KOMMUNIKATIVES
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Mark Siebe1 (Hg.)<br />
<strong>KOMMUNIKATIVES</strong> VERSTEHEN
Mark Sicbel<br />
Was sind illokutionäre Akte?<br />
Wenn eine Person cjiltn Sau außert, dann kann sie damit eine Vielzahl von<br />
Ha-tdlungen vollziehen. Anders gesagt; Ihre konhete huBerung lässt :ich häufig<br />
schr verscl-riedenen Handlurigstpen zuordnen. Stellen wir cns ewa vor. Eya äußere<br />
gegenüixr Kurt den Satz „Kommt dein Bruder auch auf meine Party?", und<br />
Kurt anmvrte: ,,ich &ube schon." Was hat Eva dann mit ihrer Außerurig gemacht?<br />
Die An~ort ist: ganz schör. viel, Hier sind nur ein paar Bei~picle;<br />
Sie hat einen Satz der deutschen Sprache geaui3ert.<br />
Sie hat Kurt eine Frage gestellt,<br />
Sie hat Kurt dazu gebracht, eine Antwort zu geben.<br />
Der erste Handlungstyp wird in der Sprechakttheorie ds e~n lokutioiiärer Akt bezeichnet,<br />
der mtite wird in die Kategorie der iiiokutiotaären Akte einsortiert und<br />
der dritte in die der perIoklrtioMren Akte. Puadigmarischc Fälle lokuriunärer Akypen<br />
sind das Äußern eines Satzes und die Bczliphme auf etwas. Paradebeispielt<br />
für Jlokutionäre Akte sind: Fragen, Behaupttil, Grüßen, Vorschlagen, Versprechen,<br />
Drohen, Warr,en und Taufen. Typische Beispiele perlokutionärer Akte werden<br />
durch fnlgende Verben bcnanni: ,ükrzeugenW. ,,zu einer An~ort bewegen',<br />
.irritierent',,verwirren" und ,,beeindrucken*.<br />
Ein zentrales Probleni der Sprechakttheorie betrifft genau diese Unterscheidung.<br />
Es gibt zwar eine weitgehende Übereinstimmung, wenn es um Standardbeispiclc<br />
fiir drrarrig Akte geht; wie sich das Lokutionäre, IIlokutionäre und Ptrlokutionare<br />
in einer allgemeineren, prinzipielleren Weise bestimmen lässr, ist da.<br />
gegen reichlich unklar und heitig umstritten. Welche Merksr.de sind dat'Jr ver*<br />
antwortlich, dass das Äußern eines Satzes ,nriru ein lcikutionärer Akt ist, während<br />
das Steller. einer Frage zu den illokutionären Akten gehen? Und was macht das<br />
Hervorrufen einer Annvort auf die Frag zu einer pcrlokutionYren Handlung?<br />
Kurz: Was- sind Iokutionärt, illo'mitionke und perlokutjonäre Akte eigentlich?<br />
Wenn wir auf diese Frage keine Antwort bekurnmen, hängt die Sprechakttheorie<br />
in einem gewissen Sinn in der Luft. Die Adjehve ,,lokutionär", ,illokutionärU<br />
und ,perlokirticinlf' sind fit sich ja crst einmal nur Kunsrwörter, die es mit einer<br />
Bedeutung zu füllen gIt. Wir kennen zwar tinen kleinen Teil ihrer Extension -<br />
nämlich die akzcpticrten Paradebeispiele -, haben damit aber allzu wenig an der<br />
Hand, um zu einer ailsrneinen Charakterisierung zu kommen, mit der sich aile<br />
v~clarcn Akttypen einigerrnalkn kiar zuordnen lassen. Ohne eine Einigung über<br />
den Sinn dieser Termini werden immer wieder die verschiedenen Intuitionen, dic<br />
&C Beispielt erwecken, aufeinander prallen und zu fruchtiosm Diskussionen fuhren.
Was sind llokutwnäre A ~R? 139<br />
In was €ur einen Dschungel man so hineingeraten kann, veranschaulicht die<br />
umfangciche Diskussiuri um die Trennlinie zwischen illokutionären und perl*<br />
kutionären Akten, die in Abschnitt 1 (schon sehr ausführlich, aber nicht komplett)<br />
vorgestellt wird. Ein wichtiger Bestandteil dieser D.skussion ist die Frage danach,<br />
ob der Bereich dcr Iilokutionen anhand konventionalictischer oder intentionalistischer<br />
Merkmale einzugxenzen ist. Der Autor, der im Mittelpunkt dieses Beitrages<br />
steht, hdreas Kernrnerling, hdt heides für verfehlt. Seiner Ansicht nach lieg<br />
der Kern illokutionärer Akte weder in irgendwelchen Konventionen noch in irgendwelchen<br />
Intentionen, sondern in einer Eigenschaft, die er Griceiuhkeit nennt.<br />
Was das ist. wird ir, Abschnitt 2 dcutltcki gemacht. In Abschnitt 3 wird dann g-<br />
zeigt, wie die Gricelichkeit einem bei der Abgrenzung illokutionärer von lokutionären<br />
und perlokutionären Akten behilt'lich sein sall. Nach zwer ttlchrigen Verbesserungen<br />
im Hinblick auf dieses Ziel iit Abschnitt 4 werde ich in den Abschnitten<br />
5 und 6 zwei Probleme knennen, fur die ich keine Losung sehe. Das<br />
eine betrifi die Frage, was man mit ritualisierten Handlungen wie Eheschließungen<br />
und Scharen anfangt. Das andere besteht darin, dass Kemmerlings Grice-<br />
Iichkeits-Kriterium nicht dazu geeignet ist, einschligige lokutionäre Akte (insbesondere<br />
das Sagen) von den UIokutiuncn klar abzutrcnrien.<br />
1 Bisherige Abgr enzunpversuche<br />
Was also trennt die iilokuticnären v3n den perlokutionären Handlungsarten? An<br />
dieser Stelle scheiden sich in der bisherigen Diskussion die Konvenhnalisten von<br />
den Is~~ttot;alisten. Wahrend die einen den Begrity der Konvention zur Abgrenzung<br />
einsetzen wolIen, sind die anderen der Meinung, dass wir uns hicr auf bcstimmte<br />
Sofien von ,&sichten beziehen müssen. Für einen Konventiondistcn wie<br />
Austin etwa besteht das wesentliche Merkmal illokutionärer Akte darin, das sie<br />
konventional sind, während perlokutionärc hktc unabhängig von Konventionen<br />
ausgefuhrt werden können. Wie diese Konventionalitätsthese zu verstehen ist, ist<br />
umstritten. In einer bei Austin (1962, 14) sehr zentralen Form behauptet sie jedtnfalis,<br />
dass es ein übliches konventionales Verfahren geben muss, zu dem gehbrt,<br />
dass bestimmte Wone geäußert werden.<br />
Für Austim Paradigmen von illokutionärtn Akten - wir Eheschließungen -<br />
mag das gelten. Aber was ist mit Fragen, Bitten, Versprechen und all den weiteren<br />
Hand!ungen: die dlgernein ais typische Illokutionen angesehen werden? Wie sieht<br />
das \-erfAren aus. an das man sich hdten sollte, wcrm man eiiir Fragt: stcllen wiIl?<br />
Haben wir uns im Verlaufe der Geschichte nicht eine Vielzahl von Prozeduren<br />
ausgedacht, die zu Beginn alle unüblich und noch nicht konventionalisicrt waren,<br />
weil es erst etwas ciaucrte, bis sie allgemeine -9nerkennung gefunden haben? Lassen<br />
s:e sich unter ein gemeinsames Dach bringen, so dass sie motz ihrer individuellen<br />
Verschiedenheit als Auspragungen desselben a1I~meinen Verfahrens betrachtet<br />
werden köncen? Und was für Worte sollren zu diesem Verfahren geh&<br />
ren? Es ist 2.B. nicht nötig, einen Satz in Frageform zu äußern.Ja, man muss nicht
einmal spracklichc Zeichen produzieren. Auch ein Sirnrunteln kann Fragecharakter<br />
haben.'<br />
Mit der Konr~entiomliti~sthese häng ein weiteres mägliches Kriterium zur<br />
Eingenzung iibkutionärer Akte ~usarnrnen:<br />
,,Speakin~ of the use af ,languwS for arguiq or vmning' [i e, for 1110-<br />
cutionary ncts] lmkc just like speaking of the ,use of Janguage" for persuading<br />
rousiag, darming' ii.e, for perIo;ution;iry acts); yet the former<br />
may, for rough contrast, be said to be ronr7entictra1, in tlie sense that at<br />
Icast jr could be made explicit by the pcrformative formula; biit thc latter<br />
could not. Tlius we can say ,I argue that' or ,I: uwn >.ou hat' but we cannot<br />
say ,I convincc yuii that' w ,I dami you that'." (Austin 3962, 103E)<br />
Aber in ivelchem Sinn k6nnen wir Letzteres nicht sagen; Auch wenn dicsc Sätze<br />
komlsch !ding~~-+ kann man sie äußern; und wenn m2n Glück hat, ~~llzi~ht rnar!<br />
durch diese Äußerungen genw die Handlungen, die in den Sätzen genannt werden.<br />
Nehmen urir an, ich bringe jcrnanden durch rnei~e Äußerung von ,Ich überzeuge<br />
dich hiermit davon, dass es rcgnet" dazu, dass er die Uberzeugung annimmt,<br />
ts regne. Warum $011 man nicht auch in so einem Falt sagen, dass die<br />
Handlung explizit gemacht wurde?<br />
Dennoch besteh hier ein wichtiger Unterschitd, der dann auch Konventionen<br />
ins Spiel bring: und Ausin bttt viel!eicht gegen diesen Unterschied itn<br />
Sinn. Es mag zwar gwissc Bedingu~en geben, unter dener, die Äußerung von<br />
Jch überzeuge dich hiermit davon, Jass ..." ein Akt der im Satz beschrieben Art<br />
Ist. Genauer pagr, es mag war wahrt Konditiorale der folgenden Form geben:<br />
Wmn S ~egenüber Ii den San ,Ich überzeuge dich hiermit davon. dass p"<br />
äußert. und wenn die Bcdingrrrign B gegeben sind, dann iibcrzeugc S H<br />
durch seine fiußerung davm, dassp.<br />
Aber solrhe Kondi~ior~dc kschreiberi keim Konvrntwn. Wenn der Gesprichspanntr<br />
sich tatsachiich überztugen l'ässt, liegt das nicht daran, dass die Aritezedensbedingungn<br />
einer %nvennon vorliegen, dic ksagc, dass crne Aukrung so einer<br />
Satzes unter geuisren Umständen ein Akt des Überzeugws ist. Dagegen xheint<br />
es eine Konvention zu geben, nach der Äußerungen von ,Ich behaupte hicmit,<br />
dass ..." urirer passenden BedingungenZ als Behauptungen zählen.<br />
Das Problem ist nur, dass dieses Kriterium zu viel herauswirft Wem Drrr<br />
hungen Illokuhonen sind, da111 &CE. auch wnteckte Drohungm. Der Mafiapate,<br />
der für den Fall einer Absage bsc Korisequenzen androht, indem er ern ,,Angebotrc<br />
macht, ,das rn nicht ablehnen kann", vollzieht einen illokutionaren ,Akt<br />
' Dicsc; und die folgcndtn Kritikpvnkte finden sich züm Teil in Kemm~rling 1997, Nisclin. IL3.11.4,<br />
111.1; 2001. Abschn. 2,3; und ir~ Sicbcl XOIa, Abschn. 1, 3. 4; 2001b. Akchn. 2 6 geht mir hier<br />
nicht darum, die vorschl* in Bausch und Bogcn zu vcidammen. Ich will nur zeigen, in welche<br />
Problemfcldcr man sich jeweils h~ncinbegibt.<br />
: Zu ihnen würdc u.a. gehören, das dic Äußerung ni:h Tcil einer Thea~enufEuhiun~ Lt odcr gar<br />
nur zum Ttstcn eines Mikrofons cingcsnzr wird.
Was sind llokution+re Akte? 141<br />
Bezüglich versteckter Drohungen gibt es aber keine entsprechende Konvention<br />
fiir explizit performative Sätze. Keine Konvention der Welt sagt, dass ~ußerung-n<br />
des Typs ,Ich drohe hiermit versteckt an, dass . . .", gegeben bestimmte Umstände,<br />
aIs versteckte Drohungen zählen. Sa eine Konvention wäre absurd, weil die explizite<br />
Formel gerade dafür sorgt, dass die Drohung nicht mehr versteckt ist.<br />
Suchen wir also an anderer Stelle nach einem Abgenzungskriterium. Austin<br />
diskutiert in Kapitel X von How ta Do Things wich Words einen sprachlichen Test:<br />
,We have now to make some final rcmarks on the formulas:<br />
,In saying X I was doing y' or ,I did Y',<br />
,By sayingx I did y' or ,I was doing y'.<br />
[Tlhese forrnulas [ . . . ] seem specially suitable, the forrner (in) for picking<br />
out verbs which are names for illocutionary acts, md the latter (by)<br />
for picking out verbs which are names for perlmutionary acts 1.. .]."<br />
(Austin 1962. 122; vgl. 110)<br />
Der Vorschlag hier ist: Eine Formulierung der ersten Art ist nur dann am Platze,<br />
wenn an der Stelle von ,yC ein Verb für eine Illokution steht; Formulierungen der<br />
zweiten Sorte dageger. passen nur, wenn ein Perlokutions-Verb diese Position einnimmt.<br />
Dahinter steckt die Idee, das- durch ,by" eine Mittel-Zweck- oder Ursache-<br />
Wirkungs-Beziehung ins Spiel kommt, während ,in" eher auf so etmas wic Inklusion<br />
oder Identität hinweist (vgl. Austin 1962, 107, 127-131). Durch ay saying<br />
that the train lea\~es at 12, 1 frightened her* wird ausgedrückt, dass meine Äu8trung<br />
zirr Folge hik, dass ich sie erschrocken habe (weil ihr nur noch wenig Zeit<br />
blieb, ihre Sachen zu packen). Wenn ich genau das mir meiner Äußerung bezweckte,<br />
kann man auch sagen: Sie war das Mittel, mit dem ich den Zweck erreicht<br />
habe. ,Jn saying that the train leaves ar 13, I was asking her to pack her suitcase"<br />
verweis: dagegen darauf, dass meine Aufforderung u.a. darin bes~nd, dass ich<br />
die Abfahrtszeir genannt habe. Die Formulierungen mit ,by" pasen zu perlokutionären<br />
und die mit ,inu zu iI1okutionären Verben, weil perIokutionäre Verben<br />
mrkvngen oder Zwecke von Äußerungen bezeichnen, wihrertd illokutjonäre die<br />
~ußerun~n gewissermaßen nur anders beschreiben. Im Deutschen ist analog ,Ich<br />
habe sie drrrch meine Äußerung erschrocken" besser als ,Ich habe sie mii meiner<br />
Äußerung erschrocken", währerid umgekehrt .Ich habe sie durch meine Äußerung<br />
aufgefordert, ihren Koffer zu packen" nicht so akzeptabel Hingt we ,,Ich habe sie<br />
mit meiner Äußerung aufgeforden, ihren Koffer zu packenu.<br />
Nun gesteht Austin (1962, 131f.) allerdings selbst zu, dass dieser Test heikel<br />
ist. So ist die Formulierung ,By saying that they are mmied now, the repstrar<br />
married them" vollkommen in Ordnung. Hier kann man nämlich ohne Probleme<br />
von einer Mittel-Zweck-Relation sprechen: Die Äußerung des Standesbeamten<br />
dient dem Zweck, das Paar zu verheiraten. Eheschließungen gehören aber laut<br />
Austin zu den illokutionären Akten. Aso ist der Test nicht für eine eindeutige
L<br />
KDmmcn wir mir Austins ('i962, t16f.) Bemerkung weiter, dass Illokutionen<br />
erst dann vollzogen sind, wenn der Adressat vcrsta~den hat, was für eine ilbkutionärc<br />
Kraft und welchen Kthait die Aukrung ha? Für Periokutionen scheine das<br />
ja ilicht zu gehen: Ich kann jemanden ersdwecken. indem ich hinter seinem Rucke~<br />
J ist eine Primzahl* briille, auch wenn e: aus dem Schreck heraus gar ni~ht<br />
mirbek~mmc, dass die Xukrung zum Inhat hat, dass 3 eine Primzahl ist. WI~ aber<br />
scllen wir diese Bemerkung zii einem Ellokutionaritäts-Kr~terium urizrnodeln? In<br />
der angeführten Bedingrriig caticht der fragliche Ausdruck schließlich wieder zuf<br />
(in ,,ilioku:inriare Kraftu).<br />
Vrelleicht lasst sich sagen, ein Akm sei genau dann illokunonär, wenn es<br />
zum Vollzug cifier Handlung dieses Typ5 hinreicht, dass jtlnna versteht, um was<br />
3tr eiae Sorte von .4kt ts sich handelt. Aocr das gilt für jeden Akttyp, also auch Fur<br />
perlokuboriäre. Di Verb ,.verstehenu ist narnlich Wtiv: Jemand verst~bt nur<br />
dann, dass eine bestimmte Handlung ausgefihn wcrde, wenn diese Handlung<br />
tarsächtich vo:lzogen wurde. Auch für das Erschrecken ist a dewep hinr~jchend!<br />
wenn eine Person verseht, dass jemmd erschreck w~rde.<br />
Oder erhalttn wi- ein funkticiniertnde Kriterium, wenn wir da Verstehen<br />
als notwendige Bedingu~g cii-iseaen? Eine HandIungsweist wärc diesem Ansatz<br />
nach genau dann ilIokution3, wenn es zum VoIlzug einer Handiuq dieses Typs<br />
notwendig ist, dass der Angesprochene versttht, wclchc Handlung ausgführt<br />
wurde. Das allerdings ist u~edemm zu eng. Manchmal bemerk der Gefragte<br />
nicht, dass ihm eine Frage gesttIltwurde, weil er gerade nicht zugehört hat. Wäre<br />
das Vetstehcii notwendig dann müssten Aussagen wie ,,Sie hat nicht akannt, dass<br />
sie etwas gefiq. wurde" analytisch falsch sein. Illukutianäre Aktc sind bestenfalis<br />
Handlungen. mir denen msuchi wird, cin Verständnis zu erreichen. [Dazu gcicli<br />
,mehr.) Werin dieser Versuch iehlschlkt. heißt das nicht, das der ilbkutionärc Akt<br />
V.<br />
nicht ausgeführt wurde.<br />
Zum nächsten Vorschlag Viiirit Beispiele für llldrutionen sind Wandlungen,<br />
die normative Konseqricnzcn nach srch ziehen.3 Wenn Kurt etwa brfohietl wird,<br />
die Larrine zu putzen, der wenn er verspricht. dies zu tun, da~m hat er die Verpflichtung,<br />
es zu tun. Ist das vielleicht charakteristisch für iliokutionäre Akte, weil<br />
es auf perlokutionäre nic-ht zutrifft? Nein, denn bei gnaueier Berrachrung führ:<br />
z.B. auch dcr periokutionärc Akt des trtiertedcns zii normativen Konsequenzen.<br />
Gern ich jemanden dazu überredet hsbc, e!ilr HandIung auszuführen, dann<br />
übcrtiehme ich eine TeiIverannrrortung: JC nach den Folgen der Handlung darf<br />
auch ich gelcbt oder ytadelt werden.<br />
lnrentionaiisren wie der frühe ScIiiiTer vcrhlgen einen ganz anderen Weg. Sie<br />
sind der Meinung, dass sich illokutioniire Akte dadurch von perickutioiiäreri un-<br />
terscheiden, dass sie nomndige~eise mir gewissen Intentionen vo;lzogen werden,<br />
die t'ur letzrere nicht i~utig sind. Schiffer (3972, hp. W, selbst 2.8. jdmtih-<br />
' Ausrin (1962, 14) spnchr davon. i s s illokurionire Aktc .korivencionaie Effekte' habcn. Dvuntcr<br />
failcr~ wohl auch nrinative Korxqiienzcn; aScr CS isr gut möglici, dass Austir. sie nirht als dic cinzigcriken<br />
vorL konvcnti~nalcn Eftekrtn begreift.
Was sind Ilokutwnäre Akte?<br />
ziert Illokutionen mit denjenigen Handlungen, d:e Gricr (1957) unter dem l'itel<br />
„erwas mit einer Außerung meinen' analysiert hat. Wer einen illokutionären Akt<br />
ausführt, der beabsichtigt diesem Ansatz nach. bei einem Adressaten eine gwissc<br />
Reaktion zu erzeugen (em-a den Emrrb einer Ubemeugung oder die Ausführung<br />
einer Handlung), und er will4 diese Reaktion dadurch hervorlocken, dass der Adressat<br />
crkennt, was fur eine Reaktion der Sprecher sich wirnscht.<br />
Die weitrren Ausprägungen diecer Idee sind nicht weniger problernarisch als<br />
die zuvor diskutierten Vorschläge. Schiftler vcr1ar.g ricben der schon genannren<br />
eine unendliche Folge weiterer Erkenntnisabsichten: Der Hörer soil nicht nur<br />
I<br />
i<br />
erkennen, dass der Sprecher ihn 2.B. zu einer ¿'betzeugung bringen will - die \<br />
!<br />
primäre Absicht also -; er soll auch erkennen, dass er die- primäre Absicht erkennen<br />
soll; und er soll erkennen, dass er erkennen SOU, dass er die primare Absicht<br />
erkennen soll; ... (so auch Meggle 1997, 198). Uarnit werden unmenschlich hohe<br />
Anforderungen an die psychologischen Moglichkeiten von Personen gtstellt, die<br />
illokutionäre Akte ausfuhren. Sie müssten unendlich viele Absichten mit ihrer<br />
~ußerun~ verfolgen, wobei die Gehalte der meisten Absichten zusätzlich noch<br />
von enormer Komplexität sind.<br />
Irn Übrigen ist schon unklar, ob Grices ursprüngliche (schlichtere) Mtinensanalyse<br />
nicht zu viel voraussetzt, wenn wir sie auf Illokutionen übernagen. Muss<br />
~ch, wenn ich jemandem gtgcnubrr eine Behauptung aufstelle, immer die Absicht<br />
verfolgen, Jln von ihrem Inhalt zu überzeugen? Gibt es nicht Fälle, in denen der<br />
Sprecher sich dazu verpflichtet fühlt, etwas zu behaupten, es ihm zugleich aber<br />
egd ist, ob der Hiirer ihm glaubt? Macht der Verkäufer, der mir sagt, wo die Hcrrenoberbekleidungc-Abteilung<br />
ist, keine Behauptung, wenn es ihn nicht tangiert,<br />
ob ich ihm Was ist, wenn jemand ungewollt ein Geheimnis verrät? Ist<br />
Schiffers (1972, 69) Idee tragfihig, dass wir es her nur dann mit erner Behauptung<br />
zu tun habtn, wcnn dic schon länger vor&-dene Absichr des Sprechers, das Geheimnis<br />
für sich zu behalten, von einer kurzlebigen Intention uberlagert wird, sein<br />
Gegenüber doch darüber zu informieren? Wie sollen wir mit S;tuatiulieri um@-<br />
hen. in denen der Sprecher weiß, dass der Hörer automatisch das Gegenteil von<br />
dem glauben wird, was geäußerr wurde, weil er dem Sprecher einen Täuschungsversuch<br />
unterstellt? Kann der Sprecher hier nicht behaupten, dass p, wihrend er<br />
die Absicht hat, den Hörer zu der gegenteiligen ~berzeu~ung, dass -p, zu bringen?L<br />
Und was ist, wenn jemand etwa eingesteht oder relapituliert, von dem er<br />
annimmt, dass der Adrcssac längt davon überzzug ist? Was machen wir mit Au-<br />
Oerungen, durch die jemand an etwa% erinnert werden soll? Schlicßt das aus, dass<br />
es sich um eine Behauphng handelt? Der Sprecher kann unter diesen Bedingun-<br />
-<br />
' Ich ;lewendc ,beabsichtigenu, .wollen' und ,wünschenu in diesem Beitrag ausuuschbir, auch<br />
wenn dic Einsrcllung~n, die mir Ieuttren Vtrben zugcschricbm werden, nach der giqigen AUE--<br />
sung nur eine Komponente des Beabsichcigzns bilden. Für die folgenden Punkte sind diese Feinhcilen<br />
unwesenrlich.<br />
Vgi. Snnett 1976. 133; Schiffer 1972.58; und Sezrle 1986,211<br />
"'gl. Grice 1969,107; HoldcroFr 1978, 150; Mcgglt 1997,84-90; und Sctiffer 1972,68i.
144<br />
Grice (1969,108f.) und Schiffer (1972, 51) ersetzt2 die Überzevgungsa'osicht<br />
durch die schwächere Absicht, dass der Hörer eine ,ala;vierccu Uberzcugung hat.<br />
Was damit gemeint ist, lässt sich aurch den Begriff de~<br />
Urteilens erläutrrn. Wer<br />
iirte:lt, dass y, der glaubt, dass p. Sein Urteil muss die Überzeugung aber nicht<br />
hervorrufen, es h n auch urzigekehrt durch eine schonvorhandene Uberzeugurtg<br />
verursacht sein (vgl Künne 1995, 56). Wenn ich jemanden daran erinnere, dacsp,<br />
dann kann ich also durchails die Absicht verfolgen, ihn zu dem Urzei: zu bringen,<br />
dass p. Ich .will dann, dass er eine seiner Ubcrzeagungcri aktiriert, indem er sich<br />
ihren Inhalt ins Gedächtnis r~ft.<br />
Abcr auch diese Abschwächun;; scheint noch zu srark, wenn man sich Antworten<br />
auf PrütUnpfragen ansieht Wem die Cchülerin auf die Frage, wann Elisaberh<br />
I. srarh, mit „1603" arirwortet, behauptet sie doch, Elisabeth I. sei 1643<br />
gestorben. Sie will den Lehrer hiervon aber weder überzeugen, noch wil sie, dass<br />
er es urttilt! weil sie davon ausgeht, dass tr das richtige Todesdanirn sowieso<br />
schon vor Augen hat.<br />
Arrnstrong (1971,431-433) und Grice (1963, 123) reagierc~: hierauf mit einer<br />
höhcrstufren Überzeug-urig-sabcicht: Um zu behaupten, das p, muss dcr Sprecher<br />
richt dic Absicht haben, den Adressaten davon zu &erzeugen, dass p; ci.<br />
muss ihn vielmehr davon übcrzcugen wolIen, dass der Spr~krgbvbr, dass p. Dieses<br />
Ziel wird auch die Schülerin in einer alltäglichen Prüfungssituation haben. Leider<br />
gibt es aber ebenfalb Prüfungen, in denen dem Lehrer von vornherein klar ist.<br />
dass er die richtig Annvorr bekommen wird, weil cr wciß, dass die Schiilerin sie<br />
kc~int. Wenn nun aber die Schülerir! umgekehrt weiß, dass de: Lhrer von ihr<br />
glaubt, sic habe die entsprechende Uberzeugung, dann wird sie nicht bcabsichtigen.<br />
ihn erst zu dcnr Glauben zu bringen. das s!e diese Überzeugung bcsitzr. Mit<br />
der Anwort ,1603" will sic ihn dann nicht davon überzeugen, dass sie glaubt,<br />
Elisabetfi I. sei 1603 gestorben.<br />
Wegen dieser ganzen Schwitrigkeiten hat Searlc sich in Speech ACE (196'9, Abschn.<br />
2.6) vorn griceschen Ausgin~unkt entTernt: Das Hervorrufen einer Uber-<br />
Zeugung und ähnliche Ding seien keine illoLwtionäten, sondctn pcrlokurionare<br />
Efiekte. Der cignrliche illokutionäre Effekt ist das I;'ers~hen. Um eine Behauptung<br />
(Frage, Ritte, ...) vortubr~ngen, muss der Sprecher nur beabsichtigen, einen M-<br />
ressaten zu der Erkenntnis m bringen, dass es sich um eine Behauptung (Frage.<br />
Bitte, ...) mit dem-und-dem Inhalt handelt (V@. auch SearIe 1985, 210f.).Es ist<br />
nizht: nötig, dass er ihn etwa vorn Inhalt der Bthaup~~rig überzeugen will. Und es<br />
ist nicht n&ig - u.ie bei Austin durchschien -, dass es tatsächlich zum Verstehen<br />
kcrnrrit. In so einem Fall ist der illokutionäre Akt m r insofern erfolglos, als d!e<br />
Verstehensabsiciit riicht realisiert wurde; aber er wurde vollzogen<br />
' S'gl. Grrcc 1969, 1W; Meggle 1997.82-84; und S~hiffer 1971,70<br />
Vgl. Gr~ce 3969. 106; und Schiffer 1972 70.
Was sind lhkutiorräre Atf?<br />
Es ist ewas merkwurdig, dass Searle das Verstehen {das heißt hier Erkennen)<br />
nicht als perlokiirioniir betrachtet. Laut Ausriri (1962, 101) sind Einfliisse auf die<br />
GeFihle, Gedanken und Handlungen der Zuhö:er perlokutionäre Wirkungen;<br />
und wenn ich jemanden dazu brinp, erwas zu erkennen, dann nehme ich damit<br />
doch Einfluss auf seine Gedanken. Wichtiger ist jedoch, dass SearIe (1984, 211-<br />
214) selbst den eigenen Verstehens-Ansatz später hosiert hat. Was ist mit Selbstgesprächen<br />
(@. Alston 2000, 44f.)? Kann man nicht illokutionäre Akte ausfuhren,<br />
auch wenn man genau weiß, dass niemand sonst zugegen ist, der einem seine Aufmerksamkeit<br />
schenkt' h so einem FaiI wird der Sprecher nicht beabsichcgen,<br />
dass eine andere Person erkennt, was für eine Handlung er vollzieht; und dass er<br />
sich selbst zu dieser Erkenntnis bringen will. kling reichlich absurd.<br />
Mit einem ähnlichen Problem hat auch der Vorschlag von Bach und Harnish<br />
(1979, Abschn. 1 .l, 1.3) zu kampfen. Ihre grundlegende Idee ist, dass zumindest:<br />
eine Tcilklassc der Illokutionen aus ÄuIkrungen besteht, in denen nicht mehr<br />
gernxht wird, als jeweils charakteristische Einsteliungen auszudrücken. Jemand<br />
behauptet etwa gcnaii dmn, dxs p, wenn er dic Gbcrzeugung, dass p, ausdriickt<br />
sowie die Absicht. einen Höter davon zu überzeugen, dass p. Dass eine EinsteIlung<br />
ausgedrückt wird, impliziert nicht, dass der Sprecher sie hat. ,&usdrüchn"<br />
heillt bei Bach und Harnish vielmehr (schon sehr kompliziert und dennoch nur<br />
grob): Der Sprecher beabsichtigt, den Ilorer dazu zu bringen, dass er die Äukrung<br />
als cilicn Grund für die Annahme betrachtet, der Sprecher habe die Einstellungen<br />
- und m-ar soll er dies deswegen tun, weil er erkennt, dass der Sprecher<br />
genau dies beabsichtigt<br />
Das scheint auf illokutionäre Akte irn Selbstgespräch ebenso wenig zuzutreffen<br />
wie Searles Verstehensabsicht. Der Sprecher will da doch weder eine andcte<br />
Person noch sich selbst zu der genannten Erkenntnis bringen. Hinzu kommt, dass<br />
die von Bach und Harnish geforderre fibsicht so komplex ist, dass es fragiich wird,<br />
ob kleine Kinder sie haben können. Wer möchte ihnen abe: absprechen, illokutionäre<br />
Akte zu vollziehen?<br />
Auf'grund der Probleme, die er auch für xinc eigne Theorie aus Speech Atts<br />
sieht, hat Searle (1986, Abschri. ;lVj sich von Intentionen, die an jemanden gerichte;<br />
sind, verabschiedet und stattdessen so genannte Rcpra$eritaliottsabsirhen ciiigefuht,<br />
die nur die Äußerung betreffen. Was man beabsichtig, wenn man eine<br />
illokutionärc Handlung ausführt, ist, dass die ÄuRening die Welt in einer bestirnmtcn<br />
Weise repräsennert. Anders gesagt: Man will der Außtrung gewisse Erfüllunpbedingungen<br />
verleihen. Bei Assettiven (Behauptungen, \70rschligen, .. .)<br />
mir dem Inhalt, dass p, beabsichtigt man z.B., dass die Äukrung genau dann wahr<br />
Aber auch das funktioniert nicht. Wenn ich mit .l3 ist eine PrimzahlK genau<br />
das behaupten wil, was der Satz besagt, dann beabsicniilige ich nicht, der ~ ußerun~<br />
die entsprechenden Wahrheitsbedingungen zu verleihen. Ich seke vielmehr vorm:.<br />
dass sich diese Wahrheirsbedinpngen aus der Bedeutung des Satzes ergeben.<br />
AuRcrdern bleibt vollkommen unklar, was man zu tun kitte, urn aus Repräscntationsabsichten<br />
hinreichende Bedingungen für dit zushbrigeri Illokutionea zu