mit diesen Gussblöcken – zurzeit die<br />
größten, die bisher in Europa erschmolzen wurden – sind AST und die Tochtergesellschaft Società delle<br />
Fucine (SdF) in der Lage, auf dem internationalen Markt – neben Stützwalzen für Walzwerke – Rotorwellen und<br />
Generatoren für Kern- oder konventionelle Anlagen mit einem Transportgewicht von bis zu 250 t zu liefern.<br />
26 / Optimierung von Aluminium- und Metalloberflächen<br />
mittels Clean Coil Konzept<br />
ralf ScHmiD Geschäftsbereichsleiter ThyssenKrupp Metallcenter ThyssenKrupp metalServ gmbH Wörth<br />
Dipl.-WirT.-ing. (fH) STEfan cHriST Leiter Strategischer Vertrieb ThyssenKrupp Metallcenter ThyssenKrupp metalServ gmbH Wörth<br />
Dipl.-WirT.-ing. (fH) BaSTian BrunoW Key Account Manager ThyssenKrupp Metallcenter ThyssenKrupp metalServ gmbH Wörth<br />
Beim Produktionsprozess von Walzprodukten werden bedingt durch die verschiedenen Walzschritte, das<br />
Glühen und weitere Fertigungsprozesse die Metalloberflächen mit Schmutzpartikeln, Metallspänen sowie<br />
diversen Walzölen verunreinigt. Diese Verunreinigungen lagern sich in den Poren und Zwischenräumen der<br />
Metalloberfläche ab und können bei weiteren Bearbeitungsschritten, wie zum Beispiel Kleben, Stanzen,<br />
Schweißen/Löten und Umformen, zu Qualitätsproblemen führen. Der vom ThyssenKrupp Metallcenter<br />
entwickelte Clean Coil Prozess befreit das Material mit Hilfe von speziellen Reinigungsbürsten und einer<br />
Reinigungsemulsion schonend und kratzerfrei von Schmutz und Abrieb. Anschließend kann ein ’Finish’<br />
als dosierte Beölung oder als trockenes Material erfolgen.<br />
30 / Modulares Retrofitting-Konzept – Effizienzsteigerung und<br />
Ressourcenschonung in der Energieerzeugung<br />
Dr.-ing. ulricH ScHaBErg Leiter Inbetriebnahme ThyssenKrupp Xervon Energy gmbH Duisburg<br />
Dipl.-ing. annEgrET Baum Projektleiterin ThyssenKrupp Xervon Energy gmbH Duisburg<br />
Dipl.-ing. marTin HöBlEr Projektleiter ThyssenKrupp Xervon Energy gmbH Duisburg<br />
Betreiber von Industrieanlagen agieren im Umfeld ständig wandelnder Anforderungen wirtschaftlicher,<br />
technischer und politischer Art, wobei die Treibhausgas-Emission und der damit verbundene Zertifikate-<br />
handel zunehmend an Bedeutung gewinnen. In diesem Kontext stellt die Effizienzsteigerung und Schadstoff-<br />
minimierung an Bestandsanlagen für die Betreiber eine Alternative zu Neuanlagen dar. Mit dem modularen<br />
Baukasten, der die verschiedenen Ertüchtigungsmöglichkeiten aufzeigt und der nahezu keinen Kunden-<br />
wunsch nach Effizienzsteigerung und Emissionsreduzierung offen lässt, hat ThyssenKrupp Xervon Energy<br />
einen Realisierungsrahmen geschaffen, mit dem Betreiber das Optimierungspotenzial ihrer bestehenden<br />
Anlagen ausloten und in einem verbindlichen Kosten- und Terminrahmen umsetzen können.<br />
38 / LOFT – Eine Umwelt-Initiative von ThyssenKrupp Aufzüge<br />
alEXanDEr KEllEr Geschäftsführer ThyssenKrupp aufzüge gmbH Stuttgart<br />
STEpHan WirTH Geschäftsführer gWH aufzüge gmbH Himmelstadt<br />
DirK linnE Niederlassungsleiter Mainz ThyssenKrupp aufzüge gmbH Mainz<br />
nicola DangErfiElD Leiterin Verkaufsförderung Marketing Kommunikation ThyssenKrupp aufzüge gmbH Stuttgart<br />
Große Aufgaben bewältigt man oft nur in vielen kleinen Schritten: Die LOFT-Umwelt-Initiative von ThyssenKrupp<br />
Aufzüge leistet mit energiesparenden und zukunftsorientierten Produkten einen entscheidenden Beitrag zum<br />
Klima- und Umweltschutz – sowohl für Neuanlagen als auch für Modernisierungen.<br />
Inhalt / 5
6 / Inhalt<br />
44 / 50 / 54 /<br />
60 /<br />
64 / 70 /<br />
44 / STAR process ® – Ein neues hochproduktives Verfahren zur Propylenherstellung<br />
Dr. rEr. naT. HElmuT gEHrKE Abteilungsleiter Labor/Technikum uhde gmbH Dortmund<br />
Dipl.-ing. maX HEinriTz-aDrian Abteilungsleiter Verfahrenstechnik uhde gmbH Dortmund<br />
Dipl.-ing. rolf ScHWaSS Chemieingenieur uhde gmbH Dortmund<br />
Dr.-ing. SaScHa WEnzEl Abteilungsleiter Technologie-Service uhde gmbH Dortmund<br />
Der STAR process ® ist das weltweit erste kommerziell eingesetzte Verfahren zur Erzeugung von Propylen, das<br />
auf dem Prinzip der oxidativen Dehydrierung von Propan beruht. Propylen ist eines der wesentlichen petro-<br />
chemischen Basisprodukte mit nachhaltig hohen Wachstumsraten, das vor allem zur weiteren Verarbeitung bei<br />
der Erzeugung von hochwertigen Kunststoffprodukten – z.B. Polypropylen – verwendet wird. Die oxidative<br />
Dehydrierung im STAR process ® ist eine Neuentwicklung, die von Uhde mit Hilfe einer eigens hierfür gebauten<br />
Pilotanlage durchgeführt wurde. Erstmalig wurde sie großtechnisch in einer kommerziellen Anlage zur jähr-<br />
lichen Erzeugung von 350.000 t Propylen mit anschließender Weiterverarbeitung zu Polypropylen für den<br />
Kunden Egyptian Propylene & Polypropylene Company (EPP) in Port Said/Ägypten schlüsselfertig umgesetzt.<br />
50 / Mobile High-Performance-Entstaubung für die Schüttgutentladung<br />
Dipl.-ing. anDrEaS pETErS Bereichsleiter Sales & Marketing uhde Services gmbH Haltern am See<br />
anDré KuHn Bereichsleiter Mechanical Technology uhde Services gmbH Haltern am See<br />
Dipl.-ing. gErHarD alTmEyEr Bereichsleiter Hochofenbetrieb Hamborn ThyssenKrupp Steel Europe ag Duisburg<br />
Dipl.-ing. HanS-JürgEn lEißnEr Bereichsleiter Entstaubungstechnik/EA ThyssenKrupp Steel Europe ag Duisburg<br />
Ständig steigende Umweltauflagen zur Reduzierung von Feinstaubemissionen beim Schüttgutumschlag setzen<br />
neue Maßstäbe für Hüttenwerksbetreiber. Von Uhde Services und ThyssenKrupp Steel Europe gemeinsam<br />
entwickelt befindet sich seit Januar 2008 eine weltweit einzigartige mobile High-Performance-Entstaubungs-<br />
anlage für die Schüttgutentladung auf der Hochbahnbunkeranlage im Hochofenbetrieb Duisburg-Hamborn<br />
in Betrieb.<br />
54 / Polysius-AFR-Strategie<br />
74 /<br />
Dr.-ing. DiETmar ScHulz Senior Executive R&D polysius ag Neubeckum<br />
Dipl.-ing. Karl mEnzEl Senior Executive Engineering Clinker Production polysius ag Neubeckum<br />
Dr. rEr. naT. HuBErT BaiEr Senior Project Manager Alternative Resources polysius ag Neubeckum<br />
Im Herstellungsprozess von Zement sind etwa ein Drittel der CO 2-Emissionen auf den Brennstoffverbrauch<br />
zur Entkarbonatisierung der Rohstoffe und zur Erzeugung der hohen Sintertemperaturen von über 1.400 °C<br />
zurückzuführen. Um diese Emissionen deutlich zu senken, sollen vermehrt ’Alternative Fuels and Raw Materials’<br />
(AFR) eingesetzt werden. Polysius hat hierzu eine maßgeschneiderte Strategie entwickelt und umgesetzt,<br />
die ein hohes Wachstumspotenzial aufweist und eine deutliche Erweiterung der Wertschöpfungskette bedeutet.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
60 / ThermoTecSpring ® – Hochfeste Leichtbau-Feder als Beitrag zur CO2-Reduzierung Dr.-ing. marcEl groß Engineering/Prozesse Schraubenfedern ThyssenKrupp Bilstein Suspension gmbH Hagen-Hohenlimburg<br />
Mit der Anpassung des Verfahrens der thermomechanischen Umformung an die Anforderungen der Warmfertigung<br />
von Schraubendruckfedern ist es ThyssenKrupp Bilstein Suspension gelungen, die Eigenschaften<br />
des Materials so zu verändern, dass höher beanspruchbare Federn realisiert werden können. Damit ist der<br />
Weg frei für leichtere Federn mit geringeren Drahtdurchmessern sowie kürzere Federdesigns bei gleicher<br />
Performance. Gemessen an den normalfesten Tragfedern ermöglicht die ThermoTecSpring ® -Technologie<br />
je nach Anwendungsfall eine Gewichtsersparnis von 15 bis 20 % pro Feder. Damit trägt die ThermoTecSpring ®<br />
zur Senkung des Kraftstoffverbrauches und zur Reduktion des CO2-Ausstoßes bei.<br />
64 / Akustisch optimierter Propeller aus Kompositwerkstoffen<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
Dipl.-ing. aXEl paul Theoretical Engineering, Team Strength Calculation Howaldtswerke-Deutsche Werft gmbH Kiel<br />
Dipl.-maTH. anDrEaS ScHmiDT Theoretical Engineering, Team Hydrodynamics Howaldtswerke-Deutsche Werft gmbH Kiel<br />
Dipl.-ing. Eric Wolf Theoretical Engineering, Team Hydrodynamics Howaldtswerke-Deutsche Werft gmbH Kiel<br />
Die Howaldtswerke-Deutsche Werft, eine Gesellschaft der ThyssenKrupp Marine Systems, ist auf die<br />
Konstruktion und den Bau von nichtnuklearen Ubooten spezialisiert. Für die neuen Uboote der Klassen<br />
212A sowie 214 entwickelt und fertigt HDW einen wegweisenden neuen Propeller aus Kompositmaterial<br />
mit hochdämpfenden viskoelastischen Zwischenschichten, der mit seinen hervorragenden akustischen<br />
Eigenschaften ein weiteres Alleinstellungsmerkmal bildet, das die HDW-Uboote für die Kundenmarinen<br />
noch attraktiver macht.<br />
70 / ViSTIS ® – Revolutionäres Team-Training für komplexe Systeme<br />
marKuS ScHuppErT m.a. Projektleiter ViSTIS ® Blohm + voss naval gmbH Hamburg<br />
Eine hochwertige Ausbildung von Bedienungs- und Instandsetzungspersonal von komplexen Systemen<br />
ist die Basis für einen erfolgreichen und effizienten Einsatz von Mensch und Material. Aber die Besatzungsausbildung,<br />
z.B. für Marineschiffe, ist bisher nur auf dem Originalschiff möglich. Mit ViSTIS ® ,<br />
dem ’Virtual Ship Training and Information System’, wird dies künftig auch auf einem virtuellen Schiff<br />
unabhängig von der Original-Hardware bzw. vom Originalschiff möglich sein. Dieses innovative<br />
Ausbildungs- und Informationssystem wird derzeit unter Federführung von Blohm + Voss Naval in<br />
Hamburg entwickelt.<br />
74 / RFID-Brammenlogistik<br />
Dipl.-Winf. loÏc fEinBiEr Leiter CoC Supply Chain Visibility ThyssenKrupp iT Services gmbH Essen<br />
Dipl.-Winf. yaSEmin yaSlar Supply Chain Visibility Projekte ThyssenKrupp iT Services gmbH Essen<br />
Dipl.-ing. HEinEr niEHuES ThyssenKrupp RFID-Logistics Platform ThyssenKrupp iT Services gmbH Essen<br />
Die automatisierte Erfassung von Materialstücken in logistischen Prozessen gewinnt zunehmend an Bedeutung.<br />
Um den Anforderungen einer möglichst schnellen, sicheren und transparenten Lieferkette zu genügen, wird<br />
immer häufiger auf RFID-Technologie (Radio Frequency IDentification) gesetzt. ThyssenKrupp führte als<br />
erster Werkstoff- und Technologiekonzern RFID zur automatisierten Identifikation von Brammen entlang einer<br />
neuen Supply Chain von Brasilien über Umschlaghäfen nach Europa und USA ein. Dadurch werden die<br />
Verladezeiten der Brammen deutlich verkürzt und Verwechslungen vermieden.<br />
Inhalt / 7
8 /<br />
Thema<br />
InCar ®<br />
Der innovative Lösungsbaukasten<br />
für die Automobilindustrie<br />
Dipl.-ing. olivEr Hoffmann Projektleiter InCar ® /Leiter Anwendungstechnik ThyssenKrupp Steel Europe ag Duisburg<br />
Das InCar ® -Projekt<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
Im Rahmen des divisionsübergreifenden Projektes InCar ®<br />
wurde ein automobiler Technologieträger entwickelt, der<br />
sämtliche Produkte und Innovationen von 13 ThyssenKrupp<br />
Unternehmen rund ums Automobil in einem Projekt verbindet<br />
sowie die Leistungsfähigkeit und Innovationskraft von<br />
ThyssenKrupp eindrucksvoll demonstriert. Durch interdisziplinäre<br />
Zusammenarbeit wurden über 30 innovative Lösungen<br />
für Karosserie, Fahrwerk und Antrieb entwickelt. Mit InCar ®<br />
wurde ein neuer Meilenstein für zukünftige Forschungs- und<br />
Entwicklungsarbeiten innerhalb des Konzerns gesetzt.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
InCar ® – ökonomische und ökologische Vorteile<br />
Im Rahmen des InCar ® -Projektes wurden verschiedene<br />
Ansätze im Bereich Karosserie, Fahrwerk und Antrieb ent-<br />
wickelt, um den Kunden aus der Automobilindustrie<br />
Möglichkeiten aufzuzeigen, Kosten, Gewicht und/oder den<br />
CO 2-Ausstoß eines Fahrzeuges signifikant zu senken. Ins-<br />
gesamt konnten über 30 Innovationen entwickelt werden,<br />
die in mindestens einem Punkt dem Stand-der-Technik<br />
deutlich und nachweislich überlegen sind.<br />
Alle Lösungen sind im Hinblick auf die Umweltverträglichkeit,<br />
insbesondere der CO 2-Emissionen, detail-<br />
liert untersucht und bewertet worden. Die durchgeführte<br />
Analyse beschränkt sich dabei nicht nur auf die Nutzungs-<br />
phase im Fahrzeug, sondern bezieht die Produktionsphase<br />
mit ein. Auf Basis dieser Untersuchungen können die<br />
ökologischen Auswirkungen neuer Technologien, Produkte,<br />
Prozesse und Verfahren frühzeitig und zuverlässig umfassend<br />
abgeschätzt werden.<br />
Eine Kombination der umweltfreundlichsten Technologien<br />
aus dem InCar ® -Projekt erlaubt eine Reduktion des CO 2-<br />
Ausstoßes im Fahrbetrieb von über 17 g/km und ergibt im<br />
Lebenszyklus eine Verringerung des CO 2-Äquivalents pro<br />
Fahrzeug von über 5,5 t.<br />
Da der Einsatz dieser innovativen Technologien gleichzeitig<br />
eine Kostenreduktion von 30 €/Fahrzeug ermöglicht,<br />
zeigt sich deutlich, dass ökonomische und ökologische<br />
Ziele im Einklang miteinander stehen können. Diese<br />
Betrachtung liefert wertvolle Entscheidungshilfen über eine<br />
rein technische sowie ökonomische Betrachtung hinaus<br />
und ermöglicht aufgrund reduzierter Fahremissionen die<br />
Umsetzung von Klimaschutz im Automobilbau von morgen.<br />
Die Auszeichnung des InCar ® -Projektes mit dem zweiten<br />
Platz des Ökoglobes 2010 bestätigt die hohe Relevanz<br />
und das erhebliche Potenzial der verschiedenen InCar ® -<br />
Lösungen als Beitrag zu einer nachhaltigen Mobilität.<br />
InCar ® – Der innovative Lösungsbaukasten von ThyssenKrupp / 9<br />
Lösungsbaukasten<br />
Im InCar ® -Projekt arbeiteten über 100 Experten des<br />
ThyssenKrupp Konzerns für Werkstoffentwicklung,<br />
Engineering, Bauteilfertigung sowie Anlagen-, Prototypen-<br />
und Werkzeugbau für die Automobilindustrie interdisziplinär<br />
zusammen. Aus über 400 innovativen Ideen zu<br />
Projektbeginn haben die Forscher, Entwickler und Key-<br />
Account-Verantwortlichen des ThyssenKrupp Konzerns die<br />
aussichtsreichsten Konzepte ausgewählt und Potenzial-<br />
analysen durchgeführt. Anschließend wurden diese Ansätze<br />
mit deutschen und internationalen Automobilbauern<br />
diskutiert und die Ausrichtung der Forschungs- und<br />
Entwicklungsarbeit festgelegt. Somit war sichergestellt,<br />
dass nur Entwicklungen betrieben wurden, die über ein<br />
sehr hohes Marktpotenzial verfügen, da bereits in diesen<br />
Workshops ein sehr großes Interesse an den technischen<br />
Lösungen gezeigt wurde. Es wurde deutlich, dass<br />
ein solch umfassendes Forschungsprojekt nur in einem<br />
Technologiekonzern wie ThyssenKrupp durchgeführt werden<br />
konnte, da die im Projekt dargestellte Kombination von<br />
Entwicklungstiefe und -breite von keinem Marktbegleiter<br />
geleistet werden kann.<br />
Von den über 30 Innovationen aus dem InCar ® -Projekt<br />
sollen im Folgenden drei Lösungen kurz beschrieben werden,<br />
um einen ersten Einblick in das Projekt zu geben.<br />
DampTronic ® select<br />
Mit DampTronic ® select / Bild 1 / wird die Lücke zwischen<br />
den aufwendigen elektronisch stufenlos verstellbaren<br />
Dämpfern und den konventionellen, passiven Dämpfern<br />
geschlossen. Der Kunde bekommt die Möglichkeit,<br />
zwischen den Fahrwerkseinstellungen „sportlich straff“<br />
und „komfortbetont“ per Knopfdruck zu wechseln und das<br />
bei niedrigen Systemkosten und geringem Integrations-<br />
aufwand. Das Herzstück dieser Innovation ist das<br />
DampTronic ® select Ventil, welches zwischen einer Sport-<br />
kennlinie und einer Komfortkennlinie geschaltet werden<br />
kann. Obwohl das System vorzugsweise in der Komfort-<br />
kennlinie betrieben wird, bieten beide Dämpfkraftkenn-<br />
Bild 1 / DampTronic ® select – Sportfahrwerk zum Einschalten
10 / InCar ® – Der innovative Lösungsbaukasten von ThyssenKrupp<br />
linien die volle Abstimmbarkeit konventioneller Dämpfer.<br />
Somit können beide Kennlinien auf die spezifischen<br />
Bedürfnisse des Fahrzeuges zugeschnitten werden, ohne<br />
funktionale Einschränkungen beim Ansprechverhalten,<br />
Fahrkomfort oder der Fahrdynamik in Kauf nehmen<br />
zu müssen. Durch einen Verzicht auf Sensoren und auf-<br />
wendige Steuergeräte kann gegenüber den stufenlos<br />
elektronischen Verstellsystemen eine deutliche Kostenre-<br />
duktion von ca. 50 - 60 % erzielt werden. Somit erschließen<br />
sich die Vorzüge von verstellbaren Dämpfungssystemen<br />
auch für das Mittelklasse- oder Kleinwagen-Segment.<br />
Tailored Tempering<br />
Beim Tailored Tempering Prozess wird durch den Einsatz<br />
eines partiell beheizten Werkzeuges die Möglichkeit<br />
eröffnet, lokal eine langsamere Abkühlgeschwindigkeit<br />
des Bauteiles bei der Warmumformung zu erzielen<br />
/ Bilder 2 und 3 /. Während der Bauteilbereich im<br />
nicht beheizten Werkzeugteil einer hohen Abkühl-<br />
geschwindigkeit unterworfen wird und sich ein marten-<br />
sitisches Gefüge ausbildet, wird durch eine Verringerung<br />
der Abkühlgeschwindigkeit im beheizten Werkzeugteil<br />
Bild 2 / Thermografie des B-Säulen-Werkzeuges für den Tailored Tempering Prozess<br />
Temperatur [°C]<br />
550<br />
je nach Prozessführung ein ferritisch-perlitisches oder<br />
ein ferritisch-bainitisches Gefüge realisiert. Somit können<br />
über die Wahl der Prozessparameter anforderungs-<br />
gerecht die mechanischen Eigenschaften im Werkstoff<br />
beziehungsweise im Bauteil partiell eingestellt werden.<br />
Somit lässt sich gegenüber einer klassischen Bauweise<br />
ein Gewichtsvorteil von über 20 % erzielen. Ein erster<br />
Auftrag für eine Großserienbelieferung konnte bereits<br />
gewonnen werden.<br />
pDvc/pSvc<br />
Die Entwicklung einer gestuften und einer variablen Ventilsteuerung<br />
/ Bild 4 / bietet die optimalen mechanischen<br />
Voraussetzungen, um innerhalb des gesamten Betriebs-<br />
kennfeldes eines Ottomotors eine maximale Performance<br />
bei minimalem Verbrauch und Emissionen zu erzielen.<br />
Darüber hinaus besteht die Option, im Niedriglastbereich<br />
eine Zylinderabschaltung zu realisieren, sodass Verbrauchsvorteile<br />
von bis zu 20 % gegenüber einem modernen<br />
Ottomotor nachgewiesen werden konnten. Diese Kraftstoffreduzierung<br />
entspricht einer Reduktion der CO 2-Emissionen<br />
von über 14 g/km.<br />
Bild 3 / B-Säule „MBW ® 1500 Tailored Tempering“ nach einem Deformationstest Bild 4 / Presta Shiftable Valve Control (PSVC) –<br />
Prüfstand für den geschleppten Zylinderkopftest<br />
20<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
Ganz gleich, wo Automobilhersteller nach Verbesserungen<br />
suchen – bei InCar ® werden sie in den Bereichen Karosserie<br />
(z.B. Tailored Tempering), Fahrwerk (z.B. DampTronic ®<br />
select) und Antrieb (z.B. PDVC (Presta Delta Valve Control)/<br />
PSVC (Presta Shiftable Valve Control)) fündig. Weil aber<br />
Kunden unterschiedliche Innovationsschwerpunkte setzen,<br />
zeigt InCar ® meist mehrere technische Alternativen auf. Ob<br />
Leichtbau, Wirtschaftlichkeit oder Funktionalität: In min-<br />
destens einem dieser Punkte ist jede InCar ® -Lösung dem<br />
Stand der Technik deutlich und nachweislich überlegen. Das<br />
macht InCar ® zu einem Baukastensystem, aus dem jeder<br />
Kunde die für ihn optimale Lösung auswählen kann.<br />
Zusammenfassung und Ausblick<br />
Auch bei der Vermarktung der Projektergebnisse wurden<br />
im Rahmen des InCar ® -Projektes neue Wege beschritten.<br />
Neben einer ca. 30-seitigen Kurzfassung des Projektes, veröffentlicht<br />
in deutsch, englisch, französisch und japanisch,<br />
wurde ein ATZ-Sonderheft mit dem Titel „Das InCar-Projekt<br />
von ThyssenKrupp“ mit über 250 Seiten mehrsprachig<br />
erstellt aufgelegt.<br />
Im Rahmen der weltweiten Roadshows konnten allein in<br />
Europa über 15 OEMs (Original Equipment Manufacturers)<br />
besucht werden. Über 2.500 Besucher haben die InCar ® -<br />
Ausstellung – teilweise mit weiteren Neuentwicklungen aus<br />
dem ThyssenKrupp Konzern ergänzt – besucht und sich<br />
in den begleitenden Fachvorträgen oder direkt an den<br />
Exponaten mit den Experten austauschen können.<br />
In Japan wurden mit Toyota, Nissan und Honda die<br />
“Big Three” besucht, wobei über 900 Besucher erreicht werden<br />
konnten. In den USA wurden bei fünf OEMs TechShows<br />
mit über 950 Besuchern veranstaltet; ein wichtiger Schritt<br />
und Startschuss für ThyssenKrupp Steel Americas als<br />
InCar ® – Der innovative Lösungsbaukasten von ThyssenKrupp / 11<br />
Bild 5 / InCar ® -Demonstrator Bild 6 / InCar ® -TechTruck – Herzstück für die weltweite Roadshow<br />
innovativer (Entwicklungs-)Partner der Automobilindustrie<br />
in den USA. Die Techshow in Südkorea bei Hyundai Kia war<br />
ebenfalls ein voller Erfolg. Über 1.000 Besucher konnten<br />
verzeichnet werden. Weitere TechShows sind für dieses Jahr<br />
in China geplant / Bilder 5 und 6 /.<br />
Darüber hinaus wurden mehr als 25 Veröffentlichungen<br />
in Druckmedien, 7 Berichte in Funk und Fernsehen sowie<br />
über 30 Präsentationen auf Tagungen, Messen und Kongressen<br />
absolviert.<br />
Aus dieser für ThyssenKrupp bisher einmaligen<br />
Marketing-Offensive, zugeschnitten auf die Automobilindustrie,<br />
konnte durchgängig ein äußerst positives Feedback<br />
verzeichnet werden. Über 150 Nachfolgetermine<br />
wurden vereinbart, aus denen sich fast 100 konkrete<br />
Projekte ergeben haben. Eine Vielzahl von Aufträgen<br />
können bereits jetzt schon als Erfolg direkt dem InCar ® -<br />
Projekt zugeschrieben werden.<br />
Eine mögliche Fortführung des InCar ® -Projektes,<br />
ist derzeit in Planung, um auch zukünftig der Automobilindustrie<br />
wertvolle Impulse liefern zu können und neue<br />
technologische Wege aufzuzeigen. Neben weiteren Anstren-<br />
gungen im Bereich des Karosserie-Leichtbaus werden<br />
auch Anforderungen, die beispielsweise ein hybrider<br />
oder elektrischer Antrieb der Kraftfahrzeuge an die Fahrzeugarchitektur<br />
von morgen stellt, im Fokus der zukünftigen<br />
Arbeiten stehen. Somit wird ThyssenKrupp auch zukünftig<br />
einen wesentlichen Beitrag für eine umweltfreundliche<br />
Mobilität leisten.<br />
Das in diesem Artikel vorgestellte InCar ® -Projekt wurde mit<br />
dem 1. Preis des ThyssenKrupp Innovationswettbewerbes<br />
2010 ausgezeichnet.
12 / Thema<br />
Kontinuierlicher Beschichtungsprozess mit LubriTreat ®<br />
bei ThyssenKrupp Steel Europe<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
LubriTreat ®<br />
Eine funktionale Nanobeschichtung<br />
für die Automobilindustrie<br />
Dr. rEr. naT. JESSica BrinKBäumEr Fachkoordinatorin Entwicklung Oberfläche FuE ThyssenKrupp Steel Europe ag Dortmund<br />
Dr. rEr. naT. KEn-Dominic flEcHTnEr Fachkoordinator Entwicklung Oberfläche FuE ThyssenKrupp Steel Europe ag Dortmund<br />
Dipl.-ing. pETEr HEiDBücHEl Fachkoordinator Umformtechnik FuE ThyssenKrupp Steel Europe ag Duisburg<br />
Dr. rEr. naT. STElla JanSSEn Fachkoordinatorin Organische Chemie FuE ThyssenKrupp Steel Europe ag Dortmund<br />
Dipl.-ing. gErnoT noTHacKEr Fachkoordinator Produktion FBA 8 ThyssenKrupp Steel Europe ag Dortmund<br />
Dr. rEr. naT. rEinHarD WormuTH Teamleiter Korrosion und Elektrochemie FuE ThyssenKrupp Steel Europe ag Dortmund<br />
ThyssenKrupp Steel Europe hat eine neue Beschichtung<br />
entwickelt, die das Umformverhalten verzinkter<br />
Stähle entscheidend verbessert. LubriTreat ® wird<br />
hauchdünn direkt auf die Stahloberfläche aufgetragen<br />
und verbessert so die Umformeigenschaften<br />
über die gesamte Oberfläche. Das gemeinsam mit<br />
Castrol Industrial entwickelte und patentierte Beschichtungssystem<br />
kann mit vorhandener Anlagentechnologie<br />
erzeugt werden. Die Beschichtung ist<br />
frei von Schwermetallen und wurde als universale<br />
Umformhilfe konzipiert. Anwendungsbereiche finden<br />
sich in der Automobilindustrie sowie bei Herstellern<br />
von komplexen Bauteilen mit hohen Anforderungen<br />
an die Oberfläche. Eine weltweite Vermarktung des<br />
Produktes ist angestrebt.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
/ 13<br />
Hintergrund<br />
Innovatives Design im Automobilbau führt zu Bauteilen mit komplexen<br />
Geometrien, wodurch erhöhte Anforderungen an den Umformprozess<br />
gestellt werden. Weiterhin bedingt der Einsatz von höher- und höchstfesten<br />
Stählen, die aufgrund steigender Leichtbauanforderungen<br />
immer mehr Anwendung finden, eine anspruchsvolle Verarbeitung<br />
und fordert somit eine verbesserte Umformleistung des Werkstoffes<br />
im Umformprozess. Die Wirtschaftlichkeit solcher Prozesse muss aber<br />
dennoch gewährleistet bleiben.<br />
Aus diesem Grund haben ThyssenKrupp Steel Europe und<br />
Castrol Industrial gemeinsam ein patentiertes Beschichtungssystem<br />
zur Vorbehandlung von oberflächenveredeltem Stahlband entwickelt.<br />
Im Fokus stand die Entwicklung einer neuen schwermetallfreien<br />
Vorbehandlung als Ersatz für die Vorphosphatierung. LubriTreat ® ist eine<br />
ultradünne, organische Beschichtung, basierend auf Phosphorsäureestern,<br />
welche die Umformeigenschaften des Stahls deutlich verbessert.<br />
Ziel der Produktentwicklung ist es, durch den Einsatz von innovativen<br />
Stählen in Kombination mit einer intelligenten Beschichtung dem<br />
Kunden auch zukünftig ein optimales Produkt anbieten zu können.<br />
Wirkungsweise von LubriTreat ®<br />
Die umformverbessernde Wirkung wird durch Aufbringen der speziellen,<br />
tribologisch aktiven Additive direkt auf die Stahlbandoberfläche<br />
erreicht. Beim Umformprozess vermindert LubriTreat ® das Auftreten von<br />
Kaltverschweißungen zwischen Werkzeug und Bauteil so effizient, dass<br />
das Auftreten von Reißern nahezu vollständig vermieden wird.<br />
Bisher werden in der Stahlwerksbeölung mit Prelubes und Hotmelts<br />
Umformadditive eingesetzt, die – in der Ölmatrix eingebettet – beim<br />
Beölungsprozess auf das Blech appliziert werden. Neben den<br />
Umformadditiven enthalten Beölungen aber auch weitere Bestandteile,<br />
wie zum Beispiel Korrosionsschutzadditive und Emulgatoren die unter-<br />
schiedliche Funktionen erfüllen. Dabei konkurrieren alle funktionalen<br />
Additive in der Beölung um eine direkte Anbindung an die Stahloberfläche<br />
und können sich dadurch gegenseitig blockieren. Hinzu<br />
kommt, dass Korrosionsschutzadditive eine stärkere Bindung zur<br />
Stahloberfläche eingehen als die Umformadditive, sodass mögliche
14 / LubriTreat ® – Eine funktionale Nanobeschichtung für die Automobilindustrie<br />
Zink<br />
Bild 1 / Applikationsprozess von LubriTreat ®<br />
Koordinationsstellen für diese Additive bereits belegt sind. Dieser<br />
Nachteil wurde im Konzept bei der Entwicklung von LubriTreat ®<br />
berücksichtigt. Bei der neuentwickelten Beschichtung werden die für<br />
die Umformung notwendigen, tribologisch aktiven Additive zuerst auf<br />
die Stahloberfläche aufgebracht und erst im zweiten Schritt erfolgt die<br />
Beölung / Bilder 1 und 2 /.<br />
Bisherige umformverbessernde Beschichtungen basieren üblicherweise<br />
auf anorganischen Phosphatsystemen. Um hier eine optimale<br />
Wirksamkeit zu erreichen, werden diese in sehr hohen Schichtdicken<br />
von 1 - 2 µm aufgebracht. LubriTreat ® hingegen ist bereits mit einer<br />
Schichtdicke von unter 100 nm wirksam. Die nanoskalige Ober-<br />
flächenmodifikation durch LubriTreat ® kann mit hochauflösenden, oberflächenanalytischen<br />
Methoden sichtbar gemacht werden. Die Schicht<br />
weist sowohl amorphe als auch kristalline Bereiche auf / Bild 3 /.<br />
Korrosionsschutzöl<br />
LubriTreat ®<br />
Prelube/Hotmelt<br />
Bild 2 / Geordnete Konzentration der tribologisch aktiven Substanzen an<br />
der Substratoberfläche (oben) im Vergleich zur statistischen Verteilung in<br />
bisher üblichen Stahlwerksbeölungen, wie Prelube bzw. Hotmelt (unten)<br />
Applikation von LubriTreat ® Umformung<br />
Substrat<br />
Substrat<br />
Tribologisch aktive Substanzen<br />
LubriTreat ®<br />
Öl<br />
Anwendung von LubriTreat ®<br />
Die wasserbasierte und schwermetallfreie Beschichtung wird in einem<br />
kontinuierlichen Prozess direkt nach der Verzinkung auf das Stahlband<br />
aufgebracht. Ziel der Entwicklung war es, bereits vorhandene Anlagentechnologien<br />
zu nutzen und somit die Prozesskosten gering zu halten.<br />
/ Bild 4 / stellt schematisch die elektrolytische Beschichtungsanlage<br />
EBA 3 von ThyssenKrupp Steel Europe dar. Hier erfolgt die Applikation<br />
von LubriTreat ® mittels Spritzen/Abquetschen, an weiteren Anlagen<br />
auch durch so genanntes ’Chemcoating’.<br />
Neben der Anwendung bei elektrolytisch verzinkten Stählen zeichnet<br />
sich LubriTreat ® auch durch seine hervorragende Wirkung auf feuerverzinkten<br />
Oberflächen aus. Auf Erstere kommt bisher die Phosphatierung<br />
zur Verbesserung des Umformverhaltens zum Einsatz. Dieses System<br />
enthält jedoch im Gegensatz zu LubriTreat ® Schwermetalle, auf die<br />
aufgrund von Umweltaspekten möglichst verzichtet werden sollte.<br />
Feuerverzinkter Stahl mit LubriTreat ® Elektrolytisch verzinkter Stahl mit LubriTreat ®<br />
Bild 3 / Mikroskopische Aufnahme von LubriTreat ® -beschichteten, verzinkten Oberflächen<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
Reinigung und Vorbehandlung<br />
Einlauf<br />
Bild 4 / Applikationszone von LubriTreat ® an der elektrolytischen Beschichtungsanlage EBA 3 von ThyssenKrupp Steel Europe<br />
Die Eigenschaften von LubriTreat ® wurden in verschiedenen<br />
Umformversuchen untersucht, wozu unter anderem der Streifenzugversuch<br />
und so genannte Näpfchenzugversuche gehören. Die positive<br />
Wirkung von LubriTreat ® zeigt sich in den untersuchten Prozessen<br />
durch eine Verringerung der Reibung zwischen Werkzeug und Blech-<br />
platine. In Streifenzugversuchen konnte mit LubriTreat ® nach-<br />
gewiesen werden, dass bei Flächenpressungen von bis zu 80 MPa<br />
kein Stick-Slip-Effekt auftritt. Stick-Slip-Effekte charakterisieren das<br />
Verschweißen und anschließende Lösen dieser Kaltverschweißungen<br />
durch hohe Zugkräfte während der Umformung von Blech im Werk-<br />
zeug. Im realen Umformprozess im Automobilpresswerk kann<br />
dies zum Reißen des Bauteiles führen. Der im / Bild 5 / gezeigte<br />
Reibwertverlauf ist gleichmäßig über den kompletten Zieh-<br />
bereich. Die Ziehgeschwindigkeit kann sogar auf 60 mm/min ver-<br />
ringert werden, ohne dass ein Stick-Slip-Effekt auftritt. Diese lang-<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
applikation von lubriTreat ®<br />
Verzinkung<br />
LubriTreat ® – Eine funktionale Nanobeschichtung für die Automobilindustrie / 15<br />
Nachbehandlung Auslauf<br />
same Ziehgeschwindigkeit simuliert das Abbremsen des Stempels<br />
kurz vor dem Umkehrpunkt und stellt eine besondere Heraus-<br />
forderung dar.<br />
Mit Hilfe von Näpfchenzugversuchen wird ein idealer Tiefziehprozess<br />
simuliert. Hier kann neben dem Auftreten von Reißern des<br />
Bauteiles auch die Neigung zur unerwünschten Faltenbildung untersucht<br />
werden. Wie in / Bild 6 / gezeigt, wird das Prozessfenster beim<br />
Tiefziehen bei beiden untersuchten Stahlsorten durch LubriTreat ®<br />
deutlich vergrößert. Die Niederhalterkräfte F N können erheblich<br />
gesteigert werden, ohne dass es zu Reißern kommt. In der Praxis<br />
bedeutet dies, dass die Prozessparameter für das Umformen deutlich<br />
flexibler gewählt werden können und somit ein Beitrag zur Prozessstabilität<br />
geleistet wird.<br />
Neben den Näpfchenzugversuchen mit einem 100-mm-Rund-<br />
stempel wurden auch Großnapfversuche mit einem Stempeldurch-
16 / LubriTreat ® – Eine funktionale Nanobeschichtung für die Automobilindustrie<br />
Reibwert [µ]<br />
0,20<br />
0,15<br />
0,10<br />
0,05<br />
0<br />
Referenz<br />
20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80<br />
Bild 5 / Streifenzugversuch: Reibwertverlauf mit und ohne LubriTreat ® Bild 6 / Tiefziehbereich ohne LubriTreat ® (blau) und Erweiterung durch LubriTreat ® (rot)<br />
messer von 600 mm durchgeführt. Die Abmessungen dieses Großnapfes<br />
entsprechen etwa einer Reserveradmulde eines Mittelklasse-<br />
Pkw, die ein umformkritisches und tribologisch anspruchsvolles Bauteil<br />
darstellt. In / Bild 7 / ist ein Vergleich der bisherigen kleinen<br />
Näpfchen zu dem jetzt gezogenen Großnapf gezeigt. Auch bei diesen<br />
Abpressversuchen traten keine Reißer auf und der Arbeitsbereich zum<br />
Tiefziehen wurde erheblich erweitert. Neben der bisher beschriebenen<br />
Kerneigenschaft, der stark verbesserten Umformleistung, werden<br />
weitere hohe Anforderungen an neue Oberflächenbeschichtungen<br />
gestellt. Viele, sehr unterschiedliche Produkteigenschaften müssen<br />
erfüllt werden, bevor eine neue Beschichtung gerade in der Automobilindustrie<br />
zum Einsatz kommt:<br />
° Umweltfreundlichkeit<br />
° Applizierbarkeit<br />
° Schweißbarkeit<br />
° Klebeignung<br />
° Entfernbarkeit<br />
° Lackhaftungs- und -Unterwanderungseigenschaften<br />
° Filmstabilität<br />
° Korrosionsschutz<br />
° Phosphatiereignung<br />
Referenz und LubriTreat ®<br />
Flächenpressung [MPa]<br />
Ø 600 mm<br />
Bei den durchzuführenden Prüfungen dürfen durch LubriTreat ® keine<br />
Ø 100 mm<br />
Nachteile in den Produkteigenschaften entstehen. Verschiedene automobiltypische<br />
Fügeverfahren, wie zum Beispiel das Widerstandspunktschweißen<br />
und das Kleben, wurden untersucht. Diese Methoden<br />
kommen unter anderen im Rohbauprozess bei der Herstellung von<br />
Rohkarossen im Automobilbau zum Einsatz. Bei den bisher durchgeführten<br />
Prüfungen zeigten sich keinerlei Einschränkungen. Beim Bild 7 / Größenvergleich Großnapf und Näpfchen<br />
F N/kN<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
Referenz<br />
BHZ 180 +<br />
LubriTreat ®<br />
130 %<br />
0<br />
1,7 1,8 1,9 2,0 2,1 2,2 2,3<br />
Ziehverhältnis b<br />
F N/kN<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
DX56D +<br />
LubriTreat ®<br />
225 %<br />
Referenz<br />
0<br />
1,7 1,8 1,9 2,0 2,1 2,2 2,3<br />
Ziehverhältnis b<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
Referenz mit LubriTreat ®<br />
Referenz<br />
Bild 8 / Mikroskopische Aufnahmen von LubriTreat ® -beschichteten, verzinkten Oberflächen nach der Phosphatierung<br />
nachfolgenden Lackierprozess werden für das endgültige Lack-<br />
erscheinungsbild verschiedene Lackschichten übereinander aufge-<br />
bracht. Für die Haftung des gesamten Lackaufbaus ist die zuerst<br />
aufgebrachte, automobiltypische Phosphatierung relevant, da diese<br />
als Haftvermittler für die nachfolgende kathodische Tauchlackierung<br />
gilt. Wie in / Bild 8 / zu erkennen ist, ist die Abscheidung und Ausbildung<br />
der Phosphatschicht bei LubriTreat ® vergleichbar zum unbeschichteten<br />
Referenzmaterial.<br />
Auch das nachfolgend untersuchte Korrosionsverhalten im<br />
lackierten Zustand ist als vergleichbar einzustufen. Dabei hat LubriTreat ®<br />
keinen Einfluss auf die Lackhaftungs- und die Lackunterwanderungseigenschaften.<br />
Insgesamt zeigen alle Kompatibilitätsprüfungen zum<br />
nachfolgenden Kundenprozess ein positives Gesamtverhalten. Weitere<br />
Langzeituntersuchungen und kundenspezifische Tests werden derzeit<br />
durchgeführt.<br />
Fazit und Ausblick<br />
Aktuell befindet sich LubriTreat ® in der Pilotphase der Produktentwicklung<br />
und wird an Produktionsanlagen der ThyssenKrupp Steel<br />
Europe getestet. Hier stehen die Ermittlung der Prozessparameter und<br />
die Umsetzung des Verfahrens in den laufenden Produktionsprozess<br />
im Vordergrund. Begleitend dazu werden Methoden zur Qualitätskontrolle<br />
des späteren Realprozesses entwickelt. Bei diesen betrieblichen<br />
Applikationsversuchen wird Versuchsmaterial hergestellt, das<br />
zu Testzwecken Kunden zur Verfügung gestellt werden kann.<br />
Insgesamt können die stetig steigenden Anforderungen an die<br />
Umformleistung des Werkstoffes durch den Einsatz von LubriTreat ®<br />
abgedeckt werden. Des Weiteren bieten sich durch LubriTreat ®<br />
Gestaltungsfreiräume zum Design innovativer und komplexer Bauteil-<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
LubriTreat ® – Eine funktionale Nanobeschichtung für die Automobilindustrie / 17<br />
300 x 1.000 x 3.000 x<br />
300 x 1.000 x 3.000 x<br />
geometrien, die mit dem bisherigen Stand der Technik nur schwer<br />
umsetzbar waren. Zusätzlich können bislang notwendige Zusatzbeölungen<br />
im Umformprozess beim Kunden verringert und auf<br />
schwermetallhaltige Beschichtungen verzichtet werden.<br />
Nach der erfolgreichen Pilotphase wurde die Vermarktung von<br />
LubriTreat ® in Europa auf verzinkten Stahloberflächen begonnen.<br />
Eine weltweite Verfügbarkeit ist durch die Applikationsmöglichkeit von<br />
LubriTreat ® in den neuen Produktionsstätten von ThyssenKrupp Steel<br />
in den USA und China gegeben.
18 / Thema<br />
Innovatives Blockgießen<br />
für große Bauteile<br />
ing. amBro carpinElli Production Manager Società delle fucine S.r.l. Terni/Italien<br />
ing. rEnaTo palomBa Special Projects ThyssenKrupp acciai Speciali Terni S.p.a. Terni/Italien<br />
Dr. anDrEa mignonE Marketing and Industrial Sales Manager Società delle fucine S.r.l. Terni/Italien<br />
Erhitzen des Gussblocks im 600-t-Ofen<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
Durch den Bedarf des Marktes an immer größeren und schwereren Schmiedestücken,<br />
wie z.B. Rotoren und Generatorwellen für thermonukleare Stromerzeugungsanlagen<br />
mit Leistungen von bis zu 1.600 MW sowie bis zu 6 m breite Stützwalzen für Blechwalzwerke,<br />
sah sich ThyssenKrupp Acciai Speciali Terni (AST) veranlasst, alle anlagen-<br />
technischen Änderungen zu planen und vorzunehmen, die für die Herstellung von<br />
Gussblöcken mit einem Gewicht von 500 t und mehr erforderlich sind. Mit diesen Gussblöcken<br />
– zurzeit die größten, die bisher in Europa erschmolzen wurden – sind AST und<br />
die Tochtergesellschaft Società delle Fucine (SdF) in der Lage, auf dem internationalen<br />
Markt – neben Stützwalzen für Walzwerke – Rotorwellen und Generatoren für Kern- oder<br />
konventionelle Anlagen mit einem Transportgewicht von bis zu 250 t zu liefern.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
Anpassungen im Anlagenbau<br />
AST und die Tochtergesellschaft Società delle Fucine sind<br />
seit über einem Jahrhundert auf dem Markt für große<br />
Schmiedestücke präsent und haben sich auf die Herstellung<br />
von Produkten für die Stromerzeugung und für<br />
die Industrie im Allgemeinen mit Gussblöcken von bis<br />
zu 350 t spezialisiert. Da sich abzeichnete, dass diese<br />
Blockgröße für die neuen Marktanforderungen nicht mehr<br />
ausreicht, wurde im Jahr 2005 in Terni ein Projekt für die<br />
Herstellung eines 500-t-Gussblocks gestartet. Um das<br />
Projekt zu realisieren, musste zunächst abgeklärt werden,<br />
ob bestimmte Grundvoraussetzungen erfüllt werden können:<br />
° Detail- und Gesamtabmessungen der Anlagen,<br />
° Handling des Equipments und der Produkte,<br />
° neue Lasten, die auf die Strukturen ausgeübt werden,<br />
° neue Anlagenausrüstungen und<br />
° metallurgische Aspekte der Gieß- und Schmiedeprozesse.<br />
Das Projekt wurde daher in mehrere Teilprojekte unterteilt, die<br />
in vier große Gruppen zusammengefasst werden können:<br />
1. Entwicklungen im Bereich der Stahlherstellung/<br />
Stahlgießerei,<br />
2. Entwicklungen im Schmiedebereich,<br />
3. Ausrüstungen für die Bereiche Wärmebehandlung/<br />
Vergütung und maschinelle Bearbeitung sowie<br />
4. Ausrüstungen für die Logistik.<br />
Im Bereich Stahlherstellung/Stahlgießerei wurde die Hebe-<br />
kapazität der Strukturen von internen Transportwegen und<br />
Innovatives Blockgießen für große Bauteile / 19<br />
Deckenlaufkränen erhöht. Es wurden spezifische Vorrichtungen<br />
für das Abziehen und Kippen des Gussblocks<br />
realisiert. Die Installation einer neuen Vakuumpumpe<br />
und einer Gießgrube, die für das Vakuumgießen eines<br />
solchen Blocks geeignet ist, wurde notwendig, eine kleine<br />
Gießerei für die Herstellung von Eisenformen wurde ein-<br />
gerichtet. Im Schmiedebereich wurde die Hebekapazität<br />
der Strukturen der Deckenlaufkräne erhöht. Ein neuer<br />
600-t-Deckenlaufkran, ausgestattet mit 600-t-Greifern,<br />
und ein neuer 250 t -700 t x m-Manipulator als Slave-<br />
Einheit für die 12.600-t-Hydraulikpresse wurden installiert.<br />
Im Bereich der Wärmebehandlung und maschinellen<br />
Bearbeitung wurden – neben der notwendigen Verstär-<br />
kungen der Strukturen – neue Deckenlaufkräne mit einer<br />
maximalen Kapazität von bis zu 350 t, ein Schachtofen für<br />
die Wärmebehandlung von großen Rotoren und Generator-<br />
wellen sowie ein neuer Drehofen – in seiner Größe<br />
einzigartig auf der Welt – für die differenzielle Wärme-<br />
behandlung von großen Stützwalzen eingerichtet. Eine<br />
neue 300-t-Schleifmaschine vervollständigte die Investi-<br />
tionen in die maschinelle Bearbeitung. Im Logistikbereich<br />
wurde das Gleis, das für den internen Transport des<br />
Blocks von der Stahlgießerei zum Schmiedebereich<br />
benutzt wurde, überprüft und zusammen mit dem zuge-<br />
hörigen Transportwagen verstärkt.<br />
In den folgenden Abschnitten werden die Haupt-<br />
fertigungsschritte beschrieben, die notwendig sind, um<br />
eine 230-t-Grobblechwalze herzustellen – ausgehend von<br />
einem 500-t-Gussblock.
20 / Innovatives Blockgießen für große Bauteile<br />
Design des Gussblocks<br />
Der Entwurf und die Entwicklung der Gießform – durchgeführt<br />
mit Hilfe einer FEM(Finite-Elemente-Methode)-<br />
Analyse – hatten das Ziel, Seigerungsphänomene innerhalb<br />
des Gussblockkörpers zu minimieren, vor allem die<br />
Kohlenstoffseigerung, die in Gussblöcken dieser Größe<br />
in erheblichem Maße vorkommt / Bild 1 /. Die Ergebnisse,<br />
die an den ersten sechs Gussblöcken erzielt wurden, bestätigten<br />
die Modellschätzung / Bild 2 /.<br />
Auf Basis dieser Design-Parameter wurde in der<br />
Gießerei von Terni die erste FN-500-Blockform hergestellt<br />
/ Bild 3 /. Sie besteht aus sechs Hämatitgusseisen-<br />
Komponenten mit einem Gesamtgewicht von ca. 550 t.<br />
Besondere Merkmale dieser Blockform:<br />
° Verhältnis Höhe H/Durchmesser D: 0,9 bis 1,2<br />
° Kannelierte Innenseite mit 28 Flächen<br />
° zwei Hohlräume im Gießaufsatz, um beim Schmelzen<br />
die Hebezapfen zu erhalten, die für das Handling des<br />
Gussblocks erforderlich sind<br />
° an der Unterseite ausgebildet Zunge,<br />
um das Handling im Schmelz- und Schmiedebetrieb<br />
zu erleichtern<br />
° Sicherheitsverstärkungsringe (aus Stahl), die an<br />
Formenkomponenten des Körpers angebracht sind<br />
° Anbringung eines speziellen Plattenschutzes am Boden,<br />
um die Entformungsvorgänge zu erleichtern<br />
C [%]<br />
0,656<br />
0,604<br />
0,552<br />
0,500<br />
0,449<br />
0,398<br />
0,346<br />
0,294<br />
0,242<br />
0,190<br />
0,139<br />
0,084<br />
0,035<br />
Bild 1 / FN-500-Erstarrung des Gussblocks und C-Seigerung<br />
C [%]<br />
0,7<br />
Abweichung nach oben<br />
0,6<br />
0,5<br />
Schmelzen-Durchschnitt<br />
0,4<br />
0,3<br />
0,2<br />
0,1<br />
0<br />
Abweichung nach unten<br />
0 2 4 6 8<br />
Block-Nr.<br />
Bild 2 / FN 500 – tatsächliche Kohlenstoffseigerungswerte Bild 3 / FN-500-Blockform<br />
Design der Stahlherstellung<br />
Das Schmelzen erfolgt in einem 150-t-Lichtbogenofen,<br />
wobei mit ausgewähltem Schrottmaterial begonnen wird,<br />
um die Werte von Verunreinigungen, wie z.B. Arsen, Zinn,<br />
Antimon, Kupfer etc., auf ein Minimum zu reduzieren.<br />
In diesem Fall entspricht die zu erzeugende Stahlmenge<br />
etwa 525 t, aufgeteilt in vier Gießpfannen, die eine max.<br />
Kapazität von je 140 t haben.<br />
Für die Raffination des Stahls ist ein spezielles Verfahren<br />
entwickelt worden / Bild 4 /, um den Wasserstoffgehalt, der<br />
ein kritischer Faktor bei großen Gussblöcken ist, zu ver-<br />
ringern. Ferner werden für jede Gießpfanne die Raffinations-<br />
vorgänge definiert, die in den Anlagen der Firma<br />
ASEA sowie in den VD-Anlagen (Vacuum Degassing –<br />
Vakuumentgasung) anzuwenden sind, um die Chemie,<br />
Temperatur und Reinheit zu erreichen, die zum Gießen<br />
notwendig sind.<br />
Gießen des Blocks (bei AST)<br />
Das Vakuumgießen des Blocks erfolgt in einem speziellen<br />
Vakuumtank, der von seinen Abmessungen für<br />
diesen Zweck ausgelegt ist (D: 7.000 mm, H: 9.000 mm)<br />
/ Bild 5 /. Die Gießsequenz erfolgt unter Anwendung<br />
eines bestimmten Verfahrens, das für das Gießen eines<br />
Gussblocks aus vier Pfannen ausgelegt ist. Der in die Form<br />
gegossene Stahl hat ein Gewicht von 500 t.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
Bild 4 / Flussdiagramm Stahlherstellung und Raffination<br />
Bild 5 / Vakuum-Gießgrube<br />
ASEA-FN(Ladle Furnace-Pfannenofen)-Einheit<br />
Innovatives Blockgießen für große Bauteile / 21<br />
Pfanne 140 t Pfanne 140 t Pfanne 140 t Pfanne 140 t<br />
VD-Einheit<br />
Pfanne 140 t Pfanne 140 t Pfanne 140 t Pfanne 140 t
22 / Innovatives Blockgießen für große Bauteile<br />
Bild 6 / Vertikales Herausheben des FN-500-Gussblocks Bild 7 / Laden des FN-500-Blocks auf einen Eisenbahnwaggon<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
% VCP [ Void Crushing Parameter ]<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Bild 9 / Schmieden in der 12.600-t-Presse<br />
mit 250 t -700 t x m-Manipulator<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
Vorgänge zum Abstreifen des Gussblocks (bei AST)<br />
Etwa vier Tage nach dem Gießen kann der Gussblock<br />
aus der Form genommen und in den Schmiedebereich<br />
transportiert werden. Der Hebevorgang erfolgt durch zwei<br />
Deckenlaufkräne, die mit einem Querhaupt verbunden<br />
sind, mit Hilfe der beim Schmelzen erhaltenen Hebezapfen<br />
⁄ Bild 6 /. Das Ablegen des Gussblocks für das nach-<br />
folgende Aufladen auf einen Eisenbahnwaggon erfolgt in<br />
der Grube mit einem Profil, das so konzipiert ist, dass der<br />
Block optimal um 90° gekippt werden kann / Bild 7 /.<br />
Schmieden (bei SdF)<br />
Um eine Grobblechwalze herzustellen, wurden, für die<br />
Planung des Schmiedezyklusses, mit dem der FN-500-<br />
Gussblock bearbeitet werden soll, FEM-Simulationen angewandt<br />
/ Bild 8 /. Die hauptsächlichen Schmiedeschritte<br />
wurden festgelegt, um die notwendigen Temperaturen,<br />
Gesenke und Kräfte zu definieren. Insbesondere wurde<br />
Bild 8 / Simulation der Vorstreckprozesse an dem FN-500-Block<br />
Z<br />
X<br />
Y<br />
Z<br />
X<br />
Y<br />
Bild 10 / Rohgeschmiedete Grobblechwalze – Gewicht 300 t<br />
Innovatives Blockgießen für große Bauteile / 23<br />
das Vorstrecken durch Schmieden verbessert, um dem<br />
Produkt eine strukturelle Homogenität zu verleihen, die eine<br />
gute Zähigkeit sowohl im Kern als auch an der Außenhaut<br />
gewährleisten kann.<br />
Der so definierte Zyklus besteht aus den folgenden Phasen,<br />
die in der 12.600-t-Presse bei Temperaturen zwischen<br />
1.200 °C und 1.250 °C stattfinden:<br />
° Schmieden der oberen Zunge,<br />
° Schmieden des Ballens und Abschneiden des<br />
oberen und unteren Übermaßes (zwei Schmelzen),<br />
° Vorstrecken und Bemaßung,<br />
° Vorstrecken der Lagerzapfen und<br />
° Fertigbearbeitung der Zapfen (2 Schmelzen) und<br />
Abschneiden des Übermaßes.<br />
Sobald der Gießaufsatz und die metallurgischen Abfälle von<br />
der Ober- und Unterseite des Blocks entfernt worden sind,<br />
hat die grobgeschmiedete Walze ein Gewicht von 300 t<br />
/ Bilder 9 und 10 /.<br />
Z<br />
X<br />
Y
24 / Innovatives Blockgießen für große Bauteile<br />
Bild 11 / Erhitzung der Ballenoberfläche im neuen Drehofen<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
Wärmebehandlungen (bei SdF)<br />
Nach dem Schmieden wird die Stützwalze in einem konventionellen<br />
Gasofen einer Normalisier- und Vergütungs-<br />
Wärmebehandlung unterzogen, die notwendig ist, um dem<br />
Zapfen und dem Kern des Walzenballens die erforderlichen<br />
mechanischen Eigenschaften in Bezug auf Festigkeit und<br />
Zähigkeit zu verleihen (30 - 40 HSc (Scleroscope Hardness –<br />
Rücksprunghärte)). Nach einer geeigneten groben maschinellen<br />
Bearbeitung wird die Walze in einem konventionellen<br />
Wagenherdofen bei einer Temperatur von 600 °C so lange<br />
vorgewärmt, bis die Homogenität des Kerns sicher gestellt<br />
ist. Daraufhin gelangt sie in den neuen Drehofen, in dem<br />
nur kurz die Ballenoberfläche bei einer Temperatur von<br />
950 °C bis zu einer Tiefe von ca. 150 mm erhitzt wird<br />
/ Bild 11 / und im Anschluss durch Besprühen mit Wasser<br />
ein Abschrecken auf eine Temperatur von ca. 250 °C erfolgt<br />
/ Bild 12 /. Daraufhin wird eine Vergütungsbehandlung (im<br />
Allgemeinen zweifach), um den erforderlichen Härtegrad<br />
auf dem Ballen zu erreichen (52-60 HSc). Mit dem neuen<br />
Drehofen ist SdF in der Lage, gleichmäßige Härtegrade<br />
in den verschiedenen Ballenbereichen innerhalb einer<br />
Toleranz von 3 HSc und einer Vergütungstiefe von 100 mm<br />
zu erreichen.<br />
Maschinelle Endbearbeitung (bei SdF)<br />
Nach Überprüfung der erforderlichen mechanischen Eigen-<br />
schaften, wird das Schmiedestück der maschinellen<br />
Endbearbeitung unterzogen. Dabei wird die Walze auf die<br />
Bild 12 / Abkühlung der Ballenoberfläche in der<br />
Rotations-Abschreckmaschine<br />
Innovatives Blockgießen für große Bauteile / 25<br />
vom Kunden gewünschte endgültige Größe gebracht, um<br />
ein installationsfertiges Produkt zu liefern, das ohne weitere<br />
Bearbeitung an seinem Zielstandort eingebaut werden kann.<br />
Die maschinelle Endbearbeitung besteht aus folgenden<br />
Hauptschritten:<br />
° Fertigbearbeitung des Ballens und Vorfinishing der<br />
Zapfen auf der 300-t-Horizontaldrehbank / Bild 13 /,<br />
° Schleifen auf der neuen spezifischen<br />
300-t-Schleifmaschine / Bild 14 /,<br />
° verschiedene Fräsarbeiten an den Zapfen<br />
und Anbringung von Zubehörteilen,<br />
° Tests und<br />
° Verpackung und Transport / Bild 15 /.<br />
Fazit<br />
Mit der Fertigstellung dieses Projektes haben die Entwick-<br />
lungsabteilungen bei AST und SdF die besten Voraussetzungen<br />
geschaffen, sich bei der Produktion von<br />
Schmiedestücken hervorragend auf dem Weltmarkt zu<br />
positionieren. Durch die Herstellung eines 500-t-Gussblocks<br />
im Stahlwerk von AST in Terni, Italien, beweist<br />
Società delle Fucine seine Stärken auf dem Markt für große<br />
Schmiedestücke. Bis heute sind zehn Gussblöcke – sowohl<br />
für Rotorwellen als auch für Grobblechwalzen – mit optimalen<br />
Qualitätsergebnissen hergestellt worden. Dieser Erfolg ist<br />
die Basis für weitere Entwicklungen im Bereich der großen<br />
Schmiedestücke mit hohen Qualitätsstandards.<br />
Bild 13 / Fertigbearbeitung des Ballens und Vorfinishing der Zapfen<br />
auf der 300-t-Horizontaldrehbank<br />
Bild 14 / Schleifbearbeitung Bild 15 / Verpackung und Transport der 230-t-Grobblechwalze
26 / Optimierung von Aluminium- und Metalloberflächen mittels Clean Coil Konzept<br />
Gereinigtes Clean Coil<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
Optimierung von Aluminium-<br />
und Metalloberflächen<br />
mittels Clean Coil Konzept<br />
ralf ScHmiD Geschäftsbereichsleiter ThyssenKrupp Metallcenter ThyssenKrupp metalServ gmbH Wörth<br />
Dipl.-WirT.-ing. (fH) STEfan cHriST Leiter Strategischer Vertrieb ThyssenKrupp Metallcenter ThyssenKrupp metalServ gmbH Wörth<br />
Dipl.-WirT.-ing. (fH) BaSTian BrunoW Key Account Manager ThyssenKrupp Metallcenter ThyssenKrupp metalServ gmbH Wörth<br />
Beim Produktionsprozess von Walzprodukten werden<br />
bedingt durch die verschiedenen Walzschritte, das Glühen<br />
und weitere Fertigungsprozesse die Metalloberflächen mit<br />
Schmutzpartikeln, Metallspänen sowie diversen Walzölen<br />
verunreinigt. Diese Verunreinigungen lagern sich in den Poren<br />
und Zwischenräumen der Metalloberfläche ab und können<br />
bei weiteren Bearbeitungsschritten, wie zum Beispiel Kleben,<br />
Stanzen, Schweißen/Löten und Umformen, zu Qualitäts-<br />
problemen führen. Der vom ThyssenKrupp Metallcenter<br />
entwickelte Clean Coil Prozess befreit das Material mit Hilfe<br />
von speziellen Reinigungsbürsten und einer Reinigungsemulsion<br />
schonend und kratzerfrei von Schmutz und Abrieb.<br />
Anschließend kann ein ’Finish’ als dosierte Beölung oder<br />
als trockenes Material erfolgen.<br />
Poren<br />
Bild 1 / Aufbau Aluminiumoberfläche im Querschnitt<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
Mischoxid<br />
Deckschicht<br />
Sperrschicht<br />
Unregelmäßigkeiten<br />
im Aluminium<br />
Aluminium<br />
/ 27<br />
Ausgangssituation<br />
Die technischen Lieferbedingungen bezogen auf die Mate-<br />
rialoberfläche von Aluminium sind nicht eindeutig<br />
definiert. Von Seiten des Kunden wird eine saubere und<br />
glatte Aluminiumoberfläche gefordert, welches einen<br />
subjektiven Anspruch darstellt. Jedoch werden während<br />
des Produktionsprozesses von Walzprodukten die Metall-<br />
oberflächen mit Schmutzpartikeln, Metallspänen und<br />
diversen Walzölen verunreinigt. Die Anforderungen und<br />
Ausführungen verhalten sich konträr zueinander und<br />
können die nachgelagerte Produktionskette negativ be-<br />
einflussen. Der subjektiv wahrgenommene Oberflächen-<br />
zustand unterscheidet sich hier faktisch von der objektiven<br />
Oberflächenbeschaffenheit. Die analysierbare Ober-<br />
fläche nach dem Walz- und Schneidprozess besteht beim<br />
Werkstoff Aluminium aus einer Ansammlung von Walzölen,<br />
Mischoxiden, Grafiten und Metallspänen, die in einer unter-<br />
schiedlich starken Ausprägung vorkommen, sich vermischen<br />
und in verschiedenen Schichten aufbauen.<br />
Die Metalloberfläche nach dem Walzprozess, das so<br />
genannte ’Mill Finish’, wird durch den Umformungsprozess<br />
aufgeraut und bietet somit einen guten Haftgrund für<br />
die beschriebenen Verunreinigungen. Ein typischer Rauheitswert<br />
liegt bei der ’Mill Finish’ Oberfläche im Bereich<br />
von R a ≈ 0,3 µm mit einer Gesamthöhe der Profiltiefe von<br />
R t ≈ 2,0 µm. Die Rauheitswerte sind durch die Textur der<br />
Walzen bedingt und können je nach Walzenschliff variieren.<br />
Basierend auf dem Walzprozess und der Walzentextur verläuft<br />
die Oberflächenstruktur parallel zur Walzrichtung. Die<br />
oben angegebenen Rauheitswerte beziehen sich auf eine<br />
senkrechte Messung zur Walzrichtung. Bei einer parallelen<br />
Messung zur Walzrichtung liegt der arithmetische, gemittelte<br />
Rauheitswert von R a ≤ 0,15 µm niedriger.<br />
Die Aluminiumoberfläche selbst begünstigt die Haftgrundlage<br />
zusätzlich. Diese setzt sich aus einer 1-2 nm<br />
dicken Sperrschicht (Al 2O 3) zwischen dem Basismaterial<br />
und der 5 -10 nm dicken Deckschicht (Al(OH) 3 + Al 2O 3)<br />
zusammen. Beim Aluminium ist die Sperrschicht konstant<br />
und fast porenfrei geschlossen. Diese bietet einen<br />
Schutz vor Korrosion sowie gegen diverse Chemikalien.<br />
Hingegen ist die Deckschicht, die sich bei der so genannten<br />
Selbstpassivierung im sofortigen Kontakt mit Sauerstoff<br />
bildet, porös und weist kleine Unregelmäßigkeiten sowie<br />
Mikroporen auf. In dieser Oberflächenstruktur / Bild 1 /
28 / Optimierung von Aluminium- und Metalloberflächen mittels Clean Coil Konzept<br />
lagern sich die produktionsbedingten Verunreinigungen<br />
zusätzlich ab. Aus diesem Grunde müssen je nach Bedarf<br />
bei verschiedenen Produktionsprozessen aufwendige Reinigungsprozesse<br />
durchgeführt werden, damit der für den<br />
jeweiligen Arbeitsgang erforderliche Oberflächenzustand<br />
hergestellt werden kann. Als Beispiel kann ein verarbeitungsspezifisches<br />
Öl dienen, das sich erst nach erfolgter<br />
Reinigung (Abtragung von Schmutz und anderen<br />
Ölen) flächendeckend auf dem Material absetzen kann.<br />
Vor allem bei technischen Prozessen, wie Kleben, Stanzen,<br />
Schweißen/Löten, Umformen und Beschichten, ist somit<br />
eine reine Oberfläche zwingend erforderlich, um hochwertig<br />
und fehlerfrei produzieren zu können. Die Erfahrung<br />
hat gezeigt, dass viele Kunden diesen Prozess sehr auf-<br />
wendig praktizieren und sogar zusätzliche interne Prozesse<br />
anwenden, um die Beschaffenheit des Materials auf die<br />
eigenen Bedürfnisse anzupassen. Jedoch erzielt diese<br />
Reinigung nur bedingt den gewünschten Erfolg, da nicht<br />
alle Schmutzpartikel entfernt werden können. Die Folge<br />
ist ein erhöhter Ausschuss- und Fehleranteil in der Produktion,<br />
der auf eine verunreinigte Oberfläche / Bild 2 /<br />
oder nicht genügend bzw. falsch geschmierte Oberfläche<br />
zurückzuführen ist. Nicht selten führen verunreinigte Ober-<br />
flächen auch zu Reklamationen mit entsprechenden<br />
Kosten. Als Reklamationsgründe werden unter anderem<br />
Streifenbildung auf der Oberfläche, zu geringe bzw. zu<br />
viel Oberflächenbeölung sowie generelle Verunreinigungen<br />
genannt. An diesem Punkt setzt das Clean Coil<br />
Konzept an, um den Produktionsprozess beim Kunden<br />
effizienter zu gestalten sowie Reklamationen zu verhindern<br />
und Nach-laufkosten einzusparen.<br />
Umsetzung<br />
In mehreren Entwicklungsstufen wurde ein Konzept<br />
entwickelt, das mit Hilfe eines definierten Prozesses zu-<br />
nächst die verunreinigte Oberfläche reinigt und anschlie-<br />
ßend je nach Bedarf eine trockene Oberfläche oder eine<br />
Oberfläche mit definierter Beölung realisiert. Dieses<br />
Konzept schließt die Diskrepanz zwischen den von den<br />
Werken gelieferten Werkstoffen und den vom Verbraucher<br />
benötigten Oberflächenzustand.<br />
Bild 2 / Beispiel einer veschmutzten Aluminiumoberfläche<br />
Bild 3 / Simulation des Spül- und Abbürstvorganges im Reinigungsprozess<br />
Im ersten Schritt wird das Material in die Reinigungsan-<br />
lage eingefahren. Hierbei garantieren Fließstoffwalzen eine<br />
Oberflächen schonende Bearbeitung / Bilder 3 und 4 /.<br />
Im Inneren der Anlage wird zunächst durch Spritzdüsen<br />
ein vollsynthetisches Reinigungsöl mit Additiven beidseitig<br />
auf die Materialoberfläche aufgetragen. Dieses besitzt bei<br />
40 °C eine Viskosität von < 1,0 mm 2/s und ist rückstands-<br />
frei verflüchtigend. Aufgrund der niedrigen Viskosität<br />
sorgt das aufgetragene Reinigungsöl dafür, dass sich die<br />
Verunreinigungen und Öle aus den Poren und von der<br />
Materialoberfläche lösen. Um einen optimalen Reinigungs-<br />
effekt zu erzielen, wird dieser Prozess durch zusätzliche<br />
Bürsten unterstützt. Das Abbürsten entfernt vor allem<br />
größere Schmutzpartikel sowie Metallspäne und erhöht<br />
somit die Reinigungswirkung des Reinigungsöles. Die<br />
Bürsten aus Perlon rotieren dabei entgegengesetzt zur<br />
Laufrichtung. Ein weiterer positiver Effekt wird hier zudem<br />
durch die Walzrichtung bei ’Mill Finish’ Oberflächen<br />
hervorgerufen. Durch die parallel zur Laufrichtung ver-<br />
laufende Oberflächenstruktur lösen die Bürsten effektiver<br />
Verunreinigungen aus der Oberfläche. Der Großteil der<br />
gelösten Öle und Schmutzpartikel wird durch das Gegen-<br />
laufbürsten zurückgeschleudert und somit beim ersten<br />
Besprühungsvorgang von der Oberfläche gespült. Das<br />
abgetragene und verunreinigte Reinigungsöl wird durch<br />
Abfangbecken aufgefangen und über ein Filterungssystem<br />
dem Kreislauf wieder zugeführt.<br />
Nach dem Abbürsten erfolgt ein zweiter Spülvorgang,<br />
der verbliebene Partikel aus der Oberfläche spült. Nach<br />
dem Spülvorgang wird das aufgetragene Reinigungsöl<br />
mit Fließstoffwalzen von der Materialoberfläche, bei einem<br />
Druck von 7 MPa abgequetscht. Durch die Fließstoffwalzen<br />
wird das Material schonend getrocknet, ohne dass eine<br />
Gefüge- oder Zustandsveränderung im Material einsetzt<br />
/ Bild 5 /. Lediglich ein dünner Film des Reinigungsöles<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
Bild 4 / Simulation der gelösten Verunreinigungen<br />
im Reinigungsprozess (detailliert)<br />
verbleibt auf der Oberfläche und innerhalb der Poren. Dieser<br />
verbleibende Film wird nach dem Abquetschen durch<br />
Druckluft entfernt. Durch die rückstandsfreie Verflüchtigung<br />
und die Einwirkung der Druckluft, ist die jetzt entstehende<br />
Materialoberfläche frei von Schmutzpartikeln und<br />
Ölen. Diese Oberfläche kann nun als trocken und sauber<br />
bezeichnet werden / Bild 6 /.<br />
Dieser trockene Materialzustand ist für die meisten<br />
Applikationen nicht direkt einsetzbar. Aufgrund der fehlen-<br />
den Schmierstoffe ist die Materialoberfläche äußerst<br />
anfällig für Beschädigungen, z.B. durch Kratzerbildung.<br />
Mittels einer Beölungsanlage wird fein vernebelter<br />
Schmierstoff auf die trockene Oberfläche aufgetragen.<br />
Durch das Besprühen wird eine komplette und gleichmäßige<br />
Benetzung der Oberfläche erwirkt. Je nach Kunden-<br />
anforderungen können der Schmierstoff und auch die<br />
Auftragsmenge von 0,25 bis 7,2 g/m 2 variieren. Als Stan-<br />
Bild 6 / Beispielhaftes Ergebnis – links vor, rechts nach erfolgter Reinigung<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
Optimierung von Aluminium- und Metalloberflächen mittels Clean Coil Konzept / 29<br />
Bild 5 / Simulation des Trocknungsprozesses mit Fließstoffwalzen<br />
dardschmiermittel wird eine auf niedrigviskosen Kohlen-<br />
wasserstoffen basierende Emulsion auf die Material-<br />
oberfläche aufgetragen. Diese ist für viele weitere Bearbeitungsprozesse<br />
einsetzbar und auch mit vielen Ölen<br />
und Schmierstoffen kompatibel. Des Weiteren schützt der<br />
Schmierstoff das Aluminium vor Korrosion.<br />
Ausblick<br />
Das Clean Coil Konzept bietet ein großes Kosteneinsparungs-<br />
und Effizienzsteigerungspotenzial bei diversen<br />
Kundengruppen. So können zum Beispiel beim Stanzprozess<br />
aufwendige Reinigungsprozesse beim Kunden<br />
vorab entfallen und die Rüstzeit minimiert werden.<br />
Darüber hinaus wird hierzu eine höhere Prozesssicherheit<br />
sichergestellt und die Reklamations- und Fehlerquote ver-<br />
ringert. Das Clean Coil Konzept schließt diese Diskrepanz<br />
zwischen den von den Walzwerken gelieferten Materialoberflächen<br />
und den hierzu konträren subjektiven Anforderungen<br />
der Kunden. Mit dem Clean Coil Konzept ist es<br />
nun möglich, den Standard „trocken und sauber“ zu defi-<br />
nieren und den Kundenanforderungen zu genügen.<br />
Das Konzept wurde auf die Bedürfnisse der verarbei-<br />
tenden Aluminiumindustrie hin entwickelt. Jedoch ist es<br />
auch universell für weitere Bereiche und Metalloberflächen<br />
einsetzbar. So ist es durchaus möglich, Materialien wie<br />
Stahl, Edelstahl, Buntmetalle, Titan und weitere Nicht-<br />
eisen-Metalle zu reinigen und definiert zu beölen. Die<br />
flexible Auslegung des Clean Coil Konzeptes ermöglicht<br />
es, die Reinigungsöle sowie die Schmierstoffe zu variieren<br />
und genau auf die jeweiligen Materialanforderungen<br />
und Bedürfnisse der weiteren Verarbeitungsprozesse<br />
hin abzustimmen.
30 /<br />
Modulares Retrofitting-Konzept<br />
Effizienzsteigerung und Ressourcenschonung<br />
in der Energieerzeugung<br />
Dr.-ing. ulricH ScHaBErg Leiter Inbetriebnahme ThyssenKrupp Xervon Energy gmbH Duisburg<br />
Dipl.-ing. annEgrET Baum Projektleiterin ThyssenKrupp Xervon Energy gmbH Duisburg<br />
Dipl.-ing. marTin HöBlEr Projektleiter ThyssenKrupp Xervon Energy gmbH Duisburg<br />
Mittelkalorisches Kraftwerk (MKK) der swb Erzeugung GmbH & Co. KG, Bremen (Quelle: swb/Mac-Fotoservice)<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
Modulares Retrofitting-Konzept – Effizienzsteigerung und Ressourcenschonung in der Energieerzeugung / 31<br />
Betreiber von Industrieanlagen agieren im Umfeld<br />
ständig wandelnder Anforderungen wirtschaft-<br />
licher, technischer und politischer Art, wobei die<br />
Treibhausgas-Emission und der damit verbundene<br />
Zertifikatehandel zunehmend an Bedeutung gewinnen.<br />
In diesem Kontext stellt die Effizienzsteigerung und<br />
Schadstoffminimierung an Bestandsanlagen für die<br />
Betreiber eine Alternative zu Neuanlagen dar. Mit<br />
dem modularen Baukasten, der die verschiedenen<br />
Ertüchtigungsmöglichkeiten aufzeigt und der nahezu<br />
keinen Kundenwunsch nach Effizienzsteigerung und<br />
Emissionsreduzierung offen lässt, hat ThyssenKrupp<br />
Xervon Energy einen Realisierungsrahmen geschaffen,<br />
mit dem Betreiber das Optimierungspotenzial ihrer<br />
bestehenden Anlagen ausloten und in einem verbindlichen<br />
Kosten- und Terminrahmen umsetzen können.<br />
Handlungsrahmen der Energieerzeugung<br />
Wohin der technisch interessierte Betrachter auch blickt, alle heute<br />
erprobten bzw. in Erprobung befindlichen Technologien zur Energieerzeugung<br />
haben ihre Grenzen. Und je nach politischer und gesellschaftlicher<br />
Sichtweise werden Chancen und Risiken völlig unterschiedlich<br />
bewertet. Betreibern von Industrieanlagen ist es heute<br />
kaum noch möglich, für die Refinanzierungszeiträume ihrer Anlagen<br />
verlässliche Annahmen über Brennstoffpreise, zulässige Emissionen<br />
oder die Entsorgungswege von Reststoffen zu treffen. Langfristiges<br />
Denken und Handeln muss daher immer öfter durch flexibles<br />
Reagieren ersetzt werden. Ein schwieriges Unterfangen, wenn es sich –<br />
wie bei Energieerzeugungsanlagen – um Großinvestitionen mit zum Teil<br />
mehrjährigen Realisierungszeiträumen handelt.<br />
Industrieanlagen, zu denen die kommunalen Energieerzeugungs-<br />
und Reststoffentsorgungsbetriebe gehören, aber vor allen Dingen auch<br />
das produzierende Gewerbe, wie beispielsweise die Lebensmittel-,<br />
Kosmetik-, Arzneimittel-, Möbel- oder auch Papierherstellung, beziehen<br />
ihren Bedarf an Strom und Prozesswärme aus eigenen Energie-<br />
erzeugungsanlagen, um so zugunsten der Endverbraucher kostengünstig<br />
und damit wettbewerbsfähig produzieren zu können. Anlagen-
32 / Modulares Retrofitting-Konzept – Effizienzsteigerung und Ressourcenschonung in der Energieerzeugung<br />
„Magisches Dreieck“ in der Kraftwerksrehabilitierung<br />
betreiber sehen sich daher dauerhaft der Frage<br />
gegenüber gestellt, ob ihr gegenwärtiges Energie-<br />
erzeugungskonzept noch tragbar ist: sei es, dass der bisher<br />
eingesetzte Brennstoff sich verteuert oder verknappt,<br />
Emissionsgrenzwerte verschärft werden, es Bedarfsände-<br />
rungen bei der Nutzenergie gibt oder schließlich die<br />
Gestehungskosten der produzierten Energie zu hoch werden.<br />
Hinzu kommt, dass Märkte, Technologien, aber auch<br />
öffentliche Wahrnehmungen und gesellschaftliche<br />
Ansprüche sich in einem ständigen Wandel befinden.<br />
Hier haben die Medien einen entscheidenden Einfluss. Als<br />
Beispiele sind hier die politischen Diskussionen zu fossil<br />
befeuerten Kraftwerken, Müllheizkraftwerken oder auch die<br />
Bevorzugung von Kraftwärmekopplungen (KWK) gegenüber<br />
herkömmlichen Kraftwerkstechnologien zu nennen.<br />
Auch politische Entscheidungen, wie beispielsweise hinsichtlich<br />
der Laufzeitverlängerungen von Atomkraftwerken,<br />
könnten möglicherweise über Einflüsse auf die Strombörsen<br />
die Wirtschaftlichkeit des eigenen Unternehmens in Frage<br />
stellen. Spätestens wenn der über die Strombörse angebotene<br />
Strom preiswerter ist als der Strom, der über die<br />
Technische Parameter<br />
Effizienzsteigerung/<br />
Ressourcenschonung<br />
Wirtschaftliche Parameter Politische Parameter<br />
Bild 1 / Handlungsrahmen der Betreiber<br />
f<br />
Applikations-<br />
Know-how<br />
E<br />
Leittechnik<br />
(2 Module)<br />
a<br />
Feuerungstechnik<br />
(4 Module)<br />
Retrofitting-Module<br />
D<br />
Verbrennungsluft-<br />
Versorgung<br />
(2 Module)<br />
B<br />
Kesselkonstruktion<br />
(2 Module)<br />
c<br />
Wasser-Dampf-<br />
Kreislauf<br />
(3 Module)<br />
Bild 2 / Werkzeugkasten: Cluster mit 13 Optimierungsmodulen der Kraftwerksrehabilitierung (Retrofitting)<br />
eigene Anlage oder auch kommunale Anlagen selber<br />
erzeugt wird, bedeutet dies das „Aus“ für diese Anlagen<br />
und das oft trotz hoher Wirkungsgrade oder modernster<br />
Technik zum Schutz der Umwelt. Derartige Umstände haben<br />
den Markt für Anlagenbauer und industrielle Kunden gleichermaßen<br />
stark verändert. Erschwerend kommt hinzu,<br />
dass in der Regel kein eigenes technisch fachkundiges<br />
Planungspersonal mehr vorgehalten wird, das mit Lösungs-<br />
und Verbesserungsvorschlägen zur bestehenden Anlage<br />
auf anstehende Änderungen reagieren kann.<br />
Im Folgenden werden technische und wirtschaftliche<br />
Gegebenheiten, Tendenzen, Probleme, denen sich Betreiber<br />
von industriellen Anlagen auch zukünftig gegenübergestellt<br />
sehen, und das modulare Retrofitting-Konzept der Xervon<br />
Energy beschrieben / Bild 1 /.<br />
These 1: modernisierung geht vor neubau<br />
Vor die Frage gestellt, ob man mit einer Neuinvestition<br />
oder einer Änderung der Bestandsanlagen reagieren sollte,<br />
wenden sich Betreiber immer häufiger an Planungsbüros<br />
und Berater. Mit dem modularen Baukasten, der die<br />
verschiedenen Ertüchtigungsmöglichkeiten aufzeigt und<br />
nahezu keinen Kundenwunsch nach Effizienzsteigerung<br />
und Emissionsreduzierung offen lässt, hat ThyssenKrupp<br />
Xervon Energy eine Entscheidungshilfe geschaffen, die<br />
für die Betreiber und ihre Berater relevante Aussagen<br />
zu Optimierungspotenzialen ihrer bestehenden Anlagen<br />
macht, einschließlich der damit in Verbindung stehenden<br />
Kosten und Stillstandszeiten / Bild 2 /.<br />
Die Vorteile für den Betreiber sind offensichtlich:<br />
Umbaumaßnahmen lassen sich nicht nur schneller reali-<br />
sieren als Neubauten, da beispielsweise Bauteile mit langen<br />
Lieferzeiten (Schmiedeteile, Turbinen) mehrheitlich weiter<br />
verwendet werden. Vielmehr reduziert sich durch die Wieder-<br />
verwendung der notwendige Investitionsbedarf deutlich<br />
gegenüber Neubauten. Dies wird klar, wenn man bedenkt,<br />
dass der gesamte Baukörper sowie die Elektro-, Mess-,<br />
Steuer- und Regelungstechnik zusammen etwa ebenso<br />
viel kosten, wie die maschinentechnische Ausrüstung.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
Bild 3 / Einsatzbereiche der Optimierungsmodule<br />
Ein weiterer entscheidender Vorteil einer Umbau- oder<br />
Retrofit-Maßnahme liegt jedoch in dem wesentlich einfacheren<br />
Genehmigungsverfahren. Bei Umbaumaßnahmen<br />
kann sich der Betreiber auf den Bestandsschutz seiner alten<br />
Anlagen berufen, wodurch sich das Genehmigungsverfahren<br />
wesentlich vereinfacht. So kann beispielsweise auf eine<br />
Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen eines Anhörungsverfahrens<br />
verzichtet werden.<br />
Alles in allem erhöht eine Anlagenmodernisierung<br />
die Reaktionszeiten der Betreiber deutlich, was dem<br />
angestrebten Ziel eines flexiblen Reagierens deutlich<br />
näher kommt, als die Planung, Genehmigung und<br />
Errichtung eines vollkommen neuen Kraftwerksblockes.<br />
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine Studie des<br />
Umweltbundesamtes aus dem Jahre 2009 („Klimaschutz<br />
und Versorgungssicherheit“), wonach die Flexibilität am<br />
Strommarkt auch mit Alternativen zum Kraftwerksneubau,<br />
wie dem beschriebenen Retrofit, zu erreichen ist.<br />
These 2: modularisierung – ein Erfolgskonzept nicht<br />
nur für den neubau<br />
Wie bereits erläutert, müssen Anlagenbetreiber auf sich<br />
ständig wandelnde Anforderungen reagieren, wobei der<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
Modulares Retrofitting-Konzept – Effizienzsteigerung und Ressourcenschonung in der Energieerzeugung / 33<br />
f Applikations-Know-how c Wasser-Dampf-Kreislauf E<br />
Leittechnik<br />
D Verbrennungsluft-Versorgung B Kesselkonstruktion a Feuerungstechnik<br />
Treibhausgas-Emission und dem damit verbundenen<br />
Zertifikatehandel immer größere Bedeutung zukommen.<br />
Kraftwerke gehören nun einmal zu den größten CO 2-<br />
Emittenten und stehen damit im Fokus der Öffentlichkeit.<br />
In diesem Kontext sind Effizienzsteigerung und Schadstoffminimierung<br />
an Bestandsanlagen für die Betreiber unumgänglich.<br />
Hier nun greifen die Konzepte von ThyssenKrupp<br />
Xervon Energy / Bilder 3 und 4 /.<br />
Als Anlagenbauer entwickelt ThyssenKrupp Xervon<br />
Energy nicht nur innovative Kraftwerkstechnik, sondern<br />
verfügt auch über das notwendige Know-how, das man<br />
für die Ertüchtigung von Altanlagen benötigt. Die zum<br />
Einsatz kommenden Retrofit-Maßnahmen sind im Wesent-<br />
lichen abhängig von den gegebenen Randbedingungen.<br />
Es gibt unterschiedlichste limitierende Faktoren und<br />
dementsprechend auch keine Universallösung. Daraus<br />
ergibt sich die Aufgabe, die geeigneten Möglichkeiten<br />
aufzudecken, um zugeschnittene Lösungen zu erarbeiten,<br />
die den Kundenwunsch nach Effizienzsteigerung und<br />
Emissionsreduzierung unter Berücksichtigung der spezifischen<br />
Standortbedingungen seiner Anlage erfüllt. Die<br />
dabei zum Einsatz kommende Technik muss nicht nur<br />
leistungsfähig sein; eine erfolgreiche Erprobung sollte
34 / Modulares Retrofitting-Konzept – Effizienzsteigerung und Ressourcenschonung in der Energieerzeugung<br />
feuerungstechnik Beschreibung des modules Know-how Xervon Energy als maßnahme bereits<br />
effizienzsteigernd<br />
Luft- und wassergekühlte Abgestimmte Feuerungsmodule für Einbringung ° Alleinstellungsmerkmal gegeben Verbrennungsroste und schadstoffarme Verbrennung<br />
unterschiedlichster Ersatzbrennstoffe<br />
mehr als 20 Patente<br />
°<br />
°<br />
ü<br />
zahlreiche ausgeführte Anlagen, inkl. 15 Neubauten<br />
Stößelentschlacker Austragsorgan für feste Verbrennungsrückstände ° patentiert<br />
° an zahlreichen Anlagen nachgerüstet<br />
Gasturbinenabgasbrenner Brenner für flüssige und gasförmige Brennstoffe<br />
aller Art, der als Sauerstoffträger sowohl Frischluft<br />
als auch Gasturbinenabgas nutzen kann<br />
bereits 10 Anlagen auf diesen Brennertyp umgerüstet<br />
°<br />
Asche-Schmelz-Zyklon Nachbehandlung fester Verbrennungsrückstände<br />
° patentiert zur energetischen Nutzung und Erzeugung<br />
umweltfreundlicher Reststoffe<br />
2 Modellanlagen im Industriepark Hoechst<br />
°<br />
ü<br />
Kesselkonstruktion<br />
Heizflächen-Cladding + dazugehörige<br />
beschichtungsfreundliche Konstruktion<br />
Auftragsschweißverfahren für Werkstatt und<br />
Baustelle, um korrosionsgefährdete Kesselbauteile<br />
Alleinstellungsmerkmal gegeben<br />
°<br />
° zahlreiche Patente<br />
mit Sonderstählen zu schützen, sowie beschichtungs-<br />
° Auftragsschweißen (Cladding):<br />
freundliche Ausführungsmerkmale von Heizflächen eigenständiges Geschäftsfeld am Standort<br />
Kesselreinigungssystem Online-Reinigung von Strahlungsheizflächen mittels<br />
° in Zusammenarbeit mit Kooperationspartner Wasserstrahlen in Waste-to-Energy-Anlagen (Fa. Clyde-Bergemann), der diverse Schutzrechte hält<br />
ü<br />
Wasser-Dampf-Kreislauf<br />
Kondensat-Wärmeverschiebung Kondensat-/Speisewasser-Wärmeverschiebung,<br />
° umfassende Betriebserfahrungen um eine geringere Eco-Eintrittstemperatur und damit<br />
eine geringere Abgastemperatur zu erreichen<br />
mehr als 20 ausgeführte Anlagen<br />
°<br />
ü<br />
Platzsparende Konvektiv-Heizflächen Beim Umbau von Dampferzeugern auf Gastubinen-<br />
° umfassende Betriebserfahrungen Abgasnutzung muss bei bestehendem Bauvolumen<br />
dem erhöhten konvektiven Wärmeangebot Rechnung<br />
getragen werden. Dazu dienen speziell entwickelte<br />
und leicht nachrüstbare Rippenrohr-Wärmetauscher.<br />
mehr als 20 ausgeführte Anlagen<br />
°<br />
ü<br />
Abwärmenutzung der Rostkühlung Thermodynamische Verbesserung des Dampf-<br />
° umfassende Betriebserfahrungen Kreisprozesses durch Einbindung der bei der<br />
Verbrennungsrostkühlung abgeführten Wärme<br />
mehr als 20 ausgeführte Anlagen<br />
°<br />
ü<br />
verbrennungsluftversorgung<br />
Mischkammer Mischung von heißem Gasturbinenabgas mit kalter<br />
Zusatzfrischluft bei Vermeidung von Temperatursträhnen<br />
und geringem Strömungsdruckverlust<br />
umfassende Betriebserfahrungen<br />
°<br />
° mehr als 10 ausgeführte Anlagen<br />
Innenisolierung Schutz des Abgaskanals hinter Gasturbine vor zu hohen<br />
° umfassende Erfahrungen über Tochterunternehmen<br />
Temperaturen durch Aufbringen einer Innenisolierung S. Schlüssler Feuerfestbau, Bispingen<br />
leittechnik<br />
Feuerleistungsregelung Optimale Zusammenführung von Brennstoff und Luft ° Patent in Anmeldung ü<br />
unter festgelegten Temperaturbedingungen für hohe<br />
Umsatzgrade und geringe Schadstoffemissionen<br />
Strahlungspyrometer Berührungslose Brennkammer-Temperaturmessung zur<br />
realistischen Beurteilung des Verbrennungsprozesses<br />
und Eingangsgröße für die Feuerleistungsregelung<br />
Patent in Anmeldung<br />
°<br />
Bild 4 / Die 13 Module des Retrofitting-Konzeptes im Überblick<br />
HKW Würzburg<br />
Bei gleicher Energieerzeugung ca. 50.000 t weniger CO2<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
354<br />
89<br />
280<br />
119<br />
354<br />
161<br />
84<br />
-48<br />
71<br />
HKW Klein Wanzleben<br />
Bei gleicher Energieerzeugung 30.000 t weniger CO2<br />
sowie zusätzlich 40.000 MWh elektrische Energie<br />
Bild 5 / Effizienzsteigerung und Emissionsreduzierung durch Modernisierung der Heizkraftwerke Würzburg und Klein Wanzleben<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
368<br />
103<br />
0<br />
368<br />
-30<br />
+40 73<br />
40<br />
Brennstoffwärme [GWh]<br />
Elektrische Arbeit [GWh]<br />
NOx [t/a]<br />
CO2 [kt/a]<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
Gesamtemissionen<br />
Total Available<br />
Market (TAM)<br />
Served Available<br />
Market (SAM)<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
vorzugsweise über bereits ausgeführte Referenzanlagen<br />
nachweisbar sein. Um diesen Ansprüchen gerecht zu<br />
werden, wurden Anlagenkomponenten entwickelt, die größtenteils<br />
patentiert und in Form von „Tuning-Bausteinen"<br />
einer Modularisierung unterworfen sind, die unter anderem<br />
zur CO 2-Reduzierung weitgehend frei kombinierbar in<br />
Bestandsanlagen eingesetzt werden können.<br />
Dieser innovative Baukasten aus optimierten<br />
Komponenten mit nachgewiesener Effizienz bietet sowohl<br />
dem Betreiber als auch ThyssenKrupp Xervon Energy als<br />
Anlagenbauer Vorteile:<br />
1. flexible Lösungsfindung,<br />
2. technische wie kommerzielle Kalkulierbarkeit,<br />
3. in Referenzanlagen nachweisbar erprobt und<br />
teilweise weiter optimierbar.<br />
Die vertrieblichen Vorteile daraus erklären sich von selbst.<br />
Was dies in Zahlen bedeutet zeigt / Bild 5 /.<br />
Mit dem modularen Retrofitting eröffnet sich für<br />
ThyssenKrupp Xervon Energy in Deutschland ein relevanter<br />
Markt, der CO 2-Emissionen von bisher 100 Mio t/a ent-<br />
spricht, die durch das Modulare Retrofitting-Konzept auf<br />
50 Mio t/a reduziert werden können / Bild 6 /.<br />
Öffentliche<br />
Energieversorgung<br />
46 %<br />
1.005*<br />
20 %<br />
200<br />
50 %<br />
100<br />
Sonstige<br />
1 %<br />
16 %<br />
11 %<br />
6 %<br />
* Treibhausgas-Emissionen Deutschland 2006 in Mio t CO2e<br />
Bild 6 / Erreichbares Marktpotenzial ausgedrückt in CO 2-Reduzierung<br />
Modulares Retrofitting-Konzept – Effizienzsteigerung und Ressourcenschonung in der Energieerzeugung / 35<br />
Verkehr<br />
Industrielle<br />
Prozesse<br />
Landwirtschaft<br />
Kraftwerke der verar-<br />
beitenden Industrie und<br />
lokale Energieerzeuger<br />
Erreichbarer Markt<br />
in Deutschland<br />
These 3: fossile Brennstoffe werden auch mittelfristig<br />
die Hauptlast der Energieerzeugung tragen<br />
Die allgegenwärtige Diskussion über erneuerbare Energien<br />
ebenso wie Medienberichte über neu installierte Anlagen,<br />
die mit Windkraft, Sonne oder Erdwärme arbeiten, versperren<br />
jedoch oft den Blick auf die Realitäten. Es wird häufig<br />
übersehen, dass diese Anlagen für den öffentlichen wie<br />
für den industriellen Bedarf derzeit nur geringe elektrische<br />
Leistungen bereitstellen, dafür aber sehr viel Platz oder<br />
umbauten Raum benötigen. Man spricht hier von der so<br />
genannten geringen Leistungsdichte (elektrische Leistung<br />
geteilt durch Anlagenfläche bzw. Bauvolumen), die den<br />
Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energien nach<br />
derzeitigem Stand der Entwicklung eigen ist. Konventionelle<br />
Energieerzeugungsanlagen haben darüber hinaus – trotz<br />
all ihrer sonstigen Probleme, die sich für die Umwelt<br />
daraus ergeben – wesentlich höhere Leistungsdichten und<br />
können damit unter vertretbarem bautechnischen wie<br />
wirtschaftlichen Aufwand die immens großen elektrischen<br />
Leistungen bereitstellen, die zur öffentlichen Versorgung<br />
oder für industrielle Produktionsprozesse benötigt werden.<br />
Wollte man diesen Bedarf allein durch erneuerbare Energien<br />
decken, so käme man zu absurden Anlagengrößen. Diese<br />
physikalischen Grenzen schränken die Verbreitung erneuerbarer<br />
Energien gegenwärtig noch ein.<br />
Diesem Problem begegnet man – wo immer möglich –<br />
mit dezentraler Energieerzeugung und -nutzung sowie<br />
durch Energiesparmaßnahmen. Dennoch stellen die nicht<br />
berechenbare Verfügbarkeit von Sonne und Wind, die<br />
für eine industrielle Produktion ohnehin unabdingbar ist,<br />
neben den geringen Leistungsdichten das größte Hindernis<br />
beim Ausbau der regenerativen Energien dar. Das heißt im<br />
Umkehrschluss, dass die Bedeutung der konventionellen<br />
Techniken in den nächsten Jahrzehnten nicht sinken wird.<br />
Ganz im Gegenteil: die Stromerzeugung auf Kohlebasis<br />
wird nach Schätzung der Internationalen Energieagentur<br />
bis zum Jahr 2030 stark expandieren. Werden derzeit welt-<br />
weit 40 % des Stroms in Kohlekraftwerken erzeugt, so<br />
dürften es in 20 Jahren 45 % des dann deutlich höheren<br />
Strombedarfes sein, was eine Steigerung der verstromten<br />
Kohlemengen auf etwa 7,5 Mrd t/a zur Folge hat. Aufgrund<br />
dessen wird sich der technologische Fokus des<br />
Kraftwerksanlagenbaus in absehbarer Zeit nicht wesentlich<br />
ändern. CO 2-emittierende Technologien werden auch weiter-<br />
hin den Markt bestimmen, damit bleiben Schadstoffreduktion<br />
und Effizienzsteigerung bis auf weiteres die<br />
zentralen Forschungsschwerpunkte.
36 / Modulares Retrofitting-Konzept – Effizienzsteigerung und Ressourcenschonung in der Energieerzeugung<br />
These 4: Energiespeicherung – das Schlüsselthema der<br />
zukünftigen wirtschaftlichen Energienutzung<br />
Ein allgegenwärtiges Thema, das sowohl regenerative<br />
Energiegewinnungen als auch Gas- und Dampfkraftwerke<br />
(GuD) mit Kraft-Wärmekopplung betrifft, ist die Frage nach<br />
geeigneten Energiespeichern, in denen sich Strom und/<br />
oder Wärme aus Überschusszeiten zwischenspeichern<br />
lassen. Während im ersten Fall die unterschiedlichen<br />
Erzeugungszeiten bedient werden müssen, sind es im<br />
zweiten Fall die unterschiedlichen Nachfragezeiten, die es<br />
abzupuffern gilt.<br />
Unter der Leitung von RWE Power, die den Startschuss<br />
zur Entwicklung eines Hochtemperaturspeichers für GuD-<br />
Anlagen gaben, hat ThyssenKrupp Xervon Energy sich<br />
diesem Thema mit starken Kooperationspartnern, wie<br />
der Paul-Wurth-Gruppe und dem Institut für Technische<br />
Thermodynamik des Deutschen Zentrums für Luft und<br />
Raumfahrt (DLR), angenommen. Das Aufheizen (Laden)<br />
des Hochtemperaturwärmespeichers erfolgt durch die heißen<br />
Gasturbinenabgase, die ihre Wärmeenergie an die<br />
im Speicher befindlichen Speichermaterialien (Feststoffe)<br />
abgeben. Beim Entladen (Nachtmodus) strömt kalte Luft<br />
durch den aufgeheizten Speicher, erwärmt sich dadurch<br />
und steht als Wärmeträger für die Dampf-/Stromerzeugung<br />
zur Verfügung. Durch die Integration eines solchen<br />
Speichers können die Erzeugung und die Bereitstellung von<br />
Wärme und Strom in den Kraftwerken zeitlich entkoppelt<br />
werden, wodurch die Effizienz von GuD-Anlagen im Kraft-<br />
Wärme-Kopplungs-Betrieb weiter gesteigert wird. Da diese<br />
Anlagen zunehmend nach Wärme- und nicht mehr nach<br />
Strombedarf betrieben werden, müssen sie zum Zweck der<br />
Wärmebereitstellung derzeit auch nachts – und damit zu<br />
Zeiten geringer Stromanforderungen – in Betrieb sein. Mit<br />
Wärmespeichern ausgestattet kann die während des Tages<br />
über den Verbraucherbedarf hinaus produzierte Wärme<br />
hingegen zwischengespeichert und nachts bei abgeschalteter<br />
Gasturbine als Prozess- oder Fernwärme wieder abgegeben<br />
werden / Bilder 7 und 8 /.<br />
Durch die so erzielten Freiheitsgrade in der Fahrweise<br />
von kraftwärmegekoppelten GuD-Anlagen lassen sich<br />
Brennstoffausnutzungsgrade weiter verbessern sowie CO 2-<br />
Emissionen reduzieren. Dies verdeutlicht den Stellenwert<br />
der Entwicklung derartiger heute noch nicht verfügbarer<br />
Hochtemperaturspeicher für eine zukünftige, nachhaltige<br />
und dem Klimaschutz gerecht werdende Energieversorgung.<br />
These 5: Symbiose aus erneuerbaren Energien mit<br />
konventioneller Technik am Beispiel der Solarthermie<br />
Angeregt durch die Erkenntnis, dass die zuvor erläuterten<br />
Wärmespeicher sowohl im Bereich der konventionellen<br />
KWK-Anlagen als auch im Bereich der regenerativen<br />
Energieerzeugung ihren Einsatz finden, haben Firmen wie<br />
ThyssenKrupp Xervon Energy sich mit der Frage auseinandergesetzt,<br />
ob Elemente beider Technologiesäulen nicht in<br />
völlig neuen Verschaltungen als so genannte Hybridanlagen<br />
miteinander gekoppelt werden sollten. Nachteile der einen<br />
wie der anderen Technologie – geringe Energiedichten<br />
einerseits und CO 2-Emissionen anderseits – könnten so<br />
ausgeglichen werden.<br />
Die zur Strom- und Dampferzeugung notwendigen<br />
Komponenten, wie beispielsweise Dampferzeuger und<br />
Dampfturbinen, stehen im Wesentlichen bereits aus der<br />
herkömmlichen Kraftwerkstechnologie zur Verfügung. Statt<br />
jedoch wie bisher Verbrennungstechnologien zur Wärme-<br />
gewinnung in konventionellen Kraftwerksprozessen ein-<br />
zusetzen, stellen sich Forschung und Entwicklung der<br />
Herausforderung, gebündelte Sonnenenergie zu verwenden<br />
/ Bilder 9 und 10 /. Denkbar ist auch eine Kombination<br />
von Gasturbinen und Sonnenenergie in Hybridanlagen,<br />
sodass auch Jahreszeiten mit wenig Sonnenstunden oder<br />
aber Schlechtwetterzeiten überbrückt werden können.<br />
Die Forschungen und Entwicklungen von Anlagen zur<br />
Energieerzeugung auf Basis von erneuerbaren Energien, die<br />
an Leistungsdichten heranreichen, die den herkömmlichen<br />
Kraftwerkstechniken eigen sind, sind vielfältig. Die Tatsache,<br />
dass die herkömmlichen Technologien zur Deckung des<br />
wachsenden Strombedarfes auch zukünftig unverzichtbar<br />
sind, lässt ThyssenKrupp Xervon Energy als Anlagenbauer<br />
nicht die Augen vor der dringenden Notwendigkeit verschließen,<br />
nach Alternativlösungen zu suchen, diese zu<br />
entwickeln und zu erforschen.<br />
Zusammenfassung und Ausblick<br />
Da es Betreibern von Industrieanlagen heute kaum noch<br />
möglich ist, für die Refinanzierungszeiträume ihrer Anlagen<br />
gültige Annahmen über Brennstoffpreise, zulässige<br />
Emissionen oder die Entsorgungswege von Reststoffen<br />
zu machen, muss langfristiges Denken und Handeln<br />
daher immer öfter durch flexibles Reagieren ersetzt werden.<br />
Ein schwieriges Unterfangen, wenn es sich, wie bei<br />
Energieerzeugungsanlagen, um Großinvestitionen mit zum<br />
Teil mehrjährigen Realisierungszeiträumen handelt. Der<br />
innovative Baukasten von ThyssenKrupp Xervon Energy<br />
aus optimierten Komponenten mit nachgewiesener Effizienz<br />
bietet sowohl dem Betreiber als auch dem Anlagenbauer<br />
die Vorteile einer flexiblen Lösungsfindung sowie technischer<br />
und kommerzieller Kalkulierbarkeiten. Allein das<br />
Beispiel des Einsparpotenziales an CO 2-Emissionen von<br />
rund 50 Mio Tonnen pro Jahr, das mit dem modularen<br />
Retrofitting-Konzept an Bestandsanlagen erreicht werden<br />
kann, zeigt den diesbezüglichen Markt in Deutschland heute<br />
und zukünftig auf.<br />
Das in diesem Artikel vorgestellte modulare Retrofitting-<br />
Konzept wurde mit dem ThyssenKrupp Sonderinnovationspreis<br />
„Energie und Umwelt“ 2009 ausgezeichnet.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
GuD-Kraftwerk mit Dampflieferung und Wärmespeicher in Zeiten<br />
hoher Stromerlöse (Peak)<br />
Gasturbinen<br />
Abhitzekessel für Solarkraftwerk (Tagmodus)<br />
Konzentrierte<br />
Solarstrahlung<br />
Heliostatenfeld<br />
Receiver<br />
Thermischer<br />
Speicher<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
Dampferzeuger<br />
Thermischer<br />
Speicher<br />
Heißluft<br />
Rückgeführte Luft<br />
Dampfturbosatz<br />
Dampf<br />
Dampferzeuger<br />
Modulares Retrofitting-Konzept – Effizienzsteigerung und Ressourcenschonung in der Energieerzeugung / 37<br />
Dampfversorgung<br />
des Kunden<br />
Bild 7 / Tagbetrieb einer GuD-Anlage in Kraftwärmekopplung – Zwischenspeicherung der<br />
über den Verbraucherbedarf hinaus produzierten Wärme<br />
Turbine mit<br />
Generator<br />
Konzentratorsystem Heißgaskreis Wasser-Dampf-Kreis<br />
GuD-Kraftwerk mit Dampflieferung und Wärmespeicher in Zeiten<br />
niedriger Stromerlöse (Off-Peak)<br />
Gasturbinen<br />
Bild 8 / Nachtbetrieb einer GuD Anlage in Kraftwärmekopplung – Wärmeabgabe<br />
aus dem Zwischenspeicher in den Abhitzekessel bei abgeschalteter Gasturbine<br />
Abhitzekessel für Solarkraftwerk (Nachtmodus)<br />
Heliostatenfeld<br />
Bild 9 / Hybridkraftwerk im Tagbetrieb – Sonnenenergie ersetzt fossile Brennstoffe Bild 10 / Hybridkraftwerk im Nachtbetrieb – Wärmeabgabe aus dem Zwischenspeicher<br />
in den Abhitzekessel<br />
Receiver<br />
Thermischer<br />
Speicher<br />
Dampferzeuger<br />
Thermischer<br />
Speicher<br />
Heißluft<br />
Rückgeführte Luft<br />
Dampfturbosatz<br />
Dampfversorgung<br />
des Kunden<br />
Dampf<br />
Dampferzeuger<br />
Turbine mit<br />
Generator<br />
Konzentratorsystem Heißgaskreis Wasser-Dampf-Kreis
38 / Thema<br />
Die neue energieeffiziente Aufzugsgeneration von ThyssenKrupp<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
LOFT<br />
Eine Umwelt-Initiative von ThyssenKrupp Aufzüge<br />
alEXanDEr KEllEr Geschäftsführer ThyssenKrupp aufzüge gmbH Stuttgart<br />
STEpHan WirTH Geschäftsführer gWH aufzüge gmbH Himmelstadt<br />
DirK linnE Niederlassungsleiter Mainz ThyssenKrupp aufzüge gmbH Mainz<br />
nicola DangErfiElD Leiterin Verkaufsförderung Marketing Kommunikation ThyssenKrupp aufzüge gmbH Stuttgart<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
Große Aufgaben bewältigt man oft nur in<br />
vielen kleinen Schritten: Die LOFT-Umwelt-<br />
Initiative von ThyssenKrupp Aufzüge leistet<br />
mit energiesparenden und zukunftsorientierten<br />
Produkten einen entscheidenden Beitrag<br />
zum Klima- und Umweltschutz – sowohl für<br />
Neuanlagen als auch für Modernisierungen.<br />
Hintergrund<br />
Die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre<br />
steigt. Vor allem der Kohlendioxid-Anteil hat sich durch die<br />
Industrialisierung in den letzten 150 Jahren immer mehr<br />
verstärkt. Er erhöht sich jeden Tag durch Wirtschaft,<br />
Haushalte sowie Verkehr und unsere Umwelt heizt sich<br />
dadurch unnatürlich schnell auf. Ziel muss es deshalb sein,<br />
aktiv Energie einzusparen und die CO 2-Emissionen zu ver-<br />
ringern. Die LOFT-Umwelt-Initiative von ThyssenKrupp<br />
Aufzüge trägt ein gutes Stück dazu bei, den CO 2-Ausstoß<br />
zu reduzieren. Denn das Produktkonzept senkt den Energieverbrauch<br />
von Aufzugsanlagen und Fahrtreppen deutlich –<br />
ohne jegliche Komfort- und Leistungseinbußen. Fahrtreppen<br />
und Aufzüge können dank LOFT energiesparender, umweltgerechter<br />
und klimaschonender betrieben werden. Dadurch<br />
LOFT - Schachtentrauchung<br />
LOFT - Leuchtmittel<br />
LOFT - Steuerungs- und<br />
Lichtabschaltung<br />
LOFT - Lichtabschaltung<br />
/ 39<br />
entsteht eine Win-Win-Situation: Während die Kunden<br />
Strom, Energie und Kosten sparen, sichert ThyssenKrupp<br />
Aufzüge nachhaltig die Zukunft unserer Umwelt.<br />
Ein durchgängiges Maßnahmenkonzept<br />
Die Umwelt-Initiative basiert auf der Entwicklung einer<br />
durchgängigen und umweltfreundlichen Produktpalette.<br />
Dabei zeichnet sich jedes einzelne Produkt durch seine her-<br />
vorragende Leistungsfähigkeit, erstaunliche Anpassungsfähigkeit,<br />
Hochwertigkeit sowie durch eine ökologische und<br />
ökonomische Rentabilität aus. Eine erfolgreiche Produktstrategie,<br />
die sich dreifach auszahlt: für uns, unsere Umwelt<br />
wie auch für Betreiber und Investoren. Mögliche Einsatz-<br />
bereiche für die LOFT-Produktpalette / Bild 1 / sind dabei<br />
nicht nur öffentliche Einrichtungen, wie z.B. Krankenhäuser,<br />
sondern auch Bürogebäude / Bild 2 /, Hotels, Eigen-<br />
tümergemeinschaften, Wohnungsbaugesellschaften und<br />
viele weitere mehr. Für einen detaillierten Einblick werden<br />
die einzelnen LOFT-Produkte im Folgenden ausführlich<br />
vorgestellt.<br />
Lichtabschaltung<br />
Licht ist wichtig. Deshalb muss es aber nicht Tag<br />
und Nacht brennen. Wird ein Aufzug nicht benutzt, ist die<br />
Kabinenbeleuchtung häufig eingeschaltet, z.B. nachts in<br />
Wohnhäusern oder an Sonn- und Feiertagen in Büro-<br />
gebäuden. Die LOFT-Lichtabschaltung hilft hier, Energie zu<br />
sparen. Wird der Aufzug beispielsweise über einen definierten<br />
LOFT - Fahrtreppenbeleuchtung<br />
LOFT - Fahrtreppensteuerung<br />
Bild 1 / LOFT - Produktübersicht<br />
LOFT - Energieeffizienz<br />
für die Zukunft
40 / LOFT – Eine Umwelt-Initiative von ThyssenKrupp Aufzüge<br />
Zeitraum nicht genutzt, schaltet sich das Kabinenlicht systematisch<br />
ab. Mit Anforderung des Aufzuges schaltet sich<br />
das Licht sofort wieder ein. In Abhängigkeit vom Aufzugs-<br />
typ kann die Abschaltung entweder durch Software-<br />
Programmierung oder durch Nachrüstung externer Schalter,<br />
wie z.B. Bewegungsmelder, Zeitschaltuhren und oder<br />
Schlüsselschalter, erreicht werden. Bei Glasaufzügen ist<br />
die vollständige Abschaltung der Kabinenbeleuchtung<br />
dagegen oft nicht erwünscht. Hier gibt es die Möglichkeit,<br />
einen von zwei Beleuchtungsstromkreisen abzuschalten.<br />
Sind die Leuchtmittel für eine gedimmte Ansteuerung<br />
geeignet, ist dies neben dem geteilten Betrieb eine weitere<br />
Möglichkeit, den Energieverbrauch zu reduzieren. Damit<br />
das häufige Ein- und Ausschalten nicht zur Lebensdauer-<br />
Verkürzung der Leuchtmittel führt, empfiehlt sich der<br />
Einsatz moderner LED-Leuchtmittel.<br />
Ein durchschnittlicher Aufzug verbraucht 60 % seiner<br />
Energie im Stillstand, ein Großteil davon wird durch die<br />
Kabinenbeleuchtung verursacht. Allein deshalb ist der<br />
Einsatz der LOFT-Lichtabschaltung eine lohnende Alternative<br />
– wie das folgende Rechenbeispiel beweist.<br />
Beispielrechnung zur gesamtökologischen<br />
Bedeutung<br />
° 9,5 Stunden Ausschaltung entsprechen einer Strom-<br />
ersparnis von 1,52 kWh.<br />
° 1,52 kWh Strom pro Tag bei ca. 600.000 Aufzügen<br />
ergeben für Deutschland eine Gesamtersparnis von<br />
912.000 kWh.<br />
° Bei der Erzeugung von 1 kWh Strom werden 0,58 kg<br />
CO 2 freigesetzt.<br />
° So errechnet sich aus 912.000 kWh eine CO 2-Ersparnis<br />
von 528.960 kg an einem einzigen Tag oder 193.000 t<br />
CO 2 pro Jahr in Deutschland, d.h.:<br />
° 193.000 t CO 2 im Jahr werden durch eine<br />
automatische Lichtabschaltung bei 600.000 Aufzügen<br />
in Deutschland eingespart.<br />
Steuerungs- und Lichtabschaltung<br />
Werden Aufzüge nicht genutzt, sollten sie auch abgeschaltet<br />
sein. Es gibt immer Zeiten, in denen ein Aufzug selten<br />
oder gar nicht genutzt wird, z.B. nachts. Mit der LOFT-<br />
Steuerungs- und Lichtabschaltung kann viel Strom gespart<br />
werden / Bild 3 /. Sobald der Aufzug eine definierte Zeit<br />
nicht genutzt wird, werden die Energieverbraucher Steue-<br />
rung und Kabinenbeleuchtung abgeschaltet / Bild 4 /.<br />
Nach der Ausführung aller anstehenden Fahrten, wird die<br />
Abschaltung über einen Schlüsselschalter oder eine<br />
Zeitschaltuhr aktiviert. Befindet sich der Aufzug nicht<br />
in seiner Abschaltehaltestelle, wird die Fahrt dorthin<br />
automatisch eingeleitet. Hier werden das Fahrkorblicht<br />
und danach bei geschlossener Tür die Steuerung und<br />
die Tür-Lichtschranke abgeschaltet. Die Tür-Auf-Taster<br />
bleiben weiterhin aktiv. Zukünftig wird die Abschaltung<br />
über eine intelligente Software realisiert. Der Vorteil dabei<br />
ist, dass sich die Anlagen-Steuerung bei Nichtnutzung<br />
selbst in den Stand-by-Modus (Energiesparphase) versetzen<br />
kann. Sie erkennt in diesem Modus, wenn der Aufzug<br />
angefordert wird und ist sofort betriebsbereit.<br />
Bild 2 / Moderne Bürogebäude als Einsatzbereiche der Loft-Produktpalette<br />
Einsparpotenzial Auslastung<br />
2h 4h 6h 8h 10h 12h 14h 16h 18h 20h 22h 24h<br />
Bild 3 / Einsparpotenzial<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
Leuchtmittel<br />
Moderne Leuchtmittel sind Energiesparwunder. LOFT-<br />
Leuchtmittel sparen gegenüber herkömmlichen Glühbirnen<br />
und Leuchtstoffröhren bis zu 90 % Energie, erreichen eine<br />
bessere Lichtausbeute und können problemlos ersetzt<br />
werden. Während herkömmliche Leuchtmittel rund 90 %<br />
der Energie als Wärme abgeben, unter Ausschaltvorgängen<br />
leiden und schnell an Leuchtkraft verlieren, sind moderne<br />
Energiesparleuchten deutlich unempfindlicher und leistungsstärker.<br />
Allerdings lohnt sich das Abschalten von<br />
Energiesparleuchten erst, wenn sie länger als 15 min ausgeschaltet<br />
bleiben, denn häufige Einschaltvorgänge benötigen<br />
mehr Energie als der Dauerbetrieb. Die wirtschaftlich<br />
und ökologisch beste Wahl sind LED-Leuchten (Light<br />
Emitting Diode – Leuchten mit Leuchtdioden) / Bild 5 /.<br />
Bild 4 / Gedimmte Aufzugsbeleuchtung in Zeiten geringer Nutzung<br />
Glühlampen Neonlicht LED LED-Röhre<br />
5 % 20 % 60 % 96 %<br />
Bild 5 / Lichtausbeute unterschiedlicher Leuchtkörper<br />
LOFT – Eine Umwelt-Initiative von ThyssenKrupp Aufzüge / 41<br />
Sie wandeln Energie nahezu ausschließlich in Licht um, sind<br />
äußerst sparsam, langlebig sowie unempfindlich gegen<br />
Erschütterungen und häufiges Ein- und Ausschalten. Da<br />
sie in zahlreichen Lichtfarben erhältlich sind, sind sie auch<br />
unter ästhetischen Gesichtspunkten vielseitig einsetzbar.<br />
Schachtentrauchung<br />
Schachtentlüftung sowie -entrauchung / Bild 6 / spart<br />
Energie und schützt das Klima. Durch vorgeschriebene<br />
Schachtentlüftungs- und Entrauchungsöffnungen wird<br />
Wärmeenergie verschwendet. Die warme Gebäudeluft entweicht<br />
permanent. So gelangt die mit Heizenergie erzeugte<br />
Wärme über die Aufzugstüren in den Schacht und entweicht<br />
aus der permanenten Öffnung. Die Energieein-<br />
sparverordnung 2007 (EnEV) und die LOFT-Schachtent-<br />
rauchung setzen diesem Wärmeverlust ein Ende. Denn<br />
die in nahezu allen Aufzugsschächten leicht nachrüstbare<br />
LOFT-Schachtentrauchung erfüllt die gesetzlichen<br />
Forderungen des Brandschutzes und der Energieeinsparung<br />
gleichermaßen. Die brandschutztechnisch erforderlichen<br />
Rauchabzugsöffnungen werden durch eine motor-betriebene<br />
Entrauchungsklappe oder Lichtkuppel geschlossen.<br />
Die Dichtigkeit des Gebäudes ist genauso gewährleistet wie<br />
der Abzug heißer, giftiger Brandgase. Im Brandfall werden<br />
Klappe oder Kuppel automatisch geöffnet.<br />
Fahrtreppenbeleuchtung<br />
Mehr Leistung ohne Energieverlust: Die meisten herkömmlichen<br />
Fahrtreppen und Fahrsteige besitzen eine Sockel-<br />
band- und/oder Balustradenbeleuchtung. Als Leuchtmittel<br />
werden Kaltkathoden-Leuchtstoffröhren (KKL) verwendet.<br />
Ein hoher Energieverbrauch, eine relativ geringe Lebens-<br />
dauer und ein ungleichmäßiges Erscheinungsbild sind für<br />
diese Art von Leuchtmitteln kenzeichnend. Mit der neuen<br />
LOFT-LED-Fahrtreppenbeleuchtung / Bild 7 / kann problem-<br />
los auf ein modernes, energiesparendes Beleuchtungssystem<br />
umgerüstet werden. So wird der Energieverbrauch<br />
um bis zu 40 % reduziert. Dabei ist die mittlere Lebensdauer<br />
der LOFT-LED-Fahrtreppenbeleuchtung ca. fünfmal höher<br />
als bei herkömmlichen KKL-Röhren. Die von letzteren<br />
bekannte Abschwächung der Leuchtintensität gegen Ende<br />
der Lebensdauer tritt bei der LED-Beleuchtung ebenfalls<br />
nicht auf. Darüber hinaus ist die Leuchtintensität der optisch<br />
hochwertigeren LEDs konstant höher.<br />
Fahrtreppensteuerung<br />
Fahrtreppen und Fahrsteige mit geringer Auslastung<br />
müssen nicht durchgängig in Betrieb sein und dabei un-<br />
nötig Energie verbrauchen. Deshalb bietet ThyssenKrupp<br />
Aufzüge auch Anlagen mit intermittierendem Betrieb an.<br />
Die LOFT-Fahrtreppensteuerung ermöglicht zudem die<br />
einfache, nachträgliche Umrüstung auf intermittierenden<br />
Betrieb. Moderne Radarsensoren erkennen, wenn sich ein<br />
Benutzer nähert und starten die Fahrtreppe rechtzeitig.<br />
Aufwendige Änderungen der Steuerung, das Anbringen von<br />
Umgehungsbügeln mit Lichtschranken sowie Kontaktmatten<br />
gehören der Vergangenheit an. Der Radarsensor kann in-<br />
dividuell eingestellt werden. So ist gewährleistet, dass<br />
die Anlage rechtzeitig ihre volle Betriebsgeschwindigkeit
42 / LOFT – Eine Umwelt-Initiative von ThyssenKrupp Aufzüge<br />
erreicht. Dabei kann zwischen sich entfernenden, darauf<br />
zugehenden und vorbeigehenden Personen unterschieden<br />
werden. Die Anlage setzt sich nur dann in Betrieb, wenn<br />
sich Personen zielgerichtet nähern. Ampelanlagen signali-<br />
sieren dem Benutzer die Betriebsbereitschaft und zeigen die<br />
Fahrtrichtung an. Nachdem der Benutzer das Stufenband<br />
verlassen hat, läuft die Anlage entsprechend der eingestellten<br />
Nachlaufzeit.<br />
Energieeffizienz für die Zukunft<br />
Die angebotenen Aufzugskomponenten gelten – den Weltmarkt<br />
betreffend – als führend. Denn sie gehören hin-<br />
sichtlich der Klima- und Umweltschonung zu den höchstentwickelten.<br />
Die Antriebsaggregate verbrauchen wesentlich<br />
weniger Energie als noch vor Jahren. Bei Seilantrieben<br />
bietet sich besonders der Austausch gegen sparsame,<br />
frequenzgeregelte Antriebe mit höherem Wirkungsgrad<br />
an. In die Jahre gekommene Hydraulikantriebe profitieren<br />
ungemein vom Einsatz einer modernen Frequenzregelung<br />
und einer neuen Unterölpumpe. Auch der Energieverbrauch<br />
der Kabinentüren, bei denen üblicherweise der Türantrieb<br />
permanent unter Strom steht, kann durch den Einbau<br />
momentenloser Antriebe gesenkt werden. Hinzu kommen<br />
der Austausch und die Neujustierung von Schienen und<br />
Umlenkrollen, was für einen geringeren Reibungswiderstand<br />
und Energieverbrauch des ganzen Systems sorgt. Im<br />
Rahmen einer Modernisierung werden so deutliche Energie-<br />
und Kosteneinsparungen erzielt.<br />
Bild 6 / Blick in einen modernen Aufzugschacht<br />
Umweltschutz als Unternehmensgrundsatz<br />
Umweltorientiertes Management ist ein wesentliches,<br />
strategisches Ziel von ThyssenKrupp Aufzüge. Die unternehmerischen<br />
Entscheidungen werden hinsichtlich ihrer<br />
Auswirkungen auf die Umwelt eingehend überprüft.<br />
Umwelt-Belastungen sollen weitestgehend durch die<br />
Tätigkeiten und Produkte vermieden sowie der Verbrauch<br />
natürlicher Ressourcen auf ein Minimum reduziert werden.<br />
Bereits bei der Konzeption und Konstruktion neuer<br />
Produkte wird darauf geachtet, dass sie möglichst<br />
sparsam im Energieverbrauch sind und nach Ablauf<br />
der Lebensdauer entsorgt werden können. In der Produktion,<br />
bei der Montage und im Service wird möglichst<br />
sparsam mit dem Einsatz von Energie und Rohstoffen<br />
umgegangen, umweltschädliche Auswirkungen werden so<br />
gering wie möglich gehalten, Abfälle vermieden oder umwelt-<br />
gerecht entsorgt.<br />
Die Leitgedanken der LOFT-Umwelt-Initiative lassen sich<br />
wie folgt zusammenfassen:<br />
° Umweltschutz als wichtiges Unternehmensziel,<br />
° vorausschauende Verantwortung,<br />
° Entwicklung sparsamer, umweltschonender<br />
Produkte sowie<br />
° umweltverträglicher Produktionsverfahren.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
Bild 7 / LOFT-LED-Fahrtreppenbeleuchtung<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
LOFT – Eine Umwelt-Initiative von ThyssenKrupp Aufzüge / 43
44 /<br />
STAR process ®<br />
Ein neues hochproduktives Verfahren<br />
zur Propylenherstellung<br />
Dr. rEr. naT. HElmuT gEHrKE Abteilungsleiter Labor/Technikum uhde gmbH Dortmund<br />
Dipl.-ing. maX HEinriTz-aDrian Abteilungsleiter Verfahrenstechnik uhde gmbH Dortmund<br />
Dipl.-ing. rolf ScHWaSS Chemieingenieur uhde gmbH Dortmund<br />
Dr.-ing. SaScHa WEnzEl Abteilungsleiter Technologie-Service uhde gmbH Dortmund<br />
STAR process ® -Anlage bei der Egyptian Propylene & Polypropylene Company (EPP) in Port Said/Ägypten<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
STAR process ® – Ein neues hochproduktives Verfahren zur Propylenherstellung / 45<br />
Der STAR process ® ist das weltweit erste<br />
kommerziell eingesetzte Verfahren zur Er-<br />
zeugung von Propylen, das auf dem Prinzip<br />
der oxidativen Dehydrierung von Propan<br />
beruht. Propylen ist eines der wesentlichen<br />
petrochemischen Basisprodukte mit nach-<br />
haltig hohen Wachstumsraten, das vor allem<br />
zur weiteren Verarbeitung bei der Erzeugung<br />
von hochwertigen Kunststoffprodukten –<br />
z.B. Polypropylen – verwendet wird. Die<br />
oxidative Dehydrierung im STAR process ®<br />
ist eine Neuentwicklung, die von Uhde mit<br />
Hilfe einer eigens hierfür gebauten Pilotanlage<br />
durchgeführt wurde. Erstmalig<br />
wurde sie großtechnisch in einer kommerziellen<br />
Anlage zur jährlichen Erzeugung von<br />
350.000 t Propylen mit anschließender<br />
Weiterverarbeitung zu Polypropylen für den<br />
Kunden Egyptian Propylene & Polypropylene<br />
Company (EPP) in Port Said/Ägypten,<br />
schlüsselfertig umgesetzt.
46 / STAR process ® – Ein neues hochproduktives Verfahren zur Propylenherstellung<br />
Marksituation Propylen<br />
Propylen (systematischer Name: Propen) ist, neben Ethylen,<br />
eines der wesentlichen petrochemischen Basisprodukte<br />
mit vielseitigen Verwertungsmöglichkeiten. Es wird zur Er-<br />
zeugung von wichtigen Monomeren, Polymeren, Zwischenprodukten<br />
und Chemikalien verwendet. Der weitaus größte<br />
Anteil des weltweit erzeugten Propylens wird in der Weiter-<br />
verarbeitung zu Polypropylen (PP) verwertet. Die hervorragenden<br />
Produkteigenschaften und damit vielfältigen,<br />
sich immer weiter entwickelnden Einsatzfelder von Poly-<br />
propylen, z.B. in der Verpackungsindustrie, in der Teppichindustrie<br />
und bei der Produktion von Hartschalen-Koffern,<br />
sorgen für gleichbleibend hohe Wachstumsraten des<br />
weltweiten Polypropylen-Marktes. Dies ist somit auch die<br />
wesentliche Triebkraft für das nachhaltig hohe Wachstum<br />
des weltweiten Propylenbedarfes. Weitere wichtige<br />
Folgeprodukte des Propylens sind das Propylenoxid (PO),<br />
Cumol, Acrylnitril (ACN), Acrylsäure und Oxo-Alkohole.<br />
Propylenoxid wird u.a. zur Herstellung von Schaumstoffen<br />
oder Harzen verwendet. Aus Cumol wird Phenol erzeugt, aus<br />
dem wiederum Polymere produziert werden. Acrylnitril ist<br />
ein Monomer zur Herstellung von Polyacrylynitril oder<br />
komplexen Polymeren; Acrylsäure wird bei der Herstellung<br />
von Polyacrylsäuren, z.B. für Superadsorber, eingesetzt.<br />
Im Jahre 2009 wurden weltweit ca. 75 Millionen t<br />
Propylen verbraucht. Der größte Teil des Propylens wurde<br />
dabei als Koppel- oder Nebenprodukt der Ethylen- und<br />
Benzinerzeugung beim Dampf-Cracken in Röhrenspaltöfen<br />
sowie in Raffinerien im Wesentlichen in Fluid Catalytic<br />
Cracking(FCC)-Anlagen erzeugt. Alternative Technologien<br />
zur Produktion von Propylen sind die Propandehydrierung<br />
(PDH), Metathese, Olefin-Cracken und Methanol-zu-Olefin<br />
(MTO) bzw. Methanol-zu-Propylen(MTP)-Synthesen sowie<br />
Bild 1 / Produktionsrouten von Propylen und dessen Folgeprodukte<br />
katalytische Pyrolyse / Bild 1 /. Ca. 7 % des Propylens wurde<br />
auf Basis dieser alternativen Technologien, im Wesentlichen<br />
durch Verfahren zur gezielten Erzeugung von Propylen<br />
(“On-Purpose“), wie der Propandehydrierung oder der<br />
Metathese hergestellt. Tatsächlich findet eine zunehmende<br />
Verschiebung der Propylenproduktion hin zu diesen Techno-<br />
logien statt, da zusätzliche Produktionskapazitäten beim<br />
Dampf-Cracken und in Raffinerien bei weitem nicht die<br />
Wachstumsraten des Propylenbedarfes decken können. Die<br />
Produktionskapazität von Propylen durch Propandehy-<br />
drierung wächst derzeit durchschnittlich mit ca. 500.000 t/a<br />
/ Bild 2 /, d.h. jedes Jahr werden ein bis zwei kommerzielle<br />
Großanlagen für die Propandehydrierung gebaut.<br />
Konventionelle Propandehydrierung<br />
In den kommerziellen Anlagen zur Propandehydrierung<br />
wurden bisher ausschließlich konventionelle Technologien<br />
eingesetzt. Bei der Dehydrierung wird Propan zu Propylen<br />
und Wasserstoff umgesetzt. Es handelt sich dabei um<br />
eine endotherme Gleichgewichts-Reaktion, die durch hohe<br />
Temperaturen und niedrige Drücke begünstigt wird. Auf-<br />
grund der Lage des thermodynamischen Gleichgewichtes<br />
werden bei technisch realisierbaren Bedingungen Propan-<br />
Umsätze von ca. 30-50 % erreicht. Dabei wird das Propan –<br />
ggf. unter Zumischung von Wasserstoff oder Wasser-<br />
dampf – bei Temperaturen von ca. 600 °C und bei Drücken<br />
im Vakuumbereich oder leicht oberhalb atmosphärischem<br />
Druck katalytisch mithilfe eines Platin- oder eines<br />
Chromoxid-Katalysators umgesetzt. Höhere Temperaturen<br />
würden zu einer zu starken Verkokung des Katalysators<br />
führen und die Produktselektivität deutlich reduzieren.<br />
Aufgrund der Verkokungsreaktionen auf dem Katalysator<br />
muss dieser regelmäßig durch ein Abbrennen der<br />
rohstoffe produktionsrouten folgeprodukte<br />
Gas<br />
Kondensat<br />
Öl<br />
Kohle<br />
Synthese-<br />
Gas<br />
LPG/<br />
Propan<br />
Naphtha/<br />
Gasöl<br />
Schweröl/<br />
Rückstand<br />
Dampf-<br />
Cracken<br />
C2=<br />
C4=<br />
PDH<br />
FCC-<br />
Raffinerie<br />
Metathese<br />
C4=/<br />
C5+<br />
Methanol +<br />
MTO/MTP<br />
Olefin-<br />
Cracken<br />
Katalytische<br />
Pyrolyse<br />
C<br />
C<br />
C<br />
PP<br />
PO<br />
Cumol<br />
ACN<br />
Acrylsäure<br />
Oxo-Alkohole<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
Propylen-Produktion [kt/a]<br />
7.000<br />
6.000<br />
5.000<br />
4.000<br />
3.000<br />
2.000<br />
1.000<br />
0<br />
'91 '92 '93 '94 '95 '96 '97 '98 '99 '00 '01 '02 '03 '04 '05 '06 '07 '08 '09 '10 '11 '12 '13 '14 '15<br />
Bild 2 / Entwicklung der weltweiten Propylen-Produktionskapazität durch Propandehydrierung<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
Jahr<br />
Bild 3 / Schema der Reaktions-Sektion des STAR process ®<br />
STAR process ® – Ein neues hochproduktives Verfahren zur Propylenherstellung / 47<br />
Kohlenstoffablagerungen sowie eine chemische Reakti-<br />
vierung und Vorreduzierung regeneriert werden.<br />
Wesentliche Nachteile dieser konventionellen Techno-<br />
logien bestehen zum einen in den relativ hohen Investitionskosten<br />
für diese Anlagen und zum anderen im hohen<br />
spezifischen Energie- und Katalysatorbedarf. Zudem ist die<br />
Regenerierung des Katalysators aufwendig.<br />
STAR process ® mit oxidativer Dehydrierung<br />
Im STAR process ® mit oxidativer Dehydrierung werden die<br />
genannten Nachteile behoben. Das Akronym STAR steht<br />
für ‘STeam Active Reforming’, d.h. die Dehydrierung findet<br />
katalytisch in Gegenwart von Wasserdampf statt. Als<br />
Katalysator wird ein spezieller Platin-Zinn-Komplex, fixiert<br />
auf einem Zinkaluminat-Träger, verwendet, der unter dem<br />
Markennamen STAR catalyst ® vertrieben wird. Durch den<br />
Betrieb mit Wasserdampf wird der Partialdruck der Kohlenwasserstoffe<br />
herabgesetzt, was zu höherem Propan-<br />
umsatz führt, und die Reaktion kann somit bei höheren<br />
Absolutdrücken von ca. 6 bar durchgeführt werden. Dies<br />
reduziert die Investitionskosten und den Energie-<br />
verbrauch bei der folgenden Rohgaskompression. Zudem<br />
werden auch die Kohlenstoffablagerungen auf dem Kataly-<br />
sator verringert und die Regeneration des Katalysators<br />
wird dadurch wesentlich vereinfacht.<br />
Die Reaktion im STAR process ® findet in zwei in<br />
Serie geschalteten Festbettreaktoren statt / Bild 3 /. Der<br />
erste Reaktor ist ein aussenbeheizter Rohrreaktor, ein so<br />
genannter Reformer. Die Rohre sind mit Katalysator gefüllt<br />
und befinden sich in einer deckenbefeuerten Ofenbox. Das<br />
Zwischenprodukt wird anschließend einem adiabaten<br />
Festbettreaktor, dem Oxireaktor / Bilder 4 und 5 /, zugeführt.<br />
In diesem Reaktor findet der Schritt der oxidativen<br />
Dehydrierung statt. Oberhalb des Katalysatorbettes wird<br />
ein Gemisch aus Sauerstoff und Dampf eingedüst. Mit<br />
dem zugemischten Sauerstoff wird im oberen Bereich des<br />
Katalysatorbettes Wasserstoff aus dem Zwischenprodukt<br />
selektiv zu Wasser umgesetzt und somit die treibende<br />
Kraft für die Dehydrierungsreaktion deutlich erhöht.<br />
Damit wird die Produktausbeute gesteigert und die<br />
Reaktion kann bei deutlich höheren Raumgeschwindig-<br />
keiten durchgeführt werden. Zudem wird direkt die<br />
benötigte Wärme für die weitere endotherme Dehy-<br />
drierung, die im selben Katalysatorbett stattfindet, zur<br />
Verfügung gestellt. Das Produkt aus dem Oxireaktor wird<br />
in einer Reihe von Wärmetauschern abgekühlt und der<br />
Prozessdampf auskondensiert, wobei die Wärme aus<br />
Abkühlung und Kondensation weitestmöglich für die Vor-<br />
wärmung des Einsatzproduktes, zur Erzeugung von<br />
Dampf, zur Erzeugung von Prozess-Kälte mit Hilfe eines<br />
Absorptionskälteprozesses und zur Beheizung der nachgeschalteten<br />
Prozess-Units verwendet wird. Anschließend<br />
erfolgt die Rohgasverdichtung gefolgt von der Gastrennung<br />
und schließlich der Rektifikation zur Erzeugung des<br />
Propylen-Produktes.<br />
Durch die oxidative Dehydrierung wird die Produkti-<br />
vität bei der Propandehydrierung substantiell erhöht. Der<br />
STAR process ® mit oxidativer Dehydrierung hat eine um<br />
25 % höhere Produktivität als das beste Wettbewerbs-
48 / STAR process ® – Ein neues hochproduktives Verfahren zur Propylenherstellung<br />
Bild 4 / Oxireaktor in der PDH-Anlage EPP, Port Said/Ägypten Bild 5 / 3D-Modell des Oxireaktors<br />
verfahren. Bei einer World-Scale-Propandehydrierungsanlage<br />
kann die Anzahl der parallelen Reaktionsstränge<br />
somit von drei auf zwei reduziert werden, korrespondierend<br />
dazu wird das Katalysatorinventar um 36 % gegenüber dem<br />
Basis-Verfahren reduziert. Damit hat das Verfahren den<br />
geringsten spezifischen Energie- und Katalysatorverbrauch<br />
aller am Markt erhältlichen Verfahren.<br />
Entwicklungsschritte<br />
Bei der Entwicklung der oxidativen Dehydrierung wurde<br />
zunächst die grundsätzliche Verfahrenskonfiguration in einer<br />
eigens dafür gebauten Pilotanlage in umfangreichen experimentellen<br />
Untersuchungen zur Reaktionsführung ermittelt.<br />
Dabei wurden die Betriebsbedingungen, die optimale Anzahl<br />
der Reaktorstufen und die Aufteilung des Katalysators zwischen<br />
den Reaktoren festgelegt. Die verfahrenstechnische<br />
Auslegung und Konstruktion des adiabaten Oxireaktors<br />
und des Sauerstoffverteilersystems erfolgte mit Hilfe von<br />
Computational Fluid Dynamics (CFD) / Bild 6 / und Finite<br />
Elemente-Methode(FEM)-Berechnungen sowie spezieller<br />
experimenteller Untersuchungen und Werkstofftests.<br />
Dabei mussten für die Sauerstoffeindüsung die konträren<br />
Randbedingungen einer sehr kurzen Verweilzeit von wenigen<br />
Millisekunden zwischen Sauerstoffzugabe und Eintritt<br />
in das Katalysatorbett auf der einen Seite und maximaler<br />
Durchmischung des Sauerstoffs mit dem Reaktionsgas vor<br />
Eintritt in das Katalysatorbett auf der anderen Seite erfüllt<br />
werden. Schließlich wurden umfangreiche Untersuchungen<br />
zur Auswahl des geeigneten Katalysatorsystems für die selek-<br />
tive Wasserstoffverbrennung im Oxireaktor durchgeführt<br />
und dabei für den STAR catalyst ® die höchste Selektivität im<br />
Vergleich zu allen anderen Systemen festgestellt.<br />
Kommerzielle Realisierung<br />
Die erste großtechnische Realisierung des STAR process ®<br />
mit oxidativer Dehydrierung erfolgt für den Kunden<br />
Egyptian Propylene & Polypropylene Company (EPP) am<br />
Standort Port Said in Ägypten. Hier baut Uhde schlüsselfertig<br />
einen Anlagenkomplex zur Produktion von jährlich<br />
350.000 t Propylen mit anschließender Weiterverarbeitung<br />
zu Polypropylen inklusive aller dazugehöriger Hilfs- und<br />
Nebenanlagen / Bild 7 /. Der größte Einzel-Apparat der<br />
Anlage, der C3-Splitter zur destillativen Trennung des<br />
Propylen-Produktes und des nicht-umgesetzten Propans,<br />
hat einen Durchmesser von ca. 7 m, ist über 100 m hoch<br />
und wiegt ca. 1.000 t. Die mechanische Fertigstellung der<br />
Anlage wurde im Juni 2010 erreicht und anschliessend<br />
wurde die Anlage erfolgreich in Betrieb genommen.<br />
Parallel zur kommerziellen Erstanlage konnten bereits zwei<br />
Folgeaufträge für den STAR process ® akquiriert werden,<br />
die sich beide in der Realisierung befinden.<br />
Bild 6 / CFD-Simulation<br />
des Oxireaktors<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
Reaktions-Sektion<br />
Rohgas-Verdichtung<br />
Bild 7 / 3D-Modell der PDH-Anlage EPP, Port Said/Ägypten<br />
Zusammenfassung und Ausblick<br />
Bei der Produktion von Propylen findet eine zunehmende<br />
Verschiebung von der Koppelproduktion hin zur "On-<br />
Purpose“-Herstellung statt. Mit dem patentierten STAR<br />
process ® hat Uhde das weltweit erste Verfahren zur Erzeu-<br />
gung von Propylen entwickelt, das auf dem Prinzip der<br />
oxidativen Dehydrierung beruht. Bei der oxidativen Dehy-<br />
drierung handelt es sich um eine völlige Neuentwicklung,<br />
die mit Hilfe einer eigens dafür gebauten Pilotanlage durch-<br />
geführt wurde. Die erstmalige kommerzielle Umsetzung<br />
erfolgte in einem petrochemischen Großkomplex zur jähr-<br />
lichen Erzeugung von 350.000 t Propylen mit anschlie-<br />
ßender Weiterverarbeitung zu Polypropylen für den Kunden<br />
EPP am Standort Port Said/Ägypten. Parallel zum Bau<br />
dieser Anlage, die im Sommer 2010 in Betrieb genommen<br />
wurde, konnte Uhde bereits zwei Folgeaufträge, jeweils<br />
mit einer jährlichen Produktionskapazität von 450.000 t<br />
Propylen, akquirieren.<br />
Der STAR process ® hat von allen am Markt erhältlichen<br />
Verfahren zur Propandehydrierung die höchste<br />
Produktivität und den geringsten spezifischen Energie- und<br />
Katalysatorverbrauch. Zudem ist es das robusteste und bedienungsfreundlichste<br />
Verfahren. Mit dem STAR process ®<br />
kann Uhde seinen Kunden komplette Prozessketten aus-<br />
STAR process ® – Ein neues hochproduktives Verfahren zur Propylenherstellung / 49<br />
Rektifikation<br />
Gastrennung<br />
gehend von Propan zu hochwertigen Produkten, wie dem<br />
Polypropylen oder auch dem Propylenoxid liefern. Für<br />
die Herstellung von Propylenoxid bietet Uhde das HPPO-<br />
Verfahren (HPPO = Hydrogen Peroxide Propylene Oxide)<br />
an, das zusammen mit der Firma Evonik entwickelt wurde.<br />
Dabei tritt Uhde sowohl als Lizenzgeber und Lieferant<br />
des STAR catalyst ® , als auch als Engineering- und EPC<br />
(Engineering, Procurement, Construction)-Kontraktor auf<br />
und kann somit Aufträge für Kunden im Rahmen einer<br />
“Single-Point-Responsibility“ abwickeln. Zudem tauscht<br />
sich Uhde mit dem Kunden auch nach Anlagenübergabe<br />
regelmäßig über neue Entwicklungen aus und unterstützt<br />
diesen als After-Sales-Service-Provider, z.B. als Lieferant<br />
von Katalysator Nachfolgefüllungen oder mit Remote-<br />
Performance-Management-Service, über die gesamte<br />
Anlagenlebensdauer.<br />
Der in diesem Artikel vorgestellte STAR process ® mit oxida-<br />
tiver Dehydrierung wurde mit dem 1. Preis des ThyssenKrupp<br />
Innovationswettbewerbes 2009 ausgezeichnet.
50 /<br />
Thema<br />
Mobiles Stauberfassungssystem auf der Hochbahnbunkeranlage im Hochofenbetrieb bei ThyssenKrupp Steel Europe in Duisburg-Hamborn<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
Mobile High-Performance-Entstaubung<br />
für die Schüttgutentladung<br />
Dipl.-ing. anDrEaS pETErS Bereichsleiter Sales & Marketing uhde Services gmbH Haltern am See<br />
anDré KuHn Bereichsleiter Mechanical Technology uhde Services gmbH Haltern am See<br />
Dipl.-ing. gErHarD alTmEyEr Bereichsleiter Hochofenbetrieb Hamborn ThyssenKrupp Steel Europe ag Duisburg<br />
Dipl.-ing. HanS-JürgEn lEißnEr Bereichsleiter Entstaubungstechnik/EA ThyssenKrupp Steel Europe ag Duisburg<br />
Bild 1 / Hochofen 8 in Duisburg-Hamborn<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
Ständig steigende Umweltauflagen zur Reduzierung von Feinstaubemissionen beim Schüttgutumschlag<br />
setzen neue Maßstäbe für Hüttenwerksbetreiber. Von Uhde Services und<br />
ThyssenKrupp Steel Europe gemeinsam entwickelt befindet sich seit Januar 2008 eine<br />
weltweit einzigartige mobile High-Performance-Entstaubungsanlage für die Schüttgutentladung<br />
auf der Hochbahnbunkeranlage im Hochofenbetrieb Duisburg-Hamborn in Betrieb.<br />
Hochbahnbunkeranlage<br />
Die Hochöfen 8 / Bild 1 / und 9 bei ThyssenKrupp Steel<br />
Europe in Duisburg-Hamborn werden über eine Hochbahn-<br />
bunkeranlage / Bild 2 /, bestehend aus 64 Tagesbunkern,<br />
mit den notwendigen Rohstoffen versorgt. Die Rohstoffe<br />
werden über Güterzüge angeliefert, die je nach Rohstoffart<br />
eines der drei Zufahrtsgleise zur erhöhten Bunkeranlage<br />
zugewiesen bekommen und dort die Rohstoffe in die<br />
Tagesbunker abkippen. Der tägliche Materialumschlag<br />
über die 64 Tagesbunker beträgt ca. 18.000 Tonnen.<br />
/ 51<br />
Aufgabenstellung<br />
Im Zuge des Neubaus von Hochofen 8 war es zum Schutz<br />
der Umwelt vor Feinstaubemissionen notwendig, ein hoch-<br />
modernes Stauberfassungssystem für die Hochbahnbunkeranlage<br />
zu entwickeln. Mit dem Erfassungssystem<br />
sollten die während der Waggonentladung entstehen-<br />
den Feinstaubemissionen direkt aufgefangen und der zentralen<br />
Filteranlage geregelt zugeführt werden. Das neue<br />
System musste auf der Anfang des 20. Jahrhunderts<br />
erbauten Hochbahnbunkeranlage, in die nur sehr begrenzte<br />
Bild 2 / Übersicht der Hochbahnbunkeranlage (ohne Entstaubungsanlage)
52 / Mobile High-Performance-Entstaubung für die Schüttgutentladung<br />
Überleitkästen<br />
Absaugwagen<br />
Bandöffnerwagen<br />
Staubsammelleitung<br />
Stationäre Erfassungshauben<br />
Stahlbau Absaugwagen<br />
Bild 3 / Übersicht Gleis mit Absaugwagen und Sammelleitung<br />
Zusatzlasten eingeleitet werden dürfen, integriert werden.<br />
Eine ganz besondere Herausforderung bestand darin,<br />
ein modulares System zu entwickeln, bei dem die einzelnen<br />
Komponenten in größtmöglichen Einheiten angeliefert<br />
werden können, um die notwendigen Gleissperrungen<br />
für das Ziehen der Teile so kurz wie möglich zu gestalten<br />
und die laufende Produktion der übrigen Hochöfen nicht<br />
zu stören. Nach dem Anblasen des neuen Hochofens<br />
8 sollte Hochofen 4 außer Betrieb genommen werden.<br />
Letztendlich erlaubte das zu installierende System es sogar,<br />
während des Aufbaus umfangreiche Reparaturen an der<br />
Vorratsbunkeranlage durchzuführen.<br />
Modellversuche Erfassungshauben<br />
Um eine optimale Gestaltung der stationären Erfassungs-<br />
hauben – unter Berücksichtigung von möglichen Energie-<br />
einsparpotenzialen – sicherzustellen, mussten die Strö-<br />
mungsverhältnisse der Emissionen während des Abkippens<br />
der unterschiedlichen Materialien genau untersucht<br />
werden. Mit dieser Aufgabe beauftragte ThyssenKrupp<br />
Steel Europe das Unternehmen Kessler + Luch, das in<br />
seinem Labor Bunker unterschiedlicher Größe sowie<br />
einen Waggon im Maßstab 1:10 nachbildete und über<br />
verschiedene Versuchsreihen die optimalen Basis-Daten<br />
für die stationären Erfassungshauben ermittelte. Vor dem<br />
Umsetzen in die Praxis wurden an den Bunkern letzte<br />
Betriebsversuche durchgeführt.<br />
3D-Modell und Simulation<br />
Für die vorhandene Hochbahnbunkeranlage mit allen Stör-<br />
kanten, wie z.B. die Huntebahnen (Schrägaufzüge), Rohr-<br />
trassen sowie Lichtraumprofile der Gleisanlagen, erstellte<br />
Uhde Services ein 3D-Modell / Bild 3 /. In dieses Modell<br />
wurde ebenfalls das Hauptstützgerüst der Anlage integriert,<br />
um über die vorgegebenen Lasteinleitungspunkte die<br />
Spannweite der Absaugrohrbrücken und der Laufschienen<br />
für die mobilen Absaugwagen festzulegen. Bei der Basis-<br />
Auslegung der Absaugwagen und der Staubsammelleitungen<br />
legte Uhde Services auch einen hohen<br />
Wert auf die optimale strömungstechnische Auslegung<br />
der einzelnen Komponenten. Nachdem die aus den Laborversuchen<br />
ermittelten Basis-Daten für die stationären<br />
Erfassungshauben feststanden, wurde das Modell vervoll-<br />
ständigt. Mit Hilfe des Modells entwickelte Uhde Services<br />
ein maßgeschneidertes Lösungskonzept zur Absaugung<br />
der Feinstaubemissionen, die während der Waggon-<br />
entladung entstehen.<br />
Detail-Engineering<br />
Das anschließende Detail-Engineering konnte unter Nutzung<br />
effizienter 3D-Engineering-Tools zur<br />
° Vermeidung von Kollisionspunkten,<br />
° Optimierung der Fertigungsabläufe und<br />
° Verringerung der Engineering-Stunden für<br />
die komplexe Gesamtanlage innerhalb von<br />
drei Monaten fertig gestellt werden.<br />
Durch das angepasste Engineering in Modulbauweise<br />
konnte die Bau- und Montageabwicklung optimiert und<br />
die Anlage während des laufenden Betriebes sicher<br />
errichtet werden / Bilder 4 und 5 /.<br />
Funktionsweise des Systems<br />
Der mobile Absaugwagen des jeweiligen Gleises wird mit<br />
einer Funkfernsteuerung über den zu entladenden<br />
Waggon gefahren und dockt an den beiden stationären<br />
Erfassungshauben an, die links und rechts der Gleise den<br />
Bunker abdecken / Bild 3 /. Der Waggon wird vom Absaug-<br />
wagen umhüllt und bietet somit zusätzlichen Schutz<br />
vor dem Austritt von Restemissionen. Der zum Absaug-<br />
wagen gehörende Bandöffnerwagen lenkt das Gummi-<br />
abdeckband der Sammelleitung um und stellt somit<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
Bild 4 / Fertigung und Montage der Anlage<br />
eine ständige Verbindung zur Staubsammelleitung her,<br />
die zur zentralen Filteranlage führt. Er bildet so das<br />
Bindeglied zwischen den stationären Hauben und der<br />
zentralen Staubsammelleitung, die parallel zu dem jeweiligen<br />
Gleis liegt. Bevor der Waggon entleert wird,<br />
fordert der Anlagenfahrer über die Funkfernsteuerung bei<br />
der zentralen Filteranlage die notwendige Saugleistung<br />
an. Das mobile Stauberfassungssystem kann ebenfalls<br />
für den vollautomatischen Betrieb ausgelegt werden.<br />
Durch ein ausgefeiltes Überwachungssystem werden alle<br />
Sicherheitsaspekte berücksichtigt.<br />
Umweltgerechte und kosteneffiziente<br />
Anlagenentwicklung<br />
Die Anlage zeichnet sich durch die in Laborversuchen<br />
optimierten Stauberfassungshauben, die einen Erfassungsgrad<br />
zwischen 91 und 97 % erreichen, und einen um ca.<br />
50 % niedrigeren Energieverbrauch gegenüber herkömm-<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
Bild 5 / Seitliche Waggon-Absaugung<br />
Mobile High-Performance-Entstaubung für die Schüttgutentladung / 53<br />
lichen Systemen aus. Zusätzlich werden durch die mobile<br />
Lösung, bei der überflüssige Verbindungsrohre einschließ-<br />
lich der Absperrorgane zu den Staubsammelleitungen<br />
entfallen, die Investitionskosten sowie jährliche Instand-<br />
haltungs- und Reparaturkosten um ca. 27 % gesenkt.<br />
Mit der erfolgreichen Entwicklung und Umsetzung<br />
des mobilen High-Performance-Entstaubungssystems<br />
für die Schüttgutentladung auf der vorhandenen Hochbahnbunkeranlage<br />
bei ThyssenKrupp Steel Europe werden<br />
neue Maßstäbe in Bezug auf ein extrem effizientes<br />
Stauberfassungssystem in Verbindung mit einem sehr<br />
niedrigen Energieverbrauch gesetzt.<br />
Die Unterschreitung der gesetzlich geforderten<br />
Grenzwerte durch den sehr hohen Erfassungsgrad tragen<br />
erheblich zur Verringerung des Feinstaubgehaltes in der<br />
Wohnnachbarschaft von ThyssenKrupp Steel Europe in<br />
Duisburg-Hamborn bei.
54 / Thema<br />
Poysius-Zementanlage in Ben Ahmed/Marokko<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
Polysius-AFR-Strategie<br />
Dr.-ing. DiETmar ScHulz Senior Executive R&D polysius ag Neubeckum<br />
Dipl.-ing. Karl mEnzEl Senior Executive Engineering Clinker Production polysius ag Neubeckum<br />
Dr. rEr. naT. HuBErT BaiEr Senior Project Manager Alternative Resources polysius ag Neubeckum<br />
Im Herstellungsprozess von Zement sind etwa ein<br />
Drittel der CO 2-Emissionen auf den Brennstoffverbrauch<br />
zur Entkarbonatisierung der Rohstoffe<br />
und zur Erzeugung der hohen Sintertemperaturen<br />
von über 1.400 °C zurückzuführen. Um diese<br />
Emissionen deutlich zu senken, sollen vermehrt<br />
’Alternative Fuels and Raw Materials’ (AFR) eingesetzt<br />
werden. Polysius hat hierzu eine maßge-<br />
schneiderte Strategie entwickelt und umgesetzt,<br />
die ein hohes Wachstumspotenzial aufweist und<br />
eine deutliche Erweiterung der Wertschöpfungs-<br />
kette bedeutet.<br />
Zementherstellung<br />
Die Herstellung von Zement bedarf eines beachtlichen Know-hows<br />
und ist ein ressourcen- und kostenintensiver Prozess. Es handelt sich<br />
dabei um einen kontrollierten Stoffumwandlungsprozess von natürlich<br />
vorkommenden Rohstoffen in ein weltweit genormtes Bindemittel mit<br />
hydraulischen Eigenschaften. Das bedeutet, dass Zement nach dem<br />
Anmachen mit Wasser abbindet und auch unter Wasser seine Stabilität<br />
und Festigkeit beibehält. Hauptbestandteil aller Zemente ist der<br />
Portlandzementklinker (kurz: Klinker), der aus mineralischen Rohstoffen<br />
bei Brennguttemperaturen um die 1.450 °C entsteht. Als natürliche<br />
Rohstoffe werden Kalkstein oder Kalkmergel sowie Sand, Ton und<br />
Eisenerz eingesetzt. Diese Rohmaterialkomponenten werden aufwendig<br />
vorbehandelt und müssen anschließend in dem Mischungsverhältnis<br />
vorliegen, das für die spätere Zusammensetzung des gebrannten<br />
Klinkers erforderlich ist. Das resultierende Rohmehl wird dem Vorwärmer<br />
des Zementherstellungsprozesses im Gegenstrom aufgegeben und<br />
schließlich bei Brenntemperaturen von 850-900 °C im Calcinator ent- Bild 1 / Drehrohrofen in La Robla/Spanien<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
/ 55<br />
karbonatisiert, d.h. CO 2 aus dem Kalkstein ausgetrieben / Bild 1 /.<br />
Ein mittelgroßes Zementwerk benötigt etwa 170 MW thermische<br />
Leistung, wobei der Energieeintrag im Verhältnis 1:1 gleichzeitig über die<br />
Feuerungen des Calcinators und über den Hauptbrenner erfolgt. Dabei<br />
werden etwa 850 kg CO 2 pro Tonne Zement emittiert, das zu 61 % aus<br />
dem Rohmaterial, zu 32 % aus den Brennstoffen und zu 7 % aus<br />
dem elektrischen Energiebedarf stammt. Dieses entkarbonatisierte<br />
Material (Heißmehl) wird dem Drehrohrofen zugeführt, in dem die<br />
Festkörperreaktionen zwischen den Rohmehlbestandteilen ablaufen.<br />
Durch die Rotation des Drehrohrofens wird das Material durch den Ofen<br />
transportiert und innig vermischt. Aufgrund einer sich bildenden Teilschmelze<br />
entstehen dabei Granalien, der so genannte Zementklinker.<br />
Er wandert unter der ca. 2.000 °C heißen Flamme des Hauptbrenners<br />
durch und muss am Ende des Drehrohrofens, im Klinkerkühler, schnell<br />
abgekühlt werden. In diesem hoch reaktiven, erkalteten Zustand wird der<br />
Klinker mit Gips und weiteren Zusatzstoffen zu einem normgerechten<br />
Zement gemahlen, aus dem wiederum mit Sand und Kies der bekannte<br />
Baustoff Beton gemischt wird / Bild 2 /.
56 / Polysius-AFR-Strategie<br />
Bild 2 / Prozess der Zementherstellung: Steinbruch (links), Brennprozess (Mitte), Zementmahlung (rechts)<br />
AFR-Strategie<br />
Die in den letzten Jahren entwickelte und bereits zum großen Teil<br />
umgesetzte AFR-Strategie (Alternative Fuels and Raw Materials) hat<br />
zum Ziel, die CO 2-Emissionen bei der Zementherstellung deutlich zu<br />
senken. Sie zielt bei den Brennstoffen auf die Nutzung industrieller<br />
Abfallstoffströme ab, die bei den hohen Temperaturen im Drehrohrofen<br />
sicher und ohne Schadstoffe zu emittieren umgesetzt werden. Die<br />
gesamte Aufbereitungskette von der Sammlung bis zur Verbrennung<br />
im Zementprozess ist in / Bild 3 / dargestellt.<br />
Die AFR-Strategie von Polysius setzt nicht am Beginn der Aufbereitungskette<br />
an, sondern an deren Ende, bei der Verbrennung. Da<br />
der Baustoff Zement international genormt ist und hohen Qualitätsanforderungen<br />
genügen muss, benötigt der Einsatz variabel zusammengesetzter<br />
Brennstoffe ein großes Know-how der Zementherstellung,<br />
das sich Polysius in seiner mehr als 150-jährigen Geschichte erarbeitet<br />
hat. Dieses Know-how bezieht sich zum einen auf die Verbrennungseigenschaften<br />
der Brennstoffe (Umsetzungsrate, Kinetik, Flammenbildung<br />
etc.) und zum anderen auf die Auswirkungen des nicht brennbaren<br />
Anteils auf die Zementeigenschaften. Fast alle Brennstoffe, außer<br />
Öl und Gas, weisen einen mehr oder minder großen Anteil an Asche<br />
auf. Die Asche ist die Summe aller nicht brennbaren Bestandteile eines<br />
Primär- und Sekundärbrennstoffes. Viele Kunststoffe weisen einen<br />
Ascheanteil von 20 - 40 % auf, der im Wesentlichen aus den zugesetz-<br />
ten Füllstoffen resultiert. Bei ihnen handelt es sich meist um kalzium-<br />
oder siliziumhaltige Materialien aber auch um Zinkoxid oder Titanoxid.<br />
Eigene Produkte Ausbau Produktportfolio<br />
Logistik<br />
Trocknung<br />
biologisch<br />
Nachzerkleinerung<br />
Vorzerkleinerung<br />
Trocknung<br />
thermisch<br />
Bild 3 / AFR-Strategie mit der Erweiterung der Wertschöpfungskette<br />
Siebung Sichtung<br />
„EBS-Mühle“ NIR/QS<br />
Klärschlamm weist je nach Herkunft einen Ascheanteil von 20 - 56 %<br />
auf, in dem auch nennenswerte Anteile von Chrom, Kupfer, Nickel und<br />
Blei sowie Phosphor enthalten sein können. All diese Stoffe werden<br />
im Brennprozess in den Klinker eingebunden, aus dem der Zement<br />
ermahlen wird. Sie sind dann unlöslich und können aus dem Zement<br />
nicht mehr ausgelaugt werden. Allerdings können sich diese Stoffe<br />
in unterschiedlichem Maße auf die Verarbeitungseigenschaften des<br />
Zementes auswirken. Somit ist die Kenntnis dieser Einflüsse der<br />
Schlüssel für den Einsatz der unterschiedlichen AFR-Materialien und<br />
letztendlich der Grund dafür, warum die AFR-Strategie nicht am<br />
Anfang sondern am Ende der Aufbereitungskette ansetzt.<br />
Der erste Schritt in der Umsetzung der Strategie bestand darin,<br />
den Calcinator, in dem etwa 50 % des Brennstoffes bei 850 - 900 °C<br />
eingesetzt werden, so zu modifizieren, dass er mit bis zu 100 % Ersatzbrennstoffen<br />
betrieben werden kann. Die beiden von Polysius entwickelten<br />
Calcinatoren der Bauart CC (Combustion Chamber) und<br />
MSC (Multi Stage Combustion) wurden je so verändert, dass anstelle von<br />
pulverfein aufgemahlener Kohle Brennstoffe mit einer Stückgröße von<br />
bis zu 80 mm aufgegeben und sicher verbrannt werden können.<br />
° Der erste Auftrag dieser Art (Bauart CC) wurde in den USA gebaut<br />
/ Bild 4 /.<br />
° Der zweite Auftrag dieser Art (Bauart MSC) wurde für eine Anlage<br />
in Ungarn in die Lage versetzt, grobe Brennstoffe sicher zu verbrennen<br />
/ Bild 5 /.<br />
Ballistik<br />
Ballierung<br />
Lagerung Förderung Dosierung MSC-Calcinator CC-Kammer<br />
EBS = Ersatzbrennstoffe<br />
NIR = Nahinfrarotspektroskopie<br />
QS = Qualitätssicherung<br />
Prepol-SC Hauptbrenner<br />
Fe-/NE-<br />
Abscheidung<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
Bild 4 / Zementanlage in Harleyville/USA mit Calcinator der Bauart CC (Combustion Chamber)<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
Thema / / 57
58 / Thema Polysius-AFR-Strategie<br />
Bild 5 / Zementanlage in Beremend/Ungarn mit Calcinator der Bauart MSC (Multi Stage Combustion)<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
Nach der erfolgreichen Weiterentwicklung der Calcinatoren wurde der<br />
Hauptbrenner für den Einsatz von Ersatzbrennstoffen entwickelt,<br />
der Polflame VN (Variable Nozzle), dessen Prototyp sich zurzeit in der<br />
Erprobung befindet. Da in der Sinterzone aber Materialtemperaturen<br />
von 1.450 bis 1.500 °C erzielt werden müssen, werden bezüglich der<br />
Qualität und der Stückgröße dieser Stoffe besonders hohe Anforde-<br />
rungen an den Brenner gestellt. / Bild 6 / gibt den Zusammenhang<br />
zwischen dem Aufbereitungsgrad und der geeigneten Brennstelle im<br />
Zementprozess wider.<br />
Für den konsequenten Schritt zum Einsatz noch gröberer Brennstoffe<br />
von bis zu 200 mm Stückgröße befindet sich momentan der<br />
Prepol SC (Step Combustor) in der Entwicklung, der die mechanische<br />
Aufbereitung durch eine thermische ersetzt. Der erste Prototyp soll<br />
Ende 2012 in Betrieb genommen werden.<br />
Da nunmehr die ersten Aggregate für eine sichere Umsetzung alternativer<br />
Brennstoffe erfolgreich in Betrieb sind, wird die Strategie weiter<br />
umgesetzt, indem die in / Bild 3 / dargestellte Wertschöpfungskette<br />
“up-stream“ durch den Ausbau des Produktportfolios erweitert wird.<br />
Dies bedeutet, die Annahme auf dem Zementwerksgelände, die<br />
Dosierung und die Förderung der Brennstoffe in den Prozess mit<br />
Maschinen und Anlagen werden aus einer Hand realisiert. Um diese<br />
Polysius-AFR-Strategie schließlich mit der Aufbereitung der Ausgangs-<br />
materialien zu vervollständigen, wird bedarfsgerecht mit geeigneten<br />
Partnern kooperiert. So wurde vor kurzem das seit längerem in<br />
der Planung befindliche Joint Venture mit dem Namen Vecoplan<br />
FuelTrack gegründet, in dem die Unternehmen Polysius und Vecoplan<br />
ihr Know-how bezüglich des Einsatzes von AFR in der Zement-<br />
industrie bündeln. Somit kann Polysius seinen Kunden einen welt-<br />
weiten Service anbieten, geeignete Ausgangsstoffströme zu identi-<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
< 250 mm<br />
H u~14.000 kJ/kg<br />
< 80 mm<br />
H u~16.000 kJ/kg<br />
Identifikation u Aufbereitung u<br />
< 25 mm<br />
Hu~20.000 kJ/kg<br />
< 3 mm<br />
H u ~22.000 kJ/kg<br />
Bild 6 / Aufbereitung als Bindeglied zwischen der identifizierten Abfallzusammensetzung und der avisierten Brennstelle<br />
u<br />
u<br />
u<br />
u<br />
Stufen-Brennkammer<br />
Calcinator<br />
Hauptbrenner<br />
Polysius-AFR-Strategie / 59<br />
fizieren, verfahrensspezifisch und bedarfsgerecht aufzubereiten und<br />
sie so zu handhaben, dass sie produkt- und emissionsneutral sowie<br />
auch kostengünstig eingesetzt werden können. Ausgehend von<br />
dem erarbeiteten Know-how für die Verbrennung alternativer Brenn-<br />
stoffe und deren Auswirkungen auf die Zementqualität sowie der<br />
Gründung des Joint Ventures, steht die Umsetzung der AFR-Strategie<br />
kurz vor ihrer Vollendung.<br />
Fazit<br />
Die Motivation und der Kundennutzen im Ersatz regulärer Brennstoffe<br />
durch AFR liegen in der Kostenersparnis und in der Reduktion von<br />
CO 2-Emissionen. So kann ein mittleres Zementwerk mit einer Tagesproduktion<br />
von 5.000 t Zementklinker durch das Recycling von Abfallstoffen<br />
etwa 165.000 t Kohle pro Jahr einsparen, was durchaus<br />
einem zweistelligen Millionenbetrag bei den operativen Kosten entspricht.<br />
Werden 50 % der Kohle zudem durch biogene AFR (Holz,<br />
Reisschalen, Klärschlamm etc.) ersetzt, so benötigt das Werk pro Jahr<br />
für ca. 230.000 t CO 2 weniger Emissionszertifikate.<br />
Allein der Vergleich zwischen Europa und Deutschland belegt das<br />
große Marktpotenzial. Während in Deutschland im Durchschnitt bereits<br />
über 60 % des Primärbrennstoffes substituiert werden, liegt der<br />
europäische Durchschnitt aktuell bei einer thermischen Substitutions-<br />
rate von nur 20 %. Der Nachholbedarf ist dementsprechend allein in<br />
Europa sehr hoch.<br />
Die in diesem Artikel vorgestellte AFR-Strategie von Polysius wurde<br />
mit dem ThyssenKrupp Sonderinnovationspreis „Energie und Umwelt“<br />
2010 ausgezeichnet.
60 /<br />
ThermoTecSpring ®<br />
Hochfeste Leichtbau-Feder<br />
als Beitrag zur CO 2-Reduzierung<br />
Dr.-ing. marcEl groß Engineering/Prozesse Schraubenfedern<br />
ThyssenKrupp Bilstein Suspension gmbH Hagen-Hohenlimburg<br />
Warmgeformte Tragfeder mit hoher Festigkeit<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
Leichtbautragfedern<br />
Als Teil der Radaufhängung trägt die Fahrzeugtragfeder<br />
zum einen die Aufbaumasse und erlaubt zum anderen<br />
durch ihren Federweg die Relativbewegung zwischen<br />
Rad und Aufbau. In den letzten Jahrzehnten konnte<br />
das Gewicht von Fahrzeugtragfedern erheblich verringert<br />
werden. Dies wurde durch eine kontinuierliche Anhebung<br />
der Vergütefestigkeit der eingesetzten Federwerkstoffe<br />
erreicht, weil damit eine höhere Materialausnutzung<br />
verbunden ist. Die Festigkeiten heutiger Tragfedern-<br />
werkstoffe liegen im Bereich zwischen 1.900 MPa und<br />
2.050 MPa. Da aber eine Festigkeitssteigerung mit einer<br />
gegenläufigen Abnahme der Werkstoffzähigkeit verbunden<br />
ist, muss, um die geforderte Lebensdauer der Federn<br />
sicherzustellen, bei einer Festigkeitserhöhung auch die<br />
Zähigkeit des vergüteten Werkstoffes durch geeignete<br />
Maßnahmen gesteigert werden.<br />
Der von ThyssenKrupp Bilstein eingesetzte ’High<br />
Performance ThermoTec Process’ ist ein weiterentwickeltes<br />
Warmumformverfahren, das sich für alle warm geformten<br />
Schraubendruckfedern mit zylindrischem Draht eignet.<br />
Durch diesen Prozess wird die Zähigkeit des Federwerk-<br />
stoffes erhöht. Damit lassen sich bei der neuen Federgeneration<br />
ThermoTecSpring ® Festigkeiten von bis zu<br />
2.200 MPa einstellen. Da der optimierte Werkstoff unter<br />
statischer und dynamischer Belastung höhere Spannungen<br />
ertragen kann, lässt sich eine Schraubenfeder bei gleicher<br />
Lebensdauer mit kleinerem Drahtdurchmesser und gerin-<br />
gerer Windungszahl herstellen.<br />
Damit trägt die ThermoTecSpring ® zur Senkung des<br />
Kraftstoffverbrauches und zur Reduktion des CO 2-Ausstoßes<br />
bei. Zusätzlich bietet sie aber auch die Möglichkeit einer<br />
Bauraumverringerung. So lässt sich unter anderem der<br />
Fußgängerschutz verbessern, denn der Abstand zwischen<br />
der starren Struktur der Federbeinoberseite und der Motorhaube<br />
kann größer bemessen werden.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
ThermoTecSpring ® – Hochfeste Leichtbau-Feder als Beitrag zur CO 2-Reduzierung / 61<br />
Mit der Anpassung des Verfahrens der thermomechanischen Umformung an die<br />
Anforderungen der Warmfertigung von Schraubendruckfedern ist es ThyssenKrupp<br />
Bilstein Suspension gelungen, die Eigenschaften des Materials so zu verändern, dass<br />
höher beanspruchbare Federn realisiert werden können. Damit ist der Weg frei für<br />
leichtere Federn mit geringeren Drahtdurchmessern sowie kürzere Federdesigns bei<br />
gleicher Performance. Gemessen an den normalfesten Tragfedern ermöglicht die<br />
ThermoTecSpring ® -Technologie je nach Anwendungsfall eine Gewichtsersparnis<br />
von 15 bis 20 % pro Feder. Damit trägt die ThermoTecSpring ® zur Senkung des<br />
Kraftstoffverbrauches und zur Reduktion des CO 2 -Ausstoßes bei.<br />
Feines Gefüge durch thermomechanische Umformung<br />
Die thermomechanische Behandlung von Werkstoffen zur<br />
Verbesserung ihrer mechanischen Eigenschaften ist ein<br />
bewährtes Verfahren, das beispielsweise in der Warmblech-<br />
umformung schon seit langem genutzt wird. Bei der Her-<br />
stellung von Fahrzeugtragfedern beschränkte sie sich<br />
bisher allerdings auf Blattfedern. ThyssenKrupp Bilstein ist<br />
es mit dem ’High Performance ThermoTec Process’ (HPTP)<br />
gelungen, die thermomechanische Umformung auch für die<br />
Produktion von Schraubendruckfedern verfügbar zu machen.<br />
Der HPT-Prozess basiert auf einer Kombination aus<br />
mechanischer Umformung und definierter Wärmeführung<br />
des Federdrahtes mit dem Ziel, seine Zähigkeit zu erhöhen.<br />
Temperatur- und zeitabhängige Rekristallisationsprozesse<br />
im Werkstoff führen während und nach der Umformung<br />
dazu, dass sich ein feineres Gefüge ausbildet / Bild 1 /.<br />
Durch anschließendes Härten des behandelten Materials<br />
wird dieses feinere Gefüge fixiert.<br />
Walzgut auf<br />
Warmverformungstemperatur<br />
Bild 1 / Rekristallisationsvorgänge beim Warmwalzen<br />
1 Unverformtes Korn<br />
2 Kornneubildung an<br />
Kristallisationskeimen<br />
3 Beginn des Kornwachstums<br />
durch Rekristallisation<br />
4 Verformtes Korn<br />
5 Ende des Kornwachstums<br />
durch Rekristallisation
62 / ThermoTecSpring ® – Hochfeste Leichtbau-Feder als Beitrag zur CO 2-Reduzierung<br />
Während im Standardprozess der Federwarmfertigung<br />
der auf Austenittemperatur erwärmte Federdraht (Stab)<br />
sofort zur Schraubenfeder gewickelt / Bild 2 / und anschlie-<br />
ßend gehärtet wird, ist beim HPTP ein zusätzlicher Schrägwalzvorgang<br />
zwischen dem Erwärmen und Wickeln des<br />
Federdrahtes integriert / Bild 3 /. Der Federdraht wird dabei<br />
über drei schräg zur Stabachse versetzte Walzen in einem<br />
Stich auf den Enddurchmesser gewalzt / Bild 4 /. Um<br />
den Gefüge verfeinernden Effekt hervorzurufen, muss dabei<br />
ein kritischer Umformgrad überschritten werden.<br />
Merkmale der ThermoTecSpring ®<br />
Für den Leichtbau bei Tragfedern ist die größere Materialzähigkeit<br />
entscheidend, denn mit zunehmender Festigkeit<br />
sind typischerweise eine Abnahme der Zähigkeit und<br />
damit gleichzeitig eine erhöhte Kerbempfindlichkeit ver-<br />
bunden. Erst dank der hohen Zähigkeit des Werkstoffes<br />
nach Durchlaufen des HPTP lassen sich an der<br />
ThermoTecSpring ® Festigkeiten von bis zu 2.200 MPa ein-<br />
stellen – und dies ohne Nachteile für die Bauteillebensdauer.<br />
Grundsätzlich lassen sich alle warm geformten<br />
Schraubendruckfedern mit zylindrischem Draht als<br />
ThermoTecSpring ® fertigen. Die Gewichtsersparnis liegt bei<br />
ca. 15-20 %, die konkrete Größe muss allerdings für jede<br />
Feder individuell ermittelt werden, denn sie ist abhängig<br />
von der Komplexität der an das jeweilige Bauteil gestellten<br />
Anforderungen: So können zum Beispiel Faktoren wie<br />
Kennlinie, Bauraum, Querkraftkompensation, Einbausituation<br />
und Lebensdauer limitierende Randbedingungen<br />
für die erzielbare Gewichtsreduktion darstellen.<br />
Das hohe Festigkeitsniveau des warm umgeformten<br />
Stahles ist der unmittelbare Schlüssel zu Gewichtseinsparungen.<br />
Bei der Auslegung einer Schraubenfeder<br />
bedeutet eine Steigerung der Festigkeit des Federwerk-<br />
stoffes, dass das Material mit einer höheren Torsionsspannung<br />
beaufschlagt werden kann. Vereinfacht ausgedrückt,<br />
lässt sich deshalb der Drahtdurchmesser d der<br />
Feder bei gleichbleibender Kraft F reduzieren / Bild 5 /.<br />
In der komplexeren Auslegung ergibt sich dabei ein<br />
Zusammenspiel aus der Verringerung des Drahtdurchmessers<br />
d sowie der Windungszahl n.<br />
Bild 2 / Federwarmfertigung: Wicklung des Federdrahtes zur Schraubenfeder<br />
Bisher<br />
Neu<br />
Staberwärmung Wickeln Härten<br />
Staberwärmung HPTP Wickeln Härten<br />
Bild 3 / Prozessschritte der Federfertigung<br />
Bild 4 / Prinzip des Warmumformprozesses<br />
d0<br />
d0 Ausgangsdurchmesser Federdraht<br />
d1 Enddurchmesser Federdraht<br />
d1<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
Konventionelle Feder ThermoTecSpring ®<br />
Windungszahl n 1 Windungszahl n 2 < n 1<br />
Rate c 1 Rate c 2 = c 1<br />
Drahtdurchmesser d 1 Drahtdurchmesser d 2 < d 1<br />
(Zug-) Festigkeit Rm 1 (Zug-) Festigkeit Rm 2 > Rm 1<br />
Max. Torsionsspannung t max,1 Max. Torsionsspannung t max,2 > t max,1<br />
Gewicht m 1 Gewicht m 2 < m 1<br />
Lebensdauer N 1 Lebensdauer N 2 = N 1<br />
Bild 5 / Kennzahlen ThermoTecSpring ® vs. konventionelle Feder<br />
Vergleichende Gegenüberstellung der Federhöhe<br />
Standardfestigkeit ThermoTecSpring ®<br />
(verringerte Windungszahl,<br />
geringerer Drahtdurchmesser)<br />
Bild 6 / Konstruktive Schritte zur leichten ThermoTecSpring ®<br />
Die ThermoTecSpring ® hat die gleiche Federrate c wie<br />
die konventionelle Feder, durch die verringerte Windungszahl<br />
und den geringeren Drahtdurchmesser insgesamt aber eine<br />
geringere Masse m. Weil durch den Warmumformprozess<br />
die Zähigkeit des Werkstoffes erhöht wurde, bleibt die<br />
Bauteillebensdauer der ThermoTecSpring ® auf dem Niveau<br />
der konventionellen Feder. Bereits durch eine reine<br />
Substitution von konventionell verarbeitetem Federstahl<br />
mit dem Werkstoff aus dem HPT-Prozess kann deshalb das<br />
Komponentengewicht sinken. Eine Verkürzung der Feder-<br />
länge bei zusätzlicher Gewichtseinsparung lässt sich in<br />
einem anschließenden Auslegungsschritt verwirklichen.<br />
Die beiden konstruktiven Entwicklungsschritte von<br />
der konventionellen Feder zur leichteren und kürzeren<br />
ThermoTecSpring ® sind anhand / Bild 6 / nachvollziehbar:<br />
Im ersten Schritt ist die Auslegung einer Thermo-<br />
TecSpring ® ohne Längenänderung (reine Substitution)<br />
dargestellt, wobei sowohl der Drahtdurchmesser als auch<br />
die Windungszahl der Feder verringert werden. Der zweite<br />
Schritt hin zur verkürzten ThermoTecSpring ® basiert auf<br />
der Tatsache, dass infolge der verminderten Windungszahl<br />
und des dünneren Stabdurchmessers der Abstand<br />
(Freiraum) zwischen den einzelnen Windungen größer<br />
ThermoTecSpring ® – Hochfeste Leichtbau-Feder als Beitrag zur CO 2-Reduzierung / 63<br />
ThermoTecSpring ®<br />
(verkürzt)<br />
Federkraft<br />
π · d3<br />
F = t ·<br />
8 · D<br />
D L 0<br />
geworden ist. Wird dieser auf einen notwendigen Mindest-<br />
wert zurückgeführt, verringert sich sowohl die Federlänge<br />
als auch erneut das Federgewicht.<br />
Zusammenfassung und Ausblick<br />
Mit der thermomechanischen Umformung des Federstahldrahtes<br />
wurde von ThyssenKrupp Bilstein Suspension ein<br />
neuer Prozess entwickelt, der die Herstellung von Leichtbau-<br />
Federn mit einer Gewichtsersparnis, die je nach Anwen-<br />
dungsfall zwischen 15 und 20 % liegen kann, ermöglicht. So<br />
leistet die ThermoTecSpring ® mit höherer Vergütefestigkeit<br />
einen Beitrag zur Gewichtsreduktion in der Aufbaufederung.<br />
Berücksichtigt man die zusätzliche Option, die Federlänge<br />
zu reduzieren, so unterstützen die Komponenten zwei Ent-<br />
wicklungsziele der Fahrzeughersteller: Ein geringeres Bauteilgewicht<br />
als Beitrag zur CO 2-Reduzierung sowie eine<br />
Bauraumverringerung, z.B. als Voraussetzung für einen ver-<br />
besserten Fußgängerschutz. Im Mai 2009 wurde die welt-<br />
weit erste und einzige Serienanlage zur Produktion von<br />
ThermoTecSprings ® bei ThyssenKrupp Bilstein Suspension<br />
in Betrieb genommen. Die ersten Kunden werden seitdem<br />
mit ThermoTecSprings ® beliefert.
64 /<br />
Thema<br />
Komposit-Propeller<br />
für Uboot-Klasse 212A<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 | 1 <strong>2011</strong><br />
I <strong>2011</strong>
Akustisch optimierter Propeller<br />
aus Kompositwerkstoffen<br />
Dipl.-ing. aXEl paul Theoretical Engineering, Team Strength Calculation Howaldtswerke-Deutsche Werft gmbH Kiel<br />
Dipl.-maTH. anDrEaS ScHmiDT Theoretical Engineering, Team Hydrodynamics Howaldtswerke-Deutsche Werft gmbH Kiel<br />
Dipl.-ing. Eric Wolf Theoretical Engineering, Team Hydrodynamics Howaldtswerke-Deutsche Werft gmbH Kiel<br />
Die Howaldtswerke-Deutsche Werft, eine Gesellschaft<br />
der ThyssenKrupp Marine Systems, ist auf<br />
die Konstruktion und den Bau von nichtnuklearen<br />
Ubooten spezialisiert. Für die neuen Uboote der<br />
Klassen 212A sowie 214 entwickelt und fertigt HDW<br />
einen wegweisenden neuen Propeller aus Kompositmaterial<br />
mit hochdämpfenden viskoelastischen<br />
Zwischenschichten, der mit seinen hervorragenden<br />
akustischen Eigenschaften ein weiteres Allein-<br />
stellungsmerkmal bildet, das die HDW-Uboote für<br />
die Kundenmarinen noch attraktiver macht.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
/ 65<br />
Vom Guss- zum Kompositpropeller<br />
zweiter Generation<br />
Primäre Entwicklungsziele für Ubootpropeller sind ein verbesserter<br />
Wirkungsgrad und verringerte Signaturen – akustisch, magnetisch<br />
und elektrisch. Dabei steht die Reduzierung der akustischen Signatur<br />
an der Spitze, da passives Sonar zurzeit der wirksamste Sensor gegen<br />
Uboote ist. Für das Propellerdesign bedeutet das unter anderem<br />
die vollständige Vermeidung von Kavitation und die Verringerung<br />
von Druckschwankungen am Propeller. Dies wird mit einer geeig-<br />
neten Propellergeometrie erreicht, für die HDW neue Entwurfs-<br />
werkzeuge entwickelt hat. Eine weitere Forderung ist die Vermeidung<br />
des so genannten Propellersingens und -brummens. Dies sind selbst-<br />
erregte Schwingungen der Propellerflügel, wobei das Singen vermehrt<br />
bei Frequenzen über 300 Hz und das Brummen eher darunter liegt.<br />
Diese Schwingungen können durch eine passende Geometrieänderung<br />
(Anti-Singkante) abgestellt werden. Durch eine hohe Strukturdämpfung<br />
lässt sich die Gefahr des Propellersingens schon in der Entwurfsphase<br />
nahezu ausschließen. Ein Maß für die Strukturdämpfung ist der modale<br />
Verlustfaktor η, der das Verhältnis von dissipierter Energie zu maxi-<br />
maler Formänderungsenergie für jede Schwingungsmode beschreibt.<br />
Die bisher verwendeten Gusspropeller aus der bereits hoch dämpfenden<br />
Mangan-Bronze-Legierung ’Sonostone’ haben einen modalen<br />
Verlustfaktor von η = 0,5 %. Ein modaler Verlustfaktor von η = 1 %<br />
wurde durch die erste Generation von Kompositpropellern aus Kohle-,<br />
Glas- und Aramidfasern erreicht. Erstmalig wurde ein solcher Propeller<br />
für die Klasse 206A der deutschen Marine entwickelt / Bild 1 /. Insge-<br />
samt zwei Propeller wurden für mehrere Jahre erfolgreich getestet<br />
und zeigten insbesondere gute akustische Eigenschaften. Daraufhin<br />
wurde ein größerer Kompositpropeller für die Klasse 212A entwickelt<br />
/ siehe Titelbild des Berichtes /. Im Gegensatz zum in einem Stück<br />
Bild 1 / Kompositpropeller Klasse 206A
66 / Akustisch optimierter Propeller aus Kompositwerkstoffen<br />
gegossenen Bronzepropeller, werden bei den Kompositpropellern<br />
die Propellerflügel einzeln gefertigt und an der Propellernabe montiert.<br />
Neben der erhöhten Strukturdämpfung zeichnen sich Kompositpropeller<br />
auch durch ein deutlich geringeres Gewicht und eine<br />
geringere elektrische Signatur aus.<br />
In Zukunft wird der modale Verlustfaktor durch die Verwendung<br />
von hochdämpfenden viskoelastischen Zwischenschichten im Verbund-<br />
aufbau auf einen Wert von mindestens η = 4 % gesteigert werden.<br />
Diese nächste Generation von Kompositpropellern wird nicht mehr<br />
in Zusammenarbeit mit externen Partnern entwickelt und gefertigt,<br />
sondern erfolgt über die gesamte Wertschöpfungskette bei HDW.<br />
Propellerentwurf<br />
Beim Entwurf einer Ubootantriebsanlage stehen die hydrodynamischen<br />
Eigenschaften des Propellers und dessen Anströmung im Vordergrund.<br />
Hier gilt es, den besten Kompromiss aus mehreren, sich teilweise<br />
widersprechenden Entwurfszielen zu finden. Neben einem hohen<br />
Wirkungsgrad sind meist eine geringe Kavitationsneigung und hohe<br />
Anforderungen an die akustische Signatur die geforderten Entwurfsziele<br />
für einen Ubootpropeller.<br />
Durch lokales Unterschreiten des Dampfdruckes von Wasser entstehen<br />
bei der Kavitation Dampfblasen am Propeller, die durch die anschließende<br />
Blasenimplosion erhebliche strukturelle Schäden an den entsprechenden<br />
Bauteiloberflächen verursachen können. Schlimmer noch<br />
als diese Schäden ist für ein Uboot die drastische Vergrößerung der<br />
Bild 2 / Druckkonturen an der Propelleroberfläche und Stromlinien im Propellernachlauf<br />
Verratsreichweite durch die mit Kavitation verbundenen hohen Schall-<br />
pegel. Die Kavitationsneigung kann z.B. durch ein großes Flächen-<br />
verhältnis des Propellers und die Entlastung der Propellerflügel-<br />
spitzen verringert werden. Diese Maßnahmen stehen jedoch meist im<br />
Widerspruch zu einem hohen Wirkungsgrad. Hierfür bringen ein<br />
geringes Flächenverhältnis und ein großer Propellerdurchmesser<br />
Vorteile. Die akustischen Signaturen werden wiederum stark von der<br />
Blattzahl und der Flügelrücklage, dem so genannten ’Skew’, beeinflusst.<br />
Um für all diese Anforderungen einen möglichst passenden<br />
Propeller zu finden, werden bei HDW gekoppelte Optimierungs- und<br />
Strömungssimulationsverfahren (CFD – Computational Fluid Dynamics)<br />
eingesetzt. Auf diese Weise werden für einen Propellerentwurf<br />
mehrere hundert Entwurfsvarianten auf Kavitationseinsatz, Wirkungsgrad<br />
und Signatur untersucht. Für den finalen Entwurf werden anschließend<br />
die Berechnungsergebnisse mit Hilfe von Modellversuchen<br />
verifiziert / Bild 2 /.<br />
Entwicklung hochdämpfender Faserverbundstrukturen und<br />
entsprechender Entwurfswerkzeuge<br />
Die Werkstoffeigenschaften von Faserverbundstrukturen werden von<br />
einer Vielfalt von Parametern bestimmt, darunter von der Faser-Matrix-<br />
Kombination, der Faserorientierung in den einzelnen Lagen und dem<br />
Lagenaufbau. Es besteht die Notwendigkeit, den Verbundaufbau bezüglich<br />
der vibroakustischen Auslegung zu optimieren.<br />
Z<br />
Y<br />
X<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
Zur Zeit existiert keine kommerzielle Software mit der die modale<br />
Dämpfung von Faserverbundstrukturen berechnet werden kann.<br />
Zusammen mit dem Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik<br />
der TU Dresden wurde daher eine numerische Methode zur Modellierung<br />
der Dämpfungseigenschaften von Faserverbundstrukturen<br />
entwickelt. Die Berechnungen werden mit Hilfe der neuentwickelten<br />
numerischen Prozeduren in einem Finite-Elemente-Verfahren durchgeführt<br />
und der modale Verlustfaktor als Funktion der Faserorientierung<br />
und des Lagenaufbaus maximiert. Für eine ebene Platte ergaben<br />
diese Berechnungen für den modalen Verlustfaktor einen Wert von<br />
η = 10 %. Messtechnisch wurde ein Wert von η = 8 % ermittelt. Aufgrund<br />
der deutlich höheren Komplexität der Propellerflügel erwarten wir<br />
für diese einen Wert von η = 4 %.<br />
Die Ermittlung der für die Finite-Elemente-Berechnung erforder-<br />
lichen Festigkeitskennwerte erfolgt durch Versuche an unidirektionalen<br />
Probekörpern. Diese Versuche sind zwingend erforderlich, da die<br />
rechnerische Ermittlung aus den Festigkeiten von Faser und Matrix zu<br />
keinen aussagekräftigen Ergebnissen führt.<br />
Konstruktion<br />
Zur Verbesserung der Handhabung werden – im Vergleich zu den bis-<br />
herigen Kompositpropellern an der Klasse 206A und 212A – die<br />
Propellerflügel zukünftig demontierbar sein. Die Flügel aus Verbund-<br />
werkstoff werden hierfür formschlüssig und mit einer Klebung in<br />
einen zweigeteilten Bronzefuß eingefügt, der mit Schrauben an die<br />
Bild 3 / Propellerflügel, Nabe und Ablaufhaube (rechts, HDW-Patent) für die Klasse 212A Bild 4 / Schnitt durch einen Propellerfuß<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
Akustisch optimierter Propeller aus Kompositwerkstoffen / 67<br />
Nabe montiert wird / Bilder 3 und 4 /. Dadurch ist es möglich, beschädigte<br />
Flügel auch auf See zu tauschen.<br />
Die Propellerflügel bestehen aus Kohle- und Glasfaser mit<br />
hochdämpfenden viskoelastischen Zwischenlagen. Für die Verbund-<br />
werkstoffkonstruktion einschließlich des Erstellens der Fertigungsunterlagen<br />
wird die CAD/CAM (Computer Aided Design/Computer<br />
Aided Manufacturing) Software FiberSIM ® von Vistagy verwendet.<br />
Fertigung und Qualitätssicherung<br />
HDW hat langjährige Erfahrung mit Herstellverfahren und mit der<br />
Fertigung von Teilen aus Faserverbundstoffen auf Glas-, Aramid- und<br />
Carbonfaserbasis mit hohen Ansprüchen hinsichtlich Größe, Form,<br />
Festigkeit, Genauigkeit und Oberflächenqualität. Diese Erfahrungen<br />
können auch bei der Fertigung des Kompositpropellers genutzt<br />
werden. Die Propellerflügel werden als zwei Halbschalen gefertigt.<br />
Um höchste Qualität zu erreichen, wird mit so genannten ’Prepregs’<br />
(Preimpregnated Fibers) gearbeitet. Dadurch erreicht man eine sehr<br />
gleichmäßige Verteilung und gute Ausrichtung der Fasern, eine nahezu<br />
luftblasenfreie Imprägnierung und geringe Dickenschwankungen. Die<br />
Imprägnierung der Fasern erfolgt maschinell.<br />
Die automatisiert zugeschnittenen Lagen werden mittels Laser-<br />
projektion abgelegt. Nach Kalthärten und Nachhärten/Tempern<br />
werden beide Halbschalen auf ihr endgültiges Maß gefräst, zur<br />
Kontrolle geröntgt und erst miteinander sowie abschließend mit dem<br />
Bronzefuß verklebt.
68 / Akustisch optimierter Propeller aus Kompositwerkstoffen<br />
Bild 5 / Anschlagversuche am Propeller<br />
Der Betriebsfestigkeitsnachweis erfolgt im Bauteilversuch im Maßstab<br />
1:1 bei der IMA (Materialforschung und Anwendungstechnik GmbH)<br />
in Dresden an einem Prototypenflügel. Dabei wird die doppelte<br />
Lebensdauer nachgewiesen, wobei nicht nur die normalen Betriebszustände<br />
berücksichtigt werden, sondern auch Lasten aus extremen<br />
Fahrzuständen wie Not-Stop (volle Drehzahl rückwärts) oder maximaler<br />
Beschleunigung. Nach den Bauteilversuchen wird der getestete Flügel<br />
in mehrere Teile zersägt und untersucht.<br />
Akustische Vermessung<br />
Um die angestrebte Verringerung der akustischen Signatur zu gewähr-<br />
leisten, werden umfangreiche akustische Vermessungen durchge-<br />
führt. Als erstes erfolgt die Modalanalyse der Propellerflügel in Luft.<br />
Dabei werden die Eigenfrequenzen, die Eigenformen und die<br />
modalen Dämpfungen bestimmt. Ein praktiziertes Verfahren zur<br />
Durchführung der Modalanalyse sind so genannte „Anschlag-<br />
versuche“ / Bild 5 /. Hierbei wird an einem Punkt des Flügels ein<br />
Beschleunigungsaufnehmer aufgeklebt, und ein Impulshammer<br />
regt die Flügel an mehreren definierten Punkten an. Ein weiteres<br />
bei HDW angewendetes Verfahren ist die Laservibrometer-<br />
vermessung. Die Flügel werden hierbei mit einem Shaker<br />
angeregt und die Oberflächen werden mit einem Laser abgetastet<br />
/ Bild 6 /. Interferometrisch werden die Auslenkung und die<br />
Oberflächenschnellen bestimmt / Bild 7 /. Der Vorteil gegenüber<br />
Anschlagversuchen liegt in der höheren Auflösung und in der auto-<br />
matisierten Durchführung.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
Bild 6 / Laservibrovermessung – der hintere, nicht lackierte Flügel wird vermessen Bild 7 / Eigenmode aus Laservibrovermessung<br />
Vor dem erstmaligen Auslaufen eines Bootes mit einem Kompositpropeller<br />
werden die Anschlagversuche im Wasser für einen Flügel<br />
wiederholt. Die Durchführung erfolgt mit Taucherunterstützung. Hierbei<br />
können lediglich die Eigenfrequenzen und die modalen Dämpfungen<br />
bestimmt werden.<br />
Die Bewährungsprobe für den Propeller kommt mit der Wasserschallmessung<br />
in Eckernförde (Flachwasser) und Bergen (Tiefwasser),<br />
wo das Uboot inklusive Propeller in diversen Fahrtzuständen akustisch<br />
geprüft wird.<br />
Ausblick<br />
Der neue hydrodynamisch und akustisch optimierte Kompositpropeller<br />
wird Ende des Jahres am neuen Uboot der Deutschen Marine<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
Akustisch optimierter Propeller aus Kompositwerkstoffen / 69<br />
(Typ 212A/2.Los) in Seeerprobung gehen. Diese Eigenentwicklung<br />
hat international höchstes Interesse geweckt und ihr Marktpotenzial<br />
durch Verkäufe für HDW-Uboote vom Typ 214 bewiesen.<br />
Die Technologie von Kompositpropellern mit hochviskosen<br />
Zwischenschichten bietet noch großes Potenzial zur Verringerung<br />
der akustischen Signatur, insbesondere Möglichkeiten zur lokalen<br />
Beeinflussung der Strukturdämpfung sowie der hydrodynamischen<br />
Optimierung durch eine nachgiebige Flügelstruktur.
70 / ViSTIS ® – Revolutionäres Team-Training für komplexe Systeme<br />
Moderne Ausbildung für komplexe Systeme<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
ViSTIS ®<br />
Revolutionäres Team-Training<br />
für komplexe Systeme<br />
marKuS ScHuppErT m.a. Projektleiter ViSTIS ® Blohm + voss naval gmbH Hamburg<br />
Eine hochwertige Ausbildung von Bedienungs- und<br />
Instandsetzungspersonal von komplexen Systemen<br />
ist die Basis für einen erfolgreichen und effizienten<br />
Einsatz von Mensch und Material. Aber die Besatzungsausbildung,<br />
z.B. für Marineschiffe, ist bisher<br />
nur auf dem Originalschiff möglich. Mit ViSTIS ® ,<br />
dem ’Virtual Ship Training and Information System’,<br />
wird dies künftig auch auf einem virtuellen Schiff<br />
unabhängig von der Original-Hardware bzw. vom<br />
Originalschiff möglich sein. Dieses innovative<br />
Ausbildungs- und Informationssystem wird derzeit<br />
unter Federführung von Blohm + Voss Naval in<br />
Hamburg entwickelt.<br />
/ 71<br />
Virtuelles Schiffstraining<br />
Computerbasierte Ausbildungsmittel, wie Simulationen und Computerlernprogramme,<br />
haben bereits seit langem Einzug in den Lehrplan der<br />
Marineschulen gehalten. Im Gegenzug werden weniger Originalgeräte<br />
als Ausbildungsmittel benötigt. Die Gründe liegen auf der Hand:<br />
Computerbasierte Ausbildungsmittel sind kostengünstiger als Original-<br />
Hardware, dabei beliebig oft reproduzierbar und stellen gleichzeitig<br />
eine gleichbleibende Qualität der Ausbildung sicher. Dennoch werden<br />
gerade bei den Marinen immer noch große Ausbildungsanteile<br />
an Bord der Schiffe durchgeführt, da eine einheitliche virtuelle<br />
Trainingsumgebung zur Ausbildung aller auf einem modernen Marine-<br />
schiff anfallenden Aufgaben und auftretenden Situationen bisher nicht<br />
vorhanden ist. Damit ist eine Teamausbildung der gesamten Besatzung<br />
bisher nur auf dem Originalschiff möglich.<br />
ViSTIS ® (Virtual Ship Training and Information System) erlaubt künftig<br />
die Schulung in einem virtuellen Schiff.
72 / ViSTIS ® – Revolutionäres Team-Training für komplexe Systeme<br />
Bild 1 / Von CAD zu ViSTIS ®<br />
Innovatives Ausbildungs- und Informationssystem ViSTIS ®<br />
Das innovative Ausbildungs- und Informationssystem ViSTIS ® wird derzeit<br />
unter Federführung von Blohm + Voss Naval in Hamburg entwickelt.<br />
Die wichtigsten Kernfunktionalitäten von ViSTIS ® sind:<br />
° Höchster Realitätsgrad<br />
° Integrierte Systemarchitektur<br />
° Innovatives Individual- und Team-Training<br />
Der hohe Realitätsgrad basiert auf einer realistischen Echtzeitvisualisierung<br />
mit Hilfe der CryEngine ® 3, einer der weltweit führenden<br />
“Game Engines” des Computerspiele-Herstellers Crytek. Grundlage für<br />
die Modelle sind jedoch die originalen 3D-CAD-Daten (Computer Aided<br />
ViSTIS ® Presentation Layer<br />
Delivery of Training Content to various End-User-Devices<br />
Content Data<br />
Interactive Electronical Technical<br />
Documentation (IETD)<br />
Electronical Performance<br />
& Support System (EPSS)<br />
Media / Streaming Server<br />
Computer Based Training (CBT)<br />
Learning Management System (LMS)<br />
Content Management System (CMS)<br />
Learning Content Management<br />
System (LCMS)<br />
via standardbasierte<br />
Schnittstellen<br />
Bild 2 / Integrierte ViSTIS ® Architektur<br />
ViSTIS ®<br />
Simulation Framework<br />
ViSTIS ® Team Server<br />
De-Centralized Team-Training<br />
viSTiS ®<br />
System & learning framework<br />
ViSTIS ®<br />
Simulation Software<br />
Development Kit (SSDK)<br />
Design), die über einen komplexen Konvertierungsprozess für die<br />
Darstellung in der Game Engine aufbereitet werden / Bild 1 /.<br />
Eine weitere wesentliche Funktionalität von ViSTIS ® ist die integrierte<br />
Systemarchitektur. Sie verbindet die Echtzeitvisualisierung mit<br />
einem innovativen Lern- und Wissensmanagementsystem. Durch die<br />
Integration der relevanten Systemsimulationen wird das virtuelle Schiff<br />
interaktiv, d.h. es reagiert auf die Eingaben des Nutzers wie das<br />
reale Schiff. Eine skalierbare und modulare Architektur sorgt dafür,<br />
dass kein Einstiegsprojekt zu klein, aber auch kein großes Projekt zu<br />
komplex für ViSTIS ® ist. Gleichzeitig sind die Einstiegsprojekte keine<br />
Sackgasse, sondern bilden die Basis für komplexere Folgeprojekte<br />
/ Bild 2 /.<br />
ViSTIS ®<br />
Media Database<br />
ViSTIS ®<br />
Software Development<br />
Kit (SDK)<br />
über Webprotokoll<br />
Combined /Joined Forces<br />
Team Training<br />
Runtime Data<br />
Automation System Trainer<br />
Combat Management Trainer<br />
Bridge Simulation<br />
COMMS Simulation<br />
Platform Simulation<br />
Weapon Trainer<br />
Tactical Trainer<br />
via standardbasierte<br />
Schnittstellen<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
ViSTIS ® ermöglicht mit seinen integrierten Trainingsszenarien ein inno-<br />
vatives Individual- und Team-Training. In der virtuellen Simulationsumgebung<br />
lassen sich sowohl Routineaufgaben als auch Not- und<br />
Gefechtssituationen realistisch ausbilden, ohne Mensch oder Material<br />
zu gefährden. Dabei werden dem Nutzer seine virtuelle Umwelt, die zu<br />
bedienenden Anlagen und Geräte sowie die anderen Crew-Mitglieder<br />
in Echtzeit in einer fotorealistischen 3D-Umgebung präsentiert. Die<br />
Nutzer müssen hierzu nicht am selben Ort sein, sondern sie können<br />
über Internet/Intranet an dem jeweiligen Trainingsszenario teilnehmen<br />
/ Bild 3 /.<br />
Im Vergleich zur Ausbildung an Bord oder mit Original-Hardware<br />
bietet ViSTIS ® :<br />
° Eine geringere Belastung der realen Schiffe und damit die<br />
Freisetzung für den eigentlichen Einsatz<br />
° Deutlich geringere Trainings-Betriebskosten und gleichzeitig eine<br />
deutlich reduzierte Umweltbelastung im Vergleich zum Einsatz<br />
realer Schiffe (zur Verdeutlichung: Eine Fregatte verbraucht<br />
pro Stunde ca. 3.000 l Diesel und produziert dabei ca. 8 t CO2) ° Die Möglichkeit zum Training von kritischen Situationen, wie z.B.<br />
die Brandbekämpfung oder das Herstellen von Notschaltungen<br />
an Anlagen im Dauerbetrieb, die so am Originalgerät nicht<br />
möglich sind, ohne dabei Personal oder Material zu gefährden.<br />
Bild 3 / Beispiel für ein Trainingsszenario mit ViSTIS ®<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
ViSTIS ® – Revolutionäres Team-Training für komplexe Systeme / 73<br />
Zusammenfassung:<br />
ViSTIS ® ist die Antwort auf die Herausforderungen, vor denen die<br />
modernen Marinen überall auf der Welt stehen: Die Systeme werden<br />
immer komplexer und gleichzeitig die Besatzungen immer kleiner. Damit<br />
steigen die Anforderungen an die einzelnen Besatzungsmitglieder.<br />
Die Stärke von ViSTIS ® liegt zum einen in der Fähigkeit, unterschiedlichste<br />
Simulationen zu integrieren und damit ein realistisches Anlagen-<br />
und Systemverhalten des virtuellen Schiffes zu erreichen. Zum anderen<br />
können neben der Ausbildung der einzelnen Besatzungsmitglieder auch<br />
komplexe Abläufe und Verfahren im Team geschult werden. Damit<br />
können Ausbildungszeiten auf dem realen Schiff signifikant reduziert<br />
werden, weil die Besatzung durch virtuelles Training gut vorbereitet<br />
wurde. Gleichzeitig wird das Material weniger beansprucht, was in letzter<br />
Konsequenz weitere Kosten spart.<br />
Mit der Einführung von Ausbildungslösungen bei der Deutschen und<br />
Australischen Marine hat ViSTIS ® erste Erfolge zu verzeichnen und damit<br />
den Grundstein für weitere Aufträge gelegt.
74 /<br />
Thema<br />
RFID-gekennzeichnete Bramme bei der Überfahrt eines Lesepunktes<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>
RFID-Brammenlogistik<br />
Dipl.-Winf. loÏc fEinBiEr Leiter CoC Supply Chain Visibility ThyssenKrupp iT Services gmbH Essen<br />
Dipl.-Winf. yaSEmin yaSlar Supply Chain Visibility Projekte ThyssenKrupp iT Services gmbH Essen<br />
Dipl.-ing. HEinEr niEHuES ThyssenKrupp RFID-Logistics Platform ThyssenKrupp iT Services gmbH Essen<br />
Die automatisierte Erfassung von Materialstücken in logistischen Prozessen gewinnt zunehmend an Bedeutung.<br />
Um den Anforderungen einer möglichst schnellen, sicheren und transparenten Lieferkette zu genügen, wird<br />
immer häufiger auf RFID-Technologie (Radio Frequency IDentification) gesetzt. ThyssenKrupp führte als erster<br />
Werkstoff- und Technologiekonzern RFID zur automatisierten Identifikation von Brammen entlang einer neuen<br />
Supply Chain von Brasilien über Umschlaghäfen nach Europa und USA ein. Dadurch werden die Verladezeiten<br />
der Brammen deutlich verkürzt und Verwechslungen vermieden.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
Motivation<br />
Mit dem Bau eines neuen Stahlwerkes in Brasilien und eines<br />
weiterverarbeitenden Werkes in den USA, war eines der<br />
obersten Ziele die Optimierung der komplexen Logistik-<br />
prozesse für den internationalen Seetransport von Stahl-<br />
brammen. Dazu müssen die Brammen an relevanten<br />
Schlüsselpunkten möglichst schnell und dennoch sicher<br />
identifiziert werden, um die Kapazitäten der Verlademittel<br />
optimal auslasten und die Liegezeiten der Seeschiffe<br />
an den Häfen durch Beschleunigung der Verladevorgänge<br />
möglichst kurz halten zu können. Es musste<br />
demnach eine Kennzeichnungsmethode gefunden werden,<br />
die selbst auf stark verschmutzten Brammenoberflächen<br />
haftet und auch unter schlechten Wetterbedingungen<br />
sowie bei Tag und Nacht aus größerer Distanz sicher<br />
und schnell erfassbar ist. Aufgrund der schwierigen wie<br />
unkontrollierbaren Umweltbedingungen, schieden Bar-<br />
codes von Anfang an als Alternative aus. Die RFID-<br />
Technologie dagegen hatte das Potenzial die hohen Anforderungen<br />
zu erfüllen. Der Nachweis dafür musste jedoch<br />
erst in aufwendigen Feldversuchen erbracht werden, da<br />
der Einsatz von RFID in der Stahlindustrie in dieser Form<br />
bisher einzigartig ist.<br />
Die Identifikation von Brammen mittels RFID wurde<br />
an den werkseigenen Häfen in Sepetiba/Brasilien<br />
(ThyssenKrupp CSA), Calvert/USA (ThyssenKrupp Steel<br />
USA) und Duisburg-Walsum (ThyssenKrupp Steel Europe)<br />
umgesetzt. Die von Dienstleistern betriebenen Umschlaghäfen<br />
in Rotterdam/Niederlande und Mobile/USA haben<br />
die RFID-Technologie ebenfalls eingeführt und wurden bei<br />
der Umsetzung unterstützt.<br />
Herausforderungen<br />
Aufgrund von Interferenzen und Reflexionen wurde der<br />
Einsatz von RFID auf Metallen und in metallischen Um-<br />
gebungen früher häufig als unmöglich betrachtet, da<br />
weder die Lesbarkeit an sich, noch eine akzeptable Lesereichweite<br />
garantiert werden konnten. Mit dem richtigen<br />
RFID-Etiketten-Design gelang es dem Projektteam jedoch,<br />
einen unter physikalischen Gesichtspunkten optimalen<br />
Abstand zwischen RFID-Chip und dem metallischen<br />
/ 75<br />
Brammenkörper einzuhalten, der die Kommunikation zwischen<br />
RFID-Lesegerät und RFID-Tag ermöglicht. Bei diesem<br />
so genannten “Flag-Tag“ wird der Teil des Etikettes, der den<br />
RFID-Transponder enthält, derart abgeknickt, dass eine<br />
senkrecht vom Metall abstehende, 4 cm lange Flagge entsteht<br />
/ Bild 1 /.<br />
Der Chip des RFID-Transponders enthält die eindeutige<br />
Identnummer der jeweiligen Bramme. Diese vollkommen<br />
passive Lösung ermöglicht trotz metallischer Brammenober-<br />
fläche die Erfassung des Brammen-Identen per Funk aus<br />
einer Distanz von bis zu 8 m – und zwar während des<br />
Verladevorganges der Bramme / Bild 2 /, ohne dass der Kran<br />
dabei anhalten muss.<br />
Bild 1 / Brammenetikett mit RFID-Transponder und Flagge<br />
Bild 2 / Vollautomatisierte Identifikation bei der Verladung im Seehafen<br />
von Sepetiba/Brasilien
76 / RFID-Brammenlogistik<br />
Um die RFID-Etiketten über den gesamten Transportweg<br />
nutzen zu können, ist eine sichere Haftung des Etikettes<br />
an der Bramme unabdingbar. Verzunderte Brammenoberflächen,<br />
Restwärme der Brammen, schlechte Wetter-<br />
bedingungen, wie Nässe und Wind, sowie raue Umgebungsbedingungen<br />
beim Transport der Brammen stellten<br />
neue Herausforderungen dar. Um diesen zu begegnen,<br />
wurde in enger Zusammenarbeit mit einem Spezialetiketten-<br />
Hersteller ein kostengünstiges RFID-Etikett aus anforderungsgerechtem<br />
Material (synthetisch, hitzebeständig bis<br />
200 °C) und einem Spezialklebstoff entwickelt. Dieser<br />
erlaubt auch bei leicht feuchter und verschmutzter<br />
Brammenoberfläche eine sichere Haftung des Etikettes.<br />
Das flexible Material sorgt dafür, dass die Flagge mit dem<br />
RFID-Transponder, bei Einwirkung von außen nachgibt,<br />
sich anschließend aber selbst nach mehreren Wochen<br />
in angedrücktem Zustand wieder ausreichend aufstellt,<br />
um zu gewährleisten, dass der RFID-Chip ausgelesen<br />
werden kann. Dies ist besonders wichtig, da die<br />
Brammen auf ihrem langen Weg von Brasilien in die USA<br />
und nach Deutschland bis zu drei Wochen lang im<br />
Schiffsbauch eng aneinander liegen / Bild 3 /. Die gewählte<br />
Variante hilft zudem, die laufenden Kosten der Lösung<br />
niedrig zu halten, da die Einweg-Etiketten nicht aufwendig<br />
am Ende der Kette entfernt und zum Ursprungsort zurück<br />
geschickt werden müssen, wie dies bei Verwendung her-<br />
kömmliche “on-metal“-Transponder-Lösungen notwendig<br />
wäre. Ein weiterer Vorteil der eingesetzten Etiketten be-<br />
steht in der Möglichkeit, diese zusätzlich mit 2D-Barcodes<br />
und Materialangaben im Klartext bedrucken zu können,<br />
sodass bei Bedarf eine Bramme auch manuell identifiziert<br />
werden kann.<br />
Prozessablauf<br />
Für die rudimentäre Reinigung der zu beklebenden<br />
Brammenoberfläche, die Programmierung des RFID-Chips,<br />
den Druck der Etiketten sowie deren Anbringung an den<br />
Längsseiten der Brammen wurden an den Produktionsstandorten<br />
Santa Cruz/Brasilien und Duisburg speziell für<br />
diesen Zweck konzipierte Etikettier-Stationen gebaut. Alle<br />
Brammen werden auf ihrer Fahrt zu den Verladekränen<br />
in bis zu fünf Brammen hohen Stapeln auf Schwerlast-<br />
Transportmitteln in die jeweilige Etikettier-Station eingefahren.<br />
Dort werden dann die zu etikettierenden Stellen an<br />
den Längsseiten der Bramme mechanisch gereinigt. Nach<br />
einem visuellen Abgleich der Beladung mit den Angaben<br />
des Etikettiersystems, die in Brasilien automatisiert durch<br />
eine OCR-Lösung (Optical Character Recognition) erfolgt,<br />
werden die Etiketten von einem Laserdrucker ausgegeben.<br />
Bild 3 / Hochseetüchtige Verstauung<br />
von Brammen im Laderaum eines<br />
Panamax Frachters<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I I <strong>2011</strong>
Bild 4 / Wohlbehaltene Ankunft der ersten Brasilien-Bramme am weiterverarbeitenden<br />
Produktionsstandort Duisburg<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />
Dieser bedruckt das Etikett und programmiert zeitgleich<br />
den enthaltenen RFID-Chip mit dem zugewiesenen Identen.<br />
Ein Mitarbeiter entnimmt das Etikett, faltet es an der dafür<br />
vorgesehenen Knick-Perforation und bringt es parallel zur<br />
Brammenkante mittig an der entsprechenden Brammen-<br />
seite an. Jede Bramme wird an beiden Längsseiten mit<br />
jeweils einem RFID-Etikett versehen. So ist gewährleistet,<br />
dass die Bramme, unabhängig von ihrer Orientierung bei<br />
der Verladung möglichst früh erkannt werden kann. Weiter-<br />
hin erhöht die so vorhandene Redundanz die Chancen für<br />
eine automatisierte Identifikation, auch wenn ein Etikett<br />
beim Transport der Bramme physisch beschädigt wurde.<br />
Die RFID-Lesegeräte für die Identifikation der Brammen<br />
bei der Verladung sind an den Querstreben der Kräne oder<br />
direkt an den magnetischen Lasthebemitteln montiert.<br />
Die Erfassung erfolgt automatisch, während die Brammen<br />
in Richtung Schiff bzw. Kaikante bewegt werden. Eine aus-<br />
geklügelte Software-Logik analysiert die von den RFID-<br />
Lesegeräten zurückgelieferten Rohdaten und filtert eventuell<br />
durch Reflektion der Radiosignale entstandene Fehlerfassungen<br />
aus. Übrig bleiben nur die relevanten logistischen<br />
Ereignisse, wie die Bestätigung der Verladung bzw.<br />
der Vereinnahmung einer Bramme, die vom RFID-System<br />
an das jeweils angebundene lokale IT-System weiterge-<br />
leitet werden. So können an den Häfen die Verladelisten<br />
zügig abgeglichen und die Zielpositionen der Brammen<br />
rechtzeitig an die Kranfahrer kommuniziert werden. Zu-<br />
sätzlich zu den Kränen, befindet sich ein letzter Lesepunkt<br />
am so genannten „Ofenrollgang“ im Warmbandwerk von<br />
Calvert. Dort werden die Brammen vor der Weiterverarbeitung<br />
zu Warmband-Coils erneut erfasst, um sicherzustellen,<br />
dass die richtige Bramme mit der richtigen Qualität in den<br />
Produktionsprozess eingeht.<br />
Die ersten Brammen wurden im April 2010 von<br />
Duisburg-Walsum aus über Rotterdam und Pinto Island/<br />
USA nach Calvert verschifft, gefolgt von der ersten<br />
Brammenlieferung aus Brasilien im November desselben<br />
Jahres / Bild 4 /. Die automatisierte Erkennungsrate der<br />
ersten Lieferung lag am Zielhafen bei über 95 % und über-<br />
traf damit – gerade im Hinblick auf die extremen Bedin-<br />
gungen während des Brammentransportes – alle Erwar-<br />
tungen. Nicht automatisiert identifizierbare Brammen – z.B.<br />
RFID-Brammenlogistik / 77<br />
weil die RFID-Etiketten physisch zerstört wurden – werden<br />
an allen Stellen mit mobilen Barcode-Scannern schnell<br />
und fehlerfrei nacherfasst.<br />
Innovative IT-Lösung<br />
Neben der Entwicklung der benötigten RFID-Komponenten<br />
und der zugehörigen Abläufe an den beteiligten Standorten,<br />
bestand eine weitere Herausforderung darin,<br />
leistungsfähige IT-Systeme für diese weltumspannend<br />
automatisierte Supply Chain aufzubauen.<br />
Im Hinblick auf die hohen Entwicklungskosten, sowie<br />
Aspekte der Wiederverwendbarkeit und Zukunftssicherheit,<br />
war es dabei umso wichtiger, dass die so geschaffene<br />
IT-Lösung auf anerkannten Industriestandards aufbaut.<br />
Vor diesem Hintergrund ist ThyssenKrupp bereits 2008<br />
als erstes Unternehmen seiner Art der Standardisierungsorganisation<br />
EPCglobal™ beigetreten und setzt seit-<br />
dem konsequent auf relevante Normen für den Einsatz<br />
von RFID-Technologie und den elektronischen Austausch<br />
von Bewegungsdaten zwischen Supply Chain Partnern.<br />
So kommt beispielsweise bei der Kennzeichnung der<br />
Brammen das zukunftsweisende Nummerierungskonzept<br />
Electronic Product Code (EPC) zum Einsatz, das eine<br />
eindeutige Identifizierbarkeit der Brammen weltweit<br />
und unternehmensübergreifend sicherstellt. Auch die<br />
verwendeten RFID-Transponder und -Lesegeräte sind<br />
konform zum EPC Class 1 Gen 2 Standard, wodurch<br />
die internationalen Inbetriebnahmen vereinheitlicht und<br />
deutlich vereinfacht wurden. Ein eigens für ThyssenKrupp<br />
aufgebautes EPC Information System (EPCIS) ermöglicht<br />
allen internen und externen Teilnehmern an der Wertschöpfungskette,<br />
relevante Logistikereignisse einheitlich<br />
und in Echtzeit auszutauschen. So haben alle Beteiligten<br />
jederzeit Zugang zu den für sie relevanten logistischen<br />
Informationen und können Entscheidungen quasi in<br />
Echtzeit fällen.<br />
Der generische Aufbau dieser konzernintern als<br />
“ThyssenKrupp RFID-Logistics Platform“ bekannten IT-<br />
Lösung macht es möglich, neue Anwendungsfälle für RFID<br />
schnell, kostengünstig und mit Schwerpunkt auf den zu<br />
gestaltenden Geschäftsprozessen in tragfähige Lösungen<br />
umzusetzen.<br />
Ausblick<br />
Mit der erfolgreichen Einführung von RFID in der Brammenlogistik<br />
nimmt ThyssenKrupp im Umgang mit dieser<br />
innovativen Technologie eine Vorreiterstellung unter den<br />
global agierenden Werkstoff- und Technologiekonzernen<br />
ein. Durch die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten sind der<br />
RFID-Technologie auch in anderen Anwendungsgebieten<br />
kaum Grenzen gesetzt. Mittlerweile hat RFID in vielen<br />
anderen Bereichen des Konzerns alte Technologien<br />
ergänzt bzw. abgelöst, oder es ist geplant dies zu tun.<br />
So etwa für die Verfolgung von Anlagenteilen, betriebseigenen<br />
Transportmitteln und -behältnissen, bis hin zu<br />
Zwischenmaterial und Endprodukten. Mit RFID können<br />
künftig auch diese Prozesse automatisierter und sicherer<br />
ablaufen und das bei gleichzeitig deutlich verbesserter<br />
Einsicht in die Wertschöpfungskette.