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Erster Weltkrieg Kulturwissenschaftliches Handbuch - J. B. Metzler ...

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auch der <strong>Weltkrieg</strong> durch und durch von der gleichen Moderne geprägt war.<br />

Dementsprechend versuchte Jünger in den politischen und geschichtsphilosophischen<br />

Betrachtungen des Krieges auch weniger, gegen eine scheinbare Sinnlosigkeit des Krieges<br />

anzuschreiben. Vielmehr ging es ihm vor allem darum, den Glauben vom August 1914 in<br />

realitätsgehärteter Form wiederzugewinnen, d.h. den Glauben an den nationalen Kampf als<br />

entscheidenden Schritt zu einer anderen und besseren Moderne (vgl. Rohkrämer 1999).<br />

Wenn die Problemwahrnehmung keine scharfe Zäsur mit der Vorkriegszeit bedeutet,<br />

kann dies dann von Jüngers Geschichtsdeutung und Zukunftsvision gesagt werden? Hier sind<br />

tatsächlich Elemente zu finden, die erst nach dem <strong>Weltkrieg</strong> eine so starke Ausprägung<br />

erfahren haben. Auch wenn wilhelminische Kulturkritiker die moderne Technik nicht völlig<br />

negierten, so ist doch Jüngers Verherrlichung der modernen Arbeitswelt ein neues Element.<br />

Der <strong>Weltkrieg</strong> hatte für ihn zum einen bewiesen, dass man der modernen Technik nicht<br />

entfliehen kann; wenn man nicht in Spannung mit ihr leben wollte, was Zerrissenheit und<br />

Entfremdung bedeutete, dann blieb nur die Hoffnung, sie in einer neuen Form der<br />

technischen Existenz „organisch“ einzubinden (Jünger 1932, 226). Zum anderen führte der<br />

<strong>Weltkrieg</strong> nicht nur bei Ernst Jünger zu einem historisch neuen apokalyptischen Denken.<br />

Man versuchte nicht länger, die moderne Welt durch vorsichtige Veränderungen in die<br />

richtige Richtung zu lenken, sondern setzte auf eine katastrophische Entwicklung: Erst müsse<br />

es zum absoluten Zusammenbruch – dem „magischen“ oder „nihilistischen Nullpunkt“ –<br />

kommen (Jünger 1929, 156); erst so werde der Raum für die Entstehung einer besseren Welt<br />

geschaffen. Selbst in seiner Friedensschrift gegen Ende des Zweiten <strong>Weltkrieg</strong>s hielt Ernst<br />

Jünger über alle Verbrechen und alles menschliche Elend hinweg an der Vorstellung fest,<br />

dass es falsch sei, sich der Zerstörung entgegenzustellen, da nur sie in langfristiger<br />

Perspektive eine heilsame Wirkung entfalte und den Weg zu einer besseren Zukunft eröffne.<br />

In Jüngers Denken zeigt sich eine gefährliche Radikalisierung der rechten Kulturkritik als<br />

Folge des Ersten <strong>Weltkrieg</strong>s, da vor allem das apokalyptische Denken zu einer<br />

menschenverachtenden Desperadopolitik ermunterte. Doch zugleich zeigt sich eine<br />

überraschende Konstanz von Idealen und Zielvorstellungen: das heroische Ideal als Idealbild<br />

der männlichen Persönlichkeit; die Verherrlichung des Krieges als monumentales Drama und<br />

Bewährungsprobe; die Sehnsucht nach einem Glauben, der alle Deutschen vereinen würde;<br />

der Wunsch nach einer organischen Gemeinschaft auf der Grundlage eines autoritären<br />

Staates; und schließlich die imperialistische und sozialdarwinistische Vision einer<br />

unbegrenzten Machtsteigerung.<br />

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