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Thyssenkrupp techforum 1/2011

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ThyssenKrupp<br />

<strong>techforum</strong><br />

Ausgabe 1 I <strong>2011</strong><br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


Herausgeber<br />

ThyssenKrupp AG, Corporate Center Technology, Innovation & Quality, ThyssenKrupp Allee 1, 45143 Essen<br />

Redaktion: Guido Focke, Telefon: +49 201 844-536291, Fax: +49 201 8456-536291<br />

Erscheinungsweise<br />

’ThyssenKrupp <strong>techforum</strong>’ erscheint ein- bis zweimal jährlich in deutscher und englischer Sprache.<br />

Nachdruck nur mit Genehmigung des Herausgebers. Fotomechanische Vervielfältigung einzelner Aufsätze<br />

ist erlaubt. Der Versand des „ThyssenKrupp <strong>techforum</strong>“ erfolgt über eine Adressdatei, die mit Hilfe der<br />

automatisierten Datenverarbeitung geführt wird.<br />

ISSN 1612-2763<br />

Titelbild<br />

Das Bild zeigt den wärmetechnischen Bereich einer Anlage zur Herstellung von<br />

Zement, südlich von Casablanca/Marokko. Die beiden übereinander liegenden Rohr-<br />

leitungen in der Bildmitte leiten 900 °C heiße Luft aus der Kühlzone der Anlage<br />

in den Calcinator, um die Prozesswärme zur Verbrennung zu nutzen. Im Turm auf<br />

der rechten Bildseite ist der zweisträngig ausgeführte, 5-stufige Wärmetauscher<br />

untergebracht. Außen angehängt ist die aufsteigende, zentrale Calcinatorleitung zu<br />

erkennen, die sich oben verzweigt und nach unten in die beiden Stränge des<br />

Wärmetauschers mündet. Ebenfalls in dem Turm, aber durch den Calcinator verdeckt,<br />

befinden sich zwei große Brennkammern der Bauart CC (Combustion Chamber).<br />

Diese Brennkammern sind in den letzten Jahren für den Einsatz von AFR (Alternative<br />

Fuels and Raw Materials) optimiert worden. Hier werden Ersatzbrennstoffe auf-<br />

gegeben und zum Großteil verbrannt. Der rückstandsfreie Ausbrand erfolgt dann in<br />

dem Calcinator. Das Rohmaterial durchläuft diesen Prozess im Gegenstrom, d.h. es<br />

wird im Wärmetauscherturm oben aufgegeben und auf dem Weg nach unten auf<br />

etwa 800 °C vorgewärmt. Im Calcinator wird das Rohmaterial durch Zugabe von<br />

Brennstoff bei 850-900 °C calciniert und anschließend im Drehrohrofen (unten links,<br />

rot) bei 1.450 °C gebrannt. In dem nachgeschalteten Kühler wird der gebrannte<br />

Klinker gekühlt und die so auf 900 °C aufgeheizte Kühlluft dem Ofen und dem<br />

Calcinator als Verbrennungsluft wieder zugeführt. In der anschließenden Mahlung<br />

wird der Klinker zum Zement veredelt.<br />

Die AFR-Strategie von Polysius wurde mit dem ThyssenKrupp Sonderinnovationspreis<br />

„Energie und Umwelt“ 2010 ausgezeichnet.


Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

ThyssenKrupp steht für herausragende Ingenieurkompetenzen. Für unseren Konzern ist<br />

es von hoher Bedeutung, unsere Innovationskraft im Zusammenhang mit der Entwicklung<br />

anspruchsvoller Produkte und Dienstleistungen konsequent weiter zu stärken. Wir setzen<br />

vor diesem Hintergrund alles daran, unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dafür<br />

ausreichend Freiraum einzuräumen sowie das technische Know-how unseres Konzerns<br />

verstärkt auf unsere Kunden auszurichten und weiter auszubauen. Dieses Thema hat für<br />

ThyssenKrupp – und für mich als Ingenieur ganz persönlich – zentrale Bedeutung.<br />

Eine wesentliche Institution zur Prämierung von Ideen und Erfindungen ist unser jährlich<br />

ausgerichteter Innovationswettbewerb. In diesem <strong>techforum</strong> möchten wir Ihnen herausragende<br />

Projekte der letzten beiden Jahre vorstellen.<br />

Mit dem Innovationspreis 2009 wurde eine Prozessentwicklung von Uhde ausgezeichnet:<br />

Der STAR process ® ist ein weltweit erstmalig kommerzialisiertes Verfahren mit hoher Produk-<br />

tivität und geringem Energieverbrauch zur gezielten Herstellung von Propylen als Ausgangsprodukt<br />

für die Kunststoffproduktion. Mit ihm können Kosten und CO 2-Emissionen gesenkt<br />

sowie ein aktiver Beitrag zum Umweltschutz geleistet werden.<br />

Erstmalig haben wir in 2009 einen Sonderinnovationspreis „Energie und Umwelt“ ver-<br />

liehen. Als Beitrag zum aktiven Klimaschutz entwickelte ein Projektteam von ThyssenKrupp<br />

Xervon Energy ein ganzheitliches Konzept zum modularen Retrofitting für die Rehabilitierung<br />

und Effizienzsteigerung konventioneller Kraftwerke mit dem Ziel, erhebliche Wirkungsgradverbesserungen<br />

sowie die Reduzierung spezifischer CO 2-Emissionen zu erreichen.<br />

Sieger des Innovationswettbewerbes 2010 ist das konzernübergreifende InCar ® -Projekt,<br />

das bereits auf weltweiten Roadshows vorgestellt und von unseren Kunden äußerst positiv<br />

bewertet wurde. Hier brachten insgesamt 13 Konzernunternehmen über 30 Innovationen<br />

rund ums Automobil in den Bereichen Fahrwerk, Karosserie und Antrieb hervor.<br />

Mit dem Sonderinnovationspreis „Energie und Umwelt“ des letzten Jahres wurde eine<br />

von Polysius entwickelte Strategie zum thermischen und stofflichen Recycling von Abfällen<br />

in der Zementherstellung ausgezeichnet. Fossile Brennstoffe können dadurch eingespart und<br />

CO 2-Emissionen erheblich reduziert werden. Dies führt zu deutlichen Kosteneinsparungen bei<br />

der Zementherstellung und leistet gleichzeitig einen aktiven Beitrag zum Umweltschutz.<br />

Weitere Preisträger der letzten beiden Jahre sind u.a. ein von HDW entwickelter und<br />

gebauter akustisch optimierter Uboot-Propeller aus Kompositwerkstoffen, mit dem Geräusch-<br />

emissionen nahezu aller Frequenzbereiche über den gesamten Geschwindigkeitsbereich<br />

eliminiert werden können. Eine weitere Auszeichnung erhielt ein Team von ThyssenKrupp<br />

Acciai Speciali Terni, Italien, für einen technisch anspruchsvollen Herstellungsprozess, mit dem<br />

große Edelstahl-Rohblöcke mit einem Gewicht von 500 t für die anschließende Herstellung<br />

großer Bauteile, z.B. Generatorwellen und Niederdruckrotoren, gegossen werden können.<br />

Auch die weiteren Beiträge dieser Ausgabe verdeutlichen die Innovationskraft von<br />

ThyssenKrupp, die wir zukünftig durch verstärkte Investitionen in unsere FuE-Maßnahmen<br />

ausbauen werden.<br />

Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht Ihnen<br />

Ihr<br />

Dr.-Ing. Heinrich Hiesinger<br />

Vorsitzender des Vorstands der ThyssenKrupp AG<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

Vorwort / 3


4 / Inhalt<br />

08 / 12 / 18 /<br />

26 / 30 / 38 /<br />

08 / InCar ® – Der innovative Lösungsbaukasten für die Automobilindustrie<br />

Dipl.-ing. olivEr Hoffmann Projektleiter InCar ® /Leiter Anwendungstechnik ThyssenKrupp Steel Europe ag Duisburg<br />

Im Rahmen des divisionsübergreifenden Projektes InCar ® wurde ein automobiler Technologieträger<br />

entwickelt, der sämtliche Produkte und Innovationen von 13 ThyssenKrupp Unternehmen rund ums Auto-<br />

mobil in einem Projekt verbindet sowie die Leistungsfähigkeit und Innovationskraft von ThyssenKrupp<br />

eindrucksvoll demonstriert. Durch interdisziplinäre Zusammenarbeit wurden über 30 innovative Lösungen<br />

für Karosserie, Fahrwerk und Antrieb entwickelt. Mit InCar ® wurde ein neuer Meilenstein für zukünftige<br />

Forschungs- und Entwicklungsarbeiten innerhalb des Konzerns gesetzt.<br />

12 / LubriTreat ® – Eine funktionale Nanobeschichtung für die Automobilindustrie<br />

Dr. rEr. naT. JESSica BrinKBäumEr Fachkoordinatorin Entwicklung Oberfläche FuE ThyssenKrupp Steel Europe ag Dortmund<br />

Dr. rEr. naT. KEn-Dominic flEcHTnEr Fachkoordinator Entwicklung Oberfläche FuE ThyssenKrupp Steel Europe ag Dortmund<br />

Dipl.-ing. pETEr HEiDBücHEl Fachkoordinator Umformtechnik FuE ThyssenKrupp Steel Europe ag Duisburg<br />

Dr. rEr. naT. STElla JanSSEn Fachkoordinatorin Organische Chemie FuE ThyssenKrupp Steel Europe ag Dortmund<br />

Dipl.-ing. gErnoT noTHacKEr Fachkoordinator Produktion FBA 8 ThyssenKrupp Steel Europe ag Dortmund<br />

Dr. rEr. naT. rEinHarD WormuTH Teamleiter Korrosion und Elektrochemie FuE ThyssenKrupp Steel Europe ag Dortmund<br />

ThyssenKrupp Steel Europe hat eine neue Beschichtung entwickelt, die das Umformverhalten verzinkter<br />

Stähle entscheidend verbessert. LubriTreat ® wird hauchdünn direkt auf die Stahloberfläche aufgetragen<br />

und verbessert so die Umformeigenschaften über die gesamte Oberfläche. Das gemeinsam mit Castrol<br />

Industrial entwickelte und patentierte Beschichtungssystem kann mit vorhandener Anlagentechnologie<br />

erzeugt werden. Die Beschichtung ist frei von Schwermetallen und wurde als universale Umformhilfe<br />

konzipiert. Anwendungsbereiche finden sich in der Automobilindustrie sowie bei Herstellern von kom-<br />

plexen Bauteilen mit hohen Anforderungen an die Oberfläche. Eine weltweite Vermarktung des Produktes<br />

ist angestrebt.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


18 / Innovatives Blockgießen für große Bauteile<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

ing. amBro carpinElli Production Manager Società delle fucine S.r.l. Terni/Italien<br />

ing. rEnaTo palomBa Special Projects ThyssenKrupp acciai Speciali Terni S.p.a. Terni/Italien<br />

Dr. anDrEa mignonE Marketing and Industrial Sales Manager Società delle fucine S.r.l. Terni/Italien<br />

Durch den Bedarf des Marktes an immer größeren und schwereren Schmiedestücken, wie z.B. Rotoren<br />

und Generatorwellen für thermonukleare Stromerzeugungsanlagen mit Leistungen von bis zu 1.600 MW<br />

sowie bis zu 6 m breite Stützwalzen für Blechwalzwerke, sah sich ThyssenKrupp Acciai Speciali Terni (AST)<br />

veranlasst, alle anlagentechnischen Änderungen zu planen und vorzunehmen, die für die Herstellung von<br />

Gussblöcken mit einem Gewicht von 500 t und mehr erforderlich sind. Mit diesen Gussblöcken – zurzeit die<br />

größten, die bisher in Europa erschmolzen wurden – sind AST und die Tochtergesellschaft Società delle<br />

Fucine (SdF) in der Lage, auf dem internationalen Markt – neben Stützwalzen für Walzwerke – Rotorwellen und<br />

Generatoren für Kern- oder konventionelle Anlagen mit einem Transportgewicht von bis zu 250 t zu liefern.<br />

26 / Optimierung von Aluminium- und Metalloberflächen<br />

mittels Clean Coil Konzept<br />

ralf ScHmiD Geschäftsbereichsleiter ThyssenKrupp Metallcenter ThyssenKrupp metalServ gmbH Wörth<br />

Dipl.-WirT.-ing. (fH) STEfan cHriST Leiter Strategischer Vertrieb ThyssenKrupp Metallcenter ThyssenKrupp metalServ gmbH Wörth<br />

Dipl.-WirT.-ing. (fH) BaSTian BrunoW Key Account Manager ThyssenKrupp Metallcenter ThyssenKrupp metalServ gmbH Wörth<br />

Beim Produktionsprozess von Walzprodukten werden bedingt durch die verschiedenen Walzschritte, das<br />

Glühen und weitere Fertigungsprozesse die Metalloberflächen mit Schmutzpartikeln, Metallspänen sowie<br />

diversen Walzölen verunreinigt. Diese Verunreinigungen lagern sich in den Poren und Zwischenräumen der<br />

Metalloberfläche ab und können bei weiteren Bearbeitungsschritten, wie zum Beispiel Kleben, Stanzen,<br />

Schweißen/Löten und Umformen, zu Qualitätsproblemen führen. Der vom ThyssenKrupp Metallcenter<br />

entwickelte Clean Coil Prozess befreit das Material mit Hilfe von speziellen Reinigungsbürsten und einer<br />

Reinigungsemulsion schonend und kratzerfrei von Schmutz und Abrieb. Anschließend kann ein ’Finish’<br />

als dosierte Beölung oder als trockenes Material erfolgen.<br />

30 / Modulares Retrofitting-Konzept – Effizienzsteigerung und<br />

Ressourcenschonung in der Energieerzeugung<br />

Dr.-ing. ulricH ScHaBErg Leiter Inbetriebnahme ThyssenKrupp Xervon Energy gmbH Duisburg<br />

Dipl.-ing. annEgrET Baum Projektleiterin ThyssenKrupp Xervon Energy gmbH Duisburg<br />

Dipl.-ing. marTin HöBlEr Projektleiter ThyssenKrupp Xervon Energy gmbH Duisburg<br />

Betreiber von Industrieanlagen agieren im Umfeld ständig wandelnder Anforderungen wirtschaftlicher,<br />

technischer und politischer Art, wobei die Treibhausgas-Emission und der damit verbundene Zertifikate-<br />

handel zunehmend an Bedeutung gewinnen. In diesem Kontext stellt die Effizienzsteigerung und Schadstoff-<br />

minimierung an Bestandsanlagen für die Betreiber eine Alternative zu Neuanlagen dar. Mit dem modularen<br />

Baukasten, der die verschiedenen Ertüchtigungsmöglichkeiten aufzeigt und der nahezu keinen Kunden-<br />

wunsch nach Effizienzsteigerung und Emissionsreduzierung offen lässt, hat ThyssenKrupp Xervon Energy<br />

einen Realisierungsrahmen geschaffen, mit dem Betreiber das Optimierungspotenzial ihrer bestehenden<br />

Anlagen ausloten und in einem verbindlichen Kosten- und Terminrahmen umsetzen können.<br />

38 / LOFT – Eine Umwelt-Initiative von ThyssenKrupp Aufzüge<br />

alEXanDEr KEllEr Geschäftsführer ThyssenKrupp aufzüge gmbH Stuttgart<br />

STEpHan WirTH Geschäftsführer gWH aufzüge gmbH Himmelstadt<br />

DirK linnE Niederlassungsleiter Mainz ThyssenKrupp aufzüge gmbH Mainz<br />

nicola DangErfiElD Leiterin Verkaufsförderung Marketing Kommunikation ThyssenKrupp aufzüge gmbH Stuttgart<br />

Große Aufgaben bewältigt man oft nur in vielen kleinen Schritten: Die LOFT-Umwelt-Initiative von ThyssenKrupp<br />

Aufzüge leistet mit energiesparenden und zukunftsorientierten Produkten einen entscheidenden Beitrag zum<br />

Klima- und Umweltschutz – sowohl für Neuanlagen als auch für Modernisierungen.<br />

Inhalt / 5


6 / Inhalt<br />

44 / 50 / 54 /<br />

60 /<br />

64 / 70 /<br />

44 / STAR process ® – Ein neues hochproduktives Verfahren zur Propylenherstellung<br />

Dr. rEr. naT. HElmuT gEHrKE Abteilungsleiter Labor/Technikum uhde gmbH Dortmund<br />

Dipl.-ing. maX HEinriTz-aDrian Abteilungsleiter Verfahrenstechnik uhde gmbH Dortmund<br />

Dipl.-ing. rolf ScHWaSS Chemieingenieur uhde gmbH Dortmund<br />

Dr.-ing. SaScHa WEnzEl Abteilungsleiter Technologie-Service uhde gmbH Dortmund<br />

Der STAR process ® ist das weltweit erste kommerziell eingesetzte Verfahren zur Erzeugung von Propylen, das<br />

auf dem Prinzip der oxidativen Dehydrierung von Propan beruht. Propylen ist eines der wesentlichen petro-<br />

chemischen Basisprodukte mit nachhaltig hohen Wachstumsraten, das vor allem zur weiteren Verarbeitung bei<br />

der Erzeugung von hochwertigen Kunststoffprodukten – z.B. Polypropylen – verwendet wird. Die oxidative<br />

Dehydrierung im STAR process ® ist eine Neuentwicklung, die von Uhde mit Hilfe einer eigens hierfür gebauten<br />

Pilotanlage durchgeführt wurde. Erstmalig wurde sie großtechnisch in einer kommerziellen Anlage zur jähr-<br />

lichen Erzeugung von 350.000 t Propylen mit anschließender Weiterverarbeitung zu Polypropylen für den<br />

Kunden Egyptian Propylene & Polypropylene Company (EPP) in Port Said/Ägypten schlüsselfertig umgesetzt.<br />

50 / Mobile High-Performance-Entstaubung für die Schüttgutentladung<br />

Dipl.-ing. anDrEaS pETErS Bereichsleiter Sales & Marketing uhde Services gmbH Haltern am See<br />

anDré KuHn Bereichsleiter Mechanical Technology uhde Services gmbH Haltern am See<br />

Dipl.-ing. gErHarD alTmEyEr Bereichsleiter Hochofenbetrieb Hamborn ThyssenKrupp Steel Europe ag Duisburg<br />

Dipl.-ing. HanS-JürgEn lEißnEr Bereichsleiter Entstaubungstechnik/EA ThyssenKrupp Steel Europe ag Duisburg<br />

Ständig steigende Umweltauflagen zur Reduzierung von Feinstaubemissionen beim Schüttgutumschlag setzen<br />

neue Maßstäbe für Hüttenwerksbetreiber. Von Uhde Services und ThyssenKrupp Steel Europe gemeinsam<br />

entwickelt befindet sich seit Januar 2008 eine weltweit einzigartige mobile High-Performance-Entstaubungs-<br />

anlage für die Schüttgutentladung auf der Hochbahnbunkeranlage im Hochofenbetrieb Duisburg-Hamborn<br />

in Betrieb.<br />

54 / Polysius-AFR-Strategie<br />

74 /<br />

Dr.-ing. DiETmar ScHulz Senior Executive R&D polysius ag Neubeckum<br />

Dipl.-ing. Karl mEnzEl Senior Executive Engineering Clinker Production polysius ag Neubeckum<br />

Dr. rEr. naT. HuBErT BaiEr Senior Project Manager Alternative Resources polysius ag Neubeckum<br />

Im Herstellungsprozess von Zement sind etwa ein Drittel der CO 2-Emissionen auf den Brennstoffverbrauch<br />

zur Entkarbonatisierung der Rohstoffe und zur Erzeugung der hohen Sintertemperaturen von über 1.400 °C<br />

zurückzuführen. Um diese Emissionen deutlich zu senken, sollen vermehrt ’Alternative Fuels and Raw Materials’<br />

(AFR) eingesetzt werden. Polysius hat hierzu eine maßgeschneiderte Strategie entwickelt und umgesetzt,<br />

die ein hohes Wachstumspotenzial aufweist und eine deutliche Erweiterung der Wertschöpfungskette bedeutet.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


60 / ThermoTecSpring ® – Hochfeste Leichtbau-Feder als Beitrag zur CO2-Reduzierung Dr.-ing. marcEl groß Engineering/Prozesse Schraubenfedern ThyssenKrupp Bilstein Suspension gmbH Hagen-Hohenlimburg<br />

Mit der Anpassung des Verfahrens der thermomechanischen Umformung an die Anforderungen der Warmfertigung<br />

von Schraubendruckfedern ist es ThyssenKrupp Bilstein Suspension gelungen, die Eigenschaften<br />

des Materials so zu verändern, dass höher beanspruchbare Federn realisiert werden können. Damit ist der<br />

Weg frei für leichtere Federn mit geringeren Drahtdurchmessern sowie kürzere Federdesigns bei gleicher<br />

Performance. Gemessen an den normalfesten Tragfedern ermöglicht die ThermoTecSpring ® -Technologie<br />

je nach Anwendungsfall eine Gewichtsersparnis von 15 bis 20 % pro Feder. Damit trägt die ThermoTecSpring ®<br />

zur Senkung des Kraftstoffverbrauches und zur Reduktion des CO2-Ausstoßes bei.<br />

64 / Akustisch optimierter Propeller aus Kompositwerkstoffen<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

Dipl.-ing. aXEl paul Theoretical Engineering, Team Strength Calculation Howaldtswerke-Deutsche Werft gmbH Kiel<br />

Dipl.-maTH. anDrEaS ScHmiDT Theoretical Engineering, Team Hydrodynamics Howaldtswerke-Deutsche Werft gmbH Kiel<br />

Dipl.-ing. Eric Wolf Theoretical Engineering, Team Hydrodynamics Howaldtswerke-Deutsche Werft gmbH Kiel<br />

Die Howaldtswerke-Deutsche Werft, eine Gesellschaft der ThyssenKrupp Marine Systems, ist auf die<br />

Konstruktion und den Bau von nichtnuklearen Ubooten spezialisiert. Für die neuen Uboote der Klassen<br />

212A sowie 214 entwickelt und fertigt HDW einen wegweisenden neuen Propeller aus Kompositmaterial<br />

mit hochdämpfenden viskoelastischen Zwischenschichten, der mit seinen hervorragenden akustischen<br />

Eigenschaften ein weiteres Alleinstellungsmerkmal bildet, das die HDW-Uboote für die Kundenmarinen<br />

noch attraktiver macht.<br />

70 / ViSTIS ® – Revolutionäres Team-Training für komplexe Systeme<br />

marKuS ScHuppErT m.a. Projektleiter ViSTIS ® Blohm + voss naval gmbH Hamburg<br />

Eine hochwertige Ausbildung von Bedienungs- und Instandsetzungspersonal von komplexen Systemen<br />

ist die Basis für einen erfolgreichen und effizienten Einsatz von Mensch und Material. Aber die Besatzungsausbildung,<br />

z.B. für Marineschiffe, ist bisher nur auf dem Originalschiff möglich. Mit ViSTIS ® ,<br />

dem ’Virtual Ship Training and Information System’, wird dies künftig auch auf einem virtuellen Schiff<br />

unabhängig von der Original-Hardware bzw. vom Originalschiff möglich sein. Dieses innovative<br />

Ausbildungs- und Informationssystem wird derzeit unter Federführung von Blohm + Voss Naval in<br />

Hamburg entwickelt.<br />

74 / RFID-Brammenlogistik<br />

Dipl.-Winf. loÏc fEinBiEr Leiter CoC Supply Chain Visibility ThyssenKrupp iT Services gmbH Essen<br />

Dipl.-Winf. yaSEmin yaSlar Supply Chain Visibility Projekte ThyssenKrupp iT Services gmbH Essen<br />

Dipl.-ing. HEinEr niEHuES ThyssenKrupp RFID-Logistics Platform ThyssenKrupp iT Services gmbH Essen<br />

Die automatisierte Erfassung von Materialstücken in logistischen Prozessen gewinnt zunehmend an Bedeutung.<br />

Um den Anforderungen einer möglichst schnellen, sicheren und transparenten Lieferkette zu genügen, wird<br />

immer häufiger auf RFID-Technologie (Radio Frequency IDentification) gesetzt. ThyssenKrupp führte als<br />

erster Werkstoff- und Technologiekonzern RFID zur automatisierten Identifikation von Brammen entlang einer<br />

neuen Supply Chain von Brasilien über Umschlaghäfen nach Europa und USA ein. Dadurch werden die<br />

Verladezeiten der Brammen deutlich verkürzt und Verwechslungen vermieden.<br />

Inhalt / 7


8 /<br />

Thema<br />

InCar ®<br />

Der innovative Lösungsbaukasten<br />

für die Automobilindustrie<br />

Dipl.-ing. olivEr Hoffmann Projektleiter InCar ® /Leiter Anwendungstechnik ThyssenKrupp Steel Europe ag Duisburg<br />

Das InCar ® -Projekt<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


Im Rahmen des divisionsübergreifenden Projektes InCar ®<br />

wurde ein automobiler Technologieträger entwickelt, der<br />

sämtliche Produkte und Innovationen von 13 ThyssenKrupp<br />

Unternehmen rund ums Automobil in einem Projekt verbindet<br />

sowie die Leistungsfähigkeit und Innovationskraft von<br />

ThyssenKrupp eindrucksvoll demonstriert. Durch interdisziplinäre<br />

Zusammenarbeit wurden über 30 innovative Lösungen<br />

für Karosserie, Fahrwerk und Antrieb entwickelt. Mit InCar ®<br />

wurde ein neuer Meilenstein für zukünftige Forschungs- und<br />

Entwicklungsarbeiten innerhalb des Konzerns gesetzt.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

InCar ® – ökonomische und ökologische Vorteile<br />

Im Rahmen des InCar ® -Projektes wurden verschiedene<br />

Ansätze im Bereich Karosserie, Fahrwerk und Antrieb ent-<br />

wickelt, um den Kunden aus der Automobilindustrie<br />

Möglichkeiten aufzuzeigen, Kosten, Gewicht und/oder den<br />

CO 2-Ausstoß eines Fahrzeuges signifikant zu senken. Ins-<br />

gesamt konnten über 30 Innovationen entwickelt werden,<br />

die in mindestens einem Punkt dem Stand-der-Technik<br />

deutlich und nachweislich überlegen sind.<br />

Alle Lösungen sind im Hinblick auf die Umweltverträglichkeit,<br />

insbesondere der CO 2-Emissionen, detail-<br />

liert untersucht und bewertet worden. Die durchgeführte<br />

Analyse beschränkt sich dabei nicht nur auf die Nutzungs-<br />

phase im Fahrzeug, sondern bezieht die Produktionsphase<br />

mit ein. Auf Basis dieser Untersuchungen können die<br />

ökologischen Auswirkungen neuer Technologien, Produkte,<br />

Prozesse und Verfahren frühzeitig und zuverlässig umfassend<br />

abgeschätzt werden.<br />

Eine Kombination der umweltfreundlichsten Technologien<br />

aus dem InCar ® -Projekt erlaubt eine Reduktion des CO 2-<br />

Ausstoßes im Fahrbetrieb von über 17 g/km und ergibt im<br />

Lebenszyklus eine Verringerung des CO 2-Äquivalents pro<br />

Fahrzeug von über 5,5 t.<br />

Da der Einsatz dieser innovativen Technologien gleichzeitig<br />

eine Kostenreduktion von 30 €/Fahrzeug ermöglicht,<br />

zeigt sich deutlich, dass ökonomische und ökologische<br />

Ziele im Einklang miteinander stehen können. Diese<br />

Betrachtung liefert wertvolle Entscheidungshilfen über eine<br />

rein technische sowie ökonomische Betrachtung hinaus<br />

und ermöglicht aufgrund reduzierter Fahremissionen die<br />

Umsetzung von Klimaschutz im Automobilbau von morgen.<br />

Die Auszeichnung des InCar ® -Projektes mit dem zweiten<br />

Platz des Ökoglobes 2010 bestätigt die hohe Relevanz<br />

und das erhebliche Potenzial der verschiedenen InCar ® -<br />

Lösungen als Beitrag zu einer nachhaltigen Mobilität.<br />

InCar ® – Der innovative Lösungsbaukasten von ThyssenKrupp / 9<br />

Lösungsbaukasten<br />

Im InCar ® -Projekt arbeiteten über 100 Experten des<br />

ThyssenKrupp Konzerns für Werkstoffentwicklung,<br />

Engineering, Bauteilfertigung sowie Anlagen-, Prototypen-<br />

und Werkzeugbau für die Automobilindustrie interdisziplinär<br />

zusammen. Aus über 400 innovativen Ideen zu<br />

Projektbeginn haben die Forscher, Entwickler und Key-<br />

Account-Verantwortlichen des ThyssenKrupp Konzerns die<br />

aussichtsreichsten Konzepte ausgewählt und Potenzial-<br />

analysen durchgeführt. Anschließend wurden diese Ansätze<br />

mit deutschen und internationalen Automobilbauern<br />

diskutiert und die Ausrichtung der Forschungs- und<br />

Entwicklungsarbeit festgelegt. Somit war sichergestellt,<br />

dass nur Entwicklungen betrieben wurden, die über ein<br />

sehr hohes Marktpotenzial verfügen, da bereits in diesen<br />

Workshops ein sehr großes Interesse an den technischen<br />

Lösungen gezeigt wurde. Es wurde deutlich, dass<br />

ein solch umfassendes Forschungsprojekt nur in einem<br />

Technologiekonzern wie ThyssenKrupp durchgeführt werden<br />

konnte, da die im Projekt dargestellte Kombination von<br />

Entwicklungstiefe und -breite von keinem Marktbegleiter<br />

geleistet werden kann.<br />

Von den über 30 Innovationen aus dem InCar ® -Projekt<br />

sollen im Folgenden drei Lösungen kurz beschrieben werden,<br />

um einen ersten Einblick in das Projekt zu geben.<br />

DampTronic ® select<br />

Mit DampTronic ® select / Bild 1 / wird die Lücke zwischen<br />

den aufwendigen elektronisch stufenlos verstellbaren<br />

Dämpfern und den konventionellen, passiven Dämpfern<br />

geschlossen. Der Kunde bekommt die Möglichkeit,<br />

zwischen den Fahrwerkseinstellungen „sportlich straff“<br />

und „komfortbetont“ per Knopfdruck zu wechseln und das<br />

bei niedrigen Systemkosten und geringem Integrations-<br />

aufwand. Das Herzstück dieser Innovation ist das<br />

DampTronic ® select Ventil, welches zwischen einer Sport-<br />

kennlinie und einer Komfortkennlinie geschaltet werden<br />

kann. Obwohl das System vorzugsweise in der Komfort-<br />

kennlinie betrieben wird, bieten beide Dämpfkraftkenn-<br />

Bild 1 / DampTronic ® select – Sportfahrwerk zum Einschalten


10 / InCar ® – Der innovative Lösungsbaukasten von ThyssenKrupp<br />

linien die volle Abstimmbarkeit konventioneller Dämpfer.<br />

Somit können beide Kennlinien auf die spezifischen<br />

Bedürfnisse des Fahrzeuges zugeschnitten werden, ohne<br />

funktionale Einschränkungen beim Ansprechverhalten,<br />

Fahrkomfort oder der Fahrdynamik in Kauf nehmen<br />

zu müssen. Durch einen Verzicht auf Sensoren und auf-<br />

wendige Steuergeräte kann gegenüber den stufenlos<br />

elektronischen Verstellsystemen eine deutliche Kostenre-<br />

duktion von ca. 50 - 60 % erzielt werden. Somit erschließen<br />

sich die Vorzüge von verstellbaren Dämpfungssystemen<br />

auch für das Mittelklasse- oder Kleinwagen-Segment.<br />

Tailored Tempering<br />

Beim Tailored Tempering Prozess wird durch den Einsatz<br />

eines partiell beheizten Werkzeuges die Möglichkeit<br />

eröffnet, lokal eine langsamere Abkühlgeschwindigkeit<br />

des Bauteiles bei der Warmumformung zu erzielen<br />

/ Bilder 2 und 3 /. Während der Bauteilbereich im<br />

nicht beheizten Werkzeugteil einer hohen Abkühl-<br />

geschwindigkeit unterworfen wird und sich ein marten-<br />

sitisches Gefüge ausbildet, wird durch eine Verringerung<br />

der Abkühlgeschwindigkeit im beheizten Werkzeugteil<br />

Bild 2 / Thermografie des B-Säulen-Werkzeuges für den Tailored Tempering Prozess<br />

Temperatur [°C]<br />

550<br />

je nach Prozessführung ein ferritisch-perlitisches oder<br />

ein ferritisch-bainitisches Gefüge realisiert. Somit können<br />

über die Wahl der Prozessparameter anforderungs-<br />

gerecht die mechanischen Eigenschaften im Werkstoff<br />

beziehungsweise im Bauteil partiell eingestellt werden.<br />

Somit lässt sich gegenüber einer klassischen Bauweise<br />

ein Gewichtsvorteil von über 20 % erzielen. Ein erster<br />

Auftrag für eine Großserienbelieferung konnte bereits<br />

gewonnen werden.<br />

pDvc/pSvc<br />

Die Entwicklung einer gestuften und einer variablen Ventilsteuerung<br />

/ Bild 4 / bietet die optimalen mechanischen<br />

Voraussetzungen, um innerhalb des gesamten Betriebs-<br />

kennfeldes eines Ottomotors eine maximale Performance<br />

bei minimalem Verbrauch und Emissionen zu erzielen.<br />

Darüber hinaus besteht die Option, im Niedriglastbereich<br />

eine Zylinderabschaltung zu realisieren, sodass Verbrauchsvorteile<br />

von bis zu 20 % gegenüber einem modernen<br />

Ottomotor nachgewiesen werden konnten. Diese Kraftstoffreduzierung<br />

entspricht einer Reduktion der CO 2-Emissionen<br />

von über 14 g/km.<br />

Bild 3 / B-Säule „MBW ® 1500 Tailored Tempering“ nach einem Deformationstest Bild 4 / Presta Shiftable Valve Control (PSVC) –<br />

Prüfstand für den geschleppten Zylinderkopftest<br />

20<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

Ganz gleich, wo Automobilhersteller nach Verbesserungen<br />

suchen – bei InCar ® werden sie in den Bereichen Karosserie<br />

(z.B. Tailored Tempering), Fahrwerk (z.B. DampTronic ®<br />

select) und Antrieb (z.B. PDVC (Presta Delta Valve Control)/<br />

PSVC (Presta Shiftable Valve Control)) fündig. Weil aber<br />

Kunden unterschiedliche Innovationsschwerpunkte setzen,<br />

zeigt InCar ® meist mehrere technische Alternativen auf. Ob<br />

Leichtbau, Wirtschaftlichkeit oder Funktionalität: In min-<br />

destens einem dieser Punkte ist jede InCar ® -Lösung dem<br />

Stand der Technik deutlich und nachweislich überlegen. Das<br />

macht InCar ® zu einem Baukastensystem, aus dem jeder<br />

Kunde die für ihn optimale Lösung auswählen kann.<br />

Zusammenfassung und Ausblick<br />

Auch bei der Vermarktung der Projektergebnisse wurden<br />

im Rahmen des InCar ® -Projektes neue Wege beschritten.<br />

Neben einer ca. 30-seitigen Kurzfassung des Projektes, veröffentlicht<br />

in deutsch, englisch, französisch und japanisch,<br />

wurde ein ATZ-Sonderheft mit dem Titel „Das InCar-Projekt<br />

von ThyssenKrupp“ mit über 250 Seiten mehrsprachig<br />

erstellt aufgelegt.<br />

Im Rahmen der weltweiten Roadshows konnten allein in<br />

Europa über 15 OEMs (Original Equipment Manufacturers)<br />

besucht werden. Über 2.500 Besucher haben die InCar ® -<br />

Ausstellung – teilweise mit weiteren Neuentwicklungen aus<br />

dem ThyssenKrupp Konzern ergänzt – besucht und sich<br />

in den begleitenden Fachvorträgen oder direkt an den<br />

Exponaten mit den Experten austauschen können.<br />

In Japan wurden mit Toyota, Nissan und Honda die<br />

“Big Three” besucht, wobei über 900 Besucher erreicht werden<br />

konnten. In den USA wurden bei fünf OEMs TechShows<br />

mit über 950 Besuchern veranstaltet; ein wichtiger Schritt<br />

und Startschuss für ThyssenKrupp Steel Americas als<br />

InCar ® – Der innovative Lösungsbaukasten von ThyssenKrupp / 11<br />

Bild 5 / InCar ® -Demonstrator Bild 6 / InCar ® -TechTruck – Herzstück für die weltweite Roadshow<br />

innovativer (Entwicklungs-)Partner der Automobilindustrie<br />

in den USA. Die Techshow in Südkorea bei Hyundai Kia war<br />

ebenfalls ein voller Erfolg. Über 1.000 Besucher konnten<br />

verzeichnet werden. Weitere TechShows sind für dieses Jahr<br />

in China geplant / Bilder 5 und 6 /.<br />

Darüber hinaus wurden mehr als 25 Veröffentlichungen<br />

in Druckmedien, 7 Berichte in Funk und Fernsehen sowie<br />

über 30 Präsentationen auf Tagungen, Messen und Kongressen<br />

absolviert.<br />

Aus dieser für ThyssenKrupp bisher einmaligen<br />

Marketing-Offensive, zugeschnitten auf die Automobilindustrie,<br />

konnte durchgängig ein äußerst positives Feedback<br />

verzeichnet werden. Über 150 Nachfolgetermine<br />

wurden vereinbart, aus denen sich fast 100 konkrete<br />

Projekte ergeben haben. Eine Vielzahl von Aufträgen<br />

können bereits jetzt schon als Erfolg direkt dem InCar ® -<br />

Projekt zugeschrieben werden.<br />

Eine mögliche Fortführung des InCar ® -Projektes,<br />

ist derzeit in Planung, um auch zukünftig der Automobilindustrie<br />

wertvolle Impulse liefern zu können und neue<br />

technologische Wege aufzuzeigen. Neben weiteren Anstren-<br />

gungen im Bereich des Karosserie-Leichtbaus werden<br />

auch Anforderungen, die beispielsweise ein hybrider<br />

oder elektrischer Antrieb der Kraftfahrzeuge an die Fahrzeugarchitektur<br />

von morgen stellt, im Fokus der zukünftigen<br />

Arbeiten stehen. Somit wird ThyssenKrupp auch zukünftig<br />

einen wesentlichen Beitrag für eine umweltfreundliche<br />

Mobilität leisten.<br />

Das in diesem Artikel vorgestellte InCar ® -Projekt wurde mit<br />

dem 1. Preis des ThyssenKrupp Innovationswettbewerbes<br />

2010 ausgezeichnet.


12 / Thema<br />

Kontinuierlicher Beschichtungsprozess mit LubriTreat ®<br />

bei ThyssenKrupp Steel Europe<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


LubriTreat ®<br />

Eine funktionale Nanobeschichtung<br />

für die Automobilindustrie<br />

Dr. rEr. naT. JESSica BrinKBäumEr Fachkoordinatorin Entwicklung Oberfläche FuE ThyssenKrupp Steel Europe ag Dortmund<br />

Dr. rEr. naT. KEn-Dominic flEcHTnEr Fachkoordinator Entwicklung Oberfläche FuE ThyssenKrupp Steel Europe ag Dortmund<br />

Dipl.-ing. pETEr HEiDBücHEl Fachkoordinator Umformtechnik FuE ThyssenKrupp Steel Europe ag Duisburg<br />

Dr. rEr. naT. STElla JanSSEn Fachkoordinatorin Organische Chemie FuE ThyssenKrupp Steel Europe ag Dortmund<br />

Dipl.-ing. gErnoT noTHacKEr Fachkoordinator Produktion FBA 8 ThyssenKrupp Steel Europe ag Dortmund<br />

Dr. rEr. naT. rEinHarD WormuTH Teamleiter Korrosion und Elektrochemie FuE ThyssenKrupp Steel Europe ag Dortmund<br />

ThyssenKrupp Steel Europe hat eine neue Beschichtung<br />

entwickelt, die das Umformverhalten verzinkter<br />

Stähle entscheidend verbessert. LubriTreat ® wird<br />

hauchdünn direkt auf die Stahloberfläche aufgetragen<br />

und verbessert so die Umformeigenschaften<br />

über die gesamte Oberfläche. Das gemeinsam mit<br />

Castrol Industrial entwickelte und patentierte Beschichtungssystem<br />

kann mit vorhandener Anlagentechnologie<br />

erzeugt werden. Die Beschichtung ist<br />

frei von Schwermetallen und wurde als universale<br />

Umformhilfe konzipiert. Anwendungsbereiche finden<br />

sich in der Automobilindustrie sowie bei Herstellern<br />

von komplexen Bauteilen mit hohen Anforderungen<br />

an die Oberfläche. Eine weltweite Vermarktung des<br />

Produktes ist angestrebt.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

/ 13<br />

Hintergrund<br />

Innovatives Design im Automobilbau führt zu Bauteilen mit komplexen<br />

Geometrien, wodurch erhöhte Anforderungen an den Umformprozess<br />

gestellt werden. Weiterhin bedingt der Einsatz von höher- und höchstfesten<br />

Stählen, die aufgrund steigender Leichtbauanforderungen<br />

immer mehr Anwendung finden, eine anspruchsvolle Verarbeitung<br />

und fordert somit eine verbesserte Umformleistung des Werkstoffes<br />

im Umformprozess. Die Wirtschaftlichkeit solcher Prozesse muss aber<br />

dennoch gewährleistet bleiben.<br />

Aus diesem Grund haben ThyssenKrupp Steel Europe und<br />

Castrol Industrial gemeinsam ein patentiertes Beschichtungssystem<br />

zur Vorbehandlung von oberflächenveredeltem Stahlband entwickelt.<br />

Im Fokus stand die Entwicklung einer neuen schwermetallfreien<br />

Vorbehandlung als Ersatz für die Vorphosphatierung. LubriTreat ® ist eine<br />

ultradünne, organische Beschichtung, basierend auf Phosphorsäureestern,<br />

welche die Umformeigenschaften des Stahls deutlich verbessert.<br />

Ziel der Produktentwicklung ist es, durch den Einsatz von innovativen<br />

Stählen in Kombination mit einer intelligenten Beschichtung dem<br />

Kunden auch zukünftig ein optimales Produkt anbieten zu können.<br />

Wirkungsweise von LubriTreat ®<br />

Die umformverbessernde Wirkung wird durch Aufbringen der speziellen,<br />

tribologisch aktiven Additive direkt auf die Stahlbandoberfläche<br />

erreicht. Beim Umformprozess vermindert LubriTreat ® das Auftreten von<br />

Kaltverschweißungen zwischen Werkzeug und Bauteil so effizient, dass<br />

das Auftreten von Reißern nahezu vollständig vermieden wird.<br />

Bisher werden in der Stahlwerksbeölung mit Prelubes und Hotmelts<br />

Umformadditive eingesetzt, die – in der Ölmatrix eingebettet – beim<br />

Beölungsprozess auf das Blech appliziert werden. Neben den<br />

Umformadditiven enthalten Beölungen aber auch weitere Bestandteile,<br />

wie zum Beispiel Korrosionsschutzadditive und Emulgatoren die unter-<br />

schiedliche Funktionen erfüllen. Dabei konkurrieren alle funktionalen<br />

Additive in der Beölung um eine direkte Anbindung an die Stahloberfläche<br />

und können sich dadurch gegenseitig blockieren. Hinzu<br />

kommt, dass Korrosionsschutzadditive eine stärkere Bindung zur<br />

Stahloberfläche eingehen als die Umformadditive, sodass mögliche


14 / LubriTreat ® – Eine funktionale Nanobeschichtung für die Automobilindustrie<br />

Zink<br />

Bild 1 / Applikationsprozess von LubriTreat ®<br />

Koordinationsstellen für diese Additive bereits belegt sind. Dieser<br />

Nachteil wurde im Konzept bei der Entwicklung von LubriTreat ®<br />

berücksichtigt. Bei der neuentwickelten Beschichtung werden die für<br />

die Umformung notwendigen, tribologisch aktiven Additive zuerst auf<br />

die Stahloberfläche aufgebracht und erst im zweiten Schritt erfolgt die<br />

Beölung / Bilder 1 und 2 /.<br />

Bisherige umformverbessernde Beschichtungen basieren üblicherweise<br />

auf anorganischen Phosphatsystemen. Um hier eine optimale<br />

Wirksamkeit zu erreichen, werden diese in sehr hohen Schichtdicken<br />

von 1 - 2 µm aufgebracht. LubriTreat ® hingegen ist bereits mit einer<br />

Schichtdicke von unter 100 nm wirksam. Die nanoskalige Ober-<br />

flächenmodifikation durch LubriTreat ® kann mit hochauflösenden, oberflächenanalytischen<br />

Methoden sichtbar gemacht werden. Die Schicht<br />

weist sowohl amorphe als auch kristalline Bereiche auf / Bild 3 /.<br />

Korrosionsschutzöl<br />

LubriTreat ®<br />

Prelube/Hotmelt<br />

Bild 2 / Geordnete Konzentration der tribologisch aktiven Substanzen an<br />

der Substratoberfläche (oben) im Vergleich zur statistischen Verteilung in<br />

bisher üblichen Stahlwerksbeölungen, wie Prelube bzw. Hotmelt (unten)<br />

Applikation von LubriTreat ® Umformung<br />

Substrat<br />

Substrat<br />

Tribologisch aktive Substanzen<br />

LubriTreat ®<br />

Öl<br />

Anwendung von LubriTreat ®<br />

Die wasserbasierte und schwermetallfreie Beschichtung wird in einem<br />

kontinuierlichen Prozess direkt nach der Verzinkung auf das Stahlband<br />

aufgebracht. Ziel der Entwicklung war es, bereits vorhandene Anlagentechnologien<br />

zu nutzen und somit die Prozesskosten gering zu halten.<br />

/ Bild 4 / stellt schematisch die elektrolytische Beschichtungsanlage<br />

EBA 3 von ThyssenKrupp Steel Europe dar. Hier erfolgt die Applikation<br />

von LubriTreat ® mittels Spritzen/Abquetschen, an weiteren Anlagen<br />

auch durch so genanntes ’Chemcoating’.<br />

Neben der Anwendung bei elektrolytisch verzinkten Stählen zeichnet<br />

sich LubriTreat ® auch durch seine hervorragende Wirkung auf feuerverzinkten<br />

Oberflächen aus. Auf Erstere kommt bisher die Phosphatierung<br />

zur Verbesserung des Umformverhaltens zum Einsatz. Dieses System<br />

enthält jedoch im Gegensatz zu LubriTreat ® Schwermetalle, auf die<br />

aufgrund von Umweltaspekten möglichst verzichtet werden sollte.<br />

Feuerverzinkter Stahl mit LubriTreat ® Elektrolytisch verzinkter Stahl mit LubriTreat ®<br />

Bild 3 / Mikroskopische Aufnahme von LubriTreat ® -beschichteten, verzinkten Oberflächen<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


Reinigung und Vorbehandlung<br />

Einlauf<br />

Bild 4 / Applikationszone von LubriTreat ® an der elektrolytischen Beschichtungsanlage EBA 3 von ThyssenKrupp Steel Europe<br />

Die Eigenschaften von LubriTreat ® wurden in verschiedenen<br />

Umformversuchen untersucht, wozu unter anderem der Streifenzugversuch<br />

und so genannte Näpfchenzugversuche gehören. Die positive<br />

Wirkung von LubriTreat ® zeigt sich in den untersuchten Prozessen<br />

durch eine Verringerung der Reibung zwischen Werkzeug und Blech-<br />

platine. In Streifenzugversuchen konnte mit LubriTreat ® nach-<br />

gewiesen werden, dass bei Flächenpressungen von bis zu 80 MPa<br />

kein Stick-Slip-Effekt auftritt. Stick-Slip-Effekte charakterisieren das<br />

Verschweißen und anschließende Lösen dieser Kaltverschweißungen<br />

durch hohe Zugkräfte während der Umformung von Blech im Werk-<br />

zeug. Im realen Umformprozess im Automobilpresswerk kann<br />

dies zum Reißen des Bauteiles führen. Der im / Bild 5 / gezeigte<br />

Reibwertverlauf ist gleichmäßig über den kompletten Zieh-<br />

bereich. Die Ziehgeschwindigkeit kann sogar auf 60 mm/min ver-<br />

ringert werden, ohne dass ein Stick-Slip-Effekt auftritt. Diese lang-<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

applikation von lubriTreat ®<br />

Verzinkung<br />

LubriTreat ® – Eine funktionale Nanobeschichtung für die Automobilindustrie / 15<br />

Nachbehandlung Auslauf<br />

same Ziehgeschwindigkeit simuliert das Abbremsen des Stempels<br />

kurz vor dem Umkehrpunkt und stellt eine besondere Heraus-<br />

forderung dar.<br />

Mit Hilfe von Näpfchenzugversuchen wird ein idealer Tiefziehprozess<br />

simuliert. Hier kann neben dem Auftreten von Reißern des<br />

Bauteiles auch die Neigung zur unerwünschten Faltenbildung untersucht<br />

werden. Wie in / Bild 6 / gezeigt, wird das Prozessfenster beim<br />

Tiefziehen bei beiden untersuchten Stahlsorten durch LubriTreat ®<br />

deutlich vergrößert. Die Niederhalterkräfte F N können erheblich<br />

gesteigert werden, ohne dass es zu Reißern kommt. In der Praxis<br />

bedeutet dies, dass die Prozessparameter für das Umformen deutlich<br />

flexibler gewählt werden können und somit ein Beitrag zur Prozessstabilität<br />

geleistet wird.<br />

Neben den Näpfchenzugversuchen mit einem 100-mm-Rund-<br />

stempel wurden auch Großnapfversuche mit einem Stempeldurch-


16 / LubriTreat ® – Eine funktionale Nanobeschichtung für die Automobilindustrie<br />

Reibwert [µ]<br />

0,20<br />

0,15<br />

0,10<br />

0,05<br />

0<br />

Referenz<br />

20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80<br />

Bild 5 / Streifenzugversuch: Reibwertverlauf mit und ohne LubriTreat ® Bild 6 / Tiefziehbereich ohne LubriTreat ® (blau) und Erweiterung durch LubriTreat ® (rot)<br />

messer von 600 mm durchgeführt. Die Abmessungen dieses Großnapfes<br />

entsprechen etwa einer Reserveradmulde eines Mittelklasse-<br />

Pkw, die ein umformkritisches und tribologisch anspruchsvolles Bauteil<br />

darstellt. In / Bild 7 / ist ein Vergleich der bisherigen kleinen<br />

Näpfchen zu dem jetzt gezogenen Großnapf gezeigt. Auch bei diesen<br />

Abpressversuchen traten keine Reißer auf und der Arbeitsbereich zum<br />

Tiefziehen wurde erheblich erweitert. Neben der bisher beschriebenen<br />

Kerneigenschaft, der stark verbesserten Umformleistung, werden<br />

weitere hohe Anforderungen an neue Oberflächenbeschichtungen<br />

gestellt. Viele, sehr unterschiedliche Produkteigenschaften müssen<br />

erfüllt werden, bevor eine neue Beschichtung gerade in der Automobilindustrie<br />

zum Einsatz kommt:<br />

° Umweltfreundlichkeit<br />

° Applizierbarkeit<br />

° Schweißbarkeit<br />

° Klebeignung<br />

° Entfernbarkeit<br />

° Lackhaftungs- und -Unterwanderungseigenschaften<br />

° Filmstabilität<br />

° Korrosionsschutz<br />

° Phosphatiereignung<br />

Referenz und LubriTreat ®<br />

Flächenpressung [MPa]<br />

Ø 600 mm<br />

Bei den durchzuführenden Prüfungen dürfen durch LubriTreat ® keine<br />

Ø 100 mm<br />

Nachteile in den Produkteigenschaften entstehen. Verschiedene automobiltypische<br />

Fügeverfahren, wie zum Beispiel das Widerstandspunktschweißen<br />

und das Kleben, wurden untersucht. Diese Methoden<br />

kommen unter anderen im Rohbauprozess bei der Herstellung von<br />

Rohkarossen im Automobilbau zum Einsatz. Bei den bisher durchgeführten<br />

Prüfungen zeigten sich keinerlei Einschränkungen. Beim Bild 7 / Größenvergleich Großnapf und Näpfchen<br />

F N/kN<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

Referenz<br />

BHZ 180 +<br />

LubriTreat ®<br />

130 %<br />

0<br />

1,7 1,8 1,9 2,0 2,1 2,2 2,3<br />

Ziehverhältnis b<br />

F N/kN<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

DX56D +<br />

LubriTreat ®<br />

225 %<br />

Referenz<br />

0<br />

1,7 1,8 1,9 2,0 2,1 2,2 2,3<br />

Ziehverhältnis b<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


Referenz mit LubriTreat ®<br />

Referenz<br />

Bild 8 / Mikroskopische Aufnahmen von LubriTreat ® -beschichteten, verzinkten Oberflächen nach der Phosphatierung<br />

nachfolgenden Lackierprozess werden für das endgültige Lack-<br />

erscheinungsbild verschiedene Lackschichten übereinander aufge-<br />

bracht. Für die Haftung des gesamten Lackaufbaus ist die zuerst<br />

aufgebrachte, automobiltypische Phosphatierung relevant, da diese<br />

als Haftvermittler für die nachfolgende kathodische Tauchlackierung<br />

gilt. Wie in / Bild 8 / zu erkennen ist, ist die Abscheidung und Ausbildung<br />

der Phosphatschicht bei LubriTreat ® vergleichbar zum unbeschichteten<br />

Referenzmaterial.<br />

Auch das nachfolgend untersuchte Korrosionsverhalten im<br />

lackierten Zustand ist als vergleichbar einzustufen. Dabei hat LubriTreat ®<br />

keinen Einfluss auf die Lackhaftungs- und die Lackunterwanderungseigenschaften.<br />

Insgesamt zeigen alle Kompatibilitätsprüfungen zum<br />

nachfolgenden Kundenprozess ein positives Gesamtverhalten. Weitere<br />

Langzeituntersuchungen und kundenspezifische Tests werden derzeit<br />

durchgeführt.<br />

Fazit und Ausblick<br />

Aktuell befindet sich LubriTreat ® in der Pilotphase der Produktentwicklung<br />

und wird an Produktionsanlagen der ThyssenKrupp Steel<br />

Europe getestet. Hier stehen die Ermittlung der Prozessparameter und<br />

die Umsetzung des Verfahrens in den laufenden Produktionsprozess<br />

im Vordergrund. Begleitend dazu werden Methoden zur Qualitätskontrolle<br />

des späteren Realprozesses entwickelt. Bei diesen betrieblichen<br />

Applikationsversuchen wird Versuchsmaterial hergestellt, das<br />

zu Testzwecken Kunden zur Verfügung gestellt werden kann.<br />

Insgesamt können die stetig steigenden Anforderungen an die<br />

Umformleistung des Werkstoffes durch den Einsatz von LubriTreat ®<br />

abgedeckt werden. Des Weiteren bieten sich durch LubriTreat ®<br />

Gestaltungsfreiräume zum Design innovativer und komplexer Bauteil-<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

LubriTreat ® – Eine funktionale Nanobeschichtung für die Automobilindustrie / 17<br />

300 x 1.000 x 3.000 x<br />

300 x 1.000 x 3.000 x<br />

geometrien, die mit dem bisherigen Stand der Technik nur schwer<br />

umsetzbar waren. Zusätzlich können bislang notwendige Zusatzbeölungen<br />

im Umformprozess beim Kunden verringert und auf<br />

schwermetallhaltige Beschichtungen verzichtet werden.<br />

Nach der erfolgreichen Pilotphase wurde die Vermarktung von<br />

LubriTreat ® in Europa auf verzinkten Stahloberflächen begonnen.<br />

Eine weltweite Verfügbarkeit ist durch die Applikationsmöglichkeit von<br />

LubriTreat ® in den neuen Produktionsstätten von ThyssenKrupp Steel<br />

in den USA und China gegeben.


18 / Thema<br />

Innovatives Blockgießen<br />

für große Bauteile<br />

ing. amBro carpinElli Production Manager Società delle fucine S.r.l. Terni/Italien<br />

ing. rEnaTo palomBa Special Projects ThyssenKrupp acciai Speciali Terni S.p.a. Terni/Italien<br />

Dr. anDrEa mignonE Marketing and Industrial Sales Manager Società delle fucine S.r.l. Terni/Italien<br />

Erhitzen des Gussblocks im 600-t-Ofen<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


Durch den Bedarf des Marktes an immer größeren und schwereren Schmiedestücken,<br />

wie z.B. Rotoren und Generatorwellen für thermonukleare Stromerzeugungsanlagen<br />

mit Leistungen von bis zu 1.600 MW sowie bis zu 6 m breite Stützwalzen für Blechwalzwerke,<br />

sah sich ThyssenKrupp Acciai Speciali Terni (AST) veranlasst, alle anlagen-<br />

technischen Änderungen zu planen und vorzunehmen, die für die Herstellung von<br />

Gussblöcken mit einem Gewicht von 500 t und mehr erforderlich sind. Mit diesen Gussblöcken<br />

– zurzeit die größten, die bisher in Europa erschmolzen wurden – sind AST und<br />

die Tochtergesellschaft Società delle Fucine (SdF) in der Lage, auf dem internationalen<br />

Markt – neben Stützwalzen für Walzwerke – Rotorwellen und Generatoren für Kern- oder<br />

konventionelle Anlagen mit einem Transportgewicht von bis zu 250 t zu liefern.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

Anpassungen im Anlagenbau<br />

AST und die Tochtergesellschaft Società delle Fucine sind<br />

seit über einem Jahrhundert auf dem Markt für große<br />

Schmiedestücke präsent und haben sich auf die Herstellung<br />

von Produkten für die Stromerzeugung und für<br />

die Industrie im Allgemeinen mit Gussblöcken von bis<br />

zu 350 t spezialisiert. Da sich abzeichnete, dass diese<br />

Blockgröße für die neuen Marktanforderungen nicht mehr<br />

ausreicht, wurde im Jahr 2005 in Terni ein Projekt für die<br />

Herstellung eines 500-t-Gussblocks gestartet. Um das<br />

Projekt zu realisieren, musste zunächst abgeklärt werden,<br />

ob bestimmte Grundvoraussetzungen erfüllt werden können:<br />

° Detail- und Gesamtabmessungen der Anlagen,<br />

° Handling des Equipments und der Produkte,<br />

° neue Lasten, die auf die Strukturen ausgeübt werden,<br />

° neue Anlagenausrüstungen und<br />

° metallurgische Aspekte der Gieß- und Schmiedeprozesse.<br />

Das Projekt wurde daher in mehrere Teilprojekte unterteilt, die<br />

in vier große Gruppen zusammengefasst werden können:<br />

1. Entwicklungen im Bereich der Stahlherstellung/<br />

Stahlgießerei,<br />

2. Entwicklungen im Schmiedebereich,<br />

3. Ausrüstungen für die Bereiche Wärmebehandlung/<br />

Vergütung und maschinelle Bearbeitung sowie<br />

4. Ausrüstungen für die Logistik.<br />

Im Bereich Stahlherstellung/Stahlgießerei wurde die Hebe-<br />

kapazität der Strukturen von internen Transportwegen und<br />

Innovatives Blockgießen für große Bauteile / 19<br />

Deckenlaufkränen erhöht. Es wurden spezifische Vorrichtungen<br />

für das Abziehen und Kippen des Gussblocks<br />

realisiert. Die Installation einer neuen Vakuumpumpe<br />

und einer Gießgrube, die für das Vakuumgießen eines<br />

solchen Blocks geeignet ist, wurde notwendig, eine kleine<br />

Gießerei für die Herstellung von Eisenformen wurde ein-<br />

gerichtet. Im Schmiedebereich wurde die Hebekapazität<br />

der Strukturen der Deckenlaufkräne erhöht. Ein neuer<br />

600-t-Deckenlaufkran, ausgestattet mit 600-t-Greifern,<br />

und ein neuer 250 t -700 t x m-Manipulator als Slave-<br />

Einheit für die 12.600-t-Hydraulikpresse wurden installiert.<br />

Im Bereich der Wärmebehandlung und maschinellen<br />

Bearbeitung wurden – neben der notwendigen Verstär-<br />

kungen der Strukturen – neue Deckenlaufkräne mit einer<br />

maximalen Kapazität von bis zu 350 t, ein Schachtofen für<br />

die Wärmebehandlung von großen Rotoren und Generator-<br />

wellen sowie ein neuer Drehofen – in seiner Größe<br />

einzigartig auf der Welt – für die differenzielle Wärme-<br />

behandlung von großen Stützwalzen eingerichtet. Eine<br />

neue 300-t-Schleifmaschine vervollständigte die Investi-<br />

tionen in die maschinelle Bearbeitung. Im Logistikbereich<br />

wurde das Gleis, das für den internen Transport des<br />

Blocks von der Stahlgießerei zum Schmiedebereich<br />

benutzt wurde, überprüft und zusammen mit dem zuge-<br />

hörigen Transportwagen verstärkt.<br />

In den folgenden Abschnitten werden die Haupt-<br />

fertigungsschritte beschrieben, die notwendig sind, um<br />

eine 230-t-Grobblechwalze herzustellen – ausgehend von<br />

einem 500-t-Gussblock.


20 / Innovatives Blockgießen für große Bauteile<br />

Design des Gussblocks<br />

Der Entwurf und die Entwicklung der Gießform – durchgeführt<br />

mit Hilfe einer FEM(Finite-Elemente-Methode)-<br />

Analyse – hatten das Ziel, Seigerungsphänomene innerhalb<br />

des Gussblockkörpers zu minimieren, vor allem die<br />

Kohlenstoffseigerung, die in Gussblöcken dieser Größe<br />

in erheblichem Maße vorkommt / Bild 1 /. Die Ergebnisse,<br />

die an den ersten sechs Gussblöcken erzielt wurden, bestätigten<br />

die Modellschätzung / Bild 2 /.<br />

Auf Basis dieser Design-Parameter wurde in der<br />

Gießerei von Terni die erste FN-500-Blockform hergestellt<br />

/ Bild 3 /. Sie besteht aus sechs Hämatitgusseisen-<br />

Komponenten mit einem Gesamtgewicht von ca. 550 t.<br />

Besondere Merkmale dieser Blockform:<br />

° Verhältnis Höhe H/Durchmesser D: 0,9 bis 1,2<br />

° Kannelierte Innenseite mit 28 Flächen<br />

° zwei Hohlräume im Gießaufsatz, um beim Schmelzen<br />

die Hebezapfen zu erhalten, die für das Handling des<br />

Gussblocks erforderlich sind<br />

° an der Unterseite ausgebildet Zunge,<br />

um das Handling im Schmelz- und Schmiedebetrieb<br />

zu erleichtern<br />

° Sicherheitsverstärkungsringe (aus Stahl), die an<br />

Formenkomponenten des Körpers angebracht sind<br />

° Anbringung eines speziellen Plattenschutzes am Boden,<br />

um die Entformungsvorgänge zu erleichtern<br />

C [%]<br />

0,656<br />

0,604<br />

0,552<br />

0,500<br />

0,449<br />

0,398<br />

0,346<br />

0,294<br />

0,242<br />

0,190<br />

0,139<br />

0,084<br />

0,035<br />

Bild 1 / FN-500-Erstarrung des Gussblocks und C-Seigerung<br />

C [%]<br />

0,7<br />

Abweichung nach oben<br />

0,6<br />

0,5<br />

Schmelzen-Durchschnitt<br />

0,4<br />

0,3<br />

0,2<br />

0,1<br />

0<br />

Abweichung nach unten<br />

0 2 4 6 8<br />

Block-Nr.<br />

Bild 2 / FN 500 – tatsächliche Kohlenstoffseigerungswerte Bild 3 / FN-500-Blockform<br />

Design der Stahlherstellung<br />

Das Schmelzen erfolgt in einem 150-t-Lichtbogenofen,<br />

wobei mit ausgewähltem Schrottmaterial begonnen wird,<br />

um die Werte von Verunreinigungen, wie z.B. Arsen, Zinn,<br />

Antimon, Kupfer etc., auf ein Minimum zu reduzieren.<br />

In diesem Fall entspricht die zu erzeugende Stahlmenge<br />

etwa 525 t, aufgeteilt in vier Gießpfannen, die eine max.<br />

Kapazität von je 140 t haben.<br />

Für die Raffination des Stahls ist ein spezielles Verfahren<br />

entwickelt worden / Bild 4 /, um den Wasserstoffgehalt, der<br />

ein kritischer Faktor bei großen Gussblöcken ist, zu ver-<br />

ringern. Ferner werden für jede Gießpfanne die Raffinations-<br />

vorgänge definiert, die in den Anlagen der Firma<br />

ASEA sowie in den VD-Anlagen (Vacuum Degassing –<br />

Vakuumentgasung) anzuwenden sind, um die Chemie,<br />

Temperatur und Reinheit zu erreichen, die zum Gießen<br />

notwendig sind.<br />

Gießen des Blocks (bei AST)<br />

Das Vakuumgießen des Blocks erfolgt in einem speziellen<br />

Vakuumtank, der von seinen Abmessungen für<br />

diesen Zweck ausgelegt ist (D: 7.000 mm, H: 9.000 mm)<br />

/ Bild 5 /. Die Gießsequenz erfolgt unter Anwendung<br />

eines bestimmten Verfahrens, das für das Gießen eines<br />

Gussblocks aus vier Pfannen ausgelegt ist. Der in die Form<br />

gegossene Stahl hat ein Gewicht von 500 t.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

Bild 4 / Flussdiagramm Stahlherstellung und Raffination<br />

Bild 5 / Vakuum-Gießgrube<br />

ASEA-FN(Ladle Furnace-Pfannenofen)-Einheit<br />

Innovatives Blockgießen für große Bauteile / 21<br />

Pfanne 140 t Pfanne 140 t Pfanne 140 t Pfanne 140 t<br />

VD-Einheit<br />

Pfanne 140 t Pfanne 140 t Pfanne 140 t Pfanne 140 t


22 / Innovatives Blockgießen für große Bauteile<br />

Bild 6 / Vertikales Herausheben des FN-500-Gussblocks Bild 7 / Laden des FN-500-Blocks auf einen Eisenbahnwaggon<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


% VCP [ Void Crushing Parameter ]<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Bild 9 / Schmieden in der 12.600-t-Presse<br />

mit 250 t -700 t x m-Manipulator<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

Vorgänge zum Abstreifen des Gussblocks (bei AST)<br />

Etwa vier Tage nach dem Gießen kann der Gussblock<br />

aus der Form genommen und in den Schmiedebereich<br />

transportiert werden. Der Hebevorgang erfolgt durch zwei<br />

Deckenlaufkräne, die mit einem Querhaupt verbunden<br />

sind, mit Hilfe der beim Schmelzen erhaltenen Hebezapfen<br />

⁄ Bild 6 /. Das Ablegen des Gussblocks für das nach-<br />

folgende Aufladen auf einen Eisenbahnwaggon erfolgt in<br />

der Grube mit einem Profil, das so konzipiert ist, dass der<br />

Block optimal um 90° gekippt werden kann / Bild 7 /.<br />

Schmieden (bei SdF)<br />

Um eine Grobblechwalze herzustellen, wurden, für die<br />

Planung des Schmiedezyklusses, mit dem der FN-500-<br />

Gussblock bearbeitet werden soll, FEM-Simulationen angewandt<br />

/ Bild 8 /. Die hauptsächlichen Schmiedeschritte<br />

wurden festgelegt, um die notwendigen Temperaturen,<br />

Gesenke und Kräfte zu definieren. Insbesondere wurde<br />

Bild 8 / Simulation der Vorstreckprozesse an dem FN-500-Block<br />

Z<br />

X<br />

Y<br />

Z<br />

X<br />

Y<br />

Bild 10 / Rohgeschmiedete Grobblechwalze – Gewicht 300 t<br />

Innovatives Blockgießen für große Bauteile / 23<br />

das Vorstrecken durch Schmieden verbessert, um dem<br />

Produkt eine strukturelle Homogenität zu verleihen, die eine<br />

gute Zähigkeit sowohl im Kern als auch an der Außenhaut<br />

gewährleisten kann.<br />

Der so definierte Zyklus besteht aus den folgenden Phasen,<br />

die in der 12.600-t-Presse bei Temperaturen zwischen<br />

1.200 °C und 1.250 °C stattfinden:<br />

° Schmieden der oberen Zunge,<br />

° Schmieden des Ballens und Abschneiden des<br />

oberen und unteren Übermaßes (zwei Schmelzen),<br />

° Vorstrecken und Bemaßung,<br />

° Vorstrecken der Lagerzapfen und<br />

° Fertigbearbeitung der Zapfen (2 Schmelzen) und<br />

Abschneiden des Übermaßes.<br />

Sobald der Gießaufsatz und die metallurgischen Abfälle von<br />

der Ober- und Unterseite des Blocks entfernt worden sind,<br />

hat die grobgeschmiedete Walze ein Gewicht von 300 t<br />

/ Bilder 9 und 10 /.<br />

Z<br />

X<br />

Y


24 / Innovatives Blockgießen für große Bauteile<br />

Bild 11 / Erhitzung der Ballenoberfläche im neuen Drehofen<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

Wärmebehandlungen (bei SdF)<br />

Nach dem Schmieden wird die Stützwalze in einem konventionellen<br />

Gasofen einer Normalisier- und Vergütungs-<br />

Wärmebehandlung unterzogen, die notwendig ist, um dem<br />

Zapfen und dem Kern des Walzenballens die erforderlichen<br />

mechanischen Eigenschaften in Bezug auf Festigkeit und<br />

Zähigkeit zu verleihen (30 - 40 HSc (Scleroscope Hardness –<br />

Rücksprunghärte)). Nach einer geeigneten groben maschinellen<br />

Bearbeitung wird die Walze in einem konventionellen<br />

Wagenherdofen bei einer Temperatur von 600 °C so lange<br />

vorgewärmt, bis die Homogenität des Kerns sicher gestellt<br />

ist. Daraufhin gelangt sie in den neuen Drehofen, in dem<br />

nur kurz die Ballenoberfläche bei einer Temperatur von<br />

950 °C bis zu einer Tiefe von ca. 150 mm erhitzt wird<br />

/ Bild 11 / und im Anschluss durch Besprühen mit Wasser<br />

ein Abschrecken auf eine Temperatur von ca. 250 °C erfolgt<br />

/ Bild 12 /. Daraufhin wird eine Vergütungsbehandlung (im<br />

Allgemeinen zweifach), um den erforderlichen Härtegrad<br />

auf dem Ballen zu erreichen (52-60 HSc). Mit dem neuen<br />

Drehofen ist SdF in der Lage, gleichmäßige Härtegrade<br />

in den verschiedenen Ballenbereichen innerhalb einer<br />

Toleranz von 3 HSc und einer Vergütungstiefe von 100 mm<br />

zu erreichen.<br />

Maschinelle Endbearbeitung (bei SdF)<br />

Nach Überprüfung der erforderlichen mechanischen Eigen-<br />

schaften, wird das Schmiedestück der maschinellen<br />

Endbearbeitung unterzogen. Dabei wird die Walze auf die<br />

Bild 12 / Abkühlung der Ballenoberfläche in der<br />

Rotations-Abschreckmaschine<br />

Innovatives Blockgießen für große Bauteile / 25<br />

vom Kunden gewünschte endgültige Größe gebracht, um<br />

ein installationsfertiges Produkt zu liefern, das ohne weitere<br />

Bearbeitung an seinem Zielstandort eingebaut werden kann.<br />

Die maschinelle Endbearbeitung besteht aus folgenden<br />

Hauptschritten:<br />

° Fertigbearbeitung des Ballens und Vorfinishing der<br />

Zapfen auf der 300-t-Horizontaldrehbank / Bild 13 /,<br />

° Schleifen auf der neuen spezifischen<br />

300-t-Schleifmaschine / Bild 14 /,<br />

° verschiedene Fräsarbeiten an den Zapfen<br />

und Anbringung von Zubehörteilen,<br />

° Tests und<br />

° Verpackung und Transport / Bild 15 /.<br />

Fazit<br />

Mit der Fertigstellung dieses Projektes haben die Entwick-<br />

lungsabteilungen bei AST und SdF die besten Voraussetzungen<br />

geschaffen, sich bei der Produktion von<br />

Schmiedestücken hervorragend auf dem Weltmarkt zu<br />

positionieren. Durch die Herstellung eines 500-t-Gussblocks<br />

im Stahlwerk von AST in Terni, Italien, beweist<br />

Società delle Fucine seine Stärken auf dem Markt für große<br />

Schmiedestücke. Bis heute sind zehn Gussblöcke – sowohl<br />

für Rotorwellen als auch für Grobblechwalzen – mit optimalen<br />

Qualitätsergebnissen hergestellt worden. Dieser Erfolg ist<br />

die Basis für weitere Entwicklungen im Bereich der großen<br />

Schmiedestücke mit hohen Qualitätsstandards.<br />

Bild 13 / Fertigbearbeitung des Ballens und Vorfinishing der Zapfen<br />

auf der 300-t-Horizontaldrehbank<br />

Bild 14 / Schleifbearbeitung Bild 15 / Verpackung und Transport der 230-t-Grobblechwalze


26 / Optimierung von Aluminium- und Metalloberflächen mittels Clean Coil Konzept<br />

Gereinigtes Clean Coil<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


Optimierung von Aluminium-<br />

und Metalloberflächen<br />

mittels Clean Coil Konzept<br />

ralf ScHmiD Geschäftsbereichsleiter ThyssenKrupp Metallcenter ThyssenKrupp metalServ gmbH Wörth<br />

Dipl.-WirT.-ing. (fH) STEfan cHriST Leiter Strategischer Vertrieb ThyssenKrupp Metallcenter ThyssenKrupp metalServ gmbH Wörth<br />

Dipl.-WirT.-ing. (fH) BaSTian BrunoW Key Account Manager ThyssenKrupp Metallcenter ThyssenKrupp metalServ gmbH Wörth<br />

Beim Produktionsprozess von Walzprodukten werden<br />

bedingt durch die verschiedenen Walzschritte, das Glühen<br />

und weitere Fertigungsprozesse die Metalloberflächen mit<br />

Schmutzpartikeln, Metallspänen sowie diversen Walzölen<br />

verunreinigt. Diese Verunreinigungen lagern sich in den Poren<br />

und Zwischenräumen der Metalloberfläche ab und können<br />

bei weiteren Bearbeitungsschritten, wie zum Beispiel Kleben,<br />

Stanzen, Schweißen/Löten und Umformen, zu Qualitäts-<br />

problemen führen. Der vom ThyssenKrupp Metallcenter<br />

entwickelte Clean Coil Prozess befreit das Material mit Hilfe<br />

von speziellen Reinigungsbürsten und einer Reinigungsemulsion<br />

schonend und kratzerfrei von Schmutz und Abrieb.<br />

Anschließend kann ein ’Finish’ als dosierte Beölung oder<br />

als trockenes Material erfolgen.<br />

Poren<br />

Bild 1 / Aufbau Aluminiumoberfläche im Querschnitt<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

Mischoxid<br />

Deckschicht<br />

Sperrschicht<br />

Unregelmäßigkeiten<br />

im Aluminium<br />

Aluminium<br />

/ 27<br />

Ausgangssituation<br />

Die technischen Lieferbedingungen bezogen auf die Mate-<br />

rialoberfläche von Aluminium sind nicht eindeutig<br />

definiert. Von Seiten des Kunden wird eine saubere und<br />

glatte Aluminiumoberfläche gefordert, welches einen<br />

subjektiven Anspruch darstellt. Jedoch werden während<br />

des Produktionsprozesses von Walzprodukten die Metall-<br />

oberflächen mit Schmutzpartikeln, Metallspänen und<br />

diversen Walzölen verunreinigt. Die Anforderungen und<br />

Ausführungen verhalten sich konträr zueinander und<br />

können die nachgelagerte Produktionskette negativ be-<br />

einflussen. Der subjektiv wahrgenommene Oberflächen-<br />

zustand unterscheidet sich hier faktisch von der objektiven<br />

Oberflächenbeschaffenheit. Die analysierbare Ober-<br />

fläche nach dem Walz- und Schneidprozess besteht beim<br />

Werkstoff Aluminium aus einer Ansammlung von Walzölen,<br />

Mischoxiden, Grafiten und Metallspänen, die in einer unter-<br />

schiedlich starken Ausprägung vorkommen, sich vermischen<br />

und in verschiedenen Schichten aufbauen.<br />

Die Metalloberfläche nach dem Walzprozess, das so<br />

genannte ’Mill Finish’, wird durch den Umformungsprozess<br />

aufgeraut und bietet somit einen guten Haftgrund für<br />

die beschriebenen Verunreinigungen. Ein typischer Rauheitswert<br />

liegt bei der ’Mill Finish’ Oberfläche im Bereich<br />

von R a ≈ 0,3 µm mit einer Gesamthöhe der Profiltiefe von<br />

R t ≈ 2,0 µm. Die Rauheitswerte sind durch die Textur der<br />

Walzen bedingt und können je nach Walzenschliff variieren.<br />

Basierend auf dem Walzprozess und der Walzentextur verläuft<br />

die Oberflächenstruktur parallel zur Walzrichtung. Die<br />

oben angegebenen Rauheitswerte beziehen sich auf eine<br />

senkrechte Messung zur Walzrichtung. Bei einer parallelen<br />

Messung zur Walzrichtung liegt der arithmetische, gemittelte<br />

Rauheitswert von R a ≤ 0,15 µm niedriger.<br />

Die Aluminiumoberfläche selbst begünstigt die Haftgrundlage<br />

zusätzlich. Diese setzt sich aus einer 1-2 nm<br />

dicken Sperrschicht (Al 2O 3) zwischen dem Basismaterial<br />

und der 5 -10 nm dicken Deckschicht (Al(OH) 3 + Al 2O 3)<br />

zusammen. Beim Aluminium ist die Sperrschicht konstant<br />

und fast porenfrei geschlossen. Diese bietet einen<br />

Schutz vor Korrosion sowie gegen diverse Chemikalien.<br />

Hingegen ist die Deckschicht, die sich bei der so genannten<br />

Selbstpassivierung im sofortigen Kontakt mit Sauerstoff<br />

bildet, porös und weist kleine Unregelmäßigkeiten sowie<br />

Mikroporen auf. In dieser Oberflächenstruktur / Bild 1 /


28 / Optimierung von Aluminium- und Metalloberflächen mittels Clean Coil Konzept<br />

lagern sich die produktionsbedingten Verunreinigungen<br />

zusätzlich ab. Aus diesem Grunde müssen je nach Bedarf<br />

bei verschiedenen Produktionsprozessen aufwendige Reinigungsprozesse<br />

durchgeführt werden, damit der für den<br />

jeweiligen Arbeitsgang erforderliche Oberflächenzustand<br />

hergestellt werden kann. Als Beispiel kann ein verarbeitungsspezifisches<br />

Öl dienen, das sich erst nach erfolgter<br />

Reinigung (Abtragung von Schmutz und anderen<br />

Ölen) flächendeckend auf dem Material absetzen kann.<br />

Vor allem bei technischen Prozessen, wie Kleben, Stanzen,<br />

Schweißen/Löten, Umformen und Beschichten, ist somit<br />

eine reine Oberfläche zwingend erforderlich, um hochwertig<br />

und fehlerfrei produzieren zu können. Die Erfahrung<br />

hat gezeigt, dass viele Kunden diesen Prozess sehr auf-<br />

wendig praktizieren und sogar zusätzliche interne Prozesse<br />

anwenden, um die Beschaffenheit des Materials auf die<br />

eigenen Bedürfnisse anzupassen. Jedoch erzielt diese<br />

Reinigung nur bedingt den gewünschten Erfolg, da nicht<br />

alle Schmutzpartikel entfernt werden können. Die Folge<br />

ist ein erhöhter Ausschuss- und Fehleranteil in der Produktion,<br />

der auf eine verunreinigte Oberfläche / Bild 2 /<br />

oder nicht genügend bzw. falsch geschmierte Oberfläche<br />

zurückzuführen ist. Nicht selten führen verunreinigte Ober-<br />

flächen auch zu Reklamationen mit entsprechenden<br />

Kosten. Als Reklamationsgründe werden unter anderem<br />

Streifenbildung auf der Oberfläche, zu geringe bzw. zu<br />

viel Oberflächenbeölung sowie generelle Verunreinigungen<br />

genannt. An diesem Punkt setzt das Clean Coil<br />

Konzept an, um den Produktionsprozess beim Kunden<br />

effizienter zu gestalten sowie Reklamationen zu verhindern<br />

und Nach-laufkosten einzusparen.<br />

Umsetzung<br />

In mehreren Entwicklungsstufen wurde ein Konzept<br />

entwickelt, das mit Hilfe eines definierten Prozesses zu-<br />

nächst die verunreinigte Oberfläche reinigt und anschlie-<br />

ßend je nach Bedarf eine trockene Oberfläche oder eine<br />

Oberfläche mit definierter Beölung realisiert. Dieses<br />

Konzept schließt die Diskrepanz zwischen den von den<br />

Werken gelieferten Werkstoffen und den vom Verbraucher<br />

benötigten Oberflächenzustand.<br />

Bild 2 / Beispiel einer veschmutzten Aluminiumoberfläche<br />

Bild 3 / Simulation des Spül- und Abbürstvorganges im Reinigungsprozess<br />

Im ersten Schritt wird das Material in die Reinigungsan-<br />

lage eingefahren. Hierbei garantieren Fließstoffwalzen eine<br />

Oberflächen schonende Bearbeitung / Bilder 3 und 4 /.<br />

Im Inneren der Anlage wird zunächst durch Spritzdüsen<br />

ein vollsynthetisches Reinigungsöl mit Additiven beidseitig<br />

auf die Materialoberfläche aufgetragen. Dieses besitzt bei<br />

40 °C eine Viskosität von < 1,0 mm 2/s und ist rückstands-<br />

frei verflüchtigend. Aufgrund der niedrigen Viskosität<br />

sorgt das aufgetragene Reinigungsöl dafür, dass sich die<br />

Verunreinigungen und Öle aus den Poren und von der<br />

Materialoberfläche lösen. Um einen optimalen Reinigungs-<br />

effekt zu erzielen, wird dieser Prozess durch zusätzliche<br />

Bürsten unterstützt. Das Abbürsten entfernt vor allem<br />

größere Schmutzpartikel sowie Metallspäne und erhöht<br />

somit die Reinigungswirkung des Reinigungsöles. Die<br />

Bürsten aus Perlon rotieren dabei entgegengesetzt zur<br />

Laufrichtung. Ein weiterer positiver Effekt wird hier zudem<br />

durch die Walzrichtung bei ’Mill Finish’ Oberflächen<br />

hervorgerufen. Durch die parallel zur Laufrichtung ver-<br />

laufende Oberflächenstruktur lösen die Bürsten effektiver<br />

Verunreinigungen aus der Oberfläche. Der Großteil der<br />

gelösten Öle und Schmutzpartikel wird durch das Gegen-<br />

laufbürsten zurückgeschleudert und somit beim ersten<br />

Besprühungsvorgang von der Oberfläche gespült. Das<br />

abgetragene und verunreinigte Reinigungsöl wird durch<br />

Abfangbecken aufgefangen und über ein Filterungssystem<br />

dem Kreislauf wieder zugeführt.<br />

Nach dem Abbürsten erfolgt ein zweiter Spülvorgang,<br />

der verbliebene Partikel aus der Oberfläche spült. Nach<br />

dem Spülvorgang wird das aufgetragene Reinigungsöl<br />

mit Fließstoffwalzen von der Materialoberfläche, bei einem<br />

Druck von 7 MPa abgequetscht. Durch die Fließstoffwalzen<br />

wird das Material schonend getrocknet, ohne dass eine<br />

Gefüge- oder Zustandsveränderung im Material einsetzt<br />

/ Bild 5 /. Lediglich ein dünner Film des Reinigungsöles<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


Bild 4 / Simulation der gelösten Verunreinigungen<br />

im Reinigungsprozess (detailliert)<br />

verbleibt auf der Oberfläche und innerhalb der Poren. Dieser<br />

verbleibende Film wird nach dem Abquetschen durch<br />

Druckluft entfernt. Durch die rückstandsfreie Verflüchtigung<br />

und die Einwirkung der Druckluft, ist die jetzt entstehende<br />

Materialoberfläche frei von Schmutzpartikeln und<br />

Ölen. Diese Oberfläche kann nun als trocken und sauber<br />

bezeichnet werden / Bild 6 /.<br />

Dieser trockene Materialzustand ist für die meisten<br />

Applikationen nicht direkt einsetzbar. Aufgrund der fehlen-<br />

den Schmierstoffe ist die Materialoberfläche äußerst<br />

anfällig für Beschädigungen, z.B. durch Kratzerbildung.<br />

Mittels einer Beölungsanlage wird fein vernebelter<br />

Schmierstoff auf die trockene Oberfläche aufgetragen.<br />

Durch das Besprühen wird eine komplette und gleichmäßige<br />

Benetzung der Oberfläche erwirkt. Je nach Kunden-<br />

anforderungen können der Schmierstoff und auch die<br />

Auftragsmenge von 0,25 bis 7,2 g/m 2 variieren. Als Stan-<br />

Bild 6 / Beispielhaftes Ergebnis – links vor, rechts nach erfolgter Reinigung<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

Optimierung von Aluminium- und Metalloberflächen mittels Clean Coil Konzept / 29<br />

Bild 5 / Simulation des Trocknungsprozesses mit Fließstoffwalzen<br />

dardschmiermittel wird eine auf niedrigviskosen Kohlen-<br />

wasserstoffen basierende Emulsion auf die Material-<br />

oberfläche aufgetragen. Diese ist für viele weitere Bearbeitungsprozesse<br />

einsetzbar und auch mit vielen Ölen<br />

und Schmierstoffen kompatibel. Des Weiteren schützt der<br />

Schmierstoff das Aluminium vor Korrosion.<br />

Ausblick<br />

Das Clean Coil Konzept bietet ein großes Kosteneinsparungs-<br />

und Effizienzsteigerungspotenzial bei diversen<br />

Kundengruppen. So können zum Beispiel beim Stanzprozess<br />

aufwendige Reinigungsprozesse beim Kunden<br />

vorab entfallen und die Rüstzeit minimiert werden.<br />

Darüber hinaus wird hierzu eine höhere Prozesssicherheit<br />

sichergestellt und die Reklamations- und Fehlerquote ver-<br />

ringert. Das Clean Coil Konzept schließt diese Diskrepanz<br />

zwischen den von den Walzwerken gelieferten Materialoberflächen<br />

und den hierzu konträren subjektiven Anforderungen<br />

der Kunden. Mit dem Clean Coil Konzept ist es<br />

nun möglich, den Standard „trocken und sauber“ zu defi-<br />

nieren und den Kundenanforderungen zu genügen.<br />

Das Konzept wurde auf die Bedürfnisse der verarbei-<br />

tenden Aluminiumindustrie hin entwickelt. Jedoch ist es<br />

auch universell für weitere Bereiche und Metalloberflächen<br />

einsetzbar. So ist es durchaus möglich, Materialien wie<br />

Stahl, Edelstahl, Buntmetalle, Titan und weitere Nicht-<br />

eisen-Metalle zu reinigen und definiert zu beölen. Die<br />

flexible Auslegung des Clean Coil Konzeptes ermöglicht<br />

es, die Reinigungsöle sowie die Schmierstoffe zu variieren<br />

und genau auf die jeweiligen Materialanforderungen<br />

und Bedürfnisse der weiteren Verarbeitungsprozesse<br />

hin abzustimmen.


30 /<br />

Modulares Retrofitting-Konzept<br />

Effizienzsteigerung und Ressourcenschonung<br />

in der Energieerzeugung<br />

Dr.-ing. ulricH ScHaBErg Leiter Inbetriebnahme ThyssenKrupp Xervon Energy gmbH Duisburg<br />

Dipl.-ing. annEgrET Baum Projektleiterin ThyssenKrupp Xervon Energy gmbH Duisburg<br />

Dipl.-ing. marTin HöBlEr Projektleiter ThyssenKrupp Xervon Energy gmbH Duisburg<br />

Mittelkalorisches Kraftwerk (MKK) der swb Erzeugung GmbH & Co. KG, Bremen (Quelle: swb/Mac-Fotoservice)<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

Modulares Retrofitting-Konzept – Effizienzsteigerung und Ressourcenschonung in der Energieerzeugung / 31<br />

Betreiber von Industrieanlagen agieren im Umfeld<br />

ständig wandelnder Anforderungen wirtschaft-<br />

licher, technischer und politischer Art, wobei die<br />

Treibhausgas-Emission und der damit verbundene<br />

Zertifikatehandel zunehmend an Bedeutung gewinnen.<br />

In diesem Kontext stellt die Effizienzsteigerung und<br />

Schadstoffminimierung an Bestandsanlagen für die<br />

Betreiber eine Alternative zu Neuanlagen dar. Mit<br />

dem modularen Baukasten, der die verschiedenen<br />

Ertüchtigungsmöglichkeiten aufzeigt und der nahezu<br />

keinen Kundenwunsch nach Effizienzsteigerung und<br />

Emissionsreduzierung offen lässt, hat ThyssenKrupp<br />

Xervon Energy einen Realisierungsrahmen geschaffen,<br />

mit dem Betreiber das Optimierungspotenzial ihrer<br />

bestehenden Anlagen ausloten und in einem verbindlichen<br />

Kosten- und Terminrahmen umsetzen können.<br />

Handlungsrahmen der Energieerzeugung<br />

Wohin der technisch interessierte Betrachter auch blickt, alle heute<br />

erprobten bzw. in Erprobung befindlichen Technologien zur Energieerzeugung<br />

haben ihre Grenzen. Und je nach politischer und gesellschaftlicher<br />

Sichtweise werden Chancen und Risiken völlig unterschiedlich<br />

bewertet. Betreibern von Industrieanlagen ist es heute<br />

kaum noch möglich, für die Refinanzierungszeiträume ihrer Anlagen<br />

verlässliche Annahmen über Brennstoffpreise, zulässige Emissionen<br />

oder die Entsorgungswege von Reststoffen zu treffen. Langfristiges<br />

Denken und Handeln muss daher immer öfter durch flexibles<br />

Reagieren ersetzt werden. Ein schwieriges Unterfangen, wenn es sich –<br />

wie bei Energieerzeugungsanlagen – um Großinvestitionen mit zum Teil<br />

mehrjährigen Realisierungszeiträumen handelt.<br />

Industrieanlagen, zu denen die kommunalen Energieerzeugungs-<br />

und Reststoffentsorgungsbetriebe gehören, aber vor allen Dingen auch<br />

das produzierende Gewerbe, wie beispielsweise die Lebensmittel-,<br />

Kosmetik-, Arzneimittel-, Möbel- oder auch Papierherstellung, beziehen<br />

ihren Bedarf an Strom und Prozesswärme aus eigenen Energie-<br />

erzeugungsanlagen, um so zugunsten der Endverbraucher kostengünstig<br />

und damit wettbewerbsfähig produzieren zu können. Anlagen-


32 / Modulares Retrofitting-Konzept – Effizienzsteigerung und Ressourcenschonung in der Energieerzeugung<br />

„Magisches Dreieck“ in der Kraftwerksrehabilitierung<br />

betreiber sehen sich daher dauerhaft der Frage<br />

gegenüber gestellt, ob ihr gegenwärtiges Energie-<br />

erzeugungskonzept noch tragbar ist: sei es, dass der bisher<br />

eingesetzte Brennstoff sich verteuert oder verknappt,<br />

Emissionsgrenzwerte verschärft werden, es Bedarfsände-<br />

rungen bei der Nutzenergie gibt oder schließlich die<br />

Gestehungskosten der produzierten Energie zu hoch werden.<br />

Hinzu kommt, dass Märkte, Technologien, aber auch<br />

öffentliche Wahrnehmungen und gesellschaftliche<br />

Ansprüche sich in einem ständigen Wandel befinden.<br />

Hier haben die Medien einen entscheidenden Einfluss. Als<br />

Beispiele sind hier die politischen Diskussionen zu fossil<br />

befeuerten Kraftwerken, Müllheizkraftwerken oder auch die<br />

Bevorzugung von Kraftwärmekopplungen (KWK) gegenüber<br />

herkömmlichen Kraftwerkstechnologien zu nennen.<br />

Auch politische Entscheidungen, wie beispielsweise hinsichtlich<br />

der Laufzeitverlängerungen von Atomkraftwerken,<br />

könnten möglicherweise über Einflüsse auf die Strombörsen<br />

die Wirtschaftlichkeit des eigenen Unternehmens in Frage<br />

stellen. Spätestens wenn der über die Strombörse angebotene<br />

Strom preiswerter ist als der Strom, der über die<br />

Technische Parameter<br />

Effizienzsteigerung/<br />

Ressourcenschonung<br />

Wirtschaftliche Parameter Politische Parameter<br />

Bild 1 / Handlungsrahmen der Betreiber<br />

f<br />

Applikations-<br />

Know-how<br />

E<br />

Leittechnik<br />

(2 Module)<br />

a<br />

Feuerungstechnik<br />

(4 Module)<br />

Retrofitting-Module<br />

D<br />

Verbrennungsluft-<br />

Versorgung<br />

(2 Module)<br />

B<br />

Kesselkonstruktion<br />

(2 Module)<br />

c<br />

Wasser-Dampf-<br />

Kreislauf<br />

(3 Module)<br />

Bild 2 / Werkzeugkasten: Cluster mit 13 Optimierungsmodulen der Kraftwerksrehabilitierung (Retrofitting)<br />

eigene Anlage oder auch kommunale Anlagen selber<br />

erzeugt wird, bedeutet dies das „Aus“ für diese Anlagen<br />

und das oft trotz hoher Wirkungsgrade oder modernster<br />

Technik zum Schutz der Umwelt. Derartige Umstände haben<br />

den Markt für Anlagenbauer und industrielle Kunden gleichermaßen<br />

stark verändert. Erschwerend kommt hinzu,<br />

dass in der Regel kein eigenes technisch fachkundiges<br />

Planungspersonal mehr vorgehalten wird, das mit Lösungs-<br />

und Verbesserungsvorschlägen zur bestehenden Anlage<br />

auf anstehende Änderungen reagieren kann.<br />

Im Folgenden werden technische und wirtschaftliche<br />

Gegebenheiten, Tendenzen, Probleme, denen sich Betreiber<br />

von industriellen Anlagen auch zukünftig gegenübergestellt<br />

sehen, und das modulare Retrofitting-Konzept der Xervon<br />

Energy beschrieben / Bild 1 /.<br />

These 1: modernisierung geht vor neubau<br />

Vor die Frage gestellt, ob man mit einer Neuinvestition<br />

oder einer Änderung der Bestandsanlagen reagieren sollte,<br />

wenden sich Betreiber immer häufiger an Planungsbüros<br />

und Berater. Mit dem modularen Baukasten, der die<br />

verschiedenen Ertüchtigungsmöglichkeiten aufzeigt und<br />

nahezu keinen Kundenwunsch nach Effizienzsteigerung<br />

und Emissionsreduzierung offen lässt, hat ThyssenKrupp<br />

Xervon Energy eine Entscheidungshilfe geschaffen, die<br />

für die Betreiber und ihre Berater relevante Aussagen<br />

zu Optimierungspotenzialen ihrer bestehenden Anlagen<br />

macht, einschließlich der damit in Verbindung stehenden<br />

Kosten und Stillstandszeiten / Bild 2 /.<br />

Die Vorteile für den Betreiber sind offensichtlich:<br />

Umbaumaßnahmen lassen sich nicht nur schneller reali-<br />

sieren als Neubauten, da beispielsweise Bauteile mit langen<br />

Lieferzeiten (Schmiedeteile, Turbinen) mehrheitlich weiter<br />

verwendet werden. Vielmehr reduziert sich durch die Wieder-<br />

verwendung der notwendige Investitionsbedarf deutlich<br />

gegenüber Neubauten. Dies wird klar, wenn man bedenkt,<br />

dass der gesamte Baukörper sowie die Elektro-, Mess-,<br />

Steuer- und Regelungstechnik zusammen etwa ebenso<br />

viel kosten, wie die maschinentechnische Ausrüstung.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


Bild 3 / Einsatzbereiche der Optimierungsmodule<br />

Ein weiterer entscheidender Vorteil einer Umbau- oder<br />

Retrofit-Maßnahme liegt jedoch in dem wesentlich einfacheren<br />

Genehmigungsverfahren. Bei Umbaumaßnahmen<br />

kann sich der Betreiber auf den Bestandsschutz seiner alten<br />

Anlagen berufen, wodurch sich das Genehmigungsverfahren<br />

wesentlich vereinfacht. So kann beispielsweise auf eine<br />

Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen eines Anhörungsverfahrens<br />

verzichtet werden.<br />

Alles in allem erhöht eine Anlagenmodernisierung<br />

die Reaktionszeiten der Betreiber deutlich, was dem<br />

angestrebten Ziel eines flexiblen Reagierens deutlich<br />

näher kommt, als die Planung, Genehmigung und<br />

Errichtung eines vollkommen neuen Kraftwerksblockes.<br />

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine Studie des<br />

Umweltbundesamtes aus dem Jahre 2009 („Klimaschutz<br />

und Versorgungssicherheit“), wonach die Flexibilität am<br />

Strommarkt auch mit Alternativen zum Kraftwerksneubau,<br />

wie dem beschriebenen Retrofit, zu erreichen ist.<br />

These 2: modularisierung – ein Erfolgskonzept nicht<br />

nur für den neubau<br />

Wie bereits erläutert, müssen Anlagenbetreiber auf sich<br />

ständig wandelnde Anforderungen reagieren, wobei der<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

Modulares Retrofitting-Konzept – Effizienzsteigerung und Ressourcenschonung in der Energieerzeugung / 33<br />

f Applikations-Know-how c Wasser-Dampf-Kreislauf E<br />

Leittechnik<br />

D Verbrennungsluft-Versorgung B Kesselkonstruktion a Feuerungstechnik<br />

Treibhausgas-Emission und dem damit verbundenen<br />

Zertifikatehandel immer größere Bedeutung zukommen.<br />

Kraftwerke gehören nun einmal zu den größten CO 2-<br />

Emittenten und stehen damit im Fokus der Öffentlichkeit.<br />

In diesem Kontext sind Effizienzsteigerung und Schadstoffminimierung<br />

an Bestandsanlagen für die Betreiber unumgänglich.<br />

Hier nun greifen die Konzepte von ThyssenKrupp<br />

Xervon Energy / Bilder 3 und 4 /.<br />

Als Anlagenbauer entwickelt ThyssenKrupp Xervon<br />

Energy nicht nur innovative Kraftwerkstechnik, sondern<br />

verfügt auch über das notwendige Know-how, das man<br />

für die Ertüchtigung von Altanlagen benötigt. Die zum<br />

Einsatz kommenden Retrofit-Maßnahmen sind im Wesent-<br />

lichen abhängig von den gegebenen Randbedingungen.<br />

Es gibt unterschiedlichste limitierende Faktoren und<br />

dementsprechend auch keine Universallösung. Daraus<br />

ergibt sich die Aufgabe, die geeigneten Möglichkeiten<br />

aufzudecken, um zugeschnittene Lösungen zu erarbeiten,<br />

die den Kundenwunsch nach Effizienzsteigerung und<br />

Emissionsreduzierung unter Berücksichtigung der spezifischen<br />

Standortbedingungen seiner Anlage erfüllt. Die<br />

dabei zum Einsatz kommende Technik muss nicht nur<br />

leistungsfähig sein; eine erfolgreiche Erprobung sollte


34 / Modulares Retrofitting-Konzept – Effizienzsteigerung und Ressourcenschonung in der Energieerzeugung<br />

feuerungstechnik Beschreibung des modules Know-how Xervon Energy als maßnahme bereits<br />

effizienzsteigernd<br />

Luft- und wassergekühlte Abgestimmte Feuerungsmodule für Einbringung ° Alleinstellungsmerkmal gegeben Verbrennungsroste und schadstoffarme Verbrennung<br />

unterschiedlichster Ersatzbrennstoffe<br />

mehr als 20 Patente<br />

°<br />

°<br />

ü<br />

zahlreiche ausgeführte Anlagen, inkl. 15 Neubauten<br />

Stößelentschlacker Austragsorgan für feste Verbrennungsrückstände ° patentiert<br />

° an zahlreichen Anlagen nachgerüstet<br />

Gasturbinenabgasbrenner Brenner für flüssige und gasförmige Brennstoffe<br />

aller Art, der als Sauerstoffträger sowohl Frischluft<br />

als auch Gasturbinenabgas nutzen kann<br />

bereits 10 Anlagen auf diesen Brennertyp umgerüstet<br />

°<br />

Asche-Schmelz-Zyklon Nachbehandlung fester Verbrennungsrückstände<br />

° patentiert zur energetischen Nutzung und Erzeugung<br />

umweltfreundlicher Reststoffe<br />

2 Modellanlagen im Industriepark Hoechst<br />

°<br />

ü<br />

Kesselkonstruktion<br />

Heizflächen-Cladding + dazugehörige<br />

beschichtungsfreundliche Konstruktion<br />

Auftragsschweißverfahren für Werkstatt und<br />

Baustelle, um korrosionsgefährdete Kesselbauteile<br />

Alleinstellungsmerkmal gegeben<br />

°<br />

° zahlreiche Patente<br />

mit Sonderstählen zu schützen, sowie beschichtungs-<br />

° Auftragsschweißen (Cladding):<br />

freundliche Ausführungsmerkmale von Heizflächen eigenständiges Geschäftsfeld am Standort<br />

Kesselreinigungssystem Online-Reinigung von Strahlungsheizflächen mittels<br />

° in Zusammenarbeit mit Kooperationspartner Wasserstrahlen in Waste-to-Energy-Anlagen (Fa. Clyde-Bergemann), der diverse Schutzrechte hält<br />

ü<br />

Wasser-Dampf-Kreislauf<br />

Kondensat-Wärmeverschiebung Kondensat-/Speisewasser-Wärmeverschiebung,<br />

° umfassende Betriebserfahrungen um eine geringere Eco-Eintrittstemperatur und damit<br />

eine geringere Abgastemperatur zu erreichen<br />

mehr als 20 ausgeführte Anlagen<br />

°<br />

ü<br />

Platzsparende Konvektiv-Heizflächen Beim Umbau von Dampferzeugern auf Gastubinen-<br />

° umfassende Betriebserfahrungen Abgasnutzung muss bei bestehendem Bauvolumen<br />

dem erhöhten konvektiven Wärmeangebot Rechnung<br />

getragen werden. Dazu dienen speziell entwickelte<br />

und leicht nachrüstbare Rippenrohr-Wärmetauscher.<br />

mehr als 20 ausgeführte Anlagen<br />

°<br />

ü<br />

Abwärmenutzung der Rostkühlung Thermodynamische Verbesserung des Dampf-<br />

° umfassende Betriebserfahrungen Kreisprozesses durch Einbindung der bei der<br />

Verbrennungsrostkühlung abgeführten Wärme<br />

mehr als 20 ausgeführte Anlagen<br />

°<br />

ü<br />

verbrennungsluftversorgung<br />

Mischkammer Mischung von heißem Gasturbinenabgas mit kalter<br />

Zusatzfrischluft bei Vermeidung von Temperatursträhnen<br />

und geringem Strömungsdruckverlust<br />

umfassende Betriebserfahrungen<br />

°<br />

° mehr als 10 ausgeführte Anlagen<br />

Innenisolierung Schutz des Abgaskanals hinter Gasturbine vor zu hohen<br />

° umfassende Erfahrungen über Tochterunternehmen<br />

Temperaturen durch Aufbringen einer Innenisolierung S. Schlüssler Feuerfestbau, Bispingen<br />

leittechnik<br />

Feuerleistungsregelung Optimale Zusammenführung von Brennstoff und Luft ° Patent in Anmeldung ü<br />

unter festgelegten Temperaturbedingungen für hohe<br />

Umsatzgrade und geringe Schadstoffemissionen<br />

Strahlungspyrometer Berührungslose Brennkammer-Temperaturmessung zur<br />

realistischen Beurteilung des Verbrennungsprozesses<br />

und Eingangsgröße für die Feuerleistungsregelung<br />

Patent in Anmeldung<br />

°<br />

Bild 4 / Die 13 Module des Retrofitting-Konzeptes im Überblick<br />

HKW Würzburg<br />

Bei gleicher Energieerzeugung ca. 50.000 t weniger CO2<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

354<br />

89<br />

280<br />

119<br />

354<br />

161<br />

84<br />

-48<br />

71<br />

HKW Klein Wanzleben<br />

Bei gleicher Energieerzeugung 30.000 t weniger CO2<br />

sowie zusätzlich 40.000 MWh elektrische Energie<br />

Bild 5 / Effizienzsteigerung und Emissionsreduzierung durch Modernisierung der Heizkraftwerke Würzburg und Klein Wanzleben<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

368<br />

103<br />

0<br />

368<br />

-30<br />

+40 73<br />

40<br />

Brennstoffwärme [GWh]<br />

Elektrische Arbeit [GWh]<br />

NOx [t/a]<br />

CO2 [kt/a]<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


Gesamtemissionen<br />

Total Available<br />

Market (TAM)<br />

Served Available<br />

Market (SAM)<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

vorzugsweise über bereits ausgeführte Referenzanlagen<br />

nachweisbar sein. Um diesen Ansprüchen gerecht zu<br />

werden, wurden Anlagenkomponenten entwickelt, die größtenteils<br />

patentiert und in Form von „Tuning-Bausteinen"<br />

einer Modularisierung unterworfen sind, die unter anderem<br />

zur CO 2-Reduzierung weitgehend frei kombinierbar in<br />

Bestandsanlagen eingesetzt werden können.<br />

Dieser innovative Baukasten aus optimierten<br />

Komponenten mit nachgewiesener Effizienz bietet sowohl<br />

dem Betreiber als auch ThyssenKrupp Xervon Energy als<br />

Anlagenbauer Vorteile:<br />

1. flexible Lösungsfindung,<br />

2. technische wie kommerzielle Kalkulierbarkeit,<br />

3. in Referenzanlagen nachweisbar erprobt und<br />

teilweise weiter optimierbar.<br />

Die vertrieblichen Vorteile daraus erklären sich von selbst.<br />

Was dies in Zahlen bedeutet zeigt / Bild 5 /.<br />

Mit dem modularen Retrofitting eröffnet sich für<br />

ThyssenKrupp Xervon Energy in Deutschland ein relevanter<br />

Markt, der CO 2-Emissionen von bisher 100 Mio t/a ent-<br />

spricht, die durch das Modulare Retrofitting-Konzept auf<br />

50 Mio t/a reduziert werden können / Bild 6 /.<br />

Öffentliche<br />

Energieversorgung<br />

46 %<br />

1.005*<br />

20 %<br />

200<br />

50 %<br />

100<br />

Sonstige<br />

1 %<br />

16 %<br />

11 %<br />

6 %<br />

* Treibhausgas-Emissionen Deutschland 2006 in Mio t CO2e<br />

Bild 6 / Erreichbares Marktpotenzial ausgedrückt in CO 2-Reduzierung<br />

Modulares Retrofitting-Konzept – Effizienzsteigerung und Ressourcenschonung in der Energieerzeugung / 35<br />

Verkehr<br />

Industrielle<br />

Prozesse<br />

Landwirtschaft<br />

Kraftwerke der verar-<br />

beitenden Industrie und<br />

lokale Energieerzeuger<br />

Erreichbarer Markt<br />

in Deutschland<br />

These 3: fossile Brennstoffe werden auch mittelfristig<br />

die Hauptlast der Energieerzeugung tragen<br />

Die allgegenwärtige Diskussion über erneuerbare Energien<br />

ebenso wie Medienberichte über neu installierte Anlagen,<br />

die mit Windkraft, Sonne oder Erdwärme arbeiten, versperren<br />

jedoch oft den Blick auf die Realitäten. Es wird häufig<br />

übersehen, dass diese Anlagen für den öffentlichen wie<br />

für den industriellen Bedarf derzeit nur geringe elektrische<br />

Leistungen bereitstellen, dafür aber sehr viel Platz oder<br />

umbauten Raum benötigen. Man spricht hier von der so<br />

genannten geringen Leistungsdichte (elektrische Leistung<br />

geteilt durch Anlagenfläche bzw. Bauvolumen), die den<br />

Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energien nach<br />

derzeitigem Stand der Entwicklung eigen ist. Konventionelle<br />

Energieerzeugungsanlagen haben darüber hinaus – trotz<br />

all ihrer sonstigen Probleme, die sich für die Umwelt<br />

daraus ergeben – wesentlich höhere Leistungsdichten und<br />

können damit unter vertretbarem bautechnischen wie<br />

wirtschaftlichen Aufwand die immens großen elektrischen<br />

Leistungen bereitstellen, die zur öffentlichen Versorgung<br />

oder für industrielle Produktionsprozesse benötigt werden.<br />

Wollte man diesen Bedarf allein durch erneuerbare Energien<br />

decken, so käme man zu absurden Anlagengrößen. Diese<br />

physikalischen Grenzen schränken die Verbreitung erneuerbarer<br />

Energien gegenwärtig noch ein.<br />

Diesem Problem begegnet man – wo immer möglich –<br />

mit dezentraler Energieerzeugung und -nutzung sowie<br />

durch Energiesparmaßnahmen. Dennoch stellen die nicht<br />

berechenbare Verfügbarkeit von Sonne und Wind, die<br />

für eine industrielle Produktion ohnehin unabdingbar ist,<br />

neben den geringen Leistungsdichten das größte Hindernis<br />

beim Ausbau der regenerativen Energien dar. Das heißt im<br />

Umkehrschluss, dass die Bedeutung der konventionellen<br />

Techniken in den nächsten Jahrzehnten nicht sinken wird.<br />

Ganz im Gegenteil: die Stromerzeugung auf Kohlebasis<br />

wird nach Schätzung der Internationalen Energieagentur<br />

bis zum Jahr 2030 stark expandieren. Werden derzeit welt-<br />

weit 40 % des Stroms in Kohlekraftwerken erzeugt, so<br />

dürften es in 20 Jahren 45 % des dann deutlich höheren<br />

Strombedarfes sein, was eine Steigerung der verstromten<br />

Kohlemengen auf etwa 7,5 Mrd t/a zur Folge hat. Aufgrund<br />

dessen wird sich der technologische Fokus des<br />

Kraftwerksanlagenbaus in absehbarer Zeit nicht wesentlich<br />

ändern. CO 2-emittierende Technologien werden auch weiter-<br />

hin den Markt bestimmen, damit bleiben Schadstoffreduktion<br />

und Effizienzsteigerung bis auf weiteres die<br />

zentralen Forschungsschwerpunkte.


36 / Modulares Retrofitting-Konzept – Effizienzsteigerung und Ressourcenschonung in der Energieerzeugung<br />

These 4: Energiespeicherung – das Schlüsselthema der<br />

zukünftigen wirtschaftlichen Energienutzung<br />

Ein allgegenwärtiges Thema, das sowohl regenerative<br />

Energiegewinnungen als auch Gas- und Dampfkraftwerke<br />

(GuD) mit Kraft-Wärmekopplung betrifft, ist die Frage nach<br />

geeigneten Energiespeichern, in denen sich Strom und/<br />

oder Wärme aus Überschusszeiten zwischenspeichern<br />

lassen. Während im ersten Fall die unterschiedlichen<br />

Erzeugungszeiten bedient werden müssen, sind es im<br />

zweiten Fall die unterschiedlichen Nachfragezeiten, die es<br />

abzupuffern gilt.<br />

Unter der Leitung von RWE Power, die den Startschuss<br />

zur Entwicklung eines Hochtemperaturspeichers für GuD-<br />

Anlagen gaben, hat ThyssenKrupp Xervon Energy sich<br />

diesem Thema mit starken Kooperationspartnern, wie<br />

der Paul-Wurth-Gruppe und dem Institut für Technische<br />

Thermodynamik des Deutschen Zentrums für Luft und<br />

Raumfahrt (DLR), angenommen. Das Aufheizen (Laden)<br />

des Hochtemperaturwärmespeichers erfolgt durch die heißen<br />

Gasturbinenabgase, die ihre Wärmeenergie an die<br />

im Speicher befindlichen Speichermaterialien (Feststoffe)<br />

abgeben. Beim Entladen (Nachtmodus) strömt kalte Luft<br />

durch den aufgeheizten Speicher, erwärmt sich dadurch<br />

und steht als Wärmeträger für die Dampf-/Stromerzeugung<br />

zur Verfügung. Durch die Integration eines solchen<br />

Speichers können die Erzeugung und die Bereitstellung von<br />

Wärme und Strom in den Kraftwerken zeitlich entkoppelt<br />

werden, wodurch die Effizienz von GuD-Anlagen im Kraft-<br />

Wärme-Kopplungs-Betrieb weiter gesteigert wird. Da diese<br />

Anlagen zunehmend nach Wärme- und nicht mehr nach<br />

Strombedarf betrieben werden, müssen sie zum Zweck der<br />

Wärmebereitstellung derzeit auch nachts – und damit zu<br />

Zeiten geringer Stromanforderungen – in Betrieb sein. Mit<br />

Wärmespeichern ausgestattet kann die während des Tages<br />

über den Verbraucherbedarf hinaus produzierte Wärme<br />

hingegen zwischengespeichert und nachts bei abgeschalteter<br />

Gasturbine als Prozess- oder Fernwärme wieder abgegeben<br />

werden / Bilder 7 und 8 /.<br />

Durch die so erzielten Freiheitsgrade in der Fahrweise<br />

von kraftwärmegekoppelten GuD-Anlagen lassen sich<br />

Brennstoffausnutzungsgrade weiter verbessern sowie CO 2-<br />

Emissionen reduzieren. Dies verdeutlicht den Stellenwert<br />

der Entwicklung derartiger heute noch nicht verfügbarer<br />

Hochtemperaturspeicher für eine zukünftige, nachhaltige<br />

und dem Klimaschutz gerecht werdende Energieversorgung.<br />

These 5: Symbiose aus erneuerbaren Energien mit<br />

konventioneller Technik am Beispiel der Solarthermie<br />

Angeregt durch die Erkenntnis, dass die zuvor erläuterten<br />

Wärmespeicher sowohl im Bereich der konventionellen<br />

KWK-Anlagen als auch im Bereich der regenerativen<br />

Energieerzeugung ihren Einsatz finden, haben Firmen wie<br />

ThyssenKrupp Xervon Energy sich mit der Frage auseinandergesetzt,<br />

ob Elemente beider Technologiesäulen nicht in<br />

völlig neuen Verschaltungen als so genannte Hybridanlagen<br />

miteinander gekoppelt werden sollten. Nachteile der einen<br />

wie der anderen Technologie – geringe Energiedichten<br />

einerseits und CO 2-Emissionen anderseits – könnten so<br />

ausgeglichen werden.<br />

Die zur Strom- und Dampferzeugung notwendigen<br />

Komponenten, wie beispielsweise Dampferzeuger und<br />

Dampfturbinen, stehen im Wesentlichen bereits aus der<br />

herkömmlichen Kraftwerkstechnologie zur Verfügung. Statt<br />

jedoch wie bisher Verbrennungstechnologien zur Wärme-<br />

gewinnung in konventionellen Kraftwerksprozessen ein-<br />

zusetzen, stellen sich Forschung und Entwicklung der<br />

Herausforderung, gebündelte Sonnenenergie zu verwenden<br />

/ Bilder 9 und 10 /. Denkbar ist auch eine Kombination<br />

von Gasturbinen und Sonnenenergie in Hybridanlagen,<br />

sodass auch Jahreszeiten mit wenig Sonnenstunden oder<br />

aber Schlechtwetterzeiten überbrückt werden können.<br />

Die Forschungen und Entwicklungen von Anlagen zur<br />

Energieerzeugung auf Basis von erneuerbaren Energien, die<br />

an Leistungsdichten heranreichen, die den herkömmlichen<br />

Kraftwerkstechniken eigen sind, sind vielfältig. Die Tatsache,<br />

dass die herkömmlichen Technologien zur Deckung des<br />

wachsenden Strombedarfes auch zukünftig unverzichtbar<br />

sind, lässt ThyssenKrupp Xervon Energy als Anlagenbauer<br />

nicht die Augen vor der dringenden Notwendigkeit verschließen,<br />

nach Alternativlösungen zu suchen, diese zu<br />

entwickeln und zu erforschen.<br />

Zusammenfassung und Ausblick<br />

Da es Betreibern von Industrieanlagen heute kaum noch<br />

möglich ist, für die Refinanzierungszeiträume ihrer Anlagen<br />

gültige Annahmen über Brennstoffpreise, zulässige<br />

Emissionen oder die Entsorgungswege von Reststoffen<br />

zu machen, muss langfristiges Denken und Handeln<br />

daher immer öfter durch flexibles Reagieren ersetzt werden.<br />

Ein schwieriges Unterfangen, wenn es sich, wie bei<br />

Energieerzeugungsanlagen, um Großinvestitionen mit zum<br />

Teil mehrjährigen Realisierungszeiträumen handelt. Der<br />

innovative Baukasten von ThyssenKrupp Xervon Energy<br />

aus optimierten Komponenten mit nachgewiesener Effizienz<br />

bietet sowohl dem Betreiber als auch dem Anlagenbauer<br />

die Vorteile einer flexiblen Lösungsfindung sowie technischer<br />

und kommerzieller Kalkulierbarkeiten. Allein das<br />

Beispiel des Einsparpotenziales an CO 2-Emissionen von<br />

rund 50 Mio Tonnen pro Jahr, das mit dem modularen<br />

Retrofitting-Konzept an Bestandsanlagen erreicht werden<br />

kann, zeigt den diesbezüglichen Markt in Deutschland heute<br />

und zukünftig auf.<br />

Das in diesem Artikel vorgestellte modulare Retrofitting-<br />

Konzept wurde mit dem ThyssenKrupp Sonderinnovationspreis<br />

„Energie und Umwelt“ 2009 ausgezeichnet.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


GuD-Kraftwerk mit Dampflieferung und Wärmespeicher in Zeiten<br />

hoher Stromerlöse (Peak)<br />

Gasturbinen<br />

Abhitzekessel für Solarkraftwerk (Tagmodus)<br />

Konzentrierte<br />

Solarstrahlung<br />

Heliostatenfeld<br />

Receiver<br />

Thermischer<br />

Speicher<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

Dampferzeuger<br />

Thermischer<br />

Speicher<br />

Heißluft<br />

Rückgeführte Luft<br />

Dampfturbosatz<br />

Dampf<br />

Dampferzeuger<br />

Modulares Retrofitting-Konzept – Effizienzsteigerung und Ressourcenschonung in der Energieerzeugung / 37<br />

Dampfversorgung<br />

des Kunden<br />

Bild 7 / Tagbetrieb einer GuD-Anlage in Kraftwärmekopplung – Zwischenspeicherung der<br />

über den Verbraucherbedarf hinaus produzierten Wärme<br />

Turbine mit<br />

Generator<br />

Konzentratorsystem Heißgaskreis Wasser-Dampf-Kreis<br />

GuD-Kraftwerk mit Dampflieferung und Wärmespeicher in Zeiten<br />

niedriger Stromerlöse (Off-Peak)<br />

Gasturbinen<br />

Bild 8 / Nachtbetrieb einer GuD Anlage in Kraftwärmekopplung – Wärmeabgabe<br />

aus dem Zwischenspeicher in den Abhitzekessel bei abgeschalteter Gasturbine<br />

Abhitzekessel für Solarkraftwerk (Nachtmodus)<br />

Heliostatenfeld<br />

Bild 9 / Hybridkraftwerk im Tagbetrieb – Sonnenenergie ersetzt fossile Brennstoffe Bild 10 / Hybridkraftwerk im Nachtbetrieb – Wärmeabgabe aus dem Zwischenspeicher<br />

in den Abhitzekessel<br />

Receiver<br />

Thermischer<br />

Speicher<br />

Dampferzeuger<br />

Thermischer<br />

Speicher<br />

Heißluft<br />

Rückgeführte Luft<br />

Dampfturbosatz<br />

Dampfversorgung<br />

des Kunden<br />

Dampf<br />

Dampferzeuger<br />

Turbine mit<br />

Generator<br />

Konzentratorsystem Heißgaskreis Wasser-Dampf-Kreis


38 / Thema<br />

Die neue energieeffiziente Aufzugsgeneration von ThyssenKrupp<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


LOFT<br />

Eine Umwelt-Initiative von ThyssenKrupp Aufzüge<br />

alEXanDEr KEllEr Geschäftsführer ThyssenKrupp aufzüge gmbH Stuttgart<br />

STEpHan WirTH Geschäftsführer gWH aufzüge gmbH Himmelstadt<br />

DirK linnE Niederlassungsleiter Mainz ThyssenKrupp aufzüge gmbH Mainz<br />

nicola DangErfiElD Leiterin Verkaufsförderung Marketing Kommunikation ThyssenKrupp aufzüge gmbH Stuttgart<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

Große Aufgaben bewältigt man oft nur in<br />

vielen kleinen Schritten: Die LOFT-Umwelt-<br />

Initiative von ThyssenKrupp Aufzüge leistet<br />

mit energiesparenden und zukunftsorientierten<br />

Produkten einen entscheidenden Beitrag<br />

zum Klima- und Umweltschutz – sowohl für<br />

Neuanlagen als auch für Modernisierungen.<br />

Hintergrund<br />

Die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre<br />

steigt. Vor allem der Kohlendioxid-Anteil hat sich durch die<br />

Industrialisierung in den letzten 150 Jahren immer mehr<br />

verstärkt. Er erhöht sich jeden Tag durch Wirtschaft,<br />

Haushalte sowie Verkehr und unsere Umwelt heizt sich<br />

dadurch unnatürlich schnell auf. Ziel muss es deshalb sein,<br />

aktiv Energie einzusparen und die CO 2-Emissionen zu ver-<br />

ringern. Die LOFT-Umwelt-Initiative von ThyssenKrupp<br />

Aufzüge trägt ein gutes Stück dazu bei, den CO 2-Ausstoß<br />

zu reduzieren. Denn das Produktkonzept senkt den Energieverbrauch<br />

von Aufzugsanlagen und Fahrtreppen deutlich –<br />

ohne jegliche Komfort- und Leistungseinbußen. Fahrtreppen<br />

und Aufzüge können dank LOFT energiesparender, umweltgerechter<br />

und klimaschonender betrieben werden. Dadurch<br />

LOFT - Schachtentrauchung<br />

LOFT - Leuchtmittel<br />

LOFT - Steuerungs- und<br />

Lichtabschaltung<br />

LOFT - Lichtabschaltung<br />

/ 39<br />

entsteht eine Win-Win-Situation: Während die Kunden<br />

Strom, Energie und Kosten sparen, sichert ThyssenKrupp<br />

Aufzüge nachhaltig die Zukunft unserer Umwelt.<br />

Ein durchgängiges Maßnahmenkonzept<br />

Die Umwelt-Initiative basiert auf der Entwicklung einer<br />

durchgängigen und umweltfreundlichen Produktpalette.<br />

Dabei zeichnet sich jedes einzelne Produkt durch seine her-<br />

vorragende Leistungsfähigkeit, erstaunliche Anpassungsfähigkeit,<br />

Hochwertigkeit sowie durch eine ökologische und<br />

ökonomische Rentabilität aus. Eine erfolgreiche Produktstrategie,<br />

die sich dreifach auszahlt: für uns, unsere Umwelt<br />

wie auch für Betreiber und Investoren. Mögliche Einsatz-<br />

bereiche für die LOFT-Produktpalette / Bild 1 / sind dabei<br />

nicht nur öffentliche Einrichtungen, wie z.B. Krankenhäuser,<br />

sondern auch Bürogebäude / Bild 2 /, Hotels, Eigen-<br />

tümergemeinschaften, Wohnungsbaugesellschaften und<br />

viele weitere mehr. Für einen detaillierten Einblick werden<br />

die einzelnen LOFT-Produkte im Folgenden ausführlich<br />

vorgestellt.<br />

Lichtabschaltung<br />

Licht ist wichtig. Deshalb muss es aber nicht Tag<br />

und Nacht brennen. Wird ein Aufzug nicht benutzt, ist die<br />

Kabinenbeleuchtung häufig eingeschaltet, z.B. nachts in<br />

Wohnhäusern oder an Sonn- und Feiertagen in Büro-<br />

gebäuden. Die LOFT-Lichtabschaltung hilft hier, Energie zu<br />

sparen. Wird der Aufzug beispielsweise über einen definierten<br />

LOFT - Fahrtreppenbeleuchtung<br />

LOFT - Fahrtreppensteuerung<br />

Bild 1 / LOFT - Produktübersicht<br />

LOFT - Energieeffizienz<br />

für die Zukunft


40 / LOFT – Eine Umwelt-Initiative von ThyssenKrupp Aufzüge<br />

Zeitraum nicht genutzt, schaltet sich das Kabinenlicht systematisch<br />

ab. Mit Anforderung des Aufzuges schaltet sich<br />

das Licht sofort wieder ein. In Abhängigkeit vom Aufzugs-<br />

typ kann die Abschaltung entweder durch Software-<br />

Programmierung oder durch Nachrüstung externer Schalter,<br />

wie z.B. Bewegungsmelder, Zeitschaltuhren und oder<br />

Schlüsselschalter, erreicht werden. Bei Glasaufzügen ist<br />

die vollständige Abschaltung der Kabinenbeleuchtung<br />

dagegen oft nicht erwünscht. Hier gibt es die Möglichkeit,<br />

einen von zwei Beleuchtungsstromkreisen abzuschalten.<br />

Sind die Leuchtmittel für eine gedimmte Ansteuerung<br />

geeignet, ist dies neben dem geteilten Betrieb eine weitere<br />

Möglichkeit, den Energieverbrauch zu reduzieren. Damit<br />

das häufige Ein- und Ausschalten nicht zur Lebensdauer-<br />

Verkürzung der Leuchtmittel führt, empfiehlt sich der<br />

Einsatz moderner LED-Leuchtmittel.<br />

Ein durchschnittlicher Aufzug verbraucht 60 % seiner<br />

Energie im Stillstand, ein Großteil davon wird durch die<br />

Kabinenbeleuchtung verursacht. Allein deshalb ist der<br />

Einsatz der LOFT-Lichtabschaltung eine lohnende Alternative<br />

– wie das folgende Rechenbeispiel beweist.<br />

Beispielrechnung zur gesamtökologischen<br />

Bedeutung<br />

° 9,5 Stunden Ausschaltung entsprechen einer Strom-<br />

ersparnis von 1,52 kWh.<br />

° 1,52 kWh Strom pro Tag bei ca. 600.000 Aufzügen<br />

ergeben für Deutschland eine Gesamtersparnis von<br />

912.000 kWh.<br />

° Bei der Erzeugung von 1 kWh Strom werden 0,58 kg<br />

CO 2 freigesetzt.<br />

° So errechnet sich aus 912.000 kWh eine CO 2-Ersparnis<br />

von 528.960 kg an einem einzigen Tag oder 193.000 t<br />

CO 2 pro Jahr in Deutschland, d.h.:<br />

° 193.000 t CO 2 im Jahr werden durch eine<br />

automatische Lichtabschaltung bei 600.000 Aufzügen<br />

in Deutschland eingespart.<br />

Steuerungs- und Lichtabschaltung<br />

Werden Aufzüge nicht genutzt, sollten sie auch abgeschaltet<br />

sein. Es gibt immer Zeiten, in denen ein Aufzug selten<br />

oder gar nicht genutzt wird, z.B. nachts. Mit der LOFT-<br />

Steuerungs- und Lichtabschaltung kann viel Strom gespart<br />

werden / Bild 3 /. Sobald der Aufzug eine definierte Zeit<br />

nicht genutzt wird, werden die Energieverbraucher Steue-<br />

rung und Kabinenbeleuchtung abgeschaltet / Bild 4 /.<br />

Nach der Ausführung aller anstehenden Fahrten, wird die<br />

Abschaltung über einen Schlüsselschalter oder eine<br />

Zeitschaltuhr aktiviert. Befindet sich der Aufzug nicht<br />

in seiner Abschaltehaltestelle, wird die Fahrt dorthin<br />

automatisch eingeleitet. Hier werden das Fahrkorblicht<br />

und danach bei geschlossener Tür die Steuerung und<br />

die Tür-Lichtschranke abgeschaltet. Die Tür-Auf-Taster<br />

bleiben weiterhin aktiv. Zukünftig wird die Abschaltung<br />

über eine intelligente Software realisiert. Der Vorteil dabei<br />

ist, dass sich die Anlagen-Steuerung bei Nichtnutzung<br />

selbst in den Stand-by-Modus (Energiesparphase) versetzen<br />

kann. Sie erkennt in diesem Modus, wenn der Aufzug<br />

angefordert wird und ist sofort betriebsbereit.<br />

Bild 2 / Moderne Bürogebäude als Einsatzbereiche der Loft-Produktpalette<br />

Einsparpotenzial Auslastung<br />

2h 4h 6h 8h 10h 12h 14h 16h 18h 20h 22h 24h<br />

Bild 3 / Einsparpotenzial<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

Leuchtmittel<br />

Moderne Leuchtmittel sind Energiesparwunder. LOFT-<br />

Leuchtmittel sparen gegenüber herkömmlichen Glühbirnen<br />

und Leuchtstoffröhren bis zu 90 % Energie, erreichen eine<br />

bessere Lichtausbeute und können problemlos ersetzt<br />

werden. Während herkömmliche Leuchtmittel rund 90 %<br />

der Energie als Wärme abgeben, unter Ausschaltvorgängen<br />

leiden und schnell an Leuchtkraft verlieren, sind moderne<br />

Energiesparleuchten deutlich unempfindlicher und leistungsstärker.<br />

Allerdings lohnt sich das Abschalten von<br />

Energiesparleuchten erst, wenn sie länger als 15 min ausgeschaltet<br />

bleiben, denn häufige Einschaltvorgänge benötigen<br />

mehr Energie als der Dauerbetrieb. Die wirtschaftlich<br />

und ökologisch beste Wahl sind LED-Leuchten (Light<br />

Emitting Diode – Leuchten mit Leuchtdioden) / Bild 5 /.<br />

Bild 4 / Gedimmte Aufzugsbeleuchtung in Zeiten geringer Nutzung<br />

Glühlampen Neonlicht LED LED-Röhre<br />

5 % 20 % 60 % 96 %<br />

Bild 5 / Lichtausbeute unterschiedlicher Leuchtkörper<br />

LOFT – Eine Umwelt-Initiative von ThyssenKrupp Aufzüge / 41<br />

Sie wandeln Energie nahezu ausschließlich in Licht um, sind<br />

äußerst sparsam, langlebig sowie unempfindlich gegen<br />

Erschütterungen und häufiges Ein- und Ausschalten. Da<br />

sie in zahlreichen Lichtfarben erhältlich sind, sind sie auch<br />

unter ästhetischen Gesichtspunkten vielseitig einsetzbar.<br />

Schachtentrauchung<br />

Schachtentlüftung sowie -entrauchung / Bild 6 / spart<br />

Energie und schützt das Klima. Durch vorgeschriebene<br />

Schachtentlüftungs- und Entrauchungsöffnungen wird<br />

Wärmeenergie verschwendet. Die warme Gebäudeluft entweicht<br />

permanent. So gelangt die mit Heizenergie erzeugte<br />

Wärme über die Aufzugstüren in den Schacht und entweicht<br />

aus der permanenten Öffnung. Die Energieein-<br />

sparverordnung 2007 (EnEV) und die LOFT-Schachtent-<br />

rauchung setzen diesem Wärmeverlust ein Ende. Denn<br />

die in nahezu allen Aufzugsschächten leicht nachrüstbare<br />

LOFT-Schachtentrauchung erfüllt die gesetzlichen<br />

Forderungen des Brandschutzes und der Energieeinsparung<br />

gleichermaßen. Die brandschutztechnisch erforderlichen<br />

Rauchabzugsöffnungen werden durch eine motor-betriebene<br />

Entrauchungsklappe oder Lichtkuppel geschlossen.<br />

Die Dichtigkeit des Gebäudes ist genauso gewährleistet wie<br />

der Abzug heißer, giftiger Brandgase. Im Brandfall werden<br />

Klappe oder Kuppel automatisch geöffnet.<br />

Fahrtreppenbeleuchtung<br />

Mehr Leistung ohne Energieverlust: Die meisten herkömmlichen<br />

Fahrtreppen und Fahrsteige besitzen eine Sockel-<br />

band- und/oder Balustradenbeleuchtung. Als Leuchtmittel<br />

werden Kaltkathoden-Leuchtstoffröhren (KKL) verwendet.<br />

Ein hoher Energieverbrauch, eine relativ geringe Lebens-<br />

dauer und ein ungleichmäßiges Erscheinungsbild sind für<br />

diese Art von Leuchtmitteln kenzeichnend. Mit der neuen<br />

LOFT-LED-Fahrtreppenbeleuchtung / Bild 7 / kann problem-<br />

los auf ein modernes, energiesparendes Beleuchtungssystem<br />

umgerüstet werden. So wird der Energieverbrauch<br />

um bis zu 40 % reduziert. Dabei ist die mittlere Lebensdauer<br />

der LOFT-LED-Fahrtreppenbeleuchtung ca. fünfmal höher<br />

als bei herkömmlichen KKL-Röhren. Die von letzteren<br />

bekannte Abschwächung der Leuchtintensität gegen Ende<br />

der Lebensdauer tritt bei der LED-Beleuchtung ebenfalls<br />

nicht auf. Darüber hinaus ist die Leuchtintensität der optisch<br />

hochwertigeren LEDs konstant höher.<br />

Fahrtreppensteuerung<br />

Fahrtreppen und Fahrsteige mit geringer Auslastung<br />

müssen nicht durchgängig in Betrieb sein und dabei un-<br />

nötig Energie verbrauchen. Deshalb bietet ThyssenKrupp<br />

Aufzüge auch Anlagen mit intermittierendem Betrieb an.<br />

Die LOFT-Fahrtreppensteuerung ermöglicht zudem die<br />

einfache, nachträgliche Umrüstung auf intermittierenden<br />

Betrieb. Moderne Radarsensoren erkennen, wenn sich ein<br />

Benutzer nähert und starten die Fahrtreppe rechtzeitig.<br />

Aufwendige Änderungen der Steuerung, das Anbringen von<br />

Umgehungsbügeln mit Lichtschranken sowie Kontaktmatten<br />

gehören der Vergangenheit an. Der Radarsensor kann in-<br />

dividuell eingestellt werden. So ist gewährleistet, dass<br />

die Anlage rechtzeitig ihre volle Betriebsgeschwindigkeit


42 / LOFT – Eine Umwelt-Initiative von ThyssenKrupp Aufzüge<br />

erreicht. Dabei kann zwischen sich entfernenden, darauf<br />

zugehenden und vorbeigehenden Personen unterschieden<br />

werden. Die Anlage setzt sich nur dann in Betrieb, wenn<br />

sich Personen zielgerichtet nähern. Ampelanlagen signali-<br />

sieren dem Benutzer die Betriebsbereitschaft und zeigen die<br />

Fahrtrichtung an. Nachdem der Benutzer das Stufenband<br />

verlassen hat, läuft die Anlage entsprechend der eingestellten<br />

Nachlaufzeit.<br />

Energieeffizienz für die Zukunft<br />

Die angebotenen Aufzugskomponenten gelten – den Weltmarkt<br />

betreffend – als führend. Denn sie gehören hin-<br />

sichtlich der Klima- und Umweltschonung zu den höchstentwickelten.<br />

Die Antriebsaggregate verbrauchen wesentlich<br />

weniger Energie als noch vor Jahren. Bei Seilantrieben<br />

bietet sich besonders der Austausch gegen sparsame,<br />

frequenzgeregelte Antriebe mit höherem Wirkungsgrad<br />

an. In die Jahre gekommene Hydraulikantriebe profitieren<br />

ungemein vom Einsatz einer modernen Frequenzregelung<br />

und einer neuen Unterölpumpe. Auch der Energieverbrauch<br />

der Kabinentüren, bei denen üblicherweise der Türantrieb<br />

permanent unter Strom steht, kann durch den Einbau<br />

momentenloser Antriebe gesenkt werden. Hinzu kommen<br />

der Austausch und die Neujustierung von Schienen und<br />

Umlenkrollen, was für einen geringeren Reibungswiderstand<br />

und Energieverbrauch des ganzen Systems sorgt. Im<br />

Rahmen einer Modernisierung werden so deutliche Energie-<br />

und Kosteneinsparungen erzielt.<br />

Bild 6 / Blick in einen modernen Aufzugschacht<br />

Umweltschutz als Unternehmensgrundsatz<br />

Umweltorientiertes Management ist ein wesentliches,<br />

strategisches Ziel von ThyssenKrupp Aufzüge. Die unternehmerischen<br />

Entscheidungen werden hinsichtlich ihrer<br />

Auswirkungen auf die Umwelt eingehend überprüft.<br />

Umwelt-Belastungen sollen weitestgehend durch die<br />

Tätigkeiten und Produkte vermieden sowie der Verbrauch<br />

natürlicher Ressourcen auf ein Minimum reduziert werden.<br />

Bereits bei der Konzeption und Konstruktion neuer<br />

Produkte wird darauf geachtet, dass sie möglichst<br />

sparsam im Energieverbrauch sind und nach Ablauf<br />

der Lebensdauer entsorgt werden können. In der Produktion,<br />

bei der Montage und im Service wird möglichst<br />

sparsam mit dem Einsatz von Energie und Rohstoffen<br />

umgegangen, umweltschädliche Auswirkungen werden so<br />

gering wie möglich gehalten, Abfälle vermieden oder umwelt-<br />

gerecht entsorgt.<br />

Die Leitgedanken der LOFT-Umwelt-Initiative lassen sich<br />

wie folgt zusammenfassen:<br />

° Umweltschutz als wichtiges Unternehmensziel,<br />

° vorausschauende Verantwortung,<br />

° Entwicklung sparsamer, umweltschonender<br />

Produkte sowie<br />

° umweltverträglicher Produktionsverfahren.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


Bild 7 / LOFT-LED-Fahrtreppenbeleuchtung<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

LOFT – Eine Umwelt-Initiative von ThyssenKrupp Aufzüge / 43


44 /<br />

STAR process ®<br />

Ein neues hochproduktives Verfahren<br />

zur Propylenherstellung<br />

Dr. rEr. naT. HElmuT gEHrKE Abteilungsleiter Labor/Technikum uhde gmbH Dortmund<br />

Dipl.-ing. maX HEinriTz-aDrian Abteilungsleiter Verfahrenstechnik uhde gmbH Dortmund<br />

Dipl.-ing. rolf ScHWaSS Chemieingenieur uhde gmbH Dortmund<br />

Dr.-ing. SaScHa WEnzEl Abteilungsleiter Technologie-Service uhde gmbH Dortmund<br />

STAR process ® -Anlage bei der Egyptian Propylene & Polypropylene Company (EPP) in Port Said/Ägypten<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

STAR process ® – Ein neues hochproduktives Verfahren zur Propylenherstellung / 45<br />

Der STAR process ® ist das weltweit erste<br />

kommerziell eingesetzte Verfahren zur Er-<br />

zeugung von Propylen, das auf dem Prinzip<br />

der oxidativen Dehydrierung von Propan<br />

beruht. Propylen ist eines der wesentlichen<br />

petrochemischen Basisprodukte mit nach-<br />

haltig hohen Wachstumsraten, das vor allem<br />

zur weiteren Verarbeitung bei der Erzeugung<br />

von hochwertigen Kunststoffprodukten –<br />

z.B. Polypropylen – verwendet wird. Die<br />

oxidative Dehydrierung im STAR process ®<br />

ist eine Neuentwicklung, die von Uhde mit<br />

Hilfe einer eigens hierfür gebauten Pilotanlage<br />

durchgeführt wurde. Erstmalig<br />

wurde sie großtechnisch in einer kommerziellen<br />

Anlage zur jährlichen Erzeugung von<br />

350.000 t Propylen mit anschließender<br />

Weiterverarbeitung zu Polypropylen für den<br />

Kunden Egyptian Propylene & Polypropylene<br />

Company (EPP) in Port Said/Ägypten,<br />

schlüsselfertig umgesetzt.


46 / STAR process ® – Ein neues hochproduktives Verfahren zur Propylenherstellung<br />

Marksituation Propylen<br />

Propylen (systematischer Name: Propen) ist, neben Ethylen,<br />

eines der wesentlichen petrochemischen Basisprodukte<br />

mit vielseitigen Verwertungsmöglichkeiten. Es wird zur Er-<br />

zeugung von wichtigen Monomeren, Polymeren, Zwischenprodukten<br />

und Chemikalien verwendet. Der weitaus größte<br />

Anteil des weltweit erzeugten Propylens wird in der Weiter-<br />

verarbeitung zu Polypropylen (PP) verwertet. Die hervorragenden<br />

Produkteigenschaften und damit vielfältigen,<br />

sich immer weiter entwickelnden Einsatzfelder von Poly-<br />

propylen, z.B. in der Verpackungsindustrie, in der Teppichindustrie<br />

und bei der Produktion von Hartschalen-Koffern,<br />

sorgen für gleichbleibend hohe Wachstumsraten des<br />

weltweiten Polypropylen-Marktes. Dies ist somit auch die<br />

wesentliche Triebkraft für das nachhaltig hohe Wachstum<br />

des weltweiten Propylenbedarfes. Weitere wichtige<br />

Folgeprodukte des Propylens sind das Propylenoxid (PO),<br />

Cumol, Acrylnitril (ACN), Acrylsäure und Oxo-Alkohole.<br />

Propylenoxid wird u.a. zur Herstellung von Schaumstoffen<br />

oder Harzen verwendet. Aus Cumol wird Phenol erzeugt, aus<br />

dem wiederum Polymere produziert werden. Acrylnitril ist<br />

ein Monomer zur Herstellung von Polyacrylynitril oder<br />

komplexen Polymeren; Acrylsäure wird bei der Herstellung<br />

von Polyacrylsäuren, z.B. für Superadsorber, eingesetzt.<br />

Im Jahre 2009 wurden weltweit ca. 75 Millionen t<br />

Propylen verbraucht. Der größte Teil des Propylens wurde<br />

dabei als Koppel- oder Nebenprodukt der Ethylen- und<br />

Benzinerzeugung beim Dampf-Cracken in Röhrenspaltöfen<br />

sowie in Raffinerien im Wesentlichen in Fluid Catalytic<br />

Cracking(FCC)-Anlagen erzeugt. Alternative Technologien<br />

zur Produktion von Propylen sind die Propandehydrierung<br />

(PDH), Metathese, Olefin-Cracken und Methanol-zu-Olefin<br />

(MTO) bzw. Methanol-zu-Propylen(MTP)-Synthesen sowie<br />

Bild 1 / Produktionsrouten von Propylen und dessen Folgeprodukte<br />

katalytische Pyrolyse / Bild 1 /. Ca. 7 % des Propylens wurde<br />

auf Basis dieser alternativen Technologien, im Wesentlichen<br />

durch Verfahren zur gezielten Erzeugung von Propylen<br />

(“On-Purpose“), wie der Propandehydrierung oder der<br />

Metathese hergestellt. Tatsächlich findet eine zunehmende<br />

Verschiebung der Propylenproduktion hin zu diesen Techno-<br />

logien statt, da zusätzliche Produktionskapazitäten beim<br />

Dampf-Cracken und in Raffinerien bei weitem nicht die<br />

Wachstumsraten des Propylenbedarfes decken können. Die<br />

Produktionskapazität von Propylen durch Propandehy-<br />

drierung wächst derzeit durchschnittlich mit ca. 500.000 t/a<br />

/ Bild 2 /, d.h. jedes Jahr werden ein bis zwei kommerzielle<br />

Großanlagen für die Propandehydrierung gebaut.<br />

Konventionelle Propandehydrierung<br />

In den kommerziellen Anlagen zur Propandehydrierung<br />

wurden bisher ausschließlich konventionelle Technologien<br />

eingesetzt. Bei der Dehydrierung wird Propan zu Propylen<br />

und Wasserstoff umgesetzt. Es handelt sich dabei um<br />

eine endotherme Gleichgewichts-Reaktion, die durch hohe<br />

Temperaturen und niedrige Drücke begünstigt wird. Auf-<br />

grund der Lage des thermodynamischen Gleichgewichtes<br />

werden bei technisch realisierbaren Bedingungen Propan-<br />

Umsätze von ca. 30-50 % erreicht. Dabei wird das Propan –<br />

ggf. unter Zumischung von Wasserstoff oder Wasser-<br />

dampf – bei Temperaturen von ca. 600 °C und bei Drücken<br />

im Vakuumbereich oder leicht oberhalb atmosphärischem<br />

Druck katalytisch mithilfe eines Platin- oder eines<br />

Chromoxid-Katalysators umgesetzt. Höhere Temperaturen<br />

würden zu einer zu starken Verkokung des Katalysators<br />

führen und die Produktselektivität deutlich reduzieren.<br />

Aufgrund der Verkokungsreaktionen auf dem Katalysator<br />

muss dieser regelmäßig durch ein Abbrennen der<br />

rohstoffe produktionsrouten folgeprodukte<br />

Gas<br />

Kondensat<br />

Öl<br />

Kohle<br />

Synthese-<br />

Gas<br />

LPG/<br />

Propan<br />

Naphtha/<br />

Gasöl<br />

Schweröl/<br />

Rückstand<br />

Dampf-<br />

Cracken<br />

C2=<br />

C4=<br />

PDH<br />

FCC-<br />

Raffinerie<br />

Metathese<br />

C4=/<br />

C5+<br />

Methanol +<br />

MTO/MTP<br />

Olefin-<br />

Cracken<br />

Katalytische<br />

Pyrolyse<br />

C<br />

C<br />

C<br />

PP<br />

PO<br />

Cumol<br />

ACN<br />

Acrylsäure<br />

Oxo-Alkohole<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


Propylen-Produktion [kt/a]<br />

7.000<br />

6.000<br />

5.000<br />

4.000<br />

3.000<br />

2.000<br />

1.000<br />

0<br />

'91 '92 '93 '94 '95 '96 '97 '98 '99 '00 '01 '02 '03 '04 '05 '06 '07 '08 '09 '10 '11 '12 '13 '14 '15<br />

Bild 2 / Entwicklung der weltweiten Propylen-Produktionskapazität durch Propandehydrierung<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

Jahr<br />

Bild 3 / Schema der Reaktions-Sektion des STAR process ®<br />

STAR process ® – Ein neues hochproduktives Verfahren zur Propylenherstellung / 47<br />

Kohlenstoffablagerungen sowie eine chemische Reakti-<br />

vierung und Vorreduzierung regeneriert werden.<br />

Wesentliche Nachteile dieser konventionellen Techno-<br />

logien bestehen zum einen in den relativ hohen Investitionskosten<br />

für diese Anlagen und zum anderen im hohen<br />

spezifischen Energie- und Katalysatorbedarf. Zudem ist die<br />

Regenerierung des Katalysators aufwendig.<br />

STAR process ® mit oxidativer Dehydrierung<br />

Im STAR process ® mit oxidativer Dehydrierung werden die<br />

genannten Nachteile behoben. Das Akronym STAR steht<br />

für ‘STeam Active Reforming’, d.h. die Dehydrierung findet<br />

katalytisch in Gegenwart von Wasserdampf statt. Als<br />

Katalysator wird ein spezieller Platin-Zinn-Komplex, fixiert<br />

auf einem Zinkaluminat-Träger, verwendet, der unter dem<br />

Markennamen STAR catalyst ® vertrieben wird. Durch den<br />

Betrieb mit Wasserdampf wird der Partialdruck der Kohlenwasserstoffe<br />

herabgesetzt, was zu höherem Propan-<br />

umsatz führt, und die Reaktion kann somit bei höheren<br />

Absolutdrücken von ca. 6 bar durchgeführt werden. Dies<br />

reduziert die Investitionskosten und den Energie-<br />

verbrauch bei der folgenden Rohgaskompression. Zudem<br />

werden auch die Kohlenstoffablagerungen auf dem Kataly-<br />

sator verringert und die Regeneration des Katalysators<br />

wird dadurch wesentlich vereinfacht.<br />

Die Reaktion im STAR process ® findet in zwei in<br />

Serie geschalteten Festbettreaktoren statt / Bild 3 /. Der<br />

erste Reaktor ist ein aussenbeheizter Rohrreaktor, ein so<br />

genannter Reformer. Die Rohre sind mit Katalysator gefüllt<br />

und befinden sich in einer deckenbefeuerten Ofenbox. Das<br />

Zwischenprodukt wird anschließend einem adiabaten<br />

Festbettreaktor, dem Oxireaktor / Bilder 4 und 5 /, zugeführt.<br />

In diesem Reaktor findet der Schritt der oxidativen<br />

Dehydrierung statt. Oberhalb des Katalysatorbettes wird<br />

ein Gemisch aus Sauerstoff und Dampf eingedüst. Mit<br />

dem zugemischten Sauerstoff wird im oberen Bereich des<br />

Katalysatorbettes Wasserstoff aus dem Zwischenprodukt<br />

selektiv zu Wasser umgesetzt und somit die treibende<br />

Kraft für die Dehydrierungsreaktion deutlich erhöht.<br />

Damit wird die Produktausbeute gesteigert und die<br />

Reaktion kann bei deutlich höheren Raumgeschwindig-<br />

keiten durchgeführt werden. Zudem wird direkt die<br />

benötigte Wärme für die weitere endotherme Dehy-<br />

drierung, die im selben Katalysatorbett stattfindet, zur<br />

Verfügung gestellt. Das Produkt aus dem Oxireaktor wird<br />

in einer Reihe von Wärmetauschern abgekühlt und der<br />

Prozessdampf auskondensiert, wobei die Wärme aus<br />

Abkühlung und Kondensation weitestmöglich für die Vor-<br />

wärmung des Einsatzproduktes, zur Erzeugung von<br />

Dampf, zur Erzeugung von Prozess-Kälte mit Hilfe eines<br />

Absorptionskälteprozesses und zur Beheizung der nachgeschalteten<br />

Prozess-Units verwendet wird. Anschließend<br />

erfolgt die Rohgasverdichtung gefolgt von der Gastrennung<br />

und schließlich der Rektifikation zur Erzeugung des<br />

Propylen-Produktes.<br />

Durch die oxidative Dehydrierung wird die Produkti-<br />

vität bei der Propandehydrierung substantiell erhöht. Der<br />

STAR process ® mit oxidativer Dehydrierung hat eine um<br />

25 % höhere Produktivität als das beste Wettbewerbs-


48 / STAR process ® – Ein neues hochproduktives Verfahren zur Propylenherstellung<br />

Bild 4 / Oxireaktor in der PDH-Anlage EPP, Port Said/Ägypten Bild 5 / 3D-Modell des Oxireaktors<br />

verfahren. Bei einer World-Scale-Propandehydrierungsanlage<br />

kann die Anzahl der parallelen Reaktionsstränge<br />

somit von drei auf zwei reduziert werden, korrespondierend<br />

dazu wird das Katalysatorinventar um 36 % gegenüber dem<br />

Basis-Verfahren reduziert. Damit hat das Verfahren den<br />

geringsten spezifischen Energie- und Katalysatorverbrauch<br />

aller am Markt erhältlichen Verfahren.<br />

Entwicklungsschritte<br />

Bei der Entwicklung der oxidativen Dehydrierung wurde<br />

zunächst die grundsätzliche Verfahrenskonfiguration in einer<br />

eigens dafür gebauten Pilotanlage in umfangreichen experimentellen<br />

Untersuchungen zur Reaktionsführung ermittelt.<br />

Dabei wurden die Betriebsbedingungen, die optimale Anzahl<br />

der Reaktorstufen und die Aufteilung des Katalysators zwischen<br />

den Reaktoren festgelegt. Die verfahrenstechnische<br />

Auslegung und Konstruktion des adiabaten Oxireaktors<br />

und des Sauerstoffverteilersystems erfolgte mit Hilfe von<br />

Computational Fluid Dynamics (CFD) / Bild 6 / und Finite<br />

Elemente-Methode(FEM)-Berechnungen sowie spezieller<br />

experimenteller Untersuchungen und Werkstofftests.<br />

Dabei mussten für die Sauerstoffeindüsung die konträren<br />

Randbedingungen einer sehr kurzen Verweilzeit von wenigen<br />

Millisekunden zwischen Sauerstoffzugabe und Eintritt<br />

in das Katalysatorbett auf der einen Seite und maximaler<br />

Durchmischung des Sauerstoffs mit dem Reaktionsgas vor<br />

Eintritt in das Katalysatorbett auf der anderen Seite erfüllt<br />

werden. Schließlich wurden umfangreiche Untersuchungen<br />

zur Auswahl des geeigneten Katalysatorsystems für die selek-<br />

tive Wasserstoffverbrennung im Oxireaktor durchgeführt<br />

und dabei für den STAR catalyst ® die höchste Selektivität im<br />

Vergleich zu allen anderen Systemen festgestellt.<br />

Kommerzielle Realisierung<br />

Die erste großtechnische Realisierung des STAR process ®<br />

mit oxidativer Dehydrierung erfolgt für den Kunden<br />

Egyptian Propylene & Polypropylene Company (EPP) am<br />

Standort Port Said in Ägypten. Hier baut Uhde schlüsselfertig<br />

einen Anlagenkomplex zur Produktion von jährlich<br />

350.000 t Propylen mit anschließender Weiterverarbeitung<br />

zu Polypropylen inklusive aller dazugehöriger Hilfs- und<br />

Nebenanlagen / Bild 7 /. Der größte Einzel-Apparat der<br />

Anlage, der C3-Splitter zur destillativen Trennung des<br />

Propylen-Produktes und des nicht-umgesetzten Propans,<br />

hat einen Durchmesser von ca. 7 m, ist über 100 m hoch<br />

und wiegt ca. 1.000 t. Die mechanische Fertigstellung der<br />

Anlage wurde im Juni 2010 erreicht und anschliessend<br />

wurde die Anlage erfolgreich in Betrieb genommen.<br />

Parallel zur kommerziellen Erstanlage konnten bereits zwei<br />

Folgeaufträge für den STAR process ® akquiriert werden,<br />

die sich beide in der Realisierung befinden.<br />

Bild 6 / CFD-Simulation<br />

des Oxireaktors<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

Reaktions-Sektion<br />

Rohgas-Verdichtung<br />

Bild 7 / 3D-Modell der PDH-Anlage EPP, Port Said/Ägypten<br />

Zusammenfassung und Ausblick<br />

Bei der Produktion von Propylen findet eine zunehmende<br />

Verschiebung von der Koppelproduktion hin zur "On-<br />

Purpose“-Herstellung statt. Mit dem patentierten STAR<br />

process ® hat Uhde das weltweit erste Verfahren zur Erzeu-<br />

gung von Propylen entwickelt, das auf dem Prinzip der<br />

oxidativen Dehydrierung beruht. Bei der oxidativen Dehy-<br />

drierung handelt es sich um eine völlige Neuentwicklung,<br />

die mit Hilfe einer eigens dafür gebauten Pilotanlage durch-<br />

geführt wurde. Die erstmalige kommerzielle Umsetzung<br />

erfolgte in einem petrochemischen Großkomplex zur jähr-<br />

lichen Erzeugung von 350.000 t Propylen mit anschlie-<br />

ßender Weiterverarbeitung zu Polypropylen für den Kunden<br />

EPP am Standort Port Said/Ägypten. Parallel zum Bau<br />

dieser Anlage, die im Sommer 2010 in Betrieb genommen<br />

wurde, konnte Uhde bereits zwei Folgeaufträge, jeweils<br />

mit einer jährlichen Produktionskapazität von 450.000 t<br />

Propylen, akquirieren.<br />

Der STAR process ® hat von allen am Markt erhältlichen<br />

Verfahren zur Propandehydrierung die höchste<br />

Produktivität und den geringsten spezifischen Energie- und<br />

Katalysatorverbrauch. Zudem ist es das robusteste und bedienungsfreundlichste<br />

Verfahren. Mit dem STAR process ®<br />

kann Uhde seinen Kunden komplette Prozessketten aus-<br />

STAR process ® – Ein neues hochproduktives Verfahren zur Propylenherstellung / 49<br />

Rektifikation<br />

Gastrennung<br />

gehend von Propan zu hochwertigen Produkten, wie dem<br />

Polypropylen oder auch dem Propylenoxid liefern. Für<br />

die Herstellung von Propylenoxid bietet Uhde das HPPO-<br />

Verfahren (HPPO = Hydrogen Peroxide Propylene Oxide)<br />

an, das zusammen mit der Firma Evonik entwickelt wurde.<br />

Dabei tritt Uhde sowohl als Lizenzgeber und Lieferant<br />

des STAR catalyst ® , als auch als Engineering- und EPC<br />

(Engineering, Procurement, Construction)-Kontraktor auf<br />

und kann somit Aufträge für Kunden im Rahmen einer<br />

“Single-Point-Responsibility“ abwickeln. Zudem tauscht<br />

sich Uhde mit dem Kunden auch nach Anlagenübergabe<br />

regelmäßig über neue Entwicklungen aus und unterstützt<br />

diesen als After-Sales-Service-Provider, z.B. als Lieferant<br />

von Katalysator Nachfolgefüllungen oder mit Remote-<br />

Performance-Management-Service, über die gesamte<br />

Anlagenlebensdauer.<br />

Der in diesem Artikel vorgestellte STAR process ® mit oxida-<br />

tiver Dehydrierung wurde mit dem 1. Preis des ThyssenKrupp<br />

Innovationswettbewerbes 2009 ausgezeichnet.


50 /<br />

Thema<br />

Mobiles Stauberfassungssystem auf der Hochbahnbunkeranlage im Hochofenbetrieb bei ThyssenKrupp Steel Europe in Duisburg-Hamborn<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


Mobile High-Performance-Entstaubung<br />

für die Schüttgutentladung<br />

Dipl.-ing. anDrEaS pETErS Bereichsleiter Sales & Marketing uhde Services gmbH Haltern am See<br />

anDré KuHn Bereichsleiter Mechanical Technology uhde Services gmbH Haltern am See<br />

Dipl.-ing. gErHarD alTmEyEr Bereichsleiter Hochofenbetrieb Hamborn ThyssenKrupp Steel Europe ag Duisburg<br />

Dipl.-ing. HanS-JürgEn lEißnEr Bereichsleiter Entstaubungstechnik/EA ThyssenKrupp Steel Europe ag Duisburg<br />

Bild 1 / Hochofen 8 in Duisburg-Hamborn<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

Ständig steigende Umweltauflagen zur Reduzierung von Feinstaubemissionen beim Schüttgutumschlag<br />

setzen neue Maßstäbe für Hüttenwerksbetreiber. Von Uhde Services und<br />

ThyssenKrupp Steel Europe gemeinsam entwickelt befindet sich seit Januar 2008 eine<br />

weltweit einzigartige mobile High-Performance-Entstaubungsanlage für die Schüttgutentladung<br />

auf der Hochbahnbunkeranlage im Hochofenbetrieb Duisburg-Hamborn in Betrieb.<br />

Hochbahnbunkeranlage<br />

Die Hochöfen 8 / Bild 1 / und 9 bei ThyssenKrupp Steel<br />

Europe in Duisburg-Hamborn werden über eine Hochbahn-<br />

bunkeranlage / Bild 2 /, bestehend aus 64 Tagesbunkern,<br />

mit den notwendigen Rohstoffen versorgt. Die Rohstoffe<br />

werden über Güterzüge angeliefert, die je nach Rohstoffart<br />

eines der drei Zufahrtsgleise zur erhöhten Bunkeranlage<br />

zugewiesen bekommen und dort die Rohstoffe in die<br />

Tagesbunker abkippen. Der tägliche Materialumschlag<br />

über die 64 Tagesbunker beträgt ca. 18.000 Tonnen.<br />

/ 51<br />

Aufgabenstellung<br />

Im Zuge des Neubaus von Hochofen 8 war es zum Schutz<br />

der Umwelt vor Feinstaubemissionen notwendig, ein hoch-<br />

modernes Stauberfassungssystem für die Hochbahnbunkeranlage<br />

zu entwickeln. Mit dem Erfassungssystem<br />

sollten die während der Waggonentladung entstehen-<br />

den Feinstaubemissionen direkt aufgefangen und der zentralen<br />

Filteranlage geregelt zugeführt werden. Das neue<br />

System musste auf der Anfang des 20. Jahrhunderts<br />

erbauten Hochbahnbunkeranlage, in die nur sehr begrenzte<br />

Bild 2 / Übersicht der Hochbahnbunkeranlage (ohne Entstaubungsanlage)


52 / Mobile High-Performance-Entstaubung für die Schüttgutentladung<br />

Überleitkästen<br />

Absaugwagen<br />

Bandöffnerwagen<br />

Staubsammelleitung<br />

Stationäre Erfassungshauben<br />

Stahlbau Absaugwagen<br />

Bild 3 / Übersicht Gleis mit Absaugwagen und Sammelleitung<br />

Zusatzlasten eingeleitet werden dürfen, integriert werden.<br />

Eine ganz besondere Herausforderung bestand darin,<br />

ein modulares System zu entwickeln, bei dem die einzelnen<br />

Komponenten in größtmöglichen Einheiten angeliefert<br />

werden können, um die notwendigen Gleissperrungen<br />

für das Ziehen der Teile so kurz wie möglich zu gestalten<br />

und die laufende Produktion der übrigen Hochöfen nicht<br />

zu stören. Nach dem Anblasen des neuen Hochofens<br />

8 sollte Hochofen 4 außer Betrieb genommen werden.<br />

Letztendlich erlaubte das zu installierende System es sogar,<br />

während des Aufbaus umfangreiche Reparaturen an der<br />

Vorratsbunkeranlage durchzuführen.<br />

Modellversuche Erfassungshauben<br />

Um eine optimale Gestaltung der stationären Erfassungs-<br />

hauben – unter Berücksichtigung von möglichen Energie-<br />

einsparpotenzialen – sicherzustellen, mussten die Strö-<br />

mungsverhältnisse der Emissionen während des Abkippens<br />

der unterschiedlichen Materialien genau untersucht<br />

werden. Mit dieser Aufgabe beauftragte ThyssenKrupp<br />

Steel Europe das Unternehmen Kessler + Luch, das in<br />

seinem Labor Bunker unterschiedlicher Größe sowie<br />

einen Waggon im Maßstab 1:10 nachbildete und über<br />

verschiedene Versuchsreihen die optimalen Basis-Daten<br />

für die stationären Erfassungshauben ermittelte. Vor dem<br />

Umsetzen in die Praxis wurden an den Bunkern letzte<br />

Betriebsversuche durchgeführt.<br />

3D-Modell und Simulation<br />

Für die vorhandene Hochbahnbunkeranlage mit allen Stör-<br />

kanten, wie z.B. die Huntebahnen (Schrägaufzüge), Rohr-<br />

trassen sowie Lichtraumprofile der Gleisanlagen, erstellte<br />

Uhde Services ein 3D-Modell / Bild 3 /. In dieses Modell<br />

wurde ebenfalls das Hauptstützgerüst der Anlage integriert,<br />

um über die vorgegebenen Lasteinleitungspunkte die<br />

Spannweite der Absaugrohrbrücken und der Laufschienen<br />

für die mobilen Absaugwagen festzulegen. Bei der Basis-<br />

Auslegung der Absaugwagen und der Staubsammelleitungen<br />

legte Uhde Services auch einen hohen<br />

Wert auf die optimale strömungstechnische Auslegung<br />

der einzelnen Komponenten. Nachdem die aus den Laborversuchen<br />

ermittelten Basis-Daten für die stationären<br />

Erfassungshauben feststanden, wurde das Modell vervoll-<br />

ständigt. Mit Hilfe des Modells entwickelte Uhde Services<br />

ein maßgeschneidertes Lösungskonzept zur Absaugung<br />

der Feinstaubemissionen, die während der Waggon-<br />

entladung entstehen.<br />

Detail-Engineering<br />

Das anschließende Detail-Engineering konnte unter Nutzung<br />

effizienter 3D-Engineering-Tools zur<br />

° Vermeidung von Kollisionspunkten,<br />

° Optimierung der Fertigungsabläufe und<br />

° Verringerung der Engineering-Stunden für<br />

die komplexe Gesamtanlage innerhalb von<br />

drei Monaten fertig gestellt werden.<br />

Durch das angepasste Engineering in Modulbauweise<br />

konnte die Bau- und Montageabwicklung optimiert und<br />

die Anlage während des laufenden Betriebes sicher<br />

errichtet werden / Bilder 4 und 5 /.<br />

Funktionsweise des Systems<br />

Der mobile Absaugwagen des jeweiligen Gleises wird mit<br />

einer Funkfernsteuerung über den zu entladenden<br />

Waggon gefahren und dockt an den beiden stationären<br />

Erfassungshauben an, die links und rechts der Gleise den<br />

Bunker abdecken / Bild 3 /. Der Waggon wird vom Absaug-<br />

wagen umhüllt und bietet somit zusätzlichen Schutz<br />

vor dem Austritt von Restemissionen. Der zum Absaug-<br />

wagen gehörende Bandöffnerwagen lenkt das Gummi-<br />

abdeckband der Sammelleitung um und stellt somit<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


Bild 4 / Fertigung und Montage der Anlage<br />

eine ständige Verbindung zur Staubsammelleitung her,<br />

die zur zentralen Filteranlage führt. Er bildet so das<br />

Bindeglied zwischen den stationären Hauben und der<br />

zentralen Staubsammelleitung, die parallel zu dem jeweiligen<br />

Gleis liegt. Bevor der Waggon entleert wird,<br />

fordert der Anlagenfahrer über die Funkfernsteuerung bei<br />

der zentralen Filteranlage die notwendige Saugleistung<br />

an. Das mobile Stauberfassungssystem kann ebenfalls<br />

für den vollautomatischen Betrieb ausgelegt werden.<br />

Durch ein ausgefeiltes Überwachungssystem werden alle<br />

Sicherheitsaspekte berücksichtigt.<br />

Umweltgerechte und kosteneffiziente<br />

Anlagenentwicklung<br />

Die Anlage zeichnet sich durch die in Laborversuchen<br />

optimierten Stauberfassungshauben, die einen Erfassungsgrad<br />

zwischen 91 und 97 % erreichen, und einen um ca.<br />

50 % niedrigeren Energieverbrauch gegenüber herkömm-<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

Bild 5 / Seitliche Waggon-Absaugung<br />

Mobile High-Performance-Entstaubung für die Schüttgutentladung / 53<br />

lichen Systemen aus. Zusätzlich werden durch die mobile<br />

Lösung, bei der überflüssige Verbindungsrohre einschließ-<br />

lich der Absperrorgane zu den Staubsammelleitungen<br />

entfallen, die Investitionskosten sowie jährliche Instand-<br />

haltungs- und Reparaturkosten um ca. 27 % gesenkt.<br />

Mit der erfolgreichen Entwicklung und Umsetzung<br />

des mobilen High-Performance-Entstaubungssystems<br />

für die Schüttgutentladung auf der vorhandenen Hochbahnbunkeranlage<br />

bei ThyssenKrupp Steel Europe werden<br />

neue Maßstäbe in Bezug auf ein extrem effizientes<br />

Stauberfassungssystem in Verbindung mit einem sehr<br />

niedrigen Energieverbrauch gesetzt.<br />

Die Unterschreitung der gesetzlich geforderten<br />

Grenzwerte durch den sehr hohen Erfassungsgrad tragen<br />

erheblich zur Verringerung des Feinstaubgehaltes in der<br />

Wohnnachbarschaft von ThyssenKrupp Steel Europe in<br />

Duisburg-Hamborn bei.


54 / Thema<br />

Poysius-Zementanlage in Ben Ahmed/Marokko<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


Polysius-AFR-Strategie<br />

Dr.-ing. DiETmar ScHulz Senior Executive R&D polysius ag Neubeckum<br />

Dipl.-ing. Karl mEnzEl Senior Executive Engineering Clinker Production polysius ag Neubeckum<br />

Dr. rEr. naT. HuBErT BaiEr Senior Project Manager Alternative Resources polysius ag Neubeckum<br />

Im Herstellungsprozess von Zement sind etwa ein<br />

Drittel der CO 2-Emissionen auf den Brennstoffverbrauch<br />

zur Entkarbonatisierung der Rohstoffe<br />

und zur Erzeugung der hohen Sintertemperaturen<br />

von über 1.400 °C zurückzuführen. Um diese<br />

Emissionen deutlich zu senken, sollen vermehrt<br />

’Alternative Fuels and Raw Materials’ (AFR) eingesetzt<br />

werden. Polysius hat hierzu eine maßge-<br />

schneiderte Strategie entwickelt und umgesetzt,<br />

die ein hohes Wachstumspotenzial aufweist und<br />

eine deutliche Erweiterung der Wertschöpfungs-<br />

kette bedeutet.<br />

Zementherstellung<br />

Die Herstellung von Zement bedarf eines beachtlichen Know-hows<br />

und ist ein ressourcen- und kostenintensiver Prozess. Es handelt sich<br />

dabei um einen kontrollierten Stoffumwandlungsprozess von natürlich<br />

vorkommenden Rohstoffen in ein weltweit genormtes Bindemittel mit<br />

hydraulischen Eigenschaften. Das bedeutet, dass Zement nach dem<br />

Anmachen mit Wasser abbindet und auch unter Wasser seine Stabilität<br />

und Festigkeit beibehält. Hauptbestandteil aller Zemente ist der<br />

Portlandzementklinker (kurz: Klinker), der aus mineralischen Rohstoffen<br />

bei Brennguttemperaturen um die 1.450 °C entsteht. Als natürliche<br />

Rohstoffe werden Kalkstein oder Kalkmergel sowie Sand, Ton und<br />

Eisenerz eingesetzt. Diese Rohmaterialkomponenten werden aufwendig<br />

vorbehandelt und müssen anschließend in dem Mischungsverhältnis<br />

vorliegen, das für die spätere Zusammensetzung des gebrannten<br />

Klinkers erforderlich ist. Das resultierende Rohmehl wird dem Vorwärmer<br />

des Zementherstellungsprozesses im Gegenstrom aufgegeben und<br />

schließlich bei Brenntemperaturen von 850-900 °C im Calcinator ent- Bild 1 / Drehrohrofen in La Robla/Spanien<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

/ 55<br />

karbonatisiert, d.h. CO 2 aus dem Kalkstein ausgetrieben / Bild 1 /.<br />

Ein mittelgroßes Zementwerk benötigt etwa 170 MW thermische<br />

Leistung, wobei der Energieeintrag im Verhältnis 1:1 gleichzeitig über die<br />

Feuerungen des Calcinators und über den Hauptbrenner erfolgt. Dabei<br />

werden etwa 850 kg CO 2 pro Tonne Zement emittiert, das zu 61 % aus<br />

dem Rohmaterial, zu 32 % aus den Brennstoffen und zu 7 % aus<br />

dem elektrischen Energiebedarf stammt. Dieses entkarbonatisierte<br />

Material (Heißmehl) wird dem Drehrohrofen zugeführt, in dem die<br />

Festkörperreaktionen zwischen den Rohmehlbestandteilen ablaufen.<br />

Durch die Rotation des Drehrohrofens wird das Material durch den Ofen<br />

transportiert und innig vermischt. Aufgrund einer sich bildenden Teilschmelze<br />

entstehen dabei Granalien, der so genannte Zementklinker.<br />

Er wandert unter der ca. 2.000 °C heißen Flamme des Hauptbrenners<br />

durch und muss am Ende des Drehrohrofens, im Klinkerkühler, schnell<br />

abgekühlt werden. In diesem hoch reaktiven, erkalteten Zustand wird der<br />

Klinker mit Gips und weiteren Zusatzstoffen zu einem normgerechten<br />

Zement gemahlen, aus dem wiederum mit Sand und Kies der bekannte<br />

Baustoff Beton gemischt wird / Bild 2 /.


56 / Polysius-AFR-Strategie<br />

Bild 2 / Prozess der Zementherstellung: Steinbruch (links), Brennprozess (Mitte), Zementmahlung (rechts)<br />

AFR-Strategie<br />

Die in den letzten Jahren entwickelte und bereits zum großen Teil<br />

umgesetzte AFR-Strategie (Alternative Fuels and Raw Materials) hat<br />

zum Ziel, die CO 2-Emissionen bei der Zementherstellung deutlich zu<br />

senken. Sie zielt bei den Brennstoffen auf die Nutzung industrieller<br />

Abfallstoffströme ab, die bei den hohen Temperaturen im Drehrohrofen<br />

sicher und ohne Schadstoffe zu emittieren umgesetzt werden. Die<br />

gesamte Aufbereitungskette von der Sammlung bis zur Verbrennung<br />

im Zementprozess ist in / Bild 3 / dargestellt.<br />

Die AFR-Strategie von Polysius setzt nicht am Beginn der Aufbereitungskette<br />

an, sondern an deren Ende, bei der Verbrennung. Da<br />

der Baustoff Zement international genormt ist und hohen Qualitätsanforderungen<br />

genügen muss, benötigt der Einsatz variabel zusammengesetzter<br />

Brennstoffe ein großes Know-how der Zementherstellung,<br />

das sich Polysius in seiner mehr als 150-jährigen Geschichte erarbeitet<br />

hat. Dieses Know-how bezieht sich zum einen auf die Verbrennungseigenschaften<br />

der Brennstoffe (Umsetzungsrate, Kinetik, Flammenbildung<br />

etc.) und zum anderen auf die Auswirkungen des nicht brennbaren<br />

Anteils auf die Zementeigenschaften. Fast alle Brennstoffe, außer<br />

Öl und Gas, weisen einen mehr oder minder großen Anteil an Asche<br />

auf. Die Asche ist die Summe aller nicht brennbaren Bestandteile eines<br />

Primär- und Sekundärbrennstoffes. Viele Kunststoffe weisen einen<br />

Ascheanteil von 20 - 40 % auf, der im Wesentlichen aus den zugesetz-<br />

ten Füllstoffen resultiert. Bei ihnen handelt es sich meist um kalzium-<br />

oder siliziumhaltige Materialien aber auch um Zinkoxid oder Titanoxid.<br />

Eigene Produkte Ausbau Produktportfolio<br />

Logistik<br />

Trocknung<br />

biologisch<br />

Nachzerkleinerung<br />

Vorzerkleinerung<br />

Trocknung<br />

thermisch<br />

Bild 3 / AFR-Strategie mit der Erweiterung der Wertschöpfungskette<br />

Siebung Sichtung<br />

„EBS-Mühle“ NIR/QS<br />

Klärschlamm weist je nach Herkunft einen Ascheanteil von 20 - 56 %<br />

auf, in dem auch nennenswerte Anteile von Chrom, Kupfer, Nickel und<br />

Blei sowie Phosphor enthalten sein können. All diese Stoffe werden<br />

im Brennprozess in den Klinker eingebunden, aus dem der Zement<br />

ermahlen wird. Sie sind dann unlöslich und können aus dem Zement<br />

nicht mehr ausgelaugt werden. Allerdings können sich diese Stoffe<br />

in unterschiedlichem Maße auf die Verarbeitungseigenschaften des<br />

Zementes auswirken. Somit ist die Kenntnis dieser Einflüsse der<br />

Schlüssel für den Einsatz der unterschiedlichen AFR-Materialien und<br />

letztendlich der Grund dafür, warum die AFR-Strategie nicht am<br />

Anfang sondern am Ende der Aufbereitungskette ansetzt.<br />

Der erste Schritt in der Umsetzung der Strategie bestand darin,<br />

den Calcinator, in dem etwa 50 % des Brennstoffes bei 850 - 900 °C<br />

eingesetzt werden, so zu modifizieren, dass er mit bis zu 100 % Ersatzbrennstoffen<br />

betrieben werden kann. Die beiden von Polysius entwickelten<br />

Calcinatoren der Bauart CC (Combustion Chamber) und<br />

MSC (Multi Stage Combustion) wurden je so verändert, dass anstelle von<br />

pulverfein aufgemahlener Kohle Brennstoffe mit einer Stückgröße von<br />

bis zu 80 mm aufgegeben und sicher verbrannt werden können.<br />

° Der erste Auftrag dieser Art (Bauart CC) wurde in den USA gebaut<br />

/ Bild 4 /.<br />

° Der zweite Auftrag dieser Art (Bauart MSC) wurde für eine Anlage<br />

in Ungarn in die Lage versetzt, grobe Brennstoffe sicher zu verbrennen<br />

/ Bild 5 /.<br />

Ballistik<br />

Ballierung<br />

Lagerung Förderung Dosierung MSC-Calcinator CC-Kammer<br />

EBS = Ersatzbrennstoffe<br />

NIR = Nahinfrarotspektroskopie<br />

QS = Qualitätssicherung<br />

Prepol-SC Hauptbrenner<br />

Fe-/NE-<br />

Abscheidung<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


Bild 4 / Zementanlage in Harleyville/USA mit Calcinator der Bauart CC (Combustion Chamber)<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

Thema / / 57


58 / Thema Polysius-AFR-Strategie<br />

Bild 5 / Zementanlage in Beremend/Ungarn mit Calcinator der Bauart MSC (Multi Stage Combustion)<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


Nach der erfolgreichen Weiterentwicklung der Calcinatoren wurde der<br />

Hauptbrenner für den Einsatz von Ersatzbrennstoffen entwickelt,<br />

der Polflame VN (Variable Nozzle), dessen Prototyp sich zurzeit in der<br />

Erprobung befindet. Da in der Sinterzone aber Materialtemperaturen<br />

von 1.450 bis 1.500 °C erzielt werden müssen, werden bezüglich der<br />

Qualität und der Stückgröße dieser Stoffe besonders hohe Anforde-<br />

rungen an den Brenner gestellt. / Bild 6 / gibt den Zusammenhang<br />

zwischen dem Aufbereitungsgrad und der geeigneten Brennstelle im<br />

Zementprozess wider.<br />

Für den konsequenten Schritt zum Einsatz noch gröberer Brennstoffe<br />

von bis zu 200 mm Stückgröße befindet sich momentan der<br />

Prepol SC (Step Combustor) in der Entwicklung, der die mechanische<br />

Aufbereitung durch eine thermische ersetzt. Der erste Prototyp soll<br />

Ende 2012 in Betrieb genommen werden.<br />

Da nunmehr die ersten Aggregate für eine sichere Umsetzung alternativer<br />

Brennstoffe erfolgreich in Betrieb sind, wird die Strategie weiter<br />

umgesetzt, indem die in / Bild 3 / dargestellte Wertschöpfungskette<br />

“up-stream“ durch den Ausbau des Produktportfolios erweitert wird.<br />

Dies bedeutet, die Annahme auf dem Zementwerksgelände, die<br />

Dosierung und die Förderung der Brennstoffe in den Prozess mit<br />

Maschinen und Anlagen werden aus einer Hand realisiert. Um diese<br />

Polysius-AFR-Strategie schließlich mit der Aufbereitung der Ausgangs-<br />

materialien zu vervollständigen, wird bedarfsgerecht mit geeigneten<br />

Partnern kooperiert. So wurde vor kurzem das seit längerem in<br />

der Planung befindliche Joint Venture mit dem Namen Vecoplan<br />

FuelTrack gegründet, in dem die Unternehmen Polysius und Vecoplan<br />

ihr Know-how bezüglich des Einsatzes von AFR in der Zement-<br />

industrie bündeln. Somit kann Polysius seinen Kunden einen welt-<br />

weiten Service anbieten, geeignete Ausgangsstoffströme zu identi-<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

< 250 mm<br />

H u~14.000 kJ/kg<br />

< 80 mm<br />

H u~16.000 kJ/kg<br />

Identifikation u Aufbereitung u<br />

< 25 mm<br />

Hu~20.000 kJ/kg<br />

< 3 mm<br />

H u ~22.000 kJ/kg<br />

Bild 6 / Aufbereitung als Bindeglied zwischen der identifizierten Abfallzusammensetzung und der avisierten Brennstelle<br />

u<br />

u<br />

u<br />

u<br />

Stufen-Brennkammer<br />

Calcinator<br />

Hauptbrenner<br />

Polysius-AFR-Strategie / 59<br />

fizieren, verfahrensspezifisch und bedarfsgerecht aufzubereiten und<br />

sie so zu handhaben, dass sie produkt- und emissionsneutral sowie<br />

auch kostengünstig eingesetzt werden können. Ausgehend von<br />

dem erarbeiteten Know-how für die Verbrennung alternativer Brenn-<br />

stoffe und deren Auswirkungen auf die Zementqualität sowie der<br />

Gründung des Joint Ventures, steht die Umsetzung der AFR-Strategie<br />

kurz vor ihrer Vollendung.<br />

Fazit<br />

Die Motivation und der Kundennutzen im Ersatz regulärer Brennstoffe<br />

durch AFR liegen in der Kostenersparnis und in der Reduktion von<br />

CO 2-Emissionen. So kann ein mittleres Zementwerk mit einer Tagesproduktion<br />

von 5.000 t Zementklinker durch das Recycling von Abfallstoffen<br />

etwa 165.000 t Kohle pro Jahr einsparen, was durchaus<br />

einem zweistelligen Millionenbetrag bei den operativen Kosten entspricht.<br />

Werden 50 % der Kohle zudem durch biogene AFR (Holz,<br />

Reisschalen, Klärschlamm etc.) ersetzt, so benötigt das Werk pro Jahr<br />

für ca. 230.000 t CO 2 weniger Emissionszertifikate.<br />

Allein der Vergleich zwischen Europa und Deutschland belegt das<br />

große Marktpotenzial. Während in Deutschland im Durchschnitt bereits<br />

über 60 % des Primärbrennstoffes substituiert werden, liegt der<br />

europäische Durchschnitt aktuell bei einer thermischen Substitutions-<br />

rate von nur 20 %. Der Nachholbedarf ist dementsprechend allein in<br />

Europa sehr hoch.<br />

Die in diesem Artikel vorgestellte AFR-Strategie von Polysius wurde<br />

mit dem ThyssenKrupp Sonderinnovationspreis „Energie und Umwelt“<br />

2010 ausgezeichnet.


60 /<br />

ThermoTecSpring ®<br />

Hochfeste Leichtbau-Feder<br />

als Beitrag zur CO 2-Reduzierung<br />

Dr.-ing. marcEl groß Engineering/Prozesse Schraubenfedern<br />

ThyssenKrupp Bilstein Suspension gmbH Hagen-Hohenlimburg<br />

Warmgeformte Tragfeder mit hoher Festigkeit<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


Leichtbautragfedern<br />

Als Teil der Radaufhängung trägt die Fahrzeugtragfeder<br />

zum einen die Aufbaumasse und erlaubt zum anderen<br />

durch ihren Federweg die Relativbewegung zwischen<br />

Rad und Aufbau. In den letzten Jahrzehnten konnte<br />

das Gewicht von Fahrzeugtragfedern erheblich verringert<br />

werden. Dies wurde durch eine kontinuierliche Anhebung<br />

der Vergütefestigkeit der eingesetzten Federwerkstoffe<br />

erreicht, weil damit eine höhere Materialausnutzung<br />

verbunden ist. Die Festigkeiten heutiger Tragfedern-<br />

werkstoffe liegen im Bereich zwischen 1.900 MPa und<br />

2.050 MPa. Da aber eine Festigkeitssteigerung mit einer<br />

gegenläufigen Abnahme der Werkstoffzähigkeit verbunden<br />

ist, muss, um die geforderte Lebensdauer der Federn<br />

sicherzustellen, bei einer Festigkeitserhöhung auch die<br />

Zähigkeit des vergüteten Werkstoffes durch geeignete<br />

Maßnahmen gesteigert werden.<br />

Der von ThyssenKrupp Bilstein eingesetzte ’High<br />

Performance ThermoTec Process’ ist ein weiterentwickeltes<br />

Warmumformverfahren, das sich für alle warm geformten<br />

Schraubendruckfedern mit zylindrischem Draht eignet.<br />

Durch diesen Prozess wird die Zähigkeit des Federwerk-<br />

stoffes erhöht. Damit lassen sich bei der neuen Federgeneration<br />

ThermoTecSpring ® Festigkeiten von bis zu<br />

2.200 MPa einstellen. Da der optimierte Werkstoff unter<br />

statischer und dynamischer Belastung höhere Spannungen<br />

ertragen kann, lässt sich eine Schraubenfeder bei gleicher<br />

Lebensdauer mit kleinerem Drahtdurchmesser und gerin-<br />

gerer Windungszahl herstellen.<br />

Damit trägt die ThermoTecSpring ® zur Senkung des<br />

Kraftstoffverbrauches und zur Reduktion des CO 2-Ausstoßes<br />

bei. Zusätzlich bietet sie aber auch die Möglichkeit einer<br />

Bauraumverringerung. So lässt sich unter anderem der<br />

Fußgängerschutz verbessern, denn der Abstand zwischen<br />

der starren Struktur der Federbeinoberseite und der Motorhaube<br />

kann größer bemessen werden.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

ThermoTecSpring ® – Hochfeste Leichtbau-Feder als Beitrag zur CO 2-Reduzierung / 61<br />

Mit der Anpassung des Verfahrens der thermomechanischen Umformung an die<br />

Anforderungen der Warmfertigung von Schraubendruckfedern ist es ThyssenKrupp<br />

Bilstein Suspension gelungen, die Eigenschaften des Materials so zu verändern, dass<br />

höher beanspruchbare Federn realisiert werden können. Damit ist der Weg frei für<br />

leichtere Federn mit geringeren Drahtdurchmessern sowie kürzere Federdesigns bei<br />

gleicher Performance. Gemessen an den normalfesten Tragfedern ermöglicht die<br />

ThermoTecSpring ® -Technologie je nach Anwendungsfall eine Gewichtsersparnis<br />

von 15 bis 20 % pro Feder. Damit trägt die ThermoTecSpring ® zur Senkung des<br />

Kraftstoffverbrauches und zur Reduktion des CO 2 -Ausstoßes bei.<br />

Feines Gefüge durch thermomechanische Umformung<br />

Die thermomechanische Behandlung von Werkstoffen zur<br />

Verbesserung ihrer mechanischen Eigenschaften ist ein<br />

bewährtes Verfahren, das beispielsweise in der Warmblech-<br />

umformung schon seit langem genutzt wird. Bei der Her-<br />

stellung von Fahrzeugtragfedern beschränkte sie sich<br />

bisher allerdings auf Blattfedern. ThyssenKrupp Bilstein ist<br />

es mit dem ’High Performance ThermoTec Process’ (HPTP)<br />

gelungen, die thermomechanische Umformung auch für die<br />

Produktion von Schraubendruckfedern verfügbar zu machen.<br />

Der HPT-Prozess basiert auf einer Kombination aus<br />

mechanischer Umformung und definierter Wärmeführung<br />

des Federdrahtes mit dem Ziel, seine Zähigkeit zu erhöhen.<br />

Temperatur- und zeitabhängige Rekristallisationsprozesse<br />

im Werkstoff führen während und nach der Umformung<br />

dazu, dass sich ein feineres Gefüge ausbildet / Bild 1 /.<br />

Durch anschließendes Härten des behandelten Materials<br />

wird dieses feinere Gefüge fixiert.<br />

Walzgut auf<br />

Warmverformungstemperatur<br />

Bild 1 / Rekristallisationsvorgänge beim Warmwalzen<br />

1 Unverformtes Korn<br />

2 Kornneubildung an<br />

Kristallisationskeimen<br />

3 Beginn des Kornwachstums<br />

durch Rekristallisation<br />

4 Verformtes Korn<br />

5 Ende des Kornwachstums<br />

durch Rekristallisation


62 / ThermoTecSpring ® – Hochfeste Leichtbau-Feder als Beitrag zur CO 2-Reduzierung<br />

Während im Standardprozess der Federwarmfertigung<br />

der auf Austenittemperatur erwärmte Federdraht (Stab)<br />

sofort zur Schraubenfeder gewickelt / Bild 2 / und anschlie-<br />

ßend gehärtet wird, ist beim HPTP ein zusätzlicher Schrägwalzvorgang<br />

zwischen dem Erwärmen und Wickeln des<br />

Federdrahtes integriert / Bild 3 /. Der Federdraht wird dabei<br />

über drei schräg zur Stabachse versetzte Walzen in einem<br />

Stich auf den Enddurchmesser gewalzt / Bild 4 /. Um<br />

den Gefüge verfeinernden Effekt hervorzurufen, muss dabei<br />

ein kritischer Umformgrad überschritten werden.<br />

Merkmale der ThermoTecSpring ®<br />

Für den Leichtbau bei Tragfedern ist die größere Materialzähigkeit<br />

entscheidend, denn mit zunehmender Festigkeit<br />

sind typischerweise eine Abnahme der Zähigkeit und<br />

damit gleichzeitig eine erhöhte Kerbempfindlichkeit ver-<br />

bunden. Erst dank der hohen Zähigkeit des Werkstoffes<br />

nach Durchlaufen des HPTP lassen sich an der<br />

ThermoTecSpring ® Festigkeiten von bis zu 2.200 MPa ein-<br />

stellen – und dies ohne Nachteile für die Bauteillebensdauer.<br />

Grundsätzlich lassen sich alle warm geformten<br />

Schraubendruckfedern mit zylindrischem Draht als<br />

ThermoTecSpring ® fertigen. Die Gewichtsersparnis liegt bei<br />

ca. 15-20 %, die konkrete Größe muss allerdings für jede<br />

Feder individuell ermittelt werden, denn sie ist abhängig<br />

von der Komplexität der an das jeweilige Bauteil gestellten<br />

Anforderungen: So können zum Beispiel Faktoren wie<br />

Kennlinie, Bauraum, Querkraftkompensation, Einbausituation<br />

und Lebensdauer limitierende Randbedingungen<br />

für die erzielbare Gewichtsreduktion darstellen.<br />

Das hohe Festigkeitsniveau des warm umgeformten<br />

Stahles ist der unmittelbare Schlüssel zu Gewichtseinsparungen.<br />

Bei der Auslegung einer Schraubenfeder<br />

bedeutet eine Steigerung der Festigkeit des Federwerk-<br />

stoffes, dass das Material mit einer höheren Torsionsspannung<br />

beaufschlagt werden kann. Vereinfacht ausgedrückt,<br />

lässt sich deshalb der Drahtdurchmesser d der<br />

Feder bei gleichbleibender Kraft F reduzieren / Bild 5 /.<br />

In der komplexeren Auslegung ergibt sich dabei ein<br />

Zusammenspiel aus der Verringerung des Drahtdurchmessers<br />

d sowie der Windungszahl n.<br />

Bild 2 / Federwarmfertigung: Wicklung des Federdrahtes zur Schraubenfeder<br />

Bisher<br />

Neu<br />

Staberwärmung Wickeln Härten<br />

Staberwärmung HPTP Wickeln Härten<br />

Bild 3 / Prozessschritte der Federfertigung<br />

Bild 4 / Prinzip des Warmumformprozesses<br />

d0<br />

d0 Ausgangsdurchmesser Federdraht<br />

d1 Enddurchmesser Federdraht<br />

d1<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

Konventionelle Feder ThermoTecSpring ®<br />

Windungszahl n 1 Windungszahl n 2 < n 1<br />

Rate c 1 Rate c 2 = c 1<br />

Drahtdurchmesser d 1 Drahtdurchmesser d 2 < d 1<br />

(Zug-) Festigkeit Rm 1 (Zug-) Festigkeit Rm 2 > Rm 1<br />

Max. Torsionsspannung t max,1 Max. Torsionsspannung t max,2 > t max,1<br />

Gewicht m 1 Gewicht m 2 < m 1<br />

Lebensdauer N 1 Lebensdauer N 2 = N 1<br />

Bild 5 / Kennzahlen ThermoTecSpring ® vs. konventionelle Feder<br />

Vergleichende Gegenüberstellung der Federhöhe<br />

Standardfestigkeit ThermoTecSpring ®<br />

(verringerte Windungszahl,<br />

geringerer Drahtdurchmesser)<br />

Bild 6 / Konstruktive Schritte zur leichten ThermoTecSpring ®<br />

Die ThermoTecSpring ® hat die gleiche Federrate c wie<br />

die konventionelle Feder, durch die verringerte Windungszahl<br />

und den geringeren Drahtdurchmesser insgesamt aber eine<br />

geringere Masse m. Weil durch den Warmumformprozess<br />

die Zähigkeit des Werkstoffes erhöht wurde, bleibt die<br />

Bauteillebensdauer der ThermoTecSpring ® auf dem Niveau<br />

der konventionellen Feder. Bereits durch eine reine<br />

Substitution von konventionell verarbeitetem Federstahl<br />

mit dem Werkstoff aus dem HPT-Prozess kann deshalb das<br />

Komponentengewicht sinken. Eine Verkürzung der Feder-<br />

länge bei zusätzlicher Gewichtseinsparung lässt sich in<br />

einem anschließenden Auslegungsschritt verwirklichen.<br />

Die beiden konstruktiven Entwicklungsschritte von<br />

der konventionellen Feder zur leichteren und kürzeren<br />

ThermoTecSpring ® sind anhand / Bild 6 / nachvollziehbar:<br />

Im ersten Schritt ist die Auslegung einer Thermo-<br />

TecSpring ® ohne Längenänderung (reine Substitution)<br />

dargestellt, wobei sowohl der Drahtdurchmesser als auch<br />

die Windungszahl der Feder verringert werden. Der zweite<br />

Schritt hin zur verkürzten ThermoTecSpring ® basiert auf<br />

der Tatsache, dass infolge der verminderten Windungszahl<br />

und des dünneren Stabdurchmessers der Abstand<br />

(Freiraum) zwischen den einzelnen Windungen größer<br />

ThermoTecSpring ® – Hochfeste Leichtbau-Feder als Beitrag zur CO 2-Reduzierung / 63<br />

ThermoTecSpring ®<br />

(verkürzt)<br />

Federkraft<br />

π · d3<br />

F = t ·<br />

8 · D<br />

D L 0<br />

geworden ist. Wird dieser auf einen notwendigen Mindest-<br />

wert zurückgeführt, verringert sich sowohl die Federlänge<br />

als auch erneut das Federgewicht.<br />

Zusammenfassung und Ausblick<br />

Mit der thermomechanischen Umformung des Federstahldrahtes<br />

wurde von ThyssenKrupp Bilstein Suspension ein<br />

neuer Prozess entwickelt, der die Herstellung von Leichtbau-<br />

Federn mit einer Gewichtsersparnis, die je nach Anwen-<br />

dungsfall zwischen 15 und 20 % liegen kann, ermöglicht. So<br />

leistet die ThermoTecSpring ® mit höherer Vergütefestigkeit<br />

einen Beitrag zur Gewichtsreduktion in der Aufbaufederung.<br />

Berücksichtigt man die zusätzliche Option, die Federlänge<br />

zu reduzieren, so unterstützen die Komponenten zwei Ent-<br />

wicklungsziele der Fahrzeughersteller: Ein geringeres Bauteilgewicht<br />

als Beitrag zur CO 2-Reduzierung sowie eine<br />

Bauraumverringerung, z.B. als Voraussetzung für einen ver-<br />

besserten Fußgängerschutz. Im Mai 2009 wurde die welt-<br />

weit erste und einzige Serienanlage zur Produktion von<br />

ThermoTecSprings ® bei ThyssenKrupp Bilstein Suspension<br />

in Betrieb genommen. Die ersten Kunden werden seitdem<br />

mit ThermoTecSprings ® beliefert.


64 /<br />

Thema<br />

Komposit-Propeller<br />

für Uboot-Klasse 212A<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 | 1 <strong>2011</strong><br />

I <strong>2011</strong>


Akustisch optimierter Propeller<br />

aus Kompositwerkstoffen<br />

Dipl.-ing. aXEl paul Theoretical Engineering, Team Strength Calculation Howaldtswerke-Deutsche Werft gmbH Kiel<br />

Dipl.-maTH. anDrEaS ScHmiDT Theoretical Engineering, Team Hydrodynamics Howaldtswerke-Deutsche Werft gmbH Kiel<br />

Dipl.-ing. Eric Wolf Theoretical Engineering, Team Hydrodynamics Howaldtswerke-Deutsche Werft gmbH Kiel<br />

Die Howaldtswerke-Deutsche Werft, eine Gesellschaft<br />

der ThyssenKrupp Marine Systems, ist auf<br />

die Konstruktion und den Bau von nichtnuklearen<br />

Ubooten spezialisiert. Für die neuen Uboote der<br />

Klassen 212A sowie 214 entwickelt und fertigt HDW<br />

einen wegweisenden neuen Propeller aus Kompositmaterial<br />

mit hochdämpfenden viskoelastischen<br />

Zwischenschichten, der mit seinen hervorragenden<br />

akustischen Eigenschaften ein weiteres Allein-<br />

stellungsmerkmal bildet, das die HDW-Uboote für<br />

die Kundenmarinen noch attraktiver macht.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

/ 65<br />

Vom Guss- zum Kompositpropeller<br />

zweiter Generation<br />

Primäre Entwicklungsziele für Ubootpropeller sind ein verbesserter<br />

Wirkungsgrad und verringerte Signaturen – akustisch, magnetisch<br />

und elektrisch. Dabei steht die Reduzierung der akustischen Signatur<br />

an der Spitze, da passives Sonar zurzeit der wirksamste Sensor gegen<br />

Uboote ist. Für das Propellerdesign bedeutet das unter anderem<br />

die vollständige Vermeidung von Kavitation und die Verringerung<br />

von Druckschwankungen am Propeller. Dies wird mit einer geeig-<br />

neten Propellergeometrie erreicht, für die HDW neue Entwurfs-<br />

werkzeuge entwickelt hat. Eine weitere Forderung ist die Vermeidung<br />

des so genannten Propellersingens und -brummens. Dies sind selbst-<br />

erregte Schwingungen der Propellerflügel, wobei das Singen vermehrt<br />

bei Frequenzen über 300 Hz und das Brummen eher darunter liegt.<br />

Diese Schwingungen können durch eine passende Geometrieänderung<br />

(Anti-Singkante) abgestellt werden. Durch eine hohe Strukturdämpfung<br />

lässt sich die Gefahr des Propellersingens schon in der Entwurfsphase<br />

nahezu ausschließen. Ein Maß für die Strukturdämpfung ist der modale<br />

Verlustfaktor η, der das Verhältnis von dissipierter Energie zu maxi-<br />

maler Formänderungsenergie für jede Schwingungsmode beschreibt.<br />

Die bisher verwendeten Gusspropeller aus der bereits hoch dämpfenden<br />

Mangan-Bronze-Legierung ’Sonostone’ haben einen modalen<br />

Verlustfaktor von η = 0,5 %. Ein modaler Verlustfaktor von η = 1 %<br />

wurde durch die erste Generation von Kompositpropellern aus Kohle-,<br />

Glas- und Aramidfasern erreicht. Erstmalig wurde ein solcher Propeller<br />

für die Klasse 206A der deutschen Marine entwickelt / Bild 1 /. Insge-<br />

samt zwei Propeller wurden für mehrere Jahre erfolgreich getestet<br />

und zeigten insbesondere gute akustische Eigenschaften. Daraufhin<br />

wurde ein größerer Kompositpropeller für die Klasse 212A entwickelt<br />

/ siehe Titelbild des Berichtes /. Im Gegensatz zum in einem Stück<br />

Bild 1 / Kompositpropeller Klasse 206A


66 / Akustisch optimierter Propeller aus Kompositwerkstoffen<br />

gegossenen Bronzepropeller, werden bei den Kompositpropellern<br />

die Propellerflügel einzeln gefertigt und an der Propellernabe montiert.<br />

Neben der erhöhten Strukturdämpfung zeichnen sich Kompositpropeller<br />

auch durch ein deutlich geringeres Gewicht und eine<br />

geringere elektrische Signatur aus.<br />

In Zukunft wird der modale Verlustfaktor durch die Verwendung<br />

von hochdämpfenden viskoelastischen Zwischenschichten im Verbund-<br />

aufbau auf einen Wert von mindestens η = 4 % gesteigert werden.<br />

Diese nächste Generation von Kompositpropellern wird nicht mehr<br />

in Zusammenarbeit mit externen Partnern entwickelt und gefertigt,<br />

sondern erfolgt über die gesamte Wertschöpfungskette bei HDW.<br />

Propellerentwurf<br />

Beim Entwurf einer Ubootantriebsanlage stehen die hydrodynamischen<br />

Eigenschaften des Propellers und dessen Anströmung im Vordergrund.<br />

Hier gilt es, den besten Kompromiss aus mehreren, sich teilweise<br />

widersprechenden Entwurfszielen zu finden. Neben einem hohen<br />

Wirkungsgrad sind meist eine geringe Kavitationsneigung und hohe<br />

Anforderungen an die akustische Signatur die geforderten Entwurfsziele<br />

für einen Ubootpropeller.<br />

Durch lokales Unterschreiten des Dampfdruckes von Wasser entstehen<br />

bei der Kavitation Dampfblasen am Propeller, die durch die anschließende<br />

Blasenimplosion erhebliche strukturelle Schäden an den entsprechenden<br />

Bauteiloberflächen verursachen können. Schlimmer noch<br />

als diese Schäden ist für ein Uboot die drastische Vergrößerung der<br />

Bild 2 / Druckkonturen an der Propelleroberfläche und Stromlinien im Propellernachlauf<br />

Verratsreichweite durch die mit Kavitation verbundenen hohen Schall-<br />

pegel. Die Kavitationsneigung kann z.B. durch ein großes Flächen-<br />

verhältnis des Propellers und die Entlastung der Propellerflügel-<br />

spitzen verringert werden. Diese Maßnahmen stehen jedoch meist im<br />

Widerspruch zu einem hohen Wirkungsgrad. Hierfür bringen ein<br />

geringes Flächenverhältnis und ein großer Propellerdurchmesser<br />

Vorteile. Die akustischen Signaturen werden wiederum stark von der<br />

Blattzahl und der Flügelrücklage, dem so genannten ’Skew’, beeinflusst.<br />

Um für all diese Anforderungen einen möglichst passenden<br />

Propeller zu finden, werden bei HDW gekoppelte Optimierungs- und<br />

Strömungssimulationsverfahren (CFD – Computational Fluid Dynamics)<br />

eingesetzt. Auf diese Weise werden für einen Propellerentwurf<br />

mehrere hundert Entwurfsvarianten auf Kavitationseinsatz, Wirkungsgrad<br />

und Signatur untersucht. Für den finalen Entwurf werden anschließend<br />

die Berechnungsergebnisse mit Hilfe von Modellversuchen<br />

verifiziert / Bild 2 /.<br />

Entwicklung hochdämpfender Faserverbundstrukturen und<br />

entsprechender Entwurfswerkzeuge<br />

Die Werkstoffeigenschaften von Faserverbundstrukturen werden von<br />

einer Vielfalt von Parametern bestimmt, darunter von der Faser-Matrix-<br />

Kombination, der Faserorientierung in den einzelnen Lagen und dem<br />

Lagenaufbau. Es besteht die Notwendigkeit, den Verbundaufbau bezüglich<br />

der vibroakustischen Auslegung zu optimieren.<br />

Z<br />

Y<br />

X<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


Zur Zeit existiert keine kommerzielle Software mit der die modale<br />

Dämpfung von Faserverbundstrukturen berechnet werden kann.<br />

Zusammen mit dem Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik<br />

der TU Dresden wurde daher eine numerische Methode zur Modellierung<br />

der Dämpfungseigenschaften von Faserverbundstrukturen<br />

entwickelt. Die Berechnungen werden mit Hilfe der neuentwickelten<br />

numerischen Prozeduren in einem Finite-Elemente-Verfahren durchgeführt<br />

und der modale Verlustfaktor als Funktion der Faserorientierung<br />

und des Lagenaufbaus maximiert. Für eine ebene Platte ergaben<br />

diese Berechnungen für den modalen Verlustfaktor einen Wert von<br />

η = 10 %. Messtechnisch wurde ein Wert von η = 8 % ermittelt. Aufgrund<br />

der deutlich höheren Komplexität der Propellerflügel erwarten wir<br />

für diese einen Wert von η = 4 %.<br />

Die Ermittlung der für die Finite-Elemente-Berechnung erforder-<br />

lichen Festigkeitskennwerte erfolgt durch Versuche an unidirektionalen<br />

Probekörpern. Diese Versuche sind zwingend erforderlich, da die<br />

rechnerische Ermittlung aus den Festigkeiten von Faser und Matrix zu<br />

keinen aussagekräftigen Ergebnissen führt.<br />

Konstruktion<br />

Zur Verbesserung der Handhabung werden – im Vergleich zu den bis-<br />

herigen Kompositpropellern an der Klasse 206A und 212A – die<br />

Propellerflügel zukünftig demontierbar sein. Die Flügel aus Verbund-<br />

werkstoff werden hierfür formschlüssig und mit einer Klebung in<br />

einen zweigeteilten Bronzefuß eingefügt, der mit Schrauben an die<br />

Bild 3 / Propellerflügel, Nabe und Ablaufhaube (rechts, HDW-Patent) für die Klasse 212A Bild 4 / Schnitt durch einen Propellerfuß<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

Akustisch optimierter Propeller aus Kompositwerkstoffen / 67<br />

Nabe montiert wird / Bilder 3 und 4 /. Dadurch ist es möglich, beschädigte<br />

Flügel auch auf See zu tauschen.<br />

Die Propellerflügel bestehen aus Kohle- und Glasfaser mit<br />

hochdämpfenden viskoelastischen Zwischenlagen. Für die Verbund-<br />

werkstoffkonstruktion einschließlich des Erstellens der Fertigungsunterlagen<br />

wird die CAD/CAM (Computer Aided Design/Computer<br />

Aided Manufacturing) Software FiberSIM ® von Vistagy verwendet.<br />

Fertigung und Qualitätssicherung<br />

HDW hat langjährige Erfahrung mit Herstellverfahren und mit der<br />

Fertigung von Teilen aus Faserverbundstoffen auf Glas-, Aramid- und<br />

Carbonfaserbasis mit hohen Ansprüchen hinsichtlich Größe, Form,<br />

Festigkeit, Genauigkeit und Oberflächenqualität. Diese Erfahrungen<br />

können auch bei der Fertigung des Kompositpropellers genutzt<br />

werden. Die Propellerflügel werden als zwei Halbschalen gefertigt.<br />

Um höchste Qualität zu erreichen, wird mit so genannten ’Prepregs’<br />

(Preimpregnated Fibers) gearbeitet. Dadurch erreicht man eine sehr<br />

gleichmäßige Verteilung und gute Ausrichtung der Fasern, eine nahezu<br />

luftblasenfreie Imprägnierung und geringe Dickenschwankungen. Die<br />

Imprägnierung der Fasern erfolgt maschinell.<br />

Die automatisiert zugeschnittenen Lagen werden mittels Laser-<br />

projektion abgelegt. Nach Kalthärten und Nachhärten/Tempern<br />

werden beide Halbschalen auf ihr endgültiges Maß gefräst, zur<br />

Kontrolle geröntgt und erst miteinander sowie abschließend mit dem<br />

Bronzefuß verklebt.


68 / Akustisch optimierter Propeller aus Kompositwerkstoffen<br />

Bild 5 / Anschlagversuche am Propeller<br />

Der Betriebsfestigkeitsnachweis erfolgt im Bauteilversuch im Maßstab<br />

1:1 bei der IMA (Materialforschung und Anwendungstechnik GmbH)<br />

in Dresden an einem Prototypenflügel. Dabei wird die doppelte<br />

Lebensdauer nachgewiesen, wobei nicht nur die normalen Betriebszustände<br />

berücksichtigt werden, sondern auch Lasten aus extremen<br />

Fahrzuständen wie Not-Stop (volle Drehzahl rückwärts) oder maximaler<br />

Beschleunigung. Nach den Bauteilversuchen wird der getestete Flügel<br />

in mehrere Teile zersägt und untersucht.<br />

Akustische Vermessung<br />

Um die angestrebte Verringerung der akustischen Signatur zu gewähr-<br />

leisten, werden umfangreiche akustische Vermessungen durchge-<br />

führt. Als erstes erfolgt die Modalanalyse der Propellerflügel in Luft.<br />

Dabei werden die Eigenfrequenzen, die Eigenformen und die<br />

modalen Dämpfungen bestimmt. Ein praktiziertes Verfahren zur<br />

Durchführung der Modalanalyse sind so genannte „Anschlag-<br />

versuche“ / Bild 5 /. Hierbei wird an einem Punkt des Flügels ein<br />

Beschleunigungsaufnehmer aufgeklebt, und ein Impulshammer<br />

regt die Flügel an mehreren definierten Punkten an. Ein weiteres<br />

bei HDW angewendetes Verfahren ist die Laservibrometer-<br />

vermessung. Die Flügel werden hierbei mit einem Shaker<br />

angeregt und die Oberflächen werden mit einem Laser abgetastet<br />

/ Bild 6 /. Interferometrisch werden die Auslenkung und die<br />

Oberflächenschnellen bestimmt / Bild 7 /. Der Vorteil gegenüber<br />

Anschlagversuchen liegt in der höheren Auflösung und in der auto-<br />

matisierten Durchführung.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


Bild 6 / Laservibrovermessung – der hintere, nicht lackierte Flügel wird vermessen Bild 7 / Eigenmode aus Laservibrovermessung<br />

Vor dem erstmaligen Auslaufen eines Bootes mit einem Kompositpropeller<br />

werden die Anschlagversuche im Wasser für einen Flügel<br />

wiederholt. Die Durchführung erfolgt mit Taucherunterstützung. Hierbei<br />

können lediglich die Eigenfrequenzen und die modalen Dämpfungen<br />

bestimmt werden.<br />

Die Bewährungsprobe für den Propeller kommt mit der Wasserschallmessung<br />

in Eckernförde (Flachwasser) und Bergen (Tiefwasser),<br />

wo das Uboot inklusive Propeller in diversen Fahrtzuständen akustisch<br />

geprüft wird.<br />

Ausblick<br />

Der neue hydrodynamisch und akustisch optimierte Kompositpropeller<br />

wird Ende des Jahres am neuen Uboot der Deutschen Marine<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

Akustisch optimierter Propeller aus Kompositwerkstoffen / 69<br />

(Typ 212A/2.Los) in Seeerprobung gehen. Diese Eigenentwicklung<br />

hat international höchstes Interesse geweckt und ihr Marktpotenzial<br />

durch Verkäufe für HDW-Uboote vom Typ 214 bewiesen.<br />

Die Technologie von Kompositpropellern mit hochviskosen<br />

Zwischenschichten bietet noch großes Potenzial zur Verringerung<br />

der akustischen Signatur, insbesondere Möglichkeiten zur lokalen<br />

Beeinflussung der Strukturdämpfung sowie der hydrodynamischen<br />

Optimierung durch eine nachgiebige Flügelstruktur.


70 / ViSTIS ® – Revolutionäres Team-Training für komplexe Systeme<br />

Moderne Ausbildung für komplexe Systeme<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

ViSTIS ®<br />

Revolutionäres Team-Training<br />

für komplexe Systeme<br />

marKuS ScHuppErT m.a. Projektleiter ViSTIS ® Blohm + voss naval gmbH Hamburg<br />

Eine hochwertige Ausbildung von Bedienungs- und<br />

Instandsetzungspersonal von komplexen Systemen<br />

ist die Basis für einen erfolgreichen und effizienten<br />

Einsatz von Mensch und Material. Aber die Besatzungsausbildung,<br />

z.B. für Marineschiffe, ist bisher<br />

nur auf dem Originalschiff möglich. Mit ViSTIS ® ,<br />

dem ’Virtual Ship Training and Information System’,<br />

wird dies künftig auch auf einem virtuellen Schiff<br />

unabhängig von der Original-Hardware bzw. vom<br />

Originalschiff möglich sein. Dieses innovative<br />

Ausbildungs- und Informationssystem wird derzeit<br />

unter Federführung von Blohm + Voss Naval in<br />

Hamburg entwickelt.<br />

/ 71<br />

Virtuelles Schiffstraining<br />

Computerbasierte Ausbildungsmittel, wie Simulationen und Computerlernprogramme,<br />

haben bereits seit langem Einzug in den Lehrplan der<br />

Marineschulen gehalten. Im Gegenzug werden weniger Originalgeräte<br />

als Ausbildungsmittel benötigt. Die Gründe liegen auf der Hand:<br />

Computerbasierte Ausbildungsmittel sind kostengünstiger als Original-<br />

Hardware, dabei beliebig oft reproduzierbar und stellen gleichzeitig<br />

eine gleichbleibende Qualität der Ausbildung sicher. Dennoch werden<br />

gerade bei den Marinen immer noch große Ausbildungsanteile<br />

an Bord der Schiffe durchgeführt, da eine einheitliche virtuelle<br />

Trainingsumgebung zur Ausbildung aller auf einem modernen Marine-<br />

schiff anfallenden Aufgaben und auftretenden Situationen bisher nicht<br />

vorhanden ist. Damit ist eine Teamausbildung der gesamten Besatzung<br />

bisher nur auf dem Originalschiff möglich.<br />

ViSTIS ® (Virtual Ship Training and Information System) erlaubt künftig<br />

die Schulung in einem virtuellen Schiff.


72 / ViSTIS ® – Revolutionäres Team-Training für komplexe Systeme<br />

Bild 1 / Von CAD zu ViSTIS ®<br />

Innovatives Ausbildungs- und Informationssystem ViSTIS ®<br />

Das innovative Ausbildungs- und Informationssystem ViSTIS ® wird derzeit<br />

unter Federführung von Blohm + Voss Naval in Hamburg entwickelt.<br />

Die wichtigsten Kernfunktionalitäten von ViSTIS ® sind:<br />

° Höchster Realitätsgrad<br />

° Integrierte Systemarchitektur<br />

° Innovatives Individual- und Team-Training<br />

Der hohe Realitätsgrad basiert auf einer realistischen Echtzeitvisualisierung<br />

mit Hilfe der CryEngine ® 3, einer der weltweit führenden<br />

“Game Engines” des Computerspiele-Herstellers Crytek. Grundlage für<br />

die Modelle sind jedoch die originalen 3D-CAD-Daten (Computer Aided<br />

ViSTIS ® Presentation Layer<br />

Delivery of Training Content to various End-User-Devices<br />

Content Data<br />

Interactive Electronical Technical<br />

Documentation (IETD)<br />

Electronical Performance<br />

& Support System (EPSS)<br />

Media / Streaming Server<br />

Computer Based Training (CBT)<br />

Learning Management System (LMS)<br />

Content Management System (CMS)<br />

Learning Content Management<br />

System (LCMS)<br />

via standardbasierte<br />

Schnittstellen<br />

Bild 2 / Integrierte ViSTIS ® Architektur<br />

ViSTIS ®<br />

Simulation Framework<br />

ViSTIS ® Team Server<br />

De-Centralized Team-Training<br />

viSTiS ®<br />

System & learning framework<br />

ViSTIS ®<br />

Simulation Software<br />

Development Kit (SSDK)<br />

Design), die über einen komplexen Konvertierungsprozess für die<br />

Darstellung in der Game Engine aufbereitet werden / Bild 1 /.<br />

Eine weitere wesentliche Funktionalität von ViSTIS ® ist die integrierte<br />

Systemarchitektur. Sie verbindet die Echtzeitvisualisierung mit<br />

einem innovativen Lern- und Wissensmanagementsystem. Durch die<br />

Integration der relevanten Systemsimulationen wird das virtuelle Schiff<br />

interaktiv, d.h. es reagiert auf die Eingaben des Nutzers wie das<br />

reale Schiff. Eine skalierbare und modulare Architektur sorgt dafür,<br />

dass kein Einstiegsprojekt zu klein, aber auch kein großes Projekt zu<br />

komplex für ViSTIS ® ist. Gleichzeitig sind die Einstiegsprojekte keine<br />

Sackgasse, sondern bilden die Basis für komplexere Folgeprojekte<br />

/ Bild 2 /.<br />

ViSTIS ®<br />

Media Database<br />

ViSTIS ®<br />

Software Development<br />

Kit (SDK)<br />

über Webprotokoll<br />

Combined /Joined Forces<br />

Team Training<br />

Runtime Data<br />

Automation System Trainer<br />

Combat Management Trainer<br />

Bridge Simulation<br />

COMMS Simulation<br />

Platform Simulation<br />

Weapon Trainer<br />

Tactical Trainer<br />

via standardbasierte<br />

Schnittstellen<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


ViSTIS ® ermöglicht mit seinen integrierten Trainingsszenarien ein inno-<br />

vatives Individual- und Team-Training. In der virtuellen Simulationsumgebung<br />

lassen sich sowohl Routineaufgaben als auch Not- und<br />

Gefechtssituationen realistisch ausbilden, ohne Mensch oder Material<br />

zu gefährden. Dabei werden dem Nutzer seine virtuelle Umwelt, die zu<br />

bedienenden Anlagen und Geräte sowie die anderen Crew-Mitglieder<br />

in Echtzeit in einer fotorealistischen 3D-Umgebung präsentiert. Die<br />

Nutzer müssen hierzu nicht am selben Ort sein, sondern sie können<br />

über Internet/Intranet an dem jeweiligen Trainingsszenario teilnehmen<br />

/ Bild 3 /.<br />

Im Vergleich zur Ausbildung an Bord oder mit Original-Hardware<br />

bietet ViSTIS ® :<br />

° Eine geringere Belastung der realen Schiffe und damit die<br />

Freisetzung für den eigentlichen Einsatz<br />

° Deutlich geringere Trainings-Betriebskosten und gleichzeitig eine<br />

deutlich reduzierte Umweltbelastung im Vergleich zum Einsatz<br />

realer Schiffe (zur Verdeutlichung: Eine Fregatte verbraucht<br />

pro Stunde ca. 3.000 l Diesel und produziert dabei ca. 8 t CO2) ° Die Möglichkeit zum Training von kritischen Situationen, wie z.B.<br />

die Brandbekämpfung oder das Herstellen von Notschaltungen<br />

an Anlagen im Dauerbetrieb, die so am Originalgerät nicht<br />

möglich sind, ohne dabei Personal oder Material zu gefährden.<br />

Bild 3 / Beispiel für ein Trainingsszenario mit ViSTIS ®<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

ViSTIS ® – Revolutionäres Team-Training für komplexe Systeme / 73<br />

Zusammenfassung:<br />

ViSTIS ® ist die Antwort auf die Herausforderungen, vor denen die<br />

modernen Marinen überall auf der Welt stehen: Die Systeme werden<br />

immer komplexer und gleichzeitig die Besatzungen immer kleiner. Damit<br />

steigen die Anforderungen an die einzelnen Besatzungsmitglieder.<br />

Die Stärke von ViSTIS ® liegt zum einen in der Fähigkeit, unterschiedlichste<br />

Simulationen zu integrieren und damit ein realistisches Anlagen-<br />

und Systemverhalten des virtuellen Schiffes zu erreichen. Zum anderen<br />

können neben der Ausbildung der einzelnen Besatzungsmitglieder auch<br />

komplexe Abläufe und Verfahren im Team geschult werden. Damit<br />

können Ausbildungszeiten auf dem realen Schiff signifikant reduziert<br />

werden, weil die Besatzung durch virtuelles Training gut vorbereitet<br />

wurde. Gleichzeitig wird das Material weniger beansprucht, was in letzter<br />

Konsequenz weitere Kosten spart.<br />

Mit der Einführung von Ausbildungslösungen bei der Deutschen und<br />

Australischen Marine hat ViSTIS ® erste Erfolge zu verzeichnen und damit<br />

den Grundstein für weitere Aufträge gelegt.


74 /<br />

Thema<br />

RFID-gekennzeichnete Bramme bei der Überfahrt eines Lesepunktes<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong>


RFID-Brammenlogistik<br />

Dipl.-Winf. loÏc fEinBiEr Leiter CoC Supply Chain Visibility ThyssenKrupp iT Services gmbH Essen<br />

Dipl.-Winf. yaSEmin yaSlar Supply Chain Visibility Projekte ThyssenKrupp iT Services gmbH Essen<br />

Dipl.-ing. HEinEr niEHuES ThyssenKrupp RFID-Logistics Platform ThyssenKrupp iT Services gmbH Essen<br />

Die automatisierte Erfassung von Materialstücken in logistischen Prozessen gewinnt zunehmend an Bedeutung.<br />

Um den Anforderungen einer möglichst schnellen, sicheren und transparenten Lieferkette zu genügen, wird<br />

immer häufiger auf RFID-Technologie (Radio Frequency IDentification) gesetzt. ThyssenKrupp führte als erster<br />

Werkstoff- und Technologiekonzern RFID zur automatisierten Identifikation von Brammen entlang einer neuen<br />

Supply Chain von Brasilien über Umschlaghäfen nach Europa und USA ein. Dadurch werden die Verladezeiten<br />

der Brammen deutlich verkürzt und Verwechslungen vermieden.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

Motivation<br />

Mit dem Bau eines neuen Stahlwerkes in Brasilien und eines<br />

weiterverarbeitenden Werkes in den USA, war eines der<br />

obersten Ziele die Optimierung der komplexen Logistik-<br />

prozesse für den internationalen Seetransport von Stahl-<br />

brammen. Dazu müssen die Brammen an relevanten<br />

Schlüsselpunkten möglichst schnell und dennoch sicher<br />

identifiziert werden, um die Kapazitäten der Verlademittel<br />

optimal auslasten und die Liegezeiten der Seeschiffe<br />

an den Häfen durch Beschleunigung der Verladevorgänge<br />

möglichst kurz halten zu können. Es musste<br />

demnach eine Kennzeichnungsmethode gefunden werden,<br />

die selbst auf stark verschmutzten Brammenoberflächen<br />

haftet und auch unter schlechten Wetterbedingungen<br />

sowie bei Tag und Nacht aus größerer Distanz sicher<br />

und schnell erfassbar ist. Aufgrund der schwierigen wie<br />

unkontrollierbaren Umweltbedingungen, schieden Bar-<br />

codes von Anfang an als Alternative aus. Die RFID-<br />

Technologie dagegen hatte das Potenzial die hohen Anforderungen<br />

zu erfüllen. Der Nachweis dafür musste jedoch<br />

erst in aufwendigen Feldversuchen erbracht werden, da<br />

der Einsatz von RFID in der Stahlindustrie in dieser Form<br />

bisher einzigartig ist.<br />

Die Identifikation von Brammen mittels RFID wurde<br />

an den werkseigenen Häfen in Sepetiba/Brasilien<br />

(ThyssenKrupp CSA), Calvert/USA (ThyssenKrupp Steel<br />

USA) und Duisburg-Walsum (ThyssenKrupp Steel Europe)<br />

umgesetzt. Die von Dienstleistern betriebenen Umschlaghäfen<br />

in Rotterdam/Niederlande und Mobile/USA haben<br />

die RFID-Technologie ebenfalls eingeführt und wurden bei<br />

der Umsetzung unterstützt.<br />

Herausforderungen<br />

Aufgrund von Interferenzen und Reflexionen wurde der<br />

Einsatz von RFID auf Metallen und in metallischen Um-<br />

gebungen früher häufig als unmöglich betrachtet, da<br />

weder die Lesbarkeit an sich, noch eine akzeptable Lesereichweite<br />

garantiert werden konnten. Mit dem richtigen<br />

RFID-Etiketten-Design gelang es dem Projektteam jedoch,<br />

einen unter physikalischen Gesichtspunkten optimalen<br />

Abstand zwischen RFID-Chip und dem metallischen<br />

/ 75<br />

Brammenkörper einzuhalten, der die Kommunikation zwischen<br />

RFID-Lesegerät und RFID-Tag ermöglicht. Bei diesem<br />

so genannten “Flag-Tag“ wird der Teil des Etikettes, der den<br />

RFID-Transponder enthält, derart abgeknickt, dass eine<br />

senkrecht vom Metall abstehende, 4 cm lange Flagge entsteht<br />

/ Bild 1 /.<br />

Der Chip des RFID-Transponders enthält die eindeutige<br />

Identnummer der jeweiligen Bramme. Diese vollkommen<br />

passive Lösung ermöglicht trotz metallischer Brammenober-<br />

fläche die Erfassung des Brammen-Identen per Funk aus<br />

einer Distanz von bis zu 8 m – und zwar während des<br />

Verladevorganges der Bramme / Bild 2 /, ohne dass der Kran<br />

dabei anhalten muss.<br />

Bild 1 / Brammenetikett mit RFID-Transponder und Flagge<br />

Bild 2 / Vollautomatisierte Identifikation bei der Verladung im Seehafen<br />

von Sepetiba/Brasilien


76 / RFID-Brammenlogistik<br />

Um die RFID-Etiketten über den gesamten Transportweg<br />

nutzen zu können, ist eine sichere Haftung des Etikettes<br />

an der Bramme unabdingbar. Verzunderte Brammenoberflächen,<br />

Restwärme der Brammen, schlechte Wetter-<br />

bedingungen, wie Nässe und Wind, sowie raue Umgebungsbedingungen<br />

beim Transport der Brammen stellten<br />

neue Herausforderungen dar. Um diesen zu begegnen,<br />

wurde in enger Zusammenarbeit mit einem Spezialetiketten-<br />

Hersteller ein kostengünstiges RFID-Etikett aus anforderungsgerechtem<br />

Material (synthetisch, hitzebeständig bis<br />

200 °C) und einem Spezialklebstoff entwickelt. Dieser<br />

erlaubt auch bei leicht feuchter und verschmutzter<br />

Brammenoberfläche eine sichere Haftung des Etikettes.<br />

Das flexible Material sorgt dafür, dass die Flagge mit dem<br />

RFID-Transponder, bei Einwirkung von außen nachgibt,<br />

sich anschließend aber selbst nach mehreren Wochen<br />

in angedrücktem Zustand wieder ausreichend aufstellt,<br />

um zu gewährleisten, dass der RFID-Chip ausgelesen<br />

werden kann. Dies ist besonders wichtig, da die<br />

Brammen auf ihrem langen Weg von Brasilien in die USA<br />

und nach Deutschland bis zu drei Wochen lang im<br />

Schiffsbauch eng aneinander liegen / Bild 3 /. Die gewählte<br />

Variante hilft zudem, die laufenden Kosten der Lösung<br />

niedrig zu halten, da die Einweg-Etiketten nicht aufwendig<br />

am Ende der Kette entfernt und zum Ursprungsort zurück<br />

geschickt werden müssen, wie dies bei Verwendung her-<br />

kömmliche “on-metal“-Transponder-Lösungen notwendig<br />

wäre. Ein weiterer Vorteil der eingesetzten Etiketten be-<br />

steht in der Möglichkeit, diese zusätzlich mit 2D-Barcodes<br />

und Materialangaben im Klartext bedrucken zu können,<br />

sodass bei Bedarf eine Bramme auch manuell identifiziert<br />

werden kann.<br />

Prozessablauf<br />

Für die rudimentäre Reinigung der zu beklebenden<br />

Brammenoberfläche, die Programmierung des RFID-Chips,<br />

den Druck der Etiketten sowie deren Anbringung an den<br />

Längsseiten der Brammen wurden an den Produktionsstandorten<br />

Santa Cruz/Brasilien und Duisburg speziell für<br />

diesen Zweck konzipierte Etikettier-Stationen gebaut. Alle<br />

Brammen werden auf ihrer Fahrt zu den Verladekränen<br />

in bis zu fünf Brammen hohen Stapeln auf Schwerlast-<br />

Transportmitteln in die jeweilige Etikettier-Station eingefahren.<br />

Dort werden dann die zu etikettierenden Stellen an<br />

den Längsseiten der Bramme mechanisch gereinigt. Nach<br />

einem visuellen Abgleich der Beladung mit den Angaben<br />

des Etikettiersystems, die in Brasilien automatisiert durch<br />

eine OCR-Lösung (Optical Character Recognition) erfolgt,<br />

werden die Etiketten von einem Laserdrucker ausgegeben.<br />

Bild 3 / Hochseetüchtige Verstauung<br />

von Brammen im Laderaum eines<br />

Panamax Frachters<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I I <strong>2011</strong>


Bild 4 / Wohlbehaltene Ankunft der ersten Brasilien-Bramme am weiterverarbeitenden<br />

Produktionsstandort Duisburg<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 1 I <strong>2011</strong><br />

Dieser bedruckt das Etikett und programmiert zeitgleich<br />

den enthaltenen RFID-Chip mit dem zugewiesenen Identen.<br />

Ein Mitarbeiter entnimmt das Etikett, faltet es an der dafür<br />

vorgesehenen Knick-Perforation und bringt es parallel zur<br />

Brammenkante mittig an der entsprechenden Brammen-<br />

seite an. Jede Bramme wird an beiden Längsseiten mit<br />

jeweils einem RFID-Etikett versehen. So ist gewährleistet,<br />

dass die Bramme, unabhängig von ihrer Orientierung bei<br />

der Verladung möglichst früh erkannt werden kann. Weiter-<br />

hin erhöht die so vorhandene Redundanz die Chancen für<br />

eine automatisierte Identifikation, auch wenn ein Etikett<br />

beim Transport der Bramme physisch beschädigt wurde.<br />

Die RFID-Lesegeräte für die Identifikation der Brammen<br />

bei der Verladung sind an den Querstreben der Kräne oder<br />

direkt an den magnetischen Lasthebemitteln montiert.<br />

Die Erfassung erfolgt automatisch, während die Brammen<br />

in Richtung Schiff bzw. Kaikante bewegt werden. Eine aus-<br />

geklügelte Software-Logik analysiert die von den RFID-<br />

Lesegeräten zurückgelieferten Rohdaten und filtert eventuell<br />

durch Reflektion der Radiosignale entstandene Fehlerfassungen<br />

aus. Übrig bleiben nur die relevanten logistischen<br />

Ereignisse, wie die Bestätigung der Verladung bzw.<br />

der Vereinnahmung einer Bramme, die vom RFID-System<br />

an das jeweils angebundene lokale IT-System weiterge-<br />

leitet werden. So können an den Häfen die Verladelisten<br />

zügig abgeglichen und die Zielpositionen der Brammen<br />

rechtzeitig an die Kranfahrer kommuniziert werden. Zu-<br />

sätzlich zu den Kränen, befindet sich ein letzter Lesepunkt<br />

am so genannten „Ofenrollgang“ im Warmbandwerk von<br />

Calvert. Dort werden die Brammen vor der Weiterverarbeitung<br />

zu Warmband-Coils erneut erfasst, um sicherzustellen,<br />

dass die richtige Bramme mit der richtigen Qualität in den<br />

Produktionsprozess eingeht.<br />

Die ersten Brammen wurden im April 2010 von<br />

Duisburg-Walsum aus über Rotterdam und Pinto Island/<br />

USA nach Calvert verschifft, gefolgt von der ersten<br />

Brammenlieferung aus Brasilien im November desselben<br />

Jahres / Bild 4 /. Die automatisierte Erkennungsrate der<br />

ersten Lieferung lag am Zielhafen bei über 95 % und über-<br />

traf damit – gerade im Hinblick auf die extremen Bedin-<br />

gungen während des Brammentransportes – alle Erwar-<br />

tungen. Nicht automatisiert identifizierbare Brammen – z.B.<br />

RFID-Brammenlogistik / 77<br />

weil die RFID-Etiketten physisch zerstört wurden – werden<br />

an allen Stellen mit mobilen Barcode-Scannern schnell<br />

und fehlerfrei nacherfasst.<br />

Innovative IT-Lösung<br />

Neben der Entwicklung der benötigten RFID-Komponenten<br />

und der zugehörigen Abläufe an den beteiligten Standorten,<br />

bestand eine weitere Herausforderung darin,<br />

leistungsfähige IT-Systeme für diese weltumspannend<br />

automatisierte Supply Chain aufzubauen.<br />

Im Hinblick auf die hohen Entwicklungskosten, sowie<br />

Aspekte der Wiederverwendbarkeit und Zukunftssicherheit,<br />

war es dabei umso wichtiger, dass die so geschaffene<br />

IT-Lösung auf anerkannten Industriestandards aufbaut.<br />

Vor diesem Hintergrund ist ThyssenKrupp bereits 2008<br />

als erstes Unternehmen seiner Art der Standardisierungsorganisation<br />

EPCglobal™ beigetreten und setzt seit-<br />

dem konsequent auf relevante Normen für den Einsatz<br />

von RFID-Technologie und den elektronischen Austausch<br />

von Bewegungsdaten zwischen Supply Chain Partnern.<br />

So kommt beispielsweise bei der Kennzeichnung der<br />

Brammen das zukunftsweisende Nummerierungskonzept<br />

Electronic Product Code (EPC) zum Einsatz, das eine<br />

eindeutige Identifizierbarkeit der Brammen weltweit<br />

und unternehmensübergreifend sicherstellt. Auch die<br />

verwendeten RFID-Transponder und -Lesegeräte sind<br />

konform zum EPC Class 1 Gen 2 Standard, wodurch<br />

die internationalen Inbetriebnahmen vereinheitlicht und<br />

deutlich vereinfacht wurden. Ein eigens für ThyssenKrupp<br />

aufgebautes EPC Information System (EPCIS) ermöglicht<br />

allen internen und externen Teilnehmern an der Wertschöpfungskette,<br />

relevante Logistikereignisse einheitlich<br />

und in Echtzeit auszutauschen. So haben alle Beteiligten<br />

jederzeit Zugang zu den für sie relevanten logistischen<br />

Informationen und können Entscheidungen quasi in<br />

Echtzeit fällen.<br />

Der generische Aufbau dieser konzernintern als<br />

“ThyssenKrupp RFID-Logistics Platform“ bekannten IT-<br />

Lösung macht es möglich, neue Anwendungsfälle für RFID<br />

schnell, kostengünstig und mit Schwerpunkt auf den zu<br />

gestaltenden Geschäftsprozessen in tragfähige Lösungen<br />

umzusetzen.<br />

Ausblick<br />

Mit der erfolgreichen Einführung von RFID in der Brammenlogistik<br />

nimmt ThyssenKrupp im Umgang mit dieser<br />

innovativen Technologie eine Vorreiterstellung unter den<br />

global agierenden Werkstoff- und Technologiekonzernen<br />

ein. Durch die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten sind der<br />

RFID-Technologie auch in anderen Anwendungsgebieten<br />

kaum Grenzen gesetzt. Mittlerweile hat RFID in vielen<br />

anderen Bereichen des Konzerns alte Technologien<br />

ergänzt bzw. abgelöst, oder es ist geplant dies zu tun.<br />

So etwa für die Verfolgung von Anlagenteilen, betriebseigenen<br />

Transportmitteln und -behältnissen, bis hin zu<br />

Zwischenmaterial und Endprodukten. Mit RFID können<br />

künftig auch diese Prozesse automatisierter und sicherer<br />

ablaufen und das bei gleichzeitig deutlich verbesserter<br />

Einsicht in die Wertschöpfungskette.

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