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Er reduziert die Bedeutungen auf ihren durchsichtigsten wörtlichen Ausdruck und liefert sie,<br />
derart purifiziert, in Form jener außergewöhnlichen leidenschaftlichen Deklination ab, die<br />
gleichsam das magische Gerüst des paranoischen Wahns ist: »Ich liebe ihn nicht – ich hasse ihn<br />
ja«; »Ich liebe nicht ihn – ich liebe ja sie – weil sie mich liebt«; »Nicht ich liebe (116/117) den<br />
Mann – sie liebt ihn ja«; Deklinationen, deren erste Form und einfachster semantischer Grad das<br />
»Ich liebe ihn« und deren letzte, durch all die Beugungen des Widerspruchs erworbene Form<br />
ganz im Gegensatz dazu wie folgt lautet: »Ich liebe überhaupt nicht und niemand [...] Ich liebe<br />
nur mich.« 16<br />
Die Analyse des Falles Schreber hat insofern im Freud'schen Werk eine derart große<br />
Bedeutung, als der Abstand zwischen einer Psychologie des Sinns, transkribiert in eine<br />
Psychologie der Sprache, und einer Psychologie des Bildes, weiter ausgebaut zu einer<br />
Psychologie des Wunderlichen, niemals wieder zurückgenommen wurde. Doch niemals auch wird<br />
man sich in der Psychoanalyse entschiedener der Unmöglichkeit vergewissern, zwischen diesen<br />
beiden Analvsebereichen wieder zu einer Übereinstimmung zu kommen oder, wenn man so will,<br />
eine Psychologie der Imago in dem Maße ernsthaft anzugehen, wie sich durch Imago eine mit der<br />
Gesamtheit ihrer signifikativen Implikationen erfasste imaginäre Struktur definieren lässt.<br />
Die Geschichte der Psychoanalyse scheint uns recht zu geben, da noch gegenwärtig der<br />
Abstand nicht verkleinert ist. Man sieht, wie sich diese beiden Strömungen immer weiter<br />
aufspalten, die einander eine Zeitlang gesucht hatten: eine Analyse in der Art von Melanie Klein,<br />
die ihren Ansatzpunkt in der Entstehung, der Entwicklung und der Kristallisation der Phantasien<br />
findet, die gewissermaßen als die Prima Materia der psychologischen Erfahrung anerkannt<br />
werden, und eine Analyse in der Art des Doktor Lacan, der in der Sprache das dialektische<br />
Element sucht, in dem sich die Gesamtheit der Bedeutungen der Existenz konstituiert und in dem<br />
sie ihr Schicksal vollziehen, es sei denn, das im Dialog sich stiftende Wort vollziehe in seiner<br />
Aufhebung 17 ihre Befreiung und ihre Verwandlung. Melanie Klein hat sicher das Bestmögliche<br />
getan, um der Entstehung des Sinns aus der bloßen Bewegung der Phantasie nachzuspüren. Und<br />
Lacan hat seinerseits alles ihm Mögliche getan, um mit der Imago den Punkt aufzuzeigen, an dem<br />
die signifikative Dialektik der Sprache erstarrt und sich durch den Gesprächspartner, den sie sich<br />
geschaffen hat, faszinieren lässt. Für erstere indes ist der Sinn nur die Beweglichkeit des<br />
(117/118) Bildes und gleichsam die Spur der von ihm gezogenen Bahn; für letzteren ist die Imago<br />
nur eingehülltes Sprechen, ein Augenblick des Schweigens. Im Forschungsbereich der<br />
Psychoanalyse hat man somit nicht zu einer Einheit zwischen einer Psychologie des Bildes, die das<br />
Feld der Anwesenheit bezeichnet, und einer Psychologie des Sinns, die das Feld der Virtualitäten<br />
der Sprache definiert, finden können.<br />
Der Psychoanalyse ist es niemals gelungen, die Bilder sprechen zu lassen.<br />
Die Logischen Untersuchungen sind seltsamerweise in derselben Zeit entstanden wie die<br />
Hermeneutik der <strong>Traum</strong>deutung. Lässt sich in der Strenge der ausführlich betriebenen Analysen in<br />
der ersten und der sechsten dieser Untersuchungen eine Theorie des Symbols und des Zeichens<br />
vorfinden, die in ihrer Notwendigkeit dem Bild die Immanenz der Bedeutung zurückerstattet?<br />
Die Psychoanalyse hatte das Wort »Symbol« in einer unmittelbaren Gültigkeit<br />
aufgenommen, die sie weder auszuarbeiten noch gar einzugrenzen versucht. Unter diesem<br />
*<br />
16 Cinq Psychanalyses, frz. Übers., 1. Aufl., Paris 1935, S. 352-354 [GW VIII, S. 299-301].<br />
17 [Im Original deutsch. A. d. Ü.]