Die Existenz in der Polarität und ihre Bedeutung
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schwimmen mit e<strong>in</strong>em Dottersack unter dem Bauch, <strong>in</strong> welchem sich<br />
Nahrung bef<strong>in</strong>det, <strong>der</strong> menschliche Embryo ist ebenfalls mit e<strong>in</strong>em<br />
Dottersack, jedoch zur Bildung von Blutkörperchen, ausgestattet. Auch<br />
die Anlage <strong>der</strong> sechs Kiemenbögen zwischen M<strong>und</strong>öffnung <strong>und</strong> Herz lassen<br />
vermuten, daß wir, wenn wir im Mutterleib liegen, die ganze<br />
Entwicklung vom Seeigel über Fisch <strong>und</strong> Vogel durchlaufen. E<strong>in</strong><br />
Entwicklungsprozeß <strong>der</strong> unsere biologische Verb<strong>und</strong>enheit mit allen<br />
Kreaturen dieser Welt wi<strong>der</strong>spiegelt. 8<br />
Vor <strong>der</strong> Geburt existieren wir im höchsten E<strong>in</strong>klang mit <strong>der</strong> Natur, den<br />
biologischen Gesetzen des Wachstums folgend <strong>und</strong> ausgestattet mit<br />
unserer tiefsten Seelenschicht, dem "kollektiven Unbewußten", - nach<br />
C.G. jung e<strong>in</strong>e uns angeborene Bewußtse<strong>in</strong>sebene, welche nicht<br />
persönlicher Erfahrung <strong>und</strong> Erwerbung entstammt, son<strong>der</strong>n allgeme<strong>in</strong>er<br />
Natur ist <strong>und</strong> im Gegensatz zur persönlichen Psyche für Inhalte <strong>und</strong><br />
Verhaltensweisen zuständig ist, welche überall, <strong>in</strong> allen Menschen die<br />
gleichen s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> somit e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> je<strong>der</strong>mann vorhandene, allgeme<strong>in</strong>e<br />
seelische Gr<strong>und</strong>lage überpersönlicher Natur bildet. 9<br />
Am Anfang s<strong>in</strong>d wir e<strong>in</strong>s mit Allem, dann polarisieren wir uns <strong>in</strong><br />
männlich o<strong>der</strong> weiblich <strong>und</strong> nach <strong>der</strong> Geburt treten wir mit zunehmen<strong>der</strong><br />
Identifikation <strong>in</strong> die Welt <strong>der</strong> Gegensätze e<strong>in</strong>.<br />
3.2 <strong>Die</strong> E<strong>in</strong>heit des K<strong>in</strong>des<br />
Mit dem ersten Atemzug glie<strong>der</strong>t sich das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> die <strong>Polarität</strong> <strong>und</strong> <strong>in</strong><br />
die Abhängigkeit <strong>der</strong> Zeit e<strong>in</strong>. Noch kann es ke<strong>in</strong>e bewußtse<strong>in</strong>smäßige<br />
Unterscheidungen machen. Wie sollte es? Es kann nicht sagen: "<strong>Die</strong>s ist<br />
rot, <strong>und</strong> das ist grün." Es kennt nicht rot, es kennt nicht grün, es<br />
schaut e<strong>in</strong>fach - die Welt ist noch e<strong>in</strong>s. Sie ist so sehr e<strong>in</strong>s, daß es<br />
nicht zwischen se<strong>in</strong>em eigenen Körper <strong>und</strong> dem Körper se<strong>in</strong>er Mutter<br />
unterscheiden kann. Es kann nicht zwischen dem eigenen Körper <strong>und</strong> den<br />
D<strong>in</strong>gen unterscheiden. 10 Darum nimmt es z.B. se<strong>in</strong>en Zeh <strong>und</strong> saugt an<br />
ihm, ohne zu wissen, das es se<strong>in</strong> eigener Körper ist, an dem es sich<br />
vergeblich um Nahrung bemüht. Aber es greift danach, so wie es nach<br />
allem möglichen greift - ohne Unterschied. Es gehört Zeit dazu,<br />
manchmal Jahre, bis das K<strong>in</strong>d fähig dazu wird, Unterscheidungen zu<br />
machen. <strong>Die</strong>sen Prozeß, <strong>in</strong> welchem sich <strong>der</strong> Übergang von<br />
<strong>und</strong>ifferenzierter Erfahrung zu e<strong>in</strong>er konkreten Welt von D<strong>in</strong>gen <strong>und</strong><br />
Beziehungen abspielt, nennt Piaget die "Konstruktion <strong>der</strong><br />
Wirklichkeit". 11<br />
E<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d reißt ohne weiteres e<strong>in</strong> Spielzeug aus den Händen e<strong>in</strong>es<br />
an<strong>der</strong>en K<strong>in</strong>des. Es kennt nicht den Unterschied zwischen Me<strong>in</strong> <strong>und</strong> De<strong>in</strong>,<br />
Gut <strong>und</strong> Böse. Erst die Entwicklung se<strong>in</strong>er S<strong>in</strong>ne zur Differenzierung<br />
des Stofflichen <strong>und</strong> die Maßregelungen <strong>der</strong> bereits polarisierten<br />
Erwachsenen (das darfst du nicht - das ist nicht de<strong>in</strong>s - das ist böse)<br />
führen beim K<strong>in</strong>d mit zunehmen<strong>der</strong> Übernahme <strong>der</strong> Wertvorstellungen zu<br />
e<strong>in</strong>er sich von <strong>der</strong> Außenwelt unterscheidenden Abgrenzung, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sich<br />
das K<strong>in</strong>d als Ich erkennt. Se<strong>in</strong> Ich b<strong>in</strong>det es nun an die Welt <strong>der</strong><br />
Gegensätze.<br />
4 <strong>Die</strong> <strong>Polarität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt<br />
4.1 <strong>Die</strong> Gegensätze<br />
Der Mensch wird bereits <strong>in</strong> die Welt <strong>der</strong> Gegensätze h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>-geboren. In<br />
Tag <strong>und</strong> Nacht, Steigen <strong>und</strong> Fallen, Plus <strong>und</strong> M<strong>in</strong>us, Oben <strong>und</strong> Unten,<br />
Ruhe <strong>und</strong> Spannung, Hitze <strong>und</strong> Kälte, u.s.w. Darauf verweist auch Juchli<br />
<strong>in</strong> "Heilen durch Wie<strong>der</strong>entdecken <strong>der</strong> Ganzheit" : Der Mensch ist<br />
unentr<strong>in</strong>nbar <strong>in</strong> diese Gesetzmäßigkeit e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en. Von hier geht er<br />
aus, die D<strong>in</strong>ge zu teilen <strong>und</strong> zu unterscheiden <strong>in</strong> gut <strong>und</strong> böse, schön<br />
<strong>und</strong> häßlich, schwierig <strong>und</strong> leicht, nützlich <strong>und</strong> schädlich. Unsere<br />
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