31.05.2014 Aufrufe

• Anna Bernardi: hörbehinderte Architektin - Pro Audito Schweiz

• Anna Bernardi: hörbehinderte Architektin - Pro Audito Schweiz

• Anna Bernardi: hörbehinderte Architektin - Pro Audito Schweiz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

focus<br />

«Viele Leute sprechen<br />

viel zu schnell»<br />

Hören und reden zählen nicht gerade zu ihren Stärken, aber sie meistert es.<br />

So widersprüchlich es tönt, die Tessinerin <strong>Anna</strong> <strong>Bernardi</strong> ist sprachbegabt.<br />

Neben ihrer Muttersprache Italienisch spricht und schreibt sie problemlos<br />

Deutsch, dazu ein bisschen Englisch und Französisch. Ertaubt im Alter von<br />

zwei Jahren, trägt sie heute zwei Cochlea-Implantate.<br />

<strong>Anna</strong> ist eine attraktive, fröhliche junge<br />

Frau, die nach ihrem Architekturstudium<br />

in Praktika und befristeten Anstellungen<br />

Berufserfahrungen sammelte.<br />

Zuletzt arbeitete sie einige Monate lang in<br />

einem Architekturbüro in Zug. Vor kurzem<br />

erst trat sie in Lugano eine 50-<strong>Pro</strong>zent-Stelle<br />

an. Noch wartet sie auf ihre<br />

Chance, als <strong>Architektin</strong> eine Vollzeitstelle<br />

zu finden.<br />

<strong>Anna</strong>s lange Haare verdecken die zwei<br />

Cochlea-Implantate (CI). Sie war gerade<br />

erst sieben Jahre alt, als sie das erste CI<br />

erhielt. Vor drei Jahren implantierten ihr<br />

die Ärzte dann das zweite CI. Bis im Alter<br />

von zwei Jahren hörte sie gut. Ertaubt<br />

ist sie erst nach einer Meningitis (Hirnhautentzündung).<br />

Die Eltern und der<br />

Arzt bemerkten nicht sofort, dass sie erkrankt<br />

war. Als <strong>Anna</strong> endlich ins Spital<br />

kam, hing ihr Leben nur noch an einem<br />

seidenen Faden. «Die Ärzte hatten mich<br />

gerettet, doch mein Gehör war ‹verloren›.»<br />

Wie hast du denn deine schulische<br />

Ausbildung gemeistert?<br />

Mir wurden zuerst zwei Hörgeräte angepasst,<br />

mit denen ich aber nicht viel<br />

hören konnte. Erst als ich eingeschult<br />

wurde, erhielt ich ein CI. Ich habe<br />

ganz normal die Regelschule besucht,<br />

hatte aber glücklicherweise Lehrerinnen,<br />

die viel Rücksicht auf mich genommen<br />

haben. Im Gymnasium und<br />

an der Uni war ich viel mehr auf mich<br />

alleine gestellt. Es gab schwierige Zeiten,<br />

denn wenn man nicht alles hört,<br />

muss man viel nacharbeiten. Aber ich<br />

hatte gute <strong>Pro</strong>fessoren, die mich unterstützten<br />

und mich auch ermutigten.<br />

Bis Ende der Mittelschule hatte ich<br />

eine Logopädiebegleitung und eine<br />

mich speziell «begleitende Lehrerin».<br />

Auf Italienisch sagen wir: docente di<br />

sostegno. Davon habe ich sehr profitiert.<br />

Ausserdem haben mich meine<br />

Eltern immer sehr gefördert und unterstützt.<br />

«<br />

Ich hatte das<br />

Glück, dass meine<br />

Eltern beide<br />

»<br />

Lehrer<br />

sind<br />

sprache sind Italienisch und Englisch.<br />

Vor einem Jahr hat sie dort ihr Studium<br />

mit dem Master abgeschlossen.<br />

Welches waren denn für dich<br />

während des Studiums die grössten<br />

<strong>Pro</strong>bleme?<br />

Ich hatte das Glück, dass meine Eltern<br />

beide Lehrer sind. Mein Vater unter-<br />

Glücklicherweise lernte <strong>Anna</strong> leicht. So<br />

hat sie sich entschlossen, an der kleinsten<br />

Hochschule der <strong>Schweiz</strong>, in Mendrisio,<br />

Architektur zu studieren. Unterrichtsrichtet<br />

an der Sekundarschule und meine<br />

Mutter an der Primarschule. Sie und<br />

meine Lehrer haben mir immer geholfen.<br />

Im Gymnasium und an der Uni<br />

haben mich vor allem meine Kommilitonen<br />

unterstützt mit Notizen, Erklärungen<br />

und beim Lernen in der Gruppe.<br />

Eine FM-Anlage hatte ich keine.<br />

Erste Erfahrungen in der Arbeitswelt<br />

sammelte <strong>Anna</strong> dann während eines<br />

Praktikumsjahres in Basel. Da es wegen<br />

ihrer Hörprobleme nach wie vor nicht<br />

ganz einfach ist für <strong>Anna</strong>, eine Stelle zu<br />

finden, war sie froh über die Möglichkeit,<br />

für fünf Monate nach Mailand zu<br />

gehen, um in einem Architekturbüro<br />

ihre erste Stelle als <strong>Architektin</strong> anzutreten.<br />

Dann bewarb sie sich in einem Zuger<br />

Architekturbüro und lernte einen gehörlosen<br />

Architekten kennen.<br />

Dein letzter Chef, für den du<br />

gearbeitet hast, ist gehörlos. Du bist<br />

ertaubt und trägst zwei CI. Wie<br />

konntet ihr euch denn verständigen?<br />

Er trägt ein Cochlea-Implantat wie<br />

ich. Wir haben uns gut verstanden,<br />

weil man in diesem Büro nur Hochdeutsch<br />

spricht. Dennoch ist die Zusammenarbeit<br />

in einer Sprache, die für<br />

mich eine Fremdsprache ist, generell<br />

schwierig, vor allem auch, wenn man,<br />

wie ich, noch wenig Arbeitserfahrung<br />

hat. In hektischen Situationen ist es<br />

noch etwas schwieriger.<br />

dezibel 2/2012<br />

7

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!