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Diplomarbeit Bensmann 210507 - Universität Osnabrück

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<strong>Diplomarbeit</strong><br />

im<br />

Fachbereich Humanwissenschaften<br />

Lehreinheit Psychologie<br />

Persönlichkeit, Bindung und traumatische Erfahrungen<br />

bei alkohol- und/oder drogenabhängigen Männern<br />

vorgelegt von:<br />

Axel <strong>Bensmann</strong><br />

Büchnerstraße 18<br />

48147 Münster<br />

7. Mai 2007<br />

Erstgutachter: Prof. Dr. Henning Schöttke<br />

Zweitgutachter: Prof. Dr. Karl Heinz Wiedl


DANKE!<br />

i<br />

An den Anfang der <strong>Diplomarbeit</strong> möchte ich ein Dankeswort stellen für die gute<br />

kooperative Zusammenarbeit:<br />

DANKE zuerst an die vielen Menschen, die mir ihre Zeit zur Verfügung stellten, und<br />

bereit waren, die doch recht umfangreiche Fragebogen-Batterie auszufüllen. Ohne sie<br />

wäre diese Untersuchung nicht möglich gewesen.<br />

DANKE den Pflege- und Therapeutenteams auf den Stationen 23.1, 23.2, 15.1 und<br />

Tagesklinik-Sucht der Westfälischen Klinik Münster.<br />

Mein besonderer Dank gilt hier Herrn Dr. André Lammers, Dipl-Psych., der dieses<br />

Projekt wohlwollend unterstützt und Türen geöffnet hat.<br />

DANKE den Pflege- und Therapeutenteams auf den Stationen S3, S4, S5 und<br />

Tagesklinik-Sucht des Niedersächsischen Landeskrankenhauses Osnabrück. Mein<br />

besonderer Dank gilt hier Frau Dr. Ingelore Lindemann, Dipl.-Psych., für die<br />

wohlwollende Unterstützung und keinesfalls selbstverständliche Koordination auf<br />

den Stationen.<br />

DANKE Herrn Prof. Dr. Karl-Heinz Wiedl für die Übernahme des Zweitgutachtens.<br />

DANKE besonders Herrn Prof. Dr. Henning Schöttke für manchen richtungweisenden<br />

Hinweis und für die konstruktive und insbesondere unkomplizierte Art<br />

der Betreuung.<br />

Münster, im Mai 2007<br />

Axel <strong>Bensmann</strong>


Inhaltsverzeichnis<br />

ii<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis<br />

Seite<br />

viii<br />

I. ENLEITUNG 1<br />

II. LITERATURÜBERSICHT 3<br />

1. Alkohol- und Substanzmissbrauch bzw. -abhängigkeit 3<br />

1.1 Definition von Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit 3<br />

1.2 Definition von Drogenmissbrauch und -abhängigkeit 4<br />

1.3 Klassifikation 4<br />

1.3.1 ICD-10- GM (2004/2005) 4<br />

1.3.2 DSM-IV-TR (2003) 5<br />

1.4 Epidemiologie 5<br />

1.4.1 Alkohol 6<br />

1.4.2 Cannabis 6<br />

1.4.3 Opiate 7<br />

1.4.4 Kokain 7<br />

1.4.5 Amphetamine 7<br />

1.5 Ätiologie der Alkohol- und Drogenabhängigkeit 8<br />

1.5.1 Lerntheoretische Modelle 9<br />

1.5.2 Kognitive Modelle 10<br />

1.5.3 Diathese-Stress-Modell 12<br />

1.5.4 Das soziopsychologische Modell 12<br />

1.5.5 Psychodynamische Modelle 13<br />

1.5.6 Das Selbstachtungsmotiv als Erklärungsvariable des Drogenkonsums 15<br />

2. Persönlichkeitsstile 17<br />

2.1 Definition von Persönlichkeit und Persönlichkeitseigenschaften 17<br />

2.2 Definition Persönlichkeitsstörung 17<br />

2.3 Klassifikation 18<br />

2.3.1 ICD-10-GM (2004/2005) 18


Inhaltsverzeichnis<br />

iii<br />

Seite<br />

2.3.2 DSM-IV-TR (2003) 20<br />

2.4 Epidemiologie 21<br />

2.5 Theorien zur Entstehung von Persönlichkeitsstörungen 21<br />

2.5.1 Biologische Theorien 22<br />

2.5.2 Psychoanalytische Theorien 22<br />

2.5.3 Interpersonelle Theorien 24<br />

2.5.4 Kognitiv-behaviorale Theorien 27<br />

2.5.5 Die biosoziale Lerntheorie von Millon und Davis (1996) 27<br />

3. Bindung 30<br />

3.1 Definition von Bindung 30<br />

3.2 Ätiologie 30<br />

3.3 Die Bindungsqualitäten 32<br />

3.3.1 Die Bindungsqualitäten nach Ainsworth 32<br />

3.3.1.1 Die sichere Bindung (B) 33<br />

3.3.1.2 Die unsicher vermeidende Bindung (A) 33<br />

3.3.1.3 Die unsicher ambivalente Bindung (C) 33<br />

3.3.1.4 Die desorganisierte Bindung (D) 33<br />

3.3.2 Die Bindungsstile nach Bartholomew 34<br />

3.3.3 Beziehungsspezifische Bindungsskalen für Erwachsene 34<br />

3.4 Epidemiologie 35<br />

3.5 Sind die Bindungsmuster über die Zeit und transsituational stabil? 35<br />

4. Psychotraumatisierung 38<br />

4.1 Definition von Psychotraumatisierung 38<br />

4.2 Eine Typologie von Traumatisierungen 39<br />

4.3 Klassifikation 39<br />

4.3.1 Posttraumatische Belastungsstörung nach ICD-10-GM (2004/2005) 40<br />

4.3.2 Posttraumatische Belastungsstörung nach DSM-IV-TR (2003) 40<br />

4.3.3 Unterschiedliche Gewichtung der Kriterien in ICD-10 und DSM-IV 42<br />

4.4 Epidemiologie 43<br />

4.4.1 Häufigkeit traumatischer Ereignisse 43


Inhaltsverzeichnis<br />

iv<br />

Seite<br />

4.4.2 Art des Traumas 43<br />

4.4.3 Prävalenz der PTB nach einem traumatischen Erlebnis 44<br />

4.5 Ausgewählte Ätiologiemodelle 44<br />

4.5.1 Das Verlaufsmodell psychischer Traumatisierung von Horowitz 44<br />

4.5.2 Das Modell der chronischen PTB von Ehlers und Clark 45<br />

4.6 Persönliche Reifung durch traumatische Ereignisse 49<br />

5. Bindung und Trauma 50<br />

5.1 Bindung und Trauma in der Kindheit 50<br />

5.2 Bindungsrepräsentanzen traumatisierter und traumatisierender<br />

Erwachsener 51<br />

6. Bindung und Persönlichkeitsstörung 53<br />

6.1 Unsichere Bindung, desorganisierte Bindung und<br />

Psychopathologien 53<br />

6.2 Störungen der Selbstregulierung durch<br />

Beziehungstraumatisierungen 53<br />

6.3 Modifikationen der Repräsentanzenwelt als intrapsychische<br />

Formen der Selbstregulierung 54<br />

7. Bindung und Substanzstörung 56<br />

7.1 Unsichere Bindung als Risikofaktor für die Entwicklung einer<br />

Suchterkrankung 56<br />

7.2 Suchtmittelkonsum als Beziehungsvermeidung 57<br />

8. Trauma und Persönlichkeitsstörung 59<br />

8.1 Persönlichkeitsstörungen infolge Realtraumatisierungen 59<br />

8.2 Führen spezifische traumatische Erfahrungen zu spezifischen<br />

Persönlichkeitsstörungen? 59<br />

9. Persönlichkeits- und Substanzstörungen 62<br />

9.1 Die Antisoziale Persönlichkeitsstörung und Substanzstörung 62<br />

9.1.1 Epidemiologie Antisoziale Persönlichkeitsstörung und Substanzstörung 62


Inhaltsverzeichnis<br />

v<br />

Seite<br />

9.1.2 Ätiologie Antisoziale Persönlichkeitsstörung und Substanzstörung 62<br />

9.2 Die Borderline Persönlichkeits- und Substanzstörung 64<br />

9.2.1 Epidemiologe Persönlichkeits- und Substanzstörung 64<br />

9.2.2 Ätiologie von Borderline Persönlichkeitsstörung und Substanzstörung 64<br />

10. Posttraumatische Belastungs- und Substanzstörungen 68<br />

10.1 Epidemiologie PTBS und Substanzstörung 68<br />

10.2 Belastende Faktoren in der Kindheit und spätere<br />

Suchterkrankungen 68<br />

10.3 Ätiologie Posttraumatische Belastungs- und Substanzstörung 69<br />

10.3.1 Die Selbstmedikationshypothese 69<br />

10.3.2 Die Risikohypothese 70<br />

10.3.3 Die Vulnerabilitätshypothese 70<br />

11. Resümee 71<br />

11.1 Auflistung der abgeleiteten Hypothesen 72<br />

III. METHODEN 73<br />

12. Rekrutierung der Versuchspersonen und Ablauf der Erhebung 73<br />

12.1 Rekrutierung der Versuchspersonen Einschlusskriterien 73<br />

12.2 Einschlusskriterien 73<br />

12.3 Ablauf der Erhebung 74<br />

12.4 Ausschluss der Versuchspersonen 75<br />

12.5 Soziodemographische Daten 75<br />

13. Die eingesetzten Erhebungsinstrumente 78<br />

13.1 Der CAGE-Fragebogen 78<br />

13.2 Der Zahlen-Verbindungs-Test 78<br />

13.3 Demographische Variablen 79<br />

13.4 Der Fragebogen zum Persönlichkeits- Selbstportrait 80<br />

13.5 Die Beziehungsspezifischen Bindungsskalen für Erwachsene 81<br />

13.6 Die Posttraumatische Diagnoseskala 83


Inhaltsverzeichnis<br />

vi<br />

IV. ERGEBNISSE 85<br />

14. Personengebundene Störvariablen 85<br />

Seite<br />

15. Ergebnisse des Fragebogens zum Persönlichkeitsselbstportrait 87<br />

15.1 Mittelwertvergleiche und Gruppenunterschiede bei den<br />

Persönlichkeitsstilen des FPP 87<br />

15.2 Extremere Persönlichkeitsstilausprägungen, die eine Störung<br />

kennzeichnen 91<br />

16. Ergebnisse des Bindungsspezifischen Bindungsskalen für<br />

Erwachsene 93<br />

16.1 Dauer der Partnerschaften 93<br />

16.2 Mittelwertvergleiche und Gruppenunterschiede bei den BBE 95<br />

16.3 Bindung bei Extrempersönlichkeiten 96<br />

16.4 Reliabilitätsberechnungen der BBE 98<br />

17. Ergebnisse der PDS 100<br />

17.1 Posttraumatische Belastungsstörung 100<br />

17.2 Traumatische Ereignisse 101<br />

17.3 Spezifische traumatische Erfahrungen 102<br />

17.4 Traumatische Erfahrungen mit der größten Bedeutung 104<br />

17.5 Intrusionen, Vermeidung und psychophysiologische Erregung 104<br />

V. DISKUSSION 106<br />

18. Personengebundene Störvariable 106<br />

19. Interpretation und Diskussion der Ergebnisse des Fragebogens<br />

zum Persönlichkeitsselbstportraits 108<br />

20. Interpretation und Diskussion der Ergebnisse zu den<br />

Bindungsspezifischen Bindungsskalen für Erwachsene 112<br />

20.1 Dauer der Partnerschaft 112<br />

20.2 Mittelwertvergleiche und Gruppenunterschiede<br />

der Bindungsskalen 112


Inhaltsverzeichnis<br />

vii<br />

Seite<br />

20.3 Bindung bei Extrempersönlichkeiten 114<br />

21. Interpretation und Diskussion der Ergebnisse der<br />

Posttraumatischen Diagnose Skala 115<br />

21.1 Posttraumatische Belastungsstörung 115<br />

21.2 Unterschiedliche traumatische Ereignisse 116<br />

21.3 Spezifische traumatische Erfahrungen 116<br />

21.4 Intrusionen, Vermeidung und Erregung 117<br />

VI. ZUSAMMENFASSUNG 118<br />

VII. LITERATURVERZEICHNIS 120<br />

VIII. ANHANG 131


Abbildungs- und Tabellenverzeichnis<br />

viii<br />

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis<br />

Seite<br />

Abbildung 1:<br />

Die affektiv-kognitiven Prozesse beim Rückfall wegen sozialer Isolation<br />

(Beck et al., 1997) 11<br />

Abbildung 2:<br />

Modell der chronischen Posttraumatischen Belastungsstörung<br />

(Ehlers & Clark, 2000) 46<br />

Abbildung 3:<br />

Komorbiditätsmodell von Borderline Persönlichkeits- und Substanzstörungen<br />

(Trull et al., 2000) 67<br />

Abbildung 4:<br />

Das Kontinuum vom Persönlichkeitsstil zur Persönlichkeitsstörung<br />

(Oldham & Morris, 1992) 80<br />

Abbildung 5:<br />

Mittelwerte der Persönlichkeitsstile des FPP aller Suchtgruppen<br />

und der Kontrollgruppe 87<br />

Tabelle: 1:<br />

Nomenklatur und Probleme der Verständigung in der Praxis<br />

(Tretter, 2000) 3<br />

Tabelle 2:<br />

Soziodemographische Daten der Stichprobe 77<br />

Tabelle 3:<br />

Gruppenunterschiede für die abhängige Variable „FPP-Subskalen“: Mittelwerte,<br />

Standardabweichungen und signifikante Gruppenunterschiede 90


Abbildungs- und Tabellenverzeichnis<br />

ix<br />

Seite<br />

Tabelle 4:<br />

Häufigkeiten, % der Persönlichkeitsstörungen nach Cut-off-Wert<br />

und Signifikanz der Unterschiede zwischen Suchtgesamt- und Kontrollgruppe 92<br />

Tabelle 5:<br />

Dauer der bestehenden Partnerschaft (in Monaten) 93<br />

Tabelle 6:<br />

Bei keiner festen Partnerschaft:<br />

Dauer der letzten festen Partnerschaft (in Monaten) 94<br />

Tabelle 7:<br />

N, Skalen-Mittelwerte, Standardabweichung der BBE pro Gruppe 96<br />

Tabelle 8:<br />

N, Skalen-Mittelwerte, Standardabweichung der BBE pro Gruppe und<br />

Signifikanzniveau 97<br />

Tabelle 9:<br />

Item-Trennschärfen pro Skala in der Bindung zur Mutter 98<br />

Tabelle 10:<br />

Item-Trennschärfen pro Skala in der Bindung zum Partner 99<br />

Tabelle 11:<br />

Anzahl und Prozentwerte der Teilnehmer, die die Kriterien<br />

einer PTBS nach DSM-IV erfüllen, pro Gruppe 100<br />

Tabelle 12:<br />

Gruppengröße, Mittelwert und Standartabweichungen der Anzahl, der mit<br />

zutreffend bewerteten „Trauma-Kategorien“ der PDS pro Gruppe 101


Abbildungs- und Tabellenverzeichnis<br />

x<br />

Tabelle 13:<br />

Verteilung der in den PDS angegebenen erfahrenen traumatischen Ereignisse,<br />

n, %, pro Gruppe; Signifikanzniveau 102<br />

Seite<br />

Tabelle 14:<br />

Welches Ereignis ist für Sie am Belastensten? Häufigkeiten, % der<br />

Kontrollgruppe, Gesamtsuchtgruppe und einzelner Subgruppen 103


I. Einleitung 1<br />

I Einleitung<br />

Dem jüngst erschienenen Drogenbericht 2006 der Bundesregierung. zufolge ist die<br />

Zahl der Erstkonsumenten harter Drogen im letzten Jahr um 3,4 % zurückgegangen.<br />

Doch darf dieser erfreuliche Trend nicht darüber hinwegtäuschen, dass<br />

Substanzstörungen immer noch mit zu den häufigsten psychischen Störungen in<br />

Deutschland zählen. Gesamt gesehen gibt es in der Bundesrepublik ca. 3,5 Millionen<br />

Menschen, die an einer Abhängigkeit von psychotropen Substanzen wie Alkohol,<br />

Medikamenten und illegalen Drogen erkrankt sind (Soyka, 1997, 1998). Zur<br />

Verdeutlichung des volksgesundheitlichen Ausmaßes: Die Anzahl der schizophren<br />

Erkrankten liegt bei knapp 800.000 Personen, die der schwer depressiv Erkrankten<br />

bei etwa 1 Million.<br />

Johann, Lange und Wodarz (2007) referieren US-amerikanische Studien, die zeigen,<br />

dass 37 % der Alkoholabhängigen und 50 % der Drogenabhängigen eine komorbide<br />

psychische Störung aufweisen. Dabei werden die komorbiden Störungen häufig<br />

unterschätzt und finden in der Therapieplanung wenig Berücksichtigung.<br />

Es ist unbestritten, dass es sich bei Substanzabhängigen hinsichtlich der Ätiologie,<br />

des Störungsverlaufs und der Therapie um eine heterogene Personengruppe handelt.<br />

Wesentlich für den Erfolg einer Therapie ist die Ergründung der Ursachen. Die<br />

Ursachen für eine psychotrope Abhängigkeit sind nach bisherigem Wissensstand<br />

multifaktoriell zu betrachten.<br />

Diese <strong>Diplomarbeit</strong> untersucht den multifaktoriellen Zusammenhang zwischen<br />

Alkohol- bzw. illegaler Drogenabhängigkeit und den damit zusammenhängenden<br />

und zurzeit am häufigsten diskutierten Faktoren des Persönlichkeitsstils, der Bindung<br />

und traumatischer Erfahrungen an einer Gruppe stationär oder teilstationär<br />

aufgenommener substanzabhängiger Männer. Die Daten werden mit denen einer<br />

nicht abhängigen Kontrollgruppe verglichen. Dabei wird die Bedeutung komorbider<br />

Störungen bei alkohol- und/oder drogenabhängigen Männern herausgearbeitet.<br />

Um einen ausgewählten Überblick über den derzeitigen Forschungsstand und den<br />

jeweiligen Grundannahmen zu geben, wird im Folgenden Abschnitt (Literatur).<br />

zunächst ein Überblick über Definitionen und Konzepte von Alkohol- und<br />

Drogenabhängigkeit geboten, von Persönlichkeit und Persönlichkeitsstilen und deren<br />

extremen Ausprägungen sowie von Bindung und traumatischen Erfahrungen.


I. Einleitung 2<br />

Die darauf folgenden Kapitel (5 – 10) verdeutlichen den Zusammenhang der Themen<br />

Persönlichkeitsstörung, Bindung und Psychotraumatisierung mit der<br />

Substanzstörung. Kapitel 11 zieht ein Resümee der dargelegten Befunde und leitet<br />

die Hypothesen der empirischen Untersuchung ab.<br />

Im dritten Abschnitt dieser Arbeit (Methoden) wird die Stichprobe, die verwandten<br />

Erhebungsinstrumente und das methodische Vorgehen bei der Datenerhebung<br />

beschrieben<br />

Im Abschnitt IV. (Ergebnisse) wird das Auswertungsvorgehen und die Ergebnisse<br />

dieser Erhebung präsentiert, die im Abschnitt V (Diskussion) interpretiert und<br />

kritisch diskutiert werden. Im VI. Abschnitt (Zusammenfassung) werden die<br />

Kernaussagen dieser Arbeit gebündelt dargestellt.


II. Literaturübersicht 3<br />

II. Literaturübersicht<br />

1. Alkohol- und Substanzmissbrauch bzw. -abhängigkeit<br />

Zum besseren Verständnis der Untersuchungsgruppe soll es in diesem ersten Kapitel<br />

zunächst um die Definition und Abgrenzung der Untersuchungsgruppe der Alkoholund<br />

Substanzmissbraucher bzw. - abhängigen gehen. Es wird hier ausschließlich auf<br />

Alkoholabhängige (1.1.1) und Abhängige von illegalen Drogen (1.1.2) Bezug<br />

genommen.<br />

1.1 Definition von Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit<br />

Der Überbegriff Alkoholismus kann in Missbrauch (bzw. schädlichen Gebrauch) und<br />

Abhängigkeit von Alkohol differenziert werden.<br />

Die Intensität der Beziehung zum Alkohol, Häufigkeit, Menge und Dauer des<br />

Konsums ist die Grundlage der klassifikatorischen Entscheidung, ob der<br />

entsprechende Konsument Missbraucher, schädlicher Gebraucher oder Abhängiger<br />

von Alkohol ist (vgl. Tabelle 1).<br />

Grundsätzlich kann beim Vorliegen von Entzugssymptomen von körperlicher<br />

Abhängigkeit gesprochen werden, die von der psychischen Abhängigkeit als<br />

unwiderstehlichem Drang nach Alkohol abgegrenzt werden kann (Tretter, 2000).<br />

Tabelle 1: Nomenklatur und Probleme der Verständigung in der Praxis (Tretter, 2000)<br />

• Normaler Gebrauch: gelegentlich zum Essen/Genuss<br />

1-2 Gläser (20-40g Männer, 10-20g Frauen)<br />

• Missbrauch: Rauschtrinken noch kein Schaden (Kater?),<br />

überwiegt subjektiver Nutzen?<br />

• Gefährlicher Gebrauch: mit dem Konsummuster sind deutliche Risiken<br />

verbunden<br />

• Schädlicher Gebrauch: Sturz, Verkehrsdelikt negative Konsequenzen<br />

objektivierbar<br />

• Abhängigkeit: trotz negativer Konsequenzen weiterer Konsum


II. Literaturübersicht 4<br />

1.2 Definition von Drogenmissbrauch und - abhängigkeit<br />

Nach Tretter (2000) kann Drogenabhängigkeit zunächst als abhängiger Konsum<br />

illegaler Drogen definiert werden, womit auch der Missbrauch verbunden ist. Tretter<br />

betont jedoch, dass der Begriff Missbrauch hier nicht zweckmäßig ist, da es sich um<br />

verbotene Drogen handelt, die nicht gebraucht werden dürfen. Hier wird die<br />

kulturgebundene Festlegung dieser Kategorien deutlich.<br />

1.3 Klassifikation<br />

Im Folgenden wird auf die Klassifikation von Abhängigkeit näher eingegangen, da<br />

sie ein maßgebliches Kriterium der Stichprobe ist.<br />

Weltweit haben sich zwei Klassifikationssysteme durchgesetzt, das Diagnostische<br />

und Statistische Manual Psychischer Störungen (DSM) der American Psychiatric<br />

Association (APA) und die Internationale Klassifikation von Krankheiten (ICD) der<br />

Weltgesundheitsorganisation (WHO), das in Europa maßgeblich ist bei der Diagnose<br />

von Krankheiten und somit auch in unserem Gesundheitssystem zur Codierung<br />

verpflichtend eingesetzt wird, weshalb im Folgenden das derzeitige ICD-10 (Dilling,<br />

Mombour & Schmidt, 2005) ausführlicher beschreiben wird als das DSM-IV (Saß,<br />

Wittchen, Zaudig & Houben, 2003).<br />

1.3.1 ICD-10-GM (2004/2005)<br />

Im V. Kapitel der ICD-10 werden unter der Kategorie F1 Psychische und<br />

Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (neben einer Restkategorie)<br />

neun große Gruppen psychotroper Substanzen aufgeführt: Alkohol, Opioide,<br />

Sedativa und Hypnotika, Kokain, Psychostimulanzien, Cannabinoide, Halluzinogene,<br />

Nikotin und Tabak und flüchtige Lösungsmittel.<br />

Unter F1 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen wird<br />

die akute Intoxikation (akuter Rausch), der schädliche Gebrauch und das<br />

Abhängigkeitssyndrom unterschieden.<br />

Das Abhängigkeitssyndrom wird mit folgenden Punkten definiert:<br />

1. Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, psychotrope Substanzen zu<br />

konsumieren (Craving).


II. Literaturübersicht 5<br />

2. Verminderte Kontrollfähigkeit über Beginn, Beendigung und Menge der<br />

psychotropen Substanz.<br />

3. Körperliches Entzugssyndrom bei Reduktion oder Beendigung der Substanz.<br />

4. Toleranzentwicklung und dementsprechende Steigerung der Dosis.<br />

5. Substanzkonsum gerät zunehmend in den Mittelpunkt, alles andere wird dem<br />

untergeordnet. Erhöhter Zeitaufwand für die Beschaffung, Konsumierung und<br />

Erholung von dessen negativen Folgen.<br />

6. Anhaltender Substanzkonsum, obwohl dessen negative Auswirkungen dem<br />

Konsumenten bewusst sind oder sein könnten.<br />

Eine gesicherte Abhängigkeitsdiagnose kann dann gestellt werden, wenn innerhalb<br />

eines Jahres mindestens drei der o.g. Punkte gleichzeitig gegeben waren.<br />

1.3.2 DSM-IV-TR (2003)<br />

Das DSM-IV-TR klassifiziert auf der Achse I die Störungen im Zusammenhang mit<br />

Psychotropen Substanzen und differenziert (wie auch das ICD-10) die Kategorien<br />

Substanzabhängigkeit, Substanzmissbrauch und Substanzintoxikation. Da die<br />

Kriterien der Substanzabhängigkeit im DSM-IV-TM weitgehend identisch sind mit<br />

denen des ICD-10 – im DSM wird lediglich der Punkt 2 des ICD-10 erweitert um<br />

den Punkt des anhaltenden Wunsches und (erfolgloser) Versuche den<br />

Substanzkonsum zu beenden oder zu verringern – werden sie hier nicht nochmals<br />

aufgeführt.<br />

1.4 Epidemiologie<br />

In einer im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung<br />

2003 durchgeführten „Repräsentativerhebung zum Gebrauch psychoaktiver<br />

Substanzen in Deutschland“ („Bundesstudie“) erhoben Augustin und Kraus (2005)<br />

das Konsumverhalten an einer Stichprobe von 8.061 Erwachsenen im Alter zwischen<br />

18 und 59 Jahren.<br />

Die hier im Folgenden vorgestellten epidemiologischen Daten beziehen sich auf<br />

diese Erhebung.


II. Literaturübersicht 6<br />

1.4.1 Alkohol<br />

17 % im Alter von 18 bis 59 Jahren gaben im Jahr 2003 an, in den letzten 30<br />

Monaten alkoholabstinent gewesen zu sein. Dies galt mit 21 % in höherem Maße für<br />

Frauen als für Männer (13 %).<br />

Hochgerechnet konsumierten insgesamt 12,3 % oder 5,5 Mio. Erwachsene (3,8 Mio.<br />

Männer und 1,7 Mio. Frauen) Alkohol über einen Grenzwert von 20g Reinalkohol<br />

pro Tag für Frauen und 30g Reinalkohol pro Tag für Männer.<br />

1.4.2 Cannabis<br />

Laut „Bundesstudie 2003“ ist Cannabis die am häufigsten konsumierte illegale<br />

Droge in Deutschland. 26 % der befragten 18- bis 59-Jährigen in Westdeutschland<br />

und 15 % in Ostdeutschland gaben an, mindestens einmal in ihrem Leben Cannabis<br />

konsumiert zu haben. Der Trend ist in beiden Bereichen steigend. In der Gruppe der<br />

18- bis 34-Jährigen ist die Lebenszeitprävalenz mit 37,4 % der Westdeutschen und<br />

30,3 % der Ostdeutschen deutlich größer. Am weitesten verbreitet ist der<br />

Cannabiskonsum in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen. Annähernd jeder Zweite<br />

(42,7 %) in Ost- und Westdeutschland gab an, Cannabis schon einmal in seinem<br />

Leben konsumiert zu haben. Die 12-Monatsprävalenzrate in dieser Altersgruppe ist<br />

in den neuen Bundesländern von 17 % im Jahr 2000 auf 19,6 % leicht gestiegen,<br />

wohingegen die Größe in den alten Bundesländern auf dem Niveau von 2000<br />

stagnierte (2000: 22 %; 2003: 22,1 %).<br />

Die 12-Monatsprävalenzrate in der Gruppe der 18- bis 59-Jährigen betrug 7 % für<br />

Ost- und 5,4 % für Westdeutschland. Die in der Gruppe der 18- bis 34-Jährigen<br />

betrug in Ostdeutschland 12,6 % und in Westdeutschland 14,6 %.<br />

Auf Gesamtdeutschland bezogen gaben 24,3 % (12-Monatsprävalenz: 6,8 %) der<br />

befragten 18- bis 59-Jährigen an, in ihrem Leben mindestens einmal Cannabis<br />

konsumiert zu haben. In der Gruppe der 18- bis 34-Jährigen waren dies 35,9 % (12-<br />

Monatsprävalenz: 14,3 %). Und auch wiederum in der Gruppe der 18- bis 24-<br />

Jährigen fand sich die weiteste Verbreitung mit 42,7 % (12-Monatsprävalenz:<br />

21,6 %).


II. Literaturübersicht 7<br />

1.4.3 Opiate<br />

Bei Opiaten wie Heroin, Methadon, Codein, Opium und Morphium ist der Konsum<br />

wenig verbreitet. Etwa 1,4 % der 18- bis 59-Jährigen gaben (2003) an, im Laufe ihres<br />

Lebens schon einmal Erfahrungen mit Opiaten gemacht zu haben. Die Angaben zur<br />

12-Monatsprävalenz sind deutlich geringer. Jedoch muss bei diesen geringen Werten<br />

beachtet werden, dass diese Konsumentengruppe statistisch schwer zu erreichen ist.<br />

Deshalb sollten diese Angaben nur als grobe Anhaltspunkte betrachtet werden und<br />

dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Opiatkonsum nach wie vor die<br />

meisten sozialen und gesundheitlichen Probleme verursacht.<br />

1.4.4 Kokain<br />

Auf Gesamtdeutschland bezogen lag die Lebenszeitprävalenz bei den 18- bis 59-<br />

Jährigen bei 3,0 % (12-Monatsprävalenz: 0,8 %). Die in der Gruppe der 18- bis 34-<br />

Jährigen lag bei 4,8 % (12-Monatsprävalenz: 1,6 %).<br />

In der Gruppe der 25- bis 29-Jährigen ist Kokain mit 5,7 % am weitesten verbreitet,<br />

gefolgt von der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen mit 4,4 % (12-Monatsprävalenz:<br />

1,8 %).<br />

1.4.5 Amphetamine<br />

In der Gruppe der Personen im Alter zwischen 18 und 24 Jahren findet sich in<br />

Westdeutschland eine Lebenszeitprävalenz von 5,9 % (12-Monats-Prävalenz:3,1 %).<br />

In Ostdeutschland beträgt die Lebenszeitprävalenz in der gleichen Gruppe 6,4 % (12-<br />

Monats-Prävalenz: 3,4 %). In der Gruppe der 18- bis 34-Jährigen beträgt die<br />

Lebenszeitprävalenz in den alten Bundesländern 5,5 %(12-Monats-Prävalenz: 2,3 %)<br />

und in den neuen 4,7 % (12-Monats-Prävalenz:2,1 %).<br />

Im Vergleich zu der Erhebung aus dem Jahr 1990 ist beim aktuellen<br />

Konsumverhalten eine leichte Steigerung zu verzeichnen.<br />

Insgesamt können, mit Ausnahme der älteren Altersgruppen, aufgrund der<br />

demographischen Entwicklung der Drogenerfahrung in Ostdeutschland kaum mehr<br />

wesentliche Unterschiede zwischen den beiden Regionen festgestellt werden.<br />

Auf Gesamtdeutschland bezogen gaben 3,3 % der befragten 18- bis 59-Jährigen an,<br />

in ihrem Leben mindestens schon einmal Amphetamine konsumiert zu haben (12-<br />

Monats-Prävalenz: 0,9 %). In der Gruppe der 18-bis 34-Jährigen waren dies 5,4 %


II. Literaturübersicht 8<br />

(12-Monats-Prävalenz: 2,2 %). In der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen hatten 6,0 %<br />

Lebenszeiterfahrungen mit Amphetaminen (12-Monats-Prävalenz:3,1 %).<br />

- Designerdrogen (Ecstasy etc.)<br />

Ecstasy ist auf dem bundesdeutschen Drogenmarkt erst seit Anfang der 90er Jahre<br />

bedeutsam geworden. Obwohl die Designerdroge erst gut 15 Jahre auf dem Markt<br />

ist, zeigt die Lebenszeitprävalenz von 5,4 % bei den 18- bis 24-Jährigen in<br />

Westdeutschland, dass Ecstasy in erheblichem Umfang konsumiert wird. Die<br />

Lebenszeitprävalenz in der Gruppe der 18- bis 34-Jährigen beträgt 5 %. Die<br />

Entwicklung in Westdeutschland zeigt, dass dieser Wert bei den Jungen<br />

Erwachsenen seit 1995 stabil geblieben ist, was jedoch nicht für Ostdeutschland gilt.<br />

Hier zeigt die Gruppe der 18- bis 24-Jährigen seit 1997 (2,4 %) einen Anstieg der<br />

Kokainkonsumenten auf 9,7 %. In der Gruppe der 18- bis 34-Jährigen in<br />

Ostdeutschland liegt die Lebenszeitprävalenz bei 6,3 %. Auf niedrigerem Niveau (1-<br />

2 %) findet sich diese Entwicklung auch bei der 12-Monatsprävalenz. Unterschiede<br />

in der 12-Monatsprävalenz von Ost- und Westdeutschland sind nicht festzustellen.<br />

Auf Gesamtdeutschland bezogen gaben in der Gruppe der 18- bis 59-Jährigen 2,4 %<br />

an, in ihrem Leben mindestens einmal Ecstasy konsumiert zu haben (12-<br />

Monatsprävalenz: 0,8 %). In der Gruppe der 18- bis 34-Jährigen waren dies 1,9 %<br />

und in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen sogar 6,3 % (12-Monatsprävalenz: 2,1 %).<br />

1.5 Ätiologie der Alkohol- und Drogenabhängigkeit<br />

Die Entwicklung einer Abhängigkeit, darüber sind sich Psychologen und Mediziner<br />

einig, ist niemals monokausal. Biologische, psychische und soziale Faktoren<br />

beeinflussen die Entwicklung einer Abhängigkeit. Es gibt auch einen großen Einfluss<br />

bestimmter Lebenssituationen. Im Folgenden werden einzelne Ätiologiemodelle<br />

vorgestellt, die – häufig schulengebunden – eine Suchtentwicklung und<br />

Aufrechterhaltung zu erklären versuchen. Dabei liegt der Fokus in dieser Arbeit auf<br />

dem Zusammenhang von Traumata, Persönlichkeitsstilen und Bindungserfahrungen<br />

mit Substanzabhängigkeit.


II. Literaturübersicht 9<br />

1.5.1 Lerntheoretische Modelle<br />

- Operante Konditionierung<br />

Ein wichtiges und in der Forschung unbestrittenes Modell der Suchtentwicklung ist<br />

das lernpsychologische Modell der Sucht (vgl. Revenstorf & Metsch, 1986; zitiert<br />

nach: Tretter & Müller, 2001) und basiert im wesentlichen auf dem bekannten<br />

„Lernen am Erfolg“ (operantes Konditionieren). Verhalten mit unmittelbaren<br />

positiven Effekten wird wiederholt, Verhalten mit unmittelbaren negativen Effekten<br />

wird vermieden.<br />

Dem Grundlagenmodell der modernen Verhaltensanalyse nach Kanfer und Saslow<br />

(1965) zufolge beruht die Suchtentwicklung auf folgendem Bedingungsgefüge (vgl.<br />

Schneider, 1985; Tretter & Müller, 2001):<br />

Situative Bedingungen (S), organismische Zustände (O), Reaktionen (R),<br />

Kontingenzen (K) und Konsequenzen (englisch: C).<br />

Besteht zwischen den Konsequenzen (C) des Verhaltens eine Kontingenz (K), dann<br />

tritt eine Verstärkung (oder ggf. Bestrafung) des Verhaltens auf, wodurch die<br />

Auftrittswahrscheinlichkeit des Verhaltens verändert wird. Dieses Modell wird kurz<br />

SORKC-Modell genannt.<br />

- Klassische Konditionierung<br />

Mit dem Prinzip der klassischen Konditionierung, also des „Signallernens“, wird die<br />

Kontextbezogenheit des Drogenkonsums durch konstante situative Faktoren<br />

verdeutlicht. Das Auftreten eines mit dem Suchtstoff konditionierten Cues kann das<br />

süchtige Verlangen (Craving) auslösen.<br />

- Lernen am Modell<br />

Neben dem „Lernen am Erfolg“ und der klassischen Konditionierung kann die<br />

Suchtentwicklung auch durch das „Lernen am Modell“ gefördert werden. Kinder<br />

können bereits den elterlichen Alkoholkonsum nachahmen – 1 % der männlichen<br />

Bevölkerung haben bereits vor dem 6. Lebensjahr Erfahrungen mit Alkohol gemacht<br />

(Feuerlein, 1989).<br />

Zusammenfassend erklärt die lernpsychologische, verhaltensanalytische Sichtweise<br />

die Suchtentwicklung mit einem selbstverstärkenden Bedingungsgefüge und betont<br />

den zunehmenden Automatismus der Suchtentwicklung.


II. Literaturübersicht 10<br />

1.5.2 Kognitive Modelle<br />

Die kognitiven Modelle betonen die Rolle von Wahrnehmung, Erwartung,<br />

automatisierten Denkabläufen, Bewertungsprozessen und intentionalem Handeln bei<br />

der Entwicklung und Steuerung von Verhalten und somit auch von süchtigem<br />

Verhalten.<br />

In der Therapie wird durch Veränderungen der Kognitionen versucht, den sich selbst<br />

verstärkenden Prozess der Suchtentwicklung zu durchbrechen. In<br />

experimentalpsychologischen Untersuchungen wurde die Bedeutung der kognitiven<br />

Faktoren (z.B. Erwartung) auf das Gesamterleben bestätigt.<br />

- Selbstwirksamkeitserwartung<br />

Eines der zentralen Modelle ist das Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung nach<br />

Bandura (1977). Die Selbstwirksamkeitserwartung des Alkoholikers beim Versuch,<br />

eine Situation selbst und nüchtern zu bewältigen, fällt allgemein geringer aus als der<br />

erlebte Handlungseffekt unter Alkohol. In lustvollen oder unlustvollen Situationen<br />

werden die Selbstwirksamkeitserwartungen also zunächst durch Alkohol gesteigert.<br />

Die Wahrscheinlichkeit für den Alkoholismus steigt nach den Modellen der<br />

kognitiven Psychologie nach Schneider (1982; zitiert nach Tretter & Müller, 2001):<br />

1. mit dem Grad der wahrgenommenen Stressbelastung in einer Situation<br />

(Risikosituation): „Der Zustand ist unerträglich“.<br />

2. mit dem Grad der wahrgenommenen persönlichen Unfähigkeit zur Kontrolle<br />

der Situation, im Sinne der Selbstunwirksamkeitserwartung: „Ich kann nichts<br />

machen“.<br />

3. mit dem Mangel an adäquaten Bewältigungsstrategien: „Es hilft nichts“.<br />

4. mit den Wirksamkeitserwartungen des Alkoholtrinkens als alternative<br />

Bewältigungsstrategie: „Trinken tut gut“.<br />

5. mit der Verfügbarkeit des Alkohols und den Trinkzwängen: „Da gibt es was<br />

zu trinken“.<br />

In der Therapie werden sowohl die Situationswahrnehmung, die<br />

Selbstwirksamkeitsbewertung als auch Bewältigungsstrategien verändert.


II. Literaturübersicht 11<br />

- Das Sucht-Modell von Beck, Wright, Newman und Liese (1997)<br />

In dem Sucht-Modell von Beck et al. (1997) gibt es kognitive Grundannahmen, die<br />

z.B. das Selbstbild betreffen („ich tauge nichts“) und ihre besondere funktionelle<br />

Bedeutung dadurch bekommen, dass sie als Soll-Regeln wirken („die anderen sollen<br />

mich akzeptieren“) und durch das Nichterreichen als emotional belastend erfahren<br />

werden („keiner beachtet mich“) oder eben z.B. nach therapeutischer Intervention<br />

verändert werden („ich kann nicht jedem gefallen“) und dann weniger belasten.<br />

Darüber hinaus gibt es konditionale Annahmen („wenn ich mich perfekt verhalte,<br />

dann finde ich Anerkennung“), nach denen versucht wird zu handeln. Zudem werden<br />

einzelne Ereignisse bzw. Erfahrungen nun von automatischen Gedanken begleitet,<br />

die bei typischen Ereignissen, also auch bei Scheitern, auftreten („es ist egal, was ich<br />

mache, es beachtet mich niemand“). Nun werden kompensatorische Strategien<br />

realisiert, z.B. zum emotionalen Ausgleich Alkohol zu trinken, wobei bei<br />

entsprechenden Vorerfahrungen erst einmal spezifische Gedanken auftreten („ein<br />

Bier wäre jetzt gut“), die das Verlangen erzeugen. Nach dem Auftreten erlaubender<br />

Gedanken („einmal kannst du ruhig was trinken“) kommt es zu Konsumverhalten<br />

(vgl. Abb. 1).<br />

Abbildung 1: Die affektiv-kognitiven Prozesse beim Rückfall wegen sozialer Isolation<br />

(Beck et al. 1997).


II. Literaturübersicht 12<br />

Zusammenfassend zeigen die kognitiven Modelle die Bedeutung der Gedanken und<br />

Selbstannahmen für die Entwicklung einer Abhängigkeit und bieten Ansatzpunkte<br />

zur Veränderung.<br />

1.5.3 Das Diathese-Stress-Modell<br />

Das Diathese-Stress-Modell nach Ferstl (1991) geht davon aus, dass eine<br />

Veranlagung, die entweder durch genetische oder frühkindliche Erkrankungs- bzw.<br />

Lernprozesse erklärt werden kann, unter späteren Belastungsbedingungen aktiviert<br />

wird. Es ist dabei aber keineswegs ausgeschlossen, dass auch eine Diathese ein<br />

erworbener Faktor ist. Es bleibt jedoch offen, inwieweit es sich dabei um spezifische<br />

Determinanten einer späteren Fehlentwicklung handelt.<br />

1.5.4 Das soziopsychosoziale Modell<br />

Der nach Ferstl (1991) in der Verhaltenstheorie als soziopsychobiologisches Modell<br />

bezeichnete Zugang zu pathologischen Phänomenen geht in seinen Grundannahmen<br />

davon aus, dass Details, wie z.B. die Suchtproblematik, nur dann schlüssig aufgeklärt<br />

werden können, wenn die mannigfaltigen Wechselwirkungen von kognitiven,<br />

behavioralen, sozialen und biologischen Faktoren berücksichtigt werden:<br />

- Die soziale Beobachtungsebene<br />

Auf ihr werden die Kommunikations- und Interaktionsprozesse, familiäre Einflüsse,<br />

aber auch die Schichtzugehörigkeit als Einflussgrößen der Störungsgenese<br />

beschrieben.<br />

- Der kognitiv-emotionale Bereich<br />

Auf dieser Ebene finden die emotionalen und gedanklichen internen Prozesse, die als<br />

„covert events“ einer äußeren Beobachtung nur teilweise zugänglich sind, besondere<br />

Aufmerksamkeit. So ist z.B. zu beobachten, dass die erwartete Wirkung eines<br />

Suchtstoffes einen Einfluss auf die tatsächliche Wirkung hat (Marlatt & Gordon,<br />

1985).<br />

- Die Ebene der Verhaltensbeobachtung<br />

Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit liegen auf dieser Ebene alle im Bezug einer<br />

Störung stehenden relevanten Verhaltensauffälligkeiten sowie deren auslösende


II. Literaturübersicht 13<br />

Bedingungen und Konsequenzen. Die einzelnen Teilstörungsbereiche werden also<br />

somit im Kontext ihrer sozialen, emotionalen und kognitiven Bedingungen<br />

analysiert. Im Behandlungsplan wird ihrer Rechnung getragen. Diesem liegt die<br />

Vorstellung zugrunde, dass der Patient mit seiner Verhaltensänderung und den damit<br />

verbundenen neuen Kontingenzen eine Stabilisierung seines Lebens erreichen kann.<br />

- Die biologische Beobachtungsebene<br />

Von Interesse sind hier alle bisher bekannten körperlichen Begleiterscheinungen<br />

(z.B. Zittern bei Suchtstoffentzug) und die biologischen Grundlagen (z.B. neuronale<br />

Veränderungen) einer Störung.<br />

1.5.5 Psychodynamische Modelle<br />

Verkürzt man die Ideengeschichte der Psychoanalyse auf besonders markante<br />

Begriffe, dann spiegelt sich seelisches Geschehen im wesentlichen im z.T.<br />

unbewussten Kräftefeld zwischen den psychischen Instanzen Es, Ich und Über-Ich<br />

ab: In dieser Sichtweise ist die Droge ein Hilfsmittel für das Ich, die (verdrängten)<br />

Bedürfnisse des Es gegenüber dem Über-Ich durchzusetzen. Dabei erfolgte in der<br />

moderneren psychodynamischen Konzeptualisierung eine Schwerpunktverlagerung<br />

von der trieb- zur ichpsychologischen Auffassung:<br />

- Narzissmusproblematik und Über-Ich-Pathologie<br />

Wurmser (1987) stellte diesen Aspekt gemäß dem Prinzip „Flucht vor dem<br />

Gewissen“ in Form einer Über-Ich-Psychopathologie in den Vordergrund der<br />

psychoanalytischen Theorie und Therapie der Drogensucht. Er konstatiert als<br />

Kernpunkt auch eine Narzissmusproblematik, wie sie auch bereits von Kohut (1973)<br />

stärker in den Vordergrund gestellt wurde.<br />

- Objektbeziehungstheorie nach Kernberg (1978)<br />

Gemäß der Objektbeziehungstheorie nach Kernberg (1978) sind die Erfahrungen der<br />

Person mit sich selbst in Form von affektiv-kognitiven Schematisierungen als<br />

„Selbstrepräsentanzen“ und die Erfahrung mit der Umwelt als<br />

„Objektrepräsentanzen“ gespeichert. Für die psychische Stabilität und Gesundheit<br />

sind besonders die Qualität des Selbstbildes (Selbstrepräsentanz) als auch die Bilder<br />

der Umwelt (Objektrepräsentanz), vor allem im Sinne einer zu engen, zu diffusen


II. Literaturübersicht 14<br />

oder mangelnden Objektbeziehung (z.B. Beziehung zur Mutter) mit ihren<br />

libidonösen und aggressiven Anteilen (gut und böse) von Bedeutung. Bleiben in der<br />

frühkindlichen psychosozialen Entwicklung der Person diesbezüglich hinreichende<br />

Erfahrungen versagt, führt dies zu defekten Objekt- und Selbstrepräsentanzen.<br />

Aufgrund struktureller Defizite der Objekt- und Selbstrepräsentanzen ist das Ich bei<br />

der Regulation der aktuellen psychischen Prozesse oftmals überfordert („Ich-<br />

Schwäche“). Eingesetzte Abwehrmechanismen wie Projektion, Externalisierung,<br />

Verleugnung oder Rationalisierung reichen oftmals nicht aus, so entsteht eine<br />

Reizüberflutung mit nicht identifizierbaren und schwer steuerbaren Unlustgefühlen.<br />

Dieser Prozess wird als „Affektintoleranz“ bezeichnet. Durch den Zusammenbruch<br />

der Regulierungssysteme entsteht Angst, die das gesamte Erleben ungerichtet<br />

durchdringt. Es treten Gefühle des Gescheitert-, Missachtet-, Verlassenseins und<br />

Verzweiflung, Ohnmacht und Wut auf. Reale Belastungen führen aber auch oftmals<br />

zu unverständlich massiven Enttäuschungsreaktionen und nach Rost (1986) zu<br />

typischer Frustrationsintoleranz.<br />

In dieser gestörten Informationsverarbeitung gelingt es durch Konsum von<br />

Rauschmitteln die positiven Anteile des Selbst anzuregen. Solche im Rauscherleben<br />

erfolgenden Verklärungen des Selbst verschärfen jedoch letztlich nur die realen<br />

Beziehungsstörungen mit der Umwelt in der darauf folgenden nüchternen<br />

Erlebensphase.<br />

Die unangenehmen Erfahrungen im Nüchternheitszustand fördern in der Folge<br />

wiederum Bedürfnisse nach Verschmelzung und Harmonie, die im Rauscherleben<br />

fiktiv ermöglicht sind. Das Über-Ich entwickelt jedoch bald unerträgliche<br />

Schamgefühle, mit dem Resultat, dass der Rauschmittelkonsum geleugnet wird.<br />

Zudem führt die Drogenwirkung wiederum zur angenehmen Auflösung und<br />

Inaktivierung des Über-Ichs, das Ich kann somit den Impulsen des Es nachgeben, der<br />

Teufelskreis schließt sich.<br />

- Drogenkonsum als Affektabwehr<br />

Nach Wurmser (1983) stellt Drogenkonsum einen Abwehrmechanismus dar. Im<br />

Zentrum dieses Ansatzes stehen Affekte, die ein Individuum völlig überwältigen<br />

können. „Drogen werden genommen, um Affektstürme oder ständig nagende<br />

dysphorische Stimmungen zu verhindern oder zu mildern“ (Wurmser, 1983; zitiert<br />

nach Literie & Welz, 1983). Dabei wird eine Tendenz zur Affektregression vermutet,


II. Literaturübersicht 15<br />

die sich darin zeigt, dass die Emotionen, die häufig global und undifferenziert<br />

erfahren werden, nur unzureichend in Worte oder andere symbolischen Formen<br />

ausgedrückt werden können. Der Drogenkonsum stellt somit einen Versuch dar, die<br />

emotionale Bedeutung einer Wahrnehmung der äußeren oder inneren Realität im<br />

Unbewussten, unwirksam oder irrelevant werden zu lassen.<br />

- Entwicklungsstörungen als Ursache der Sucht?<br />

Aufgrund frühkindlicher Störungen der Mutter-Kind-Interaktion erfolgt beim<br />

Suchtkranken häufig eine Spaltung der Objektrepräsentanzen und der<br />

Selbstrepräsentanzen in gute und böse Anteile einerseits und eine Verschmelzung<br />

von Objekt (Umwelt) und Selbst mit dem Ergebnis mangelnder Autonomie und<br />

persistierender Abhängigkeit. Ebenso können Phantasie-Wirklichkeitsbeziehungen<br />

entwicklungsbedingt unzulänglich abgegrenzt sein (Anspruchsdenken, überhöhte<br />

Erwartungen).<br />

Aufgrund solch einer Konfiguration des Selbstbildes und des Umweltbildes sind<br />

„Selbstwert-Regulationskrisen“ („narzisstische Krisen“) häufig, die sich wiederum in<br />

Beziehungsstörungen ausdrücken, verbunden mit der exzessiven Suche nach<br />

Anerkennung oder einer Abgrenzung gegenüber der Umwelt („Abhängigkeits-<br />

Autonomie-Konflikt“; Küfner, 1989, Heigl-Evers, 1985; zitiert nach Tretter &<br />

Müller, 2001).<br />

1.5.6 Das Selbstachtungsmotiv als Erklärungsvariable des Drogenkonsums<br />

In der Selbstachtungstheorie von Kaplan (1983) hat der Drogenkonsum die Funktion,<br />

die als subjektiv qualvoll empfundenen Selbstablehnungseinstellungen mehr oder<br />

weniger effektiv zu reduzieren. Sie basiert auf dem Postulat des<br />

Selbstachtungsmotivs, wobei davon ausgegangen wird, dass eine Person durch ihr<br />

Verhalten anstrebt, die Erfahrung positiver Selbsteinstellungen zu maximieren und<br />

die Erfahrung negativer Selbsteinstellungen zu minimieren. Dabei sind unter<br />

„Selbsteinstellungen“ die mehr oder weniger intensiven positiven und negativen<br />

emotionalen Erfahrungen bei der Wahrnehmung und Beurteilung der eigenen<br />

Eigenschaften und Verhaltensweisen gemeint. Es kommt dabei zu einer<br />

Selbstablehnung, wenn ein Individuum außer Stande ist, sich gegen Umstände, die in<br />

der Konsequenz zu Selbstabwertung führen (Missbilligung von Verhaltensweisen


II. Literaturübersicht 16<br />

und Eigenschaften und negative Bewertung des Individuums durch subjektiv<br />

bedeutsame Personen), zu wehren, sich ihnen anzupassen oder sie zu verarbeiten.<br />

Die Person verliert infolge des tatsächlichen und subjektiv erlebten Zusammenhangs<br />

zwischen vergangener Gruppenerfahrungen und der Entwicklung von stark negativen<br />

Selbsteinstellungen die Motivation, sich der Gruppennorm anzupassen, und wird<br />

motiviert, davon abzuweichen. Gleichzeitig sucht das Individuum aufgrund des<br />

unerfüllten Selbstachtungsmotiv nach Alternativen, d.h. devianten Reaktionsmustern,<br />

die eine Aussicht auf die Verringerung der negativen Erfahrungen und eine<br />

Steigerung positiver Erfahrungen der Selbsteinstellung bieten.<br />

Die Übernahme der devianten Verhaltensweise hat selbstaufwertende Konsequenzen,<br />

wenn sie die intrapsychische oder interpersonale Vermeidung von selbstabwertenden<br />

Erfahrungen fördert, die an die Zugehörigkeit zu sozial nicht abweichenden<br />

(normativen) Gruppen geknüpft waren. Das ist in gleicher Weise so, wenn sie dazu<br />

beiträgt, die normative Gruppenstruktur verkörpernden Personen und Objekte in<br />

symbolischer und/oder tatsächlicher Form zu bekämpfen. Oder aber, wenn für die<br />

Verhaltensmuster, die mit der Bildung von Selbstablehnungseinstellungen verbunden<br />

waren, Ersatzmuster mit Selbstaufwertungspotentialen zur Verfügung stehen.<br />

Ersatzbefriedigungen können durch die Identifikation mit einer Gruppe von<br />

Drogenkonsumenten erlangt werden. Sie akzeptieren das Individuum aufgrund der<br />

Anpassung an das Konsummuster. Durch die pharmakologische Wirkung der<br />

Loslösung oder Betäubung von Selbstbestrafungsgefühlen kommt es zu einer<br />

harmonischen Stimmungslage, erleichterter selbstaufwertender sozialer Interaktion<br />

und dem Gefühl, mehr Anerkennung zu bekommen.<br />

Zusammenfassend lässt sich anführen, dass in psychoanalytischer Sichtweise eine<br />

dominante Objektbeziehung zur Sicherung des narzisstischen Wohlbefindens<br />

letztlich dazu führt, dass das Ich geschwächt wird. Diese Ich-Schwäche stellt letztlich<br />

eine massive Funktionsstörung dar, da sie eine Störung der Wahrnehmung von<br />

Innen- und Außenreizen darstellt, ein Unvermögen der Affektdifferenzierung bewirkt<br />

und letztlich zu einem Zusammenbruch der gesamten Informationsverarbeitung<br />

führen kann. In dieser Konzeptualisierung ist die Sucht als ein Versuch der<br />

Selbstheilung anzusehen (vgl. Kap. 10.2.1).


II. Literaturübersicht 17<br />

2. Persönlichkeitsstile<br />

Von Interesse dieser Arbeit sind die Zusammenhänge von Persönlichkeitsstilen und<br />

deren extreme Ausprägung bzw. (spezifischen) Persönlichkeitsstörungen mit<br />

Trauma-Erfahrung und Sucht. So soll in diesem Kapitel der aktuelle Forschungsstand<br />

zum Zusammenhang von Persönlichkeitsstilen und Suchtentwicklung dargelegt<br />

werden.<br />

Im Folgenden soll daher zunächst eine allgemeine Definition von Persönlichkeit und<br />

Persönlichkeitseigenschaften vorgestellt werden. Danach werden die<br />

Einteilungskriterien der Persönlichkeitsstörungen nach ICD-10 und DSM-IV<br />

dargestellt, um daraufhin in diesem Zusammenhang ausgewählte Ätiologiemodelle<br />

aufzuzeigen.<br />

2.1 Definition von Persönlichkeit und Persönlichkeitseigenschaften<br />

Fiedler definiert schulenübergreifend „Persönlichkeit und Persönlichkeitseigenschaften<br />

eines Menschen [...] [als] Ausdruck der für ihn charakteristischen<br />

Verhaltensweisen und Interaktionsmuster, mit denen er gesellschaftlich-kulturellen<br />

Anforderungen und Erwartungen zu entsprechen und seine zwischenmenschlichen<br />

Beziehungen auf der Suche nach einer persönlichen Identität mit Sinn zu füllen<br />

versucht“ (Fiedler, 2001, S. 3).<br />

2.2 Definition Persönlichkeitsstörung<br />

Nach Dilling, Mombour und Schmidt (2005) umfassen die spezifischen<br />

Persönlichkeitsstörungen „tief verwurzelte, anhaltende Verhaltensmuster, die sich in<br />

starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigen.<br />

Dabei findet man gegenüber der Mehrheit der Bevölkerung deutliche Abweichungen<br />

im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und in der Beziehung zu anderen. Solche<br />

Verhaltensmuster sind zumeist stabil und beziehen sich auf vielfältige Bereiche von<br />

Verhalten und psychischen Funktionen. Häufig gehen sie mit persönlichem Leiden<br />

und gestörter Funktionsfähigkeit einher“ (vgl. Dilling, Mombour & Schmidt, 2005,<br />

S. 225).<br />

Kurt Schneider betonte schon 1923, dass es sich bei Persönlichkeitsstörungen um<br />

extreme Ausprägungen von bestimmten Persönlichkeitsstilen handelt, die entweder<br />

die Person selbst oder andere stören (Schneider, 1923; zitiert nach Trautmann, 2004).


II. Literaturübersicht 18<br />

2.3 Klassifikation<br />

Im folgenden wird zunächst ein Überblick über die Klassifikation der<br />

Persönlichkeitsstörungen nach den beiden gängigen Klassifikationssysteme ICD-10<br />

der WHO und DSM-IV der APA gegeben. Siehe auch kritisch hierzu Trautmann-<br />

Sponsel und Zaudig (1997).<br />

2.3.1 ICD-10-GM (2004/2005)<br />

Im V. Kapitel der ICD-10 werden unter der Kategorie F6 Persönlichkeits- und<br />

Verhaltensstörungen kodiert. Unter F60 findet man die spezifischen<br />

Persönlichkeitsstörungen. Im einzelnen sind dies unter:<br />

F60.0 paranoide Persönlichkeitsstörung<br />

F60.1 schizoide Persönlichkeitsstörung<br />

F60.2 dissoziale Persönlichkeitsstörung<br />

F60.3 emotional instabile Persönlichkeitsstörung<br />

.30 impulsiver Typ<br />

.31 Borderliner-Typ<br />

F60.4 histrionische Persönlichkeitsstörung<br />

F60.5 anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung<br />

F60.6 ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung<br />

F60.7 abhängige (asthenische) Persönlichkeitsstörung<br />

F60.8 sonstige spezifische Persönlichkeitsstörungen<br />

F60.9 nicht näher bezeichnete Persönlichkeitsstörung<br />

Dabei gibt das ICD-10 allgemeine diagnostische Leitlinien für<br />

Persönlichkeitsstörungen vor, die – neben den Beschreibungen der spezifischen<br />

Störungen – vorliegen müssen, um eine Persönlichkeitsstörung diagnostizieren zu<br />

können (vgl. Dilling et al., 2005):<br />

1. Deutliche Unausgeglichenheit in den Einstellungen und im Verhalten in<br />

mehreren Funktionsbereichen wie Affektivität, Antrieb, Impulskontrolle,<br />

Wahrnehmen und Denken sowie in der Beziehung zu anderen.<br />

2. Das auffällige Verhaltensmuster ist andauernd und gleichförmig und nicht auf<br />

Episoden psychischer Krankheiten begrenzt.<br />

3. Das auffällige Verhaltensmuster ist tiefgreifend und in vielen persönlichen und<br />

sozialen Situationen eindeutig unpassend.


II. Literaturübersicht 19<br />

4. Die Störungen beginnen immer in der Kindheit oder Jugend und manifestieren<br />

sich auf Dauer im Erwachsenenalter.<br />

5. Die Störung führt zu deutlichem subjektiven Leiden, manchmal jedoch erst im<br />

späteren Verlauf.<br />

6. Die Störung ist meistens mit deutlichen Einschränkungen der beruflichen und<br />

sozialen Leistungsfähigkeit verbunden.<br />

Zudem dürfen die Zustandsbilder nicht direkt auf beträchtlichere Hirnschädigungen<br />

oder -krankheiten oder auf eine andere psychiatrische Störung zurückzuführen sein.<br />

Für die Fragestellung dieser Arbeit von Interesse ist die Kategorie F62 andauernde<br />

Persönlichkeitsänderungen, nicht Folge einer Schädigung oder Krankheit des<br />

Gehirns. Sie sollte deshalb nicht unerwähnt bleiben:<br />

Hierbei handelt es sich um Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, die sich bei<br />

Personen ohne vorbestehende Persönlichkeitsstörung nach extremer oder übermäßig<br />

anhaltender Belastung (F62.0) entwickelt haben oder nach schwerer psychiatrischer<br />

Krankheit (F62.1). Bei grober Betrachtung werden Persönlichkeitsänderungen in der<br />

ICD-10 wie im DSM-IV ähnlich beschrieben, nämlich als<br />

Persönlichkeitsauffälligkeiten, die im Gegensatz zu den Persönlichkeitsstörungen<br />

erst im Erwachsenenalter erworben wurden und eine zuvor beobachtbare<br />

Persönlichkeitsstruktur ereignisabhängig markant verändern.<br />

Die Belastung muss dabei so extrem sein, dass eine Vulnerabilität des Individuums<br />

als Erklärung für die gravierenden Auswirkungen auf die Persönlichkeit nicht<br />

ausreicht. Als Beispiele hierfür sind zu nennen: Erlebnisse in Konzentrationslagern,<br />

Folter, Katastrophen, andauernde lebensbedrohliche Situationen (als Geisel,<br />

langandauernde Gefangenschaft mit drohender Todesgefahr). Unter dieser Kategorie<br />

ausgeschlossen sind jedoch langanhaltende Änderungen der Persönlichkeit infolge<br />

einer kurzzeitigen Lebensbedrohung wie bei einem Verkehrsunfall, da neuere<br />

Forschungsergebnisse bei solchen Entwicklungen auf eine vorbestehende psychische<br />

Vulnerabilität hinweisen (Dilling et. al., 2005).


II. Literaturübersicht 20<br />

2.3.2 DSM-IV-TR (2003)<br />

Das DSM-IV-TR klassifiziert auf der Achse II die Persönlichkeitsstörungen, die auf<br />

der Grundlage von deskriptiven Ähnlichkeiten in drei Hauptgruppen (Cluster)<br />

eingeteilt sind:<br />

Cluster A:<br />

- 301.00 (F60.0) Paranoide Persönlichkeitsstörung<br />

- 301.20 (F60.1) Schizoide Persönlichkeitsstörung<br />

- 301.22 (F21) Schizotypische Persönlichkeitsstörung<br />

Cluster B:<br />

- 301.7 (F60.2) Antisoziale Persönlichkeitsstörung<br />

- 301.83 (F60.31) Borderline Persönlichkeitsstörung<br />

- 301.50 (F60.4) Histrionische Persönlichkeitsstörung<br />

- 301.81 (F60.4) Narzisstische Persönlichkeitsstörung<br />

Cluster C:<br />

- 301.82 (F60.6) Vermeidend-Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung<br />

- 301.6 (F60.7) Dependente Persönlichkeitsstörung<br />

- 301.4 (F60.5) Zwanghafte Persönlichkeitsstörung<br />

Um eine Persönlichkeitsstörung nach dem DSM-IV diagnostizieren zu können, muss<br />

die betreffende Person neben den störungsspezifischen Kriterien folgende allgemeine<br />

diagnostische Kriterien einer Persönlichkeitsstörung erfüllen (vgl. APA, DSM-IV-<br />

TR, 2003):<br />

A. „Ein überdauerndes Muster von innerem Erleben und Verhalten, das merklich<br />

von den Erwartungen der soziokulturellen Umgebung abweicht. Dieses Muster<br />

manifestiert sich in mindestens zwei der folgenden Bereiche:<br />

1) Kognition (also die Art, sich selbst, andere Menschen und Ereignisse<br />

wahrzunehmen und zu interpretieren),<br />

2) Affektivität (also die Variationsbreite, die Intensität, die Labilität und<br />

Angemessenheit emotionaler Reaktionen),<br />

3) Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen,<br />

4) Impulskontrolle.<br />

B. Das überdauernde Muster ist unflexibel und tiefgreifend in einem weiten Bereich<br />

persönlicher und sozialer Situationen.


II. Literaturübersicht 21<br />

C. Das überdauernde Muster führt in klinisch bedeutsamer Weise zu Leiden oder<br />

Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen<br />

Funktionsbereichen.<br />

D. Das Muster ist stabil und langandauernd, und sein Beginn ist zumindest bis in die<br />

Adoleszenz oder ins frühe Erwachsenenalter zurückzuverfolgen.<br />

E. Das überdauernde Muster lässt sich nicht besser als Manifestation oder Folge<br />

einer anderen psychischen Störung erklären.<br />

F. Das überdauernde Muster geht nicht auf die direkte körperliche Wirkung einer<br />

Substanz (z.B. Droge, Medikament) oder eines medizinischen Krankheitsfaktors<br />

(z.B. Hirnverletzung) zurück.“<br />

2.4 Epidemiologie<br />

Nach Saß und Jünemann (2000) dürfte die Prävalenz von Menschen mit auffälliger<br />

Persönlichkeit in der unausgelesenen Allgemeinbevölkerung amerikanischer und<br />

deutscher Studien zufolge knapp 10 % betragen. In einer zwischen 1988 und 1990<br />

durchgeführten internationalen Studie der WHO (Loranger, Satorius & Andreoli,<br />

1994; zitiert nach Saß & Jünemann, 2000) an 716 psychiatrischen (295 stationär und<br />

421 ambulant behandelten) Patienten aus 12 verschiedenen Ländern wurde bei<br />

39,5 % mindestens eine Persönlichkeitsstörung nach ICD-10 diagnostiziert. Die<br />

geringste Häufigkeit weist mit 1,8 % die schizoide Persönlichkeitsstörung auf. Die<br />

häufigsten Störungen werden für die ängstlich-vermeidende mit 15,2 % und die<br />

emotional-instabile Persönlichkeitsstörung (Borderline Typ) mit 14,9 % verzeichnet.<br />

In Deutschland zeigen sich nach ersten Studienergebnissen ähnliche<br />

Verteilungsmuster. In einer forensisch-psychiatrischen Stichprobe fanden sich<br />

Prävalenzdaten sogar bis 80 %.<br />

2.5 Theorien zur Entstehung von Persönlichkeitsstörungen<br />

Da in dieser Arbeit die Zusammenhänge von Persönlichkeitsstilen und Sucht<br />

untersucht werden, wird im Folgenden zunächst ein kurzer Überblick geboten, wie<br />

die verschiedenen Schulen Persönlichkeitsstile bzw. in extremer Ausprägung<br />

Persönlichkeitsstörungen konzeptualisieren. Dabei ist zu beachten, dass die in der<br />

Wissenschaft vorhandenen Modellvorstellungen zur Ätiologie und Pathogenese von


II. Literaturübersicht 22<br />

Persönlichkeitsstörungen äußerst vielfältig sind und häufig ohne nennenswerte<br />

Bezugnahme konkurrierend nebeneinander stehen.<br />

2.5.1 Biologische Theorien<br />

In biologisch orientierten Theorien werden Persönlichkeitsstörungen als<br />

pathologische Zuspitzung bestimmter Persönlichkeitszüge aufgefasst. Sie werden als<br />

konsistente Muster des Verhaltens, des Erlebens und der Kognitionen aufgefasst, die<br />

für eine Person charakteristisch sind und die dabei auf genetische Faktoren,<br />

insbesondere Temperamente, aber auch Umweltfaktoren und soziales Lernen<br />

zurückzuführen sind (Rutter 1987b; zitiert nach Wöller, 2006). Unter<br />

Temperamenten werden konstitutionell angelegte und weitgehend genetisch<br />

determinierte, angeborene Dispositionen zu Reaktionsweisen auf Umweltreize<br />

verstanden, gerade auch hinsichtlich der Intensität, des Rhythmus und der Schwelle<br />

affektiver Reaktionen. Hierzu zählen auch angeborene Dispositionen zur kognitiven<br />

Organisation und zum motorischen Verhalten. Temperamente können als<br />

Verhaltensdispositionen beschrieben werden, die im Wesentlichen schon bei der<br />

Geburt vorhanden sind und auch zumeist bis ins hohe Lebensalter unverändert<br />

fortbestehen (Chess & Thomas, 1990; Maziade et al., 1990; zitiert nach Wöller,<br />

2006). Verhaltensgenetiker haben die Stärke des Zusammenhangs zwischen<br />

genetischem Einfluss und Persönlichkeitsstörungen in Zwillings- und<br />

Adoptionsstudien eindrucksvoll herausarbeiten können. Etwa die Hälfte der Varianz<br />

der meisten Persönlichkeitszüge konnte auf genetische Einflüsse zurückgeführt<br />

werden, sodass Umweltfaktoren ebenfalls 50 % der Varianz der Persönlichkeiten<br />

erklären (Plomin, DeFries & McClearn, 1990). Die Zwillingsstudien verweisen auf<br />

eine erhebliche Erblichkeit von Persönlichkeitszügen, die eine<br />

Persönlichkeitsstörung beschreiben. In einer Studie von Jang, Livesley, Vernon und<br />

Jackson (1996) fand man eine Erblichkeit bei 35 bis 56 %. Zu ähnlichen Ergebnissen<br />

kam eine Studie von Torgersen, Lygren, Oien, Skre, Onstad, Edvardsen, Tambs und<br />

Kringlen (2000) an 92 monozygoten und 129 dizygoten Zwillingspaaren.<br />

2.5.2 Psychoanalytische Theorien<br />

Die psychoanalytische Tradition spricht anstatt von „Persönlichkeitsstörungen“ meist<br />

von „Charakterpathologien“.


II. Literaturübersicht 23<br />

Die frühen psychoanalytischen Modellansätze zu schweren Charakterpathologien<br />

waren triebpsychologisch geprägt. Durch Fixierungen an bestimmten Phasen der<br />

frühen Triebentwicklung wurde die Charakterbildung bestimmt. Entsprechend<br />

wurden orale, anale oder hysterische Charaktere klassifiziert (Abraham, 1924/1969).<br />

Durch die Arbeiten Ich-psychologisch orientierter Autoren wurde man jedoch auch<br />

auf die Bedeutung der nicht triebkonfliktgesteuerten Anteile der<br />

Persönlichkeitsentwicklung aufmerksam. Ich-funktionelle Defizite sind nach dieser<br />

Auffassung ausschlaggebend für die schweren Charakterpathologien (Hartmann,<br />

1964/1965; Raport, 1967; zitiert nach Wöller, 2006). Auch unter dem Einfluss Ichpsychologischer<br />

Ansätze wurden ebenso Charaktere entsprechend ihrer<br />

charakterischen Abwehrorganisation beschrieben, je nachdem, ob eher „reife“ oder<br />

„unreife“ Abwehrmechanismen dominieren. Schwere Charakterpathologien wurden<br />

z.B. durch die Dominanz unreifer Abwehrmechanismen erklärt (Kernberg, 1996b).<br />

Vertreter der neueren Objektbeziehungstheorie zeigten, wie aus realen äußeren<br />

Beziehungserfahrungen verinnerlichte Objektbeziehungen als innerseelische<br />

Repräsentanzen entstehen. Schwere Charakterpathologien sind nach dieser<br />

Auffassung durch das Vorhandensein archaisch-destruktiver verinnerlichter<br />

Objektbeziehungen verursacht (Fairbairn, 1940/1953; Guntrip, 1969; Jacobson,<br />

1964; zitiert nach Wöller 2006).<br />

Mahler, Pine & Bergmann (1978) fassten in ihrem durch intensive Säuglings- und<br />

Kleinkindbeobachtungen entstandenem Entwicklungsmodell, das Phasen und<br />

Subphasen der Selbstentwicklung unterschied, Charakterstörungen als Defizite in der<br />

Bewältigung dieser einzelnen Phasen und Subphasen auf.<br />

Die Selbstpsychologie, im Wesentlichen durch Kohut (1976) geprägt, sieht<br />

Charakterpathologien als ein Ergebnis unzureichender Verinnerlichung spiegelnder<br />

Selbstobjekte. Durch diese unerfüllten Selbst-Objektbedürfnisse kommt es zu<br />

narzisstischen Kompensationsformen, um eine Fragmentierung des Selbst zu<br />

verhindern.<br />

Nach Balint (1987; zitiert nach Wöller, 2006) unterscheiden sich schwere<br />

Charakterpathologien von reiferen Neurosen durch die Präsens der „Grundstörung“,<br />

die durch ein unzureichendes basales Sicherheitsgefühl und fehlendes Urvertrauen<br />

gekennzeichnet ist.


II. Literaturübersicht 24<br />

Für Winnicot sind schwere Charakterpathologien das Ergebnis einer unzureichenden<br />

Verinnerlichung einer haltenden Umwelt und das Resultat ungenügender<br />

Übergangsobjekt-Erfahrungen (Winnicott, 1974b, 1953; zitiert nach Wöller 2006).<br />

Auf den Grundlagen der Ich-Psychologie und der Repräsentanzlehre von Jacobson<br />

(1964; zitiert nach Wöller, 2006) entwickelte Kernberg (1976/1981; zitiert nach<br />

Wöller, 2006) seine Theorie der Objektbeziehungen (vgl. Kap. 1.4.5). Kernberg sieht<br />

schwere Persönlichkeitsstörungen als einen Ausdruck einer verzerrten und in sich<br />

gespaltenen Welt verinnerlichter Objektbeziehungen.<br />

Bion (1962a/1990; zitiert nach Wöller, 2006) hat die Prozesse von Projektion,<br />

Introjektion und projektiver Identifizierung beschrieben, die die frühe Interaktionen<br />

zwischen der primären Bezugsperson und dem Säugling und Kleinkind bestimmen.<br />

Er konnte mit seinem Begriff des „Containing“ wesentliche Aspekte der<br />

affektregulatorischen Interaktion zwischen Bezugsperson und Kleinkind erfassen.<br />

Seiner in der neokleinianischen Tradition liegenden Auffassung nach sind<br />

Persönlichkeitsstörungen die Folge eines unzureichenden „Containments“ der<br />

kindlichen Projektion durch die frühe Bezugsperson.<br />

In jüngster Zeit entwickelten Fonagy und Target (1996, 2001; zitiert nach Wöller,<br />

2006) eine Theorie, die ausdrücklich die Erkenntnisse der Bindungsforschung und<br />

der Entwicklungspsychologie einfließen lassen. In ihrer Theorie sind viele<br />

Phänomene, die typischerweise bei schweren Persönlichkeitsstörungen vorkommen,<br />

Ausdruck einer durch ungünstige Bindungserfahrungen unzureichend ausgebildeten<br />

Fähigkeit zur reflektierenden Verarbeitung („Mentalisierung“) eigener und fremder<br />

psychischer Zustände<br />

Zusammenfassend sehen die älteren psychodynamischen Theorien<br />

Persönlichkeitsstörungen als eine Auswirkung intrapsychischer Strukturschwäche an.<br />

Neuere psychodynamische Ansätze verweisen auch auf die Bedeutung ungünstiger<br />

Interaktionsbedingungen.<br />

2.5.3 Interpersonelle Theorien<br />

In der interpersonellen Theorie, die von Sullivan (1953/1980; zitiert nach Wöller,<br />

2006) in Bezugnahme auf die psychoanalytische Theorie, aber auch in expliziter<br />

Alternative zu ihr, erstmalig formuliert und später von Kiesler (1982; zitiert nach<br />

Wöller, 2006) ausgebaut wurde, wird weniger die individuelle Entwicklung


II. Literaturübersicht 25<br />

betrachtet, sondern im Zentrum des Interesses stehen die zwischenmenschlichen<br />

Beziehungen, in denen sich eine Persönlichkeit ausbildet. Dieser Theorie zufolge<br />

wird die Persönlichkeit weniger durch intrapsychische Prozesse als vielmehr durch<br />

sich wiederholende interpersonelle Situationen des Lebens bestimmt.<br />

Die Individuen zeigen sich in den interpersonellen Situationen so, dass sie sich in<br />

den Interaktionen möglichst sicher und nicht bedroht fühlen. Dessen sind sich die<br />

Interaktionspartner allerdings zum überwiegenden Teil nicht bewusst.<br />

Bei den Interaktionspartnern löst die Art der Selbstpräsentation spezifische<br />

Reaktionen aus, die durch deren je eigene Situationsinterpretierungen beeinflusst<br />

werden. Dadurch werden die Verhaltensreaktionen der Interaktionspartner wiederum<br />

so ausfallen, dass auch diese sich nicht bedroht und sicher fühlen. Die<br />

interpersonellen Interaktionsprozesse sind also stark durch wechselseitige<br />

Erwartungen, Vorannahmen und Interpretation der Verhaltensweisen beeinflusst.<br />

Störungen im Kommunikationsgeschehen entstehen gerade durch Diskrepanzen von<br />

Selbst- und Fremdwahrnehmung. Somit kommt es zu sich wiederholenden,<br />

reziproken Interaktionsmustern, die sich auf den Dimensionen „Zuneigung“ und<br />

„Kontrolle“ in „interpersonellen Zirkeln“ um die Achsen „Liebe-Hass“ und<br />

„Dominanz-Submission“ abbilden lassen. Wöller (2006) führt Leary an, der<br />

detailliert beschreibt, wie Reaktionen eines Interaktionspartners durch die Art der<br />

Präsenz des anderen hervorgerufen werden, wie z.B. bei dem häufig zu<br />

beobachtenden Umstand, dass submissives Verhalten beim Interaktionspartner<br />

Dominanz und dominantes Verhalten Submissivität hervorzurufen pflegt (Leary,<br />

1957; zitiert nach Wöller 2006).<br />

- Zyklisch maladaptive Beziehungsmuster<br />

In ihrem Modell des „zyklisch maladaptiven Beziehungsmusters“ (Cyclic<br />

Maladaptive Pattern [CMP] ) haben Strupp und Binder (1991) vier strukturelle<br />

Elemente aufeinander bezogen:<br />

1. Der blockierte positive Beziehungswunsch gegenüber signifikanten<br />

Interaktionspartnern im Zusammenhang mit der erwarteten negativen Reaktion<br />

des Interaktionspartners.<br />

2. Das Verhalten der Person gegenüber dem Interaktionspartner: Z.B. meidet eine<br />

Person Kontakt als Schutz vor Zurückweisung.<br />

3. Das Verhalten der Interaktionspartner: Z.B. sie übersehen die Person.


II. Literaturübersicht 26<br />

4. Das Introjekt als Beschreibung des Umgangs des Individuums mit sich selbst.<br />

Die Person entwickelt z.B. das Selbstbild nicht wert zu sein, wahrgenommen<br />

und unterstützt zu werden.<br />

Das Konstrukt des Introjekts schlägt hierbei die Brücke zur intrapsychischen<br />

Entwicklung. Unter Bezug auf die psychoanalytische Theorie der Verinnerlichung<br />

früherer Beziehungserfahrungen können die Elemente zyklisch maladaptiver<br />

Beziehungsmuster mit den wichtigsten früheren Beziehungserfahrungen in<br />

Zusammenhang gebracht werden. Dabei lassen sich den drei Modi der<br />

Verinnerlichung früher Beziehungserfahrungen drei Elementen des CMP zuordnen<br />

(Tress, Henry, Junkert-Tress, Hildebrand, Hartkamp & Scheibe, 1996):<br />

• Die Identifikation mit wichtigen Bezugspersonen beeinflusst das Verhalten<br />

gegenüber anderen Personen. Personen verhalten sich z.B. anderen Menschen<br />

gegenüber so, wie eine wichtige Bezugsperson sich ihnen gegenüber verhalten<br />

hatte.<br />

• Die Internalisierungen prägen negative Erwartungen und Befürchtungen, z.B.<br />

ebenso aktuell abgelehnt zu werden, wie sie es von ihren früheren<br />

Bezugspersonen kennen.<br />

• Introjekte prägen das Selbstbild und den Umgang der Person mit seiner Umwelt.<br />

Zusammenfassend können Persönlichkeitsstörungen bei diesen Ansätzen als der<br />

Versuch angesehen werden, Stabilität in dem Wechselspiel von intrapsychischer und<br />

interpersoneller Dynamik zu bekommen, wodurch maladaptive Beziehungen<br />

wiederholt werden. Diese maladaptiven Beziehungen werden aufrechterhalten, da<br />

Handlungsalternativen nicht oder nur unzureichend erlernt wurden und somit eine<br />

Bedrohung des Selbstbildes darstellen.


II. Literaturübersicht 27<br />

2.5.4 Kognitiv-behaviorale Theorien<br />

Eine umfassende kognitionstheoretische Analyse der Persönlichkeitsstörungen haben<br />

Beck, Freeman und Kollegen (1990/1993) vorgelegt. Auch die Autorengruppe um<br />

Beck geht von einer genetischen, biologischen und erzieherisch prädisponierten<br />

Vulnerabilität der Betroffenen aus. Die Persönlichkeitsstörungen selbst entstehen in<br />

ihrer Konzeption jedoch durch die Art, wie Menschen ihre Vulnerabilität in<br />

zwischenmenschliche Erfahrungen einbeziehen und wie sie die dabei möglichen<br />

Erfahrungen kognitiv strukturieren und verarbeiten. Beck et al. stellen heraus, dass<br />

viele prädisponiert vulnerable Menschen dazu neigen, zwischenmenschliche<br />

Gefahren und Krisen als bedrohlich anzusehen und sich zunehmend scheuen – zum<br />

Schutz ihrer Vulnerabilität – Risiken einzugehen oder sich überhaupt neuen<br />

Erfahrungen zu stellen. Die Erfahrungen werden somit durch die bis dahin angelegte<br />

kognitive Struktur „geschützt“ wahrgenommen. Die Personen sind nunmehr<br />

voreingestellt und damit voreingenommen. Neue und alternative<br />

zwischenmenschliche Interaktionen werden vermieden, was im Folgenden einem<br />

Circulus vitiosus gleicht. Angemessene soziale und gesellschaftliche<br />

Umgangsformen können nicht oder nur verzögert mitgelernt werden.<br />

Persönlichkeitsstörungen sind im Sinne Becks immer auch Ausdruck eines<br />

persönlichen Entwicklungsrückstandes im Umgang mit sozial-gesellschaftlichen<br />

Anforderungen.<br />

Als Grundlage dieser fehleranfälligen Wirklichkeitsbewertungen sehen Beck et al.<br />

mehr oder weniger starr oder flexibel nutzbare kognitive Schemata, die die<br />

Erfahrungen selektiv oder synthetisierend strukturieren und – im Falle einer<br />

Persönlichkeitsstörung – verzerren.<br />

Grundsätzliche Persönlichkeitseigenarten („traits“) können in diesem Sinne als<br />

äußerlich sichtbare Anzeichen einer darunter liegenden kognitiv-schematischen<br />

Struktur angesehen werden, die die Person kennzeichnet.<br />

2.5.5 Die biosoziale Lerntheorie von Millon und Davis<br />

Nach Millon und Davis (1996; zitiert nach Trautmann, 2004) entwickelt sich die<br />

Persönlichkeit im Zusammenspiel aus biologischen Faktoren und Umweltfaktoren.<br />

So ist es möglich, dass Personen mit ähnlichen biologischen Anlagen<br />

unterschiedliche Persönlichkeitsstile entwickeln auf dem Hintergrund ihrer je<br />

eigenen Erfahrungen. Umgekehrt können ähnliche Lernerfahrungen unterschiedliche


II. Literaturübersicht 28<br />

Auswirkungen haben, je nachdem, über welche biologische „Grundausstattung“ eine<br />

Person verfügt.<br />

Jede Person besitzt bereits bei der Geburt ein biologisch bedingtes Muster von<br />

Sensitivitäten und Verhaltensdispositionen, die Einfluss darauf haben, wie die Person<br />

bestimmte Erfahrungen subjektiv erlebt. Die Zirkularität der Interaktion ist eine<br />

zentrale Behauptung in Millons Theorie und besagt, dass biologische Dispositionen<br />

bei Kindern bei ihren Interaktionspartnern Reaktionen hervorrufen, die wiederum<br />

ihre Dispositionen verstärken. Damit spielen Kinder eine aktive Rolle in der<br />

Gestaltung ihres Entwicklungsverlaufs. Sie schaffen letztlich die<br />

Umgebungsbedingungen, die ihre biologische Tendenz verstärken, somit formt das<br />

Kind nicht nur sein Verhalten, sondern auch das seiner Eltern (oder anderer<br />

Bezugspersonen).<br />

Millon (1983, zitiert nach Trautmann, 2004) postuliert in seiner biosozialen<br />

Lerntheorie drei Grunddimensionen, anhand derer man Persönlichkeiten<br />

charakterisieren kann.:<br />

1. aktiv vs. passiv (ist das Individuum initiativ oder reagiert es eher auf<br />

Umgebung und Ereignisse)<br />

2. Lust vs. Unlust (Was liegt der Person eher, positive Situationen aufzusuchen<br />

oder unangenehme zu vermeiden?)<br />

3. selbst vs. andere (sind andere verlässlich und bereiten angenehme Gefühle<br />

oder ist man auf sich selbst gestellt?)<br />

Diese Grunddimensionen haben Einfluss darauf, welche Ereignisse als Verstärker<br />

erlebt werden und auf welche Art und Weise Bewältigungsverhalten eingesetzt wird,<br />

wenn sich die Person in einer subjektiv unangenehmen Situation befindet. Diese<br />

Bewältigungsmuster (oder auch Persönlichkeitsstile) werden als komplexe Form<br />

instrumentellen Verhaltens aufgefasst, das darauf abzielt, Verstärkung zu erhalten<br />

und/oder negative Konsequenzen zu vermeiden.<br />

Millon trifft dabei aufgrund seiner dimensionalen Konzeption keine klare<br />

Unterscheidung von Persönlichkeitsstilen und -störungen.<br />

Aus der Kombination dieser drei Grunddimensionen ergeben sich acht grundlegende<br />

Bewältigungsmuster, die mit acht der in DSM-IV (Saß et al., 1996) beschriebenen<br />

Persönlichkeitsstörungen gut in Einklang stehen. Jedoch lassen sich drei der dort<br />

beschriebenen Störungen nicht ableiten: Die Borderline-Störung, die paranoide und<br />

die schizotype Störung.


II. Literaturübersicht 29<br />

Millon erweiterte 1990 sein biosoziales Modell durch evolutionäre Überlegungen<br />

Millon (1990; zitiert nach Trautmann, 2004). Demnach kann Persönlichkeit als<br />

spezifischer Stil adaptiven Funktionierens im Sinne der Evolution gesehen werden.<br />

Persönlichkeitsstörungen sind somit nach Millon (1996; zitiert nach Trautmann,<br />

2004) spezielle Stile von maladaptivem Funktionieren, die auf Mängel des<br />

Individuums zurückzuführen sind, sich auf spezifische Umgebungsbedingungen<br />

einzustellen, mit denen es konfrontiert ist.


II. Literaturübersicht 30<br />

3. Bindung<br />

Der Zusammenhang zwischen dem psychischen Zustand einer Person und ihren<br />

engen zwischenmenschlichen Beziehungen ist in der Psychologie allgemein<br />

anerkannt. Er wird in großem Maße davon mitbestimmt, ob die engen<br />

zwischenmenschlichen Beziehungen harmonisch und warmherzig sind oder ärgerlich<br />

bzw. ängstigend oder auch von emotionaler Unzulänglichkeit geprägt sind oder ob<br />

womöglich gar keine Beziehungen gegeben sind (Bowlby, 1989).<br />

„Die Fähigkeit, Bindungen zu anderen Personen aufzubauen (entweder in der Rolle<br />

der Person, die Unterstützung und Trost sucht, oder der Person, die beides gibt) [wird<br />

als] grundlegendes Merkmal einer effektiv funktionierenden Persönlichkeit und<br />

psychischer Gesundheit betrachtet“ (zitiert nach: Bowlby, 1989, in: Spangler &<br />

Zimmermann (Hrsg.), 2002, S. 21).<br />

Die Bindungstheorie kann somit als umfassende Konzeption der emotionalen<br />

Entwicklung des Menschen, als Kern seiner lebensnotwendigen sozialen<br />

Erfahrungen angesehen werden (Grossmann, Grossmann, Kindler, Scheurer-<br />

Englisch, Spangler, Stöcker, Suess & Zimmermann, 2003). Da die<br />

Bindungserfahrungen also eine grundlegende Auswirkung auf unsere psychische<br />

Entwicklung haben, könnten sie auch bei der Suchtentwicklung von Bedeutung sein.<br />

Im Folgenden wird zunächst definiert, was genau mit dem Konstrukt „Bindung“<br />

gemeint ist. Dann wird aufgezeigt, wie es im Laufe der Entwicklung zu<br />

unterschiedlichen Bindungsqualitäten kommt und wie verschiedene Autoren diese<br />

konzeptualisieren.<br />

3.1 Definition von Bindung<br />

„Bindung („attachment“) ist die besondere Beziehung eines Kindes zu seinen Eltern<br />

oder Personen, die es beständig betreuen. Sie ist im Gefühl verankert und verbindet<br />

das Individuum mit der anderen, besonderen Person über Raum und Zeit hinweg“<br />

(Ainsworth, 1973; zitiert nach Grossmann et al., 2003).<br />

3.2 Ätiologie<br />

Nach Bowlby (1973; zitiert nach Grossmann et al., 2003) sind Bindungsqualitäten<br />

emotionale Lebenserfahrung im Individuum und werden als Modellvorstellungen<br />

von Beziehungen verinnerlicht, den so genannten Arbeitsmodellen („internal<br />

working models“). Umstritten ist noch, wie möglicherweise verschiedene qualitative


II. Literaturübersicht 31<br />

Erfahrungen vom Individuum integriert werden (Bretherton, 1987; zitiert nach<br />

Grossmann et al., 2003). Das „innere Arbeitsmodell“ bildet sich entsprechend<br />

individueller Unterschiede der Persönlichkeitsentwicklung und Organisation des<br />

Verhaltens gerade und vor allem in engen persönlichen Beziehungen über den<br />

Lebenslauf hinweg.<br />

Die unterschiedlichen Bindungsqualitäten bilden sich während des ersten<br />

Lebensjahres des Kindes als Resultat der gemeinsamen, wie auch immer<br />

gekennzeichneten Interaktionsgeschichte mit der Bindungsperson. Bowlby<br />

(1973/1976) betont, dass die Erfahrungen des Kindes mit der primären Bezugsperson<br />

sein inneres Arbeitsmodell von Beziehungen prägen. Auf der Grundlage dieser<br />

Arbeitsmodelle versucht das Kind seine Entwicklungsaufgaben zu bewältigen. Dabei<br />

kommt der emotionalen Zugänglichkeit und der physiologischen Schutzfunktion der<br />

Bindungsperson eine besondere Bedeutung zu, da der Verlust dieses Schutzes mit<br />

Furcht und Unsicherheitsgefühlen einhergeht.<br />

Ein offenes Kommunizieren negativer Gefühle fördert in sicheren Beziehungen Nähe<br />

und Unterstützung und damit emotionale Sicherheit. Wird diese Offenheit<br />

vermieden, stellt sich nur eine relative Nähe zur Bindungsperson ein, die zwar<br />

Schutz vor Gefahren birgt, aber gleichzeitig nicht das Gefühl der Unsicherheit<br />

aufgrund der zu erwartenden Zurückweisung durch die Bindungsperson verringert<br />

(Grossmann et al., 2003).<br />

John Bowlby, der Pionier der Bindungsforschung, unterscheidet in seinem Entwurf<br />

verschiedene Arten von Arbeitsmodellen:<br />

„Ein Schlüsselmerkmal des Arbeitsmodells von der Welt, das sich jeder schafft, ist<br />

die Vorstellung von dem, wer seine Bindungspersonen sind, wo es sie finden kann,<br />

und wie sie wahrscheinlich reagieren. In ähnlicher Weise ist das Schlüsselmerkmal<br />

des Arbeitsmodells vom Selbst, das sich jeder schafft, die Vorstellung, wie<br />

akzeptabel oder inakzeptabel er in den Augen seiner Bindungspersonen ist“ (Bowlby,<br />

1973/1976, S. 247; zitiert nach Grossmann et al., 2003).<br />

Die Arbeitsmodelle stellen somit ein Resultat der Erfahrungen von Handlungen und<br />

Plänen, die bindungsrelevant sind dar (Main, 2002) und können als geistige<br />

Repräsentationen, die sowohl affektive als auch kognitive Komponenten beinhalten,<br />

angesehen werden. Sind diese Arbeitsmodelle erst einmal ausgebildet, existieren sie


II. Literaturübersicht 32<br />

(ähnlich wie „self-fulfilling prophecies“) zum Teil außerhalb des Bewusstseins und<br />

neigen, obwohl nicht unveränderbar, zu deutlicher Stabilität.<br />

Im Laufe der Entwicklung wirken die Arbeitsmodelle auch zunehmend in<br />

Abwesenheit der Bindungspersonen. Gemäß der Theorie bewirken natürliche<br />

Ängste, z.B. in Dunkelheit, plötzlicher Lärm, unerwarteter Angriff oder gelernte<br />

Ängste eine Aktivierung des Bindungssystems mit dem Ziel, Sicherheit zu erlangen.<br />

Ist das Bindungssystem einer Person aktiviert, beeinflussen seine unterschiedlich<br />

repräsentierten Erfahrungen individuelle Verhaltensorganisation und -strategien.<br />

Diese mehr oder weniger reflektierten Arbeitsmodelle wirken sich auch auf die<br />

Aufmerksamkeit gegenüber den eigenen Gefühlen und auf (selektive)<br />

Gedächtnisprozesse aus, die den Zugriff des Individuums zu bindungsrelevanten<br />

Formen des Wissens und Fühlens bezüglich des Selbst, der Bindungspersonen und<br />

der Beziehungen erweitern oder begrenzen (Grossmann et al., 2003).<br />

3.3 Die Bindungsqualitäten<br />

Im Folgenden werden die unterschiedlichen Konzeptualisierungen von Bindung<br />

dargestellt. Zunächst wird die sehr verbreitete Konzeptualisierung der<br />

Bindungsqualitäten nach Ainsworth (1978) dargestellt und dann die von<br />

Bartholomew (1990) und die von Asendorpf, Wilpers und Neyer (1997), die sich an<br />

Bartholomews Konzeption anlehnen.<br />

3.3.1 Die Bindungsqualitäten nach Ainsworth<br />

Mary Ainsworth und ihre Mitarbeiter entwickelten 1978 den Fremde-Situationstest,<br />

ein Verfahren, bei dem einige kurze Trennungen von Mutter und Kind stattfinden<br />

und die Art und Weise, wie das Kind nach der Rückkehr der Mutter mit ihr<br />

interagiert, analysiert wird.<br />

Die drei Grundmuster, die Ainsworth et al. (1978, zitiert nach Grossmann et al.,<br />

2003) identifizierten und die mehrfach repliziert wurden, sind: sicher, unsichervermeidend,<br />

und unsicher-ambivalent. Sie können nach Angaben der Autoren gegen<br />

Ende des ersten Lebensjahres beobachtet werden.


II. Literaturübersicht 33<br />

3.3.1.1 Die sichere Bindung (B)<br />

Die sichere Bindung ist das Bindungsmuster, das mit gesunder Entwicklung<br />

einhergeht. Das Kind besitzt die Zuversicht, dass seine Eltern oder Elternfiguren<br />

verfügbar, feinfühlig und hilfsbereit sein werden, wenn es in bedrohliche oder<br />

ängstigende Situationen kommt. Diese Sicherheit ist die Basis, auf der das Kind<br />

frohen Mutes seine Umwelt erkunden kann und sich deren Anforderungen<br />

gewachsen fühlt.<br />

Dieses Muster wird durch die Eltern gefördert, indem sie verfügbar sind, angemessen<br />

und prompt auf die Signale des Kindes reagieren und liebevoll und bereitwillig auf<br />

das Kind eingehen, sollte es Schutz, Trost oder Hilfe suchen (Bowlby, 1989).<br />

3.3.1.2 Die unsicher vermeidende Bindung (A)<br />

Der unsicher-vermeidende Bindungstyp ist dadurch gekennzeichnet, dass die Kinder,<br />

wenn sie Hilfe suchen, kein Vertrauen auf Unterstützung seitens der Eltern besitzen,<br />

sondern im Gegenteil Zurückweisung erwarten.<br />

Dieses Muster ist auf ständige Zurückweisung der Bezugsperson zurückzuführen,<br />

wenn das Kind Trost oder Schutz suchte. Die extremsten Fälle entstehen durch<br />

wiederholte Zurückweisung oder gar Misshandlung sowie lange Heimaufenthalte<br />

(Bowlby, 1989).<br />

3.3.1.3 Die unsicher ambivalente Bindung (C)<br />

Bei der unsicher-ambivalenten Bindung ist sich das Kind unsicher, ob die<br />

Bezugsperson verfügbar, responsiv oder hilfsbereit sein wird, wenn es Hilfe bedarf.<br />

Deshalb neigt das Kind zu Trennungsangst, ist anklammernd und ist ängstlich bei der<br />

Exploration der Umwelt.<br />

Dieses Muster ist das Ergebnis, wenn Eltern in bestimmten Situationen einmal<br />

zugänglich und hilfsbereit sind und in anderen aber nicht (Bowlby, 1989).<br />

3.3.1.4 Die desorganisierte Bindung (D)<br />

Mitte der 1980er Jahre entdeckten Main und Solomon, dass nicht alle Kinder einer<br />

der drei Bindungskategorien zuzuordnen sind (Main & Solomon, 1986). Bei einer<br />

Reanalyse von Kindern, die in der „Fremden Situation“ nicht oder nur schwer<br />

klassifizierbar waren, fanden Main und Salomon eine Reihe desorganisierter oder<br />

desorientierter Verhaltensweisen, die oft nur kurzzeitig sichtbar wurden, als


II. Literaturübersicht 34<br />

gemeinsames Merkmal dieser Kinder. Eine klare Verhaltensstrategie war nicht zu<br />

sehen. Main und Solomon (1986) stellten Merkmale von Desorganisation und<br />

Desorientierung zusammen. Sie führten z.B. das Suchen von Nähe zur Bezugsperson<br />

an, das kurz vor dem Körperkontakt abgebrochen wird, Verhaltensstereotypien,<br />

plötzliches Erstarren oder zielloses Herumwandeln bei gleichzeitigen Anzeichen von<br />

Angst. Diese Anzeichen der Desorganisation werden auf einer Skala von 1 bis 9<br />

gewichtet. Kinder, bei denen diese Anzeichen einen Wert über 5 zugewiesen<br />

bekommen, werden der D-Kategorie zugeordnet, wobei gleichzeitig das Kind einer<br />

der drei Ainsworth-Gruppen zugewiesen wird.<br />

3.3.2 Die Bindungsstile nach Bartholomew<br />

Bartholomew (1990, 1997) übernimmt in ihrem Ansatz den sicheren und den<br />

anklammernden (unsicher-vermeidenden) Bindungsstil, differenziert aber den<br />

vermeidenden in einen ängstlich-vermeidenden und einen abweisend-vermeidenden<br />

Bindungsstil.<br />

Sie beschreibt vier Prototypen für die Bindung Erwachsener, die definiert werden<br />

durch die zwei Dimensionen „Positivität des Selbstbildes einer Person“ und<br />

„Positivität des Images von anderen Bezugspersonen“. Anhand der zwei<br />

Dimensionen werden vier Bindungs-Prototypen abgeleitet, denen sich jedes<br />

Individuum mehr oder weniger ausgeprägt annähern kann:<br />

• sicher (secure): Selbstbild positiv/ Fremdbild positiv<br />

• ambivalent (preoccupied): Selbstbild negativ / Fremdbild positiv<br />

• vermeidend (dismissing): Selbstbild positiv / Fremdbild negativ<br />

• ängstlich (fearfull): Selbstbild negativ / Fremdbild negativ<br />

Somit bildet sich ein individuelles Profil von Skalenwerten aller vier Stile heraus.<br />

3.3.3 Beziehungsspezifische Bindungsskalen für Erwachsene<br />

Asendorpf, Wilpers und Neyer (1997) entwickelten Bartolomews Modell weiter,<br />

deren Dimension sicher-ängstlich empirisch gut bestätigt ist, nicht aber die<br />

Dimension besitzergreifend und abweisend. Demgegenüber suchten Asendorpf und<br />

Kollegen eine orthogonale Dimension zu sicher und ängstlich, um so eine gute<br />

Unterscheidung im Bereich unsicherer und sicherer Bindungen treffen zu können.


II. Literaturübersicht 35<br />

Sie finden als Kandidaten für den einen Pol für eine solche Dimension<br />

Bartholomews „abweisenden“ Stil, weil dessen Orthogonalität zu sicher und<br />

ängstlich gut gesichert scheint, nennen diesen Pol aber, der Augenscheinvalidität<br />

folgend, „unabhängig“. Den entgegengesetzten Pol dieser Dimension sieht das Team<br />

um Asendorpf naheliegenderweise mit „abhängig“ gegeben.<br />

Asendorpf et al. operationalisierten jeden Pol der zwei Dimensionen durch mehrere<br />

Items. Da eine sichere Bindung allerdings immer auch ein Mindestmaß an<br />

Abhängigkeit impliziert, betonen sie das Angewiesensein in den dazugehörigen<br />

Fragen stark, um eine positive Korrelation mit „sicher“ zu minimieren.<br />

Somit gehen Asendorpf et al. (1997) in ihrem Modell von zwei Dimensionen des<br />

Bindungsstils aus:<br />

• sicher - ängstlich<br />

• abhängig - unabhängig<br />

3.4 Epidemiologie<br />

Einer Untersuchung von van Ijzendoorn und Bakermans-Kranenburg (1996) zufolge,<br />

beträgt der Anteil sicher gebundener Erwachsener in klinisch unauffälligen<br />

Stichproben 58 %, in klinischen Stichproben hingegen lag der Anteil nur bei 14 % .<br />

3.5 Sind die Bindungsmuster über die Zeit und transsituational stabil?<br />

Schon Freud wies darauf hin, dass die frühe Eltern-Kind-Beziehung ein Prototyp<br />

aller späteren Liebesbeziehungen ist. John Bowlby modifizierte Freuds Einsichten<br />

und stellte heraus, dass reale Beziehungserfahrungen mit zentralen Bezugspersonen<br />

in der Kindheit besonders bedeutsam für die weitere Entwicklung sind, da sie die<br />

inneren Arbeitsmodelle prägen, die Individuen von Beziehungen haben. Diese<br />

Arbeitsmodelle wiederum beeinflussen lebenslang die Erwartungen und<br />

Verhaltensweisen gegenüber Beziehungspartnern.<br />

Jedoch gibt es bei allen Parallelen auch wesentliche Unterschiede zwischen der<br />

Beziehung zwischen Mutter (Vater) bzw. primärer Bezugsperson und Kind und den<br />

(Liebes)beziehungen zwischen Erwachsenen. Eltern-Kind-Beziehungen, die die<br />

Bindungsforschung als Prototyp ansieht, auf dem sich die inneren Arbeitsmodelle<br />

von Bindung entwickeln, sind wesentlich asymmetrisch, während zwei Erwachsene


II. Literaturübersicht 36<br />

im Prinzip gleichrangig interagieren. Ein zentrales Beziehungselement gegenüber<br />

Kleinkindern ist die Versorgung mit Wärme und emotionaler und materieller<br />

Sicherheit, wohingegen zwischen erwachsenen Partnern auch Sexualität und andere<br />

Motive und Interessen bedeutsam sind (Sydow, 1998), wobei auch in erwachsenen<br />

Partnerschaften Bindungsaspekte eine wesentliche Rolle spielen (Gloger-Tippelt &<br />

Ullmeyer, 2001). Diese Bindungsaspekte werden besonders deutlich in Zeiten von<br />

Krisen wie Krankheit, Angst, Trauer u.ä. Gerade in diesen Situationen zeigen auch<br />

Erwachsene typisches Bindungsverhalten wie Nähesuchen und Trennungsprotest.<br />

Charakteristische Merkmale, die darauf schließen lassen, dass stabile<br />

Paarbeziehungen als Bindungsbeziehungen zu sehen sind, ist der intime<br />

Körperkontakt, Gefühlsreaktionen bei Trennungen und die positive Auswirkungen<br />

zufriedener (sicherer) Paarbeziehungen auf die physische wie psychische<br />

Gesundheit. Demgegenüber können Trennungen/Scheidungen als Gesundheitsrisiko<br />

angesehen werden (Gloger-Tipelt & Ullmeyer, 2001).<br />

Die Forschung hat jedoch erst relativ spät begonnen, sich mit dem Thema<br />

Bindungshaltung und Partnerschaft zu beschäftigen. Cindy Hazan und Philipp<br />

Shaver (1987) eröffneten hiermit ein neues Forschungsfeld. Sie postulierten, dass<br />

romantische Beziehungen zwischen Erwachsenen in der Kindheit übernommene<br />

Bindungsstile widerspiegeln und dass die Beobachtungen von Kindern in der<br />

fremden Situation (Ainsworth, Blehar, Waters & Wall, 1978) und die aus dem Adult<br />

Attachment Interview abgeleiteten Bindungsstile (sicher, unsicher-vermeidend,<br />

unsicher-ambivalent) auch die Bindung Erwachsener in Hinblick auf<br />

Paarbeziehungen beschreiben können (Sydow, 2000).<br />

Asendorpf, Banse, Wilpers und Neyer (1997) hingegen geben zu bedenken, dass es<br />

unter entwicklungs- und persönlichkeitspsychologischen Gesichtspunkten völlig<br />

abwegig erscheint, von solch einer über die Jahre hinweg bestehenden Stabilität und<br />

Generalisierung des Bindungsstils auszugehen, wie es Bowlby (1980) und in<br />

Anlehnung an ihn viele andere tun. Asendorpf und Kollegen (1997) stellen heraus,<br />

dass Persönlichkeitsmerkmale im Erleben und Verhalten stark situationsspezifisch<br />

sind (vgl. auch Mischel & Peake, 1982) und von einer starken Konsistenz des<br />

Bindungsstils, z.B. zwischen Vater und Mutter, nicht auszugehen ist. Aus<br />

entwicklungspsychologischer Sicht sehen Asendorpf et al. ein einheitliches<br />

Arbeitsmodell als unplausibel an, da der Einfluss von Beziehungen zu Gleichaltrigen<br />

im späten Kindes- und Jugendalter auf die Persönlichkeitsentwicklung insgesamt viel


II. Literaturübersicht 37<br />

größer ist als lange angenommen (vgl. Harris, 1995). Ebenso findet Zimmermann<br />

(1995) für diese Annahme keine Bestätigung. Gleiches gilt für Partnerschaften. In<br />

einer Untersuchung zu Bindungsstilen ließen Baldwin, Keelan, Fehr, Enns und Koh-<br />

Rangarajoo (1996) Studierende ihre zehn wichtigsten Beziehungen und zudem<br />

immer die zu Mutter, Vater und evtl. vorhandenem Partner retrospektiv hinsichtlich<br />

der drei Bindungsstile von Hazan und Shaver (1987) beurteilen. In 88 % der Fälle<br />

wählten die Teilnehmer zur Beschreibung der zehn Beziehungen mindestens zwei<br />

und in 47 % der Fälle alle drei Bindungsstile. Auch bei Beschränkung auf<br />

romantische Beziehungen bestand eine große intraindividuelle Variabilität. Diese<br />

große Personenspezifität fand sich auch bei Asendorpf et al. (1997). So kann in<br />

Übereinstimmung mit Baldwin et al. (1996) von einer Vielzahl individuell<br />

koexistierender innerer Arbeitsmodelle für unterschiedliche aktuelle und vergangene<br />

Beziehungen ausgegangen werden, die untereinander nur eine mäßige Konsistenz<br />

aufweisen.<br />

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es in der Annahme der<br />

Bindungsstile eine generelle Übereinstimmung gibt in den Typen von sicherer und<br />

unsicherer Bindung. Der unsichere Bindungstyp erfährt aber bei verschiedenen<br />

Autoren eine unterschiedliche Differenzierung, wobei es auch hinsichtlich der<br />

Konzeptualisierung der Bindungsstile Unterschiede gibt. Konzeptualisieren<br />

Ainsworth und Bartholomew ihre Bindungsqualitäten prototypisch, fassen Asendorpf<br />

und Kollegen (1997) diese eher dimensional auf. Wobei, wie Schindler (2001) zeigt,<br />

Bartholomews (1990) Typen auch dimensional betrachtet werden können.<br />

Bezüglich der zeitlichen und situationalen Stabilität der Bindungsstile gehen die<br />

Auffassungen in der Forschungsgemeinschaft auseinander. Doch gibt es gute<br />

Gründe, wie auch Befunde aus der Selbstkonzeptforschung (Hannover, 1997) und<br />

Psychotherapieforschung (z.B. Höger, 2005) nahe legen, diese mit Asendorpf et al.<br />

(1997) bindungsspezifisch und veränderbar zu fassen.


II. Literaturübersicht 38<br />

4. Psychotraumatisierung<br />

Ein weiterer Aspekt dieser vorliegenden Untersuchung ist der Zusammenhang von<br />

Psychotraumatisierung und Sucht. Im Folgenden wird zunächst eine Definition von<br />

Psychotraumatisierung gegeben, um dann auf die Klassifizierung einer<br />

Posttraumatischen Belastungsstörung nach ICD-10 und DSM-IV einzugehen.<br />

4.1 Definition von Psychotraumatisierung<br />

Bei der Definition eines Traumas kann entweder der Akzent auf das traumatische<br />

Ereignis gelegt werden oder aber auf den Zusammenhang von Ereignis und einem<br />

spezifisch subjektiven Erleben.<br />

Genau genommen kann ein Trauma immer erst retrospektiv von der<br />

Folgesymptomatik her definiert werden. Die Schwierigkeit einer Definition des<br />

psychischen Traumas liegt darin, dass ein Trauma niemals objektiv bewertet werden<br />

kann. Zu den objektiven Situationsfaktoren kommen untrennbar subjektive<br />

Bewertungsdimensionen. Das Konzept des psychischen Traumas ist somit ein<br />

relationaler Begriff.<br />

Bei einem Trauma handelt es sich somit um ein „vitales Diskrepanzerlebnis<br />

zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen<br />

Bewältigungsmöglichkeiten, das mit den Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser<br />

Preisgabe einhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung von Selbst- und<br />

Weltverständnis bewirkt“ (Fischer & Riedesser, 1998, S. 79).<br />

Diese Definition verdeutlicht, dass traumatische Erlebnisse im Gegensatz zu weniger<br />

gravierenden Erfahrungen durch dauerhafte Folgen gekennzeichnet sind und dass<br />

ihre pathogene Auswirkung zumindest zeitweise von individuellen Ressourcen<br />

abhängig ist, auch wenn die Praxis zeigt, dass extrem schwerwiegende Erlebnisse bei<br />

nahezu jedem Betroffenen gravierende Folgen verursachen.<br />

Menschen mit Traumatisierungen haben eine Extremsituation erlebt, in der sie mit<br />

aversiven Reizen überflutet wurden. Huber (2003) betont, dass man solche<br />

Extremsituationen als Opfer bzw. Betroffener erleben kann, doch auch als Zeuge<br />

oder Täter.<br />

Breiter gefasst ist die Kategorie der „Life-Events“ (z.B. Dohrewend, 1998). Nicht<br />

jedes negative Life-Event stellt ein Trauma dar, aber jedes Trauma ein negatives<br />

Life-Event. Dabei ist die kategoriale Abgrenzung auch von sozialem Stress nicht


II. Literaturübersicht 39<br />

immer einfach. Mit einer genaueren Operationalisierung ist die Forschung nach wie<br />

vor beschäftigt.<br />

4.2 Eine Typologie von Traumatisierungen<br />

Psychische Traumen können nach zwei Dimensionen typisiert werden: personale und<br />

apersonale Traumatisierungen und nach Häufigkeit und Vorhersehbarkeit der<br />

Traumatisierung (ob es sich um einmalige und überraschende oder um<br />

langanhaltende und kumulative Traumatisierungen handelt).<br />

• Unter apersonalen Traumen werden Traumatisierungen verstanden, die nicht<br />

willentlich durch Menschen herbeigeführt werden, wie z.B. Naturkatastrophen<br />

oder Verkehrsunfälle.<br />

• Unter personalen Traumen werden hingegen Traumatisierungen verstanden, die<br />

willentlich durch Gewaltanwendung anderer Menschen dem Individuum<br />

zugefügt werden. Hier sind zu nennen: räuberische Überfälle, Vergewaltigungen,<br />

Kindesmisshandlung und -missbrauch, Folter, Geiselhaft und<br />

Kriegseinwirkungen.<br />

Die zweite Dimension betrifft die Häufigkeit und Vorhersehbarkeit des Ereignisses.<br />

Wöller (2006) unterscheidet in Anlehnung an Terr (1991) zwischen Typ I und Typ II<br />

wie folgt:<br />

• Typ-I-Traumen oder Schock-Traumen: plötzlich, unvorhergesehen, einmalig<br />

- apersonal: Naturkatastrophen, Verkehrsunfälle<br />

- personal: räuberische Überfälle, Vergewaltigung, plötzlicher Verlust einer<br />

Bezugsperson<br />

• Typ-II-Traumen: chronisch- kumulativ<br />

- politische Gewalt: Krieg, Folter, Geiselnahme, Konzentrationslager<br />

- personaler Nahbereich: Kindesmisshandlung und -vernachlässigung<br />

4.3 Klassifikation<br />

Im ICD-10 finden wir im Kapitel V unter F43 die Kategorie „Reaktionen auf<br />

schwere Belastungen und Anpassungsstörungen“


II. Literaturübersicht 40<br />

Hierunter werden die akute Belastungsreaktion (F43.0) als eine akute Reaktion auf<br />

eine Extremsituation aufgeführt, die aber innerhalb von Stunden oder Tagen wieder<br />

abklingt, die Posttraumatische Belastungsstörung (F43.1) als eine verzögerte oder<br />

protrahierte Reaktion auf Extremsituationen und die Anpassungsstörung (F43.2). Die<br />

Anpassungsstörung wird als Zustand subjektiven Leidens und emotionaler<br />

Beeinträchtigungen gefasst, „die soziale Funktionen und Leistungen behindern und<br />

während des Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden Lebensveränderung,<br />

nach einem belastenden Lebensereignis oder auch nach schwerer körperlicher<br />

Krankheit auftreten“ (WHO, S.170) und im Allgemeinen nicht länger als 6 Monate<br />

bestehen sollten.<br />

Da in der Literatur ein enger Zusammenhang zwischen einer Alkohol- oder<br />

Drogenabhängigkeit und einer Posttraumatischen Belastungsstörung vermutet wird,<br />

soll im Folgenden auf die Posttraumatische Belastungsstörung näher eingegangen<br />

werden.<br />

4.3.1 Posttraumatische Belastungsstörung nach ICD-10-GM (2004/2005)<br />

Das ICD-10 stellt im Kapitel V unter der Codierung F43.1 Posttraumatische<br />

Belastungsstörung folgende diagnostische Leitlinien auf (zitiert nach Ehlers, 1999):<br />

Stressor:<br />

1. Ereignis oder Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder<br />

katastrophenartigen Ausmaßes<br />

2. würde bei fast jedem eine tiefe Verstörung hervorrufen<br />

Notwendige Symptome:<br />

1. Wiederholte unausweichliche Erinnerung oder Wiederinszenierung des<br />

Ereignisses in Gedächtnis, Tagträumen oder Träumen<br />

Andere typische Symptome:<br />

2. Andauerndes Gefühl von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit,<br />

Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit<br />

gegenüber der Umgebung, Anhedonie


II. Literaturübersicht 41<br />

3. Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das<br />

Trauma wachrufen könnten<br />

Gewöhnliche Symptome:<br />

4. Vegetative Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, übermäßiger<br />

Schreckhaftigkeit und Schlaflosigkeit<br />

5. Angst und Depression<br />

Seltene Symptome:<br />

6. Dramatische, akute Ausbrüche von Angst, Panik oder Aggression<br />

Zeitlicher Rahmen:<br />

Symptome treten üblicherweise innerhalb von 6 Monaten nach dem belastenden<br />

Ereignis auf<br />

4.3.2 Posttraumatische Belastungsstörung nach DSM-IV-TR (2003)<br />

Das DSM IV stellt folgende Kriterien auf, um eine posttraumatische<br />

Belastungsstörung codieren zu können:<br />

A. Traumaexposition (Kriterium 1 und 2 gefordert)<br />

1. Selbst erlebt oder Zeuge oder Konfrontation mit Ereignis:<br />

(drohender) Tod, ernsthafte Verletzung oder Gefahr für körperliche<br />

Unversehrtheit.<br />

2. Reaktion mit Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen<br />

B. Wiedererleben (1 Kriterium gefordert)<br />

1. Belastende Erinnerungen<br />

2. Belastende Träume<br />

3. Illusionen, Halluzinationen, dissoziative Flashbacks<br />

4. Intensive psychische Belastung bei Konfrontation mit Hinweisreizen<br />

5. Körperliche Reaktionen bei Hinweisreizen


II. Literaturübersicht 42<br />

C. Vermeidung von Hinweisreizen oder Abflachung der allgemeinen<br />

Reagibilität (Numbing) (3 Kriterien gefordert)<br />

1. Vermeidung traumaassoziierter Gedanken, Gefühle, Gespräche<br />

2. von Aktivitäten, Orten, Menschen, die an das Trauma erinnern<br />

3. Amnesie wichtiger Traumaaspekte<br />

4. Vermindertes Interesse oder Teilnahme an wichtigen Aktivitäten<br />

5. Gefühl von Losgelöstheit/Entfremdung von anderen<br />

6. Reduzierte affektive Bandbreite<br />

7. Gefühl einer eingeschränkten Zukunft<br />

D. Erhöhtes Arousal (mindestens 2 Symptome)<br />

1. Ein- oder Durchschlafstörungen<br />

2. Reizbarkeit oder Wutausbrüche<br />

3. Konzentrationsschwierigkeiten<br />

4. Hypervigilanz<br />

5. Übertriebene Schreckreaktion<br />

E. Das Störungsbild dauert länger als einen Monat<br />

F. Die Störung verursacht klinisch bedeutsames Leiden oder Beeinträchtigungen<br />

Es wird also auch hier schon im Eingangskriterium zwischen dem äußeren Ereignis<br />

(A1) und der Reaktion des Betroffenen (A2) unterschieden und ein Trauma nur<br />

angenommen, wenn beide Beschreibungen zutreffen.<br />

4.3.3 Unterschiedliche Gewichtung der Kriterien in ICD-10 und DSM-IV<br />

Das ICD-10 und das DSM-IV stimmen hinsichtlich der Kernsymptomgruppen der<br />

Posttraumatischen Belastungsstörung überein: Wiedererleben, Vermeidung,<br />

emotionale Taubheit und Übererregung. Sie unterscheiden sich aber in der<br />

Gewichtung der Symptome. Das ICD-10 betont die Symptome des Wiedererlebens<br />

wobei das DSM-IV die Vermeidungs- und Taubheitssymptome priorisiert, da<br />

mindestens drei dieser Symptome für eine Diagnose vorliegen müssen.<br />

ICD-10 und DSM IV unterscheiden sich auch in den Zeitkriterien. Während im ICD-<br />

10 lediglich ein Auftreten der Symptome innerhalb der ersten 6 Monate nach dem


II. Literaturübersicht 43<br />

Ereignis gefordert wird und bei späterem Beginn nur eine „wahrscheinliche“<br />

posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert werden kann, differenziert das<br />

DSM IV hierin genauer. Die posttraumatische Belastungsstörung wird als akut<br />

bezeichnet, wenn sie erst kürzer als 3 Monate andauert, und als chronisch bei<br />

längerer als dreimonatiger Dauer.<br />

Insgesamt sind die Kriterien im DSM-IV strenger gefasst, was auch die Ergebnisse<br />

von Andrews, Slade & Peters (1999; zitiert nach Ehlers, 1999) belegen. Sie fanden in<br />

einer großen Stichprobe eine PTB-Prävalenz nach ICD-10 von 7 % und nach DSM-<br />

IV von 3 %. Dabei betrug die Übereinstimmung zwischen beiden diagnostischen<br />

Systemen nur 35 %.<br />

4.4 Epidemiologie<br />

Die Angaben zur Epidemiologie stammen nach Ehlers (1999).<br />

4.4.1 Häufigkeit traumatischer Ereignisse<br />

In einer großen repräsentativen US-amerikanischen Stichprobe fanden Kessler et al.<br />

(1995), dass 61 % der Männer und 51 % der Frauen mindestens ein traumatisches<br />

Erlebnis in ihrem Leben gehabt haben (nach DSM-III-R). Stein et al. (1997) fanden<br />

nach DSM-IV, dass 81 % der Männer und 74 % der Frauen mindestens einmal in<br />

ihrem Leben einem traumatischen Erlebnis ausgesetzt waren.<br />

4.4.2 Art des Traumas<br />

Die Häufigkeit der PTB ist abhängig von der Art des traumatischen Ereignisses.<br />

Mehrere Studien berichten die höchsten Prävalenzzahlen für die Posttraumatische<br />

Belastungsstörung nach Vergewaltigung. In der Studie von Kessler et al. (1995)<br />

erfüllten 65 % der Männer und 46 % der Frauen, die vergewaltigt worden waren, die<br />

Kriterien einer Posttraumatischen Belastungsstörung nach DSM-III-R. Des Weiteren<br />

wurden hohe Raten berichtet für: Kampfeinsatz im Krieg, Kindesmisshandlung und<br />

sexueller Missbrauch. Relativ niedrige Raten von weniger als 10 % wurden für<br />

Unfälle, Beobachten von Tod oder Verletzung sowie für Brände und<br />

Naturkatastrophen berichtet. Andere Forschergruppen berichten hohe Raten für<br />

Folteropfer (Maercker & Schützwohl, 1997), Überlebende des Holocaust (Kuch &<br />

Kox, 1992) und Kriegsgefangene (Engdahl, Dikel, Eberly & Blank, 1997).


II. Literaturübersicht 44<br />

4.4.3 Prävalenz der PTB nach einem traumatischen Erlebnis<br />

Das Risiko, eine Posttraumatische Belastungsstörung nach einem traumatischen<br />

Erlebnis zu entwickeln, liegt für Männer bei 8 % und für Frauen bei 20 % (Kessler et<br />

al., 1995). Andere berichteten ein höheres Risiko bei Stichproben junger<br />

Erwachsener: Breslau, Davis, Andreski und Peterson (1991) verzeichneten ein<br />

Gesamtrisiko von 24 % und Breslau, Davis, Andreski, Peterson und Schultz (1997)<br />

ein Risiko von 13 % für Männer und 30 % bei Frauen.<br />

4.5 Ausgewählte Ätiologiemodelle<br />

Im folgenden werden zwei aktuelle Ätiologiemodelle der Psychotraumatisierung<br />

vorgestellt.<br />

4.5.1 Das Verlaufsmodell psychischer Traumatisierung von Horowitz<br />

Horowitz (1986) beschreibt Phasen der Reaktion auf ein Stress-Ereignis. Die<br />

normale Reaktion wird als „Stress-Reaktion“ bezeichnet, die pathologische Form als<br />

„traumatische Reaktion“. Im Folgenden werde die Phasen kurz zusammengefasst.<br />

• Die erste Phase ist gewöhnlich durch Aufschrei, Angst, Wut und Trauer geprägt.<br />

Im pathologischen Fall kommt es zu einer überwältigenden Überflutung durch<br />

Emotionen bis zur Panik und völligen Erschöpfung.<br />

• Die zweite Phase ist gekennzeichnet durch Verleugnung. Im Normalfall wird das<br />

Opfer jede Erinnerung an das traumatische Geschehen vermeiden. Im<br />

pathologischen Falle setzt eine extreme Nichtanerkennung des Ereignisses ein,<br />

auf der Verhaltensebene wird ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten sichtbar,<br />

das auch Substanzkonsum einschließt, um die Erinnerung an das traumatische<br />

Geschehen zu dämpfen.<br />

• In der dritten Phase treten gehäuft die vermiedenen Bilder und Gedanken auf. Im<br />

pathologischen Falle der Posttraumatischen Belastungsstörung kommt es zu<br />

Intrusionen. Im Wechsel von Annäherung (Intrusion) und Verleugnung<br />

(Vermeidung) zeigt die traumatische Reaktion eine pendelnde Verlaufsform.<br />

• Im Rahmen der normalen Reaktion folgt nun eine Phase der Integration,<br />

während derer sich die betroffene Person eingehend mit dem Geschehen<br />

auseinandersetzt. Im pathologischen Fall ist dies nicht möglich, die Symptome<br />

der posttraumatischen Belastungsstörung verfestigen sich.


II. Literaturübersicht 45<br />

• Im normalem Verlauf kommt es letztlich zu einem Abschluss der<br />

Traumaverarbeitung. Die betroffenen Personen können sich an das traumatische<br />

Ereignis erinnern, ohne von Bildern und Gedanken überflutet zu werden. Diese<br />

Möglichkeit des Abschlusses ist den Traumatisierten nicht gegeben. Intrusionen,<br />

Übererregung, Vermeidungsverhalten und Betäubung bestehen fort und mindern<br />

dauerhaft die Lebensqualität.<br />

4.5.2 Das Modell der chronischen Posttraumatischen Belastungsstörung von<br />

Ehlers und Clark<br />

Ein Modell der Posttraumatischen Belastungsstörung sollte erklären können, warum<br />

die betroffenen Personen Angstsymptome erleben, obwohl sie sich aktuell nicht mehr<br />

in einer bedrohlichen Situation befinden. Angst bezieht sich üblicherweise auf die<br />

Wahrnehmung einer zukünftigen Bedrohung. Die Posttraumatische<br />

Belastungsstörung ist jedoch eine Störung aufgrund einer Erinnerung an ein<br />

vergangenes Ereignis. Ehlers und Clark (2000) lösen diesen vermeintlichen<br />

Widerspruch, indem sie die chronische Posttraumatische Belastungsstörung so<br />

konzeptualisieren, dass Betroffene das Ereignis und/oder seine Konsequenzen so<br />

verarbeiten, dass sie eine schwere gegenwärtige Bedrohung wahrnehmen.<br />

Zwei verschiedene Prozesse führen nach ihrem Modell zu dieser Wahrnehmung:<br />

Zum einen sind es individuelle Unterschiede in der Trauma-Interpretation und/oder<br />

in der Interpretation seiner Konsequenzen.<br />

Zum anderen sind es individuelle Unterschiede in der Art des Trauma-Gedächtnisses<br />

und der Verbindung zu anderen autobiographischen Erinnerungen.<br />

Wird die Wahrnehmung der gegenwärtigen Bedrohung aktiviert, kommt es zu<br />

intrusivem Wiedererleben, Symptomen der körperlichen Erregung und starken<br />

emotionalen Reaktionen wie Angst, Ärger, Scham oder Trauer. Dabei motiviert die<br />

wahrgenommene Bedrohung zu Verhaltensweisen und kognitiven Reaktionen, die<br />

die Belastung und wahrgenommene Bedrohung mindern sollen, die Störung letztlich<br />

aber aufrechterhalten, wie Abbildung 2 veranschaulicht.


II. Literaturübersicht 46<br />

Abbildung 2: Modell der chronischen Posttraumatischen Belastungsstörung von Ehlers<br />

und Clark (2000).<br />

Im Folgenden werde die einzelnen Elemente kurz erläutert:<br />

Interpretation des Traumas und/oder seiner Konsequenzen<br />

Ehlers und Clark (2000) gehen davon aus, dass Personen mit einer chronischen<br />

Posttraumatischen Belastungsstörung im Unterschied zu Personen, die sich von<br />

einem Trauma psychisch erholen, nicht in der Lage sind, das traumatisch Erlebte als<br />

ein zeitbegrenztes Ereignis zu sehen, das nicht notwendigerweise globale negative<br />

Auswirkungen auf ihr Leben hat. Dabei wird die Bedrohung häufig extern<br />

wahrgenommen (bedrohliche Umwelt), mehr jedoch noch intern als eine Bedrohung<br />

der Selbstwahrnehmung als fähige/akzeptable Person. Dabei ist nicht nur das<br />

Eintreten des traumatischen Ereignisses Gegenstand problematischer<br />

Interpretationen, sondern auch das eigene Verhalten in der Situation. Letztlich ist zu<br />

beachten, dass nicht nur das traumatische Ereignis als solches negativ interpretiert<br />

wird, sondern überdies auch seine Folgen wie die anfänglichen Symptome einer<br />

Posttraumatischen Belastungsstörung.<br />

Art des Trauma-Gedächtnisses


II. Literaturübersicht 47<br />

Die Erinnerung an das traumatische Ereignis ist bei den meisten Patienten mit einer<br />

Posttraumatischen Belastungsstörung nur bruchstückhaft und ungeordnet. Sie können<br />

das Ereignis willentlich nicht vollständig erinnern. Dazu steht das lebhafte<br />

ungewollte Wiedererleben von Aspekten des Erlebnisses im scheinbaren<br />

Widerspruch und muss durch Modelle der PTB erklärt werden. Ebenso muss eine<br />

Reihe von Eigenschaften des intrusiven Wiedererlebens wie z.B. die alle Modalitäten<br />

umfassenden sensorischen Eindrücke erklärt werden.<br />

Ehlers und Clark (2000) schlagen vor, dass dieses Muster der Erinnerungen mit<br />

erschwertem willentlichen Abruf und lebhaftes ungewolltes Wiedererleben mit Hierund-Jetzt-Qualität<br />

damit erklärt werden kann, wie das Trauma encodiert und im<br />

Gedächtnis abgespeichert wurde. Dazu treffen sie drei Annahmen:<br />

1. Das Ereignis wurde nur ungenügend elaboriert und in die Struktur des<br />

autobiographischen Gedächtnisses eingebettet. Dadurch ist der semantische<br />

Abrufpfad relativ schwach, die Erinnerung hat keinen zeitlichen Kontext und ist<br />

nicht mit späteren Informationen verbunden.<br />

2. Es bestehen für das traumatische Ereignis starke assoziative Gedächtnis-<br />

Verbindungen in Form von Reiz-Reiz (S-S) und Reiz-Reaktion (S-R)<br />

Assoziationen, die für das leicht auslösbare Wiedererleben mit verantwortlich<br />

sind.<br />

3. Traumatische Ereignisse unterliegen einem starken Priming. Schon einmal<br />

wahrgenommene Reizkonfigurationen haben eine niedrigere<br />

Wahrnehmungsschwelle als neue Reize. Deshalb werden Reize, die das Erlebte<br />

auslösen können, besonders schnell bemerkt. Zudem haben sie eine schlechte<br />

Reizdiskrimination, weshalb schon nur ähnliche Reize Erinnerungen an das<br />

Trauma auslösen können.<br />

Dysfunktionale Verhaltensweisen und kognitive Verarbeitungsstile<br />

Die Wahrnehmung der Bedrohung und der damit verbundenen Symptome bei einer<br />

Posttraumatischen Belastungsstörung werden von den betroffenen Personen mit einer<br />

ganzen Reihe unterschiedlicher Strategien versucht unter Kontrolle zu bringen.<br />

Jedoch sind diese Strategien dysfunktional, weil sie die Störung über mindestens<br />

einen von drei Strategien aufrechterhalten:<br />

- Sie fördern Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung.


II. Literaturübersicht 48<br />

- Sie stehen einer Veränderung der negativen Interpretationen des Traumas<br />

und/oder seiner Folgen entgegen.<br />

- Sie unterdrücken die Elaboration des Trauma-Gedächtnisses.<br />

Als ein Beispiel einer dysfunktionalen Strategie sei die Gedankenunterdrückung<br />

genannt. Dieses hat den paradoxen Effekt, dass die Frequenz der ungewollten<br />

Erinnerung steigt (Shiperd & Beck, 1999; zitiert nach Ehlers, 1999).<br />

Als ein weiteres Beispiel einer dysfunktionalen Strategie zur Kontrolle der<br />

wahrgenommenen Bedrohung und/oder Symptome kann der Konsum psychotroper<br />

Substanzen angeführt werden.<br />

Kognitive Verarbeitung während des Traumas<br />

Die kognitive Verarbeitung während des traumatischen Geschehens beeinflusst die<br />

Interpretation und die Art des Trauma-Gedächtnisses. Ehlers und Clark (2000)<br />

fanden, dass Sich-Aufgeben (mental defeat) während einer sexuellen oder<br />

körperlichen Gewalttat oder politischer Inhaftierung eine chronische<br />

Posttraumatische Belastungsstörung und schlechtes Ansprechen auf<br />

Expositionstherapie (Ehlers, Mayou, & Bryant, 1998; zitiert nach Ehlers, 1999)<br />

prädiziert. Dabei lässt sich das Sich-Aufgeben als den wahrgenommenen Verlust<br />

jeglicher Autonomie, begleitet von dem Gefühl kein Mensch mehr zu sein, fassen.<br />

Betroffene, die sich während eines Traumas aufgeben, werden später mit größerer<br />

Wahrscheinlichkeit als andere Opfer das Trauma als einen Beleg ihrer negativen<br />

Selbstsicht interpretieren.<br />

Die Qualität der Informationsbearbeitung hat Auswirkungen auf die Encodierung.<br />

Relevante Größen sind hierbei die Tiefe und Organisation der Verarbeitung<br />

(datenorientierte vs. konzeptuelle Verarbeitung) und das Ausmaß der<br />

selbstbezogenen Verarbeitung und das Vermögen, Eindrücke auf ihren<br />

Wahrheitsgehalt zu überprüfen.<br />

Weitere Variablen, die die Entwicklung einer Posttraumatischen Belastungsstörung<br />

beeinflussen<br />

Wie die Abbildung 2 verdeutlicht, berücksichtigt das Modell zum einen die kognitive<br />

Verarbeitung und Interpretierung des Traumas und die Art, in der das traumatische<br />

Erlebnis im Gedächtnis gespeichert wird, und zum anderen die Strategiewahl, um die<br />

wahrgenommene Bedrohung oder die PTB-Symptome zu kontrollieren. Wichtige


II. Literaturübersicht 49<br />

Einflussgrößen zur Bedeutung psychischer Probleme und zum Auftreten ungewollter<br />

Gedanken sind dabei aber auch die Dauer und Vorhersehbarkeit des traumatischen<br />

Ereignisses, Reaktionen wichtiger Bezugspersonen nach dem Ereignis und der<br />

persönliche Zustand vor dem Trauma (z.B. Erschöpfung, Alkoholgenuss, Grad der<br />

Angst und physischer Erregung), Intelligenz und Persönlichkeitsfaktoren wie<br />

Neurotizismus, frühere traumatische Erfahrungen und Überzeugungen (Selbstwert,<br />

subjektive Einschätzung der Wahrscheinlichkeit selbst Opfer einer Gewalttat zu<br />

werden), sowie frühere Angststörungen oder Depressionen.<br />

Diese Hintergrundvariablen werden dabei von den Autoren weder als notwendige,<br />

noch als hinreichende Variablen in der Ätiologie der chronischen Posttraumatischen<br />

Belastungsstörung angesehen, sollten jedoch bei individueller Therapieplanung<br />

sinnvollerweise Berücksichtigung finden. Sie betonen jedoch ausdrücklich, dass sie<br />

die drei wesentlichen Mechanismen der PTB beeinflussen (Interpretation des<br />

Traumas und seiner Konsequenzen, Art des Traumagedächtnisses und Wahl der<br />

Strategie bezüglich des Umgangs mit der Bedrohung und der Symptome).<br />

4.6 Persönliche Reifung durch traumatische Ereignisse<br />

Die Erfahrung eines traumatischen Ereignisses muss jedoch nicht zwangsläufig die<br />

Person schwächen oder beeinträchtigen. Seit längerem haben unterschiedliche<br />

psychologische Vertreter auf das Phänomen hingewiesen, dass Personen, die eine<br />

Krise oder ein traumatisches Ereignis überstanden haben, von einem Zuwachs an<br />

innerer Reife, neu definiertem Lebenssinn und selbstwahrgenommenen positiven<br />

Veränderungen ihrer Person berichten (Frankl, 1973; Parkes & Weis, 1983; Taylor,<br />

Lichtman & Wood, 1984; Ulich, 1987; zitiert nach Maercker & Langner, 2001).<br />

Maercker und Langner (2001) beschreiben die persönliche Reifung von Personen<br />

nach erlebten Krisen „als die subjektive Erfahrung positiver Veränderungen, die das<br />

Ergebnis der kognitiven und emotionalen Verarbeitung von aversiven Ereignissen<br />

darstellt“ (S. 154). Es kommt hierbei also zur Veränderung und Differenzierung von<br />

Bedeutungen und Attribuierungen sowie zu neu geordneten Bedeutungen.<br />

Schaefer und Moos (1992; zitiert nach Maercker & Langner, 2001) sehen aus<br />

stresstheoretischer Perspektive die persönliche Reifung als ein<br />

Bewältigungsergebnis, das zudem einen Zuwachs an Bewältigungsressourcen für<br />

potenzielle neue Krisen und Traumata darstellt.


II. Literaturübersicht 50<br />

5. Bindung und Trauma<br />

In diesem Kapitel sollen Auswirkungen traumatischer zwischenmenschlicher<br />

Erfahrungen auf den Bindungsstil dargestellt werden.<br />

5.1 Bindung und Trauma in der Kindheit<br />

In bindungstheoretischer Konzeption beziehen sich traumatische Erfahrungen eines<br />

Kindes auf erwachsene Bindungspersonen, durch welche die Bindung erschüttert<br />

oder bedroht wird. Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass die affektive<br />

Bindung durch längere oder wiederholte Trennungen oder durch Verluste<br />

unterbrochen wird, zum anderen „kann Traumatisierung durch eine Übergriffigkeit<br />

in der Bindung entstehen, wenn in einer forcierten, grenzüberschreitenden Nähe das<br />

Kind zum Opfer der sexuellen oder aggressiven Impulse der Bindungsfigur wird.<br />

Sexueller Missbrauch und körperliche Misshandlung sind die beiden anderen Formen<br />

von Bindungstraumata, bei denen das affektive Band vom Erwachsenen für andere<br />

Motive missbraucht wird und die Bindungsfigur dem Kind seine eigenen sexuellen<br />

oder aggressiven Bedürfnisse aufzwingt“ (Hauser, 2001, S. 227; zitiert nach Strauß,<br />

2005).<br />

Bevor in der entwicklungspsychologischen Bindungsforschung die Kategorie des<br />

desorganisierten Bindungsverhaltens eingeführt worden war, kamen mehrere Studien<br />

zu dem Schluss, dass misshandelte Kinder überwiegend eine unsichere<br />

Bindungsqualität entwickeln (z.B. mehr als zwei Drittel in den Studien von Egeland<br />

& Sroufe, 1981; Schneider-Rosen & Cicchetti, 1984; zitiert nach Strauß, 2005),<br />

trotzdem aber eine beträchtliche Zahl der sicheren Kategorie zugeordnet wurden.<br />

Nach der Einführung des desorganisierten Bindungsstils zeigten mehrere Studien<br />

(z.B. Carlson & Sroufe, 1995; Howe et al., 1999; zitiert nach Strauß, 2005), dass ein<br />

sehr hoher Anteil (bis über 80 %) betroffener Kinder eine desorganisierte<br />

Bindungsstrategie zeigt, während in nicht-klinischen Stichproben die Prävalenz<br />

desorganisierten Bindungsverhaltens zwischen 14 % (bei Kindern aus mittleren<br />

sozialen Schichten) und 24 % (bei Kindern aus unteren Schichten) anzugeben ist<br />

(van Ijzendoorn et al, 1999).


II. Literaturübersicht 51<br />

5.2 Bindungsrepräsentanzen traumatisierter und traumatisierender<br />

Erwachsener<br />

Eine traumatische Vorerfahrung bei mindestens einem Elternteil kann als<br />

wesentliche Determinante eines desorganisierten Bindungsstils angesehen werden.<br />

Diese Determinante umfasst den ungelösten traumatischen Verlust von<br />

Bindungsfiguren, traumatischen Misshandlungserfahrungen in Form physischer oder<br />

sexueller Gewalt oder auch erst kurz zurückliegende Traumatisierungen. Van<br />

Ijzendoorn et al. (1996) gehen davon aus, dass desorganisierte Bindung nicht auf<br />

konstitutionelle Faktoren zurückzuführen ist (Wöller, 2006). Darüber hinaus<br />

tendieren sie selbst aufgrund ihrer traumatischen Erfahrungen zur Fortführung von<br />

Misshandlung und Vernachlässigung in zwischenmenschlichen Beziehungen<br />

(Streeck-Fischer & van der Kolk, 2000).<br />

Es kann davon ausgegangen werden, dass aufgrund derartiger Erfahrungen die<br />

Fähigkeit, sich in den mentalen Zustand anderer einzufühlen, nachhaltig und<br />

dauerhaft gestört bleibt und die Wahrscheinlichkeit einer Transmission der<br />

traumatischen Erfahrung in der Interaktion mit den eigenen Kindern erhöht (vgl.<br />

Fonagy & Target, 1996; Hauser, 2001; zitiert nach Strauß, 2005). Zusammenhänge<br />

zwischen traumatischen Erfahrungen und Beeinträchtigungen von selbstreflexiven<br />

Funktionen wurden in mehreren empirischen Studien belegt (vgl. Fornagy, 2002;<br />

zitiert nach Strauß, 2005).<br />

Das Elternverhalten desorganisierter Kinder lässt sich beschreiben als ängstlicherschrockenes<br />

und gleichzeitig ängstigend-erschreckendes Verhalten. Dieses<br />

Verhalten bringt das Kind in den unlösbaren Konflikt, bei den Eltern Schutz zu<br />

suchen und sich gleichzeitig vor ihrem Verhalten schützen zu müssen (Main &<br />

Hesse, 1990; zitiert nach Wöller, 2006). Der so entstehende Annäherungs-<br />

Vermeidungskonflikt lässt dem Kind keine vorhersagbare Bewältigungsstrategie<br />

treffen, um mit den Eltern erfolgreich in Interaktion zu treten.<br />

Bei den Eltern handelt es sich bei diesen Reaktionen am ehesten um dissoziative<br />

Reaktionen, bei denen – ausgelöst durch kindliche Merkmale und<br />

Verhaltensweisen – eigene traumatische Erfahrungen, vor allem eigene Erfahrungen<br />

von traumatischem Verlust und sexuellem Missbrauch, hervorgerufen werden<br />

(Hesse, 1999; Liotti, 1995, 1999; Main & Morgan, 1996; Nijenhuis et al., 2003;<br />

zitiert nach Wöller 2006).


II. Literaturübersicht 52<br />

Henderson et al. (1997; zitiert nach Wöller, 2006) fanden eine erhöhte Tendenz der<br />

Reviktimisierung in der Gruppe der unsicher-ambivalent gebundenen und in der<br />

Gruppe der unsicher-desorientiert gebundenen Kinder, aber auch Erwachsenen. So<br />

waren die Bindungsstile von Frauen, die in der Ehe misshandelt wurden, kurz<br />

nachdem sie ihre misshandelnden Ehemänner verlassen hatten, überwiegend<br />

ängstlich anklammernd und mit negativen Selbstbildern verbunden. Fonagy (1998;<br />

zitiert nach Wöller, 2006) postuliert, dass bei unsicheren und vor allem<br />

desorganisierten Bindungen der Körper zum Vehikel für einen introjizierten<br />

„fremden“ Anderen wird, von dem sich die betreffende Person nicht trennen kann,<br />

mit dem sie aber auch nicht harmonisch koexistieren kann.<br />

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Missbrauchserfahrungen und<br />

Vernachlässigung potenziell die Entwicklung einer unsicheren und/oder<br />

desorganisierten Bindung zur Folge haben, die zwar nicht zwingend mit einer<br />

Psychopathologie einhergeht, aber einen erheblichen Risikofaktor für die<br />

Entwicklung psychopathologischer Zustände darstellt. Bindungsstörungen können<br />

die Folge von traumatischen Erfahrungen sein. Nach Brisch (1999) stellen<br />

Bindungsstörungen, die sich z.B. in einem extremen Rückzug und vermehrter<br />

Aggression bis zum völligen Fehlen von Bindungsverhalten äußern können, in der<br />

Regel die Folge von sequenziellen, permanenten Traumatisierungen dar, zu denen<br />

wiederholte (sexuelle) Gewalt und extreme Formen der Vernachlässigung zählen.


II. Literaturübersicht 53<br />

6. Bindung und Persönlichkeitsstörung<br />

In diesem Kapitel soll es um den Zusammenhang von Bindung und<br />

Persönlichkeitsstörungen gehen. Bislang gibt es noch keine konsistente Theorie, die<br />

Bindungsstörungen und die einzelnen Persönlichkeitsstörungen miteinander<br />

verbindet. Jedoch gibt es zahlreiche Ergebnisse, die auf einen Zusammenhang<br />

hinweisen.<br />

6.1 Unsichere Bindung, desorganisierte Bindung und Psychopathologien<br />

Es zeigen sich zahlreiche Zusammenhänge zwischen unsicheren Bindungsstilen und<br />

dem Auftreten klinischer Psychopathologien. Demgegenüber zeigen sicher<br />

gebundene Personen die geringste Anzahl von Symptomen und die meisten<br />

Indikatoren für psychische Gesundheit.<br />

In einer Studie von Alexander (1992; zitiert nach Wöller, 2006) fanden sich bei<br />

unsicher-ambivalent gebundenen Individuen am häufigsten abhängige<br />

Persönlichkeitsstörungen, ein selbstschädigendes Verhalten sowie Züge einer<br />

Borderline-Störung. Zusätzlich neigten sie signifikant häufiger zu Dissoziation<br />

(Alexander & Anderson, 1994; zitiert nach Wöller, 2006).<br />

Die meisten Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen einem ängstlichambivalenten<br />

Bindungsstil und der Diagnose einer Borderline-<br />

Persönlichkeitsstörung.<br />

Personen mit desorganisiertem Bindungsmuster zeigen vermehrt eine geschwächte<br />

Kognitionsentwicklung, eine geringere soziale Kompetenz und aggressives<br />

Verhalten in den Vorschuljahren (van Ijzendoorn et al., 1999; zitiert nach Wöller,<br />

2006).<br />

6.2 Störungen der Selbstregulierung durch Beziehungstraumatisierungen<br />

Entwicklungspsychologische und neurobiologische Befunde der letzten Jahre legen<br />

überzeugend dar, dass chronische Bindungs- und Beziehungstraumatisierung im<br />

Zusammenwirken mit konstitutionellen Faktoren zu funktionellen Veränderungen<br />

der Hirnregionen führen, die an der Regulierung der Emotionalität und anderer<br />

wichtiger Steuerungsfunktionen maßgeblich beteiligt sind. Die nicht ausreichend<br />

sensiblen und passenden Abstimmungsprozesse zwischen dem sich entwickelnden


II. Literaturübersicht 54<br />

Kind und seiner primären Bezugsperson und das Ausbleiben eines Halt gebenden<br />

Containments seiner Affekte führen zu veränderten Stoffwechselvorgängen im<br />

Gehirn. Diese veränderten Stoffwechselvorgänge führen dazu, dass sich die für die<br />

Emotionsregulierung relevanten Hirnregionen nicht richtig entwickeln können (Perry<br />

et al., 1995; Schore, 1994; Siegel, 1999; Sroufe, 1996; zitiert nach Wöller, 2006).<br />

Besonders gravierend sind die traumatischen Einwirkungen in den ersten<br />

Lebensjahren, in der reifungssensiblen Phase. Sie münden in schweren Störungen der<br />

Selbstregulation, insbesondere der Emotionsregulierung, Selbstreflexion und<br />

Mentalisierung sowie Störungen der Ich-Integration.<br />

6.3 Modifikationen der Repräsentanzenwelt als intrapsychische Formen der<br />

Selbstregulierung<br />

Bei anhaltender Beziehungstraumatisierung erscheint es zunächst einmal adaptiv und<br />

notwendig, die Bindungsbeziehung zu schützen. Dies führt zu<br />

Persönlichkeitsveränderungen, einhergehend mit:<br />

• einer inkohärenten und verzerrten Wahrnehmung wichtiger<br />

Bindungsbeziehungen,<br />

• negativer Kognitionen über die eigene Person und<br />

• einer lebenslangen Aktivierung „traumatischer“ Beziehungsmuster, gespeichert<br />

in inneren Arbeitsmodellen von Bindung (Bowlby, 1969).<br />

Die bei komplex traumatisierten Patienten typischen chronischen<br />

Persönlichkeitsveränderungen können weitgehend als intrapsychische<br />

(autoregulative) Formen der Selbstregulierung verstanden werden (Herman, 1992;<br />

zitiert nach Wöller, 2006). In diesem Sinne sind auch die typischen Veränderungen<br />

in der Selbstwahrnehmung zu verstehen, einhergehend mit unangemessenen Schuldund<br />

Schamgefühlen, die oft verzerrte Wahrnehmung wichtiger Bezugspersonen und<br />

die Tendenz, misshandelnde frühe Bezugspersonen zu idealisieren. Alle diese<br />

Mechanismen haben eine Funktion: Die Bindungsbeziehung zur primären<br />

Bezugsperson zu erhalten und die betroffene Person vor überflutenden Affekten des<br />

Alleingelassenseins, der Verzweiflung und der Ohnmacht zu schützen.<br />

Die intrapsychische Modifikation der Repräsentanzenwelt erfordert einen nicht<br />

unerheblichen Einsatz von Abwehrmechanismen, dabei ist zu betonen, dass


II. Literaturübersicht 55<br />

projektive und dissoziative Mechanismen die psychosoziale Anpassung erheblich<br />

erschweren können. Traumatische Bindungsmuster stellen auch ein erhöhtes Risiko<br />

einer Reviktimisierung dar (Wöller, 2006).


II. Literaturübersicht 56<br />

7. Bindung und Substanzstörungen<br />

Flores (2004) sieht die Ursache der Suchtmittelabhängigkeit in einer<br />

Bindungsstörung des Patienten. Den Individuen ist es biologisch nicht möglich<br />

(aufgrund fehlender externaler Unterstützung in der frühen Kindheit), ihre eigenen<br />

Affekte zu regulieren. Aufgrund dieser Störung der Emotionsregulierung bzw.<br />

aufgrund eines auf langer Sicht dysfunktionalen Bindungsstils fällt es ihnen schwer,<br />

zwischenmenschliche Beziehungen zu knüpfen und zu unterhalten. Sie sind deshalb<br />

umso mehr gefährdet, aufgrund ihres Mangels an tiefen emotionalen Beziehungen<br />

Alkohol oder Drogen zu substituieren, mit denen zunächst leichter und<br />

unkomplizierter Emotionen reguliert und der Mangel an engen emotionalen<br />

Beziehungen ausgeglichen werden können.<br />

7.1 Unsichere Bindung als Risikofaktor für die Entwicklung einer<br />

Suchterkrankung<br />

Längsschnittstudien an Risikostichproben zeigen, dass eine unsichere Bindung in der<br />

frühen Kindheit ein Risikofaktor für spätere Fehlentwicklungen darstellt,<br />

wohingegen eine sichere Bindung protektiv wirkt (Egle, Hardt, Nickel, Kappis &<br />

Hoffmann, 2002). So findet sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen unsicherer<br />

Bindung und psychischer Erkrankung. In klinisch unauffälligen Stichproben beträgt<br />

der Anteil sicher gebundener Erwachsener 58 %, in klinischen Stichproben hingegen<br />

lag der Anteil nur bei 14 % (van Ijzendoorn & Bakermans-Kranenburg, 1996). Für<br />

Abhängigkeitserkrankungen liegen diesbezüglich noch sehr wenige Daten vor, doch<br />

erscheint es plausibel anzunehmen, dass hier, ebenso wie bei anderen psychischen<br />

Störungen, überwiegend unsichere Bindungsmuster zu finden sind, wohingegen eine<br />

sichere Bindung eher vor einer Suchtentwicklung schützen dürfte. Diese Annahmen<br />

werden von Schindler (2001) gestützt, der einen überwiegenden Anteil von<br />

ängstlich-vermeidenden Bindungsstilen, gefolgt von den zweithöchsten<br />

Skalenwerten im anklammernden Bindungsstil (nach den prototypischen<br />

Beschreibungen von Bartholomew, 1990) feststellte. Zudem berichtet er, dass selbst<br />

innerhalb der klinischen Extremgruppe sowohl die Skalenwerte des ängstlichvermeidenden<br />

Stils als auch die des anklammernden Stils mit der Schwere der<br />

Abhängigkeit korrelieren. Die Schwere der Drogenabhängigkeit korreliert also in der<br />

Konzeption von Bartolomew (1990) mit dem negativen Selbstbild der


II. Literaturübersicht 57<br />

Drogenabhängigen. Dieses Ergebnis deckt sich wiederum mit den immer wieder<br />

replizierten Untersuchungen von Thomasius (2000), die einen negativen Selbstwert<br />

Drogenabhängiger konstatieren.<br />

Die unsicheren Bindungsstile zeugen von Angst vor erneuter Zurückweisung. Wenn<br />

keine anderen konstruktiven Bewältigungsmechanismen verfügbar sind, bieten sich<br />

Suchtstoffe als Bewältigungsversuch an. Im Sinne einer Selbstmedikation lassen sich<br />

mit bestimmten Substanzen unangenehme Gefühle zeitweise eindämmen und<br />

dämpfen. So gesehen lässt sich der Suchtmittelkonsum als Versuch begreifen, die in<br />

Bindungssituationen entstehenden negativen Affekte zu regulieren. Dabei ist eine<br />

Beobachtung aus der Kleinkindforschung nicht unerheblich, die besagt, dass sicher<br />

gebundene Kinder weder andere Kinder schikanieren noch selbst schikaniert werden<br />

(was negative Affekte nach sich zöge), da gleichaltrige Kinder sie als<br />

durchsetzungsfähig erleben (Troy & Sroufe, 1987; Weinfield u.a., 1999; zitiert nach:<br />

Brisch, K.E. Grossmann, E. Grossmann & Köhler, 2002).<br />

7.2 Suchtmittelkonsum als Beziehungsvermeidung<br />

Ein Suchtmittelkonsum wirkt sich in dem Maße, wie er in einen Missbrauch oder<br />

eine Abhängigkeit mündet, auch immer stärker auf enge Beziehungen und somit<br />

auch auf Bindungsbeziehungen aus. Werden Substanzen wie Alkohol oder auch<br />

Ecstasy anfangs noch als „Kontaktmittel“ genutzt, ist jemand im intoxikierten<br />

Zustand schlicht nicht beziehungsfähig. Der Suchtmittelkonsum kann und wird somit<br />

auch dazu benutzt, um sich – zumindest kurzfristig – aus unangenehm erlebten<br />

Beziehungen zu verabschieden. Suchtverhalten verhindert somit u. U.<br />

Bindungsbeziehungen, in denen neue, möglicherweise positive Bindungserfahrungen<br />

gemacht werden könnten. Somit verhindert Suchtverhalten eine konstruktive<br />

Weiterentwicklung der Bindung und verfestigt Unsicherheit.<br />

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Wissenschaft beim Thema Bindung<br />

und Sucht noch ganz am Anfang steht. Jedoch scheint das Thema Bindung für das<br />

Verständnis und Behandlung von Suchterkrankungen ein hoch relevantes Konzept zu<br />

sein, da die Bindungstheorie viel zum Verständnis von engen Beziehungen und von<br />

Affektregulation beiträgt. Beides, sowohl die Vermeidung enger Beziehungen und


II. Literaturübersicht 58<br />

die Affektregulation mittels psychotroper Substanzen sind wesentliche Elemente für<br />

das Verständnis von Suchtstörungen. Es liefert ein Modell, das erklärt, wie<br />

Suchtmittel gleichzeitig zur Beziehungsvermeidung und auch zur Angstbewältigung<br />

eingesetzt werden.


II. Literaturübersicht 59<br />

8. Trauma und Persönlichkeitsstörung<br />

In diesem Kapitel soll der Zusammenhang zwischen traumatischen Erfahrungen und<br />

Persönlichkeitsstörungen näher untersucht werden.<br />

8.1 Persönlichkeitsstörungen infolge Realtraumatisierungen<br />

Umfassende Störungen der Persönlichkeit zählen zu den gesicherten Langzeitfolgen<br />

gravierender und lang anhaltender Traumatisierungen durch körperliche oder<br />

sexuelle Gewalt. Eine Vielzahl empirischer Untersuchungen stützt die Hypothese,<br />

dass Traumatisierungen in der Kindheit und die Entstehung einer<br />

Persönlichkeitsstörung eng miteinander verbunden sind. In klinischen Stichproben<br />

finden sich bei Individuen mit der Diagnose einer Persönlichkeitsstörung zu einem<br />

hohen Prozentsatz Misshandlungs- und Missbrauchserfahrungen. Die<br />

Wahrscheinlichkeit, an einer Persönlichkeitsstörung zu erkranken, ist signifikant<br />

erhöht, wenn in der Vorgeschichte Gewalt oder sexuelle Übergriffe berichtet wurden<br />

(Johnson et al., 1999; Modestin et al. 1988; Southwick et al., 1993; zitiert nach<br />

Wöller, 2006).<br />

Allerdings ist zu beachten, dass Traumatisierungen in der Kindheit lediglich als ein<br />

wichtiger Risikofaktor neben anderen für die Entwicklung von<br />

Persönlichkeitsstörungen anzusehen sind. Die Diathese-Stress-Modelle betonen, dass<br />

hierbei genetische Faktoren, Belastungsfaktoren und protektive Faktoren in<br />

komplexer Interaktion stehen.<br />

8.2 Führen spezifische traumatische Erfahrungen zu spezifischen<br />

Persönlichkeitsstörungen?<br />

Einige Untersuchungen gehen der Frage nach, ob einzelne Persönlichkeitsstörungen<br />

stärker mit Realtraumatisierungen belastet sind als andere (Modestin, Ebner, Junghan<br />

& Erni, 1996; Zanarini & Frankenburg, 1997; zitiert nach Wöller & Kruse, 2003).<br />

Wöller (2006) referiert verschiedene Studien, die die stärksten Zusammenhänge<br />

zwischen Misshandlung in der Kindheit mit der paranoiden, der Borderline-, der<br />

dependenten und der sadistischen Persönlichkeitsstörung finden. Patienten mit der<br />

Diagnose einer Borderline-Persönlichkeitsstörung wiesen in zwei Drittel bis drei<br />

Viertel aller Fälle körperliche oder sexuelle Traumatisierungen auf (Modestin et al.,


II. Literaturübersicht 60<br />

1998; Zanarini et al., 1989, 2002; zitiert nach Wöller, 2006). Zarini et al. (2002;<br />

zitiert nach Wöller, 2006) erhob 290 Patienten mit einer Persönlichkeitsstörung.<br />

Davon gaben 62,4 % in der Vorgeschichte einen sexuellen Missbrauch, 86,2 %<br />

andere Formen der Kindesmisshandlungen und 92,1 % Vernachlässigung in der<br />

Kindheit an. Über 50 % gaben an, dass der sexuelle Missbrauch mit Penetration und<br />

dem Einsatz von Gewalt einherging. Dabei zeigte sich ein signifikanter<br />

Zusammenhang zwischen der Schwere des Missbrauchs mit der Schwere der<br />

Symptome sowie der Einschränkung der psychosozialen Anpassung, unabhängig von<br />

Alter, Geschlecht und Rasse.<br />

Ob es hingegen einen spezifischen Zusammenhang zwischen einer sexuellen<br />

Traumatisierung und der Entwicklung einer Borderline-Persönlichkeitsstörung gibt,<br />

ist noch immer nicht abschließend geklärt (Wöller & Kruse, 2003). Zanarini und<br />

Frankenburg (1997; zitiert nach Wöller, 2006) finden hierfür stützende Beweise in<br />

der Beobachtung, dass die Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung<br />

überzufällig häufig gemeinsam mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung als mit<br />

einer anderen Persönlichkeitsstörung auftreten. Dagegen spricht die Tatsache, dass<br />

sich Misshandlungen, abrupte Trennungen und Vernachlässigungen zwar in hohem<br />

Maße bei Personen mit der Diagnose einer Borderline-Persönlichkeitsstörung finden,<br />

in gleichem Ausmaß jedoch auch bei verschiedenen anderen<br />

Persönlichkeitsstörungen (Johnson et al., 1999; Laporte & Guttman, 1996; zitiert<br />

nach Wöller, 2006). Eine Metaanalyse über die Literatur zur Beziehung zwischen<br />

sexuellem Kindesmissbrauch und dem Auftreten einer Borderline-<br />

Persönlichkeitsstörung, die 21 Studien aus den Jahren 1980-1985 umfasste, konnte<br />

die Hypothese einer spezifischen Korrelation nicht bestätigen (Fossati, Madeddu &<br />

Maffei, 1999; zitiert nach Wöller, 2006). Für einen solchen Zusammenhang sprechen<br />

hingegen die Ergebnisse von Yen, Shea, Battle, Johnson, Zlotnick, Dolan-Sewell,<br />

Skodol, Grilo, Gunderson, Sanislow, Zanarini, Bender, Rettew und McGlashan<br />

(2003, zitiert nach Wöller, 2006).<br />

Ebenso spielen bei den meisten anderen spezifischen Persönlichkeitsstörungen<br />

Traumatisierungen in der Kindheit und Jugend eine bedeutende Rolle, auch wenn,<br />

wie Modestin, Ebner, Junghan und Erni (1996, zitiert nach Wöller, 2006) berichten,<br />

in diesem Zusammenhang die Traumatisierungsraten durch physische oder sexuelle<br />

Gewalt niedriger liegen als bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung. Lediglich bei<br />

der narzisstischen Persönlichkeitsstörung ist die empirische Befundlage dünn. Aus


II. Literaturübersicht 61<br />

mehreren kasuistischen Berichten kann jedoch abgeleitet werden, dass weniger die<br />

Erfahrung physischer oder sexueller Gewalt, als vielmehr beziehungstraumatische<br />

Erfahrungen für die Entwicklung dieser Persönlichkeitsstörung bedeutsam sind und<br />

dies besonders, wenn Kinder zur Emotionsregulierung der Eltern instrumentalisiert<br />

werden (Kernberg, 1976, 1988; Kohut, 1976; zitiert nach Wöller, 2006).<br />

Für die Entstehung der DSM-Cluster C-Persönlichkeitsstörungen, insbesondere für<br />

die ängstlich-vermeidende und die anankastische Persönlichkeitsstörung, werden<br />

demgegenüber weniger Realtraumatisierungen als vielmehr überprotektive elterliche<br />

Erziehungsstile als pathogenetisch bedeutsam angeführt (Arbel & Stravynski, 1991;<br />

Langenbach, Hartkamp, Ott, Wöller & Tress, 2001a, 2001b; zitiert nach Wöller,<br />

2006).<br />

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Persönlichkeitsstörungen zu einem<br />

beträchtlichen Teil mit Traumatisierungen im Zusammenhang stehen, dabei darf<br />

jedoch nicht übersehen werden, dass sie aufgrund ihrer multifaktoriellen Genese<br />

ätiologisch keinesfalls auf Realtraumatisierungen zu reduzieren sind. Genetischkonstitutionellen<br />

Faktoren (Paris, 1997; zitiert nach Wöller, 2006) sowie protektive<br />

Faktoren (Egele et al., 2005) sollten dabei nicht außer Acht gelassen werden. Es<br />

besteht ein bedeutsamer Überlappungsbereich zwischen der Diagnosekategorie<br />

„Persönlichkeitsstörungen“ und der auf eine Traumaätiologie hinweisenden<br />

Kategorie „Posttraumatische Belastungsstörung“.


II. Literaturübersicht 62<br />

9. Persönlichkeits- und Substanzstörungen<br />

In der Komorbiditätsforschung haben bislang maßgeblich zwei<br />

Persönlichkeitsstörungen im Zusammenhang mit einer Substanzstörung Beachtung<br />

gefunden: Die Antisoziale und die Borderline-Persönlichkeitsstörung.<br />

Es werden vier Ätiologiemodelle vorgeschlagen (van den Brink, 1995; zitiert nach<br />

Moggi, 2002):<br />

1. Modell der primären Persönlichkeitsstörungen und sekundären<br />

Substanzstörung,<br />

2. Modell der primären Substanzstörung und sekundären<br />

Persönlichkeitsstörung,<br />

3. Bidirektionale Modelle und<br />

4. Modelle des gemeinsamen Faktors bzw. einer Störung.<br />

Im Folgenden werden diese beiden zur Zeit am besten empirisch fundierten Modelle<br />

zur Ätiologie der Komorbidität von Antisozialer- bzw. Borderline-<br />

Persönlichkeitsstörung und Substanzmissbrauch bzw. -abhängigkeit vorgestellt.<br />

9.1 Die Antisoziale Persönlichkeitsstörung und Substanzstörung<br />

Nach einem kurzen Überblick zur Komorbidität von Antisozialer<br />

Persönlichkeitsstörung und Substanzabhängigkeit wird das Ätiologiemodell von<br />

Iacono, Carlson, Taylor, Elkins und McGue (1999) dargestellt.<br />

9.1.1 Epidemiologie Antisoziale Persönlichkeitsstörung und Substanzstörung<br />

Lieb und Isensee (2002) berichten von einem rund sechsfach erhöhten Risiko einer<br />

Komorbidität von Antisozialer Persönlichkeitsstörung bei Personen mit einer<br />

Lebenszeitdiagnose von Alkoholabhängigkeit (Prävalenzrate: 21,3 %) und von einem<br />

vierzehnfach erhöhtem Risiko bei Drogenabhängigkeit (Prävalenzrate: 30,3 %).<br />

Klinische Studien weisen Prävalenzraten von 1- 62 % (Median:22 %) auf, wobei die<br />

große Streubreite durch Setting (z.B. stationäre vs. ambulante Einrichtungen) und<br />

methodische (z.B. Fragebogen vs. Interview) Variablen zu erklären sind. In einer<br />

klinischen Stichprobe von 425 Patienten, die wegen Drogenabhängigkeit mit<br />

Komorbidität in Behandlung waren, fanden Compton, Cottler, Phelps, Abdallah und


II. Literaturübersicht 63<br />

Spitznagel (2000; zitiert nach Moggi, 2002), dass in 91 % der Fälle eine Antisoziale<br />

Persönlichkeitsstörung der Drogenabhängigkeit vorausgegangen war.<br />

9.1.2 Ätiologie Antisoziale Persönlichkeitsstörung und Substanzstörung<br />

Iacono et al. (1999; zitiert nach Moggi, 2002) gehen auf der Grundlage der<br />

empirischen Ergebnisse davon aus, dass ein Zusammentreffen von Antisozialer<br />

Persönlichkeitsstörung und Substanzstörung keine Komorbidität, sondern ein Subtyp<br />

der Substanzstörung ist. Das Ausbilden der Symptome (antisoziale<br />

Verhaltensweisen) wird mit einer genetischen Prädisposition zur<br />

Verhaltensenthemmung erklärt, die zu Verhaltensstörungen in der Kindheit und<br />

später zu antisozialem Verhalten und Substanzstörungen in der Adoleszenz bzw.<br />

Antisozialer Persönlichkeitsstörung im Erwachsenenalter führt.<br />

Bernstein et al. (1998; zitiert nach Moggi, 2002) berichten aufgrund von<br />

Forschungen zu erlebter Kindesmisshandlung und Antisozialer<br />

Persönlichkeitsstörung bei suchtmittelabhängigen Patienten eine signifikante<br />

Beziehung zwischen physischer Kindesmisshandlung und Antisozialer<br />

Persönlichkeitsstörung. Es konnte gezeigt werden, dass Kinder (v.a. Söhne) von<br />

ihren Vätern mit Antisozialer Persönlichkeitsstörung und Substanzstörung häufiger<br />

geschlagen werden und in der Folge Verhaltensstörungen entwickeln. Zudem<br />

fungiert der Vater auch als Lernmodell seines Kindes, das das Verhalten nachahmen<br />

wird. Das Zusammenspiel biologischer und psychologischer Faktoren kann das<br />

Ätiologiemodell zur Komorbidität von Antisozialer Persönlichkeitsstörung und<br />

Substanzstörung ergänzen (Moggi, 2002).


II. Literaturübersicht 64<br />

9.2 Die Borderline-Persönlichkeitsstörung und Substanzabhängigkeit<br />

9.2.1 Epidemiologie Borderline-Persönlichkeitsstörung und Substanzabhängigkeit<br />

In klinischen Studien findet man Prävalenzraten von 2-66 %, wobei die Merkmale<br />

des Settings (z.B. stationäre vs. ambulante Einrichtungen) und die Art des<br />

Suchtmittels (niedrigere Raten bei Substanzstörungen von Opiaten) die große<br />

Varianz der Prävalenz zumindest ansatzweise erklären (Verheul, van den Brink &<br />

Hartgers, 1995; zitiert nach Moggi, 2002). In Metaanalysen klinischer Studien<br />

fanden Trull, Sher, Minks-Brown, Durbin und Burr (2000; zitiert nach Moggi, 2002)<br />

bei Personen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung und Alkoholstörungen eine<br />

Prävalenz von 48,8 % und bei Personen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung und<br />

Drogenstörungen eine Prävalenzrate von 38 %. Umgekehrt konnte eine Komorbidität<br />

von Borderline-Persönlichkeitsstörung bei 14,3 % der Personen mit<br />

Alkoholstörungen, bei 16,8 % mit Kokainstörungen und bei 18,5 % mit<br />

Opiatstörungen gefunden werden (Trull et al., 2000; zitiert nach Moggi, 2002). Dabei<br />

gibt Moggi (2002) zu bedenken, dass dieser starke Zusammenhang von Borderline-<br />

Persönlichkeitsstörung und Substanzstörung auch artifiziell sein könnte, da die<br />

Substanzstörung eine Möglichkeit von Impulsivität, einem Kriterium der Borderline-<br />

Persönlichkeitsstörung ist. Jedoch bleibt nach Dulit, Fyer, Haas, Sullivan und<br />

Frances, (1990; zitiert nach Moggi, 2002) die Prävalenz auch erhöht, wenn die<br />

Substanzstörung als Kriterium nicht berücksichtigt wird oder wenn Personen mit<br />

aktiver Substanzstörung ausgeschlossen werden (Verheul et al., 1995; zitiert nach<br />

Moggi, 2002).<br />

9.2.2 Ätiologie von Borderline-Persönlichkeitsstörung und Substanzstörung<br />

In Familienstudien findet man bei Probanden mit einer Borderline-<br />

Persönlichkeitsstörung eine Häufung von Verwandten ersten Grades mit einer<br />

ebensolchen Störung, Depression und Substanzstörung. Trull et al. (2000; zitiert nach<br />

Moggi, 2002) schlagen daraufhin ein Ätiologiemodell vor, dessen Kernelemente in<br />

der Entwicklung dieser Komorbiditätsform im Sinne eines gemeinsamen Faktoren-<br />

Modells die beiden Persönlichkeitsmerkmale Impulsivität und emotionale Instabilität<br />

sind. Sher, Bartholow und Wood (2000; zitiert nach Moggi, 2002) zeigen, dass<br />

erhöhte Werte auf zwei Skalen zur Impulsivität zu Beginn der Untersuchung sieben<br />

Jahre später die Diagnose einer Substanzstörung vorhersagen lassen. Darüber hinaus


II. Literaturübersicht 65<br />

fanden sie signifikante Zusammenhänge zwischen dem Ausmaß an Impulsivität und<br />

negativer Emotionalität mit der Diagnose einer Substanzstörung. Bei hohen Werten<br />

wurde leider die Kontrolle einer Borderline-Persönlichkeitsstörung außer Acht<br />

gelassen.<br />

Im Vergleich zu Patienten ohne Borderline-Persönlichkeitsstörung mit<br />

Substanzstörung fand man bei klinischen Stichproben wiederholt eine erhöhte<br />

Impulsivität bei Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung und<br />

Substanzabhängigkeit (Kruedelbach, McCormick, Schulz & Gruenreich, 1993;<br />

Morgenstern, Langenbucher, Labouvie & Miller, 1997; zitiert nach Moggi, 2002).<br />

Nach Kruedelbach et al. (1993, zitiertnachMoggi, 2002) führt emotionale Instabilität<br />

häufig und rasch zu unvorhergesehenen negativen Gefühlszuständen, auf die die<br />

Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen und Substanzstörungen deutlich<br />

stärker mit Verlangen nach Suchtmittel reagieren als Suchtpatienten ohne<br />

Borderline- Persönlichkeitsstörung. Nach Cooper, Frone, Russel und Mudar (1995;<br />

zitiert nach Moggi, 2002) korreliert emotionale Instabilität mit dem Trinkmotiv<br />

„Steigerung positiver Emotionen“ und emotionale Instabilität mit<br />

„Belastungsreduktion“.<br />

Somit kann gesagt werden, dass die bisher erwähnten Ergebnisse nicht nur das<br />

Modell der gemeinsamen Faktoren unterstützen, sondern auch das Modell der<br />

sekundären Substanzstörung.<br />

Links, Heslegrave, Mitton, Van Reekum und Patrick (1995; zitiert nach Moggi,<br />

2002) berichten dagegen in ihrer Katamnesestudie über sieben Jahre, dass die<br />

Schwere der Borderlinesymptomatik zu Beginn der Studie das Ausmaß des<br />

nachfolgenden Alkoholkonsums nicht vorhersagen sondern vielmehr hinge u.a. das<br />

Ausmaß einer Substanzstörung während des Katamnesezeitraums mit dem<br />

Persistieren einer bereits bestehenden Borderline-Persönlichkeitsstörung zusammen.<br />

Patienten, die nach sieben Jahren die Kriterien einer Borderline-<br />

Persönlichkeitsstörung nicht mehr erfüllten, wiesen in diesem Zeitraum deutlich<br />

weniger Trinkepisoden auf. Hinzu kommt, dass Moak und Anton (1999; zitiert nach<br />

Moggi, 2002) Impulsivität und emotionale Unausgeglichenheit als typische<br />

Merkmale von Patienten mit anhaltender Alkoholabhängigkeit beschreiben und die<br />

Abgrenzung zur Persönlichkeitsstörung schwierig werden kann. Diese Befunde<br />

lassen auf einen bidirektionalen Zusammenhang zwischen Borderline-


II. Literaturübersicht 66<br />

Persönlichkeitsstörung und Substanzstörung schließen, wenn sich diese Form der<br />

Komorbidität bereits entwickelt hat.<br />

Beide Persönlichkeitsmerkmale scheinen ihrerseits kausal direkt durch eine<br />

neurobiologische Vulnerabilität (v.a Störungen des serotonergen Systems) und<br />

bidirektional durch dysfunktionale Familiensysteme (z.B. chronische<br />

Familienkonflikte, unwirksame Erziehungsmethoden) und/oder durch in der Kindheit<br />

erlebte Traumata (z.B. Kindesmisshandlung) bedingt zu sein (Trull et al., 2000;<br />

zitiert nach Moggi, 2002). In klinischen Stichgruppen finden sich vermehrt<br />

Kindesmisshandlungen – insbesondere sexuelle Misshandlung, bei erwachsenen<br />

Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen – kausale Zusammenhänge<br />

werden diskutiert (Paris, 1997; Sabo, 1997, zitiert nach Moggi, 2002). Bernstein,<br />

Stein und Handelsman (1998; zitiert nach Moggi, 2002) konnten allerdings in einer<br />

retrospektiven Untersuchung mit 378 Suchtpatienten pfadanalytisch lediglich eine<br />

signifikante Beziehung zwischen psychischer Kindesmisshandlung und Borderline-<br />

Persönlichkeitsstörung, nicht aber zwischen sexuellen oder anderen Formen der<br />

Kindesmisshandlung und Borderline-Persönlichkeitsstörung nachweisen. Perry und<br />

Hermann (1993; zitiert nach Moggi, 2006) verstehen die Entwicklung einer<br />

Borderline-Persönlichkeitsstörung auch als Anpassungsform an ein dysfunktionales<br />

Familiensystem, das gekennzeichnet ist durch Angst, Vertrauensbruch und<br />

unzuverlässige Betreuungspersonen.<br />

Der Modellvorschlag von Trull und Mitarbeitern (2000; zitiert nach Moggi, 2002) ist<br />

deshalb vielversprechend, da er Ergebnisse aus verschiedenen Forschungsrichtungen<br />

zusammenbringt. Genetische Prädispositionen (neurobiologische Vulnerabilität) und<br />

die Umweltfaktoren (Trauma, Familienprobleme) erhöhen dabei die<br />

Wahrscheinlichkeit von Impulsivität und emotionaler Instabilität, die als gemeinsame<br />

Faktoren eine Borderline-Persönlichkeitsstörung und eine Substanzstörung<br />

begünstigen können. Ist daraufhin diese Form der Komorbidität entwickelt, halten<br />

sich beide Störungen im Circulus Virtiosus gegenseitig aufrecht (vgl. Abbildung 3).


II. Literaturübersicht 67<br />

Genetische Faktoren<br />

(neurobiologische Vulnerabilität)<br />

Borderline Persönlichkeitsstörung<br />

Umweltfaktoren (z.B. Trauma<br />

Impulsivität<br />

und<br />

emotionale Instabilität<br />

Substanzstörung<br />

Abbildung 3: Komorbiditätsmodell von Borderline-Persönlichkeits- und Substanzstörungen<br />

(Trull et al., 2000)


II. Literaturübersicht 68<br />

10. Posttraumatische Belastungs- und Substanzstörungen<br />

Im Folgenden werden zunächst Ergebnisse neuerer Untersuchungen zu belastenden<br />

Faktoren in der Kindheit und späterer Suchtentwicklung dargestellt. Sodann wird in<br />

diesem Zusammenhang auf die Epidemiologie der Posttraumatischen<br />

Belastungsstörung und Substanzstörung eingegangen und drei aktuelle<br />

Ätiologiemodelle vorgestellt.<br />

10.1 Epidemiologie PTBS und Substanzstörung<br />

In angloamerikanischen Studien fand sich bei Personen in Suchtbehandlung eine<br />

Lebenszeitprävalenz der Posttraumatischen Belastungsstörung von bis zu 50 %. Der<br />

überwiegende Teil erfüllte auch die Kriterien einer akuten Posttraumatischen<br />

Belastungsstörung (Triffleman et al., 1995; Stewart et al., 1998; Najavits et al., 1998;<br />

zitiert nach Schäfer & Krausz, 2006). Im deutschsprachigen Raum kommen Teegen<br />

und Zumbeck (2000) bei einer klinischen Gruppe Drogenabhängiger auf eine<br />

Posttraumatische Belastungsstörungs-Rate von 26 %. Kutscher und Hayatghebi<br />

(2002) verzeichnen bei Patientinnen und Patienten im Alkoholentzug bei 8 % der<br />

männlichen und 22 % der weiblichen Klienten die Diagnose einer akuten<br />

Posttraumatischen Belastungsstörung.<br />

10.2 Belastende Faktoren in der Kindheit und spätere Suchterkrankungen<br />

Duncan, Saunders, Kilpatrik, Hanson und Resnick (1996; zitiert nach Schäfer &<br />

Krausz, 2006) fanden in einer repräsentativen Stichprobe, bestehend aus 4008 Frauen<br />

aus der Allgemeinbevölkerung, dass körperliche Misshandlung im Kindesalter mit<br />

erhöhten Raten von späterem Substanzmissbrauch einherging. In der Gruppe, die<br />

Misshandlungen erfahren hatten, zeigten 18 % einen aktuellen<br />

Medikamentenmissbrauch gegenüber 5 % der Kontrollgruppe. Auch Drogenkonsum<br />

und Anzeichen von Alkoholmissbrauch waren signifikant erhöht. Zudem waren sie<br />

beim Erstkonsum von Alkohol signifikant jünger und befanden sich häufiger wegen<br />

Substanzmissbrauch in Behandlung.<br />

In einer neueren Übersichtsarbeit bearbeiteten Simpson und Miller (2002)<br />

Untersuchungen, die kindlichen sexuellen Missbrauch und Misshandlung bei


II. Literaturübersicht 69<br />

klinischen Stichproben von Suchtpatienten erhoben. In 47 Studien zu kindlich<br />

sexuellem Missbrauch bei Patientinnen zeigte sich eine durchschnittliche<br />

Prävalenzrate von 45 %. Bei männlichen Patienten konnte in 20 Studien eine<br />

durchschnittliche Rate kindlichen sexuellen Missbrauchs von 16 % erhoben werden.<br />

Zu körperlicher Misshandlung im Kindesalter gingen in diese Metaanalyse 19<br />

Studien an weiblichen und 12 Studien an männlichen Patienten ein. Durchschnittlich<br />

39 % der weiblichen und 31 % der männlichen Patienten berichteten dabei von<br />

solchen Ereignissen.<br />

In Untersuchungen aus dem deutschsprachigen Raum berichteten bei Schmidt (2000)<br />

in einer Untersuchung an 215 substituierten Opiatabhängigen 60 % der Frauen und<br />

25 % der Männer signifikant schwerere, häufigere und frühere<br />

Missbrauchserlebnisse als die (studentische) Kontrollgruppe (11 % bzw. 6 %).<br />

Schäfer, Schnack und Soyka (2000) erhoben 100 Patientinnen und Patienten mit<br />

polyvalentem Substanzmissbrauch und sexuelle Missbrauchserlebnisse vor dem 16.<br />

Lebensjahr. Werden nur die Fälle berücksichtigt, bei denen es zu erzwungenem<br />

Geschlechtsverkehr gekommen war, so beträgt die Rate der Betroffenen 50 % der<br />

weiblichen und 40 % der männlichen Patienten.<br />

Untersuchungen konnten zeigen, dass Personen mit substanzbezogenen Störungen<br />

nicht nur hohe Raten von Traumatisierungen in der Kindheit aufweisen können,<br />

sondern dass sie auch in späteren Lebensabschnitten häufiger traumatischen<br />

Erlebnissen ausgesetzt sind (Breslau et al, 1991; Kessler et al, 1995; zitiert nach<br />

Schäfer, 2006).<br />

10.3 Ätiologie Posttraumatischer Belastungs- und Substanzstörung<br />

Im Folgenden werden die gebräuchlichsten Ätiologiemodelle im Zusammenhang von<br />

Posttraumatischer Belastungsstörung und Substanzstörung dargestellt.<br />

10.3.1 Die Selbstmedikationshypothese<br />

Die meisten Autoren ziehen zur Erklärung der Komorbidität von Posttraumatischer<br />

Belastungsstörung und Substanzabhängigkeit die fehlgeleitete<br />

Selbstmedikationshypothese von Khantzian (1997) heran (McFarlane, 1998; Stewart,<br />

1996; Stewart et al., 1998; zitiert nach Moggi 2002). Die Posttraumatische<br />

Belastungsstörung geht der Substanzstörung in diesem Erklärungsmodell zumeist


II. Literaturübersicht 70<br />

voraus, so dass die Selbstmedikation im Sinne einer Erleichterung von PTBS-<br />

Symptomen (v.a. erhöhtes Erregungsniveau und Wiedererleben) als initiale<br />

Motivation für den Suchtmittelkonsum oder dessen Steigerung am<br />

wahrscheinlichsten ist. Anhaltender Suchtmittelkonsum kann aber auch zu einer<br />

Verstärkung der PTBS-Symptome beitragen und negative emotionale Zustände<br />

fördern, in dessen Folge erneut (i.S. eines Circulus Virtiosus) vermehrt Suchtmittel<br />

konsumiert werden mit der Gefahr, eine Abhängigkeit auszubilden.<br />

10.3.2 Die Risikohypothese<br />

Die Risikohypothese (Chilcoat & Breslau, 1998) besagt, dass sich Personen mit<br />

Substanzstörungen eher in Situationen begeben, welche die Gefahr einer PTBS<br />

erhöhen.<br />

10.3.3 Die Vulnerabilitätshypothese<br />

Die Vulnerabilitätshypothese (Kushner, Sher & Beitman 1990) besagt, dass die<br />

Substanzabhängigkeit zur Entwicklung einer PTBS beitragen kann, indem der<br />

erhöhte Suchtmittelkonsum das Erregungs- und Angstniveau erhöht, so dass nach<br />

traumatischen Ereignissen oder Belastungen im Zusammenhang mit dem Konsum<br />

eher eine PTBS entwickelt wird. Suchtmittelkonsum kann somit sowohl eine<br />

bestehende PTBS aufrechterhalten oder verschlimmern, indem er die Personen an der<br />

kognitiv-emotionalen Verarbeitung hindert (Herman, 1992; zitiert nach Moggi,<br />

2002) als auch die Intensität der Intrusionen und Flashbacks kurz nach dem Trauma<br />

und vor einer PTBS verringert (McFarlane, 1998; zitiert nach Moggi, 2002).<br />

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass klinische Studien zum zeitlichen Muster<br />

von PTBS und Substanzstörung mehrheitlich davon ausgehen, dass die PTBS<br />

deutlich häufiger der Substanzabhängigkeit vorausgeht als umgekehrt. Die Befunde<br />

stützen stärker die Selbstmedikationshypothese, während die Risiko- und<br />

Vulnerabilitätshypothese weniger empirische Evidenz aufweisen können (Chilcoat &<br />

Breslau, 1998; Lieb & Isensee, 2002; Stewart, 1996; zitiert nach Moggi, 2002).


II. Literaturübersicht 71<br />

11. Resümee der dargelegten Befunde und Ableitung der Hypothesen<br />

Monokausale Zusammenhänge bei der Entwicklung von Suchtverhalten erscheinen<br />

abwegig. Über multikausale Zusammenhänge bei der Ausbildung von Suchtverhalten<br />

ist sich die Forschungsgemeinschaft einig.<br />

In der aktuellen Forschungsliteratur zum Thema wird dabei dem familiären Umfeld<br />

einer Person und den frühkindlichen Erfahrungen eine immense Bedeutung<br />

zugeschrieben. Dies gilt gerade für die Erfahrung mit den primären Bezugspersonen<br />

und den sich daraus bildenden Bindungsstilen, aber auch deren Einfluss auf<br />

Bewältigungskompetenzen und die Entwicklung des Persönlichkeitsstils werden<br />

diskutiert. In epidemiologischen Untersuchungen wird in klinischen Populationen<br />

allgemein ein erhöhtes Aufkommen eines unsicheren Bindungsstils berichtet. In<br />

Bezug auf süchtige Patienten gibt es hierzu noch sehr wenige Daten. Diese Arbeit<br />

kann einen Teil zur Aufklärung beitragen. Eine Bestätigung des allgemeinen Trends<br />

wird erwartet.<br />

In Suchtpopulationen wird allgemein ein gehäuftes Aufkommen der Antisozialen<br />

Persönlichkeitsstörung und der Borderline-Persönlichkeitsstörung berichtet. Ein<br />

Zusammenhang mit ungünstigen sozioökonomischen Faktoren ist wahrscheinlich.<br />

Ebenso zeigen sich positive Korrelationen zwischen problematischen<br />

Persönlichkeitsausprägungen, insbesondere der Borderline-Persönlichkeitsstörung<br />

und der Antisozialen Persönlichkeitsstörung, und traumatischen Erfahrungen sowie<br />

dem Ausbilden von Suchtverhalten. Laut epidemiolgischen Untersuchungen ist die<br />

Wahrscheinlichkeit für Substanzabhängige, an einer Posttraumatischen<br />

Belastungsstörung zu erkranken, erhöht. Es gibt in der Forschungsgemeinschaft<br />

jedoch keinen Konsens über die Wirkrichtung der einzelnen Faktoren (vgl.<br />

Risikohypothese, Selbstmedikationshypothese). Doch scheint es für die<br />

Selbstmedikationshypothese mehr empirische Grundlagen zu geben.<br />

Aufgrund der dargestellten, zum Teil kontroversen Ätiologiemodelle wurden die im<br />

Folgenden aufgelisteten Hypothesen getestet.


II. Literaturübersicht 72<br />

11.1 Auflistung der abgeleiteten Hypothesen<br />

Es wurden an einer Suchtgruppe in (teil-)stationärer Behandlung, die sich in<br />

ausschließlich Alkoholabhängige, Alkoholabhängige mit Beigebrauch und<br />

Polytoxikomane aufschlüsseln lässt, und einer nicht stationär aufgenommenen und<br />

nicht substanzabhängigen Kontrollgruppe folgende Hypothesen geprüft:<br />

1. In der Suchtgruppe finden sich im Vergleich zur Kontrollgruppe extremere<br />

Ausprägungen der Persönlichkeitsstile.<br />

2. Insbesondere beim „abenteuerlichen“ (Antisozialen) und „sprunghaften“<br />

(Borderliner-) Persönlichkeitsstil werden signifikante Unterschiede erwartet.<br />

3. In der Gruppe der Süchtigen befinden sich vermehrt unsicher Gebundene.<br />

4. Insbesondere bei den Menschen mit extremeren Ausprägungen im<br />

Persönlichkeitsprofil werden signifikante Unterschiede erwartet.<br />

5. In der Suchtgruppe gibt es vermehrt Traumaerfahrungen.<br />

6. Es sind spezifische Traumaerfahrungen in der Suchtgruppe erkennbar.<br />

7. In der Suchtgruppe werden höhere Werte von Intrusion, Vermeidung und<br />

Erregung als in der Kontrollgruppe erwartet.


III. Methoden 73<br />

III. METHODEN<br />

12. Rekrutierung der Versuchspersonen und Ablauf der Erhebung<br />

12.1 Rekrutierung der Versuchspersonen<br />

Die vorliegende Untersuchung wurde von Mitte Oktober bis Mitte Dezember 2006<br />

durchgeführt. Die Suchtstichprobe stellt sich zusammen aus männlichen Patienten<br />

der Westfälischen Klinik Münster, Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

und des Niedersächsischen Landeskrankenhauses Osnabrück, Fachkrankenhaus für<br />

Psychiatrie und Psychotherapie.<br />

In der Westfälischen Klinik Münster erfolgte die Erhebung auf einer offen geführten<br />

Entzugs- und Motivationsstation für vornehmlich Alkohol-, Medikamenten- und<br />

Amphetaminabhängige, sowie auf einer geschlossen geführten Entzugs- und<br />

Motivationsstation für Abhängige illegaler Drogen. Zudem wurden Daten auf einer<br />

Langzeit-Rehabilitationsstation und in der Tagesklinik Sucht erhoben, die beide ihr<br />

Angebot vornehmlich an Alkohol-, Medikamenten- und Amphetaminabhängige<br />

richten.<br />

Im Niedersächsischen Landeskrankenhaus Osnabrück rekrutierten sich die Patienten<br />

aus zwei geschlossen geführten Entzugs- und Motivationsstationen für Patienten mit<br />

einer Abhängigkeitserkrankung von illegalen Drogen und einer offen geführten<br />

Entzugs- und Motivationsstationen für Patienten jeglicher stoffgebundener<br />

Suchtformen. Zudem wurden Daten in der Tagesklinik Sucht, einer teilstationären<br />

Langzeit-Rehabilitationseinrichtung für Patienten stoffgebundener Abhängigkeitserkrankungen<br />

erhoben.<br />

12.2 Einschlusskriterien<br />

Die Datenerhebung in den (teil-)stationären Einrichtungen richtete sich an<br />

ausschließlich männliche Patienten von mindestens 18 und nicht älter als 60 Jahren,<br />

die aufgrund einer primären Alkoholabhängigkeit und/oder Abhängigkeitserkrankung<br />

von illegalen Drogen (F 1x.2 nach ICD-10) behandelt wurden, zum<br />

Zeitpunkt der Erhebung keine Anzeichen eines akuten Entzuges boten und zum<br />

Erhebungszeitpunkt und in der Vorgeschichte frei von psychotischen Prozessen<br />

waren. Da die Fragebogenbatterie ausschließlich in deutscher Sprache vorlag,<br />

konnten nur solche Patienten teilnehmen, die über ausreichend gute


III. Methoden 74<br />

Sprachkenntnisse verfügten. Um die kognitiven Voraussetzungen für die<br />

Beantwortung der Fragebogenbatterie zu gewähren, mussten die Teilnehmer im<br />

Zahlen-Verbindungstest (ZVT) (Oswald & Roth, 1987; siehe Kap. 13.2) einen IQ-<br />

Wert über 80 erbringen.<br />

Die Teilnehmer der Kontrollgruppe sollten im Alter von 18-60 Jahren sein, im<br />

aktuellen Lebensabschnitt keine illegalen Drogen konsumieren und im CAGE<br />

Fragebogen (siehe Kap. 13.1) nur maximal eine Frage mit „Ja“ beantwortet haben.<br />

12.3 Ablauf der Erhebung<br />

Die Erhebung wurde in der Regel jeweils einmal wöchentlich zu festen Zeiten auf<br />

den einzelnen Stationen in Form einer Fragebogenerhebung durchgeführt und<br />

dauerte ca. eine bis zwei Stunden pro Patient. Im Niedersächsischen<br />

Landeskrankenhaus fanden sich die teilnehmenden Patienten verschiedener Stationen<br />

einmal wöchentlich auf einer Station zusammen, um den Fragebogen auszufüllen. In<br />

der Tagesklinik Sucht fanden lediglich zwei Erhebungen jeweils vormittags statt. Im<br />

Vorfeld wurden die in Frage kommenden Patienten von der Stationspsychologin/dem<br />

Stationspsychologen bzw. -pädagogen oder von dem Autor nach der Bereitschaft zur<br />

Teilnahme gefragt. Die Teilnahme für die Patienten war freiwillig und galt als<br />

Therapiezeit, sie wurden dafür ggf. von der Teilnahme an der Beschäftigungstherapie<br />

entbunden. Die Teilnehmer hatten das Recht, jederzeit die Erhebung abzubrechen.<br />

Die eigentliche Erhebung wurde in der Regel in Gruppen, zumeist bis zu 6 Personen<br />

durchgeführt. Zu Beginn gab der Autor einen groben Überblick über den Ablauf, die<br />

einzelnen Instrumente und kündigte den ZVT-Test an. Es wurde noch einmal<br />

deutlich auf die instruktionsgemäße Beantwortung der Fragen hingewiesen. Die<br />

Patienten verteilten sich dann so im Raum, dass sie ungestört und anonym den<br />

Fragebogen ausfüllen konnten. Während der Erhebung wurde im gleichen Raum der<br />

ZVT-Test als Einzelerhebung durchgeführt. Der Autor war die ganze Zeit anwesend<br />

und konnte ggf. bei auftretenden Fragen Hilfestellungen geben.<br />

Die Fragebögen der Kontrollgruppe wurden über den Bekannten- und<br />

Verwandtenkreis des Autors verteilt, mit der Bitte, diese an Dritte weiterzugeben.<br />

Die Fragebögen wurden zusammen mit einem frankierten und an den Fachbereich<br />

adressierten Rückumschlag ausgegeben, so dass eine völlige Anonymität gesichert


III. Methoden 75<br />

war. In den Fragebogen der Kontrollgruppe wurde neben den soziodemographischen<br />

Daten auch danach gefragt, ob die Person jemals in ihrem Leben illegale Drogen<br />

konsumiert hatte und ob sie im aktuellen Lebensabschnitt konsumiert. Um<br />

missbräuchlichen Alkoholkonsum auszuschließen, wurde zudem der CAGE-<br />

Fragebogen (Mayfield, McLeod & Hall, 1974) vorgelegt. In der Instruktion wurde<br />

um eine vollständige und instruktionsgemäße Beantwortung gebeten und auf die<br />

absolute Anonymität hingewiesen<br />

Alle Analysen wurden mit dem Programmpaket SPSS (Superior Performing<br />

Software Systems) Version 12.0. für Windows © durchgeführt.<br />

12.4 Ausschluss der Versuchspersonen<br />

Ausgeschlossen wurden alle Patienten, die nicht sämtliche Einschlusskriterien<br />

erfüllten, bzw. die Fragebögen, die nicht instruktionsgemäß ausgefüllt wurden.<br />

Insgesamt wurden im o.g. Zeitraum 172 Fragebögen erhoben. Die Suchtgruppe bildet<br />

120 Personen ab. Davon mussten 16 Patienten aufgrund eines zu niedrigen IQ-<br />

Wertes im ZVT ausgeschlossen werden und 14 Patienten, die die Erhebung vorzeitig<br />

abgebrochen haben oder einen unvollständigen Fragebogen abgegeben haben.<br />

Letztendlich sind 90 Fragebögen der Suchtgruppe in die Untersuchung eingegangen.<br />

Die Kontrollgruppe setzt sich aus 52 Fragebögen/Personen zusammen. Der Rücklauf<br />

von Fragebögen betrug bei 75 ausgegeben 69 %. Hiervon musste ein Fragebogen<br />

ausgeschlossen werden, der von einer Frau ausgefüllt wurde, einer aufgrund<br />

gelegentlichen Drogenkonsums und vier die im CAGE-Fragebogen eine<br />

Wahrscheinlichkeit eines missbräuchlichen Konsums von 68 % erzielten. Eine<br />

Person/ein Fragebogen wurde ausgeschlossen, der eine Wahrscheinlichkeit im<br />

CAGE-Test von 97 % erzielte. Es sind schließlich 45 Fragebögen der Kontrollgruppe<br />

in die Untersuchung einflossen. Das Gesamt-N der Untersuchung beträgt somit 135<br />

Personen.<br />

12.5 Soziodemographische Daten<br />

Die jüngste Person aus der Gesamtsuchtgruppe war zum Zeitpunkt der<br />

Datenerhebung 19 Jahre, der älteste Teilnehmer 60 Jahre alt. Die Teilnehmer der<br />

Kontrollgruppe waren zwischen 18 und 57 Jahren alt. Das Durchschnittsalter der


III. Methoden 76<br />

Suchtgruppe wie auch der Kontrollgruppe beträgt ungefähr 37 Jahre. Zwar<br />

unterscheiden sich die einzelnen Teilstichproben der Suchtgruppe im<br />

durchschnittlichen Alter, jedoch unterscheiden sich die Suchtgruppen<br />

zusammengefasst nicht in der Variable „Alter“ mit der Kontrollgruppe (t (133) = -.194,<br />

p n.s.) Weitere soziodemographische Merkmale können Tabelle 2 entnommen<br />

werden, bei deren Betrachtung auffällt, dass auf die Gesamtsuchtgruppe bezogen<br />

55,6 % der Befragten einen Hauptschulabschluss oder keinen Schulabschluss<br />

aufweisen und nur 17,8 % das Fachabitur oder höheren Bildungsabschluss.<br />

Demgegenüber verhält es sich in der Kontrollgruppe umgekehrt. Hier finden sich<br />

24,4 % mit einem Hauptschulabschluss und 49 % mit einem Fachabitur oder<br />

höherem Bildungsabschluss.<br />

Bei der Betrachtung der Variable „Berufstätigkeit“ fällt auf, dass in der Suchtgruppe<br />

46,1 % erwerbslos sind und 43,8 % in Arbeit. 4,5 % gaben an, Rentner oder<br />

Pensionär zu sein, 5,6 % gaben „sonstiges“ an. In der Kontrollgruppe ist eine Person<br />

erwerbslos (2,2 %) und 95,6 % sind in Arbeit. Eine Person (2,2 %) gab „sonstiges“<br />

an.<br />

Aus der Kontrollgruppe gaben neun Personen (20 %) an, schon einmal illegale<br />

Drogen konsumiert zu haben.<br />

Lediglich bei der Gruppe der stationär aufgenommenen Suchtpatienten wurde der<br />

ZVT erhoben. Das zulässige Minimum wurde bei einem Intelligenzquotienten von<br />

80 festgelegt. Der geringste in die Untersuchung eingeflossene Wert beträgt 82, der<br />

höchste 130. Der durchschnittliche Intelligenzquotient liegt für alle Untergruppen bei<br />

nahezu 97. Für die Gesamtgruppe beträgt der durchschnittliche Intelligenzquotient<br />

97,56 und liegt damit in etwa im Bereich des allgemein üblichen Mittelwertes.


III. Methoden 77<br />

Tabelle 2: Soziodemographische Daten der Stichprobe<br />

Alkohol<br />

n = 40<br />

Alter in Jahren, M (SD) 45,58<br />

(7,045)<br />

Nationalität, n<br />

deutsch<br />

39 (97,5%)<br />

Staaten der ehem. UdSSR<br />

polnisch<br />

1 (2,5%)<br />

andere<br />

Aufgewachsen in, n<br />

Deutschland<br />

Gebiet der ehem. UdSSR<br />

Polen<br />

Andere Staaten<br />

Familienstand, n<br />

ledig<br />

verheiratet<br />

eheähnl. Gemeinschaft<br />

geschieden<br />

verwitwet<br />

Zurzeit in fester Partnerschaft<br />

ja<br />

nein<br />

Höchster Schulabschluss, n<br />

ohne Abschluss<br />

Volks-/Hauptschule<br />

Realschulabschluss<br />

Fachabitur<br />

Abitur<br />

Hochschulabschluss<br />

Beruf, n<br />

in Ausbildung<br />

im Studium<br />

handwerklicher Beruf<br />

kaufmännischer Beruf<br />

sozialer Beruf<br />

Angestellter<br />

Beamter<br />

selbständig<br />

arbeitslos<br />

Rentner/Pensionär<br />

Sonstiges<br />

37 (92,5%)<br />

2 (5,0%)<br />

1 (2,5%)<br />

15 (37,5%)<br />

8 (20,0%)<br />

1 (2,5%)<br />

16 (40,0%)<br />

20 (50%)<br />

20 (50%)<br />

22 (55%)<br />

8 (20%)<br />

5 (12,5%)<br />

5 (12,5%)<br />

10 (25,6%)<br />

3 (7,7%)<br />

2 (5,1%)<br />

1 (2,6%)<br />

1 (2,6%)<br />

16 (41,0%)<br />

4 (10,3%)<br />

1 (2,2%)<br />

Alk mit<br />

Beigebrauch<br />

n = 10<br />

31,06<br />

(9,891)<br />

Polytoxikomane<br />

n = 40<br />

30,73<br />

(5,639)<br />

10 (100%) 35 (87,5%)<br />

1 (2,5%)<br />

4 (10%)<br />

10 (100%) 33 (82,5%)<br />

4 (10,0%)<br />

3 (7,5%)<br />

10 (100%) 32 (80,0%)<br />

5 (12,5%)<br />

2 (5,0%)<br />

1 (2,5%)<br />

2 (20%)<br />

8 (80%)<br />

3 (30%)<br />

3 (30%)<br />

3 (30%)<br />

1 (10%)<br />

2 (20,0%)<br />

1 (10,0%)<br />

1 (10,0%)<br />

5 (50,0%)<br />

1 (10,0%)<br />

21 (52,5%)<br />

19 (47,5%)<br />

3 (7,5%)<br />

19 (47,5%)<br />

13 (32,5%)<br />

2 (5,0%)<br />

2 (5,0%)<br />

1 (2,5%)<br />

17 (42,5%)<br />

1 (2,5%)<br />

20 (50,0%)<br />

2 (5,0%)<br />

KG<br />

n = 45<br />

37,07<br />

(10,186)<br />

Sucht<br />

gesamt<br />

n = 90<br />

37,42<br />

(9,971)<br />

45 (100%) 84 (93,3%)<br />

1 (1,1%)<br />

1 (1,1%)<br />

4 (3,0%)<br />

45 (100%) 80 (88,9%)<br />

4 (4,4%)<br />

2 (2,2%)<br />

4 (4,4%)<br />

15 (33,3%)<br />

24 (53,3%)<br />

5 (11,1%)<br />

1 (2,2%)<br />

38 (84,4%)<br />

7 (15,6%)<br />

11 (24,4%)<br />

12 (26,7%)<br />

7 (15,6%)<br />

7 (15,6%)<br />

8 (17,8%)<br />

2 (4,4%)<br />

6 (13,3%)<br />

9 (20,0%)<br />

10 (22,2%)<br />

3 (6,7%)<br />

10 (22,2%)<br />

1 (2,2%)<br />

2 (4,4%)<br />

1 (2,2%)<br />

1 (2,2%)<br />

57 (63,3%)<br />

13 (14,4%)<br />

3 (3,3%)<br />

18 (13,3%)<br />

43 (47,8%)<br />

47 (52,2%)<br />

6 (6,7%)<br />

44 (48,9%)<br />

24 (26,7%)<br />

2 (2,2%)<br />

7 (7,8%)<br />

7 (7,8%)<br />

29 (32,6%)<br />

4 (4,5%)<br />

3 (3,4%)<br />

1 (1,1%)<br />

2 (2,2%)<br />

41 (46,1%)<br />

4 (4,5%)<br />

5 (5,6%)


III. Methoden 78<br />

13. Die eingesetzten Erhebungsinstrumente<br />

Die in dieser Erhebung verwandten Instrumente wurden in Absprache mit Prof. Dr.<br />

Schöttke ausgewählt, um Persönlichkeitsstile (Fragebogen zum<br />

Persönlichkeitsportrait), Bindungsstile (Beziehungsspezifische Bindungsskalen für<br />

Erwachsene) und die Erfüllung der Kriterien einer Posttraumatischen<br />

Belastungsstörung nach DSM-IV erheben zu können (Posttraumatische Diagnoseskala).<br />

Darüber hinaus wurde noch der 12 Items umfassende „Fragebogen zum<br />

Persönlichkeitsportrait – Screening“ vorgelegt, der aber in dieser Arbeit keine<br />

weitere Berücksichtigung fand.<br />

Die kognitive Verarbeitungskapazität in der klinischen Stichprobe wurde anhand des<br />

Zahlen-Verbindungs-Tests ermittelt. Demographische Variablen wurden anhand<br />

eines selbst erstellten Fragebogens aufgenommen (siehe Anhang A und B).<br />

13.1 Der CAGE-Fragebogen<br />

Der CAGE-Fragebogen wurde Ende der 1960er Jahre von J. A. Ewing und B.A.<br />

Rouse entwickelt. Anhand vier kurzer Fragen (siehe Anhang A) wird die prozentuale<br />

Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines missbräuchlichen Alkoholkonsums<br />

eingeschätzt. Nach John A. Ewing (1984) liegt die Wahrscheinlichkeit zum<br />

Vorliegen eines missbräuchlichen Konsums bei:<br />

- einer positiven Antwort bei 32 %<br />

- zwei positiven Antworten bei 59 %<br />

- drei positiven Antworten bei 81 %<br />

- vier positiven Antworten bei 97 %.<br />

Das Instrument hat breite Verwendung gefunden und gilt bei guter sensorischer und<br />

spezifischer Validität als zeitlich sehr ökonomisches Screening-Instrument für das<br />

Vorliegen eines missbräuchlichen Alkoholkonsums.<br />

13.2 Der Zahlen-Verbindungs-Test<br />

Der Zahlen-Verbindungs-Test (ZVT) wurde 1978 von Oswald und Roth in<br />

Anlehnung an den Trail-Making-Test (Reitan, 1956; zitiert nach Brähler, Holling,<br />

Leutner & Petermann, 2002) als einen Test zur Erfassung der kognitiven Leistungsund<br />

Verarbeitungsgeschwindigkeit entwickelt. Als spezifische Intelligenzdimension


III. Methoden 79<br />

soll mit dem ZVT die basale kognitive Verarbeitungsgeschwindigkeit erfasst werden.<br />

Es handelt sich hierbei um einen in der Testdurchführung zeitlich sehr ökonomischen<br />

und sprach- und milieuunabhängigen Intelligenztest in Form eines Speedtests. Die<br />

Bearbeitungszeit beträgt 5 bis 10 Minuten.<br />

Zur Anwendung kam die zweite überarbeitete und erweiterte Auflage von 1987.<br />

Es liegen Normstichproben für Personen zwischen 8 bis 16 Jahren als Gruppentest<br />

und 8 bis 60 Jahren als Einzeltest vor.<br />

Der ZVT besteht aus zwei Übungsmatrizen und vier unterschiedliche Testmatrizen,<br />

auf denen jeweils die Zahlenfelder mit Ziffern von 1 bis 90 in unterschiedlicher und<br />

ungeordneter Reihenfolge abgedruckt sind. Aufgabe der Probanden ist es, die Zahlen<br />

mit Hilfe eines Bleistiftes chronologisch durch eine geraden Linie so schnell wie<br />

möglich zu verbinden. Die Bearbeitungszeit der vier Matrizen wird einzeln in<br />

Sekunden gemessen.<br />

Die Objektivität im Hinblick auf Durchführung, Auswertung und Interpretation ist<br />

aufgrund vollständiger Standardisierung durch die Handanweisung gegeben.<br />

Der Test weist für die Erwachsenenstichprobe gute Reliabilitäten von r = .84 bis r =<br />

.90 auf. Die Konsistenzprüfung ergab Werte zwischen r = .89 bis r = .94.<br />

Die Validität wurde anhand korrelativer Untersuchungen mit verschiedenen anderen<br />

Intelligenztests überprüft (PSB, IST, HAWIE, RAVEN, etc.). Für verschiedene<br />

Stichproben ergaben sich insgesamt Korrelationen zwischen r = -.69 und r = -.80<br />

zum PSB und IST. Vernon (1993; zitiert nach Brähler et al., 2002) ermittelte einen<br />

Zusammenhang der ZVT-Leistung mit allgemeiner Intelligenz in Höhe von r = -.71<br />

(wobei negative Vorzeichen hier eine unterdurchschnittliche (schnelle)<br />

Bearbeitungszeit mit überdurchschnittlich (guten) Ergebnissen in anderen Tests<br />

bedeuten).<br />

13.3 Demographische Variablen<br />

Im Kapitel 12.5 sind sämtliche demographische Angaben der<br />

Untersuchungsteilnehmer aufgeführt, die anhand eines selbst erstellten Fragebogens<br />

(siehe Anhang A und B) erhoben wurden.


III. Methoden 80<br />

13.4 Der Fragebogen zum Persönlichkeits-Selbstportrait<br />

Der Fragebogen zum Persönlichkeitsportrait von Oldham und Morris (1988) ist von<br />

dem 1987 von der APA veröffentlichten Klassifikationssystem für<br />

Persönlichkeitsstörungen, dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental<br />

Disorders (DSM III-R), abgeleitet. Dabei sind die 13 Persönlichkeitsstile die<br />

normalen, nicht pathologischen Versionen der 10 im DSM-III-R identifizierten<br />

extremen, gestörten Konstellationen, plus drei weitere zur Aufnahme<br />

vorgeschlagener (ins DSM-IV aber nicht aufgenommene) Persönlichkeitsstile (die<br />

passiv-agressive, die selbstschädigende und die sadistische Form), wobei auf die<br />

Erhebung der Skala „Sadistisch“ aufgrund von Testkonstruktionsmerkmalen in<br />

dieser Untersuchung verzichtet wurde. Persönlichkeitsstörungen fassen die Autoren<br />

als „extreme Ausprägungen normaler menschlicher Muster“ (Oldham & Morris,<br />

1992b, S. 20) auf. Die Unterschiede zwischen Stil und Störung sind graduell zu<br />

sehen und haben mit einem unterschiedlichen Ausmaß an Flexibilität, Vielfalt und<br />

Anpassungsfähigkeit vs. Unfähigkeit zur Stressbewältigung zu tun.<br />

Stil<br />

Gewissenhaft<br />

Selbstbewusst<br />

Dramatisch<br />

Wachsam<br />

Sprunghaft<br />

Anhänglich<br />

Ungesellig<br />

Lässig<br />

Sensibel<br />

Exzentrisch<br />

Abenteuerlich<br />

Aufopfernd<br />

Aggressiv<br />

Störung<br />

Zwanghaft<br />

Narzisstisch<br />

Histrionisch<br />

Paranoid<br />

Borderline<br />

Dependent<br />

Schizoid<br />

Passiv - aggressiv<br />

Selbstunsicher<br />

Schizotypisch<br />

Antisozial<br />

Selbstschädigend<br />

Sadistisch<br />

Abbildung 4: Das Kontinuum vom Persönlichkeitsstil<br />

zur Persönlichkeitsstörung (Oldham & Morris, 1992)


III. Methoden 81<br />

Die Beantwortung des Selbstbeschreibungsfragebogens, der in der hier verwendeten<br />

revidierten Form 82 von ursprünglich 104 Items umfasst, erfolgt auf einer<br />

dreistufigen Skala („Ja“, „Vielleicht“, „Nein“). Dabei soll dieser Test das jeweilige<br />

Persönlichkeitsprofil bestimmen, welches nach Auffassung der Autoren großen<br />

Einfluss auf sechs Schlüsselbereiche unseres Lebens hat, die sie unterteilen in:<br />

Arbeit, Selbst, Gefühle, Beziehungen, Selbstbeherrschung und reale Welt.<br />

In der Kombination aller dreizehn Stile liegt der individuelle Persönlichkeitsstil. Das<br />

Ziel dieses Tests besteht nach den Autoren darin, die Komponenten des<br />

Persönlichkeitsstils zu erkennen und nicht darin, eine Diagnose bzgl. einer<br />

Persönlichkeitsstörung zu stellen.<br />

Die Durchführungs- und Auswertungsobjektivität ist durch die detaillierte Anleitung<br />

zur Bearbeitung des Fragebogens gegeben. Es liegen jedoch keine offiziellen<br />

Reliabilitäts- und Normierungswerte vor. Die Daten der unveröffentlichten<br />

<strong>Diplomarbeit</strong>en von Glaesner (2005) und Nagel (2005) lassen aber bei eher mäßigen<br />

internen Konsistenzen der Skala auf sehr gute Test-Retest-Reliabilitäten schließen.<br />

Die inhaltliche Validität kann aufgrund der Verankerung mit dem<br />

Persönlichkeitskonzept des DSM-III-R als gegeben angesehen werden.<br />

Schöttke (2007; mündliche Mitteilung) entwickelte in einem laufenden<br />

Forschungsprojekt zu 10 der 13 Persönlichkeitsstile, die im FPP gemessen werden,<br />

Cut-off-Werte, die jeweils den Übergang vom Stil zur Störung markieren könnten.<br />

(Verdacht auf eine Persönlichkeitsstörung). Die Validierung dieser Cutt-off-Werte ist<br />

noch nicht abgeschlossen, eine Überprüfung dieser „Verdachtsdiagnose“ sollte z.B.<br />

mittels SKID II geschehen (siehe Anhang F).<br />

13.5 Die Beziehungsspezifischen Bindungsskalen für Erwachsene<br />

Die Beziehungsspezifischen Bindungsskalen für Erwachsene (BBE) von Asendorpf,<br />

Banse, Wilpers und Neyer (1997; siehe Anhang D) wurden zur differenziellen<br />

Einschätzung des Bindungsstils von Erwachsenen gegenüber wichtigen<br />

Bezugspersonen wie z.B. Partner, Mutter, Vater oder bester Freund als<br />

Selbstbeschreibungsfragebogen entwickelt. Dabei werden für jeden Beziehungstyp<br />

die Dimensionen „sicher-ängstlich" und „abhängig-unabhängig" durch kurze Skalen


III. Methoden 82<br />

erfasst und daraus ein individuelles Bindungsprofil in Bezug auf mehrere<br />

Bezugspersonen ökonomisch erstellt.<br />

Die aus 14 Items bestehenden BBE sind beziehungsspezifisch formuliert. Pro<br />

Beziehung werden zwei Skalenwerte berechnet. Der Wert für die Dimension „sicher<br />

– ängstlich“ bezieht sich auf einen sicheren (hohe Werte) vs. ängstlichen<br />

Bindungsstil (niedrige Werte), der Wert für die zweite Dimension „abhängig –<br />

unabhängig“ bezieht sich auf einen abhängigen (hohe Werte) vs. unabhängigen<br />

Bindungsstil (niedrige Werte). Die beiden Skalen korrelieren nach Angabe der<br />

Autoren je nach Beziehungstyp und Stichprobe zwischen 0 und +.50 miteinander.<br />

Die Antwortkategorien lauten:<br />

gar nicht = 1; wenig = 2; teils-teils = 3; ziemlich = 4; völlig = 5.<br />

Um die Skalenmittelwerte zu berechnen, werden die Antworten der Items pro Skala<br />

und Beziehungstyp gemittelt, wobei die Items, die sich auf „ängstlich“ bzw.<br />

„unabhängig“ beziehen, invertiert werden (Minimum 0, Maximum 5 Punkte).<br />

Durchführungs-, Auswertungs- und Interpretationsobjektivität sind gewährleistet. Es<br />

liegen jedoch in strengem Sinne nur für die Beziehung zum Partner bei jüngeren<br />

Erwachsenen offizielle Reliabilitäts- und Normierungswerte vor.<br />

Die interne Konsistenz liegt nach Angabe der Autoren für die Skala „sicher –<br />

ängstlich“ bei α = .74 bis α = .86 je nach Stichprobe und Beziehungstyp. Für die<br />

Skala „abhängig – unabhängig“ bei α = .71 bis α = .87 je nach Stichprobe und<br />

Beziehungstyp. Die Retestreliabilität (6 Monate) wird für die Skala „sicher –<br />

ängstlich“ mit α = .70 bis α = .86 je nach Stichprobe und Beziehungstyp angegeben<br />

und für die Skala „abhängig – unabhängig“ mit α = .75 bis α = .83 je nach<br />

Stichprobe und Beziehungstyp.<br />

Nach Angaben der Autoren wurden die BBE in mehreren Studien untersucht, wobei<br />

sie eine gute diskriminante Validität hinsichtlich des Bindungsstils gegenüber<br />

verschiedenen Bezugspersonen angeben. Die Skalen seien auch sensitiv gegenüber<br />

Veränderungen der Beziehungsqualität.


III. Methoden 83<br />

13.6 Die Posttraumatische Diagnoseskala<br />

Die Diagnoseskala der Posttraumatischen Belastungsstörung (PDS) (Ehlers, Steil,<br />

Winter & Foa, 1996; siehe Anhang E) ist die deutschsprachige Form der<br />

Posttraumatic Stress Diagnostic Scale von Foa (1995). Mit der PDS liegt ein<br />

deutschsprachiges Selbstbeurteilungsinstrument vor, welches auf ökonomische<br />

Weise a) das Vorhandensein einer Traumatisierung, b) das Vorliegen einer<br />

Posttraumatischen Belastungsstörung (PTB) oder Akuten Belastungsstörung (ABS),<br />

sowie c) die Auftretenshäufigkeit der Symptomcluster bzw. die Gesamtschwere einer<br />

PTB bei Erwachsenen erfasst. Es basiert dabei auf den diagnostischen Kriterien des<br />

DSM-IV (American Psychiatric Association, APA, 1994); Auswertungsmöglichkeiten<br />

für eine Diagnosestellung einer PTB nach ICD 10 liegen aber<br />

ebenfalls vor.<br />

Der vierteilige Aufbau der PDS lehnt sich an die sechs diagnostischen Kriterien des<br />

DSM-IV an.<br />

Im Teil 1 der PDS werden elf häufig auftretende belastende oder traumatische<br />

Ereignisse dargestellt, z.B. schwerer Unfall, sexueller Angriff oder<br />

Naturkatastrophen. Item 13 ermöglicht eine freie Beschreibung einer Situation. Der<br />

Proband wird gebeten, das Erleben jedes dieser Ereignisse (persönlich oder als<br />

Zeuge) auf einer dichotomen Skala („Ja-Nein“) zu beurteilen. Mehrfachnennungen<br />

sind zugelassen. Das am meisten belastende Ereignis wird benannt. Dieser Abschnitt<br />

entspricht einem Teil des A-Kriteriums der PTB (A1).<br />

Teil 2 enthält die Angabe zum Zeitpunkt des Ereignisses und eine subjektive<br />

Einschätzung des Erlebnisses hinsichtlich körperlicher Verletzung und Lebensgefahr<br />

(entspricht dem anderen Teil des Kriteriums A1 nach DSM-IV) sowie hinsichtlich<br />

währenddessen empfundener Hilflosigkeit und starker Angst oder Entsetzen,<br />

ebenfalls auf einer dichotomen Skala („Ja-Nein“). Dieser Teil entspricht dem<br />

Kriterium A2 nach DSM-IV. Die Teile 1 und 2 zusammen entsprechen dem A-<br />

Kriterium.<br />

In Teil 3 werden die Kriterien Intrusion (Kriterium B), Vermeidung und emotionale<br />

Taubheit (Kriterium C) und Übererregung (Kriterium D) entsprechend der Kriterien<br />

des DSM-IV anhand von 17 Symptombeschreibungen der PTB abgefragt, die vom<br />

Probanden hinsichtlich ihres Auftretens während des letzten Monats auf einer<br />

vierstufigen Likert-Skala von 0 (nicht vorhanden) bis 3 (fast immer vorhanden; 5-<br />

mal oder öfter pro Woche) beurteilt werden. Ein Item erhebt die zeitliche Dauer der


III. Methoden 84<br />

Symptomatik (E-Kriterium) und ermöglicht eine Klassifikation hinsichtlich akuter<br />

(bis 3 Monate) oder chronischer (über 3 Monate) PTB. Des Weiteren kann<br />

eingeschätzt werden, ob ein verzögerter Beginn vorliegt, d.h. ob die Symptome erst 6<br />

Monate nach dem Trauma einsetzten.<br />

In Teil 4 wird erfasst, inwieweit Beeinträchtigungen in neun Lebensbereichen<br />

vorliegen, eine Beantwortung erfolgt über eine Ja-Nein-Einschätzung durch den<br />

Probanden. Dieser Teil entspricht dem F-Kriterium der PTB.<br />

Über die Diagnose hinaus können Kennwerte des Schweregrades der generellen<br />

Symptombelastung sowie der einzelnen Symptombereiche Intrusionen, Vermeidung<br />

bzw. emotionale Taubheit, Übererregung bestimmt werden. Berechnet werden<br />

Mittelwerte über die Häufigkeit der Symptome. Für klinische und Forschungszwecke<br />

wird damit die posttraumatische Symptomatik zum einen als dichotomes Merkmal<br />

(Diagnose der PTB: ja/nein), zum anderen als kontinuierliche Variable<br />

(Schweregrad) erfasst. Dies ermöglicht eine differenziertere Betrachtungsweise des<br />

Problemfeldes.<br />

Die PDS verfügt mit Chronbachs α = .92 über eine exzellente interne Konsistenz und<br />

weist mit r = .83 eine ebenfalls sehr gute Retest-Reliabilität auf. Auch die<br />

konvergenten Validitäten, die durch Korrelationen mit verschiedenen anderen<br />

Messungen der Psychopathologie sowie mit dem strukturierten Interview nach DSM-<br />

IV berechnet wurden, werden mit befriedigend bis gut angegeben.<br />

Zusammengefasst sprechen die Befunde für eine gesicherte Reliabilität und Validität<br />

des Fragebogens.


IV. Ergebnisse 85<br />

IV. Ergebnisse<br />

14. Personengebundene Störvariablen<br />

Um eine gesicherte interne Validität der abhängigen Variablen zu gewährleisten,<br />

wurde überprüft, ob sich Konfundierungen der demographischen Variablen und der<br />

weiteren unabhängigen Variablen ergeben.<br />

Bei der Überprüfung der unabhängigen Variable „Alter“ wurde mit Hilfe einer<br />

einfaktoriellen Varianzanalyse überprüft, ob das Alter einen Effekt zwischen den vier<br />

Substichproben (Alkohol, Alkohol mit Beigebrauch, Polytoxikomane und nicht<br />

substanzabhängige Kontrollgruppe) liefert. Die einfaktorielle Varianzanalyse ergab<br />

einen höchstsignifikanten Effekt (F (3) = 24,291; p < .001). Werden die drei<br />

Suchtgruppen jedoch zusammengefasst und prüft man die Variable „Alter“ mit Hilfe<br />

eines zweiseitigen t-Testes gegenüber der Kontrollgruppe, so ergibt sich kein<br />

signifikanter Unterschied (t (133) = -.194; p n.s.). Aufgrund des nicht signifikanten<br />

Ergebnisses im Hinblick auf die Gesamtsuchtgruppe und der Kontrollgruppe muss<br />

das Alter im Vergleich dieser beiden Gruppen nicht als personengebundene<br />

Störvariable angesehen werden (vgl. Tabelle 2; S. 76).<br />

Um die Voraussetzungen zur Durchführung eines χ 2 - Tests zu erfüllen (vgl. Bortz,<br />

1999, S. 169f.), wurden die Kategorien des Familienstandes „ledig“ und<br />

„geschieden“ zu einer Kategorie zusammengefasst und die Subgruppen „eheähnliche<br />

Gemeinschaft“ und „verheiratet“ zu einer anderen. Im χ 2 -Test zeigten sich<br />

signifikante Unterschiede bzgl. des Familienstandes (χ 2 (1, N = 135) = 29.4; p < .001) im<br />

Hinblick auf die Gesamtsuchtgruppe und die Kontrollgruppe. Diese Unterschiede<br />

blieben auch bei der Testung der Variable „Z.Zt in Partnerschaft“ bestehen (χ 2 (1, N =<br />

135) = 16,806; p < .001).<br />

Ebenso wurden für die Gesamtsuchtgruppe und Kontrollgruppe bei der Variable<br />

„höchster Schulabschluss“ die Kategorien „ohne Schulabschluss“ und „Volks- und<br />

Hauptschule“ zu einer Gruppe „Untere Schulbildung“ zusammengefasst und die<br />

Kategorien „Realschulabschluss“, „Fachabitur“, „Abitur“ und „Hochschulabschluss“<br />

zu einer Kategorie „mittlere/höhere Schulbildung“. Der χ 2 - Test zeigt auch hier<br />

höchstsignifikante Gruppenunterschiede an (χ 2 (1, N = 135) = 11.724; p < .001).<br />

Der χ 2 - Test für die Variable „Beruf“ mit den Kategorien „erwerbslos“, „in Arbeit“,<br />

„Rentner“ und „sonstiges“ zwischen der Gesamtsuchtgruppe und der Kontrollgruppe<br />

ergab einen höchst signifikanten Unterschied (χ 2 (3, N = 134) = 34.196; p < .001), wobei


IV. Ergebnisse 86<br />

die Test-Voraussetzungen nicht komplett gegeben waren, da 4 Zellen (50 %) eine<br />

erwartete Häufigkeit kleiner 5 aufweisen. Insgesamt muss beachtet werden, dass sich<br />

mit Ausnahme der Variable „Alter“ die Gruppen in den soziodemographischen<br />

Daten „höchster Schulabschluss“, „Arbeit/Beruf“ und „Familienstand“ signifikant<br />

unterscheiden. Dies wird bei der Interpretation der Ergebnisse kritisch diskutiert<br />

werden.


IV. Ergebnisse 87<br />

15. Ergebnisse des Fragebogens zum Persönlichkeitsselbstportrait<br />

15.1 Mittelwertvergleiche und Gruppenunterschiede bei den<br />

Persönlichkeitsstilen des FPP<br />

Um der Frage nachzugehen, ob sich Männer mit einer Abhängigkeitsdiagnose<br />

(F.1x.2) in den Ausprägungen ihrer Persönlichkeitsstile von den Männern der<br />

Kontrollgruppe unterscheiden, wurden Mittelwertsvergleiche für alle Subskalen des<br />

Fragebogens zum Persönlichkeitsselbstportrait (FPP) zwischen den Substichproben<br />

(Alkohol, Alkohol mit Beigebrauch, Polytoxikomane, nicht konsumierende<br />

Kontrollgruppe) durchgeführt. Sämtliche Mittelwerte der FPP-Subskalen der<br />

Suchtgruppen sind, wenn auch zum Teil nur gering, höher ausgeprägt als die der<br />

Kontrollgruppe. Mit einer Ausnahme: Die Subskala „gewissenhaft“ unterscheidet<br />

sich nicht signifikant zwischen den Suchtgruppen und der Kontrollgruppe.<br />

14<br />

12<br />

10<br />

Mittelwerte<br />

8<br />

6<br />

4<br />

Suchtgruppe gesamt<br />

Kontrollgruppe<br />

Alkohol<br />

Alkohol mit Beigebrauch<br />

Polytoxikomane<br />

2<br />

0<br />

gewissenhaft<br />

selbstbewusst<br />

dramatisch<br />

wachsam<br />

sprunghaft<br />

anhänglich<br />

ungesellig<br />

lässig<br />

sensibel<br />

exzentrisch<br />

abenteuerlich<br />

aufopfernd<br />

Persönlichkeitsstile<br />

Abbildung 5: Mittelwerte der Persönlichkeitsstile des FFP aller Suchtgruppen<br />

und der Kontrollgruppe


IV. Ergebnisse 88<br />

Folgende Mittelwertsunterschiede wurden in der MANOVA bedeutsam:<br />

• Auf der Skala „wachsam“<br />

- jeweils zwischen der Kontrollgruppe und den Subgruppen Alkohol<br />

(p < .001), Alkohol mit Beigebrauch (p < .005) und der Gruppe der<br />

Polytoxikomanen (p < .001).<br />

• Auf der Skala „ungesellig“<br />

- zwischen der Kontrollgruppe und der Subgruppen Alkohol (p < .001).<br />

• Auf der Skala „exzentrisch“<br />

- jeweils zwischen der Kontrollgruppe und den Subgruppen Alkohol<br />

(p < .001), Alkohol mit Beigebrauch (p < .001) und der Gruppe der<br />

Polytoxikomanen (p < .001).<br />

• Auf der Skala „abenteuerlich“<br />

- jeweils zwischen der Kontrollgruppe und den Subgruppen Alkohol<br />

(p < .002), Alkohol mit Beigebrauch (p < .001) und der Gruppe der<br />

Polytoxikomanen (p < .001).<br />

- zwischen den Subgruppen Alkohol und Alkohol mit Beigebrauch (p < .005).<br />

• Auf der Skala „sprunghaft“<br />

- jeweils zwischen der Kontrollgruppe und den Subgruppen Alkohol<br />

(p < .001), Alkohol mit Beigebrauch (p < .001) und der Gruppe der<br />

Polytoxikomanen (p < .001).<br />

• Auf der Skala „dramatisch“<br />

- jeweils zwischen der Kontrollgruppe und den Subgruppen Alkohol mit<br />

Beigebrauch (p < .005) und der Gruppe der Polytoxikomanen (p < .040).<br />

• Auf der Skala „selbstbewusst“<br />

- jeweils zwischen der Kontrollgruppe und den Subgruppen Alkohol<br />

(p < .009), Alkohol mit Beigebrauch (p < .007) und der Gruppe der<br />

Polytoxikomanen (p < .001).


IV. Ergebnisse 89<br />

• Auf der Skala „sensibel“<br />

- zwischen der Kontrollgruppe und der Gruppe der Polytoxikomanen<br />

(p < .021).<br />

• Auf der Skala „anhänglich“<br />

- zwischen der Kontrollgruppe und der Gruppe der Polytoxikomanen<br />

(p < .012).<br />

• Auf der Skala „lässig“<br />

- jeweils zwischen der Kontrollgruppe und den Subgruppen Alkohol<br />

(p < .013), Alkohol mit Beigebrauch (p < .020) und der Gruppe der<br />

Polytoxikomanen (p < .001).<br />

• Auf der Skala „aufopfernd“<br />

- jeweils zwischen der Kontrollgruppe und den Subgruppen Alkohol<br />

(p < .001), Alkohol mit Beigebrauch (p < .001) und der Gruppe der<br />

Polytoxikomanen (p < .001).<br />

Um zu überprüfen, ob sich die Mittelwerte der dreizehn FPP-Subskalen nicht nur<br />

bzgl. der absoluten Mittelwerte unterscheiden und um Aussagen darüber treffen zu<br />

können, ob hierbei das Alter und die Berufstätigkeit als möglicher Einflussfaktor<br />

gelten können, wurde eine multivariate Varianzanalyse (MANOVA) mit dem festen<br />

Faktor „Gruppenzugehörigkeit“ (Gesamtsuchtgruppe, Kontrollgruppe), und den<br />

Kovariaten „Alter“ und „Berufstätigkeit“ für 12 Subskalen des FPP berechnet (siehe<br />

Tabelle 3). Um Aussagen über die unterschiedlich stark ausgeprägten<br />

Persönlichkeitsstile treffen zu können, wurden die Skalenmittelwerte t-transformiert.


IV. Ergebnisse 90<br />

Tabelle 3: Gruppenunterschiede für die abhängige Variable „FPP-Subskalen“:<br />

Mittelwerte, Standardabweichungen und signifikante Gruppenunterschiede<br />

Persönlichkeitsstil Gruppe N M SD p<br />

Skala wachsam<br />

Skala ungesellig<br />

Skala exzentrisch<br />

Skala abenteuerlich<br />

Skala sprunghaft<br />

Skala dramatisch<br />

Skala selbstbewusst<br />

Skala sensibel<br />

Skala anhänglich<br />

Skala gewissenhaft<br />

Skala lässig<br />

Skala aufopfernd<br />

Sucht 90 60,62 11,37<br />

Kontrolle 45 48,59 9,19<br />

Sucht 90 54,54 9,08<br />

Kontrolle 45 49,43 7,53<br />

Sucht 90 57,82 11,67<br />

Kontrolle 45 45,41 7,47<br />

Sucht 90 61,03 13,35<br />

Kontrolle 45 45,57 8,51<br />

Sucht 90 66,17 9,50<br />

Kontrolle 45 55,54 6,52<br />

Sucht 90 55,80 11,47<br />

Kontrolle 45 49,14 10,39<br />

Sucht 90 56,80 12,60<br />

Kontrolle 45 47,25 9,97<br />

Sucht 90 54,67 7,92<br />

Kontrolle 45 50,01 6,02<br />

Sucht 90 55,84 9,84<br />

Kontrolle 45 49,75 9,09<br />

Sucht 90 50,10 10,70<br />

Kontrolle 45 47,70 9,32<br />

Sucht 90 54,87 10,81<br />

Kontrolle 45 46,05 9,35<br />

Sucht 90 64,10 11,47<br />

Kontrolle 45 51,59 9,16<br />

.001***<br />

.002*<br />

.001***<br />

.001***<br />

.001***<br />

.005*<br />

.001***<br />

.004*<br />

.001***<br />

.212 n.s.<br />

.001***<br />

.001***<br />

Anmerkung: n.s. = nicht signifikant; p < .05*: p < .01**; p = .001*** - gilt für alle Signifikanzberechnungen bei<br />

einem Signifikanzniveau von 5 %<br />

Die multivariaten Testergebnisse zeigen einen höchst signifikanten Haupteffekt für<br />

die Variable „Gruppenzugehörigkeit“ (F (12,119) = .089; p < .001) und für die Variable<br />

„Alter“ (F (12,19) = .272; p < .001), aber keinen für die Variable „Arbeit“ (F (12,119) =<br />

.082; p < .569 n.s.).


IV. Ergebnisse 91<br />

Höchst signifikante Gruppenunterschiede finden sich bei den Subskalen „wachsam“<br />

(F (1) = 38,364; p < .001), „exzentrisch“ (F (1) = 42,632; p < .001), „abenteuerlich“<br />

(F (1) = 52,936; p < .001), „sprunghaft“ (F (1) = 33,933; p < .001), „selbstbewusst“ (F<br />

(1) = 18,429; p < .001), „anhänglich“ (F (1) = 11,240; p < .001), „lässig“ (F (1) =<br />

18,211; p < .001) und „aufopfernd“ (F (1) = 38,418; p < .001). Hoch signifikante<br />

Gruppenunterschiede finden sich bei den Subskalen „ungesellig“ (F (1) = 9,850;<br />

p < .002), „dramatisch“ (F (1) = 8,255; p < .005) und „sensibel“ (F (1) = 8,378;<br />

p < .004).<br />

Nicht signifikant wurde der Unterschied bei der Skala „gewissenhaft“ (F (1) = 1,576;<br />

p < .212 n.s.).<br />

Es finden sich also für alle Skalen mit Ausnahme der Subskala „gewissenhaft“<br />

signifikante Gruppenunterschiede. In der Suchtgruppe finden sich stets höhere<br />

Ausprägungen der Mittelwerte, mit Ausnahme der Skala „gewissenhaft“!<br />

15.2 Extremere Persönlichkeitsstilausprägungen, die eine Störung<br />

kennzeichnen<br />

Nachdem im Kap. 15.1 gezeigt werden konnte, dass sich die Mittelwertsunterschiede<br />

der Persönlichkeitsstile in nahezu allen Stilen signifikant unterscheiden, ist es nun<br />

von Interesse, ob und in wie viel Prozent der Fälle auch eine Persönlichkeitsstörung<br />

vorliegen. Nach Oldham und Morris (1992a) schafft nicht die Qualität jeden<br />

Persönlichkeitsstils Probleme, sondern die Quantität eines Persönlichkeitsstils im<br />

Kontinuum. Für die Grenze vom Persönlichkeitsstil zur Persönlichkeitsstörung wird<br />

das Überschreiten der von Schöttke (2007; persönl. Mitteilung) in laufender<br />

Forschung entwickelten Cut-off-Werte als Kriterium angelegt (siehe Anhang F).<br />

Tabelle 4 gibt einen Überblick über die Verteilung von solchen Störungen pro<br />

Gruppe (Mehrfachstörungen vorhanden).


IV. Ergebnisse 92<br />

Tabelle 4: Häufigkeiten, % der Persönlichkeitsstörungen nach Cut-off-Wert<br />

und Signifikanz der Unterschiede zwischen Suchtgesamt- und Kontrollgruppe<br />

Persönlichkeitsstörung<br />

paranoid<br />

schitzotypisch<br />

antisozial<br />

borderline<br />

histrionisch<br />

narzisstisch<br />

selbstunsicher<br />

abhängig<br />

zwanghaft<br />

passiv-aggressiv<br />

Alkohol<br />

n = 40<br />

10<br />

25 %<br />

Alk mit<br />

Beigeb.<br />

n = 10<br />

2<br />

20 %<br />

0 2<br />

20 %<br />

0 1<br />

10 %<br />

2<br />

5 %<br />

4<br />

10 %<br />

2<br />

20 %<br />

4<br />

40 %<br />

Polytoxikomane<br />

n = 40<br />

14<br />

35 %<br />

KG<br />

n = 45<br />

1<br />

2,2 %<br />

Sucht<br />

gesamt<br />

n = 90<br />

26<br />

28,9 %<br />

0 0 2<br />

2,2 %<br />

3<br />

7,5 %<br />

2<br />

5 %<br />

3<br />

7,5 %<br />

0 4<br />

4,4 %<br />

0 6<br />

6,7 %<br />

0 11<br />

12,2 %<br />

0 0 0 0 0<br />

3<br />

7,5 %<br />

3<br />

7,5 %<br />

4<br />

10 %<br />

2<br />

20 %<br />

2<br />

20 %<br />

1<br />

10 %<br />

2<br />

5 %<br />

0 7<br />

7,8 %<br />

0 0 5<br />

5,6 %<br />

0 0 5<br />

5,6 %<br />

0 0 0 0 0<br />

Signifikanz<br />

KG: Sucht<br />

gesamt<br />

.001***<br />

n.s.<br />

n.s.<br />

n.s.<br />

.016**<br />

.095*<br />

n.s.<br />

n.s.<br />

Nach Fishers exaktem Test (zweiseitig) wurden die Unterschiede der Häufigkeiten<br />

von Persönlichkeitsstörungen zwischen der Gesamtsuchtgruppe und der<br />

Kontrollgruppe für die paranoide Persönlichkeitsstörung höchst signifikant<br />

(p < .001), für die histrionische Persönlichkeitsstörung hoch signifikant (p < .016)<br />

und für die selbstunsichere Persönlichkeitsstörung signifikant (p < .095).<br />

Insgesamt gesehen leiden in der Gesamtsuchtgruppe 45 Personen (50 %) an einer<br />

Persönlichkeitsstörung, gemessen an dem Überschreiten der Cut-off-Werte im FPP.<br />

Im Gegensatz dazu findet sich in der Kontrollgruppe nur eine Person, die diese<br />

Kriterien erfüllt. Dieser Unterschied zeigte sich im χ 2 -Test höchst signifikant<br />

(χ 2 (1, N = 135) = 30,485; p < .001).


IV. Ergebnisse 93<br />

16. Ergebnisse der Bindungsspezifischen Bindungsskalen für Erwachsene<br />

16.1 Dauer der Partnerschaften<br />

Im Fragebogen Bindungsspezifische Bindungsskalen für Erwachsene wurde zunächst<br />

nach dem Bestehen und, wenn ja, nach der Dauer einer festen Partnerschaft gefragt.<br />

Für den Fall, dass die Person zurzeit. in keiner festen Partnerschaft lebt, wurde nach<br />

der Dauer der letzten festen Partnerschaft gefragt. Sollten die Probanden noch in<br />

keiner festen Partnerschaft gelebt haben, wurden sie gebeten, den Fragebogen der<br />

BBE hinsichtlich des Partners nicht auszufüllen.<br />

Die Tabelle 5 gibt einen Überblick über Dauer bei bestehender Partnerschaft pro<br />

Substichgruppe. Tabelle 6 gibt einen Überblick über die Dauer der letzten<br />

Partnerschaft derjenigen Probanden pro Substichgruppe, die zurzeit. in keiner festen<br />

Partnerschaft stehen.<br />

Tabelle 5: Dauer der bestehenden Partnerschaft in Monaten<br />

KG<br />

Sucht gesamt<br />

Alkohol<br />

Alkohol<br />

mit Beigebrauch<br />

Polytoxikomane<br />

N M Minimum Maximum<br />

38 157<br />

(13 J, 1 Mon)<br />

43 81<br />

(6 J, 9 Mon)<br />

20 127<br />

(10 J, 7 Mon)<br />

2 17<br />

(1 J, 5 Mon)<br />

21 43<br />

(3 J, 7 Mon)<br />

5 410<br />

(34 J, 2 Mon)<br />

5 444<br />

(37 J)<br />

6 444<br />

(37 J)<br />

11 23<br />

(1 J, 11 Mon)<br />

6 136<br />

(11 J, 4 Mon)


IV. Ergebnisse 94<br />

Tabelle 6: Bei keiner festen Partnerschaft: Dauer<br />

der letzten festen Partnerschaft in Monaten<br />

KG<br />

Sucht gesamt<br />

Alkohol<br />

Alkohol<br />

mit Beigebrauch<br />

Polytoxikomane<br />

N M Minimum Maximum<br />

5 52 3 182<br />

(4 J, 4 Mon)<br />

(15 J; 2 Mon)<br />

45 49 2 240<br />

(4 J, 1 Mon)<br />

(20 J)<br />

18 76 6 240<br />

(6 J, 4 Mon)<br />

(20 J)<br />

8 25 2 80<br />

(2 J, 1 Mon)<br />

(6 J, 8 Mon)<br />

19 33 2 120<br />

(2 J, 9 Mon)<br />

(10 J)<br />

Die Mittelwerte der Partnerschaftsdauer bei bestehender Partnerschaft wurden<br />

zwischen der Kontrollgruppe und der Gesamtsuchtgruppe anhand eines zweiseitigen<br />

t-Tests signifikant (t (79) = 3.301; p < .015). Die Mittelwertsunterschiede der letzten<br />

Partnerschaft unterschieden sich jedoch nicht signifikant zwischen der Kontroll- und<br />

Gesamtsuchtgruppe (t (4.415) = .087; p < .935).<br />

Desweiteren wurde eine einfaktorielle Varianzanalyse durchgeführt, um die<br />

Unterschiede zwischen allen Substichgruppen (Alkohol, Alkohol mit Beigebrauch,<br />

Polytoxikomane und Kontrollgruppe) hinsichtlich der Dauer einer bestehenden<br />

Partnerschaft zu prüfen. Die Unterschiede zwischen den Gruppen zeigten sich mit<br />

F (3) = 6,608; p < .001 höchst signifikant. Der sich anschließende Bonferoni-Test<br />

differenzierte lediglich einen signifikanten Unterschied zwischen der Kontrollgruppe<br />

und der Subsuchtgruppe der Polytoxikomanen (p < .001) und zwischen der<br />

Alkoholsubgruppe und der Subsuchtgruppe der Polytoxikomanen (p < .053).<br />

Die Personen, die zum Zeitpunkt der Datenerhebung in keiner festen Partnerschaft<br />

lebten, wurden gebeten, den Fragebogen im Hinblick auf ihre letzte feste<br />

Partnerschaft auszufüllen. Ein zweiseitiger t-Test zwischen der Gesamtsuchtgruppe<br />

und Kontrollgruppe zeigte keine signifikanten Unterschiede (t (48) = .119; p < .906) in<br />

Bezug auf die Dauer der letzten festen Partnerschaft an.


IV. Ergebnisse 95<br />

Eine einfaktorielle Varianzanalyse hinsichtlich der Mittelwertsunterschiede zwischen<br />

o.g. Gruppen in der Dauer der letzten festen Partnerschaft zeigte mit F (3) = 3.009;<br />

p < .040 zwar signifikante Unterschiede, der sich anschließende Bonferoni-Test<br />

differenzierte aber nur auf dem 10 % Niveau einen signifikanten Unterschied<br />

zwischen den Suchtsubgruppen Alkohol und Polytoxikomanen (p < .075). Alle<br />

anderen Mittelwertsunterschiede wurden nicht signifikant.<br />

16.2 Mittelwertvergleiche und Gruppenunterschiede bei den BBE<br />

Die Mittelwertvergleiche der Beziehungsspezifischen Bindungsskalen für<br />

Erwachsene (BBE) (Asendorpf et al., 1997) mittels einer multivariaten<br />

Varianzanalyse (MANOVA) ergaben ein heterogenes Bild.<br />

Tabelle 7 gibt zunächst einen Überblick über die Mittelwerte der beiden Skalen des<br />

BBE pro Subgruppen bezüglich erfragter Bindung zur Mutter und Bindung zum<br />

Partner.<br />

In einer MANOVA mit den abhängigen Variablen Skalen „sicher-ängstlich Mutter“<br />

und „abhängig-unabhängig Mutter“ sowie „sicher-ängstlich Partner“ und „abhängigunabhängig<br />

Partner“ mit der abhängigen Variable „Gruppenzugehörigkeit“ zeigte der<br />

Pillai-Spur-Test höchst signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen mit F (6; 212)<br />

= 3,840; p < .001 an. Aufgrund der disproportionalen Zellenumfänge wurde als Post-<br />

Hoc-Test, wie von Diehl und Staufenbiel (2002) empfohlen, ein Bonferoni-Test<br />

durchgeführt, um Unterschiede zu differenzieren. Folgende signifikanten<br />

Unterschiede zeigte der Bonferoni-Test an:<br />

Auf der Skala „sicher-ängstlich“ in der Bindung zur Mutter:<br />

- zwischen der Kontrollgruppe und der Subsuchtgruppe der<br />

Alkoholabhängigen mit Beigebrauch (p < .009)<br />

- zwischen den Subsuchtgruppen Alkohol und Alkohol mit Beigebrauch<br />

(p < .013) und<br />

- zwischen der Polytoxikomanen und der Subsuchtgruppe Alkohol mit<br />

Beigebrauch (p < .045)<br />

Auf der Skala „abhängig-unabhängig“ in der Bindung zur Mutter:<br />

- zwischen der Kontrollgruppe und der Subsuchtgruppe der Polytoxikomanen<br />

(p < .018)


IV. Ergebnisse 96<br />

Auf den beiden Skalen hinsichtlich der Bindung zum Partner verzeichnete der Test<br />

keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen.<br />

Tabelle 7: N, Skalen-Mittelwerte, Standardabweichung der BBE pro Gruppe<br />

Gruppe M SD N<br />

KG 3,9259 1,036 36<br />

sicher-ängstlich Alkohol 3,8873 0,922 34<br />

(Mutter)<br />

Alkohol mit<br />

Beigebrauch<br />

2,8333 1,294 8<br />

Polytoxikomane 3,7083 1,004 32<br />

KG 1,5347 0,474 36<br />

abhängig-unabhängig Alkohol 1,6544 0,5888 34<br />

(Mutter)<br />

Alkohol mit<br />

Beigebrauch<br />

1,9063 0,6295 8<br />

Polytoxikomane 1,9766 0,7436 32<br />

KG 4,4960 0,5637 42<br />

sicher-ängstlich Alkohol 4,3333 1,5295 37<br />

(Partner)<br />

Alkohol mit<br />

Beigebrauch<br />

3,7222 0,8416 9<br />

Polytoxikomane 3,9099 0,7186 37<br />

KG 3,1250 0,7284 42<br />

abhängig-unabhängig Alkohol 2,9561 0,7029 37<br />

(Partner)<br />

Alkohol mit<br />

Beigebrauch<br />

2,9444 0,6558 9<br />

Polytoxikomane 2,9358 0,5725 37<br />

16.3 Bindung bei Extrempersönlichkeiten<br />

Um der Frage nachzugehen, ob sich die Personen mit einer stärkeren<br />

Persönlichkeitsstilausprägung hinsichtlich ihrer Bindung von den Personen mit<br />

unauffälliger Stilausprägung unterscheiden, wurden aus allen<br />

Untersuchungsteilnehmern zwei Gruppen gebildet. Die eine Gruppe der<br />

„Extrempersönlichkeiten“ setzte sich aus allen Personen zusammen, die in<br />

mindestens einem Persönlichkeitsstil die von Schöttke (2007; persönl. Mitteilung) in<br />

laufendem Forschungsprojekt entwickelten Cut-off-Werte (siehe Anhang F)<br />

überschritten haben (für den aufopfernden und den ungeselligen Stil wurde der Cut-


IV. Ergebnisse 97<br />

off-Wert 13 beibehalten). Die andere Gruppe bildeten die Personen, die in keinem<br />

Stil diese Werte überschritten (unauffällig ausgeprägter Persönlichkeitsstil). Mit<br />

einer MANOVA wurden Unterschiede auf den beiden Skalen („sicher-ängstlich“ und<br />

„abhängig-unabhängig“) der BBE in der Bindung zur Mutter und in der Bindung<br />

zum Partner zwischen der „Extremgruppe“ (n = 33) und der in den<br />

Persönlichkeitsstilen normal ausgeprägten Gruppe (n = 68) getestet. Tabelle 8 gibt<br />

einen Überblick über Mittelwerte, Standardabweichung und Gruppengröße, sowie<br />

dem Signifikanzniveau bezüglich beider Skalen in der Bindung zur Mutter und zum<br />

Partner.<br />

Tabelle 8: N, Skalen-Mittelwerte, Standardabweichung der BBE pro Gruppe und<br />

Signifikanzniveau<br />

Skala Gruppe M SD N p<br />

sicher-ängstlich<br />

extremer Persönlichkeitsstil 3,5 1,1134 33<br />

(Mutter) normal ausgeprägter Stil 3,8995 0,9976 68<br />

abhängig-unabhängig<br />

extremer Persönlichkeitsstil 1,8561 0,6982 33<br />

(Mutter) normal ausgeprägter Stil 1,6342 0,5844 68<br />

sicher-ängstlich<br />

extremer Persönlichkeitsstil 3,8838 0,7870 33<br />

(Partner) normal ausgeprägter Stil 4,4534 1,1532 68<br />

abhängig-unabhängig<br />

extremer Persönlichkeitsstil 2,8788 0,5724 33<br />

(Partner) normal ausgeprägter Stil 3,0018 0,7389 68<br />

.072<br />

.097<br />

.012<br />

.402<br />

Die MANOVA mit den abhängigen Variablen Skalen „sicher-ängstlich Mutter“ und<br />

„abhängig-unabhängig Mutter“ und „sicher-ängstlich Partner“ und „abhängigunabhängig<br />

Partner“ mit der unabhängigen Variable „Extrempersönlichkeit“ zeigte<br />

der Pillai-Spur-Test signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen mit F (4; 96) =<br />

3,112; p < .019 an. Zwar sind die Personen mit normal ausgeprägten<br />

Persönlichkeitsstilen nominal jeweils sicherer gebunden hinsichtlich der Mutter und<br />

des Partners, beim Test der Zwischensubjekteffekte wurde jedoch nur der<br />

Unterschied auf der Skala „sicher-ängstlich“ in der Bindung zum Partner auf einem<br />

5 %-Signifikanzniveau dahingehend signifikant, dass erwartungsgemäß die Gruppe<br />

der normal ausgeprägten Persönlichkeitsstile sich sicherer erwies als die Gruppe der<br />

Extrempersönlichkeiten. Auf der Skala „abhängig-unabhängig“ in der Bindung zum<br />

Partner unterschieden sich die beiden Gruppen nicht.


IV. Ergebnisse 98<br />

16.4 Reliabilitätsberechnungen der BBE<br />

Da es sich bei den Beziehungsspezifischen Bindungsskalen für Erwachsene bisher<br />

noch um ein Forschungsinstrument handelt, wurden zur Prüfung des Instrumentes<br />

eigene Reliabilitätsberechnungen für die Skalen „sicher-ängstlich“ und „abhängigunabhängig“<br />

jeweils im Bezug zur Mutter und zum Partner durchgeführt, so wie<br />

Trennschärfeberechnungen pro Item.<br />

Die Berechnung der Reliabilität von Chronbachs Alpha für die einzelnen Skala im<br />

Bezug zur Mutter und zum Partner ergaben ein heterogenes Bild.<br />

Die Berechnungen ergaben für die Skala „sicher-ängstlich Mutter“, bestehend aus 6<br />

Items, ein α = ,827 und für die Skala „abhängig-unabhängig Mutter“, bestehend aus<br />

8 Items, ein α = ,754.<br />

Die folgende Tabelle 9 gibt einen Überblick über die korrigierte Trennschärfen pro<br />

Skala und Item in Bezug zur Mutter.<br />

Tabelle 9: Item-Trennschärfen pro Skala in der Bindung zur Mutter<br />

sicher-ängstlich (Mutter) abhängig-unabhängig (Mutter)<br />

Item 1 ,699 Item 3 ,500<br />

Item 2 ,410 Item 4 ,235<br />

Item 5 ,488 Item7 ,534<br />

Item 6 ,631 Item 8 ,358<br />

Item 9 ,640 Item 10 ,543<br />

Item12 ,739 Item 11 ,425<br />

Item 13 ,562<br />

Item 14 ,439<br />

Die Berechnungen ergaben für die Skala „sicher-ängstlich“-Partner, bestehend aus 6<br />

Items, jedoch nur ein α = ,262 und für die Skala „abhängig-unabhängig“- Partner,<br />

bestehend aus 8 Items, nur ein α = ,476.<br />

Tabelle 10 gibt eine Übersicht über die korrigierten Trennschärfen der Items beider<br />

Skalen in Bezug zum Partner.


IV. Ergebnisse 99<br />

Tabelle 10: Item-Trennschärfen pro Skala in der Bindung zum Partner<br />

sicher-ängstlich (Partner) Abhängig-unabhängig (Partner)<br />

Item 1 ,030 Item 3 -,488<br />

Item 2 ,143 Item 4 ,406<br />

Item 5 ,303 Item7 ,247<br />

Item 6 ,432 Item 8 ,218<br />

Item 9 -,102 Item 10 ,488<br />

Item12 ,463 Item 11 ,443<br />

Item 13 ,298<br />

Item 14 ,344<br />

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Reliabilitätsberechnungen der<br />

beiden Bindungsskalen des BBE im Bezug zur Mutter den von den Autoren<br />

berichteten Kennwerten entspricht. Im Hinblick auf den Bindungsstil zur Mutter<br />

kann von einer guten Internen Konsistenz und zufrieden stellenden Trennschärfen<br />

ausgegangen werden. Anders sieht es im Hinblick der Reliabilität zum Partner aus,<br />

hier kann der Reliabilitätskennwert und die Trennschärfekorrelationen nicht<br />

zufrieden stellen.


IV. Ergebnisse 100<br />

17. Ergebnisse der PDS<br />

17.1 Posttraumatische Belastungsstörung<br />

Die Kriterien einer PTBS nach DSM-IV wurden mittels dem PDS von Ehlers et al.<br />

(1996) abgefragt. Die folgende Tabelle 11 gibt eine Übersicht, wie viele Personen<br />

pro Subgruppe die Kriterien einer Posttraumatischen Belastungsstörung nach DSM-<br />

IV erfüllen:<br />

Tabelle 11: Anzahl und Prozentwerte der Teilnehmer, die die<br />

Kriterien einer PTBS nach DSM-IV erfüllen, pro Gruppe<br />

Gruppe PTBS Keine<br />

KG<br />

Alkohol<br />

Alkohol mit<br />

PTBS<br />

Gesamt<br />

1 44 45<br />

2,2 % 97,8 % 100 %<br />

6 34 40<br />

15 % 85 % 100 %<br />

4 6 10<br />

Beigebrauch 40 % 60 % 100 %<br />

Polytoxikomane<br />

Sucht gesamt<br />

11 29 40<br />

27,5 % 72,5 % 100 %<br />

21 69 90<br />

23,3 % 76,7 % 100 %<br />

Die Unterschiede zwischen der Gesamtsuchtgruppe und der Kontrollgruppe sind mit<br />

χ 2 (1, N = 135) = 9,802; p < .002 hoch signifikant.<br />

Die gezeigten Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen sind ebenfalls<br />

signifikant (χ 2 (3 N = 135) = 14,384; p < .002). Dabei fällt auf, dass die Gruppe der<br />

Alkoholabhängigen mit Beigebrauch prozentual die höchste Rate (40 %) (n = 4) der<br />

Personen aufweist, die die Kriterien einer PTBS nach DSM-IV erfüllen. Gefolgt von<br />

der Gruppe der Polytoxikomanen mit 27,5 % (n = 11) und der ausschließlich<br />

Alkoholabhängigen mit 15 %-Rate. Die Kontrollgruppe weist mit 2,2 % (n = 1)<br />

erwartungsgemäß die niedrigste Anzahl an Personen auf, die die Kriterien einer<br />

PTBS nach DSM-IV erfüllen.


IV. Ergebnisse 101<br />

17.2 Unterschiedliche traumatische Ereignisse<br />

Im PDS-Fragebogen sind 11 Kategorien von traumatischen Ereignissen vorgegeben<br />

und eine freie Beschreibung möglich. Die folgende Tabelle 12 gibt einen Überblick<br />

über Gruppengröße, Mittelwert und Standardabweichungen der Anzahl, der mit<br />

zutreffend bewerteten vorgegebenen „Trauma-Kategorien“ pro Gruppe.<br />

Tabelle 12: Gruppengröße, Mittelwert und Standartabweichungen der Anzahl,<br />

der mit zutreffend bewerteten „Trauma-Kategorien“ der PDS pro Gruppe<br />

N Mittelwert SD Minimum Maximum<br />

Kontrollgruppe 44 1,0 1,012 0 4<br />

Alkohol 40 2,4 2,146 0 11<br />

Alkohol mit<br />

Beigebrauch<br />

10 3,4 1,897 1 6<br />

Polytoxikomane 39 3,8 1,876 0 7<br />

Gesamtsuchtgruppe 89 3,1 2,095 0 11<br />

Die Personen der Kontrollgruppe gaben im Durchschnitt eine Kategorie als<br />

zutreffend an. Die Personen der Alkoholgruppe gaben im Mittel 2,4, die Personen<br />

der Alkoholgruppe mit Beigebrauch 3,4 und die Polytoxikomanen gaben<br />

durchschnittlich 3,8 Kategorien als zutreffend an. Die Suchtgruppe gesamt gesehen<br />

gab durchschnittlich 3,1 Kategorien als gegeben an.<br />

Bei der Durchführung der einfaktoriellen Varianzanalyse wurden die Unterschiede<br />

zwischen den Gruppen mit F (3) = 19,289; p = < .001 höchst signifikant. Der sich<br />

anschließende Bonferoni-Test ergab zwischen der Kontrollgruppe und allen anderen<br />

Subgruppen hoch signifikante Unterschiede (Alkohol p < .002; Alkohol mit<br />

Beigebrauch p < .001; Polytoxikomane p < .001). Die Alkoholsubgruppe<br />

unterscheidet sich zudem noch hoch signifikant von der Gruppe der<br />

Polytoxikomanen (p < .002).<br />

Ein t-Test ergab höchst signifikante Unterschiede zwischen der Kontrollgruppe und<br />

der Gesamtsuchtgruppe (t (131) = -7,924; p < .001).


IV. Ergebnisse 102<br />

17.3 Spezifische traumatische Erfahrungen<br />

Die folgende Tabelle 13 gibt einen Überblick über die prozentuale Verteilung der im<br />

PDS angegebenen erfahrenen traumatischen Ereignisse, die entweder selbst oder als<br />

Zeuge erlebt wurden.<br />

Tabelle 13: Verteilung der im PDS angegebenen erfahrenen<br />

traumatischen Ereignisse, n, %, pro Gruppe; Signifikanzniveau<br />

Ereigniskategorie<br />

Sucht<br />

KG<br />

Signifikanz<br />

n = 90<br />

n = 45<br />

Schwerer Unfall, Feuer oder Explosion<br />

(z.B. Arbeitsunfall, Unfall in der<br />

Landwirtschaft, Autounfall, Flugzeugoder<br />

Schiffsunglück)<br />

46<br />

51,1 %<br />

17<br />

37,8 %<br />

χ 2 (1, N = 135) =2,143; p < .143<br />

n.s.<br />

Naturkatastrophe (z.B. Wirbelsturm,<br />

Orkan, Flutkatastrophe, schweres<br />

Erdbeben)<br />

13<br />

14,4 %<br />

2<br />

4,4 %<br />

χ 2 (1, N = 135) = 3,038; p < .081<br />

Gewalttätiger Angriff durch jemanden aus<br />

dem Familien- oder Bekanntenkreis (z.B.<br />

körperlich angegriffen, ausgeraubt,<br />

angeschossen oder mit einer Schusswaffe<br />

bedroht werden, Stichverletzung zugefügt<br />

bekommen)<br />

10<br />

43,3 %<br />

4<br />

8,9 %<br />

χ 2 (1, N = 135) = 16,397; p < .001<br />

Gewalttätiger Angriff durch fremde Person<br />

(z.B. körperlich angegriffen, ausgeraubt,<br />

angeschossen oder mit einer Schusswaffe<br />

bedroht werden, Stichverletzung zugefügt<br />

bekommen)<br />

54<br />

60,0 %<br />

6<br />

13,3 %<br />

χ 2 (1, N = 135) = 26,460; p < .001<br />

Sexueller Angriff durch jemanden aus dem<br />

Familien- oder Bekanntenkreis (z.B.<br />

Vergewaltigung, versuchte<br />

Vergewaltigung)<br />

10<br />

11,1 %<br />

1<br />

2,2 %<br />

χ 2 (1, N = 135) =3,167; p < .075<br />

Sexueller Angriff durch fremde Person<br />

(z.B. Vergewaltigung, versuchte<br />

Vergewaltigung)<br />

Kampfeinsatz im Krieg oder Aufenthalt im<br />

Kriegsgebiet<br />

Sexueller Kontakt im Alter von unter 18<br />

Jahren mit einer Person, die mindestens 5<br />

Jahre älter war (z.B. Kontakt mit<br />

Genitalien oder Brüsten)<br />

Gefangenschaft (z.B. Strafgefangener,<br />

Kriegsgefangener, Geißel)<br />

9<br />

10,0 %<br />

3<br />

3,3 %<br />

23<br />

25,6 %<br />

33<br />

36,7 %<br />

0 χ 2 (1, N = 135) = 4,821; p < .028<br />

χ 2 (1, N = 135) = 1,534; p < .215<br />

0<br />

n.s.<br />

2<br />

χ 2 (1, N = 135) = 8,861; p < .003<br />

4,4 %<br />

0 χ 2 (1, N = 135) = 21,838; p < .001


IV. Ergebnisse 103<br />

Folter<br />

5<br />

5,6 %<br />

0<br />

χ 2 (1, N = 135) = 2,596; p < .107<br />

n.s<br />

Lebensbedrohliche Krankheit<br />

65<br />

72,2 %<br />

38<br />

84,4 %<br />

χ 2 (1, N = 135) = 2,478; p < .115<br />

n.s.<br />

Anderes traumatisches Ereignis<br />

20<br />

22,2 %<br />

5<br />

11,4 %<br />

χ 2 (1, N = 135) = 2,882; p < .237<br />

n.s.<br />

Kein traumatisches Ereignis angegeben<br />

9<br />

9,9 %<br />

17<br />

37,4 %<br />

Wie der Tabelle 13 zu entnehmen ist, zeigte sich in der Gegenüberstellung von der<br />

Gesamtsuchtgruppe und der Kontrollgruppe bzgl. der erfahrenen traumatischen<br />

Ereignisse folgende Kategorien anhand eines χ 2 - Tests signifikante Unterschiede:<br />

- Gewalttätiger Angriff durch jemanden aus dem Familien- oder<br />

Bekanntenkreis (z.B. körperlich angegriffen, ausgeraubt, angeschossen oder<br />

mit einer Schusswaffe bedroht werden, Stichverletzung zugefügt bekommen)<br />

(χ 2 (1, N = 135) = 16,397; p < .001)<br />

- Gewalttätiger Angriff durch fremde Person (z.B. körperlich angegriffen,<br />

ausgeraubt, angeschossen oder mit einer Schusswaffe bedroht werden,<br />

Stichverletzung zugefügt bekommen) (χ 2 (1, N = 135) = 26,460; p < .001)<br />

- Gefangenschaft (z.B. Strafgefangener, Kriegsgefangener, Geißel) (χ 2 (1, N = 135)<br />

= 21,838; p < .001)<br />

- Sexueller Kontakt im Alter von unter 18 Jahren mit einer Person, die<br />

mindestens 5 Jahre älter war (z.B. Kontakt mit Genitalien oder Brüsten) (χ 2 (1,<br />

N = 135) = 8,861; p < .003)<br />

- Sexueller Angriff durch fremde Person (z.B. Vergewaltigung, versuchte<br />

Vergewaltigung) (χ 2 (1, N = 135) = 4,821; p < .028)<br />

- Sexueller Angriff durch jemanden aus dem Familien- oder Bekanntenkreis<br />

(z.B. Vergewaltigung, versuchte Vergewaltigung) (χ 2 (1, N = 135) = 3,167;<br />

p < .075)<br />

- Naturkatastrophe (z.B. Wirbelsturm, Orkan, Flutkatastrophe, schweres<br />

Erdbeben) (χ 2 (1, N = 135) = 3,038; p < .081)


IV. Ergebnisse 104<br />

Nicht signifikant wurden die Unterschiede in folgenden Kategorien:<br />

- Schwerer Unfall, Feuer oder Explosion (z.B. Arbeitsunfall, Unfall in der<br />

Landwirtschaft, Autounfall, Flugzeug- oder Schiffsunglück)<br />

- Kampfeinsatz im Krieg oder Aufenthalt im Kriegsgebiet<br />

- Folter<br />

- Lebensbedrohliche Krankheit<br />

- Anderes traumatisches Ereignis<br />

17.4 Intrusionen, Vermeidung und Erregung<br />

Um zu überprüfen, ob sich die Subgruppen im Schweregrad der Symptombereiche<br />

Intrusionen, Vermeidung bzw. emotionale Taubheit und Übererregung unterscheiden<br />

wurden Mittelwertsanalysen mittels einer MANOVA durchgeführt. In diese Analyse<br />

sind nur Personen eingeflossen, die unabhängig von der Erfüllung der Kriterien einer<br />

PTBS ein belastendes Ereignis angegeben haben.<br />

Tabelle 15: Mittelwerte (und Standardabweichungen) der Intrusionen,<br />

Vermeidung und Erregung<br />

Alkohol<br />

n = 31<br />

Intrusionen 0,6968<br />

(0,8097)<br />

Vermeidung 0,5853<br />

(0,6220)<br />

Erregung 0,9097<br />

(0,7997)<br />

Alk mit<br />

Beigeb.<br />

n = 10<br />

0,9400<br />

(0,9143)<br />

0,9571<br />

(0,8833)<br />

1,5000<br />

(0,6128)<br />

Polytoxikomane<br />

n = 38<br />

0,7776<br />

(0,8270)<br />

0,7206<br />

(0,7314)<br />

1,1250<br />

(0,9670)<br />

KG<br />

n = 27<br />

0,1556<br />

(0,2242)<br />

0,2116<br />

(0,4310)<br />

0,2667<br />

(0,4311)<br />

Sucht<br />

gesamt<br />

n = 79<br />

0,7665<br />

(0,8241)<br />

0,6974<br />

(0,7117)<br />

1,0880<br />

(0,8763)<br />

In einer MANOVA mit den festen Faktoren „Gesamtsuchtgruppe“ und<br />

„Kontrollgruppe“ und den abhängigen Variablen „Intrusion“, „Vermeidung“ und<br />

„Erregung“ zeigte der Pillai-Spur Test höchst signifikante Unterschiede F (3, 102) =<br />

7,752; p < .001 Bei der Testung der Zwischensubjekteffekte erwiesen sich alle<br />

Mittelwerte der Suchtgruppe höchst signifikant höher als die der Kontrollgruppe, mit<br />

F (3) = 14,389; p < .001 für Intrusion, mit F (3) = 11,137; p < .001 für Vermeidung und<br />

mit F (3) = 21,525; p < .001 für Erregung.<br />

Bei genauerer Differenzierung der Suchtgruppe in die Unterteilung (feste Faktoren)<br />

„Alkohol“, „Alkohol mit Beigebrauch“ sowie „Polytoxikomane“ und der


IV. Ergebnisse 105<br />

Kontrollgruppe zeigte in der MANOVA zunächst der Pillai-Spur Test höchst<br />

signifikante Unterschiede mit F (9, 100) = 2,774; p < .001 an. Der sich anschließende<br />

Bonferoni-Test zeigte folgende bedeutsame Unterschiede an:<br />

• Auf der Skala Intrusion<br />

- jeweils zwischen der Kontrollgruppe und den Subgruppen Alkohol<br />

(p < .034), Alkohol mit Beigebrauch (p < .026) und der Gruppe der<br />

Polytoxikomanen (p < .006).<br />

• Auf der Skala Vermeidung<br />

- jeweils zwischen der Kontrollgruppe und den Subgruppen Alkohol mit<br />

Beigebrauch (p < .015) und der Gruppe der Polytoxikomanen (p < .015).<br />

• Auf der Skala Erregung<br />

- jeweils zwischen der Kontrollgruppe und den Subgruppen Alkohol<br />

(p < .014), Alkohol mit Beigebrauch (p < .001) und der Gruppe der<br />

Polytoxikomanen (p < .001).<br />

Rein deskriptiv zeigt die Gruppe der Alkoholabhängigen mit Beigebrauch in allen<br />

Symptomgruppen die höchsten Werte, gefolgt von der Gruppe der Polytoxikomane<br />

und der reinen Alkoholgruppe. Die Mittelwerte der drei Skalen zwischen den<br />

einzelnen Subsuchtgruppen erwiesen sich aber im Bonferoni-Test als nicht statistisch<br />

signifikant.


V. Diskussion 106<br />

V. Diskussion<br />

Im Folgenden sollen die Ergebnisse dieser Untersuchung kritisch diskutiert und in<br />

den aktuellen Forschungskontext eingeordnet werden. Die Gliederung des nun<br />

folgenden Diskussionskapitels ergibt sich analog zur Chronologie des Ergebnis-<br />

Kapitels (IV).<br />

18. Personengebundene Störvariable<br />

Um Aussagen über die Äquivalenz der soziodemographischen Merkmale zwischen<br />

der Suchtgruppe und der Kontrollgruppe machen zu können, wurden die Gruppen<br />

bezüglich der Variablen „Alter“, „Familienstand“, „z.Zt. in Partnerschaft“<br />

„Schulbildung“ und „Berufstätigkeit“ verglichen.<br />

Für alle genannten Variablen ergab sich ein signifikanter Gruppeneffekt, lediglich im<br />

Vergleich zwischen der Gesamtsuchtgruppe und der Kontrollgruppe gab es keinen<br />

signifikanten Unterschied im Hinblick auf das Alter, die Gruppen werden deshalb<br />

diesbezüglich als vergleichbar angesehen.<br />

Für die personengebundenen Variablen „Familienstand“, „Partnerschaft“,<br />

„Schulbildung“ und „Berufstätigkeit“ zeigten sich jedoch signifikante Unterschiede<br />

in der Zusammensetzung der Gruppen. Diese Unterschiede waren derart, dass die<br />

Personen der Kontrollgruppe mit rund 84 % in einer festen Partnerschaft leben, die<br />

Personen der Suchtgruppe jedoch nur zu rund 48 %, d.h. es leben mehr als die Hälfte<br />

aller Personen der Suchtgruppe in keiner festen Partnerschaft. In der Kontrollgruppe<br />

gaben annähernd zwei Drittel der Personen an, verheiratet zu sein oder in einer<br />

eheähnlichen Gemeinschaft zu leben, im Gegensatz zur Suchtgruppe, wo nicht<br />

einmal ein Viertel der Personen angaben, verheiratet zu sein oder in einer<br />

eheähnlichen Gemeinschaft zu leben. Zudem war in der Suchtgruppe im Hinblick auf<br />

Ehescheidungen das Verhältnis umgekehrt, hier gaben in der Suchtgruppe 13,3 % an<br />

geschieden zu sein und 2,2 % in der Kontrollgruppe.<br />

Auch bezüglich der Variable „Erwerbsarbeit“ unterscheiden sich die Gruppen. In der<br />

Suchtgruppe gaben rund 51 % an erwerbslos zu sein, in der Kontrollgruppe hingegen<br />

nur rund 2 %. Ebenso gibt es signifikante Effekte bezüglich der Variable „höchster<br />

Bildungsabschluss“.


V. Diskussion 107<br />

Es zeigt sich in dieser Studie die hinlänglich bekannte allgemeine Schwierigkeit, bei<br />

klinischen Studien hinsichtlich der soziodemographischer Merkmale äquivalente<br />

Kontrollgruppen zu finden. Auf dieses Problem wird in der Literatur immer wieder<br />

hingewiesen und es bestätigt sich auch in dieser Untersuchung, dass psychiatrische<br />

Stichgruppen vermehrt einen geringeren sozioökonomischen Status, hinsichtlich<br />

Bildung, Erwerbsarbeit/Einkommen und sozialer Eingebundenheit aufweisen als<br />

unselektierte Stichgruppen aus der Gesamtpopulation. Kritisch muss angemerkt<br />

werden, dass dieser geringere sozioökonomische Status schon für sich ein vermehrtes<br />

Risiko darstellt, eine psychische/psychiatrische Auffälligkeit zu entwickeln. Eine in<br />

allen demographischen Merkmalen der Suchtgruppe äquivalente Kontrollgruppe zu<br />

bilden, ohne den relativ großen Umfang der Subsuchtgruppen einzubüssen,<br />

überstiege jedoch den Rahmen dieser Arbeit.


V. Diskussion 108<br />

19. Interpretation und Diskussion der Ergebnisse des Fragebogens zum<br />

Persönlichkeitsselbstportraits<br />

In der aktuellen Literatur zu stoffgebundenen Abhängigkeitserkrankungen und<br />

Persönlichkeitsstörungen gibt es zahlreiche empirische Untersuchungen, die zeigen,<br />

dass psychische Störungen und Substanzabhängigkeit gehäuft komorbid auftreten.<br />

Die erste Hypothese dieser Untersuchung postulierte eine extremere Ausprägung auf<br />

den 12 erhobenen Persönlichkeitsskalen des FPPs in der Suchtgruppe als in der nicht<br />

abhängigen und nicht konsumierenden Kontrollgruppe. Oldham und Morris fassen<br />

eine höhere Stilausprägung als Tendenzen zu Persönlichkeitsstörungen auf, die sich<br />

in unflexiblerem Verhalten in den sechs Schlüsselbereichen des Lebens (Kap. 13.4)<br />

zeigen.<br />

Diese erste Hypothese konnte gemäß der Theorie bestätigt werden, die Auswertung<br />

des FPPs ergab eine höhere Ausprägung der Mittelwerte über alle einzelnen Stile in<br />

der Gesamtsuchtgruppe, mit Ausnahme der Skala „gewissenhaft“, auf der sich die<br />

Mittelwerte nicht signifikant unterschieden. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam<br />

Reinert (2005). Warum sich die Gruppen gerade und nur in der Skala „gewissenhaft“<br />

nicht unterscheiden bedarf weiterer Forschung.<br />

Bei der Interpretation von Mittelwerten ist generell zu beachten, dass allein aufgrund<br />

der durchgeführten MANOVA noch keine Aussage darüber getroffen werden kann,<br />

ob bei einzelnen Personen Stile so stark ausgeprägt sind, dass von einer Störung<br />

gesprochen werden kann. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der FPP im engeren<br />

Sinne nicht zur Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen entwickelt wurde. Bei<br />

genauerer Analyse der Rohwerte zu der Skala „gewissenhaft“, die in extremerer<br />

Ausprägung eine Persönlichkeitstörung (Zwang) darstellt, fällt jedoch auf, dass der<br />

von Schöttke (2007; mündliche Mitteilung) für solch eine zwanghafte<br />

Persönlichkeitsstörung postulierte Cut-off-Wert von keiner Person der<br />

Kontrollgruppe, aber von 5 Personen der Suchtgruppe überschritten wurde.<br />

Nach Dilling et al. (2005) umfassen die spezifischen Persönlichkeitsstörungen „tief<br />

verwurzelte, anhaltende Verhaltensmuster, die sich in starren Reaktionen auf<br />

unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigen“ (S. 255). Auch<br />

Oldham und Morris (1992a) sehen eine höhere Stilausprägung einhergehend mit<br />

unflexibleres Verhalten in den sechs von ihnen postulierten Schlüsselbereichen des<br />

Lebens (vgl. Kap. 13.4). Solche starren Reaktionen und unflexibles Verhalten in<br />

persönlichen und sozialen Lebenslagen lassen sich auch mit einer Substanzstörung


V. Diskussion 109<br />

erklären, bei der zunehmend das Suchtmittel im Fokus der Aufmerksamkeit steht und<br />

als vornehmlicher Bewältigungsversuch fungiert (vgl. Kap. 1.4).<br />

Oldham und Morris (1992a) postulieren aufgrund klinischer Beobachtung, dass die<br />

Personen mit extremerer Ausprägung des „abenteuerlichen“, des „sprunghaften“ und<br />

des „lässigen“ Persönlichkeitsstils besonders gefährdet seien, eine Substanzstörung<br />

zu entwickeln. Auch in dieser Untersuchung zeigten sich hoch signifikant höhere<br />

mittlere Stilausprägungen dieser drei Stile in der Gesamtsuchtgruppe als in der<br />

Kontrollgruppe. Ebenso bestätigte sich auch die zweite Hypothese dieser<br />

Untersuchung, die insbesondere für den „abenteuerlichen“ (antisozialen) und<br />

„sprunghaften“ (Borderline-) Persönlichkeitsstil signifikante Unterschiede erwartete.<br />

Diese Untersuchung scheint somit, vorsichtig interpretiert, die Tendenz zu<br />

bestätigen, dass Personen, die die Kriterien einer Borderline-Persönlichkeitsstörung<br />

oder die einer antisozialen Persönlichkeitsstörung erfüllen, ein vermehrtes Risiko<br />

haben, eine Substanzabhängigkeit zu entwickeln (vgl. Kap. 9.1 und Kap. 9.2).<br />

Für die Ätiologie der Borderline-Persönlichkeitsstörung wird in der aktuellen<br />

Forschungsliteratur u.a. vermehrte traumatische Erfahrungen angeführt. Die<br />

Substanzabhängigkeit könnte in diesem Kontext als Affektabwehr (Wurmser, 1983)<br />

oder als Selbstmedikation (Khantzian 1997) angesehen werden (vgl. Kap. 1.4.5 und<br />

Kap. 10.3.1).<br />

Im Hinblick auf den abenteuerlichen (antisozialen) Stil und Substanzstörung bleibt<br />

festzuhalten, dass schon der Konsum illegaler Drogen ein deviantes Verhalten<br />

darstellt. Die Finanzierung und Beschaffung dieser illegalen Drogen erfolgt häufig<br />

durch kriminelles und schon per definitionem antisoziales Verhalten. Die große Zahl<br />

der Personen mit Gefängniserfahrung (siehe Tab. 13) in der Gruppe der<br />

Polytoxikomanen spiegelt diesen Sachverhalt wider.<br />

Personen, die die Kriterien einer antisozialen Persönlichkeitsstörung erfüllen,<br />

berichten gehäuft von (kindlichen) traumatischen Gewalterfahrungen in der Familie.<br />

So könnte auch hier der Substanzkonsum als ein Selbstmedikationsversuch<br />

verstanden werden.<br />

Die signifikanten Unterschiede zwischen der Gesamtsuchtgruppe und der<br />

Kontrollgruppe auf der Skala „wachsam“ (paranoid) können dahingehend erklärt<br />

werden, dass eine vermehrte Wachsamkeit und paranoide Gedanken mit einer<br />

erhöhten Ängstlichkeit und Unruhe einhergehen, die mit dem Suchtmittel<br />

eingedämmt werden sollen (vgl. Khantzian, 1997). Die höchst signifikanten


V. Diskussion 110<br />

Häufigkeitsunterschiede bezüglich eines Verdachts auf einer paranoiden<br />

Persönlichkeitsstörung (siehe Tabelle 4), gemessen am Überschreiten des Cut-off-<br />

Werts (Schöttke, 2007; persönl. Mitteilung) scheinen diese Erklärung zu belegen,<br />

wenngleich die Ergebnisse unter Vorbehalt stehen, da die Cut-off-Werte noch nicht<br />

abschließend validiert wurden.<br />

Für die höhere Ausprägung in der Suchtgruppe auf der Skala „ungesellig“ (schizoid)<br />

kann angenommen werden, dass das Suchtmittel die Funktion der<br />

Beziehungsvermeidung einnimmt (siehe Kap. 7.2).<br />

Die signifikanten Gruppenunterschiede im exzentrischen (schizotypischen),<br />

dramatischen (histrionischen), selbstbewussten (narzisstischen) Persönlichkeitsstils<br />

lassen sich mit kompensatorischem Suchtverhalten erklären. Die Person fühlt sich in<br />

ihrer Bedeutung von anderen verkannt. Der Konsum stellt somit auch ein<br />

Selbstheilungsversuch dar.<br />

Für die signifikant höheren Ausprägungen im sensiblen (selbstunsicheren) und<br />

abhängigen (dependenten) Persönlichkeitsstil der Suchtgruppe lässt sich zum einen<br />

die Selbstachtungstheorie von Kaplan (1983) heranziehen. Personen mit diesen<br />

extremen Ausprägungen brauchen andere (abhängiger Persönlichkeitsstil) um<br />

Verantwortung zu übernehmen oder sie vermeiden z.B. berufliche Aktivitäten<br />

(selbstunsicherer Stil) aus Angst vor Kritik. Sie verfügen über nur ein geringes<br />

Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen und sind vermehrt von Anerkennung anderer<br />

abhängig. Sie erfahren über den Konsum von Alkohol oder Drogen in<br />

konsumierenden Gruppen ein sicherheitsvermittelndes Zusammengehörigkeitsgefühl<br />

und können sich zugleich von diesen schlechter abgrenzen. Zum anderen kann auch<br />

hier die Selbstmedikationshypothese von Khantzian (1997) herangezogen werden.<br />

Fehlen solche Sicherheit vermittelnden Andere, können die unangenehmen Gefühle<br />

durch das Suchtmittel behoben werden.<br />

Millon und Davis (1996) sehen Interaktionsstörungen als einen grundlegenden<br />

Faktor einer Persönlichkeitsstörung an. Zahlreiche Autoren (vgl. Tretter & Müller,<br />

2001 und Kap. 1.4.5.1) konstatieren „Selbstwert-Regulationskrisen“ vor dem<br />

Hintergrund eines Abhängigkeits-Autonomiekonfliktes bei suchtkranken Menschen,<br />

die sich in Beziehungsstörungen ausdrücken. Auch vor diesem Hintergrund waren<br />

größere Ausprägungen über alle Stile zu erwarten.<br />

In dieser Erhebung zeigten sich nicht nur die Mittelwerte aller Persönlichkeitsstile<br />

der Gesamtsuchtgruppe gegenüber der Kontrollgruppe signifikant erhöht. Erste


V. Diskussion 111<br />

Ergebnisse mit den zu dem FPP noch in der Entwicklungsphase befindenden Cut-<br />

Off-Werten, die die Grenze vom Persönlichkeitsstil zur Persönlichkeitsstörung<br />

markieren (Schöttke, 2007; persönliche Mitteilung) weisen auf eine 50 %- Rate<br />

komorbider Persönlichkeitsstörungen in der Suchtpopulation hin. Dabei handelt es<br />

sich um „Verdachtsdiagnosen“, die z.B. mit dem SKID II zu überprüfen sind. In<br />

diesem Feld ist weitere Forschung notwendig.


V. Diskussion 112<br />

20. Interpretation und Diskussion der Ergebnisse zu den<br />

Bindungsspezifischen Bindungsskalen für Erwachsene<br />

20.1 Dauer der Partnerschaft<br />

Die mittlere Partnerschaftsdauer bei bestehenden Partnerschaften ist in der<br />

Gesamtsuchtgruppe mit einem Unterschied von mehr als 6 Jahren signifikant<br />

geringer als in der Kontrollgruppe (bei gleichem mittlerem Lebensalter). Dies könnte<br />

damit erklärt werden, dass die Partnerschaften der Suchtgruppe neben schlechteren<br />

sozioökonomischen Vorraussetzungen aufgrund der Sucht stärker belastet sind und<br />

aufgrund dessen nicht in dem Maße Bestand haben, wie die Partnerschaften der<br />

Kontrollgruppe. Auffällig ist auch, dass bei aufgeschlüsselter Betrachtung der<br />

einzelnen Suchtgruppen die Dauer der bestehenden Partnerschaften proportional zu<br />

der Schwere der Abhängigkeit, gemessen an dem Suchtpotential des Suchtmittels,<br />

abnimmt. Die im Mittel längsten Partnerschaften weisen die Personen der<br />

Kontrollgruppe auf, gefolgt von der Gruppe der Alkoholabhängigen und gefolgt von<br />

den Alkoholabhängigen mit Beigebrauch. Die im Mittel kürzeste Zeit bestehen die<br />

Partnerschaften in der Gruppe der Polytoxikomanen, die das größte Suchtpotential<br />

aufweist. Zu beachten ist, dass aufgrund unterschiedlicher Stichprobenumfänge<br />

statistisch hierbei nur die Unterschiede zwischen der Gesamtsuchtgruppe und der<br />

Kontrollgruppe, zwischen der Kontrollgruppe und der Gruppe der Polytoxikomanen<br />

und zwischen der Alkoholgruppe und der Gruppe der Polytoxikomanen signifikant<br />

wurden.<br />

Standen die Personen zum Zeitpunkt der Datenerhebung in keiner festen<br />

Partnerschaft, konnten bezüglich der Dauer der letzten bestehenden Partnerschaft<br />

zwischen der Gesamtsuchtgruppe und der Kontrollgruppe keine signifikanten<br />

Unterschiede ausgemacht werden. Das Fehlen einer festen Partnerschaft ließe sich<br />

unabhängig einer Substanzstörung mit Defiziten in der Beziehungsaufnahme<br />

erklären, die z.B. durch einen unsicheren Bindungsstil begünstigt werden.<br />

20.2 Mittelwertvergleiche und Gruppenunterschiede der Bindungsskalen<br />

In den letzten Jahren hat in der Forschungsliteratur die Bindungstheorie zunehmend<br />

Beachtung gefunden. Es werden Zusammenhänge zwischen stabilen und<br />

angemessenen (frühkindlichen) Beziehungserfahrungen und einer sicheren Bindung<br />

mit einer gefestigten Persönlichkeitsbildung und psychosozialer Gesundheit vermutet<br />

(siehe Kap.4).


V. Diskussion 113<br />

In dieser Untersuchung wurden vermehrt unsicher gebundene in der Suchtgruppe<br />

erwartet. Die Mittelwertsvergleiche der Beziehungsspezifischen Bindungsskalen<br />

erbrachten im Post-Hoc-Test in der Bindung zur Mutter zwischen der sicherer<br />

gebundenen Kontrollgruppe und der auf der Dimension „sicher-ängstlich“ geringer<br />

ausgeprägten sicheren Bindung der Subsuchtgruppe der Alkoholabhängigen mit<br />

Beigebrauch einen signifikanten Unterschied. Ebenfalls unterschieden sich<br />

signifikant die Subsuchtgruppe „Alkohol“, die sicherer gebunden war, und die<br />

Subsuchtgruppe „Alkohol mit Beigebrauch“. Ebenfalls gab es einen signifikanten<br />

Unterschied zwischen der Subsuchtgruppe der Polytoxikomanen, die sicherer<br />

gebunden war als die Subsuchtgruppe „Alkohol mit Beigebrauch“. Es ist auffällig,<br />

dass die Gruppe der Alkoholabhängigen mit Beigebrauch die auf der Dimension<br />

„sicher-ängstlich“ im Bezug zur Mutter geringsten Werte (2,8) aufweist und damit<br />

auf dieser Dimension eine mittlere Position einnimmt, im Unterschied zu allen<br />

anderen Subgruppen, die eher dem sicheren Pol dieser Dimension zuzuordnen sind.<br />

Auf der Dimension „abhängig-unabhängig“ in der Bindung zur Mutter zeigte sich<br />

nur ein signifikanter Unterschied zwischen der Kontrollgruppe und der<br />

Subsuchtgruppe der Polytoxikomanen. Die Kontrollgruppe ist somit bei einem Wert<br />

von rund 1,5 noch ein wenig unabhängiger von der Mutter ist als die Gruppe der<br />

Polytoxikomanen. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Personen der<br />

Kontrollgruppe abgelöster von der Mutter sind – bedenkt man, dass mehr als 60 % in<br />

der Kontrollgruppe verheiratet oder in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben. In der<br />

Gruppe der Polytoxikomanen finden sich hier lediglich rund 18 %.<br />

Die Erfassung der beiden Bindungsdimensionen im Bezug zum Partner ergab in der<br />

MANOVA keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen.<br />

Diese – wenn überhaupt – nur gering vorhandenen Unterschiede waren nicht<br />

vermutet worden und überraschen (siehe Kap. 7.1). Zwar zeigte nominal die nicht<br />

konsumierende Kontrollgruppe jeweils den höchsten Wert bezüglich einer sicheren<br />

Bindung sowohl im Bezug zur Mutter als auch zum Partner, doch sind die<br />

Unterschiede nicht bedeutsam. Auch die Suchtgruppen zeigen mit Ausnahme der<br />

Subsuchtgruppe „Alkohol mit Beigebrauch“ in der Bindung zur Mutter eine im<br />

Mittel sichere Bindung.<br />

Diese Ergebnisse decken sich nicht mit den in der Forschungsliteratur vorgefundenen<br />

Ergebnissen, die zumeist von einer deutlich höheren Zahl unsicher gebundener in<br />

klinischen Stichproben berichten. Die dritte Hypothese kann somit in dieser


V. Diskussion 114<br />

Untersuchung nicht bestätigt werden. Die Reliabilitätsberechnungen (siehe Kap.<br />

16.4) der Skala „sicher-ängstlich“ im Bezug zur Mutter ergaben mit α = ,827 und für<br />

die Skala „abhängig-unabhängig“ mit α = ,754 gute Reliabilitätsquotienten, die auch<br />

mit den von Asendorpf et al. (1997) berichteten übereinstimmen. Jedoch können die<br />

Reliabilitätsquotienten der beiden Dimensionen im Hinblick auf den Partner nicht<br />

überzeugen. Es ist kritisch zu hinterfragen, ob das Bindungsverhalten hier präzise<br />

mittels Fragebogenverfahren abgebildet werden konnte. Vielleicht aktiviert solches<br />

theoretische Abfragen in einer Situation, wie im Kapitel 12.3 beschrieben, das<br />

Bindungssystem zu wenig und die Fragen werden eher im Sinne einer sozialen<br />

Erwünschtheit beantwortet. Dann gäben sie eher das Selbstbild des Befragten denn<br />

sein tatsächliches Bindungsverhalten wieder.<br />

20.3 Bindung bei Extrempersönlichkeiten<br />

Um der Frage nachzugehen, ob sich die Personen mit einer stärkeren<br />

Persönlichkeitsstilausprägung hinsichtlich ihrer Bindung von den Personen mit<br />

unauffälliger Stilausprägung unterscheiden, wurden aus allen<br />

Untersuchungsteilnehmern zwei Gruppen gebildet. Die eine Gruppe der<br />

„Extrempersönlichkeiten“ setzte sich aus allen Personen zusammen, die in<br />

mindestens einem Persönlichkeitsstil die von Schöttke (2007; persönl. Mitteilung) in<br />

laufendem Forschungsprojekt entwickelten Cut-off-Werte überschritten haben (für<br />

den aufopfernden und den ungeselligen Stil wurde der Cut-off-Wert 13 beibehalten).<br />

Die andere Gruppe bildeten die Personen, die in keinem Stil diese Werte<br />

überschritten (unauffällig ausgeprägter Persönlichkeitsstil). In der Bindung zur<br />

Mutter zeigten sich die Extrempersönlichkeiten signifikant weniger sicher auf der<br />

Skala „sicher – ängstlich“ und signifikant abhängiger auf der Skala „abhängig -<br />

unabhängig“ als die Gruppe mit dem unauffällig ausgeprägten Persönlichkeitsstil.<br />

Auch in der Bindung zum Partner zeigte sich die Gruppe der unauffällig<br />

ausgeprägten signifikant sicherer als die der Extrempersönlichkeiten. Auf der Skala<br />

„abhängig-unabhängig“ unterschieden sich die Gruppen, allerdings nur nominal,<br />

nicht statistisch signifikant. Diese Ergebnisse decken sich mit dem in der Forschung<br />

gemeinhin berichteten Trend (siehe Kap. 7.1), die vierte Hypothese kann im<br />

Wesentlichen bestätigt werden.


V. Diskussion 115<br />

21. Interpretation und Diskussion der Ergebnisse der Posttraumatischen<br />

Diagnoseskala<br />

Umfassende Störungen der Persönlichkeit zählen zu den gesicherten Langzeitfolgen<br />

gravierender und lang anhaltender Traumatisierungen durch körperliche oder<br />

sexuelle Gewalt (siehe Kap. 8.1). Es wird ein bedeutsamer, aber bislang noch<br />

gemeinhin im Suchthilfesystem vernachlässigter Überlappungsbereich von<br />

Posttraumatischer Belastungsstörung und Substanzabhängigkeit vermutet (siehe<br />

Kap. 9).<br />

21.1 Posttraumatische Belastungsstörung<br />

So zeigten sich in dieser Untersuchung die Raten einer Posttraumatischen<br />

Belastungsstörung im Vergleich zur nicht konsumierenden und nicht an einer<br />

Substanzstörung erkrankten Kontrollgruppe signifikant erhöht. In der<br />

Gesamtsuchtgruppe erfüllten fast ein Viertel aller Personen die Kriterien einer<br />

Posttraumatischen Belastungsstörung nach DSM-IV, im Vergleich dazu waren es in<br />

der Kontrollgruppe lediglich rund 2 %. Es bestätigt sich somit auch die fünfte<br />

Hypothese, die ein signifikant erhöhtes Vorkommen in der Suchtstichprobe erwartet.<br />

Dies ist insofern ein bedeutsames Ergebnis, da bislang in den Suchthilfe-<br />

Einrichtungen diese Tatsache unterschätzt und insofern nicht systematisch erhoben<br />

wird. In Gesprächen mit Psychologen und Ärzten zeigte sich, dass vielerorts keine<br />

systematische Erhebung zum Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung<br />

erfolgt. Das Ergebnis dieser Untersuchung bestätigt den hohen Anteil von Personen<br />

mit Posttraumatischer Belastungsstörungen in Populationen mit Substanzstörungen<br />

und unterstreicht die Notwendigkeit, dieses Faktum mit in die Therapie der<br />

Substanzstörungen einzubeziehen.<br />

Bei differenzierter Betrachtung fällt auf, dass in der Gruppe der Alkoholabhängigen<br />

mit Beigebrauch mit 40 % die höchsten Raten einer PTB aufzufinden sind, gefolgt<br />

von der Gruppe der Polytoxikomanen mit 27,5 % und der Gruppe der<br />

Alkoholabhängigen mit 15 %. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit den von<br />

Teegen und Zumbeck (2000) erhobenen epidemiologischen Daten (siehe Kap. 10.1).<br />

Dieses Ergebnis bestätigt ebenso Befunde, die einen Zusammenhang zwischen einer<br />

Posttraumatischen Belastungsstörung und der Borderline-Persönlichkeitsstörung<br />

postulieren (siehe Kap. 8.1). Die Gruppe der Alkoholabhängigen mit Beigebrauch


V. Diskussion 116<br />

weisen auch auf der Skala „sprunghaft“ (Borderline Persönlichkeitsstörung) des<br />

FPPs die höchsten Absolutwerte über allen Stilen und Subgruppen auf (siehe<br />

Kap.15.1).<br />

21.2 Unterschiedliche traumatische Ereignisse<br />

In dem PDS-Fragebogen sind 11 Kategorien von traumatischen Ereignissen<br />

vorgegeben (siehe Anhang E). Auch hier gab es in der Anzahl der als zutreffend<br />

angekreuzten Kategorien einen signifikanten Unterschied zwischen der<br />

Gesamtsuchtgruppe, die im Mittelwert 3,1 Kategorien als zutreffend ankreuzten, und<br />

der Kontrollgruppe, die im Mittel eine Kategorie als zutreffend ankreuzte. Ebenso<br />

unterschieden sich alle Subgruppen in der mit zutreffend bewerteten Anzahl der<br />

einzelnen „Trauma-Kategorien“ des PDS von der Kontrollgruppe. Zudem zeigte sich<br />

auch ein signifikanter Unterschied zwischen der Alkohol-Gruppe (2,4 Kategorien)<br />

und der Gruppe der Polytoxikomanen (3,8 Kategorien). Wenn man die größere<br />

Anzahl der Kategorien dahingehend wertet, häufiger (unterschiedlichen) Gefahren<br />

ausgesetzt worden zu sein, sind die Personen der Suchtgruppen häufiger in<br />

gefährliche Situationen gekommen, als die Personen der Kontrollgruppe. Dabei ist zu<br />

beachten, dass die Häufigkeitsraten der Gruppe der Polytoxikomanen die der<br />

Alkoholabhängigen übertreffen. Diese Ergebnisse können vorsichtig als Bestätigung<br />

der Risikohypothese von Chilcoat und Breslau (1998) interpretiert werden, die<br />

besagt, dass sich Personen mit Substanzstörungen eher in Situationen begeben, die<br />

die Gefahr, eine traumatische Erfahrung zu machen, erhöhen (siehe Kap. 10.3.2).<br />

21.3 Spezifische traumatische Erfahrungen<br />

Es konnte gezeigt werden, dass in allen Kategorien, mit Ausnahme der Kategorie<br />

„Lebensbedrohliche Krankheit“, die Suchtgruppe zumeist deutlich höhere<br />

Prozentzahlen aufweist als die Kontrollgruppe (vgl. Tab. 13). Beide Gruppen weisen<br />

den höchsten Prozentsatz in der Kategorie „Lebensbedrohliche Krankheit“ auf<br />

(Sucht: 72,2 %; KG: 84,4 %) Dabei geht aus dem verwandten Fragebogen nicht<br />

hervorgeht, ob die Teilnehmer selbst erkrankt waren, oder eine Krankheit anderer<br />

gemeint ist, die sie tangiert hat. Der Fragebogen fragt nach selbst erfahrenen, oder als<br />

Zeuge erlebte Ereignisse. Beide Gruppen weisen ebenso hohe Prozentwerte in der


V. Diskussion 117<br />

Kategorie „schwerer Unfall etc.“ (Sucht: 51,1 %; KG: 37,8 %) auf. Diese<br />

Unterschiede sind jedoch nicht signifikant und scheinen keine gruppenspezifischen<br />

Erfahrungen zu sein. Hoch signifikante Unterschiede zeigten sich in den Kategorien<br />

„Gewalttätiger Angriff durch fremde Person“ (Sucht: 60 %; KG: 13,3 %),<br />

„Gewalttätiger Angriff durch jemanden aus dem Familien- oder Bekanntenkreis“<br />

(Sucht: 43,3 %; KG: 8,9 %) und „Gefangenschaft“ (Sucht: 36,7 %; KG: 0 %). Diese<br />

drei Kategorien scheinen gruppenspezifische traumatische Erfahrungen darzustellen.<br />

Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit der Risikohypothese von Chilcoat und<br />

Breslau (1998). Es zeigt aber auch die Bedeutung des familiären Kontextes für die<br />

Entwicklung und Aufrechterhaltung psychologisch/psychiatrischer Störungen wie<br />

Substanzstörungen, Persönlichkeitsstörungen und Posttraumatischer Belastungsstörungen<br />

auf (siehe Kap. 1.4.4).Es kann somit die sechste Hypothese dieser<br />

Untersuchung als bestätigt angesehen werden, die postuliert, dass spezifische<br />

Traumaerfahrungen in der Suchtgruppe erkennbar sind.<br />

21.4 Intrusionen, Vermeidung und Erregung<br />

Die durchgeführten Analysen bezüglich der Intrusionen, Vermeidung und<br />

psychophysiologische Erregung zeigten höchst signifikant höhere Mittelwerte pro<br />

Symptomgruppe in der Suchtgruppe gegenüber der Kontrollgruppe. Somit konnte<br />

auch die siebte Hypothese bestätigt werden, die erhöhte Werte in der Suchtgruppe<br />

erwartete. Dieses Ergebnis kann mit der Vulnerabilitätshypothese erklärt werden, die<br />

besagt, dass der Substanzkonsum v.a. die Symptome Wiedererleben und erhöhtes<br />

Erregungsniveau verstärkt, indem er eine kognitiv-emotionale Verarbeitung des<br />

belastenden Ereignisses verhindert (siehe Kap. 10.3.3).


VI. Zusammenfassung 118<br />

VI. Zusammenfassung<br />

Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher, oft schulengebundener und unverbunden<br />

nebeneinander stehende Betrachtungsweisen des Suchtverhaltens. Eine einheitliche<br />

konzeptübergreifende Theorie gibt es bislang nicht. Allgemein anerkannt ist, dass die<br />

Substanzabhängigkeit ein nicht lineares multikausales Bedingungsgefüge darstellt.<br />

In dieser Arbeit wurde der Einfluss extremer Persönlichkeitsstile, des<br />

Bindungsverhaltens und traumatischer Erfahrungen, die das Bewältigungsvermögen<br />

einzelner übersteigen, auf die Manifestation einer Substanzabhängigkeit diskutiert.<br />

In biologischen Theorien sind Persönlichkeitsstörungen u.a. von genetischen<br />

Faktoren, insbesondere Temperamente (i.S. von Verhaltensdispositionen), aber auch<br />

Umweltfaktoren und sozialem Lernen beeinflusst. In neueren Theorien wird der<br />

biosoziale Aspekt i.S. eines Misfits von biologischer Ausstattung und<br />

Umweltbedingungen, der sich in interpersonellen Interaktionen manifestiert, betont.<br />

(Früh-)kindliche Interaktionserfahrungen determinieren auch im Wesentlichen die<br />

Bindung des Kindes zu seinen primären Bezugspersonen und haben einen starken<br />

Einfluss auf die Selbst- und Weltsicht. Eine sichere Bindung zeigt sich unspezifisch<br />

protektiv vor psychischen Krankheiten. In klinisch auffälligen Stichproben finden<br />

sich vermehrt unsicher Gebundene.<br />

Ebenso zählen umfassende Störungen der Persönlichkeit zu den gesicherten<br />

Langzeitfolgen gravierender und lang anhaltender Traumatisierungen durch<br />

körperliche oder sexuelle Gewalt. Die Wahrscheinlichkeit, an einer<br />

Persönlichkeitsstörung zu erkranken, ist signifikant erhöht, wenn in der<br />

Vorgeschichte Gewalt oder sexuelle Übergriffe berichtet wurden.<br />

Aufgrund hoher Komorbiditätsraten von Persönlichkeitsstörungen, Posttraumatischer<br />

Belastungsstörungen und unsicherer Bindung mit Substanzstörungen wird zwischen<br />

diesen Faktoren ein multikausaler Zusammenhang vermutet. Als die in diesem<br />

Zusammenhang meistgenannten Theorien sind neben dem Diathese-Stress-Modell<br />

die Selbstmedikationstheorie (Khantzian, 1997), die Selbstachtungstheorie von<br />

Kaplan (1983) und die Vulnerabilitätstheorie (Kushner et al., 1990) zu nennen.<br />

Gesicherte empirische Beweise der Kausalbeziehung stehen jedoch noch immer aus.<br />

Ungeachtet dessen sind diese Faktoren von immenser Bedeutung für das Verständnis<br />

und die Therapie von Substanzstörungen. Die Ergebnisse der vorliegenden


VI. Zusammenfassung 119<br />

Untersuchung, die die einzelnen Subgruppen bezüglich ihrer Persönlichkeitsstile,<br />

Bindung und traumatischer Erfahrungen verglich, unterstreichen ebenfalls die große<br />

Bedeutung der Persönlichkeitsstörungen und Posttraumatischer Belastungsstörungen<br />

in der Suchtpopulation.<br />

Die untersuchte Suchtgruppe teilte sich in ausschließlich Alkoholabhängige,<br />

Alkoholabhängige mit Beigebrauch und eine Gruppe mit polyvalentem<br />

Substanzkonsum und wurde einer nicht substanzabhängigen Kontrollgruppe<br />

gegenübergestellt.<br />

Es wurde angenommen, dass im Vergleich zur Kontrollgruppe in der<br />

Suchtpopulation extremere Persönlichkeitsstilausprägungen bestehen, sich die<br />

Suchtgruppe aufgrund unsicherer Bindung von der Kontrollgruppe unterscheidet und<br />

im Vergleich zur Kontrollgruppe höhere Raten von Posttraumatischen<br />

Belastungsstörungen und damit einhergehend höhere Werte von Intrusionen,<br />

Vermeidung und psychophysiologischer Erregung zu finden sind. Im wesentlichen<br />

konnten alle Hypothesen bestätigt werden, lediglich der vermutete<br />

Bindungsunterschied bestätigte sich in dieser Untersuchung nicht.<br />

Dabei unterschieden sich die Subsuchtgruppen teilweise im Ausmaß der<br />

Beeinträchtigungen, wobei die Gruppe der Alkoholabhängigen mit Beigebrauch zum<br />

Teil größere Beeinträchtigungen als die Gruppe der Polytoxikomanen zeigte. Da es<br />

insbesondere zu dieser Substanzgruppe der Alkoholabhängigen mit Beigebrauch<br />

bislang nur sehr wenige empirische Studien gibt, wären hier weitere Forschungen<br />

wünschenswert.<br />

Insgesamt unterstreichen die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung die<br />

Bedeutung von Persönlichkeits- und Posttraumatischer Belastungsstörungen für die<br />

Entstehung und Aufrechterhaltung der Substanzstörung. Das gewählte<br />

Untersuchungsdesign lässt jedoch keine Kausalaussagen zu.


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Posttraumatische Belastungsstörungen bei alkoholabhängigen Patienten.<br />

Nervenarzt,1,200-201.<br />

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Belastungen und Traumata. Diagnostica, 47, 3, 153–162.<br />

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Ursachen-Erkennung-Behandlung. Stuttgart: Kohlhammer.<br />

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Trauma und Sucht. Konzepte-Diagnostik-Behandlung. Stuttgart: Klett-Cotta.<br />

Schäfer, I. & Krausz, M. (Hrsg.) (2006). Trauma und Sucht. Konzepte-Diagnostik-<br />

Behandlung. Stuttgart: Klett-Cotta.<br />

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Missbrauch während früher Kindheit oder Adoleszenz bei späterer


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Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft<br />

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Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.<br />

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Forschung und Anwendung. Stuttgart: Klett-Cotta.<br />

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Missbrauch, Misshandlung, Vernachlässigung. Erkennung Therapie und Prävention<br />

der Folgen früher Stresserfahrungen. Stuttgart: Schattauer.


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Forschung und Praxis. Göttingen: Huber. 275-294.<br />

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explorative Studie. Psychotherapeut, 45, 44-49.<br />

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Thomasius (Hrsg.). Psychotherapie der Suchterkrankungen. Stuttgart: Thieme.<br />

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problematischen Persönlichkeitsstilen. Stuttgart: Pfeiffer bei Klett-Cotta.<br />

Trautmann-Sponsel, R.D. & Zaudig, M. (1997). Diagnostik, Differentialdiagnostik<br />

und Komorbidität der Persönlichkeitsstörungen nach ICD-10 und DSM IV.<br />

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der Strukturalen Analyse Sozialen Verhaltens (CMP/SASB). Psychotherapeut, 41,<br />

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Tretter, F. (2000). Suchtmedizin. Der suchtkranke Patient in Klinik und Praxis.<br />

Stuttgart: Schattauer.<br />

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Therapie. Stuttgart: Schattauer.<br />

Wurmser, L. (1983). Drogengebrauch als Abwehrmechanismus. In: D.J. Lettieri &<br />

R. Welz (Hrsg.), Drogenabhängigkeit, Ursachen und Verlaufsformen. Ein<br />

Handbuch. Weinheim: Beltz. 84 - 86.<br />

Wurmser, L. (1987). Flucht vor dem Gewissen. Berlin: Springer.


VII. Literaturverzeichnis 130<br />

Zimmermann, P. (1995). Bindungsentwicklung von der frühen Kindheit bis zum<br />

Jugendalter und ihre Bedeutung für den Umgang mit Freundschaftsbeziehungen. In:<br />

G. Spangler & P. Zimmermann (Hrsg.), Die Bindungstheorie. Grundlagen,<br />

Forschung und Anwendung. Stuttgart: Klett-Cotta. 203-231.


VIII. Anhang A 131<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

im Rahmen meiner <strong>Diplomarbeit</strong>, im Fachbereich Psychologie der Uni<br />

Osnabrück, untersuche ich verschiedene Zusammenhänge bei schädlichem<br />

Alkohol- und Drogenkonsum. Dazu benötige ich eine nicht stationär<br />

aufgenommene und nicht drogenkonsumierende Vergleichsgruppe.<br />

Ich wäre Ihnen für Ihre Mithilfe sehr dankbar, die darin bestehen würde, die<br />

folgenden Fragebögen nach Ihren eigenen Erfahrungen und Erlebnissen<br />

auszufüllen. Hierfür benötigen Sie ca. 30 Min.<br />

Ihre Angaben werden ausschließlich für die wissenschaftliche Forschung<br />

verwendet und selbstverständlich streng vertraulich behandelt und anonym<br />

ausgewertet. Bitte schreiben Sie auf keinen Fragebogen Ihren Namen!<br />

Bitte kontrollieren Sie zum Schluss, ob Sie alle Fragen beantwortet haben!<br />

Vielen Dank für Ihre wertvolle Mithilfe!<br />

Axel <strong>Bensmann</strong><br />

Fragebogen zur Person<br />

Geschlecht: weiblich<br />

männlich<br />

Alter:_______Jahre<br />

Aufgewachsen in (Staat, z.B. Deutschland):____________________<br />

Nationalität:____________________________<br />

Familienstand:<br />

ledig<br />

verheiratet<br />

eheähnl. Gemeinschaft<br />

geschieden<br />

verwitwet


VIII. Anhang A 132<br />

Höchster Schulabschluss:<br />

ohne Abschluss<br />

Volks-/Hauptschulabschluss<br />

Realschulabschluss<br />

Fachabitur<br />

Abitur<br />

Hochschulabschluss<br />

Sonstiges<br />

Beruf: in Ausbildung Angestellter<br />

im Studium<br />

Beamter<br />

handwerklicher Beruf<br />

selbständig<br />

kaufmännischer Beruf<br />

arbeitslos<br />

sozialer Beruf<br />

Rentner / Pensionär<br />

medizinisch- /pflegerischer Beruf Sonstiges<br />

Substanzgebrauch:<br />

Haben Sie in Ihrem Leben jemals illegale Drogen konsumiert?<br />

Ja<br />

Nein<br />

Konsumieren Sie in Ihrem derzeitigen Lebensabschnitt illegale Drogen?<br />

Ja<br />

Nein<br />

Alkoholkonsum:<br />

Hatten Sie schon das Gefühl, dass Sie Ihren Alkoholkonsum reduzieren sollten?<br />

Ja<br />

Nein<br />

Hat es Sie auch schon aufgeregt, wenn andere Leute Ihr Trinkverhalten kritisieren?<br />

Ja<br />

Nein<br />

Hatten Sie wegen Ihres Alkoholkonsums auch schon Gewissensbisse?<br />

Ja<br />

Nein<br />

Haben Sie morgens nach dem Erwachen auch schon als erstes Alkohol getrunken, um Ihre<br />

Nerven zu beruhigen oder den Kater los zu werden?<br />

Ja<br />

Nein


VIII. Anhang B 133<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

im Rahmen meiner <strong>Diplomarbeit</strong>, im Fachbereich Psychologie der Uni<br />

Osnabrück, untersuche ich verschiedene Zusammenhänge bei schädlichem<br />

Alkohol- und Drogenkonsum.<br />

Ich wäre Ihnen für Ihre Mithilfe sehr dankbar, die darin bestehen würde, die<br />

folgenden Fragebögen nach Ihren eigenen Erfahrungen und Erlebnissen<br />

auszufüllen. Für das Ausfüllen der Fragebögen benötigen Sie ca. 50 Min.<br />

Ihre Angaben werden ausschließlich für die wissenschaftliche Forschung<br />

verwendet und selbstverständlich streng vertraulich behandelt und anonym<br />

ausgewertet. Bitte schreiben Sie auf keinen Fragebogen Ihren Namen!<br />

Vielen Dank für Ihre wertvolle Mithilfe!<br />

Axel <strong>Bensmann</strong>


VIII. Anhang B 134<br />

Fragebogen zur Person<br />

Geschlecht: weiblich<br />

männlich<br />

Alter:_______Jahre<br />

Aufgewachsen in (Staat, z.B. Deutschland):____________________<br />

Nationalität:____________________________<br />

Familienstand:<br />

ledig<br />

verheiratet<br />

eheähnl. Gemeinschaft<br />

geschieden<br />

verwitwet<br />

Höchster Schulabschluss:<br />

ohne Abschluss<br />

Volks-/Hauptschule<br />

Realschulabschluss<br />

Fachabitur<br />

Abitur<br />

Hochschulabschluss<br />

Sonstiges<br />

Beruf: in Ausbildung Angestellter<br />

im Studium<br />

Beamter<br />

handwerklicher Beruf<br />

selbständig<br />

kaufmännischer Beruf<br />

arbeitslos<br />

sozialer Beruf<br />

Rentner / Pensionär<br />

medizinisch- /pflegerischer Beruf Sonstiges<br />

Entzugsbehandlung:<br />

Wegen folgender Substanzen bin ich in der Entzugsbehandlung:<br />

Alkohol<br />

Illegale Drogen Substanz:_______________________


VIII. Anhang C 135<br />

Der Fragebogen zum Persönlichkeitsporträt<br />

Bitte lese Sie jede Frage durch.<br />

Kreuzen Sie bitte das Antwortkästchen der Frage an, das am besten auf Sie zutrifft.<br />

Manche Fragen bestehen aus zwei Teilen. Wenn Sie nur mit einem Teil einverstanden sind,<br />

kreuzen Sie „Vielleicht“ an; wenn Sie mit beiden Teilen einverstanden sind, kreuzen Sie „Ja“<br />

an. Wenn Sie mit beiden teilen nicht einverstanden sind, kreuzen Sie „Nein“ an.<br />

Lassen Sie bitte keine Frage aus; auch wenn Sie meinen, eine Frage träfe auf Sie oder Ihre<br />

Lebensumstände nicht zu - antworten Sie so, als würde sie zutreffen.<br />

Ja<br />

Vielleicht<br />

Nein<br />

1 Ich neige dazu, mehr Zeit mit meiner Arbeit zu verbringen, als<br />

einige meiner Kollegen oder Mitarbeiter, denn ich bin ein<br />

Perfektionist und mag es, wenn die Dinge richtig gemacht werden.<br />

2 Bei mir ist alles durchorganisiert. Ich folge gern einem Plan und<br />

mache Listen von den Dingen, die ich zu tun habe. Manchmal habe<br />

ich so viele Listen, dass ich nicht mehr weiß, was ich mit ihnen<br />

machen soll!<br />

3 Ich bin manchmal als "Arbeitssüchtiger" bezeichnet worden. Es ist<br />

wahr, dass ich sehr hart arbeite, auch wenn wir genug Geld haben<br />

und alle Rechnungen bezahlt sind. Ich glaube, wenn ich wollte,<br />

könnte ich aufhören und entspannen, zumindest für kurze Zeit.<br />

4 Ich bin ein schrecklicher Verzögerer. Ich schiebe Dinge immer bis<br />

zur letzten Minute auf.<br />

5 Wenn ich etwas wirklich nicht tun möchte, und auch wenn mein<br />

Chef oder meine Familie mich bittet, lasse ich mir Zeit, bis ich es<br />

tue oder ich strenge mich nicht besonders an und mache meine<br />

Arbeit schlecht.<br />

6 Wenn Arbeiten zu erledigen sind und ich meine, dass eine bestimmte<br />

Arbeit nicht sinnvoll ist oder nicht in meine Verantwortung<br />

fällt, verweigere ich die Kooperation.<br />

7 Wenn ich bei etwas Erfolg habe, kann ich es entweder nicht richtig<br />

genießen, oder etwas anderes in meinem Leben läuft schief.<br />

8 Ich habe viele Fähigkeiten, die ich nicht zu nutzen scheine. Wenn<br />

ich in etwas gut bin, kann ich anderen Leuten damit helfen, aber<br />

ich kann meine Fähigkeit nicht für mich selbst einsetzen.<br />

9 Ich habe ein ziemlich gutes Gefühl für mich selbst. Ich weiß, welche<br />

Art Arbeit ich tun möchte, mit welchen Freunden ich Zusammensein<br />

möchte und was insgesamt für mich wichtig ist.<br />

10 Im Allgemeinen fühle ich mich nicht gelangweilt oder innerlich<br />

leer.


VIII. Anhang C 136<br />

Ja<br />

Vielleicht<br />

Nein<br />

11 Es bedeutet mir sehr viel, bestätigt oder gelobt zu werden. Ich mag<br />

es, wenn man mir Zuneigung immer wieder beteuert.<br />

12 Ich bin gern in meinen Träumereien. Ich stelle mir vor, ich wäre<br />

reich oder mächtig oder berühmt - vielleicht sogar der Gewinner<br />

eines Nobelpreises.<br />

13 Obwohl ich weiß, dass ich es nicht sein sollte, bin ich von Gewalt,<br />

Waffen und Kampfsportarten fasziniert. Ich mag Filme und Fernsehsendungen<br />

mit viel Action und Gewalt.<br />

14 Die Leute sagen, dass ich mich sonderbar ausdrücke - dass ich<br />

Dinge sage, die zu hoch für sie sind, oder dass ich nicht erkläre,<br />

was ich meine.<br />

15 Ich falle gerne auf, und ich habe die Gewohnheit, nach<br />

Komplimenten zu fischen, wenn ich ignoriert werde.<br />

16 Mein Äußeres ist mir sehr wichtig. Ich verbringe viel Zeit damit,<br />

sicherzustellen, dass ich attraktiv aussehe.<br />

17 Die Leute denken manchmal, dass ich exzentrisch bin, weil ich<br />

mich auf meine Weise kleide und ihnen ein bisschen ausgeflippt<br />

erscheine. Es stimmt, dass ich irgendwie in meiner eigenen kleinen<br />

Welt lebe.<br />

18 Wenn es "altmodisch" ist, sehr strenge Prinzipien zu haben und an<br />

ein sehr moralisches und ethisches Verhalten zu glauben, bin ich<br />

altmodisch.<br />

19 Ich denke lange nach, bevor ich Entscheidungen treffe. Während<br />

andere sich sehr viel schneller entscheiden, halte ich Vorsicht für<br />

wichtig.<br />

20 Ich neige dazu, alles aufzubewahren. Meine Schränke und Schubladen<br />

und der Speicher sind voll von Dingen, die ich einfach nicht<br />

wegwerfen kann oder will.<br />

21 Wenn Leute mir Vorschläge machen, wie ich produktiver sein<br />

könnte, ärgert mich das oft, weil sie ihre Nase in Angelegenheiten<br />

stecken, die sie nichts angehen, ohne meine Situation wirklich zu<br />

22 verstehen. Ich ertappe mich manchmal dabei, wie ich über die Missgeschicke<br />

anderer lache, obwohl ich auf diese Reaktion nicht besonders stolz<br />

bin.<br />

23 Obwohl ich nicht zögere, anderen von meinen Problemen zu erzählen,<br />

fühle ich mich sehr unwohl dabei, wenn ich zulasse, dass<br />

sie mir dabei helfen.<br />

24 Ich glaube, dass meine Probleme zu kompliziert und einmalig sind,<br />

als dass die meisten Menschen sie verstehen könnten.<br />

25 Es fällt mir nicht schwer, es mir gut gehen zu lassen. Wenn sich<br />

eine Gelegenheit bietet, mich zu amüsieren, versuche ich im allgemeinen,<br />

sie zu nutzen.


VIII. Anhang C 137<br />

26 In Bezug auf Beziehungen glaube ich manchmal, dass ich selbst<br />

mein ärgster Feind bin. Ich lasse mich immer wieder mit Leuten<br />

ein, die mich irgendwann einmal schlecht behandeln oder enttäuschen.<br />

Ich kann nicht glauben, dass ich so schlecht darin bin, andere<br />

einzuschätzen - ich muss naiv sein.<br />

27 Wenn jemand mich wirklich mag oder mich sehr freundlich oder<br />

zärtlich behandelt, bin ich oft nicht interessiert. Irgendwie erscheint<br />

es mir einfach langweilig, wenn es in der Beziehung keine<br />

wirkliche Herausforderung gibt.<br />

28 Der Umgang mit mir kann schwierig sein, und wenn ich darüber<br />

nachdenke, sind meine Erwartungen an andere ziemlich unvernünftig.<br />

Aber ich ärgere mich immer noch, wenn sie böse auf mich<br />

sind.<br />

29 Ich tue sehr viel für andere, oft unter großen Opfern für mich<br />

selbst, und ich warte nicht, bis ich gefragt werde.<br />

30 Die großen Entscheidungen überlasse ich im Allgemeinen den<br />

wichtigen Menschen in meinem Leben.<br />

31 Ich bin nicht das, was man einen Initiator nennen könnte. Ich bin<br />

als Gefolgsmann sehr viel besser denn als Anführer, aber ich kann<br />

ein sehr loyaler Mannschaftsspieler sein.<br />

32 Es macht mir nichts aus, mehr zu arbeiten als die anderen oder<br />

Dinge zu tun, die niemand sonst tun will, wenn das bedeutet, dass<br />

wir gut miteinander auskommen. Natürlich möchte ich dafür geschätzt<br />

werden.<br />

33 Ich verbringe nicht gern Zeit allein, und ich vermeide es, so sehr<br />

ich kann.<br />

34 Ich bin nicht übermäßig empfindlich für Ablehnung und Verlust.<br />

Wenn eine wichtige Beziehung zu Ende geht, komme ich damit<br />

ganz gut zurecht - es wirft mich im Allgemeinen nicht um.<br />

35 Ich mache mir sehr viele Sorgen, dass Menschen, an denen mir<br />

etwas liegt, mich verlassen, obwohl gewöhnlich kein Grund für<br />

diese Angst besteht.<br />

36 Manchmal ängstige ich mich so, dass Menschen mich verlassen,<br />

dass ich irgendwie außer mir bin und sie anrufe, damit sie mich<br />

beruhigen, was ziemlich lästig werden kann.<br />

37 Ich stehe gern im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit - es ist belebend.<br />

Ich fühle mich im Zentrum des Geschehens sehr viel wohler<br />

als am Rand.<br />

38 Ich bin ein Mensch, der sehr sexy ist. Ich flirte gern und kleide<br />

mich gern sexuell attraktiv.<br />

39 Die Leute beschreiben mich als sehr unterhaltsam. Ich kann Ereignisse<br />

sehr unterhaltsam und farbig erzählen, ohne ständig alle Fakten<br />

parat haben zu müssen.<br />

Ja<br />

Vielleicht<br />

Nein


VIII. Anhang C 138<br />

40 Im Allgemeinen habe ich sehr intensive Beziehungen, und gewöhnlich<br />

schwanken meine Gefühle für diesen Menschen von einem<br />

Extrem zum anderen. Manchmal bete ich ihn fast an, und dann<br />

wieder kann ich ihn nicht ausstehen.<br />

41 Ich bin oft neidisch auf andere.<br />

Ja<br />

Vielleicht<br />

Nein<br />

42 Ich habe nicht besonders viel Vertrauen, obwohl ich es gern hätte.<br />

Ich habe einfach Angst, dass Menschen mich ausnutzen könnten,<br />

wenn ich nicht vorsichtig bin.<br />

43 Manchmal denke ich, dass meine Freunde und Kollegen nicht so<br />

loyal sind, wie ich es gerne hätte.<br />

44 Ich bin ein ziemlich zurückgezogener Mensch und behalte Dinge<br />

im Allgemeinen für mich, denn man weiß nie, wer persönliche Informationen<br />

zu seinem eigenen Nutzen verwendet.<br />

45 Ich neige dazu, ein Einzelgänger zu sein, und für mich ist das in<br />

Ordnung. Es macht mir irgendwie keinen Spaß, viel mit anderen<br />

Leuten zusammen zu sein, auch wenn es meine Familie ist.<br />

46 Wenn ich die Wahl habe, tue ich Dinge lieber allein.<br />

47 Ich fühle mich im Allgemeinen in der Anwesenheit von Fremden<br />

ziemlich wohl, und ich bin gern bei gesellschaftlichen Zusammenkünften,<br />

bei denen ich einer Menge neuer Gesichter begegne.<br />

48 Ich bin sehr unsicher. Ich habe oft das Gefühl, dass Menschen<br />

mich ansehen und mich taxieren, nicht immer in schmeichelhafter<br />

Weise.<br />

49 Im Allgemeinen lasse ich mich erst dann mit Menschen ein, wenn<br />

ich sicher bin, dass sie mich mögen.<br />

50 Ich mag Menschen, aber ich fühle mich sehr viel wohler, wenn ich<br />

sozialen Aktivitäten und beruflichen Situationen aus dem Weg<br />

gehe, an denen viele Leute beteiligt sind.<br />

51 In Gesellschaft bin ich selbstbewusst. Ich rede ohne Schwierigkeiten<br />

und bin nicht schrecklich unsicher oder ängstlich, dass ich etwas<br />

Dummes sage oder uninformiert erscheine.<br />

52 Ich bin nicht gut darin, mich an Verpflichtungen zu erinnern, etwa<br />

Danksagungen zu schreiben. Meine Neigung, diese Dinge zu<br />

vergessen, kann peinlich sein.<br />

53 Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen in meinem Leben<br />

unvernünftige Forderungen an mich stellen - obwohl ich das umgekehrt<br />

nicht tue.<br />

54 Ich kann an meinem Chef oder anderen Autoritätspersonen ziemlich<br />

viel auszusetzen haben. Vielleicht kann ich ihre Situation<br />

nicht ganz verstehen, aber ich glaube, dass ich oft bessere Arbeit<br />

leisten könnte.<br />

55 Wenn jemand mich bittet, etwas zu tun, was ich nicht tun will,<br />

kann ich ein richtiges Ekel sein - ich streite oder bin eingeschnappt<br />

oder bekomme sehr schlechte Laune.


VIII. Anhang C 139<br />

56 Manche Leute sagen, dass ich zu viel selbst mache, aber ich tue<br />

die Arbeit lieber selbst, als dass jemand anders sie falsch oder unvollständig<br />

macht. Ich riskiere es, als "stur" oder "herrschsüchtig"<br />

bezeichnet zu werden, wenn andere nur die Arbeit so machen, wie<br />

ich es für richtig halte.<br />

57 Ich glaube, dass strenge Disziplin extrem wichtig ist. Obwohl ich<br />

körperliche Bestrafungen nicht unbedingt für wirksam halte, glaube<br />

ich an das Prinzip hinter dem Sprichwort "Wer die Rute spart,<br />

verzieht das Kind".<br />

58 Die Mitglieder meiner Familie beklagen manchmal, dass ich ihnen<br />

nicht genug Unabhängigkeit und Freiheit erlaube. Ich glaube, ich<br />

führe ein ziemlich hartes Regiment.<br />

59 Leute haben mir gesagt, dass ich sie in Gegenwart anderer<br />

demütige. Sie sollten nicht so empfindlich sein - Worte verletzen<br />

doch niemanden. Und wenn sie wirklich meinen, ich würde sie zu<br />

sehr kritisieren, sollten sie mir Paroli bieten.<br />

60 Ich glaube, ich kann ziemlich einschüchternd sein. Manche Leute<br />

haben mir gesagt, dass sie tun, was ich will, weil sie Angst vor mir<br />

haben.<br />

61 Ich finde, dass bestimmte Leute kleine Dinge tun, die mich reizen,<br />

ärgern oder beleidigen, nur um mich auf die Palme zu bringen.<br />

Ja<br />

Vielleicht<br />

Nein<br />

62 Wenn jemand mich nicht richtig behandelt, werde ich es wahrscheinlich<br />

nicht vergessen.<br />

63 Ich habe ein starkes Bedürfnis nach neuen sexuellen Erfahrungen<br />

und Aufregung, deshalb bleibe ich nicht lange mit einem Menschen<br />

zusammen.<br />

64 Manchmal erfinde ich Geschichten oder ich verzerre die Wahrheit,<br />

nur um zu sehen, wie andere reagieren. Aber das ist nur Spaß und<br />

also kein Grund für irgend jemanden, sich zu ärgern<br />

65 Es fällt mir leicht, meine Gefühle zu zeigen.<br />

66 Ich kann manchmal ziemlich dumm handeln, was meine Freunde<br />

zuweilen stört; sie sagen, dass ich nicht weiß, wie man sich richtig<br />

benimmt, aber ich bin nicht ihrer Meinung.<br />

67 Ich bin sehr empfänglich für Stimmungen. Kleine Dinge können<br />

mich aus dem Gleichgewicht bringen. In ein paar Stunden kann<br />

ich eine breite Palette von Gefühlen empfinden. Glück, Trauer,<br />

Langeweile oder Angst. Aber die schlechten Stimmungen halten<br />

nie lange an.<br />

68 Es fällt mir schwer, Kritik anzunehmen, auch wenn ich weiß, dass<br />

sie konstruktiv ist. Obwohl ich es nicht unbedingt zeige, fühle ich<br />

mich innerlich erniedrigt, beschämt oder wütend.<br />

69 Ich neige dazu, meine Gefühle nicht zu zeigen, obwohl ich sie innerlich<br />

erlebe. Meistens erscheine ich ruhig und reserviert.


VIII. Anhang C 140<br />

70 Ich bleibe lieber bei meiner üblichen täglichen Routine, als mich<br />

in unbekannte Umgebungen und Situationen zu wagen.<br />

Ja<br />

Vielleicht<br />

Nein<br />

71 Man kann mich ein "Pokerface" nennen. Ich bin den Leuten irgendwie<br />

ein Geheimnis, weil ich im Allgemeinen wenig Gefühl<br />

zeige und nicht stark auf sie reagiere.<br />

72 Ich glaube, ich habe eine andere Wellenlänge als die meisten anderen<br />

Menschen. Manchmal kann ich Dinge spüren, die für mich<br />

sehr real sind, obwohl ich sie nicht beweisen kann, etwa dass der<br />

Geist eines verstorbenen Familienmitglieds im Raum ist, der versucht,<br />

mit mir zu kommunizieren.<br />

73 Ich bin fasziniert von Dingen wie Magie, außersinnlicher Wahrnehmung<br />

und dem Übernatürlichen. Ich habe eine Art "sechsten<br />

Sinn" und hatte manchmal unheimliche Erlebnisse, bei denen ich<br />

wusste, dass etwas geschehen würde, bevor es tatsächlich eintraf.<br />

74 Ich würde mein Geld eher sparen, als es für ein Geschenk auszugeben.<br />

Ich neige absolut nicht zu Extravaganzen, was eine gute<br />

Methode ist, sicherzustellen, dass immer Geld auf dem Konto ist.<br />

75 Ich kann ungeduldig sein; im Allgemeinen will ich das, was ich<br />

will, sofort.<br />

76 Ich handle gern spontan, wenn mir danach zumute ist. Zum Beispiel<br />

betrinke ich mich oder nehme Drogen, wenn ich in der<br />

Stimmung bin, oder ich esse viel, oder ich fahre zu schnell, oder<br />

ich genieße einen ausgiebigen Einkaufsbummel. Das macht das<br />

Leben sehr viel interessanter, obwohl es manchmal natürlich ins<br />

Auge geht.<br />

77 Ich kann sehr dramatisch sein, wenn ich mich ärgere. Ich habe<br />

schon gedroht, mich selbst zu verletzen, obwohl ich das natürlich<br />

nicht wirklich meine.<br />

78 Ich tue Dinge gern spontan, ohne vorauszuplanen, etwa den Koffer<br />

packen und reisen, solange es mir gefällt. Ich weiß, dass die meisten<br />

Probleme sich von selbst lösen.<br />

79 Ich habe einfach nicht die Geduld, mir über die Finanzen Gedanken<br />

zu machen oder meine Rechnungen zu bezahlen, und deshalb halten<br />

Leute mich für verantwortungslos.<br />

80 Ich bin nicht die Art Mensch, die immer den vorsichtigen Weg<br />

einschlägt. Ich gehe Risiken ein - etwa schneller fahren als erlaubt<br />

oder fahren, wenn ich etwas getrunken habe -, aber ich weiß, was<br />

ich tue, und ich komme dahin, wo ich hin will.<br />

81 Mich fasziniert eine Art Untergrundleben, in dem man die Regeln<br />

brechen kann und ungestraft davonkommt.<br />

82 Als Heranwachsender war ich ein Teufelskerl und immer in<br />

Schwierigkeiten. Einige der folgenden Dinge trafen auf mich zu:<br />

Ich habe die Schule geschwänzt; ich bin von zu Hause weggelaufen;<br />

ich bin in Schlägereien geraten; ich habe mich sexuell viel<br />

herumgetrieben; ich habe gelogen; ich habe gestohlen; ich habe<br />

Leute drangsaliert; ich habe das Eigentum anderer zerstört.


VIII. Anhang D 141<br />

Fragebogen zu Beziehungen<br />

Mit diesem Fragebogen sollen verschiedene Typen von engen, persönlichen Beziehungen<br />

erfasst werden. Im folgenden bitten wir Sie, den Charakter Ihrer Beziehung zu Ihrem Partner<br />

und zu Ihrer Mutter anhand der Fragen zu beschreiben.<br />

___________________________________________________________________________<br />

PERSÖNLICHE DATEN<br />

Geschlecht weiblich männlich<br />

Alter ............Jahre<br />

Hatten Sie schon einmal eine feste Beziehung zu einem Partner/ einer Partnerin?<br />

ja nein<br />

Sind Sie zur Zeit in einer festen Beziehung zu einem Partner/ einer Partnerin?<br />

ja nein<br />

Wenn ja, wie lange besteht diese Beziehung schon?<br />

...... Jahre und ...... Monate<br />

Wenn nein, wie lange bestand Ihre letzte feste Beziehung?<br />

...... Jahre und ...... Monate<br />

________________________________________________________<br />

Teil I<br />

Dieser Teil umfaßt 14 Aussagen, die sich zur Beschreibung Ihrer Beziehung zuIhrer Mutter<br />

eignen könnten. Sollte Ihre Mutter nicht mehr leben, überspringen Sie bitte diesen Teil. Lesen<br />

Sie bitte jede dieser Aussagen aufmerksam durch und überlegen Sie, ob diese Aussage Ihre<br />

Beziehung zu Ihrer Mutter in den letzten Monaten zutreffend beschreibt oder nicht. Zur<br />

Bewertung jeder der 14 Aussagen steht Ihnen eine fünffach abgestufte Skala zur Verfügung.


VIII. Anhang D 142<br />

Lassen Sie bitte keine Aussage aus; wenn Ihnen einmal die Entscheidung<br />

schwerfallen sollte, kreuzen Sie trotzdem immer eine Antwort an, und zwar die,<br />

welche noch am ehesten zutrifft.<br />

stimmt:<br />

1. Ich kann mich gut auf meine Mutter verlassen ................................ 1⎯2⎯3⎯4⎯5<br />

2. Ich mache mir Sorgen, von meiner Mutter nicht akzeptiert zu<br />

werden ..............................................................................................<br />

1⎯2⎯3⎯4⎯5<br />

3. Ich treffe wichtige Entscheidungen ohne meine Mutter ................. 1⎯2⎯3⎯4⎯5<br />

4. Um etwas richtig genießen zu können, muß meine Mutter immer<br />

dabei sein...........................................................................................<br />

5. Ich finde es einfach, meiner Mutter gefühlsmäßig nahe zu<br />

kommen..............................................................................................<br />

1⎯2⎯3⎯4⎯5<br />

1⎯2⎯3⎯4⎯5<br />

6. Ich habe Schwierigkeiten, mich auf meine Mutter ganz zu verlassen 1⎯2⎯3⎯4⎯5<br />

7. Ich vermeide es, von meiner Mutter abhängig zu sein ...................... 1⎯2⎯3⎯4⎯5<br />

8. Wenn ich Probleme habe, muß meine Mutter für mich da sein ....... 1⎯2⎯3⎯4⎯5<br />

9. Ich fühle mich unwohl, wenn ich meiner Mutter nahe komme ........ 1⎯2⎯3⎯4⎯5<br />

10. Wenn ich Probleme habe, kann ich sie sehr gut ohne meine Mutter<br />

lösen ................................................................................................<br />

1⎯2⎯3⎯4⎯5<br />

11. Ich kann meiner Mutter nie nahe genug sein ................................. 1⎯2⎯3⎯4⎯5<br />

12. Ich fühle mich von meiner Mutter akzeptiert ................................. 1⎯2⎯3⎯4⎯5<br />

13. Es ist wichtig für mich, unabhängig von meiner Mutter zu sein .... 1⎯2⎯3⎯4⎯5<br />

14. Ich kann Probleme nur mit meiner Mutter lösen ............................ 1⎯2⎯3⎯4⎯5


VIII. Anhang D 143<br />

Teil II<br />

Beschreiben Sie jetzt bitte ganz analog Ihre Beziehung zu Ihrem Partner in den letzten<br />

Monaten.<br />

Wenn Sie zur Zeit keine feste Beziehung haben, beschreiben Sie bitte Ihre letzte feste<br />

Partnerbeziehung. Um unnötigen Verbrauch von Papier zu vermeiden, haben wir nur eine<br />

geschlechtsneutrale Version des Fragebogens erstellt. Der allgemeine Begriff „Partner“<br />

bezeichnet daher entweder Ihren Partner oder Ihre Partnerin. Wenn Sie in noch keiner festen<br />

Beziehung standen, füllen Sie folgende zwei Seiten bitte nicht aus.<br />

stimmt:<br />

1. Ich kann mich gut auf meinen Partner verlassen ............................. 1⎯2⎯3⎯4⎯5<br />

2. Ich mache mir Sorgen, von meinem Partner nicht akzeptiert zu<br />

werden ..........................................................................................<br />

1⎯2⎯3⎯4⎯5<br />

3. Ich treffe wichtige Entscheidungen ohne meinen Partner ............... 1⎯2⎯3⎯4⎯5<br />

4. Um etwas richtig genießen zu können, muß mein Partner immer<br />

dabei sein .....................................................................................<br />

5. Ich finde es einfach, meinem Partner gefühlsmäßig nahe zu<br />

kommen..........................................................................................<br />

6. Ich habe Schwierigkeiten, mich auf meinen Partner ganz zu<br />

verlassen<br />

1⎯2⎯3⎯4⎯5<br />

1⎯2⎯3⎯4⎯5<br />

1⎯2⎯3⎯4⎯5<br />

7. Ich vermeide es, von meinem Partner abhängig zu sein .................... 1⎯2⎯3⎯4⎯5<br />

8. Wenn ich Probleme habe, muß mein Partner für mich da sein ....... 1⎯2⎯3⎯4⎯5<br />

9. Ich fühle mich unwohl, wenn ich meinem Partner nahe komme ...... 1⎯2⎯3⎯4⎯5<br />

10. Wenn ich Probleme habe, kann ich sie sehr gut ohne meinen<br />

Partner lösen ............................................................................<br />

1⎯2⎯3⎯4⎯5<br />

11. Ich kann meinem Partner nie nahe genug sein ................................ 1⎯2⎯3⎯4⎯5<br />

12. Ich fühle mich von meinem Partner akzeptiert ................................ 1⎯2⎯3⎯4⎯5<br />

13. Es ist wichtig für mich, unabhängig von meinem Partner zu sein ... 1⎯2⎯3⎯4⎯5<br />

14. Ich kann Probleme nur mit meinem Partner lösen ........................... 1⎯2⎯3⎯4⎯5


VIII. Anhang E 144<br />

TEIL 1<br />

PDS<br />

Viele Menschen haben irgendwann einmal in ihrem Leben ein sehr belastendes oder traumatisches<br />

Erlebnis oder werden Zeuge eines solches Ereignisses. Bitte geben Sie für jedes der folgenden<br />

Ereignisse an, ob Sie es erlebt haben, entweder persönlich oder als Zeuge. Bitte kreuzen Sie JA an,<br />

wenn dies der Fall war, und NEIN, wenn dies nicht der Fall war.<br />

1. JA NEIN Schwerer Unfall, Feuer oder Explosion (z.B. Arbeitsunfall, Unfall in der<br />

Landwirtschaft, Autounfall, Flugzeug- oder Schiffsunglück)<br />

2. JA NEIN Naturkatastrophe (z.B. Wirbelsturm, Orkan, Flutkatastrophe, schweres<br />

Erdbeben)<br />

3. JA NEIN Gewalttätiger Angriff durch jemanden aus dem Familien- oder Bekanntenkreis<br />

(z.B. körperlich angegriffen, ausgeraubt, angeschossen oder mit einer<br />

Schusswaffe bedroht werden, Stichverletzung zugefügt bekommen)<br />

4. JA NEIN Gewalttätiger Angriff durch fremde Person (z.B. körperlich angegriffen,<br />

ausgeraubt, angeschossen oder mit einer Schusswaffe bedroht werden,<br />

Stichverletzung zugefügt bekommen)<br />

5. JA NEIN Sexueller Angriff durch jemanden aus dem Familien- oder Bekanntenkreis (z.B.<br />

Vergewaltigung, versuchte Vergewaltigung)<br />

6. JA NEIN Sexueller Angriff durch fremde Person (z.B. Vergewaltigung, versuchte<br />

Vergewaltigung)<br />

7. JA NEIN Kampfeinsatz im Krieg oder Aufenthalt im Kriegsgebiet<br />

8. JA NEIN Sexueller Kontakt im Alter von unter 18 Jahren mit einer Person, die<br />

mindestens 5 Jahre älter war (z.B. Kontakt mit Genitalien oder Brüsten)<br />

9. JA NEIN Gefangenschaft (z.B. Strafgefangener, Kriegsgefangener, Geißel)<br />

10. JA NEIN Folter<br />

11. JA NEIN Lebensbedrohliche Krankheit<br />

12. JA NEIN Anderes traumatisches Ereignis<br />

Bitte beschreiben Sie dieses Ereignis:<br />

________________________________________________________<br />

Wenn Sie mehrmals JA angekreuzt haben, geben Sie bitte hier die Nummer desjenigen Erlebnisses<br />

an, das Sie am meisten belastet:<br />

Nr. ____________<br />

Bitte beantworten Sie die Fragen auf den folgenden Seiten FÜR DIESES SCHLIMMSTE<br />

ERLEBNIS (wenn Sie nur für eines der Ereignisse JA angekreuzt haben, ist mit „schlimmstes<br />

Erlebnis“ dieses Ereignis gemeint). Wenn Sie keines der Erlebnisse hatten, brauchen Sie keine<br />

weiteren Fragen dieses Bogens zu beantworten.


VIII. Anhang E 145<br />

TEIL 2<br />

PDS<br />

Wann hatten Sie dieses schlimmste Erlebnis?<br />

(Bitte kreuzen Sie eine der Antwortmöglichkeiten an)<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

vor weniger als einem Monat<br />

vor 1 bis 3 Monaten<br />

vor 3 bis 6 Monaten<br />

vor 6 Monaten bis 3 Jahren<br />

vor 3 bis 5 Jahren<br />

vor mehr als 5 Jahren<br />

Bitte kreuzen Sie für die folgenden Fragen JA oder NEIN an:<br />

Während des schlimmsten Ereignisses …<br />

JA NEIN … wurden Sie körperlich verletzt?<br />

JA NEIN … wurde jemand anders körperlich verletzt?<br />

JA NEIN … dachten Sie, dass Ihr Leben in Gefahr war?<br />

JA NEIN … dachten Sie, dass das Leben einer anderen Person in Gefahr war?<br />

JA NEIN … fühlten Sie sich hilflos?<br />

JA NEIN … hatten Sie starke Angst oder waren Sie voller Entsetzen?


VIII. Anhang E 146<br />

TEIL 3<br />

PDS<br />

Im Folgenden finden Sie eine Reihe von Problemen, die Menschen manchmal nach traumatischen<br />

Ereignissen haben. Bitte lesen Sie sich jedes der Probleme sorgfältig durch. Wählen Sie diejenige<br />

Antwortmöglichkeit (0 – 3) aus, die am besten beschreibt, wie häufig Sie IM LETZTEN MONAT (d.h. in<br />

den letzten vier Wochen bis einschließlich heute) von diesem Problem betroffen waren. Die Fragen sollten<br />

Sie dabei auf Ihr schlimmstes Erlebnis beziehen.<br />

Dabei bedeutet<br />

0 = überhaupt nicht oder nur einmal im letzten Monat<br />

1 = einmal pro Woche oder seltener/ manchmal<br />

2 = 2 bis 4 mal pro Woche/ die Hälfte der Zeit<br />

3 = 5 mal oder öfter pro Woche/ fast immer<br />

0 1 2 3 Hatten Sie belastende Gedanken oder Erinnerungen an das Erlebnis, die ungewollt<br />

auftraten und Ihnen durch den Kopf gingen, obwohl Sie nicht daran denken wollten?<br />

0 1 2 3 Hatten Sie schlechte Träume oder Alptraume über das Erlebnis?<br />

0 1 2 3 War es, als würden Sie das Ereignis plötzlich noch einmal durchleben, oder<br />

handelten oder fühlten Sie so, als würde es wieder passieren?<br />

0 1 2 3 Belastete es Sie, wenn Sie an das Erlebnis erinnert wurden (fühlten Sie sich z.B.<br />

ängstlich, ärgerlich, traurig, schuldig usw.)?<br />

0 1 2 3 Hatten Sie körperliche Reaktionen (z.B. Schweißausbruch oder Herzklopfen),<br />

wenn Sie an das Erlebnis erinnert wurden?<br />

0 1 2 3 Haben Sie sich bemüht, nicht an das Erlebnis zu denken, nicht darüber zu reden<br />

oder damit verbundene Gefühle zu unterdrücken?<br />

0 1 2 3 Haben Sie sich bemüht, Aktivitäten, Menschen oder Orte zu meiden, die Sie an das<br />

Erlebnis erinnern?<br />

0 1 2 3 Konnten / können Sie sich an einen wichtigen Bestandteil des Erlebnisses nicht<br />

erinnern?<br />

0 1 2 3 Hatten Sie deutlich weniger Interesse an Aktivitäten, die vor dem Erlebnis für Sie<br />

wichtig waren, oder haben Sie sie deutlich seltener unternommen?<br />

0 1 2 3 Fühlten Sie sich Menschen in Ihrer Umgebung gegenüber entfremdet oder isoliert?<br />

0 1 2 3 Fühlten Sie sich abgestumpft oder taub (z.B. nicht weinen zu können oder sich<br />

unfähig fühlen, liebevolle Gefühle zu erleben)?<br />

0 1 2 3 Hatten Sie das Gefühl, dass sich Ihre Zukunftspläne und Hoffnungen nicht erfüllen<br />

werden (z.B. dass Sie im Beruf keinen Erfolg haben, nie heiraten, keine Kinder<br />

haben oder kein langes Leben haben werden)?


VIII. Anhang E 147<br />

0 1 2 3 Hatten Sie Schwierigkeiten, ein- oder durchzuschlafen?<br />

0 1 2 3 Waren Sie reizbar oder hatten Sie Wutausbrüche?<br />

0 1 2 3 Hatten Sie Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren (z.B. während eines Gespräches<br />

in Gedanken abschweifen; beim Ansehen einer Fernsehsendung den Faden<br />

verlieren; vergessen, was Sie gerade gelesen haben)?<br />

0 1 2 3 Waren Sie übermäßig wachsam (z.B. nachprüfen, wer in Ihrer Nähe ist; sich<br />

unwohl fühlen, wenn Sie mit dem Rücken zur Tür sitzen; usw.)?<br />

0 1 2 3 Waren Sie nervös oder schreckhaft (z.B. wenn jemand hinter Ihnen geht)?<br />

PDS<br />

Wie lange haben Sie schon die Problem, die Sie in Teil 3 angegeben haben?<br />

(Bitte kreuzen Sie eine der Antwortmöglichkeiten an)<br />

<br />

<br />

<br />

weniger als einem Monat<br />

1 bis 3 Monate<br />

über 3 Monate<br />

Wann nach dem traumatischen Erlebnis traten diese Probleme auf?<br />

(Bitte kreuzen Sie eine der Antwortmöglichkeiten an)<br />

<br />

<br />

innerhalb der ersten 6 Monate<br />

nach 6 Monaten und später<br />

TEIL 4<br />

Bitte geben Sie an, ob die Probleme, die Sie in Teil 3 angegeben haben, Sie IM LETZTEN MONAT in<br />

den unten aufgeführten Bereichen Ihres Lebens beeinträchtigt haben. Bitte kreuzen Sie JA an, wenn<br />

eine Beeinträchtigung vorlag, und NEIN, wenn dies nicht der Fall war.<br />

JA NEIN Arbeit<br />

JA NEIN Hausarbeit und Haushaltspflichten<br />

JA NEIN Beziehungen zu Freunden<br />

JA NEIN Unterhaltung und Freizeitaktivitäten<br />

JA NEIN (Hoch-)Schule / Ausbildung<br />

JA NEIN Beziehungen zu Familienmitgliedern<br />

JA NEIN Erotik<br />

JA NEIN Allgemeine Lebenszufriedenheit<br />

JA NEIN Allgemeine Leistungsfähigkeit in allen Lebensbereichen


VIII. Anhang F 148<br />

Cut-Off-Werte (Schöttke, 2007, persönl. Mitteilung), die den Übergang vom Persönlichkeitsstil<br />

zur Persönlichkeitsstörung markieren für den Fragebogen zum Persönlichkeitsselbstportrait<br />

(Oldham & Morris, 1988).<br />

paranoid > 8<br />

schitzotypisch > 12<br />

borderline > 14<br />

histrionisch > 14<br />

narzisstisch > 12<br />

selbstunsicher > 8<br />

abhängig > 12<br />

zwanghaft > 14<br />

passiv-aggressiv > 16<br />

antisozial > 10<br />

Anmerkung:<br />

Die Cut-off-Werte befinden sich noch in der Entwicklung und sind noch nicht<br />

abschließend validiert. Sie können somit nur zur Diagnostik von „Verdachtsdiagnosen“<br />

verwandt werden und sollten zudem mittels SKID II überprüft werden.


Erklärung 149<br />

Hiermit versichere ich, die <strong>Diplomarbeit</strong>: „Persönlichkeit, Bindung und traumatische<br />

Erfahrungen bei alkohol- und/oder drogenabhängigen Männern“ selbständig verfasst<br />

und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt zu haben.<br />

Münster, 07.05.2007<br />

Axel <strong>Bensmann</strong>

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