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Erster Weltkrieg Kulturwissenschaftliches Handbuch - J. B. Metzler ...

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Nationalsozialisten als eine verlorene Schlacht, nach der es nur noch notwendiger geworden<br />

sei, mit einer Politik der Stärke für Deutschlands Weltmachtstellung zu kämpfen.<br />

Die Verbindung von Nationalsozialismus und <strong>Weltkrieg</strong> bestimmte auch das Denken der<br />

einfachen Mitglieder, wie die Abel Collection zeigt, eine Sammlung von 481<br />

autobiografischen Darstellungen, in der die Autoren kurz nach Hitlers Machtantritt<br />

beschrieben, wie sie zur nationalsozialistischen Bewegung gefunden hatten. In dieser<br />

umfangreichen, allerdings nicht nach repräsentativen Kriterien ausgesuchten Sammlung<br />

betonten 18,8 Prozent Kriegserfahrung und das Fronterlebnis als entscheidende historische<br />

Erfahrungen in ihrer politischen Prägung, 23,8 Prozent die Niederlage und die revolutionären<br />

Konflikte. Nicht die Schrecken des Krieges bestimmten in den Lebensgeschichten den<br />

Rückblick auf den <strong>Weltkrieg</strong>, sondern wie auf der gesamten politischen Rechten ein<br />

nostalgisch verklärtes Kriegsbild. Fast die Hälfte der Kriegsbeschreibungen sprachen mit<br />

Enthusiasmus über die Zeit an der Front und äußerten Stolz auf ihren Einsatz, während nur<br />

etwa drei Prozent vor allem ihre persönliche Desillusionierung und weitere fünf Prozent das<br />

allgemeine menschliche Leiden betonten (Merkl 1980, 222ff.). Diese rückblickende<br />

Glorifizierung des Kriegsdienstes verband sich in diesen Darstellungen eng mit dem<br />

nationalsozialistischen Ideal einer militarisierten Frontgemeinschaft: „Die Geburtsstunde des<br />

Nationalsozialismus liegt im Fronterlebnis“, so meinte etwa ein Lebensbericht aus der Abel<br />

Collection. „Und nur aus dem Verstehen dieses Fronterlebens ist der Nationalsozialismus zu<br />

verstehen“ (Abel Collection, Nr. 199).<br />

Die Berichte schrieben der Fronterfahrung vor allem zu, gegen die soziale und<br />

ideologische Zerrissenheit des Kaiserreichs ein Gefühl nationaler Solidarität gefördert zu<br />

haben. So meinte etwa ein katholischer Veteran:<br />

Mein Erleben liess zunächst eine alte Welt zerbrechen. Die Welt des Schützengrabens erschloss sich mir. Einst<br />

zog ich einsam meinen Weg, hier fand ich Brüder. Deutschlands Söhne standen in heissen Gefechten Schulter<br />

an Schulter, das Gewehr im Anschlag: gemeinsamer Kampf. In den Unterständen lag ich mit ihnen gemeinsam,<br />

wir tauschten unser Leben aus, wir teilten unsere Habe, wir lehrten uns verstehen. [...] In den Schlachten<br />

verbanden wir unsere Wunden. Wer fragte hier, ob wahres Volkstum lebte, nach dem Gebildeten, wer nach dem<br />

Katholizismus oder Protestantismus? Hier war der Glaube Gemeingut, der Glaube an den einigen Gott und<br />

unser Vaterland (Abel Collection, Nr. 8).<br />

Während die Berichte so die Fronterfahrung als Vorschein wahrer Volksgemeinschaft<br />

verherrlichten, galt die Revolution als Ausdruck des heimtückischen Undanks. Die<br />

Beteiligung von Veteranen an dem Aufstand gegen die alten Kräfte wurde in diesen<br />

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