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Montag, 20. Januar 2014<br />
4. Programmwoche | 18.01.2014 bis 24.01.2014 <strong>MDR</strong> FIGARO<br />
Lesezeit<br />
09:05 Sansibar oder der letzte Grund (1/10)<br />
Von Alfred Andersch<br />
Die Geschichte spielt im Jahr 1937: Im Ostseestädtchen Rerik treffen<br />
mehrere Menschen aufeinander, die aus unterschiedlichen Gründen auf der<br />
Flucht sind. Die Jüdin Judith Levin flieht vor den Nazis. Der Kommunist<br />
Gregor soll einen politischen Auftrag für seine Partei ausführen, zweifelt<br />
aber an der starren Ideologie der KPD. Gregor nimmt Verbindung zu dem<br />
Fischer Knudsen auf, auch er ist ein aktiver Genosse, jedoch - wie Gregor -<br />
auch von der KPD enttäuscht. Pfarrer Helander aus Rerik will die bedrohte<br />
Holzskulptur "Lesender Klosterschüler" retten, sie wurde von den Nazis als<br />
"Entartete Kunst" klassifiziert. lKnudsen soll die Figur nach Schweden<br />
bringen. Judith soll ihn begleiten. Und auch der 15-jährige Schiffsjunge von<br />
Knudsen träumt vom Weggehen, "Sansibar" heißt sein Tagtraum...<br />
Übrigens: Die Holzskulptur "Lesende Klosterschüler" ist nach einer<br />
hölzernen Skulptur von Ernst Barlach gestaltet. Die Originalskulptur ist<br />
allerdings ca. 1,15 Meter groß und hätte sich nicht wie im Roman auf dem<br />
Rücken transportieren lassen.<br />
Der Roman "Sansibar oder der letzte Grund", für den der Schriftsteller den<br />
Deutschen Kritikerpreis erhielt, wurde 1957 veröffentlicht. Zu der Zeit war<br />
Alfred Andersch 43 Jahre alt und hatte solch existenzielle Erfahrungen wie<br />
Flucht und den Verlust der Freiheit selbst erlebt.<br />
Andersch, 1914 in München geboren, mochte seinen kleinbürgerlichnationalistisch<br />
eingestellten Vater nicht besonders, dieser war gleich 1920 in<br />
die NSDAP eingetreten. Stattdessen pflegte er eine tiefe Freundschaft zu<br />
dem Pfarrer Johannes Krepple - das Vorbild für den Pfarrer Helander im<br />
Roman. Mit 17 Jahren trat Alfred Andersch in den Kommunistischen<br />
Jugendverband ein. Seiner politischen Gesinnung wegen kam er 1933 zwei<br />
Mal in das KZ Dachau. Bald musste er jedoch einsehen, dass der<br />
Kommunismus nichts gegen den Nationalsozialismus ausrichten konnte, er<br />
blieb eine Idee.<br />
Für Andersch war das eine bittere Enttäuschung. Am liebsten wollte er<br />
damals weglaufen und dieser Fluchtgedanke bildet auch das Hauptmotiv in<br />
"Sansibar oder der letzte Grund". 1943 wurde Andersch schließlich vom<br />
Militär eingezogen. Nach seiner Desertation kam er in amerikanische<br />
Kriegsgefangenschaft - wieder wurde ihm die Freiheit genommen. 1946<br />
wurde Andersch der Redaktionsassistent von Erich Kästner bei der Neuen<br />
Zeitung. Für die bald darauf gegründete eigene Zeitung: "Der Ruf" wurde<br />
ihm und seinem Mitstreiter Hans Werner Richter die Herausgeberschaft in<br />
der amerikanischen Besatzungszone aberkannt - wegen Nihilismus.<br />
Seite 16/41