Leseprobe_Von-der-Vision-zur-Wirklichkeit_Bildband.pdf
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Mo<strong>der</strong>ner Baumeister <strong>der</strong> alten sCHule<br />
Professor Peter Kulka verbindet im neuen Landtag Geschichte mit Baukultur und Philosophie<br />
Die Mo<strong>der</strong>ne ist Geschichte. In ihr und mit ihr ist <strong>der</strong><br />
Architekt Peter Kulka groß geworden. »Es kann nicht<br />
darum gehen, Geschichte wegzuwerfen«, sagt Peter<br />
Kulka und meint damit die ganze Geschichte. Die Vorgabe<br />
des Bauherrn für den brandenburgischen Landtag<br />
war, das Gebäude weitestgehend in <strong>der</strong> äußeren<br />
Gestalt des Potsdamer Stadtschlosses zu errichten,<br />
verbunden mit <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Nutzung im Inneren als<br />
Parlamentsgebäude. Eine Herausfor<strong>der</strong>ung, <strong>der</strong> sich<br />
Kulka stellte und auf seine Art löste: »Ich wusste, dass<br />
ich ein Konzept brauche, sonst bin ich verloren«, sagt<br />
Kulka. Seine Idee: Außen historisch und innen mo<strong>der</strong>n<br />
mit einfachen, klaren Grundrissen. Bescheidenheit und<br />
Schlichtheit waren seine Maxime für innen mit viel Licht<br />
und viel Weiß, so wie am Beginn <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne. »Das ist<br />
übrigens nicht neu gewesen«, betont Peter Kulka, <strong>der</strong><br />
gebürtige Dresdner. August <strong>der</strong> Starke habe immer dann<br />
am besten bauen lassen, wenn er kein Geld hatte und<br />
die Räume weiß gelassen hat. Kulka verweist also mit<br />
seiner Formen- und Sprachfarbe im Inneren gleich auf<br />
mehrere Traditionslinien, auch auf sakrale, denn in Herrnhut,<br />
<strong>der</strong> Brü<strong>der</strong>gemeine mit Stammsitz in <strong>der</strong> Oberlausitz,<br />
sind die Kirche und die Säle schlicht weiß ohne Schmuck,<br />
die Gemeindemitglie<strong>der</strong> gleichberechtigt in fröhlichem<br />
Glauben.<br />
» Wir haben uns beim<br />
Entwurf die Frage gestellt:<br />
Was hätte Knobelsdorff<br />
an unserer Stelle gemacht,<br />
wenn er sich dieser Aufgabe<br />
hätte stellen müssen?«<br />
Peter Kulka ist Ästhet. Er versteht Schönheit nicht als<br />
oberflächliche Glätte und Unverletztheit, son<strong>der</strong>n schlicht<br />
als Wahrheit, die auch Verletzungen einschließt. Die<br />
Potsdamer Sucht, die Stadt schöner machen zu wollen,<br />
als sie je war, steht für Kulka im Wi<strong>der</strong>spruch zu einer<br />
lebendigen Stadt, die Spuren <strong>der</strong> Geschichte hat und<br />
haben muss. »Ich bin gegen Geschichtsfälschung«, sagt<br />
<strong>der</strong> Architekt, <strong>der</strong> sich selbst als Baumeister <strong>der</strong> alten<br />
Schule versteht. Er baut mit kulturellem Anspruch – und<br />
mit philosophischem. Er fand es furchtbar, dass bei Bauherr<br />
und Bauträger immer die Kosten im Vor<strong>der</strong>grund<br />
standen und diese Diskussionen wenig Raum für Baukultur<br />
ließen. Die Gründung <strong>der</strong> Kunst- und Ausstattungskommission,<br />
die das »Parteiengezänk aufbrach«, das<br />
Baukultur-Manko <strong>der</strong> Bauherrn ausfüllte und den Architekten<br />
unterstützte, empfand er als sehr wohltuend.<br />
Mit <strong>der</strong> Kunst- und Ausstattungskommission wurde auch<br />
die weiße Welt ein wenig farbiger, die Stühle und <strong>der</strong><br />
Teppichboden erstrahlen nun in einem hellen Rot.<br />
Der Landtag ist gebaute Philosophie, auch eine Art<br />
moralische Anweisung für die Nutzer. Nicht nur <strong>der</strong> Plenarsaal<br />
selber, son<strong>der</strong>n auch die Blicke von innen nach<br />
außen sollen bei den Abgeordneten bei aller Reinheit<br />
des Raumes dafür sorgen, dass diese den Blick ins<br />
Leben behalten. Gleich gegenüber liegt <strong>der</strong> Lustgarten<br />
mit dem Hotel Mercure quasi als die Gegenüberstellung<br />
zweier Welten in Potsdam: Stadtschloss und ddr-<br />
Nutzbau. Der Blick vom Flur geht in die Breite Straße<br />
und damit durch die Stadt mit Studentenwohnungen,<br />
den Büros <strong>der</strong> Industrie- und Handelskammer, Wohnhäusern<br />
aus <strong>der</strong> Barockzeit und Hochhäusern an dem<br />
Garnisonkirchenstandort und dem Marktcenter vorbei<br />
bis in die Achse nach Sanssouci: Gebäude und Zeitschichten.<br />
Im Plenarsaal führt die bronzene Doppeltür<br />
hinaus und mahnt die Abgeordneten, dass alle durch<br />
eine Tür hinein- und durch eine an<strong>der</strong>e Tür wie<strong>der</strong> hinausgehen<br />
müssen. »Vor diesem Hintergrund sollen hier<br />
Beschlüsse gefasst werden«, wünscht sich <strong>der</strong> Architekt,<br />
<strong>der</strong> sich oft gefragt hat, wie Knobelsdorff mit <strong>der</strong><br />
Aufgabe umgegangen wäre. »Wir haben uns beim Entwurf<br />
die Frage gestellt: Was hätte Knobelsdorff an unserer<br />
Stelle gemacht, wenn er sich dieser Aufgabe hätte<br />
stellen müssen?«<br />
{56} A u s s e n h i s to r i s C H – i N N e n m o d e r n