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Foucault - Traum

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Worte auch dafür verwendet werden, welche Stimme sie spricht oder welche Tinte sie auf dem<br />

Papier festhält. Was das Symbol bedeutet, ist nicht ein individueller Zug unseres Erlebens, die<br />

Qualität einer Wiederholung, die Eigenschaft, (121/122) dass »derselbe, und erkennbar derselbe<br />

Gegenstand erscheint«, wie Husserl sagt; 23 wir unterliegen der Anwesenheit eines idealen Inhalts,<br />

der sich durch das Symbol hindurch als Einheit einer Bedeutung ankündigt.<br />

Doch wenn man den signifikativen Akt nicht auf ein einfaches intentionales Meinen<br />

reduzieren will, muss man weitergehen. Wie verkörpert sich dieses Hinausgehen über das Meinen<br />

in der Fülle der Bedeutung, wie lässt es sich begreifen? Muss man den Husserlschen Analysen<br />

buchstäblich folgen und ihm den Sinn eines hinzutretenden Aktes geben, den Sinn, den die sechste<br />

der Logischen Untersuchungen als Akt einer Erfüllung bezeichnet? Im Grunde wird damit nur<br />

dem Problem ein Name gegeben und ein Status innerhalb der Aktivität des Bewusstseins, aber eine<br />

Grundlage dafür wird nicht entdeckt.<br />

Husserl dürfte das bei der 1914 vorgenommenen Umarbeitung der sechsten Logischen<br />

Untersuchung wohl geahnt haben. 24 Durch diesen Text lässt sich erraten, was eine<br />

Phänomenologie der Bedeutung sein könnte. Ein und dasselbe Merkmal bezeichnet ein Symbol<br />

(etwa ein mathematisches Zeichen), ein Wort oder ein Bild, ob das Wort oder das Symbol nun<br />

gesprochen oder geschrieben sei, ob wir uns nun dem Faden des Diskurses überlassen oder dem<br />

<strong>Traum</strong> der Imagination, außerhalb von uns entsteht etwas Neues, etwas, das sich ein wenig von dem<br />

unterscheidet, was wir erwarten, und zwar aufgrund jenes Widerstandes, den das verbale oder<br />

symbolische imaginäre Material bietet, sowie aufgrund der Implikationen, die das konstituierte<br />

Etwas jetzt als bedeutsam bietet; indem sich die intentionale Virtualität in der Aktualität des<br />

Signifikanten erfüllt, geht sie auf neue Virtualitäten hinaus. Diese Aktualität gehört nämlich in<br />

einen raum-zeitlichen Kontext; die Worte schreiben sich in unsere umgebende Welt ein und weisen<br />

auf Gesprächspartner am Horizont der verbalen Implikationen hin. Und genau darin erfassen wir<br />

den Bedeutungsakt selbst in seiner Paradoxie: Wiederaufnahme eines objektiven Themas, das sich<br />

in der Art des Wortes als Kulturgegenstand vorlegt (122/123) oder in der Art des Bildes als eine<br />

Quasi-Wahrnehmung darbietet; der Bedeutungsakt vollzieht diese Wiederaufnahme als eine thematische<br />

Aktivität, in der das »ich spreche« oder »ich imaginiere« voll ins Licht tritt; im<br />

tatsächlichen Moment ihrer Erfüllung in der Form der Objektivität werden Wort und Bild in der<br />

ersten Person dekliniert. Zweifellos meinte Husserl dies, als er Folgendes über die Sprache schrieb:<br />

»... am Erzeugtsein nimmt auch das Bedeuten teil. Der Redende erzeugt nicht nur den Wortlaut,<br />

sondern die volle Rede ...« 25 Letzten Endes bringt eine phänomenologische Analyse unter der Vielfalt<br />

der Bedeutungsstrukturen den Ausdrucksakt selbst ans Licht.<br />

Dies erscheint uns in mehr als einer Hinsicht wesentlich: Im Gegensatz zur traditionellen<br />

Interpretation sehen wir die Theorie der Bedeutung nicht als das letzte Wort der Husserl'schen<br />

Eidetik des Bewusstseins an; sie läuft in Wirklichkeit auf eine Theorie des Ausdrucks hinaus, die<br />

unentwickelt bleibt, aber deren Notwendigkeit nicht minder über die gesamten Analysen hinweg<br />

präsent ist. Man mag sich darüber wundern, dass sich die Phänomenologie niemals in Richtung<br />

einer Theorie des Ausdrucks entwickelte, diese stets im Schatten blieb und dafür eine Theorie der<br />

Bedeutung ins volle Licht treten ließ. Doch mit Sicherheit ist eine Philosophie des Ausdrucks nur<br />

möglich in einem Hinausgehen über die Phänomenologie.<br />

23 [Logische Untersuchungen, a.a.O., Bd. II/2, S. 19. A. d. Ü.]<br />

24 Manuskript, gelistet unter M, III 2, II 8a. (Die Sigle M zeigt die Klasse der Manuskripte an: Abschriften von Manuskripten<br />

Husserls in Kurrentschrift; die III die Unterabteilung der Klasse: »Entwürfe für Publikationen«; II 8a: Zur Umarbeitung der VI.<br />

Logischen Untersuchung [A. d. H.].)<br />

25 M, III 2, II 8a, a.a.0., S. 37.

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