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Beweis des Widerspruchs<br />
Harmonie war eine europäische Erfindung.<br />
Sie hat nichts mit dem Animismus archaischer<br />
Völker zu tun. Im harmonischen Denken werden<br />
alle Widersprüche und Gegenkräfte, wie Zartheit<br />
und Grobheit, Liebe und Tod, Stolz und die<br />
Bereitschaft sich zu unterwerfen, als Leiden erfahren,<br />
nicht mehr als Motor, als Spannung. So<br />
ist Harmonie letztendlich ein Verzicht auf die<br />
Dynamik des Gegensatzes. Sie ist Blindheit, weil<br />
sie Schwarz und Weiß nicht mehr aufeinanderprallen<br />
sieht.<br />
Ehrfurcht und Achtung vor dem Widerspruch<br />
charakterisieren das Bewusstsein aller alten<br />
Völker und Kulturen. Wir sind der eigene<br />
Beweis des Widerspruchs, ein Januskopf: bitter-süß,<br />
groß und klein, schmutzig und rein,<br />
harmlos und furchterregend, voller Schmerzen<br />
und Freude, tot und lebendig. Und wer die Gegensätze<br />
nicht bejaht, wird am Widerspruch<br />
zugrunde gehen.<br />
Aber ist die Harmonie, sei sie auch nur Illusion<br />
und Lüge, nicht vonnöten, damit der Mensch<br />
nicht auseinander platzt? Treiben uns dazu<br />
nicht tief in uns verwurzelte Bedürfnisse, eine<br />
Sehnsucht, ein eingepflanztes Programm?<br />
Bauten wir nicht die Tempel und Opfertische<br />
deshalb in harmonischen Proportionen und<br />
Symmetrien an den schönsten Plätzen, um uns<br />
mit den vermenschlichten Naturkräften, den<br />
Wesen, den Göttern zu vereinen – um mit ihnen<br />
in Zwiesprache und Einklang zu kommen?<br />
Es gibt sie und sie begegnet uns nicht so sehr im<br />
Verhalten, als vielmehr in den zahlenmäßigen<br />
und geometrischen „Harmonien“, wie sie die<br />
großen Naturbeobachter Kepler, Fibonacci, Kaiser,<br />
Haase und schon die alten Sumerer, Ägypter<br />
und Griechen, sowohl in der Mikro- wie in der<br />
Makro-Welt erkennen konnten.