Man muss nicht in die Kirche gehen, um Christ zu sein? Oder - Was ...

werden daher sehr aufmerksam allen Verhärtungen des Institutionellen entgegnen müssen, vor
allem aber ist ihre Aufgabe, Bedingungen dafür zu schaffen und immer wieder zu verbessern,
die die Erzählgemeinschaft um Jesus Christus ermöglichen und Menschen zugleich dazu
befähigen sachgerecht und begeisternd an dieser geschieht Anteil zu geben. D.h. Kirche wird
neben aller möglichen Förderung des ehrenamtlichen Mitwirkens am Gottesdienst der
Gemeinde gerade die hauptamtlich Tätigen sorgfältig aus- und fortbilden.
4. Ergebnis:
Man muss nicht in die Kirche gehen, aber man kann sich einladen lassen, zum Mitfeiern und
zur Aneignung dessen, was Gott für uns in seinem Sohn Jesus Christus getan hat. Und man
kann sich mit seinen eigenen Erfahrungen einbringen in einen lebendigen Austausch darüber,
wie dieses Geschenk des guten Lebens, wie die Hoffnung, die Christen beseelt (1. Petr 3,15)
in einer ins Strudeln geratenden Welt zu Gehör und Wirkung kommen kann.
Augustin, der Kirchenvater, berichtet in seinen Confessiones, dass er auf dem Höhepunkt
seines inneren Kampfes um den Glauben eine Kinderstimme hörte, die ihm sagte: "tolle,
lege", d.h.: nimm und lies. Er verstand dies Stimme als göttlichen Hinweis und begann in der
Bibel zu lesen. Er berichtet, dass die Lektüre (Röm 13,13f) ihm die Gewissheit seines
Lebensweges schenkte. Wenn nun gefragt wird, was wohl Jesus von seinen Nachfolgern
erhofft, dann glaube ich - und dies nicht nur wegen des begonnenen Jahres der Bibel -, es ist
die Begegnung mit seinem Wort. Dies kann in der privaten Lektüre der Bibel geschehen, dies
kann im Gottesdienst der Gemeinde geschehen, dies zielt aber immer auf Austausch, auf
Gemeinschaft. Von der Kirche als der Gemeinschaft der ihm Nachfolgenden wäre dann
allerdings zu erhoffen, dass es ihr gelingt, die Botschaft, das Wort von Jesu und Jesu Wort so
zu elementarisieren, dass Menschen in ihm "Sinn oder Orientierung, Tiefe oder Transzendenz,
Göttliches oder Versöhnung überhaupt wieder ernst nehmen und darin eine sinnvolle Identität
finden können." 17
17 Häring, aaO, S. 172f
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