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Matthias Drilling - Arbeitskreis Quartiersforschung

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Soziale Landschaften, transnationale soziale Räume<br />

und das Konzept tragfähiger Alltagskultur –<br />

Überlegungen zur Quartierforschung in Mittelstädten<br />

Folien zum Vortrag im Rahmen der Gründungssitzung<br />

des <strong>Arbeitskreis</strong>es <strong>Quartiersforschung</strong><br />

DGfG, Bayreuth, 5. Oktober 2007<br />

Dr. <strong>Matthias</strong> <strong>Drilling</strong><br />

Institut für Sozialplanung und Stadtentwicklung<br />

Fachhochschule Nordwestschweiz<br />

Thiersteinerallee 57<br />

CH-4053 Basel<br />

matthias.drilling@fhnw.ch


1) Ausgangslage: Grossstadtforschung–<br />

Stadtforschung - Quartierforschung<br />

2) Raumverständnisse: Absolutistisch vs.<br />

Relativistisch<br />

3) Soziale Landschaften als Metapher<br />

4) Empirie: Basel, seine Jugend und die Quartiere<br />

5) Präzisierung 1:Transnationale soziale Räume<br />

6) Präzisierung 2: Tragfähige Alltagskultur<br />

7) Fazit: Quartierforschung als Raumverständnisse<br />

vereinende Forschungsstrategie<br />

Bayreuth AK <strong>Quartiersforschung</strong> 2007<br />

<strong>Matthias</strong> <strong>Drilling</strong>


Zur Bedeutung der Quartiere in der<br />

Grosstadtforschung<br />

Das Containermodell der klassische Stadtforschung<br />

- “Es gibt einen Raum, in dem Körper sind”<br />

- Strukturebene<br />

vs.<br />

Relativistisches Modell<br />

- “Es gibt einen Raum, der durch Körper gebildet wird”<br />

- Handlungsebene<br />

Bayreuth AK <strong>Quartiersforschung</strong> 2007<br />

<strong>Matthias</strong> <strong>Drilling</strong>


Klassisches Raumverständnis:<br />

Kontextfaktoren<br />

- Gegenstand der Geographie (Raum vs. Handlung)<br />

- Träger: Akademie für Raumforschung und<br />

Landesplanung sowie Planungsämter<br />

Akademie für Raumforschung und Landesplanung, 1968: „Bei der<br />

Gliederung des Stadtgebietes ist von der derzeitigen Flächennutzung<br />

auszugehen und die Grenzen der Ortsteile an natürlichen Grenzen<br />

anzulehnen.“<br />

- “Quantitative Revolution in den<br />

Sozialwissenschaften”<br />

- Fehlen eines Verständnisses von Quartierforschung<br />

Forschungen über Quartiere auf Innovationen der<br />

Stadtforschung angewiesen<br />

Bayreuth AK <strong>Quartiersforschung</strong> 2007<br />

<strong>Matthias</strong> <strong>Drilling</strong>


Forschungsfelder des klassischen<br />

Paradigmas<br />

- Stadtstrukturforschung<br />

- Städtebauforschung<br />

- Städtische Armutsforschung<br />

- Segregationsforschung<br />

Und ihre Politikfelder, z.B. Soziale Stadtentwicklung<br />

Bayreuth AK <strong>Quartiersforschung</strong> 2007<br />

<strong>Matthias</strong> <strong>Drilling</strong>


Relativistisches Raumverständnis<br />

Für Mittelstädte besonders geeignet, weil<br />

- Kleinräumigkeit – Differenzierungsmöglichkeiten<br />

- Teile zwar statistisch abgrenzbar, aber keine<br />

Bedeutungseinheiten<br />

- stigmatisierende Effekte eher auf Strassenzüge<br />

oder einzelne Häuser oder Siedlungen<br />

konzentriert<br />

- Mobilität entankert Subjekt-Territorium-<br />

Beziehung<br />

Bayreuth AK <strong>Quartiersforschung</strong> 2007<br />

<strong>Matthias</strong> <strong>Drilling</strong>


Landschaftsmetapher<br />

Thesen (Appadurai 1996, Albrow 1996):<br />

Globalisierung führt nicht zu einer Vereinheitlichung<br />

der soziokulturellen Welt sondern zur Herausbildung<br />

verschiedener Lebensstile.<br />

Es kennzeichnet die Globalisierung, dass das soziale<br />

Leben nicht mehr an einen Ort gebunden ist und dass<br />

die lokale Kultur nicht mehr nur durch die jeweils an<br />

einem Ort lebenden Menschen geprägt wird.<br />

Widerspruch zu Konzepten „lokale Kultur“,<br />

„neigbourhood“, „community“<br />

Bayreuth AK <strong>Quartiersforschung</strong> 2007<br />

<strong>Matthias</strong> <strong>Drilling</strong>


Empirie: Mittelstadt Basel<br />

Empirische Daten:<br />

1123 Sozialhilfe beziehende 18-25 Jährige<br />

(Verlaufsstudie 1999-2003) <strong>Drilling</strong> 2004<br />

Vergleichstudien:<br />

- Stadtstrukturmodell Schneider-Sliwa 1999:<br />

Benachteiligte Stadtteile und Ausgangspunkt für<br />

Stadtentwicklungsmassnahmen<br />

- Sozialhilfe in Basel Cavigelli (2003)<br />

Bayreuth AK <strong>Quartiersforschung</strong> 2007<br />

<strong>Matthias</strong> <strong>Drilling</strong>


Präzisierung 1:<br />

Transnationale soziale Räume (Pries 1999)<br />

Junge Migranten, Familiennachzug, Ohne Ausbildung,<br />

Verschuldung, Familienverantwortung<br />

Transmigranten: „Ich habe keine Zukunft. [...] Früher habe ich alles<br />

nur für die [Familie] gemacht, nicht für mich; jetzt möchte ich nur für<br />

mich machen und kann nicht. Muss Zeit haben. Aber die Zeit ist schon<br />

vorbei.“<br />

Fehlende Inkorporation<br />

Rückzug in der segregierten Stadt<br />

„Ist besser alleine zuhause, Fernsehen schauen und manchmal<br />

rausgehen irgendetwas kaufen.“<br />

Relative Bedeutungslosigkeit des benachteiligten<br />

Quartiers<br />

Bayreuth AK <strong>Quartiersforschung</strong> 2007<br />

<strong>Matthias</strong> <strong>Drilling</strong>


Khü<br />

Kly<br />

SJh<br />

Mth<br />

Rst<br />

Hzb<br />

Isl<br />

A Kb<br />

Cla<br />

Wet<br />

Gth<br />

A Rg<br />

A Gb<br />

V st<br />

Brt<br />

Blt<br />

Gdn<br />

SAl<br />

Legende Kreisdiagramme<br />

Sozialhilfedichte Sept. 2000 in %<br />

0.00 - 1.00<br />

1.01 - 2.00<br />

2.01 - 3.00<br />

3.01 - 4.00<br />

4.01 - 5.00<br />

Bhz<br />

Türkei<br />

Ehem. Jugoslawien<br />

Italien<br />

Übrige Nationalitäten<br />

75<br />

50<br />

Quelle:<br />

<strong>Drilling</strong>, M. (2004)<br />

Kartengrundlage: siehe Karte 2<br />

Abkürzungen der Quartiernamen: siehe Karte 1.<br />

Datengrundlage Karte 4: Sozialhilfe der Stadt Basel,<br />

eigene Berechnungen.<br />

Bearbeitung: <strong>Matthias</strong> <strong>Drilling</strong>.<br />

Bayreuth AK <strong>Quartiersforschung</strong> 2007<br />

0 500 1'000 Meters<br />

25<br />

<strong>Matthias</strong> <strong>Drilling</strong><br />

0


Präzisierung 2:<br />

Orte tragfähiger Alltagskultur<br />

Junge Schweizer und Italiener, In Basel aufgewachsen,<br />

Ohne Ausbildung, gesundheitliche Probleme<br />

Bedeutung des Freundeskreises: „ Leute, die ich auf der Gasse<br />

irgendwie kennen gelernt habe beim Festen und beim Punksein, hat es<br />

auch ein paar. Dann hat es ein paar, die ich ganz anders kennen gelernt<br />

habe. Irgendwie so. Ich habe, glaube ich, einen recht<br />

zusammengewürfelten Freundeskreis.“<br />

Stadt als Garant der Multioptionsgesellschaft und Stadt<br />

als psycho-soziales Versorgungszentrum<br />

(„sozialpädagogische Stadt“)<br />

Bayreuth AK <strong>Quartiersforschung</strong> 2007<br />

<strong>Matthias</strong> <strong>Drilling</strong>


D<br />

M<br />

M<br />

F<br />

M<br />

D<br />

B<br />

D B<br />

D<br />

F<br />

F<br />

B<br />

F<br />

D<br />

M<br />

B<br />

F<br />

D<br />

Sozialhilfefälle pro Block im Sept. 2000<br />

0 - 10<br />

11 - 15<br />

16 - 20<br />

21 - 25<br />

über 25<br />

0 500 1'000 Meters<br />

B Beschäftigungsprogramm<br />

D Kontrollierte Drogenabgabe<br />

F Freizeitgestaltung<br />

M Mobile Beratung und Jugendarbeit<br />

B<br />

Kartengrundlage<br />

Sozialhilfedichte in absoluten<br />

Fallzahlen auf Blockebene im<br />

September 2000<br />

Vermessungsamt Kanton Basel-<br />

Stadt.<br />

Kartographie und Bearbeitung<br />

Nina Cavigelli.<br />

Quelle: Cavigelli 2003, 69.<br />

Datengrundlage: Führer durch<br />

das soziale Basel, eigene<br />

Recherchen<br />

Bearbeitung: <strong>Matthias</strong> <strong>Drilling</strong>.<br />

Bayreuth AK <strong>Quartiersforschung</strong> 2007<br />

Quelle:<br />

<strong>Drilling</strong>, M. (2004)<br />

<strong>Matthias</strong> <strong>Drilling</strong>


Alltagskultur<br />

„System von erkennbaren Regeln und Traditionen,<br />

von selbstverständlichen Deutungs- und<br />

Handlungsmustern“ (Maier & Sommerfeld, 2001)<br />

„Welt des Jedermann“ (Schütz)<br />

Exklusivität: Wir/die Anderen<br />

Bedeutung des Quartiers vor allem Bedeutung der<br />

Unterstützungsangebote<br />

Bayreuth AK <strong>Quartiersforschung</strong> 2007<br />

<strong>Matthias</strong> <strong>Drilling</strong>


Fazit<br />

Binnendifferenzierung in der<br />

Stadtforschung<br />

Quartierforschung als Klammer (statt<br />

Bindestrich)<br />

Quartierverständnis und –bedeutung<br />

(Grossstadt vs. Mittelstadt)<br />

Koproduktion von Struktur- und<br />

Handlungsforschung<br />

Bayreuth AK <strong>Quartiersforschung</strong> 2007<br />

<strong>Matthias</strong> <strong>Drilling</strong>


Literatur<br />

• Akademie für Raumforschung und Landesplanung. (1968). Die Gliederung des Stadtgebietes.<br />

Hannover: Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Forschungs- und Sitzungsberichte,<br />

Bd. 42.<br />

• Albrow, M. (1996). The Global Age - State and Society Beyond Modernity. Cambridge/Oxford:<br />

Polity Press.<br />

• Albrow, M. (1998). Auf Reisen jenseits der Heimat. Soziale Landschaften in einer globalen Stadt.<br />

In U. Beck (Ed.), Kinder der Freiheit (pp. 288-314). Frankfurt a.M.: Suhrkamp.<br />

• Appadurai, A. (1996). Modernity At Large: Cultural Dimensions of Globalization. Minneapolis:<br />

University of Minnesota Press.<br />

• <strong>Drilling</strong>, M. (2004). Young urban poor. Abstiegsprozesse in den Zentren der Sozialstaaten.<br />

Wiesbaden: VS Verlag.<br />

• Maier, K., & Sommerfeld, P. (2001). Für einen konstruktiven Umgang mit professionellen<br />

Paradoxien. Entwicklung eines Modells konkurrierender Rollen der Sozialarbeit beim Aufbau<br />

einer tragfähigen Alltagskultur im Stadtteil. Sozialmagazin, 26(9), 32-41.<br />

• Pries, L. (1998). 'Transmigranten' als ein Typ von Arbeitswanderern in pluri-lokalen sozialen<br />

Räumen. Das Beispiel der Arbeitswanderungen zwischen Pueblo/Mexiko und New York. Soziale<br />

Welt, 49, 135-150.<br />

• Pries, L. (1999). Die Neuschneidung der Verhältnisses von Sozialraum und Flächenraum. Das<br />

Beispiel transnationaler Migrationsräume. In C. Honnegger, S. Hradil & F. Traxler (Eds.),<br />

Grenzenlose Gesellschaft? Verhandlungen des 29. Kongress der Deutschen Gesellschaft für<br />

Soziologie, des 16. Kongresses der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie, des 11.<br />

Kongresses der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie in Freiburg i.Br. 1998 (pp. 432-452).<br />

Opladen.<br />

Bayreuth AK <strong>Quartiersforschung</strong> 2007<br />

<strong>Matthias</strong> <strong>Drilling</strong>

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