28.04.2014 Aufrufe

Erster Weltkrieg Kulturwissenschaftliches Handbuch - J. B. Metzler ...

Erster Weltkrieg Kulturwissenschaftliches Handbuch - J. B. Metzler ...

Erster Weltkrieg Kulturwissenschaftliches Handbuch - J. B. Metzler ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Rückblick weder die Verteidigung des Kaiserreichs noch die Kriegsziele den persönlichen<br />

Einsatz rechtfertigen konnten, dann konnte es nur die persönliche Haltung und Leistung sein.<br />

In den Stahlgewittern, seinem 1920 veröffentlichtem ersten Buch über seinen Einsatz im<br />

<strong>Weltkrieg</strong>, betonte er nicht nur schon im Titel seine Rolle als „Stoßtruppführer“ – d.h. als<br />

Elitesoldat in vorderster Front, der die höchst brenzlige Aufgabe übernahm, im<br />

Stellungskrieg die Positionen des Gegners im Nahkampf aufzubrechen –, sondern auch seine<br />

hohen Auszeichnungen: Die Porträtaufnahme des Verfassers, die gleich auf das Titelblatt<br />

folgte, zeigt alle Auszeichnungen die ihm zuteil wurden, von Verwundetenabzeichen über<br />

das Eiserne Kreuz bis hin zu dem „Pour le Mérite“, dem höchst selten vergebenen höchsten<br />

preußischen Orden. Gegen die Vorstellung einer Dominanz des Kriegsmaterials betonte er,<br />

das auch der <strong>Weltkrieg</strong> „seine großen Augenblicke“ gehabt habe:<br />

Man hört so oft die irrige Ansicht, daß der Infanteriekampf zu einer uninteressanten Massenschlächterei<br />

herabgesunken ist. Im Gegenteil, heute mehr denn je entscheidet der Einzelne. Das weiß jeder, der sie in ihrem<br />

Reich gesehen hat, die Fürsten des Grabens mit den harten, entschlossenen Gesichtern, tollkühn, so sehnig,<br />

geschmeidig vor- und zurückspringend, mit scharfen, blutdürstigen Augen, Helden, die kein Bericht nennt. Der<br />

Grabenkampf ist der blutigste, wildeste, brutalste von allen, doch auch er hat seine Männer gehabt, Männer, die<br />

ihrer Stunde gewachsen waren, unbekannte, verwegene Kämpfer. Unter allen nervenerregenden Momenten des<br />

Krieges ist keiner so stark, wie die Begegnung zweier Stoßtruppführer zwischen den engen Lehmwänden des<br />

Grabens. Da gibt es kein Zurück und kein Erbarmen. Blut klingt aus dem schrillen Erkennungschrei, der sich<br />

wie Alpdruck von der Brust ringt“ (Jünger 1920, 133).<br />

In diesem Zitat geht es vor allem um die eigene Rolle im Krieg, doch mit der Zeit<br />

entwickelten sich Jüngers Schriften zunehmend zu einer Glorifizierung des<br />

<strong>Weltkrieg</strong>ssoldaten schlechthin. Im totalen Krieg habe sich ein neuer Menschenschlag<br />

herausgebildet: Wohl sei der Enthusiasmus vom August 1914 verschwunden, doch<br />

stattdessen habe sich ein völlig neuer Typus herausgebildet, der sich selbst dem totalen Krieg<br />

gewachsen zeigte: Der harte, unerbittliche Kämpfer unterm Stahlhelm, der trotz aller<br />

Belastungen mit unerschütterlicher Beharrlichkeit und kalter Effizienz seine Arbeit der<br />

Vernichtung leistet. Mit diesem heroischen Bild soldatischer Männlichkeit leistete Ernst<br />

Jünger einen zentralen Beitrag zur Schaffung einer Figur, die nicht nur in unendlichen<br />

Variationen in den gesamten militaristischen Schriften der Weimarer Republik und der NS-<br />

Zeit auftaucht, sondern auch in Ich-Dokumenten des Zweiten <strong>Weltkrieg</strong>s (vgl. Rohkrämer<br />

2013, 250f.). Noch in der Kriegsgefangenschaft distanzierten sich die deutschen Soldaten<br />

20

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!