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CHRISTOPHORUS | 359<br />

WERKSTOFFE<br />

WERKSTOFFE<br />

CHRISTOPHORUS | 359<br />

Aus heißen Öfen<br />

Keramiken aus Siliziumkarbid, Kohlefasern oder Magnesium –<br />

ein <strong>Porsche</strong> besteht aus mehr als Stahl und Aluminium. Weissacher Werkstoffexperten suchen<br />

permanent nach dem optimalen Material für jede einzelne Komponente.<br />

Text Johannes Winterhagen Fotografie Bettina Keidel<br />

ENDPRODUKT:<br />

Keramikbremsscheibe<br />

des 911 GT3 RS (997)<br />

ROHSTOFFE:<br />

Kohlenstofffasern<br />

und Silizium für<br />

eine Bremsscheibe<br />

E<br />

in paar federleichte schwarze Flocken und ein silberfarbenes<br />

Pulver. Ein Band, wenige Millimeter<br />

breit, das aussieht, als könne man Geschenke<br />

damit einpacken. Ein metallisches Granulat.<br />

Und daraus soll ein <strong>Porsche</strong> werden? Nicht ein<br />

ganzer natürlich, aber entscheidende Komponenten: eine<br />

Bremsscheibe, eine Fronthaube, ein Cabrioverdeck.<br />

Eine Torte, gebacken von einem Meisterkonditor, verrät<br />

oft nicht auf den ersten Blick, aus welch exquisiten Zutaten<br />

sie hergestellt wurde. Und dennoch: Wochen, ja Monate<br />

können vergehen, bis die Backmischung stimmt. Ähnlich<br />

gehen Bauteilentwickler in Zusammenarbeit mit Werkstoffexperten<br />

bei <strong>Porsche</strong> vor. „Es geht darum, für das jeweilige<br />

Bauteil das richtige Material und den richtigen<br />

Verarbeitungsprozess zu finden“, erläutert Dr. Robert<br />

Volz, Abteilungsleiter der Werkstofftechnik-Vorentwicklung<br />

in Weissach. Eine kleine, schlagkräftige Truppe der<br />

Werkstofftechnik unterstützt die Entwicklungsingenieure<br />

bei der Werkstoffauswahl.<br />

Beginnen wir mit den schwarzen Flocken. Es handelt sich<br />

um reinen Kohlenstoff, zu Fasern verarbeitet, beschichtet<br />

und dann auf eine Länge von neun Millimetern zerkleinert.<br />

Mit einigen anderen Zutaten, so geheim gehalten wie<br />

in der Spitzenküche üblich, verarbeitet man sie zu einem<br />

Teig und füllt diesen in eine Form. Anschließend wird der<br />

Teig verpresst und bei 200 Grad Celsius unter Druck ausgehärtet.<br />

Nach diesem Prozess kann auch der Laie erkennen,<br />

dass hier eine Bremsscheibe entsteht.<br />

Die Bremsscheiben durchlaufen einen weiteren Backofen.<br />

Unter Stickstoffatmosphäre ist bei 900 Grad Celsius eine<br />

hochfeste Carbonscheibe entstanden, die nun mechanisch<br />

bearbeitet wird: der richtige Zeitpunkt, die Löcher für<br />

Belüftung und Wasserabfuhr einzubringen. Dann kommt<br />

Silizium ins Spiel, gewonnen aus Sand, nun flüssig, vom Carbon<br />

aufgesogen wie Wasser von einem Schwamm. Der<br />

Grund für den Durst: Das Bauteil wirkt zwar wie aus einem<br />

Guss, verfügt aber über Millionen winzige Kapillaren zwischen<br />

den miteinander verbundenen Faserschnipseln.<br />

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CHRISTOPHORUS | 359<br />

WERKSTOFFE<br />

WERKSTOFFE<br />

CHRISTOPHORUS | 359<br />

ROHSTOFF:<br />

Spule mit Carbonfasern<br />

für eine<br />

Fronthaube<br />

ENDPRODUKT:<br />

Carbon-Fronthaube<br />

eines 911 GT2 RS<br />

Und wieder kommt die Scheibe in den Ofen, diesmal bei<br />

über 1400 Grad Celsius. Das Silizium reagiert mit den<br />

Oberflächen der Faserschnipseln, dort entsteht das keramische<br />

Material Siliziumkarbid. Das Ergebnis: eine Bremsscheibe,<br />

die die hohe thermische Beständigkeit und Verschleißfestigkeit<br />

einer Keramik mit der mechanischen<br />

Festigkeit der Kohlenstofffasern verbindet – und auch vor<br />

der 73sten Kurve des Nürburgrings unverändert zupackt.<br />

Hochleistungs-Graugussbremsen sind nicht unbedingt<br />

schlechter, bei starker Beanspruchung muss der Fahrer aber<br />

das Bremspedal stärker durchtreten. Der Hauptvorteil liegt<br />

aber in der Gewichtsreduzierung: Die keramischen Bremsscheiben<br />

sind 50 Prozent leichter.<br />

Aber auch in alltagstauglichen Rennfahrzeugen wie dem<br />

911 GT2 RS kommt CFK (carbonfaserverstärkter Kunststoff<br />

) immer häufiger zum Einsatz. Zum Beispiel bei der<br />

Fronthaube, die mehr als zwei Kilogramm leichter ist als ihr<br />

Aluminium-Pendant des Basisfahrzeugs. Bei der Herstellung<br />

der Haube werden die Fasern nicht zerkleinert, sondern<br />

zu einem Gewebe verwebt und mit einem Kunststoff harz getränkt.<br />

Von Hand zugeschnitten, werden mehrere Lagen des<br />

imprägnierten Gewebes in das Formwerkzeug eingelegt,<br />

dann mit Druck und Temperatur gebacken. Dabei kommt<br />

eine Art Dampfkochtopf zum Einsatz, Autoklav genannt.<br />

Nach mehreren Stunden ist alles so weit ausgehärtet, dass das<br />

Bauteil geschliffen und lackiert werden kann.<br />

Mit Kohlenstofffasern verstärkte Kunststoffe verbinden extreme<br />

Festigkeit mit sehr niedrigem Gewicht. Super-Leichtbau,<br />

wie ihn <strong>Porsche</strong> beim 918 Spyder betreiben wird, ruft<br />

geradezu nach dem im Motorsport bewährten Material.<br />

Für künftige CFK-Anwendungen arbeiten die <strong>Porsche</strong>-<br />

Ingenieure an neuen, zeitsparenden Verfahren. So wird das<br />

Monocoque des 918 Spyder nach dem Prinzip des Resin<br />

Transfer Moulding (RTM) hergestellt werden. Dabei liegen<br />

die verwebten Kohlenstoffgewebe in der Form, das Harz<br />

wird eingespritzt und das Ganze dann 20 Minuten gegart.<br />

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WERKSTOFFE<br />

WERKSTOFFE<br />

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ROHSTOFF:<br />

Magnesiumchips<br />

für Teile eines<br />

Cabriodachs<br />

ENDPRODUKT:<br />

Cabriodach des 911<br />

Carrera (991) mit<br />

Magnesiumstreben<br />

Das richtige Material an der richtigen Stelle heißt auch: Je<br />

weiter vom Fahrzeugschwerpunkt entfernt, desto wertvoller<br />

ist eine Leichtbaumaßnahme – zumindest bei Sportwagen,<br />

bei denen Agilität absolute Priorität hat.<br />

Kein Wunder also, dass <strong>Porsche</strong> sich beim Dach des neuen<br />

911 Cabrios für eine Tragstruktur aus Magnesium entschieden<br />

hat. Das Leichtmetall ist viereinhalb Mal leichter als<br />

Eisen. Die breiten Querspriegel, die dem Stoffverdeck des<br />

911 eine Stabilität verleihen, wie man sie sonst nur von faltbaren<br />

Hardtops kennt, entstehen im bewährten Druckgussverfahren:<br />

Magnesiummasseln werden eingeschmolzen, die<br />

heiße Schmelze, angereichert um geringe Mengen anderer<br />

Zutaten, gießt man unter hohem Prozessdruck dann in eine<br />

Form, in der sie zu der gewünschten Geometrie erstarrt. Für<br />

einen Teil der Streben des Verdecks, die die Spriegel miteinander<br />

verbinden, kommt ein Verfahren zum Einsatz, das<br />

bei den Fachleuten Thixomoulding heißt. Hierbei befindet<br />

sich das Magnesium gerade im Übergang zwischen einem<br />

festen zu einem flüssigen Zustand, also im teigigen thixotropen<br />

Zustand. Dieser Teig wird über eine Extruder-Schnecke<br />

in die Form gedrückt und härtet dann beim Abkühlen aus.<br />

Im Gegensatz zu einem Druckgussverfahren bilden sich<br />

weniger Lunker, wie Lufteinschlüsse in der Gießereifachsprache<br />

heißen. Daher können die Streben sehr schlank und<br />

gewichtssparend ausgeführt werden.<br />

In Summe bekommt der Kunde mit dem neuen Elfer-Cabrio<br />

zwar kein leichteres Verdeck als zuvor, es wiegt nach wie vor<br />

rund 36 Kilogramm. Doch Akustik und Langzeitstabilität<br />

übertreffen das bereits sehr gute Verdeck deutlich. „Mehr<br />

Funktion pro Kilogramm“, steht für dieses Vorgehen. Autos,<br />

die mehr können, ohne mehr zu wiegen: keine Vision, sondern<br />

heute Realität bei <strong>Porsche</strong>.<br />

72<br />

911 CARRERA CABRIOLET (TYP 991), Motor: Sechszylinder-Boxer-Motor, Hubraum: 3436 cm 3 , Leistung: 257 kW (350 PS),<br />

Max. Drehmoment: 390 Nm bei 5600/min, 0–100 km/h: 5,0 (4,8*) s, Höchstgeschwindigkeit: 286 (284*) km/h, CO2-Emission: 217 (198*) g/km, Verbrauch innerorts:<br />

13,1 (11,4*) l/100 km, außerorts: 7,0 (6,7*) l/100 km, kombiniert: 9,2 (8,4*) l/100 km. * mit <strong>Porsche</strong>-Doppelkupplungsgetriebe<br />

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