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2 politik<br />

Schlesische Nachrichten 17/2012<br />

Lob an Polen blendet<br />

Verfehlungen aus.<br />

Man kann verstehen, wenn ein Staatsoberhaupt<br />

im Ausland mit Freundlichkeiten<br />

gegenüber den Gastgebern auftritt.<br />

Aber musste die Herabsetzung des<br />

eigenen Volkes sein? Polen geradezu<br />

als Übernation darzustellen, seine<br />

Verfehlungen einfach auszublenden,<br />

war sicher nicht ein Zeugnis für Wahrheitsliebe.<br />

Mussten andere Nationen<br />

nicht unter polnischer Gewalt leiden?<br />

Nach dem 1. Weltkrieg verfuhr das Land<br />

nach dem Motto: Wo Polen wohnen,<br />

ist auch Polen. Dabei waren Gebiete<br />

gemeint, in denen nur polnische Minderheiten<br />

lebten. Ausfluss dieses nationalistischen<br />

Denkens waren dann<br />

vier Überfälle auf Nachbarstaaten. Im<br />

Osten wurden 1920 Teile der Ukraine<br />

und Weißrusslands erobert und der<br />

Sowjetunion entrissen. Knapp 20 %<br />

der Einwohner waren allerdings nur Polen.<br />

Ebenso verleibte sich Polen einen<br />

Teil Litauens mit der Hauptstadt Wilna<br />

ein. Im Mai 1921 überfiel die Polnische<br />

Armee im Verbund mit den von ihr ausgerüsteten<br />

Insurgenten Oberschlesien,<br />

um einen Großteil dieser deutschen<br />

Provinz zu annektieren. Schließlich<br />

marschierten 1938 polnische Truppen<br />

in das zur Tschechoslowakei gehörende<br />

Olsa-Gebiet ein, vertrieben dort lebende<br />

Deutsche und Tschechen und<br />

annektierten den Landstrich.<br />

Polnischer Nationalismus brachte<br />

viel Unglück.<br />

Damit war der polnische Nationalismus<br />

aber noch nicht befriedigt. Er richtete<br />

sich jetzt gegen die im Land lebenden<br />

Minderheiten. Etwa eine Million Deutsche<br />

musste aufgrund des ausgeübten<br />

Drucks oder Terrors bis 1939 das Land<br />

verlassen, viele wurden ausgewiesen.<br />

Auch die Familien der drei aus Ostoberschlesien<br />

stammenden späteren Nobelpreisträger<br />

(Otto Stern, Kurt Alder,<br />

Maria Goeppert-Mayer) waren unter<br />

ihnen. Viele Juden aus Polen suchten<br />

wegen des Drucks Zuflucht in Deutschland.<br />

Von den Unterdrückungsmaßnahmen<br />

betroffen waren vor allem auch<br />

die Ukrainer. So entwickelte sich ein<br />

Hass, der am Ende des 2. Weltkriegs zu<br />

blutigen Auseinandersetzungen führte,<br />

der viele Zehntausenden das Leben<br />

kostete. 1945 und noch Jahre danach<br />

entlud sich dieser Nationalismus in besonderer<br />

Weise gegen die Deutschen.<br />

Das gern verwandte Argument, Polen<br />

habe nur die Potsdamer Beschlüsse<br />

vom 2. August 1945 ausführen müssen,<br />

ist schon deshalb falsch, weil die polnische<br />

Exilregierung in London während<br />

des Krieges vehement eine Annexion<br />

Ostdeutschlands und die Vertreibung<br />

der Deutschen gefordert hatte und<br />

Warschau zudem aus eigenem Antrieb<br />

schon seit Ende Mai 1945 mit der<br />

Vertreibung begann. Dies aber nicht<br />

allein: Polnischer Nationalismus prägte<br />

auch die Behandlung der Deutschen<br />

vor Ort. Hunderttausende mussten in<br />

Zwangsarbeiterlagern Zwangsarbeit<br />

leisten, viele unschuldige Frauen und<br />

Kinder verloren dabei ihr Leben. Es gibt<br />

also eindeutige Nachweise dafür, dass<br />

polnischer Nationalismus für andere<br />

Völker viel Unglück brachte. Wenn der<br />

Europarat Polen wegen gravierender<br />

Mängel bei der Umsetzung des Minderheitenrechts<br />

für Deutsche vor einigen<br />

Monaten rügte, ist dies sicher kein Ausdruck<br />

toleranten Verhaltens gegenüber<br />

anderen Volksgruppen, sondern auch<br />

heute noch Ausfluss nationalistischen<br />

Denkens. Dieses alles auszublenden,<br />

hilft nicht den Menschen und ist auch<br />

keine Grundlage für eine gedeihliche<br />

Zukunft. Wenn man den Polen Anerkennung<br />

zollen will, dann in der Tat für<br />

ihren Kampf um die Freiheit. Dem Land<br />

zu attestieren, es könne mit Patriotismus<br />

besser umgehen als andere, geht<br />

an den Tatsachen vorbei.<br />

Deutscher Schuldstolz blendet<br />

Wahrheit aus.<br />

In der veröffentlichen Meinung gibt es<br />

üblicherweise keinen Widerspruch,<br />

wenn negativ über das eigene Volk<br />

berichtet wird. Man hat den Eindruck,<br />

es dominiert ein Schuldstolz, der<br />

darauf angelegt ist, möglichst viel<br />

Schuld zu bekennen und vor der Welt<br />

auszubreiten. Hinweise auf Verbrechen<br />

anderer Nationen werden dagegen<br />

als störend empfunden, sie<br />

werden schnell als Geschichtsrevisionismus<br />

und Verharmlosung von<br />

NS-Verbrechen gegeißelt. Dagegen<br />

ist Aufrechnung ein Mittel, um die<br />

Vertreibung in einem milden Licht erscheinen<br />

zu lassen. Man spricht dann<br />

fälschlicherweise von einer Kriegsfolge<br />

oder als Antwort auf die NS-<br />

Verbrechen. Geschichtsklitterungen<br />

beziehen sich auch auf die deutsche<br />

Politik in der Weimarer Republik. So<br />

drückte der Direktor der „Stiftung<br />

Flucht, Vertreibung, Versöhnung“<br />

in seinem Eckpunktepapier für die<br />

Dauerausstellung den Deutschen<br />

auch für diese Zeit den Stempel des<br />

Revisionismus auf, ein Attribut, das<br />

für Polen trotz seiner Gewaltpolitik<br />

nicht verwendet wurde.<br />

In einem Klima der Einschüchterung<br />

wird die Wahrheit immer mehr zum<br />

Verlierer. Wer wagt es noch, gegen falsche<br />

Fakten, gegen falsche Wertungen<br />

und ein verqueres Geschichtsbild zu<br />

opponieren? Gauck brauchte deshalb<br />

auch nicht zu befürchten, für seine<br />

Anmerkungen angegriffen zu werden.<br />

Aber darf ein Präsident so weit gehen,<br />

abwertende Aussagen gegenüber den<br />

Deutschen zu machen?<br />

Nationalismus prägte auch die<br />

Politik anderer Länder.<br />

In einer Rundfunkmeldung hieß es,<br />

dass mit dem Unglück, das zweimal<br />

durch deutschen Nationalismus verursacht<br />

wurde, die zwei Weltkriege<br />

gemeint seien. Der Nationalismus<br />

anderer Staaten, der immer wieder<br />

zu Kriegen führte (Großbritannien<br />

führte weit mehr Kriege als Preußen),<br />

kommt nicht vor. Waren es nicht Großbritannien<br />

und Frankreich, die unter<br />

Missachtung von Menschenrechten<br />

sich über andere Völker hinwegsetzten<br />

und große Kolonialreiche schufen,<br />

Nationalismus pur verkörperten? Den<br />

1. Weltkrieg auf deutschen Nationalismus<br />

zurückzuführen, ist nachweislich<br />

falsch. Nationale Interessen anderer<br />

Mächte spielten eine bedeutende<br />

Rolle. Es ist richtig, dass durch die<br />

verbrecherische Gewaltpolitik des<br />

NS-Regimes mit dem Angriff auf Polen<br />

ein Geschehen in Gang gesetzt wurde,<br />

das sich durch die Kriegserklärungen<br />

Frankreichs und Großbritanniens<br />

an Deutschland zum Weltenbrand<br />

entwickelte. Es soll an der deutschen<br />

Schuld, vor allem an der menschenverachtenden<br />

NS-Ideologie, nichts<br />

abgestrichen werden. Aber traten die<br />

beiden Westmächte nur in den Krieg<br />

ein, um Polen zu retten, oder gab<br />

es nicht auch eigene Interessen? In<br />

Polen hört man immer wieder den<br />

Vorwurf, dass die beiden Länder<br />

neun Monate lang nichts zur Einlösung<br />

ihrer Bündnisverpflichtungen<br />

getan hätten.<br />

Wenn junge Menschen nach einer<br />

Identifikation mit Deutschland suchen,<br />

so werden sie durch Aussagen<br />

– wie die von Gauck – immer wieder<br />

enttäuscht. Viele verweigern sich der<br />

Politik, manche wenden sich dem<br />

Radikalismus zu. Oberflächlichen<br />

Patriotismus findet man bei internationalen<br />

Fußballmeisterschaften,<br />

der allerdings mit gesunder Liebe<br />

zum eigenen Land nichts zu tun hat.<br />

Politiker sollten dem Volk vor allem<br />

nicht einreden, dass ein deutscher

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