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Erster Weltkrieg Kulturwissenschaftliches Handbuch - J. B. Metzler ...

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Nach einer solch spektakulären Zeit, in der man sich so intensiv mit dem propagandistisch<br />

geschilderten Bild des Kriegsverlaufs identifiziert hatte, brach für Haffner mit der Niederlage<br />

„eine ganze Phantasiewelt“ zusammen. „Wo aber war ein Halt, wo Sicherheit, Glauben und<br />

Vertrauen, wenn das Weltgeschehen so hinterhältig war? [...] Ich blickte in Abgründe. Ich<br />

empfand ein Grauen vor dem Leben“ (Haffner 2000, 31f.).<br />

Am militaristischen Ende des politischen Spektrums beschrieb der damalige<br />

Kadettenschüler Ernst von Salomon, der sich kurz darauf einem Freikorps anschloss, wie er<br />

versuchte, nach der Niederlage seine Fassung wiederzugewinnen:<br />

Ich hatte auf dem Tisch die Dinge aufgebaut, die mir den Halt geben sollten. Das Bild meines Vaters, in<br />

Uniform, bei Kriegsausbruch aufgenommen, die Bilder von Freunden und Verwandten, die im Kriege gefallen<br />

waren, die Feldbinde, den krummen Husarensäbel, die Achselstücke, den französischen Stahlhelm, die<br />

durchschossene Brieftasche meines Bruders – das Blut war schon ganz dunkel und fleckig geworden – die<br />

Epauletten meines Großvaters [...], ein Bündel Briefe aus dem Felde auf stockigem Papier [...] Ich war der<br />

gefährlichen Stille ausgeliefert und wusste nur, dass ich zu bestehen hatte, um jeden Preis zu bestehen [...]. Denn<br />

was sich nun aus der Wirre anbot, konnte nicht anders bezwungen werden als durch die Unbeirrbarkeit einer<br />

Haltung, um die ich von nun an zu ringen hatte (Salomon 1930, 8f.).<br />

Aus einer solchen Perspektive konnte eine pragmatische Politik des Möglichen, die<br />

Niederlage und Versailler Vertrag als Realität anerkannte und mit vorsichtigen Schritten auf<br />

eine Besserung der Lage hinarbeitete, ebenso wenig überzeugen wie eine pazifistische<br />

Vergangenheitspolitik, um aus einer kritischen Auseinandersetzung mit dem <strong>Weltkrieg</strong><br />

Lehren für eine friedlichere Zukunft zu ziehen. Vielmehr dominierte unter der<br />

Kriegsjugendgeneration der Wille zur Fortsetzung einer Politik als spektakuläres Drama.<br />

Die Durchsetzung einer militaristischen Sinnstiftung gegen Ende der Weimarer<br />

Republik<br />

Schon 1918 war es schwierig gewesen, den Bruch mit der militaristischen Tradition zu<br />

vollziehen. Wohl war die Majorität der Deutschen und besonders der Veteranen kriegsmüde,<br />

aber dies hing mehr mit dem negativen Verlauf des Krieges als mit seiner grundsätzlichen<br />

Ablehnung zusammen. Zudem musste es eine Erinnerung, die die Opfer des Krieges für<br />

sinnlos erklärte, immer schwer haben gegenüber der nationalistischen und militaristischen<br />

Ehrung der Gefallenen als heldenhafte Kämpfer für das Vaterland. Aber vielleicht hatte Kurt<br />

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