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Qigong bewegt in Marzahn nicht nur ältere Menschen Von Rita Schmid | Paritätischer Berlin Es ist wieder Montag, Qigong-Montag für Volker Böttcher. Vier Qigong-Kurse leitet er montags an zwei Standorten in Marzahn an: Vormittags im Seniorenheim Polimar mit einer Gruppe von Heimbewohnern, darunter Demenz- und Parkinsonpatienten. Danach geht es zum Stadtteilzentrum Mosaik. Dort bietet er drei weitere Kurse an: für Menschen, die an Multipler Sklerose (MS) erkrankt sind, für Qigong-Interessierte aus dem Kiez und für pflegende Angehörige. Volker Böttcher war bis zum Beginn der Rente vor zwei Jahren als Sachbearbeiter bei der Volkssolidarität angestellt. Inzwischen engagiert er sich dort als ehrenamtlicher Helfer und auch als Vorstandsmitglied im Sozialverband VdK. Vor rund zehn Jahren entstand sein Interesse für ganzheitliche Heilmethoden. Er begann sich mit Kräutern, Hausrezepten, traditioneller chinesischer Medizin und Massagetechniken zu beschäftigen und tauchte immer tiefer in diese für ihn neue Welt ein. Dabei lernte er auch Qigong kennen, das ihn nicht mehr losließ. Inzwischen hat er die Ausbildung zum Übungsleiter für Qigong hinter sich, leitet im Stadtteilzentrum Marzahn-Mitte Qigong-Kurse und hält gemeinsam mit Martina Polizzi, Mitarbeiterin der Volkssolidarität, ehrenamtlich Vorträge über gesunde Lebensweise. Was ist eigentlich Qigong Qigong stammt aus dem Chinesischen und bedeutet wörtlich: mit der Lebensenergie arbeiten. Schon vor mehr als 3000 Jahren wussten die alten Chinesen, dass körperliche und geistige Fitness nur zu erreichen sind, wenn im Körper eine ausreichende Menge hochwertiger Energie (chinesisch: Qi) vorhanden ist. Das Qi muss ungehindert durch den Körper fließen können. Dies ist eine wesentliche Grundlage, um würdig und gesund alt zu werden. Qigong ist eine gute Methode, um einen ungehinderten und ausreichenden Qi-Fluss im Körper zu erreichen. Volker Böttcher ist sich sicher, dass Qigong für jeden machbar ist, für jung und alt, auch für Menschen im Rollstuhl und für Hochbetagte. Das beweist er mit seinen Kursen. Ihn selbst hat Qigong in Bewegung gebracht. Er hatte sich in seinem früheren Leben, als Kind in der Schule und auch später, zu den Sportmuffeln gezählt. So spricht er aus eigener Erfahrung, wenn er in seinen Vorträgen jetzt Menschen Mut machen möchte zum Qigong. »Auch wenn der Körper bei den Übungen nicht mehr mitmacht, das sogenannte Denk-Qigong, das mentale Mitmachen, wirkt ebenso.« Körper, Geist und Seele in Einklang bringen Qigong umschreibt er als »heilende Bewegungen mit therapeutischer Wirkung«. Auf Anspannung folgt immer tiefe Entspannung. Qigong beseitigt Energiestaus im Körper, in der traditionellen chinesischen Medizin eine entscheidende Voraussetzung für Gesundheit. Qigong verbessert die Körperhaltung und Ausstrahlung. Regelmäßiges Qigong stärkt das Immunsystem und schult die Koordination. So haben Untersuchungen ergeben, dass ältere Menschen, wenn sie regelmäßig Qigong üben, wesentlich weniger fallen. Insgesamt ist für Volker Böttcher Qigong »ein sanfter Weg zu mehr Lebensqualität«. Beschwerden halten nicht vom Üben ab Für viele der Teilnehmer ist die Qigong-Stunde zu einem wichtigen Teil ihres Lebens geworden, den sie nicht missen möchten. Herr Scheddien aus der Vormittagsgruppe im Seniorenheim feiert an diesem Montag seinen 93. Geburtstag. Vital und aufrecht steht er in der Runde und freut sich über das Geburtstagsständchen, das die Gruppe für ihn angestimmt hat. Er habe bereits einen Herzinfarkt hinter sich und drei Bypass-Operationen. Mit dem Qigong sei er wieder aufgeblüht und mache alle Übungen mit wie jemand, der ein paar Jahrzehnte jünger ist. Oder Herr Weiser: Er leidet an Parkinson und sitzt im Rollstuhl. Nach einem achtwöchigen Krankenhausaufenthalt war seine erste Frage, als er ins Seniorenheim zurückkam, wann wieder Qigong sei. Er lebt in der Stunde auf und macht mit was er kann. Ähnlich geht es auch dem Ehepaar Nitz. René Nitz leidet, seit er 25 Jahre alt ist, an MS und sitzt inzwischen im Rollstuhl. Seine Frau Jeanette pflegt ihn. Für René Nitz ist klar, dass er gegen die Krankheit kämpfen möchte, unter anderem mit Qigong. Durch die Pflege ihres Mannes hatte Frau Nitz große Probleme mit den Schultern. Sie ist sich sicher, dass Qigong ihr geholfen hat, diese loszuwerden. Und welch eine Freude für die beiden, wenn es René gelingt, den Qigong-Stab zu heben. Das Kopf-Qigong erhält er von seiner Frau, die ihm wichtige Stellen im Gesicht oder auf dem Kopf ausstreicht oder drückt. Dies soll Energiestaus auflösen und den Energiefluss anregen. Für jede und jeden ist etwas dabei Der Anregungen gibt es viele in den Qigong-Stunden von Volker Böttcher. Etwa beim Finger-Qigong: »Wir legen die Hand- 28
flächen wie zum Beten aneinander auf Brusthöhe, beim Zeigefinger beginnend bis zum kleinen Finger beugen und strecken wir jeweils einen Finger.« Dazu weiß Volker, dass bei 32-maligem Beugen und Strecken die Darmtätigkeit stark angeregt werde. Zudem habe die Anregung durch die Fingerübungen enorm positive Auswirkungen auf das Funktionieren des Gehirns. Fast beiläufig flicht Volker – alle duzen sich in den Gruppen – auch Gesundheitstipps für die kältere Jahreszeit ein, eine Anleitung zum Thymianwickel sowie Zwiebelsaft als Vorbeugung und Behandlung bei Erkältung und Husten. Er rät, unbedingt Milch und Honig wegzulassen, ganz entgegen der Empfehlungen aus früheren Zeiten. Und er weist daraufhin, dass auch wenn der Körper bei den Übungen nicht mehr mitmache, das sogenannte Denk-Qigong, das mentale Mitmachen, ebenso wirke. (K)ein Wunderstab Es gibt über eintausend Arten von Qigong. Volker Böttcher favorisiert das Qigong mit dem Idogo-Stab – ein glatter, angenehm anzufassender Holzstab, dessen beide Enden kugelförmig auslaufen. Er wurde von Ping Liong Tjoa, dem Leiter mehrerer Tai Chi-Schulen in Süddeutschland, entwickelt. Insbesondere bei Schlaganfallpatienten mit einer Halbseitenlähmung schult Idogo die Koordination, die symmetrische selbsttragende Körperhaltung und damit das Gleichgewicht. Bei Patienten mit Parkinsonsyndrom verbessert sich die Körperbeherrschung und das Gleichgewicht. Herr Böttcher möchte ihn nicht missen. i Kontakt und Kooperationspartner Volkssolidarität Landesverband Berlin e. V. Bezirksgeschäftsstelle Marzahn-Hellersdorf Martina Polizzi Marzahner Promenade 39 | 12679 Berlin Tel 030–541 39 32 martina.polizzi@volkssolidaritaet.de www.volkssolidaritaet-berlin.de René Nitz erhält Kopf-Qigong von seiner Frau Jeanette, Foto: Rais Khalilov Senioren 29
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