Jahresbericht 2012 (pdf) - neunerHAUS

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Team neunerhausarzt Konzept/Betreuungsangebot Das Team neunerhausarzt versteht sich als ambulantes, extramurales Angebot im Sinne einer sozialmedizinischen Betreuung in der Wiener Wohnungslosenhilfe. Mit dem Angebot soll die medizinische Versorgungslücke für wohnungslose, mehrfach marginalisierte Menschen geschlossen werden, die das reguläre Gesundheitssystem aufgrund seiner Hochschwelligkeit oder vorangegangener schlechter Erfahrungen nicht in Anspruch nehmen bzw. nehmen können. Wir bieten aufsuchende, regelmäßige, kontinuierliche medizinische Versorgung in Wohneinrichtungen der Wiener Wohnungslosenhilfe, wodurch auch nachgehende Betreuung möglich ist. Gemeinsam mit dem Faktor Zeit und der geleisteten Beziehungsarbeit wird nachhaltige Therapie geboten – mit dem langfristigen Ziel, die Nutzung des Regelsystems medizinischer Versorgung strukturell und individuell zu ermöglichen. Das Berichtsjahr im Überblick ÜBERARBEITUNG DES KONZEPTS Im Jänner 2012 wurde in einer Klausur das Konzept des Teams neunerhausarzt überarbeitet. Wesentliche Diskussionspunkte waren die multiprofessionelle Zusammenarbeit in den Einrichtungen der Wiener Wohnungslosenhilfe sowie Behandlungsmöglichkeiten und Erfolgsprognosen bei multimorbiden PatientInnen. ELEKTRONISCHE ABRECHNUNG Die Quartalsabrechnung mit der Wiener Gebietskrankenkasse wurde im April auf eine digitale Datenübertragung mittels ELDA (Elektronisches Datensammelsystem) umgestellt und seither erfolgreich damit abgewickelt. SOMMERFEST Mitte Juni 2012 hat das jährliche Sommerfest der medizinischen Versorgung stattgefunden, bei dem sich AllgemeinmedizinerInnen und ZahnärztInnen vernetzen konnten. ERWEITERUNG DES ANGEBOTS Am Gumpendorfer Gürtel hat 2012 mit dem Franziska-Fast-Haus ein neues Sozial betreutes Wohnhaus eröffnet. Es gibt 85 Wohnplätze; 20 davon sind für drogenkranke, wohnungslose Menschen vorgesehen. Die medizinische Betreuung durch das neunerhaus startete Mitte September. Bis zum Ende der Besiedelungsphase wurde das Haus ein Mal pro Woche mit drei Stunden, ab November zwei Mal wöchentlich mit sechs Stunden betreut. NEUERUNGEN IN DER EDV Nach langen und intensiven Vorbereitungsarbeiten ist Anfang September mit der Umstellung der Arztsoftware Innomed auf den Server ein Meilenstein gelungen. Die ÄrztInnen haben seither gemeinsamen Zugriff auf eine Datenbank, was die Datensicherheit und Vertretungen erleichtert. GRIPPEIMPFUNG Wie in den vergangenen Jahren wollten wir auch 2012 durch gespendete Grippeimpfstoffe unseren PatientInnen eine kostenfreie und niederschwellige Möglichkeit zur Grippeimpfung geben. Erfreulicherweise ist es gelungen, die Impfaktion von der Wiener Gebietskrankenkasse, dem Gesundheitsministerium, dem Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz sowie dem neunerhaus-Jahresbericht 2012 26/45
Österreichischen Verband der Impfstoffhersteller zu nutzen und so Impfstoffe für unsere PatientInnen zu beziehen. Die PatientInnen wurden vom Team neunerhausarzt in den Einrichtungen vor Ort geimpft. Das ermöglichte allen wohnungslosen Menschen in den von uns betreuten Einrichtungen einen niederschwelligen, kostenfreien Zugang zur Grippeimpfung. Das Berichtsjahr in Zahlen Das Team neunerhausarzt hat im vergangenen Jahr über 1.000 PatientInnen in zirka 13.250 Konsultationen betreut. Der Großteil der PatientInnen waren Männer (78 %), das Durchschnittsalter (Median) lag bei 53 Jahren. Es hat sich gezeigt, dass PatientInnen in Dauerwohnhäusern wesentlich kränker sind als in Übergangswohnhäusern, was die mehr als drei Mal so häufigen Konsultationen bestätigen (17,5 Konsultationen pro PatientIn im Sozial betreuten Wohnen; 5,6 Konsultationen im Übergangswohnen). Die meisten PatientInnen sind multimorbid, im Durchschnitt leiden sie an mehr als sechs Diagnosen gleichzeitig. Ordinationstag Autorin: Dr. Bettina Kollwinger, Allgemeinmedizinerin Hürden im Zugang zur Versorgung abbauen – das ist nicht nur ein Auftrag für das Team neunerhausarzt. Dass sich Theorie und Praxis mitunter schwer unter einen Hut bringen lassen, ist wirklich nichts Neues. Von diesem Phänomen besonders betroffen ist die Barrierefreiheit. Gesetzlich und vom gesellschaftlichen Konsens her ist alles klar. In der Praxis erweisen sich allerdings psychiatrische Erkrankungen leider häufig als äußerst hinderlich beim Zugang zur medizinischen Versorgung. Die Schizophrenie beispielsweise ist vielerorts, auch in der Ärzteschaft, ein rotes Tuch und PatientInnen mit dieser Erkrankung bringen viele Herausforderungen mit sich. Tatsächlich ist die Schizophrenie eine schwere, oft invalidisierende Erkrankung. Sie beginnt meist in der Jugend oder im jungen Erwachsenenalter und betrifft etwa ein Prozent der Bevölkerung. Die medikamentöse Behandlung ist reich an gravierenden Nebenwirkungen. Die Betroffenen benötigen auch in alltäglichen Aktivitäten Unterstützung und können nur selten einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Eine häufige und gefürchtete Nebenwirkung der Medikamente, die zur Behandlung eingesetzt werden, ist Diabetes mellitus, die Zuckerkrankheit. Bei Gesunden entsteht Diabetes in den meisten Fällen als sogenannte Lifestyle-Erkrankung. Die Sozialversicherung investiert viel Geld in Prävention und gute Behandlung von Diabetes, denn die Erkrankung verursacht immense volkswirtschaftliche Kosten. Eine der vielen Maßnahmen ist das stationäre Heilverfahren (im Volksmund: „Kur“). Dabei werden die DiabetikerInnen umfangreich im Umgang mit der Krankheit geschult, um eine erfolgreiche medizinische Behandlung überhaupt erst möglich zu machen. So kommt es, dass Schizophrenie-PatientInnen, die aufgrund ihrer medikamentösen Behandlung an Diabetes erkrankt sind, um eine Kur ansuchen. Während dieser Antrag bei nicht-psychiatrischen PatientInnen mit neu aufgetretenem Diabetes üblicherweise eine reine Formsache ist, ist die Erfahrung bei PatientInnen mit psychiatrischer Erkrankung eine andere: Hier informiert die Sozialversicherung die PatientInnen darüber, dass die Kur eine freiwillige Leistung ihrerseits sei und kein Rechtsanspruch bestehe. Erst wenn ein psychiatrisches Attest über die „Kurfähigkeit“ vorgelegt wird, könne der Antrag weiter bearbeitet werden. Formal-rechtlich erscheint an dieser Vorgehensweise nichts zu beanstanden sein. Und trotzdem entsteht der Eindruck, dass manchmal – fachlich schwer nachvollziehbar – Barrieren aufgebaut statt abgebaut werden. Hürden im Zugang zur Versorgung nachhaltig abbauen – das gelingt dem Team neunerhausarzt nur gemeinsam mit anderen AkteurInnen der Gesundheitsversorgung. neunerhaus-Jahresbericht 2012 27/45
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