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Seite 96<br />
Christophorus 332 60 Jahre <strong>Porsche</strong><br />
60 Jahre <strong>Porsche</strong> Christophorus 332<br />
Seite 97<br />
Faszination<br />
Bunt fürs Leben<br />
Text<br />
Elmar Brümmer<br />
Fotografie<br />
David Breun<br />
Wie farbig 60 Jahre <strong>Porsche</strong> sind, sehen Sie auf dieser Seite. Der Lack ist mehr als<br />
nur die Schminke des Sportwagens. Die Farbtöne spiegeln auch gesellschaftliche<br />
Stimmungen und Entwicklungen wider. Farbforschung gehört zu den schwierigsten und<br />
spannendsten Bereichen beim Automobildesign. Für den Christophorus bekennen<br />
<strong>Porsche</strong>-Experten richtig Farbe.
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Christophorus 332 60 Jahre <strong>Porsche</strong><br />
60 Jahre <strong>Porsche</strong> Christophorus 332<br />
Seite 99<br />
Die Deutschen müssen einen ziemlich blassen Eindruck gemacht<br />
haben damals, in den Anfängen des Motorsports, als die Rennfarben<br />
für die Nationen vergeben wurden: Italien bekam Herzblutrot,<br />
Frankreich das stolze Blau, die Briten trugen ihr nobles<br />
Racing-Grün – denTeutonen blieb nur dasWeiß. Die Klarheit und<br />
auch die Schnelligkeit, dieWeiß mitbringt, liegt heute wieder voll<br />
im Trend. Auch Michael Mauer, der Design-Chef von <strong>Porsche</strong>,<br />
steuert privat einen weißen 911. „Absolut eindeutig und deshalb<br />
konsequent“, lobt er den Anstrich seinesTurbos. Lack und Farben<br />
sind viel mehr als nur die Schminke des Autos.<br />
Nichts ist so der Veränderung unterworfen wie das Farbenspiel<br />
eines Autos. Mit kleinen gewölbten Metallplatten an einer Stellwand<br />
ist imWeissacher Studio die <strong>Porsche</strong>-Farbengeschichte über<br />
sechs Dekaden abzulesen. Was für eine bunte Reihe! Ohne die<br />
Jahreszahlen zu erkennen, lässt sich der Zeitstrahl leicht deuten.<br />
Das ist eines der Phänomene beim Farbdesign: Rückblickend erklärt<br />
sich vieles von selbst. Da finden sich die noch zögerlichen<br />
Farben der Fünfziger, die freundlicher werdenden Sechziger, die<br />
poppigen Siebziger, die zurückgenommenen Achtziger, die kühlen<br />
Neunziger, das sanft werdende neue Jahrtausend.<br />
Längst vorbei die Anfänge, in denen ein Henry Ford alle Farben<br />
für Autos gelten ließ, Hauptsache, sie waren schwarz. Der Kalauer<br />
hatte einen rein wirtschaftlichen Hintergrund: Schwarz war die<br />
haltbarste Farbe in den zwanziger Jahren und sie trocknete am<br />
schnellsten. Heute ist nicht nur der Farbton wichtig, die Anmutung<br />
ist ebenso entscheidend. Die richtige Farbe für ein Auto ist nicht<br />
einfach Geschmacksache, sie ist vor allem eine Frage des Typs.<br />
„Farben unterstreichen den Charakter eines Sportwagens“, sagt<br />
Joachim Paetzel, bei <strong>Porsche</strong> für Farben und Materialentwicklung<br />
zuständig. Faustregel: betonen, aber nicht ablenken. Das klingt<br />
sehr modisch. Aber Mode ist nur ein Teil des Spektrums, aus dem<br />
die Designer Anregungen für ihre Farbpaletten beziehen.Vielmehr<br />
sind es alle gestalterischen Disziplinen, die ihnen helfen: Architektur,<br />
Möbel, Kunst. Doch das, was sie heute sehen, ist morgen<br />
schon von gestern. Die Farbspezialisten in der Automobilindustrie<br />
denken in völlig anderen Zeiträumen als Modemacher, deren Akzente<br />
im Halbjahres-Rhythmus gesetzt werden.„Wir müssen drei<br />
bis fünf Jahre im Voraus denken“, sagt Interieur-Designer Franz-<br />
Josef Siegert, „und genauso lange muss unsereWahl modern bleiben.“<br />
Die Kunst desTuns, weiß Paetzel, liege darin, die Autos gleichzeitig<br />
neu und dennoch selbstverständlich erscheinen zu lassen.<br />
Bunt fürs Leben.<br />
Es ist ein Prozess, der weniger mit Gefühl, dafür viel mit Erfahrung<br />
und kühler Analyse zu tun hat. Man kann es aber auch ganz nüchtern<br />
ziemlich bunt treiben, wie die 17 Farben der aktuellen <strong>Porsche</strong>-<br />
Palette unterstreichen. Jede davon, so verlangt es die Optik, muss<br />
für sich überzeugend wirken. Aber jede muss auch zur Marke und<br />
zum Spektrum insgesamt passen – sie gehören zur <strong>Porsche</strong>-Identität.<br />
Das Geschäft mit den Nuancen ist ein diffiziles.„Wach unterwegs<br />
sein hilft“, rät Siegert,„wie dreht sich dieWelt?“Eine sinnliche<br />
Beschäftigung, auf die später im Studio Antworten gefunden werden<br />
müssen:Was passiert im Kopf?Wie übersetze ich das Gesehene<br />
in Farben?Was bringt die Zukunft – Bronze, Blaumetallic oder gar<br />
Rosa? EchteTrendforschung.<br />
A<br />
Kein Außen ohne Innen: Exterieur und Interieur bedürfen<br />
der farblichen Abstimmung. Das wäre doch gelackt!
Seite 100<br />
Christophorus 332 60 Jahre <strong>Porsche</strong><br />
Sechzig farbenfrohe Jahre<br />
1948– 1979<br />
Die Fünfziger: auratiumgrün<br />
356 A Cabrio, Modelljahr: 1957<br />
Der Farbenrausch mündet immer wieder in Richtung Sachlichkeit.<br />
„UnserTun ist vernünftiger als man von außen denkt, mit Jungen<br />
Wilden würden wir nicht weiterkommen“, weiß Siegert, „wir leben<br />
auch von der kühlen Überlegung und der Strategie.“ Seine Lieblingsfrage,<br />
um den richtigen Farbton zu treffen: Was ist stabil? Die<br />
eigene Begeisterung gilt es zu dämpfen, das Farbkomitee muss<br />
neutral bleiben. Haben sich die Farbforscher auf einen bestimmten<br />
Ton geeinigt, muss dieser auf alle Modelle projiziert werden.<br />
Manche Farben machen schlanker, andere wuchtiger, mal wirkt<br />
ein Ton brav, der andere zu aggressiv. Es kommt ja nicht nur auf<br />
die Tönung selbst an. Der Verlauf der Linien, das Spiel mit dem<br />
Schatten oder die Akzente der Lacktechnologien sind wesentliche<br />
Gestaltungs- und Entscheidungsmerkmale. Eine Tätigkeit mit<br />
vielen Kontrasten. Multipliziert mit den Kombinationen der Interieurfarben<br />
entstehen schier unendlicheVariationen – passen muss<br />
die Farbintensität trotzdem immer. Paetzel weiß:„Der große Unterschied<br />
liegt in der Nuance.“<br />
Attraktivität, das geben die Herren Schöpfer gern zu, verfehlt auch<br />
bei ihnen nicht dieWirkung. Damit ist bereits eine wichtigeTugend<br />
ermittelt, die die Kolorierung des Sportwagens zu erfüllen hat:<br />
Farben besitzen Aufforderungscharakter. Und um den guten, A<br />
Die Sechziger: hellelfenbein<br />
Gemischte Gefühle: Es darf ruhig mal etwas kräftiger sein<br />
911 2.0, Modelljahr: 1963<br />
Die Siebziger: signalorange<br />
914, Modelljahr: 1970
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Christophorus 332 60 Jahre <strong>Porsche</strong><br />
Sechzig farbenfrohe Jahre<br />
1980– 2008<br />
Die Achtziger: opalmetallic<br />
928, Baujahr: 1980<br />
Die Neunziger: libelltürkismetallic<br />
entscheidenden ersten Eindruck zu machen, gibt es nun mal nur<br />
die eine Chance. <strong>Porsche</strong>-Farben sind aber nicht auf den flüchtigen<br />
Kontakt aus, sie müssenTiefenwirkung besitzen.<br />
Es gibt viele Herren, denen die Farbdesigner dienen müssen: hier<br />
das gesellschaftliche Klima, dort derWunsch nach „praktischen“<br />
Farben, andernorts die Sehnsucht nach auffälligen Tönen, dazu<br />
die tatsächlichenWitterungsverhältnisse in den über den Erdball<br />
verstreuten Absatzmärkten. Ein gewaltiger Spagat, gedehnt noch<br />
durch den ureigenen Anspruch: „Wir müssen die Erwartungshaltung<br />
des Kunden treffen, uns aber trotzdem abheben.“ Zwischen<br />
Zwang und Drang zeichnet sich die richtige Lösung im Ausscheidungsverfahren<br />
mehr und mehr ab. Irgendwann steht das Kaleidoskop<br />
fürs Modelljahr, dann entscheidet derVorstand.<br />
Fällt der Blick auf die Palette, sind dieVisionen der Designer schon<br />
nicht mehr so abstrakt, wie sie inWorten klingen: Zukünftige Begehrlichkeiten<br />
wie Zeit, Raum und Ruhe sind durch die richtige<br />
Farbgebung zu übersetzen. Farben signalisieren immer Lebensart.<br />
Warum sich beispielsweise Macademiametallic in den Reigen eingereiht<br />
hat, lässt sich allein mit dem Begriff „liegt imTrend“ zwar<br />
begründen, aber nicht zufriedenstellend erklären. Die Designer sind<br />
über den Erfolg beim Kunden zufrieden, deren Interesse bestätigt<br />
das, was sie vor Jahren antizipiert haben: Ein dezentes Braun gehört<br />
zu den Genussfarben, abgeleitet von der wieder erwachten Kaffeehauskultur.<br />
Das Auto ist ein Lebensmittelpunkt, man kann sein<br />
(Farb-)Design nicht getrennt vom Lebensgefühl und gesellschaftlichen<br />
Stimmungen betrachten.<br />
Den Mut zum guten Ton kann einem überzeugten Designer auch<br />
keine Statistik nehmen. Die Lackhersteller DuPont und BASF<br />
erstellen jährliche Hitlisten, Börsenindizes der Farbigkeit. Schwarz<br />
und Silber stehen, zumindest in Deutschland, grundsätzlich nicht<br />
zur Diskussion, sie gehen immer. Drei Viertel aller Fahrzeuge in<br />
Deutschland sind in dunklen Tönen unterwegs, während in den<br />
USA im letzten Jahr erstmals Silber seine Spitzenposition anWeiß<br />
abtreten musste. Für die Farb-Entscheider sind das wichtige Werte,<br />
aber sie sind auch schonVergangenheit.Wichtig für die Koloristen<br />
ist es jetzt, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.<br />
Boxster, Modelljahr: 1996<br />
Das neue Millennium: GTS-rot<br />
Cayenne GTS, Modelljahr: 2008<br />
Farben bleiben ein Beleg der Zeit, das wissen die Experten aus der<br />
Abteilung „Colour&Trim“ bei <strong>Porsche</strong> genau. Dass neben gedämpften<br />
Farben ein weit kühleres Arktissilber ebenso bestehen<br />
kann, hat mit den verschiedenen Lebenswelten zu tun, in denen<br />
sich die Menschen entweder befinden oder in die sie gern eintauchen<br />
würden.Vor allem aber gilt:Wer kann schon ganz typenrein<br />
leben? „Farben haben eben etwas sehrVerlockendes“, sagt Franz-<br />
Josef Siegert und macht seiner Arbeit damit ein Kompliment. Autofarben<br />
sind Geschmacksverstärker für die Seele. Die Designer haben<br />
eine höchst sensible Dolmetscherfunktion zu erfüllen, sie müssen<br />
Empfindungen ansprechen, Begehrlichkeiten wecken, aber auch<br />
erfüllen. Drum führe mich in Versuchung – aber nicht zu sehr.<br />
Effekthascherei ist streng verpönt. Kollege Paetzel ist studierter<br />
Kommunikations- und Industriedesigner, mit den Schwerpunkten<br />
Farb- und Flächengestaltung. Farbdesign findet er so spannend,<br />
„weil es alle Disziplinen in sich vereint“.<br />
Am Ende des Gesprächs im Sicherheitsbereich vonWeissach gilt es<br />
für die Designer ganz persönlich, Farbe zu bekennen: Der eine fährt<br />
einen blauen Sportwagen, der andere ein schwarzes Auto. Bunt<br />
haben sie es ja den ganzen Arbeits-Tag.<br />
B