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in progress. Werke aus der mumok Sammlung Wandtext/exhibition text

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Kubismus<br />

Im Paris des beg<strong>in</strong>nenden 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts gehörte <strong>der</strong> Kubismus zu den<br />

wegweisenden Errungenschaften <strong>der</strong> künstlerischen Avantgarde. Mit dem Interesse<br />

an außereuropäischer Kunst, neuesten Theorien <strong>der</strong> Mathematik und <strong>der</strong><br />

Wissenschaft versuchten Künstler zu e<strong>in</strong>er Form zu f<strong>in</strong>den, welche die<br />

Wahrnehmung unterschiedlichster simultaner Reize <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Lebenswelt auf<br />

<strong>der</strong> zweidimensionalen Le<strong>in</strong>wand zur Darstellung br<strong>in</strong>gen könnte. Die Bezugnahme<br />

auf nichteuropäische Kunst bedeutete Wi<strong>der</strong>stand gegen bestehende kulturelle<br />

Werte und war mit <strong>der</strong> Entdeckung <strong>aus</strong>drucksstarker Bildsprachen <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Kulturen verbunden.<br />

André Dera<strong>in</strong> schuf 1907 mit se<strong>in</strong>er Figur des Kauernden e<strong>in</strong> frühes Hauptwerk<br />

reduzierter geometrischer Formensprache. Dem Materialblock e<strong>in</strong>geschrieben, wird<br />

die Figur des Menschen zu e<strong>in</strong>er archetypischen Urform. Die Skulptur er<strong>in</strong>nert <strong>in</strong><br />

ihrer archaischen Geschlossenheit an <strong>Werke</strong> früher Kunst <strong>aus</strong> Mittel- und<br />

Südamerika.<br />

In Pablo Picassos Fernande (1907) kündigt sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> asymmetrischen Behandlung<br />

<strong>der</strong> beiden Gesichtshälften – naturgetreue Wie<strong>der</strong>gabe rechts, freie<br />

Oberflächenbehandlung l<strong>in</strong>ks – e<strong>in</strong> Gestaltungspr<strong>in</strong>zip an, das ihn nur wenige<br />

Monate später zum Begrün<strong>der</strong> und Hauptvertreter des analytischen Kubismus<br />

machen wird.<br />

Diese neuartige Formensprache wurde von zahlreichen Künstlern aufgegriffen und<br />

theoretisch reflektiert. Albert Gleizes verfasste 1912 geme<strong>in</strong>sam mit Jean Metz<strong>in</strong>ger<br />

das Manifest Du “Cubisme”. Gleizes’ Brücken von Paris (Passy) <strong>aus</strong> demselben Jahr<br />

s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> exemplarisches Beispiel für die Fragmentierung des Raums <strong>in</strong> <strong>der</strong> für den<br />

frühen Kubismus typischen vere<strong>in</strong>heitlichenden gedämpften Farbgebung.<br />

Angeregt durch die Malerei, entwickelt <strong>der</strong> Bildhauer Henri Laurens die kubistische<br />

Formzerlegung <strong>der</strong> Skulptur. In se<strong>in</strong>er Arbeit Flasche und Glas (1918) lässt er <strong>aus</strong><br />

Holz- und Blechteilen e<strong>in</strong> fragiles plastisches Gebilde entstehen. Der Umriss e<strong>in</strong>er<br />

Flasche wird durch Hohlräume und Negativformen evoziert, e<strong>in</strong> Glas formt sich <strong>aus</strong><br />

zwei bemalten Holzteilen, die e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> durchdr<strong>in</strong>gen. Das Stillleben entfaltet e<strong>in</strong><br />

Wechselspiel von Schrägen und Geraden, von rhythmisch e<strong>in</strong>gesetzten<br />

geschlossenen und durchbrochenen Formen, von Volum<strong>in</strong>a und Hohlräumen. E<strong>in</strong><br />

Vergleich mit <strong>der</strong> späteren Skulptur Die Mutter (1935) zeigt, wie <strong>der</strong> Künstler im<br />

Laufe <strong>der</strong> 1930er-Jahre se<strong>in</strong>e kubistische Formensprache wie Picasso zugunsten<br />

e<strong>in</strong>er organisch-biomorphen Gestaltung än<strong>der</strong>te.<br />

Juan Gris war e<strong>in</strong> wichtiger Protagonist des synthetischen Kubismus, <strong>der</strong> die<br />

formauflösende, analytische Phase ablöste. La Carafe (1919) veranschaulicht die<br />

Klärung und Verfestigung des kompositorischen Aufb<strong>aus</strong>, die E<strong>in</strong>führung von klaren<br />

Flächenelementen und neuer Farbigkeit. Die e<strong>in</strong>zelnen Elemente des Stilllebens s<strong>in</strong>d<br />

gleichsam <strong>in</strong> die Höhe gestaffelt, als wäre <strong>der</strong> Tisch <strong>in</strong> die Bildfläche geklappt. Die<br />

Schichtung <strong>der</strong> Farbflächen er<strong>in</strong>nert an e<strong>in</strong>e Collage mit vorgetäuschten realen<br />

Fragmenten – wie etwa auch die Buchstaben „L L“, die zu „LE JOURNAL“ ergänzt<br />

werden können.<br />

22 <strong>in</strong> <strong>progress</strong>. <strong>Wand<strong>text</strong></strong> / <strong>exhibition</strong> <strong>text</strong>, 7. Juni 2013

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