Stefan Karasek - Arbeitskreis Quartiersforschung
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Magisterarbeit<br />
Titel der Magisterarbeit<br />
„Intermediäre Organisationen für eine soziale<br />
Stadt(teil)entwicklung in Wien –<br />
Die Vernetzung am Beispiel des Grätzelmanagement<br />
Volkert- und Alliiertenviertel“<br />
Verfasser<br />
<strong>Stefan</strong> <strong>Karasek</strong><br />
angestrebter akademischer Grad<br />
Magister rer. soc. oec.<br />
Wien, im September 2007<br />
Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 122 295<br />
Studienrichtung lt. Studienblatt: Soziologie, geisteswissenschaftl. Stzw., gewählte Fächer<br />
statt 2. Studienrichtung<br />
Betreuer:<br />
Univ.-Prof. Dr. Jens S. Dangschat
Danksagung<br />
Die vorliegende Diplomarbeit ist mit Unterstützung und Hilfe vieler Menschen zustande<br />
gekommen. Mein Dank gilt in diesem Zusammenhang vor allem Gaby, Joe, Alex,<br />
Marion und Barbara; Peter für das Ausleihen des Notebooks; Prof. Jens Dangschat für<br />
die Betreuung und Alex Hamedinger für die Hilfe bei der Eingrenzung des Themas;<br />
Eva danke ich für die zahllosen vergünstigten Studienbücher und meinen Freunden für<br />
die Geduld, aber auch die willkommene Abwechslung.<br />
2
"Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile."<br />
(Aristoteles)<br />
Lesehinweis:<br />
Die gebräuchlichen männlichen Substantive wurden bewusst nicht neutralisiert oder<br />
feminisiert, um den Lesefluss zu fördern, wie zum Beispiel „Akteure“ statt „Akteure und<br />
Akteurinnen“ oder „AkteurInnen“. Es sind in solchen Fällen immer die Angehörigen beider<br />
Geschlechter gemeint, außer es ist ausdrücklich vermerkt. Ich bitte dafür um Verständnis.<br />
Außerdem sind englischsprachige Begriffe, die kaum ins Deutsche übersetzbar sind, kursiv<br />
gesetzt, ebenso Eigennamen wie Grätzelmanagement.<br />
3
EINLEITUNG 8<br />
1. THEORETISCHER HINTERGRUND 11<br />
1.1. Governance 11<br />
1.1.1. Der Wandel der Verwaltungspolitik 11<br />
1.1.2. Die Hauptelemente von Governance 14<br />
1.1.2.1. Neue Kooperations-, Interaktions-, und Steuerungsformen 15<br />
1.1.2.2. Institutionalisierung neuer Formen des Regierens 17<br />
1.1.2.3. Verhandlungssysteme 17<br />
1.1.3. Kritik am Reformkonzept Governance 18<br />
1.1.4. Ausblick auf die weitere Arbeit 20<br />
1.2. Stadtteilmanagement als intermediäre Instanz 21<br />
1.2.1. Der Entstehungszusammenhang intermediärer Organisationen 21<br />
1.2.2. Begründung in der Entwicklung moderner Gesellschaft 21<br />
1.2.3. Die Aufgabenbeschreibung für intermediäre Organisationen 24<br />
1.2.4. Kritik am Konzept intermediärer Instanzen 25<br />
1.3. Stadtteilmanagement 27<br />
1.3.1. Der Stadtteilbezug/Der Quartiersansatz 27<br />
1.3.2. Struktur von Stadtteilmanagement 28<br />
1.3.2.1. Aspekte vertikaler Kooperation im Stadtteilmanagement 32<br />
1.3.2.2. Aspekte horizontaler Kooperation im Stadtteilmanagement 38<br />
1.3.3. Stadtteilmanagement im Rahmen des deutschen Bund-Länder-Programms „soziale<br />
Stadt“ - Ausblick auf die empirische Arbeit 46<br />
1.3.4. Stadtteilmanagement in der Kritik 47<br />
2. FORSCHUNGSFRAGEN 50<br />
A. Die Vermittlungs- und Vernetzungsstrukturen/horizontale Kooperation 50<br />
B. Die Entscheidungsstrukturen/vertikale Verteilung von Verantwortung und<br />
Kompetenz/Vermittlung und Vernetzung zwischen den Ebenen 51<br />
3. FORSCHUNGSMETHODEN UND FORSCHUNGSPROZESS 52<br />
3.1. Experteninterviews 54<br />
4
3.2. Leitfadeninterviews 55<br />
3.3. Inhaltsanalyse 57<br />
3.4. Datenerhebung und Interviewzitation 62<br />
3.5. Kurze Reflexion des Forschungsprozesses 63<br />
4. GRÄTZELMANAGEMENT VOLKERT- UND ALLIIERTENVIERTEL ALLGEMEIN<br />
66<br />
4.1. Institutionelle Einbettung des Projekts Grätzelmanagement 66<br />
4.1.4. Institutionen im Grätzelmanagement 67<br />
4.1.2. Ziele des Grätzelmanagements 71<br />
4.1.3. Überblick über den Ablauf der Organisation des Pilotprojekts Grätzelmanagement<br />
Volkert- und Alliiertenviertel 72<br />
4.1.4. Projektumsetzungen im Grätzelmanagement 72<br />
Das Projekt Umgestaltung Volkertplatz 73<br />
4.2. Die Beschreibung des Grätzels Volkert- und Alliiertenviertel 75<br />
5. HORIZONTALE VERNETZUNG DURCH DAS GRÄTZELMANAGEMENT 79<br />
5.1. Horizontale Vernetzung auf Verwaltungsebene 79<br />
5.1.1. Orte des Austausches und der Vernetzung – neue Kontakte 79<br />
5.1.2. Weitere Institutionen 80<br />
5.1.3. Institutionalisierung von Stadtteilen in der Verwaltung 81<br />
5.1.4. Ressortübergreifende Zusammenarbeit 81<br />
5.1.5. Vorteile der horizontalen Vernetzung auf Stadt- und Verwaltungsebene 83<br />
5.1.6. Selbstbestimmtes Regelwerk 84<br />
5.1.7. Ungleichgewicht in der Machtverteilung im Grätzelbeirat 85<br />
5.1.8. Begriff vom integrierten Handlungsansatz 85<br />
5.1.9. Zuweisung finanzieller Mittel für gemeinsame Projekte 87<br />
5.1.10. Zukunft und Nachhaltigkeit im Verwaltungsbereich 87<br />
5.2. Horizontale Vernetzung auf Stadtteilebene 89<br />
5.2.1. Kontaktaufnahme durch das Grätzelmanagement 89<br />
5.2.2. Akteure in den <strong>Arbeitskreis</strong>en 90<br />
5
5.2.3. Grätzelforum 97<br />
5.2.4. Informeller Austausch im Stadtteil 98<br />
5.2.5. Vernetzung der Dienstleister 100<br />
5.2.6. Ergebnisse aus den Netzwerken und „Nutzen“ der Netzwerke 100<br />
5.2.7. Qualität der Vernetzung 105<br />
5.2.8. Einflussfaktoren erfolgreicher Vernetzung im Stadtteil 109<br />
5.2.9. Hindernisse für eine horizontale Vernetzung im Stadtteil 122<br />
5.2.10. Initiativen 130<br />
5.2.11. Nachhaltigkeit: selbsttragende Strukturen 130<br />
6. VERTIKALE VERNETZUNG DURCH DAS GRÄTZELMANAGEMENT 133<br />
6.1. Grätzelbeirat 133<br />
6.2. Projektkoordinationsgruppe 134<br />
6.3. Vernetzung „nach oben“ 135<br />
6.4. Problemdefinition 137<br />
6.5. Projektentwicklung und Umsetzung 139<br />
6.6. Entscheidungskompetenzen 140<br />
6.6.1. Entscheidungskompetenzen der lokalen Ebene 141<br />
6.7. Kommunikation des Grätzelmanagement „nach oben“ 142<br />
6.8. Kommunikation des Grätzelmanagement „nach unten“ 143<br />
6.9. Spielregeln zum Verhältnis zwischen Bezirksvertretung und Stadtteilgremien 143<br />
6.10. Vertrauen in die „untere“ Ebene 144<br />
6.10.1. Verfügungsfonds 145<br />
6.11. Gemeinsame Problemorientierung 146<br />
6.12. Problemsicht vertikale Verteilung 147<br />
6.13. Vermittlung 149<br />
6.13.1 Kontakt 149<br />
6
6.13.2. Information 150<br />
6.13.3. Transparenz 151<br />
6.13.4. Verstehen 153<br />
6.14. Gemeinsam bestimmte Regeln der Zusammenarbeit und Selbstorganisation 154<br />
6.15. Lernerfahrungen aus dem Grätzelmanagement 155<br />
6.16. Die Vernetzung durch das Grätzelmanagement - Überblick 156<br />
CONCLUSIO 158<br />
Anhang 166<br />
Literatur 170<br />
Quellen- und Materialverzeichnis 177<br />
Abbildungsverzeichnis 178<br />
Tabellenverzeichnis 178<br />
Abkürzungsverzeichnis 179<br />
7
Einleitung<br />
Meiner persönlichen Wahrnehmung zufolge ist in Wien in den letzten Jahren eine Zunahme<br />
sozialräumlicher Polarisierung zu beobachten. Dabei fallen Stadtteile durch einen<br />
überdurchschnittlichen Migrantenanteil und hohe Arbeitslosenquoten bzw. niedriges<br />
Bildungsniveau auf. Diese Problemkombination wird von Phänomenen wie einer mangelhaften<br />
Ausstattung mit technischer Infrastruktur, unzureichender Verkehrsanbindung oder schlechter<br />
Nahversorgung im Stadtteil überlagert. Der Verdacht liegt dabei nahe, dass die sozial<br />
Benachteiligten durch die Bedingungen im Stadtteil zusätzlich benachteiligt werden<br />
(Alisch/Dangschat 1998). Aber woher kommen auf einmal diese sozialräumlichen<br />
Unterschiede in Ländern und Städten hochmoderner Gesellschaften, die über die letzten<br />
Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts zu den reichsten der Welt gehörten? Diese Unterschiede<br />
wachsen als unmittelbare Folge ökonomischer Umstrukturierungen (Alisch 2001: 7). Ausdruck<br />
finden sie erstens in der sozio-ökonomischen Polarisierung, also im Auseinanderentwickeln der<br />
Einkommen und der Einkommenssicherheit (Dangschat 1997). Dazu kommt die soziodemographische<br />
Ungleichheit, die sich in den Veränderungen der Haushaltsstrukturen<br />
niederschlägt, welche als Folge sich ausdifferenzierender Lebens- und Wohnformen zu<br />
beobachten ist. Weiter ist eine sozio-kulturelle Heterogenisierung, beobachtbar in Lebensstilen<br />
und multikultureller Ausdifferenzierung, fest zu stellen. Diese wirkt sich wiederum auf die<br />
Nachfrage nach Wohnraum aus. Diese Nachfrage nach Wohnraum ist demnach sozial selektiv<br />
und fördert letztlich die sozialräumliche Polarisierung (Alisch 2001: 7f.).<br />
Diese Probleme scheinen zu komplex zu sein, um sie mit punktuellen Maßnahmen wie<br />
arbeitsmarktpolitischen Projekten oder baulichen Erneuerungen allein zu lösen. Diese<br />
Maßnahmen müssen nicht nur verknüpft und aufeinander abgestimmt werden, es ist auch<br />
notwendig, sie an die Bedürfnisse des Stadtteils und deren Bewohnern anzupassen und damit<br />
die Kompetenzen und Sichtweisen der Betroffenen in die Stadtentwicklung einzubinden und<br />
damit die soziale Integration zu stärken. Dazu ist es vor allem erforderlich, die<br />
unterschiedlichen Akteuren an einen Tisch zu setzen und ein gegenseitiges Verständnis zu<br />
fördern sowie die Synergien zu nutzen, die entstehen können, wenn unterschiedliche Ideen,<br />
Kompetenzen und Perspektiven aufeinander bezogen werden.<br />
In deutschen Städten ist die Entwicklung der sozialräumlichen Polarisierung bereits weiter<br />
vorangeschritten als in Österreich. Aufgrund des erhöhten Problemdrucks ist dort 1999 im<br />
Zuge des Bund-Länder-Programms die Initiative „Stadtteile mit besonderem<br />
Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt“ eingerichtet worden, um die Wohn,- Arbeits- und<br />
8
Lebensbedingungen in den jeweiligen benachteiligten Stadtteilen zu verbessern. Das<br />
Programm geht von der Notwendigkeit eines integrierten Handlungsansatzes aus, der<br />
möglichst alle relevanten Akteuren vor Ort in den Entwicklungsprozess des Stadtteils<br />
einbinden soll. Interessant ist dabei die rasante Vorgehensweise praktischer Umsetzung im<br />
Gegensatz zur Entwicklung adäquater und die Praxis unterstützender Theorien. Ein Diskurs<br />
zwischen Praxis und Theorie fehlt laut Greiffenhagen/Neller (vgl. 2005) weitgehend. Von einer<br />
Integration der beiden Zugänge könnten jedoch beide Seiten profitieren.<br />
„Die Akzeptanz der vom Programm ´die soziale Stadt´ geforderten<br />
ressortübergreifenden Koordination und Kooperation von Politik und Verwaltung mit<br />
Akteuren aus den Stadtteilen“<br />
wird nach Greiffenhagen/Neller (2005: 11) zu wenig thematisiert.<br />
Genau hier soll der Ausgangspunkt meiner Fragestellung liegen, welche die vorliegende Arbeit<br />
begründet. Generell wird hier die Kooperation und Vernetzung jener verschiedenen Akteuren<br />
Thema sein, welche Einfluss auf die Entwicklung eines Stadtteils nehmen oder nehmen<br />
möchten bzw. auch nehmen sollten.<br />
Wir haben es im Wesentlichen also mit zwei Hauptaspekten zu tun. Zum einen, wie kann der<br />
steigenden Armut und sozialräumlichen Polarisierung in Großstädten entgegengewirkt werden<br />
und zwar ergänzend zu wohlfahrtsstaatlichen Maßnahmen, die erstens nicht mehr auszureichen<br />
scheinen und zweitens „von oben“ zurückgefahren werden? Zum anderen handelt es sich dann,<br />
unter der Vorraussetzung, dass Ergänzungen zum Wohlfahrtsstaat willkommen geheißen<br />
werden, um die Frage: Wie kann diese Ergänzung organisiert werden und welche neuen<br />
Strukturen und Prozesse der politischen Steuerung können in diesem Zusammenhang<br />
beobachtet werden? Zu dieser Frage soll einleitend das Konzept von Governance vorgestellt<br />
werden.<br />
Ich verfolge in dieser Arbeit zwei soziologisch zu durchleuchtende Aspekte. Unter dem Aspekt<br />
intermediärer Organisationen steht die Frage des gegenseitigen Verstehens, die Vermittlung<br />
unterschiedlicher Werte und Logiken, der Austausch von Meinungen und Sichtweisen im<br />
Vordergrund. Im zweiten Aspekt stellt sich die Frage nach einer erfolgreichen Kooperation<br />
zwischen unterschiedlichen Akteuren zur Schaffung von Synergien und Synthesen für den<br />
Stadtteil. Beide Aspekte sind nicht nur Ziel eines modernen Stadtteilmanagementkonzepts,<br />
sondern auch untrennbar miteinander verbunden, denn ohne der Integration von Individuen in<br />
eine Kooperation kommt es auch zu keiner erfolgreichen Zusammenarbeit, d.h. zu einem<br />
sinnvollen aufeinander Beziehen der je eigenen Beiträge und Leistungen. Intermediäre<br />
Organisationen sind also die Voraussetzung für eine Vernetzung und Kooperation<br />
9
unterschiedlicher Akteure. Diese intermediären Akteure sollen unterschiedliche<br />
Organisationsprinzipien und Handlungslogiken verzahnen<br />
„und vor allem die Ressourcen der jeweiligen Welten mehr füreinander nutzbar<br />
machen“<br />
(Grimm 2004: 50).<br />
Die beiden wesentlichen Ausgangspunkte dieser Arbeit sind somit:<br />
Die Untersuchung des Grätzelmanagement in seiner Rolle als intermediäre Organisation: Bei<br />
der Kooperation zwischen unterschiedlichen Fachressorts, Verwaltungssektoren, Bewohnern<br />
unterschiedlicher Herkunft und Lebenswelten oder Wirtschaftstreibenden ergeben sich oft<br />
kommunikative Probleme aufgrund kultureller Unterschiede oder divergierender<br />
Handlungslogiken. Ein Stadtteilmanagement hat die Aufgabe, als intermediäre Organisation<br />
zwischen unterschiedlichen Handlungslogiken in horizontaler und vertikaler Richtung zu<br />
vermitteln. Die dabei erbrachte Vermittlungsleistung kann helfen,<br />
„die Grundlagen verständigungsorientierten Handelns, die kommunikativen<br />
Infrastrukturen der Lebenswelt im Rahmen von komplexen<br />
Stadt(teil)entwicklungsprozessen zu bewahren“ (Grimm 2004: 240f.).<br />
Die Untersuchung des Grätzelmanagement hinsichtlich der Vernetzungsstrukturen und –<br />
prozesse und damit auch der politischen Steuerungsform: Hierbei kommen die<br />
strukturbezogenen Ziele eines Stadtteilmanagements zum tragen wie sie Alisch (2002: 94ff.)<br />
beschreibt. Damit ist der Anspruch verbunden, eine horizontale und vertikale Kooperation von<br />
Akteuren der Stadtteil- sowie der Verwaltungs- und Politikebene der Stadt zu erreichen. Alisch<br />
(2002: 95) unterscheidet beim Stadtteilmanagement zwei Ziele (Details siehe Kapitel III.2),<br />
die es zu erreichen gilt. Das sind erstens die gebietsbezogenen Ziele zur Verbesserung der<br />
Lebensbedingungen im Stadtteil und zweitens die strukturbezogenen Ziele, welche die<br />
angestrebten grundsätzlichen sozialen Beziehungen und die damit verbundenen Kooperationen<br />
in vertikaler und horizontaler Richtung beinhalten:<br />
„Die strukturbezogenen Ziele umreißen die angestrebte Qualität der policies als<br />
integrierte Handlungsansätze“ (Alisch 2002: 96).<br />
Dieser Handlungsansatz findet sich auch in der Zieldefinition des deutschen<br />
Bund-Länder Programms „soziale Stadt“ wieder (Heinelt/Mensch 2001). Auch Selle (vgl.<br />
1996b: 147) betont die Herausforderung, bisher getrennte Handlungsfelder in der<br />
Stadtteilentwicklung zu integrieren.<br />
10
1. Theoretischer Hintergrund<br />
1.1. Governance<br />
Um Stadtteilmanagement in seiner heutigen Ausprägung besser verstehen zu können ist es<br />
sinnvoll, den Begriff in einen breiteren Kontext zu stellen.<br />
Stadtteilmanagement stellt kein isoliertes soziales und politisches Feld mit ausschließlich ihm<br />
eigenen Bedingungen dar. Manche Kernpunkte (Entwicklungen und Anforderungen) in diesem<br />
Bereich spiegeln nämlich gleichzeitig die Veränderungen in der Gesamtentwicklung politischer<br />
Steuerung wider. Um diese veränderte Art und Weise politischer Steuerung zu beschreiben,<br />
wird der Begriff Governance verwendet.<br />
Damit Stadtteilmanagement also in seiner steuerungspolitischen Dimension leichter<br />
verständlich wird, möchte ich nun Governance als gegenwärtige Richtung einer Entwicklung<br />
von verwaltungs- und steuerungspolitischen Leitbildern nach dem zweiten Weltkrieg<br />
beschreiben und dann auf die aktuellen Besonderheiten von Governance eingehen.<br />
Dies soll in Anlehnung an die beiden Autoren Jann und Wegrich geschehen. Ich beziehe mich<br />
also weitgehend auf die Literatur aus dem deutschsprachigen Raum, da sich mit ihr die<br />
Entwicklung auch in Österreich am ehesten beschreiben lässt.<br />
1.1.1. Der Wandel der Verwaltungspolitik<br />
Das Konzept Governance wird laut Jann/Wegrich (vgl. 2004: 194) vor allem als normatives<br />
Konzept, weniger als analytisches Konzept verwendet. Es soll dabei Ansätze und Erfordernisse<br />
der Verwaltungsreform begründen. In unserem Fall hat das Konzept aber sehr wohl auch eine<br />
analytische Bedeutung. Schließlich soll das Grätzelmanagement Volkert- und Alliiertenviertel<br />
anhand einiger Dimensionen des Reformkonzeptes Governance analysiert und<br />
dementsprechend eingeordnet werden.<br />
Jann/Wegrich (2004: 196) unterscheiden vier dominierende Leitbilder in der<br />
Verwaltungspolitik seit Beginn der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts. Das erste bezeichnen sie<br />
als eine klassische weberianische, hierarchische Verwaltung im „demokratischen Staat“. Dabei<br />
ist die öffentliche Verwaltung den demokratisch legitimierten Instanzen, also Parlament und<br />
Regierung hierarchisch unterstellt und sie wirkt als „Vollzugsagent“ für die Umsetzung von<br />
Entscheidungen aus der Politik. Die Verwaltung selbst ist ebenfalls hierarchisch aufgebaut.<br />
Recht und Hierarchie waren die<br />
„nicht hinterfragten Steuerungsinstrumente dieses Verwaltungsmodells“ (Jann/Wegrich<br />
2004: 197).<br />
11
Das Verwaltungsrecht und den ihm zugrunde liegenden Rechtsschutz galt es umfassend zu<br />
gewährleisten.<br />
Das darauf folgende zweite Leitbild war vom Konzept des Marktversagens geprägt, bei dem<br />
der Staat eine lenkende und korrigierende Rolle als „aktiver Staat“ übernahm. Man war davon<br />
überzeugt, durch Erhöhung der Informations- und Problemverarbeitungskapazitäten von<br />
Regierung und Verwaltung alle Probleme des Regierens in den Griff zu bekommen. Planung<br />
spielte dabei eine wichtige Rolle. Im Konzept des politisch-administrativen System (PAS)<br />
verwirklichte sich schließlich die funktionale Verschränkung von Politik und Verwaltung.<br />
Doch Implementationsprobleme dieser Reformen und ökonomische Krisen brachten diesem<br />
Leitbild nicht nur viel Skepsis ein, sondern führten gar zu einer völligen Abwendung in den<br />
späten 70er Jahren. Das Tempo dieses Leitbildwandels war in den verschiedenen Ländern<br />
jedoch unterschiedlich. Zum Beispiel muss hier Österreich als Sonderfall ausgenommen<br />
werden, wo sich das alte Leitbild bis weit in die 80er Jahre hielt.<br />
Ansonsten setzte sich nun in weiten Teilen Westeuropas das neue dritte verwaltungspolitische<br />
Leitbild des „schlanken Staates“ durch. Im Zuge der nun einsetzenden neo-liberalen<br />
Staatskritik wurden die Vorwürfe umgekehrt und mehr als Staats- und Bürokratieversagen<br />
formuliert und nicht als Marktversagen. Dabei waren die Perspektiven und Lösungsansätze<br />
eher binnenorientiert, d.h. es wurde eine Rechts- und Verwaltungsvereinfachung im Sinne<br />
einer Entbürokratisierung bzw. Entstaatlichung gefordert. Managementkonzepte kehrten aus<br />
dem privaten Sektor in die Verwaltung ein. Bis heute populär geblieben ist der Begriff des New<br />
Public Management und zwar nicht nur als Schlagwort sondern auch in seiner Umsetzung.<br />
Die wichtigsten zu nennenden Elemente eines neuen öffentlichen Managements sind<br />
Outsourcing, Kontraktmanagement, Output-Steuerung, Dezentralisierung, Privatisierung (vgl.<br />
Jann 2001). Die Lösung des Effizienzproblems gilt dabei als vorrangig. Dieses Leitbild sieht<br />
im Kern eine ergebnisorientierte, transparente und dezentrale Steuerung mit einer Kunden- und<br />
Qualitätsorientierung der Verwaltung vor. Doch ist der Reformanspruch noch sehr stark nach<br />
innen gerichtet, wie Jann/Wegrich bemerken:<br />
„Entscheidend ist für dieses Leitbild vor allem die vorherrschende ´Binnensicht´, im<br />
Zentrum stehen die Optimierung und Modernisierung einzelner Organisationen (...) und<br />
das Vertrauen in die Steuerungsinstrumente des privaten Sektors (...)“ (Jann/Wegrich<br />
2004: 201).<br />
Diese Outputorientierung der Verwaltung hat ungewollte Nebenwirkungen wie die<br />
Segmentierung der Verwaltung oder das Aufkommen von Ressortegoismen. Dabei<br />
12
konzentrieren sich die einzelnen Verwaltungseinheiten auf die eigene Produktivität mehr als<br />
auf eine sachorientierte Problemlösung in Kooperation mit anderen.<br />
Das vierte Leitbild des „aktivierenden Staates“ erhält eine entscheidende Ergänzung zu seinem<br />
Vorgänger. Es geht um die Ausweitung der Problemsicht über das Staats- und<br />
Bürokratieversagen hinaus, hin zu einer ganzheitlicheren Sichtweise des Problems<br />
gesellschaftlicher Steuerung und Verantwortung. Es wird dabei von einem<br />
Gesellschaftsversagen ausgegangen und wie dieses behoben werden kann. Zivil- bzw.<br />
Bürgergesellschaft sind nun zusätzlich aufgefordert, sich der Lösung gesellschaftlicher<br />
Probleme anzunehmen. Man ist zu der Erkenntnis gekommen, dass auch eine noch so<br />
effiziente Verwaltung soziale Probleme nicht grundlegend lösen kann. Governance rückt an die<br />
Stelle von Management.<br />
„Der ´aktivierende Staat` zielt vor allem auf eine programmatische Neubestimmung des<br />
Verhältnisses von Staat, Markt und Zivilgesellschaft“ (Jann/Wegrich 2004: 199).<br />
Drei Kernthemen nennen Breitfuss et al. (2005: 59) als theoretische Begründung für<br />
Governance und in Folge auch für ein Stadtteilmanagement. Erstens sind die Möglichkeiten<br />
des Nationalstaates geringer geworden, die Arbeitsmarkt-, Wohnungsmarkt- und Sozialpolitik<br />
zu gestalten, worauf viele Verantwortlichkeiten und Aufgaben immer mehr den Individuen zu<br />
gefallen sind. Sie sollen zu mehr Eigeninitiative und Selbstverantwortung geführt werden.<br />
Zweitens nehmen sozialräumliche Ungleichheiten im Zuge globaler Veränderungen der<br />
Wirtschaftsstruktur und des Arbeitsmarktes zu. Das hat wiederum einen verstärkten<br />
Verteilungskampf um Arbeitsplätze und Wohnungen zur Folge, was die Bedeutung des<br />
Stadtteils erhöht. Damit werden soziale Maßnahmen zunehmend verräumlicht und sie erhalten<br />
einen stärkeren Gebietsbezug.<br />
Drittens haben neue technische Möglichkeiten die Kommunikation im Dienstleistungsbereich<br />
und in der Verwaltung neue Handlungsformen generiert und Aushandlungsprozesse haben die<br />
hierarchische Struktur verändert. Damit ist Vernetzung und Koordination zu einem zentralen<br />
Element neuer Steuerungsansätze, wie dem Stadtteilmanagement geworden.<br />
Modernes Governance kann als Reaktion auf die Kritik an einer regulativen hierarchischen<br />
Politik gedeutet werden. Mayntz (1979, 2004: 68) geht davon aus, dass eine regulative<br />
Normierung kein Verhalten motivieren kann, das auf Eigeninitiative und eigenes Engagement<br />
des Bürgers aufbaut und das in einer Zeit, in der der Anspruch auf Selbstbestimmung steigt.<br />
Alisch (2002: 172) nennt vor allem vier Anlässe für die Reformbestrebungen in der<br />
öffentlichen Verwaltung:<br />
„a) gesellschaftliche Rahmenbedingungen ,<br />
b) die Interpretation der kommunalen Finanzkrise,<br />
13
c) Politikversagen und die Reaktion der Gesellschaft,<br />
d) als erfolgreich wahrgenommene Wirtschaftsstrategien (Lernprozesse).“<br />
Die wichtigsten Ziele des Governance-Leitbildes sind nach Jann (vgl. 2002) die Erreichung<br />
sozialer, politischer und administrativer Kohäsion, die allgemeine Beteiligung und das<br />
bürgerschaftliche Engagement. Vor allem die Exklusion einzelner sozialer Gruppen soll<br />
überwunden werden. Daneben sollen die Ziele der Effizienz und der<br />
Dienstleistungsorientierung in der Verwaltung erhalten bleiben.<br />
Im Programm der deutschen Bundesregierung hieß es 1999 beispielsweise:<br />
„Der Staat ist weniger Entscheider und Produzent, als vielmehr Moderator und<br />
Aktivator der gesellschaftlichen Entwicklungen, die er nicht allein bestimmen kann und<br />
soll“<br />
(Bundesministerium des Inneren 1999: 8-9).<br />
In Österreich ging man im relevanten Regierungsprogramm 1 nicht so weit und explizierte auch<br />
die Rollenaufteilung zwischen Staat, Markt und Zivilgesellschaft nicht in dieser Weise. So<br />
heißt es dort nur u.a.:<br />
„Ziel ist die Konzentration der staatlichen Leistungen auf Kernfunktionen, u.a. durch die<br />
Fortsetzung des Weges der gesellschaftsrechtlichen Verselbständigung von definierten<br />
Bereichen“ (Regierungsprogramm 2000: 7).<br />
Diese Formulierung lässt noch sehr viel Spielraum für Interpretationen über die zukünftige<br />
Rolle des Staates, nur dass der Rückzug des Staates seinen Lauf nehmen soll, geht hier hervor.<br />
An anderer Stelle heißt es:<br />
„Der demokratische Staat ist auf die Mitwirkung seiner Bürgerinnen und Bürger<br />
angewiesen. Wir bemühen uns um einen neuen Patriotismus, der die Staatsbürger zum<br />
demokratischen Engagement und zur Mitverantwortung für das Gemeinwohl begeistert“<br />
(Regierungsprogramm 2000: 7).<br />
Auch hier ist es schwierig, eine eindeutige Aussage zu identifizieren, in diesem Fall darüber,<br />
welche Qualität bürgerschaftliches Engagement aufweisen soll. In wie weit hier eine breiter<br />
angelegte Basis für Kommunikation und Verhandlung als zuvor vorgesehen ist oder welche<br />
überschreiten aufgrund der hohen Komplexität die Kompetenzgrenzen Rolle der Staat, die<br />
Institutionen oder der private Sektor einnehmen soll, bleibt unklar.<br />
1.1.2. Die Hauptelemente von Governance<br />
Die aktuellen Probleme der Gesellschaft von Regierungs- und Verwaltungseinheiten. (Benz<br />
2004b) Regierungen und Verwaltungen können ihre Aufgaben immer weniger alleine und<br />
1 Der Beginn des Grätzelmanagements fällt in die Zeit der Regierung von „Schüssel I“ und dafür war das<br />
Regierungsprogramm vom 4.2.2000 relevant. http://www.austria.gv.at/site/3354/default.aspx;<br />
14
autonom erfüllen, sondern sind immer häufiger auf das Zusammenwirken mit anderen<br />
Akteuren (privater u. öffentlicher Sektor) angewiesen (Benz 2004b: 12).<br />
Um mit dieser Komplexität auch nur annähernd Schritt halten zu können, erscheint es sinnvoll,<br />
neue Steuerungsformen zu entwickeln. So bemerkt auch Mayntz (vgl. 2004: 71), dass die<br />
aktuellen Probleme „immer öfter den Charakter von Querschnittsproblemen haben“, welche in die<br />
Zuständigkeit unterschiedlicher Handlungsfelder hinein reichen.<br />
Mayntz (2004: 68) beschreibt das Besondere von Governance im modernen Staat als<br />
„das Zusammenwirken von Staat und Zivilgesellschaft bei der Regelung kollektiver<br />
Sachverhalte im gemeinschaftlichen Interesse“.<br />
Die Gestaltung von Governanceprozessen soll die Effektivität und Legitimität politischer<br />
Steuerung erhöhen (Heinelt 1997, 2002; zitiert nach Heinelt 2004: 34). Im Falle von<br />
Governance auf lokaler Ebene geht es darum, zentrale Leistungen und Programme auf die<br />
lokalen Besonderheiten zuzuschneiden, um die örtlichen Bedingungen zu berücksichtigen und<br />
die sogenannten „Problemgruppen“ zu erfassen (Benz 2004b: 35).<br />
Es entsteht immer mehr Zweifel daran, dass der Markt oder die ihn ersetzenden Mittel wie<br />
simulierte Wettbewerbe (Ausschreibungen) die einzige Alternative zu einer hierarchischen<br />
Steuerung sind, um die Leistungsfähigkeit des politisch-administrativen Systems zu sichern<br />
und zu steigern (Jann/Wegrich 2004).<br />
Die entscheidende Idee zur Weiterentwicklung verwaltungs- und steuerungspolitischer Formen<br />
im Governance Konzept liegt im Versuch, die bisher dominanten Modi zu kombinieren, wie<br />
das in den sogenannten Public Private Partnerships bereits passiert. Man hofft dabei auf eine<br />
positive Wechselwirkung zwischen den Steuerungsformen des hierarchischen Staates und dem<br />
marktorientierten Modell des New Public Management. Diese Kombination soll die jeweiligen<br />
Potentiale zur Entfaltung bringen (Jann/Wegrich 2004). Dazu ist es allerdings notwendig, die<br />
Akteure der verschiedenen Felder zusammenzubringen und deren Interessen miteinander zu<br />
koordinieren. Es ergeben sich also in Folge neue Beziehungsstrukturen in der politischen<br />
Steuerung.<br />
1.1.2.1. Neue Kooperations-, Interaktions-, und Steuerungsformen<br />
Im Unterschied zum New Public Management, wo eine intra-organisatorische Perspektive<br />
dominiert, zeichnet sich Governance durch seine inter-organisatorische Perspektive aus. So gilt<br />
schon allein für den Verwaltungsbereich, dass hier mehrere Ebenen miteinander kooperieren<br />
sollen und die öffentliche Verwaltung zunehmend in interorganisatorische Netzwerke<br />
eingebunden wird. Benz (2004b: 25) nennt die Überschreitung der Organisationsgrenzen<br />
zugunsten interorganisatorischer Strukturen als charakteristisches Merkmal neuartiger am<br />
15
Governancekonzept orientierter Kooperation. Damit ist auch eine eher segmentierte<br />
Verwaltung, die sich zuletzt am Leitbild des New Public Management orientiert hat,<br />
aufgerufen, ihre Ressortgrenzen zu überschreiten.<br />
Modernes Governance zielt damit auf eine Neugestaltung der Kooperationsbeziehungen von<br />
Akteuren des öffentlichen, privaten und dritten Sektors (Vereine, Verbände, Non-Profit-<br />
Organisationen) (Jann/Wegrich 2004).<br />
Ein wesentliches Element von Governance sind somit die<br />
„netzwerkartigen Strukturen, die aus staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren gebildet<br />
sind“<br />
(Mayntz 2004: 69).<br />
Neben der konventionellen Privatisierung ehemals staatlicher Aufgaben soll auch eine<br />
„organisierte Zivilgesellschaft“ Aufgaben übernehmen (Jann/Wegrich 2004: 205).<br />
Die Rolle des Staates verändert sich zusehends. Er gibt Aufgaben der Umsetzung an Private ab.<br />
Der aktivierende Staat konzentriert sich mehr auf die Steuerung der Leistungserstellung als auf<br />
eine eigene Produktion (Jann/Wegrich 2004). Damit verändert sich auch die Rolle der<br />
Verwaltung.<br />
„Kooperative Handlungsformen und die Rolle der Verwaltung als Initiator, Moderator<br />
und Förderer von Netzwerken (...) rücken dabei in den Mittelpunkt des Interesses“<br />
(Jann/Wegrich 2004: 205).<br />
Im Grunde geht es immer wieder um die Initiierung gesellschaftlicher Koproduktion von<br />
Leistungen. Die Verantwortung soll nicht an einzelne Akteure neu übertragen werden, sondern<br />
mit gegenseitigen Verpflichtungen geteilt werden, wobei sich langfristige Kooperationen in<br />
variablen Netzwerken etablieren sollen (vgl. Jann/Wegrich 2004: 206). Es werden also<br />
netzwerkartige Steuerungsformen angestrebt und dabei wird<br />
„die Bedeutung von Vertrauen und informellen Verhaltensnormen“<br />
(Jann/Wegrich 2004: 205) betont.<br />
Mit dem Begriff des modern governance wird<br />
„die bewusste Organisation und das Management der Interaktionen zwischen Staat,<br />
Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Individuen durch institutionelle Steuerung“<br />
fokussiert (vgl. Jann/Wegrich 2004: 207).<br />
Für dieses Management können dann intermediäre Organisationen eingesetzt werden, die<br />
zwischen den Akteuren vermittelnd wirken. Eine Balance zwischen Institutionalisierung und<br />
informeller Selbstkoordination zu finden, gehört dabei zu den Hauptaufgaben des<br />
16
Managements (vgl. Benz 2004b: 24). Hier stellt sich ein Problem, das im folgenden Abschnitt<br />
genauer besprochen werden soll.<br />
1.1.2.2. Institutionalisierung neuer Formen des Regierens<br />
Staat und Verwaltung sind nicht mehr der Gesellschaft übergeordnet, sondern in plurale<br />
Leistungsnetzwerke eingebunden (vgl. Jann/Wegrich 2004: 209). Die in diesen Netzwerken<br />
entstehenden institutionellen Arrangements resultieren aus den Verhandlungen öffentlicher und<br />
gesellschaftlicher Akteure. Dabei werden in der direkten Beteiligung die Interessen artikuliert<br />
und koordiniert (vgl. Jann/Wegrich 2004: 209f).<br />
„Governance ist die Gesamtheit der zahlreichen Wege, auf denen Individuen sowie<br />
öffentliche und private Institutionen ihre gemeinsamen Angelegenheiten regeln. Es<br />
handelt sich um einen kontinuierlichen Prozess, durch den kontroverse oder<br />
unterschiedliche Interessen ausgeglichen und kooperatives Handeln initiiert werden<br />
kann“<br />
(Commission on Global Governance, zitiert nach Schneider/Kenis 1996: 39).<br />
Für das netzwerkartige Zusammenwirken staatlicher und privater Akteure kann also kein<br />
einheitliches Patentrezept erstellt werden, nach dem politische Steuerung funktionieren wird.<br />
Die Konstellationen müssen an die jeweiligen Probleme angepasst werden. Mit einer zu<br />
starken Institutionalisierung der politischen Steuerung würde der Vorteil der flexiblen<br />
Anpassung an spezifische Probleme verloren gehen. Die traditionellen Institutionen finden sich<br />
in neuen Steuerungs- und Entscheidungsstrukturen bzw. in einem neuen institutionellen<br />
Kontext wieder.<br />
1.1.2.3. Verhandlungssysteme<br />
Die Arbeit des Steuerns und Regierens hat sich unter dem Gesichtspunkt von Governance<br />
verändert. Eine Hierarchie soll im Endeffekt nur mehr dort bestehen, wo strategische Ziele<br />
vorgegeben werden und wo über die Durchführung eines begleitenden Monitorings und einer<br />
Prozessevaluation entschieden wird. Ansonsten zeichnet sich das moderne Governancekonzept<br />
durch seine Betonung auf Verhandlungen aus. Für Mayntz (2004: 71) gehören<br />
Verhandlungssysteme zu den Kennzeichen von Governance:<br />
„Entscheidungen werden nicht oktroyiert, sondern in direkter Interaktion der Beteiligten<br />
vereinbart.“<br />
Die Einigung unter allen betroffenen Akteuren durch Verständigung über gemeinsame<br />
Interessen bildet daher einen Schwerpunkt von Governancekonzepten und deren Zielen. Die<br />
formellen sowie informellen Regelungen werden entweder von Menschen und Institutionen<br />
vereinbart oder liegen ohnehin im eigenen Interesse (Schneider/Kenis 1996).<br />
17
1.1.3. Kritik am Reformkonzept Governance<br />
Einer der Hauptkritikpunkte am Reformkonzept ist der mögliche Missbrauch durch eine neoliberale<br />
Politik. Dieser Politik wird vorgeworfen, dass sie diese Leitbilder benutzt, um ihre<br />
Strategien zu legitimieren und sich im Sinne einer Entstaatlichung zu entlasten. In der<br />
Privatisierung öffentlicher Leistungen wird eine Gefahr gesehen und der Rückzug des Staates<br />
kritisiert. Dieser Aspekt ist ernst zu nehmen, denn die Verantwortung soll nicht einfach<br />
abgegeben werden sondern breiter verteilt werden, vor allem wenn es um öffentliche<br />
Leistungen und Versorgung geht.<br />
Auf der anderen Seite sind die genannten Leitbilder auch Zeichen einer veränderten<br />
Problemsicht und sie spiegeln damit die Lernprozesse in der Verwaltungspolitik wider, so<br />
Jann/Wegrich (2004: 211). Jann/Wegrich gehen davon aus, dass Governance nicht die gleiche<br />
Dominanz wie die Managementperspektive erreichen wird, dem Konzept aber trotz der<br />
Unschärfe eine Korrekturfunktion zukommt (vgl. Jann/Wegrich 2004: 211f.). Eine<br />
standardisierte Vorgehensweise für die Umsetzung des Governancekonzeptes gibt es nicht.<br />
Wie wir bisher gesehen haben, lassen sich aus dem Governance Konzept also kaum<br />
implementationsreife Maßnahmen ableiten, sondern nur Orientierungshilfen erkennen (vgl.<br />
Jann/Wegrich 2004: 206).<br />
In den vorangegangen Erläuterungen 2 des Governancekonzeptes war immer wieder von<br />
gemeinsamen oder gemeinschaftlichen Interessen die Rede. Es darf dabei jedoch nicht<br />
vergessen werden, dass sich zu Beginn meist unterschiedliche oder sogar gegensätzliche<br />
Interessen gegenüber stehen. So reicht das Spektrum von Machtinteressen über parteipolitische<br />
Interessen bis hin zu institutionspolitischen Interessen und Interessen an der Erhaltung der<br />
eigenen Souveränität. Oft wäre es daher notwendig, den gemeinsamen Ertrag, den Output bzw.<br />
die Sachpolitik als Ziel der Zusammenarbeit in den Vordergrund zu stellen bzw. ins<br />
Bewusstsein zu rufen und zudem allen Akteuren die Möglichkeit zu einer profilierenden<br />
Darstellung in der Öffentlichkeit zu geben. Das wäre ein Weg, um über die Eigeninteressen<br />
hinaus eine konstruktive und produktive Zusammenarbeit zu fördern.<br />
Doch welche Anreize können zur Implementierung von Governancestrukturen genannt<br />
werden? Wie weiter oben beschrieben, sind die Ziele des Governancekonzeptes die<br />
Überwindung von Exklusionsprozessen, die Integration einzelner sozialer Gruppen und die<br />
2 beispielsweise Mayntz (2004: 68);<br />
18
Effizienzsteigerung und Dienstleistungsorientierung in der Verwaltung. Ein weiterer Anreiz<br />
allerdings, um in Governancestrukturen und –prozesse zu investieren, kann in Synergien<br />
gesehen werden, welche in einem kreativen und innovationsfördernden Klima entstehen<br />
können. Das Wissen und die Erfahrungen bisher außen vor gehaltener Akteure und<br />
Organisationen ist für die Schaffung von Mehrwerten in Verhandlungssystemen und<br />
Ideenwerkstätten unverzichtbar. Indem man die Ressourcen und Möglichkeiten der Akteure<br />
gerade in heterogenen Netzwerken erkennt, nutzt man das Potenzial dieser Netzwerke erst<br />
richtig und erzielt so einen Output, der weit über den bloßen Informationsaustausch hinaus<br />
geht. Müssen, im Extremfall, einzelne Institutionen jedes Mal das Rad neu erfinden, so bieten<br />
in Governancestrukturen gebildete Netzwerke eine Reihe an Möglichkeiten, bereits gebildetes<br />
Wissen und Ressourcen aufeinander zu beziehen. Auf diese Weise können auch kontrovers<br />
geführte und konflikthafte Verhandlungssysteme Lernprozesse in Gang setzen.<br />
Wie realistisch ist der Aufbau von Governancestrukturen überhaupt? An vielen Orten ist das<br />
Konzept längst umgesetzt und real. Die einzelnen Akteure stoßen jedoch an Grenzen, an ihre<br />
eigenen und wahrscheinlich auch an äußerliche. So kann es beispielsweise schwierig sein, die<br />
zeitlichen Ressourcen für zusätzliche Termine bzw. den Besuch von Gremien aufzubringen<br />
oder diese Treffen und den damit verbundenen Mehraufwand im Arbeitsalltag zu organisieren.<br />
Abgesehen davon müssen für diese Tätigkeit Personen gefunden werden, die motiviert und<br />
kompetent sind, in neuen Konstellationen und mit institutionsfremden Menschen zu arbeiten.<br />
Gerade hier wäre der Staat oder je nach dem die Länder oder Gemeinden aber auch die<br />
einzelnen Akteure und Institutionen aufgerufen, die notwendigen Rahmenbedingungen zu<br />
schaffen, sei es durch Verordnung, Schaffung von Anreizen oder der einfachen Ermöglichung.<br />
Eine der Hauptaufgaben aber auch Hauptprobleme des Managements von<br />
Governancestrukturen und Prozessen ist sicherlich die Stabilisierung einer Balance zwischen<br />
der Institutionalisierung und einer freien flexiblen Selbstkoordination, wie sie Benz (2004b:<br />
24) weiter oben angesprochen hat. In diesem Zusammenhang scheint der Anspruch von<br />
Jann/Wegrich (2004b: 206), langfristige Kooperationen in variablen Netzwerken einzurichten,<br />
etwas hoch gegriffen. Es besteht hier ein offensichtlicher Widerspruch einerseits zwischen der<br />
nötigen Vertrauensbildung, die ein regelmäßiges Zusammentreffen und daher Zeit braucht, also<br />
auch ein gewisses Maß an Institutionalisierung benötigt und andererseits dem gewünschten<br />
flexiblen und informellen Vorgehen in der Zusammenarbeit, das aber wichtig ist für eine<br />
kreative und innovative Kooperation. Hier steht das Governancekonzept und damit auch sein<br />
Management vor schwierigen Aufgaben.<br />
19
1.1.4. Ausblick auf die weitere Arbeit<br />
Das Konzept dient in dieser Arbeit als breitgefasste Perspektive auf das Phänomen<br />
Grätzelmanagement in Wien und ob sich bestimmte Kernpunkte von Governance im<br />
Grätzelmanagement wieder finden. Benz bemerkt, dass Governance wegen seiner Komplexität<br />
„nicht unmittelbar, sondern nur indirekt, d.h. durch Beobachtung von einzelnen<br />
Merkmalen“<br />
erkannt werden kann (Benz 2004b: 12). Wir wollen also sehen, ob das Grätzelmanagement<br />
solche einzelnen Merkmale enthält.<br />
Stadtteilmanagement kann demnach auch als Beispiel für eine gesellschaftspolitische<br />
Gesamtentwicklung, nämlich die veränderte Art und Weise politischer Steuerung genannt<br />
werden. Interessant für unsere Fragestellung ist das Konzept Governance auch deshalb, weil<br />
dabei einerseits eine Veränderung der Beziehungen zwischen den politischen Akteuren und<br />
andererseits eine Veränderung der Rolle der Akteure selbst nahegelegt wird. Außerdem sollen<br />
neue Akteure in das politische Kraftfeld integriert werden, die bisher nicht oder wenig an<br />
Verhandlung, Steuerung und Entscheidung beteiligt waren.<br />
Nachdem wir die Ursachen und Hintergründe der Veränderung politischer Steuerung<br />
(Netzwerke, Verantwortungsteilung, Selbstregulierung, etc.) kennen gelernt haben, müssen wir<br />
uns noch fragen, was dazu beitragen kann, diese neuen Formen der Steuerung zu unterstützen<br />
und was zu ihrer erfolgreichen Stabilisierung beitragen kann. Die Einrichtung intermediärer<br />
Organisationen wird in diesem Zusammenhang häufig als Option genannt. Die Entstehung,<br />
Aufgabe und Möglichkeiten solcher Einrichtungen in der Stadtteilentwicklung wird im<br />
anschließenden Kapitel erläutert.<br />
20
1.2. Stadtteilmanagement als intermediäre Instanz<br />
Governance als Reformkonzept politischer Steuerung ist also ein Ansatz ohne hierarchischer<br />
Spitze, sondern vielmehr ein in Gang zu bringender Prozess zwischen vielen mehr oder<br />
weniger gleichgestellten Akteuren, die untereinander jedoch höchst unterschiedliche Logiken<br />
und Interessen mitbringen. Intermediäre Organisationen bzw. Instanzen erscheinen in diesem<br />
Licht als geeignete Möglichkeit, zwischen diesen verschiedenen Akteuren und ihren Interessen<br />
zu vermitteln.<br />
1.2.1. Der Entstehungszusammenhang intermediärer Organisationen<br />
Als Hintergründe für die Entstehung intermediärer Organisationen in der Stadtteilentwicklung<br />
werden in der einschlägigen Literatur (vgl. Hinte 1991, 1992, Selle 1990a, 1994b; zitiert nach:<br />
Grimm 2004: 49) folgende genannt:<br />
„Die Verschärfung sozialer Ungleichheiten, die wachsende Zersplitterung<br />
lebensweltlicher und politischer Strukturen, die sinkende Wahlbeteiligung, die<br />
Komplexitätssteigerung in den Macht- und Entscheidungszentralen in Verwaltung,<br />
Politik und Industrie, Bedarf nach neuen Problemlösungen, Leistungsgrenzen der<br />
Selbsthilfe, der öffentlichen Verwaltung und der privaten Unternehmen sowie ein immer<br />
enger werdender Arbeitsmarkt (...).“<br />
Wesentlich für die Bildung intermediärer Organisationen scheint das Unvermögen bestehender<br />
Institutionen zu sein, dem Handlungsbedarf nach einer Bearbeitung bestehender komplexer<br />
Probleme gerecht zu werden (vgl. Grimm 2004: 49).<br />
Ergänzend dazu kann vom Bedarf nach Akteuren gesprochen werden, welche über die<br />
Kompetenzen verfügen komplexe Kommunikationsprozesse zu unterstützen.<br />
Selle (1994a: 122-124; zitiert nach Grimm 2004: 50) nennt fünf Quellen für die Entstehung<br />
intermediärer Organisationen:<br />
• Verlagerung (Regulierung, Privatisierung)<br />
• Konflikt (unbelasteter Dritter)<br />
• Engagement (Vermittlung für Bürgerinitiativen)<br />
• Endogenes Potential (Förderung, Initiierung von Projekten)<br />
• Neue Standards (Selbstverständnis der Fachleute ändert sich)<br />
1.2.2. Begründung in der Entwicklung moderner Gesellschaft<br />
Grimm (2004: 29ff.) geht in ihrer Erläuterung über die Notwendigkeit strategischer Ansätze in<br />
der Stadtteilentwicklung zunächst einmal von der Theorie des kommunikativen Handelns<br />
(Habermas 1981) aus. Darin beschreibt sie die Entkoppelung von System und Lebenswelt.<br />
21
Dem System wird die Wirtschaft mit dem Medium Geld und die bürokratische<br />
Staatsverwaltung mit dem Medium Macht zugeordnet. Geld und Macht sind<br />
Steuerungsmedien, welche das Handeln und Verhalten von Menschen steuern und werden auch<br />
symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien genannt. Die Lebenswelt hingegen ist eine<br />
vom Menschen begriffene, gedeutete und ihm subjektiv sinnvoll erscheinende Wirklichkeit.<br />
Ihre Kommunikationsform ist sprachlich bzw. verständigungsorientiert. In der Moderne<br />
werden die Systeme immer komplexer und die Lebenswelten werden zusehends rationaler<br />
strukturiert. Die Lebenswelt wird von ausdifferenzierten Subsystemen insofern kolonialisiert,<br />
als die Verständigungsorientierung der Lebenswelt bedroht ist, von den entsprachlichten,<br />
generalisierten Kommunikationsmedien ersetzt zu werden. Außerdem kommt es zu einer<br />
Ausdifferenzierung der Expertenkulturen (Wissenschaft, Moral, Recht, Kunst etc.), die sich mit<br />
der alltäglichen Lebenswelt immer weniger rück binden lassen. System und Lebenswelt<br />
differenzieren sich außerdem voneinander. Die entsprachlichten Subsysteme basieren jedoch<br />
auf der verständnisorientierten Kommunikation mit der Lebenswelt und müssen daher an der<br />
Kommunikation mit der Lebenswelt interessiert sein. Die institutionalisierte Meinungs- und<br />
Willensbildung ist auf die Zufuhren aus den informellen Kommunikationszusammenhängen<br />
der Öffentlichkeit und der Privatsphäre angewiesen.<br />
„Findet ein kommunikativer Austausch nicht mehr statt bzw. ist keine Basis der<br />
Auseinandersetzung mehr vorhanden, kommt es zur Implosion (...)“ (Grimm 2004: 28).<br />
Für diese Kommunikation braucht es nach Kempkes (1993: 77; zit. n. Grimm 2004: 31)<br />
„Vermittlungsexperten“.<br />
In Anlehnung an Grimm (2004: 32ff.) sind die beiden Phänomene Pluralismus und<br />
Individualismus als zentrale Begriffe für das Verständnis moderner Gesellschaften zu nennen.<br />
Im modernen Pluralismus (Berger/Luckmann 1995) erweitern sich die Entscheidungs- und<br />
Wahlmöglichkeiten bis hin zu einem Wahlzwang und zwar auf sozialer, materieller und<br />
geistiger Ebene. Auf der anderen Seite nimmt die Individualisierung (Beck 1997) aufgrund<br />
abnehmender Bedeutung traditioneller Werte zu. Die einzelnen Menschen müssen sich selbst<br />
positionieren und sind mehr denn je gefordert, Eigeninitiative zu übernehmen. Das verlangt<br />
von ihnen die Entwicklung flexibler Handlungskompetenzen zur Lebensbewältigung ab.<br />
Grimm (2004: 33) fordert daher:<br />
„In einer Gesellschaft, die um die Aufrechterhaltung demokratischer Strukturen und<br />
sozialer Integration bemüht ist, müssen aber Voraussetzungen geschaffen werden, um<br />
über bestehende Wahlmöglichkeiten zu informieren und die Zugangschancen erweiterter<br />
Optionen für breite Kreise der Bevölkerung zu eröffnen.“<br />
Berger/Luckmann (1995: 62) gehen schließlich davon aus, dass die Modernisierung und<br />
Pluralisierung die Desorientierung fördern und zur<br />
22
„Ausbreitung subjektiver und intersubjektiver Sinnkrisen“ führen.<br />
Zur Verhinderung dieser Krisen schlagen Berger/Luckmann die Forcierung intermediärer<br />
Strukturen und Institutionen vor. Diese Institutionen ermöglichen es, persönliche Werte aus<br />
dem Privatleben in die Gesellschaft zu tragen und zur Geltung zu bringen und damit die<br />
Gesellschaft mitzuformen. Sie bilden dabei Regeln aus, die das Zusammenleben und die<br />
Kooperation verschiedener Sinngemeinschaften durchdringen, ohne eine Wertordnung<br />
aufzuzwingen.<br />
„Diese Institutionen wirken sinnstiftend und sinnstützend in der Lebensführung der<br />
einzelnen und im Zusammenhalt von Lebensgemeinschaften“ (Berger/Luckmann 1995:<br />
62).<br />
Dabei wird von Berger/Luckmann der Anspruch erhoben, sowohl die Integration der einzelnen<br />
zu wahren als auch eine Form von Solidarität in der Gesellschaft zu fördern.<br />
„Nur wenn intermediäre Institutionen dazu beitragen, dass die subjektiven Erfahrungsund<br />
Handlungsmuster der Individuen in die gesellschaftliche Aushandlung und<br />
Etablierung von Sinn mit einfließen, wird verhindert werden, dass die Einzelnen sich in<br />
der modernen Welt als gänzlich Fremde wiederfinden; und nur dann wird vermieden<br />
werden können, dass die Identität der einzelnen Personen und der intersubjektive<br />
Zusammenhalt der Gesellschaft von der Krisenhaftigkeit der Moderne bedroht oder gar<br />
zerstört werden“ (Berger/Luckmann 1995: 77).<br />
Berger/Luckmann (1995: 62f.) schreiben den intermediären Institutionen die Aufgabe und<br />
Fähigkeit zu, analog zu einem Immunsystem mittels Stabilisierung des gesamten<br />
„Organsimus“ die Handlungs- und Integrationsfähigkeit aufrecht zu erhalten.<br />
Auch Selle (1994b: 41) fordert für den Prozess der Erneuerung von Stadtteilen die<br />
Entwicklung von Organisations- und Vermittlungsformen, um<br />
„unterschiedliche Organisationsprinzipien und Werte lose miteinander zu verbinden“.<br />
In diesem Zusammenhang sei auf die Bedeutung von Granovetters „weak ties“ (1973)<br />
hingewiesen, welche unterschiedliche Akteursgruppen oder soziale Netzwerke miteinander<br />
verbinden. Die Aufgabe intermediärer Organisationen wäre es hier, diese vermeintlich<br />
schwachen Verbindungen herzustellen. Der Vorteil von „weak ties“ besteht dann darin, dass<br />
die einzelnen Akteursgruppen oder Institutionen und Vereine etc. sich austauschen können und<br />
voneinander profitieren, ohne ihre Souveränität und Unabhängigkeit zu gefährden bzw. sich<br />
eine gemeinsame Wertordnung aufzwingen lassen zu müssen. In Weiterführung von<br />
Granovetters Ideen prägt Burt (1992) den Begriff der „structural holes“. Akteure, welche<br />
diese strukturellen Löcher besetzen, sind privilegiert in ihrem Zugang zu anderen sozialen<br />
Netzwerken. Gemeinwohlorientierte intermediäre Organisationen sind also aufgerufen, diese<br />
Position zu nutzen, um bisher getrennte Akteure an einen Tisch zu bringen und Kontakte her<br />
zustellen.<br />
23
1.2.3. Die Aufgabenbeschreibung für intermediäre Organisationen<br />
Für die Entwicklung von Stadtteilen ist es somit wichtig, spezifische Organisationen<br />
einzurichten, welche eine Vermittlungsfunktion zwischen den unterschiedlichen<br />
gesellschaftlichen Sphären übernehmen. Für diese Organisationen und ihre Funktion sind in<br />
der einschlägigen Literatur eine Reihe von metaphorischen Bezeichnungen eingeführt worden,<br />
die das Verständnis über die Aufgabe eines Stadtteilmanagements erleichtern. Grimm (2004:<br />
48) hat dazu folgende Auflistung erstellt, woraus hier lediglich ein Ausschnitt wiedergegeben<br />
ist:<br />
- Schmieröl (Hinte 1998c)<br />
- Schanierfunktion (Huber 1980)<br />
- Change agents (Friedman 1987, in: Selle 1990b)<br />
- Drehpunktpersonen (Huber 1980)<br />
- Brückeninstanzen (Selle 1990b; Evers 1991)<br />
- Bypass-Organisationen (Selle 1994b)<br />
- Innovationsagenturen (Selle 1994b)<br />
- Gelenkstücke (Hinte 1994a)<br />
- kontaktschaffende und kontakthaltende Instanzen (Hinte 1998c)<br />
- Dialogmanager (Hinte 1992)<br />
- Taoistische Fische, die zwischen den Strömen schwimmen (Huber 1980)<br />
Der Aushandlungsprozess zwischen den beteiligten Akteuren wird zunächst<br />
verständigungsorientiert gestaltet. Dabei ist eine Annäherung verschiedener Positionen nicht<br />
immer möglich.<br />
„Aber es kann gelingen, Transparenz und Akzeptanz bezüglich unterschiedlicher<br />
Positionen herzustellen und im Gegensatz zu den herkömmlichen ´Gewinner-Verlierer-<br />
Lösungen´ nach ´Gewinner-Gewinner-Lösungen´ zu suchen“<br />
(Grimm 2004: 52).<br />
Laut Grimm (2004: 54f.) sind die Hauptaufgaben einer intermediären Organisation in der<br />
Stadtteilentwicklung die Aktivierung und Kommunikation, die Ideenproduktion und<br />
Projektentwicklung, sowie die Organisation und Ressourcenbeschaffung.<br />
Es soll nun ein grober Überblick über die wichtigsten Aspekte intermediärer Organisationen<br />
gegeben werden. Grimm (2004: 69f.) hat die<br />
„formalen und inhaltlichen Voraussetzungen intermediärer Organisationen“<br />
aufgelistet. Einige davon sind, an den Interessen der vorliegenden Arbeit orientiert, im<br />
folgenden knapp zusammengefasst:<br />
24
Auf formaler Ebene notwendig sind u.a.:<br />
- Personen, die im PAS (politisch-administrativen System) in der horizontalen Ebene<br />
vermitteln;<br />
- Räumliche Ressourcen<br />
- „Strukturelle Zugangsmöglichkeiten der intermediären Akteure zu beiden Seiten, sowohl zur<br />
Lebenswelt als auch zum System, d.h. hier v.a. zu den unterschiedlichen Ressorts der<br />
Verwaltung“ (Grimm 2004: 69).<br />
- Eine an den Rändern offene Kommunalverwaltung;<br />
Auf inhaltliche Ebene zu berücksichtigen sind u.a.:<br />
- Dialogbereitschaft aller Parteien;<br />
- Intermediäre nur in Ausnahme als Anwälte, vielmehr sollen sie Voraussetzungen für<br />
Diskurse und Beteiligung schaffen;<br />
„Auf der Seite der Lebenswelt müssen Erfahrungen zur Sinnentfaltung gestiftet werden,<br />
die deutlich machen, dass die Welt gestaltbar ist, auf der Seite des Systems müssen<br />
Gelegenheiten der Kommunikation mit der Lebenswelt geschaffen werden“, um die<br />
Problemwahrnehmungs- und Problemlösungsfähigkeit von Institutionen zu verbessern“<br />
(Grimm 2004: 69).<br />
- Kooperations- und Kommunikationsstrukturen schaffen;<br />
- Dialogmanagement und Konfliktvermittlung organisieren bzw. gewährleisten;<br />
- Setzung von Normen bezüglich dem zugrunde liegenden Demokratieverständnis;<br />
1.2.4. Kritik am Konzept intermediärer Instanzen<br />
Intermediäre Instanzen und konkret intermediäre Organisationen bekommen im Zuge der<br />
vorangegangen Beschreibungen eine große Verantwortung zugesprochen. Sie sollen Dreh- und<br />
Angelpunkt einer teils desintegrierten Gesellschaft werden. Dabei wird es zu ihrer Aufgabe<br />
gemacht, Informationen in Umlauf zu bringen und umfassend über Entwicklungen im Stadtteil<br />
zu informieren. Sie sollen Kontakte zwischen den Menschen im Stadtteil und zu den<br />
Institutionen der Stadt herstellen. Sie sollen außerdem zwischen den Logik des Staates und der<br />
des Marktes vermitteln. Und dazu kommt, dass sie verständigungsorientiertes Handeln<br />
implementieren sollen und damit über geeignete Ressourcen und Methoden zu verfügen haben,<br />
welche Verstehensprozesse zwischen allen Beteiligten herstellen. Ein Stadtteil beherbergt<br />
mehrere Tausend Einwohner und darüber hinaus Gewerbetreibende und andere Akteure. In<br />
einer intermediären Organisation, wie es das Stadtteilmanagement darstellt, sind eine handvoll<br />
Menschen angestellt und mit der Stadtteilarbeit betraut. Die Überforderung dieser Organisation<br />
25
ist vorprogrammiert, wenn man ihr die gesamte Integrations- und Vermittlungsarbeit in einem<br />
Stadtteil überantwortet.<br />
Der oben dargestellte Anspruch von Berger/Luckmann, die Handlungs- und<br />
Integrationsfähigkeit des „gesamten Organismus“ mit intermediären Institutionen aufrecht zu<br />
erhalten, ist zwar ein ambitionierter Ansatz, kann jedoch für Organisationen wie ein<br />
Stadtteilmanagement nicht alleine gelten. Das Konzept des Stadtteilmanagements sieht zwar<br />
vor, ein Stadtteilbüro strategisch sehr günstig, nämlich vor Ort und in der Nähe der Alltagsbzw.<br />
Lebenswelt der Menschen zu positionieren. Es werden aber immer auch andere<br />
intermediäre Organisationen wie die Kirche, NGOs oder die Familie gefragt sein, zwischen<br />
Gesellschaft und Individuum zu vermitteln. Die Institutionalisierung zusätzlicher intermediärer<br />
Organisationen wie es das Stadtteilmanagement darstellt, darf aber nicht vom Staat genutzt<br />
werden, sich weiter zurückzuziehen und Verantwortung „nach unten“ abzugeben bzw. sich auf<br />
die Leistungsfähigkeit solcher intermediärer Organisationen zu verlassen. Denn Integration und<br />
Zusammenhalt in der Gesellschaft soll nicht an einzelne Organisationen übertragen werden,<br />
sondern muss ein gesamtgesellschaftliches Vorhaben bleiben.<br />
26
1.3. Stadtteilmanagement<br />
1.3.1. Der Stadtteilbezug/Der Quartiersansatz<br />
Für die Begründung eines Entwicklungskonzeptes, das als Ausgangspunkt den Stadtteil wählt,<br />
stehen eine Reihe von Argumenten und Thesen bereit. So behauptet Grimm (2004: 93), dass<br />
„eine Politik, die das Quartier als zentralen Ort zur Entwicklung ziviler demokratischer<br />
Strukturen vernachlässigt, (...) auf enormes Potenzial der dort lebenden Menschen“<br />
verzichtet.<br />
Der Stadtteil ist der zentrale Ort für die Stabilisierung und Normalisierung von<br />
Lebensvollzügen und genau dort ergeben sich zentrale Gestaltungs- und<br />
Erfahrungsmöglichkeiten (vgl. u.a. Hinte 1997, Oelschlägel 1997, Springer 1995; zitiert nach<br />
Grimm 2004: 121). Der Stadtteil bzw. das Grätzel werden daher als Ort und Instanz für soziale<br />
Integration gesehen. Schließlich wird im Wohnquartier der Alltag verbracht und die<br />
Nachbarschaft kann ein entscheidender Teil der sozialen Beziehungen darstellen. Dazu kommt,<br />
dass über gemeinsame selbstbestimmte Arbeit mit anderen Bewohnern soziale Integration<br />
abseits des ersten Arbeitsmarktes erreicht werden kann, so Alisch (2001) und<br />
Alisch/Dangschat (1998). Diese gemeinsame Arbeit kann durch ein Stadtteilmanagement<br />
initiiert und vermittelt werden. Im bezug auf die Integration von Migranten weist Dangschat<br />
(2000: 196) explizit auf die Bedeutung des Stadtteils/Quartiers hin. Gerade in Stadtteilen mit<br />
hoher Konzentration sozial Benachteiligter ist die Herausforderung, mit fremden Menschen vor<br />
Ort umgehen zu müssen besonders groß. Dangschat unterscheidet auf Quartiersebene zwischen<br />
der „kommunikativ-interaktiven Sozialintegration“, welche den Ausgleich konfligierender<br />
Interessen und die Teilhabe an öffentlichen Angelegenheiten beinhaltet und der „expressivkulturellen<br />
Sozialintegration“, welche die Herstellung emotionaler Beziehungen zwischen<br />
Personen und eine Integration in Gemeinschaften beinhaltet, wobei es auch um die<br />
Anerkennung dieser Gemeinschaften geht.<br />
Für die Aufgaben des Stadtteilmanagements gelten nun nach Alisch (2001: 13), dass<br />
„alle Projekte, Vorhaben und Strategien von den personellen, räumlichen, finanziellen<br />
und institutionellen Ressourcen“ ausgehen, „die im Quartier vorhanden sind“.<br />
Das Stadtteilmanagement knüpft zudem an den vorhandenen Potenzialen, Fähigkeiten und<br />
Aktivitäten der Bewohnerschaft an (Alisch 2001: 13).<br />
Das Stadtteilmanagement spiegelt als Konzept einerseits die Tendenzen von Governance als<br />
Reformkonzept politischer Steuerung und Regelung wider. Andererseits soll damit ein<br />
Instrument geschaffen werden, das die unterschiedlichen Interessen, im und am Stadtteil,<br />
untereinander vermittelt und koordiniert, sowie eine Plattform für Kommunikation und<br />
27
Austausch im Sinne einer intermediären Organisation darstellt. Der Stadtteil ist also<br />
gleichzeitig Ausgangspunkt und Ziel eines integrativen Handlungsansatzes.<br />
Mit dem Konzept des Stadtteilmanagements ist vor allem die Idee verknüpft,<br />
„eine Organisationsform zu schaffen, die das gemeinsame Ziel für die Entwicklung des<br />
Quartiers nicht aus dem Auge verliert, den Prozess der Entwicklung inklusive<br />
Bewohnerbeteiligung gestaltet und in die Richtung des vereinbarten Ziels lenkt, ohne<br />
dabei die Zusammenarbeit der beteiligten Akteure (Kooperationsbereitschaft) zu<br />
vernachlässigen“ (Alisch 2002: 104).<br />
Für die Charakteristik von Stadtteilmanagement ergeben sich nun Kernpunkte, die in dieser<br />
Kombination und Ausdrücklichkeit für die Stadtplanung relativ neu sind und von Alisch (2001:<br />
10) folgendermaßen zusammengefasst werden:<br />
„Die Merkmale Quartiersbezug, horizontale und vertikale Kooperation,<br />
Bürgeraktivierung und Vernetzung sind dabei handlungsleitend.“<br />
Im Anschluss soll nun auf Basis der Fragestellung besonders auf die strukturellen Elemente<br />
dieses Zugangs eingegangen werden, welche die Beziehungen der verschiedenen Akteure<br />
betreffen. Daher sollen hier vor allem die Merkmale Vernetzung und Kooperation<br />
berücksichtigt werden.<br />
1.3.2. Struktur von Stadtteilmanagement<br />
Wie weiter oben beschrieben, stellt Stadtteilmanagement einen Ansatz politischer Steuerung<br />
dar, der sich insbesondere durch seine neuartigen Strukturen auszeichnet. Dabei gehen die<br />
verschiedenen Akteure neue Beziehungen miteinander ein und durch Einbindung bisher<br />
abwesender Akteure werden die Netzwerke zunehmend komplexer und deren Koordination<br />
schwieriger. Damit das Stadtteilmanagement die Verbesserung der Lebensbedingungen<br />
erreichen kann, muss diese Koordinationsarbeit geleistet werden und die Beziehungsstrukturen<br />
an die neuen Ansprüche angepasst werden.<br />
Für das Stadtteilmanagement sind im Rahmen sozialer Stadtentwicklung zwei Ebenen bzw.<br />
Dimensionen zu unterscheiden. Alisch (2002: 95) beschreibt diese zwei Dimensionen sozialer<br />
Stadtentwicklung. Die erste Dimension ist die der „gebietsbezogenen Ziele“, welche praktisch<br />
die ursprüngliche Intention sozialer Stadtentwicklung wider spiegeln. Sie betreffen vor allem<br />
die Lebenssituation im jeweiligen Stadtgebiet:<br />
- „Verhindern weiterer Segregationsprozesse<br />
- Stabilisierung der Lebenssituation<br />
- Nachhaltige Entwicklungsprozesse initiieren<br />
- Lebensbedingungen verbessern<br />
- Sozial- und Wirtschaftsstruktur verbessern<br />
- Städtebauliche Aufwertung“ (Alisch 2002: 95);<br />
28
Alisch nennt zusätzlich zu diesen „gebietsbezogenen Zielen“ nun als zweite Dimension die<br />
„strukturbezogenen Ziele“, welche genauso erst erarbeitet werden müssen und nicht<br />
selbstverständlich vorausgesetzt werden können. Sie gelten allerdings als Voraussetzung für<br />
die Erreichung der „gebietsbezogenen Ziele“ und im Sinne der Verwaltungsmodernisierung<br />
gilt es dabei u.a.,<br />
„die immer knapper werdenden Mittel öffentlicher Haushalte so sparsam und effizient<br />
einzusetzen wie nur eben möglich“ (Döhne/Walter 1999: 24f.).<br />
Die „strukturbezogenen Ziele“ können damit als eigene Policy beschrieben werden und<br />
betreffen eher die Organisation der „gebietsbezogenen Ziele“.<br />
„Die strukturbezogenen Ziele markieren somit eigentlich die Mittel, die eingesetzt<br />
werden müssen, um die gebietsbezogenen und die globalen Ziele zu erreichen“ (Alisch<br />
2002: 94).<br />
Die „strukturbezogenen Ziele“ beinhalten die angestrebten grundlegenden sozialen<br />
Beziehungen und die damit verbundenen Kooperationen in vertikaler und horizontaler<br />
Richtung:<br />
- „Ressourcen bündeln<br />
- Ressortübergreifende Aktivität (Vernetzung)<br />
- Verknüpfung politisch-administrativer Handlungsebenen (Stadtteil, Bezirk, Stadtrat,<br />
Land)<br />
- Bewohnerbeteiligung<br />
- Aktivierung von Selbsthilfe“ (Alisch 2002: 95);<br />
Die Definition der „strukturbezogenen Ziele“ soll für die vorliegende Arbeit um zwei Aspekte<br />
erweitert werden. Erstens ist die Vernetzung nicht nur auf der Verwaltungsebene von Interesse,<br />
sondern auch auf Stadtteilebene, da hier ebenso Ressourcen gebündelt werden können und eine<br />
nachhaltige Zusammenarbeit erreicht werden soll. Zweitens erscheint der Begriff Struktur zu<br />
statisch und es muss davon ausgegangen werden, dass sich diese während dem Projekt laufend<br />
verändert. Ziel ist es ja eben, diese Struktur aufzubauen. Ob eine endgültige Erreichung dieser<br />
Struktur möglich oder wünschenswert ist, muss stark in Frage gestellt werden. Die<br />
Entwicklung und Etablierung der Struktur des Stadtteilmanagements ist also immer auch als<br />
Prozess zu betrachten. Interessant ist ja gerade der prozesshafte Charakter der Vernetzung und<br />
Zusammenarbeit und die Wechselwirkung zwischen Struktur und Handlung. Gerade<br />
Vermittlung ist eigentlich nur als Prozess zu begreifen. Man könnte daher geradezu von<br />
„prozessbezogenen Zielen“ sprechen. Der leichteren Verständigung wegen bleibt es in dieser<br />
Arbeit beim bereits von Alisch etablierten Begriff „strukturbezogene Ziele“.<br />
29
Es geht hier um einen neuen Politikansatz, bei dem integriertes Handeln sowie eine Vernetzung<br />
der Maßnahmen gewährleistet werden soll (vgl. Alisch 2002: 94). Die „strukturbezogenen<br />
Ziele“ beschreiben nun grob die Qualität eines integrierten Handlungsansatzes.<br />
Alisch (vgl. 2002: 96) hat die Integration der Handlungen in den folgenden drei Arten<br />
beschrieben. Dabei geht es zum einen jeweils um die Verteilung der politischen und<br />
gestalterischen Verantwortung und zum anderen um den Austausch und die Zusammenarbeit<br />
unterschiedlicher Akteure:<br />
• fächerübergreifende Problemlösung und Projektfinanzierung: Ressorts sollen ihre Ziele<br />
und ihre Mittelverteilung auf die Umsetzung der Policy ausrichten (horizontale<br />
Vernetzung 3 );<br />
• Verknüpfung politisch-administrativer Handlungsebenen: An der Definition der zu<br />
lösenden Probleme, der Projekte und Konzepte wirken sowohl das Land, die Bezirke<br />
und die Akteure der Stadtteilebene mit. (vertikale Vernetzung)<br />
• Aktivierung zur Selbsthilfe: Bewohner sollen sich in den Gebieten an der<br />
Projektentwicklung beteiligen(weniger an der Entscheidungsfindung und<br />
Mittelvergabe), was zum Qualitätsmerkmal erhoben wird. (demokratische Verteilung)<br />
Beim ersten Punkt, der horizontalen Verteilung politischer und gestalterischer Verantwortung<br />
besteht eine Hauptaufgabe des Stadtteilmanagements darin, unterschiedliche Handlungslogiken<br />
zu verbinden. Mayntz (vgl. 2001: 40) meint dazu, dass Kooperation im Zuge der horizontalen<br />
Koordination besonders gefragt ist. Da es nicht einen einzelnen Verantwortlichen auf der<br />
lokalen Ebene gibt, ist es erforderlich, dass sich ein Netzwerk der Akteure bildet, die über die<br />
Kompetenzen, Ressourcen, das Wissen und die Kontakte verfügt, um ein Konzept für die<br />
spezifischen Bedingungen des Stadtteils zu erstellen. In der Verwaltung bedeutet das, dass die<br />
Ressourcen und Mittel aufeinander bezogen werden.<br />
Zu den letzten beiden Punkten stellt sich die Frage nach dem Grad der Delegation von<br />
Entscheidungskompetenz bzw. nach der Balance zwischen Top-Down und Bottom-Up<br />
Steuerung. Sabatier (1998) unterscheidet dabei zwischen zwei Koalitionen. Die eine steht für<br />
den Policy Kern Ordnung und unterstützt eine Steuerung nach dem Top-Down Prinzip. Sie<br />
fordert die Kontrolle über die Arbeit der intermediären Organisation und tritt dafür ein, dass<br />
den demokratisch legitimierten Gremien die Entscheidung über die „richtigen“ Projekte<br />
vorbehalten bleiben.<br />
3 Alisch (2002) spricht hier von horizontaler und vertikaler Verteilung. Zum besseren Verständnis habe ich diese Formulierung<br />
hier jedoch durch die horizontale und vertikale Vernetzung ersetzt.<br />
30
Auf der anderen Seite verlangt die Bottom-Up Koalition, möglichst große Entscheidungsmacht<br />
und Handlungskompetenz in die Quartiere zu verlagern. Dabei sollen die Finanzmittel<br />
eigenständig verteilt werden können. Die langfristigen Ziele der Bottom-Up Koalition sind<br />
dabei Empowerment und Selbstorganisation. Diese Koalition vertritt die Meinung, dass nur so<br />
eine neue beteiligungsorientierte und soziale Stadtentwicklungspolitik verwirklicht werden<br />
kann (Alisch 2002: 163).<br />
Alisch (2002: 163) weist allerdings auf das Problem für die Bottom-Up Koalition hin, dass<br />
letztlich nur die Akteure der Top-Down Koalition als ´legitimierte´ Entscheider und<br />
Zuwendungsgeber Zugeständnisse gegenüber den Beteiligungsforderungen aus der Bottom-Up<br />
Koalition machen können.<br />
Für die Praxis gibt es bereits Empfehlungen für die Organisationsstruktur eines sozialen<br />
Stadtteilmanagements. So haben Franke/Grimm (2002: 190) für das Difu (Deutsches Institut<br />
für Urbanistik) eine Struktur vorgeschlagen, die aus drei Ebenen besteht. Auf der<br />
Verwaltungsebene werden die Ressourcen gebündelt. Dezernate und Ämter sollen dabei<br />
untereinander vernetzt werden. Ein Gebietsbeauftragter wird auf dieser Ebene eingesetzt, der<br />
das Gesamtprojekt steuert und koordiniert.<br />
Auf der intermediären Ebene übernimmt ein Stadtteilmoderator die Vernetzung, die Mediation<br />
und die gebietsbezogene Koordination.<br />
Das Quartier bildet die dritte Ebene, wo die Fachkräfte aus dem Stadtteilbüro die Interessen der<br />
lokalen Akteure und Bewohner organisiert und mit ihnen Aktivitäten initiiert und begleitet.<br />
Auf allen drei Ebenen soll dazu die Politik, der Markt und der dritte Sektor eingebunden<br />
werden.<br />
Auch Burgers et al. (2003: 101) haben eine Organisationsstruktur von Stadtteilmanagement<br />
skizziert. Sie fassen in der „Struktur des idealtypischen Programms“ die Akteure der „Stadtteil-<br />
Moderation“ und des „Stadtteilbüros“, wie sie bei Franke/Grimm vorkommen, zusammen zum<br />
Stadtteilmanagement. Außerdem ersetzen sie den „Gebietsbeauftragten“ durch eine „Task<br />
Force“, welche mit den Vertretern der Stadtverwaltung, der Institutionen und des<br />
Quartiersmanagements besetzt sind und sie beziehen auch die Ebenen Bund und Land mit in<br />
das Programm ein. Dort soll nach ihnen zu einer interbehördlichen Kooperation zwischen den<br />
Ministerien kommen. Die privatwirtschaftlichen Akteure des Marktes sind in diesem<br />
Programmvorschlag dafür ausgespart.<br />
Die Gemeinsamkeiten der beiden Vorschläge für eine Stadtteilmanagementstruktur liegen vor<br />
allem in dem Anspruch, Verknüpfungen zwischen den Akteuren sowohl in horizontaler wie in<br />
31
vertikaler Richtung vorzusehen. Dabei ist einerseits die Verknüpfung verschiedener Akteure<br />
auf einer Ebene wichtig, um Austauschprozesse zu koordinieren, Konflikte zu moderieren oder<br />
Ressourcen zu bündeln. Andererseits kommt wiederum der Zusammenarbeit zwischen den<br />
verschiedenen Ebenen, also der Verbindung in vertikaler Richtung, große Bedeutung zu, um<br />
Lernprozesse in Gang zu setzen, Informationen breiter zu streuen und zu vermitteln. Nach<br />
Franke (2005: 189) gehört es zu den Hauptaufgaben eines Stadtteilmanagements, die<br />
horizontalen und vertikalen Kommunikationswege sicherzustellen.<br />
Auf die Kooperation und Vernetzung in vertikaler sowie in horizontaler Richtung möchte ich<br />
nun im Besonderen eingehen, um die spezifischen Probleme dieser beiden Beziehungsarten<br />
innerhalb des sozialen Stadtteilmanagements zu erläutern.<br />
1.3.2.1. Aspekte vertikaler Kooperation im Stadtteilmanagement<br />
In vertikaler Richtung ist im wesentlichen von drei Hauptebenen die Rede, nämlich die<br />
Verwaltungsebene, die Ebene des Stadtteils bzw. Gebietsebene und dazwischen die<br />
intermediäre Ebene, welche zwischen den vorgenannten Ebenen vermittelt und vernetzt. Die<br />
vordringliche Frage ist hier die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Ebenen,<br />
die unausweichlich zur Frage nach der Beteiligung lokaler Akteure an stadtteilpolitischen<br />
Prozessen und Entscheidungen führt.<br />
Vertikale Kooperation zwischen Verwaltungsebene, Politik und Stadtteilebene<br />
Programmatik:<br />
Die Kultur der Planung im Allgemeinen und die der Stadtplanung im Besonderen hat sich in<br />
den vergangenen Jahrzehnten verändert. Die neue Planungskultur schlägt sich in<br />
„kleinteiligen, mikroräumlichen, problemorientierten, partizipatorischen und Fachpolitik<br />
übergreifenden Konzepten“ (Schmals 2001: 54) nieder.<br />
Dabei rücken die Betroffenen vor Ort immer öfter in den Blick und in die Diskussion über die<br />
„richtigen“ Entscheidungen im Stadtteil. In diesem Zusammenhang fordert Schmals (2001:<br />
60), dass<br />
„das aktuell und potenziell betroffene Klientel aufgrund seiner Realitätseinschätzung an<br />
problemlösenden Maßnahmen und Aushandlungsprozessen beteiligt werden“ sollte.<br />
Die Integration der subjektiven Erfahrungen und Einschätzungen von Menschen, welche die<br />
Situation vor Ort besonders gut kennen, ist für einen erfolgreichen Planungsprozess geradezu<br />
Bedingung. In diesem Zusammenhang spricht Mensch (vgl. 2001) von einem Wissensproblem<br />
und plädiert daher für eine Korrektur eines reinen Top-Down Ansatzes. Das Wissen über das<br />
reale Stadtteilleben ist für eine erfolgreiche Stadtteilentwicklung notwendig. Es ist allerdings<br />
32
schwierig dieses an Dritte, d.h. steuernde Instanzen zu vermitteln, weshalb eine reine Top-<br />
Down Steuerung auch zum Misserfolg führt. Die Konsequenz daraus ist eine Verlagerung der<br />
Steuerungsaktivitäten nach unten. Auch die<br />
„Formulierung von Steuerungsziel und –strategie selbst“ soll nach unten verlagert<br />
werden (Mensch 2001: 20).<br />
Die Instanz, welche die prozessmoderierende Rolle übernimmt, ist dabei das<br />
Stadtteilmanagement, das eine Brücke zwischen Stadtteil und städtischer Verwaltung darstellt<br />
(Mensch 2001: 23f). Als intermediäre Organisation vermittelt sie zwischen den Lebenswelten<br />
der Stadtteilakteure und der Verwaltung und sorgt somit für eine vertikale Vernetzung bzw. für<br />
den notwendigen Informationsfluss, die Moderation und Verfahrenstransparenz (Franke 2005:<br />
189). Dabei soll die Kommunikation und Kooperation zwischen den einzelnen Ebenen<br />
angeregt werden und Entscheidungen nach unten verlagert werden. Davon hängt der Erfolg<br />
eines Stadtteilmanagements ab.<br />
„Je ´durchlässiger´ die vertikale Struktur ist, das heißt, je mehr Mitspracherecht jede<br />
Ebene hat, desto wahrscheinlicher ist eine fruchtbare Zusammenarbeit und desto größer<br />
die Aussichten auf ein erfolgreiches Stadtentwicklungsprogramm mit nachhaltigen<br />
Effekten“<br />
(Burgers et al. 2003: 42).<br />
Auch die Verteilung der Kompetenzen und Aufgaben klären Burgers et al. (2003: 43) in ihrer<br />
„Anleitung für ein erfolgreiches Stadtentwicklungsprogramm“:<br />
„In einer erfolgreichen Ebenen-übergreifenden Beziehung setzt die obere Ebene die<br />
allgemeinen Rahmenbedingungen und hat hinreichend Vertrauen in niedrigere Ebenen,<br />
um ihnen Freiheit und Möglichkeiten zu eröffnen, ein Stadtentwicklungsprogramm zu<br />
entwickeln – vorausgesetzt es besteht eine gewisse Anleitung von Seiten der höheren<br />
Ebene.“<br />
Auch Franke (2005) fordert einen möglichst großen Gestaltungsspielraum für das<br />
Stadtteilmanagement für den Erfolg des Programms. Für eine zeitnahe Umsetzung von Ideen<br />
ist eine Verlagerung von Kompetenzen und Möglichkeiten (wie eine eigene Beschlussfassung<br />
durch legitimierte Stadtteilgremien) erforderlich (Franke 2005: 199).<br />
Voraussetzungen für und Probleme bei vertikaler Kooperation<br />
Eine entscheidende Voraussetzung für das Gelingen vertikaler Vernetzung und den Aufbau<br />
von Kooperationen ist das Kooperationsklima zwischen den Akteure. Es kommt daher auf die<br />
handelnden Personen und ihre Bereitschaft an, sich konstruktiv in Projekte einzubringen. Ein<br />
gemeinsamer Wille zum Stadtteilmanagement ist unbedingt notwendig (Franke 2005: 198).<br />
33
Beim Versuch, vertikale Kooperationen zwischen Lebenswelt und Verwaltung zu initiieren,<br />
treten die unterschiedlichen Handlungslogiken und Interessen der jeweiligen Akteure<br />
besonders deutlich zu Tage. Da die Kooperation der verschiedenen Ebenen aber für den Erfolg<br />
des Stadtteilmanagements so wichtig ist, um die Gegensätze zwischen Lebens- und<br />
Verwaltungswelten zu überwinden oder zumindest zu lindern, ist die Zusammenarbeit der<br />
Ebenen vertraglich festzulegen und auch über formelle und informelle Kooperations- und<br />
Kommunikationsstrukturen zu regeln (Franke 2005: 196). Eine direkte Verbindung zwischen<br />
den drei Ebenen ist von zentraler Bedeutung für eine erfolgreiche Arbeit vor Ort, da nur so die<br />
vor Ort mühsam ausgehandelten Kompromisse fruchtbar weitergetragen werden können<br />
(Franke 2005: 198).<br />
Das lokale Stadtteilmanagement braucht außerdem viele Ressourcen und Durchsetzungskraft<br />
für die ohnehin schwierige Verknüpfung der Vor-Ort-Ebene mit der Ebene der<br />
Verwaltungsorganisationen (Breckner/Herrmann/Gonzales/Läpple 2002: 115). Dafür ist u.a.<br />
die Wertschätzung und Unterstützung der Politik notwendig.<br />
Eine Schwierigkeit für den Aufbau von Kooperationen und Vernetzungen liegt in der<br />
Unterschiedlichkeit der Mentalitäten, Sprachen und Kulturen, sowie den jeweiligen<br />
Ausbildungsstandards (Mensch 2001: 22). Diese Problematik ist im Kapitel über das<br />
Stadtteilmanagement als intermediäre Instanz bereits angesprochen worden. Sie ergibt sich<br />
sowohl im Zuge vertikaler als auch horizontaler Kooperation, ist aber im Zusammenspiel<br />
zwischen Verwaltungslogik und subjektiver Lebenswelt besonders augenfällig.<br />
Bei der vertikalen Kooperation innerhalb der Verwaltung kann ein Mangel an Vertrauen<br />
zwischen den Verwaltungsebenen zu Überbürokratisierung führen. Der Vertrauensmangel<br />
führt dazu, dass ein integrierter Ansatz die vorhandenen Konflikte zusätzlich verschärft<br />
(Burgers et al. 2003: 43). Ein Mangel an Kontrolle und Führung verhindert hingegen u.U. die<br />
Einhaltung von Zielen auf der lokalen Ebene. Hier muss die richtige Balance zwischen Freiheit<br />
und Kontrolle gefunden werden. Es empfiehlt sich zu Beginn ein Arbeiten in kleinen Gruppen<br />
und im kleinen Rahmen (Arbeitsgruppen), damit sich Vertrauen langsam aufbauen kann und<br />
man später die Integration ausweitet (Burgers et al. 2003: 43).<br />
Wie weiter oben bereits besprochen ist den lokalen Akteure ein großer Spielraum zu geben,<br />
wobei jedoch nicht darauf verzichtet werden soll, die Rahmenbedingungen vorzugeben. Ein<br />
Vorschlag von Mensch (2001: 21f) lautet dazu zusammengefasst:<br />
34
- Festlegung von Spielregeln für die Kooperation im Stadtteil – einheitliche<br />
Problemdefinition. Zur Stabilisierung der Netzwerkstrukturen ist eine gemeinsame<br />
Sinninterpretation und Lösungsfindung wichtig.<br />
- Orientierung an langfristigen zukunftsorientierten Fragestellungen<br />
- Strategische Entscheidungen, welche die Gesamtstadt betreffen<br />
- Qualitätsstandards setzen und ein regelmäßiges Monitoring installieren.<br />
Zwei weitere Schwierigkeiten ergeben sich bei der direkten Beteiligung der Bewohnerschaft<br />
im Stadtteil. Das erste ist das Repräsentationsproblem. Nicht alle Bewohnergruppen sind in<br />
den jeweiligen Foren gleichermaßen vertreten (Mensch 2001: 23). Andere Personen oder<br />
Gruppen dominieren dafür das Geschehen. Ist also die Verteilung bzw. die Hierarchie in den<br />
horizontalen Netzwerken ungleich oder unsymmetrisch gelagert, ergeben sich folglich<br />
Probleme für die vertikale Kooperation und Vermittlung.<br />
Zweitens besteht die Gefahr, dass intermediäre Akteure die Willensbildung im Stadtteil<br />
dominieren und so die Bewohnerschaft nicht wirklich eingebunden ist (Mensch 2001: 34).<br />
Dazu kommt, dass intermediäre Akteure vorgeschoben werden und lediglich die Legitimation<br />
der politischen Entscheidungen absichern. Eine wirkliche Einbindung der Betroffenen kann<br />
dabei nicht gelingen, solange sie die Entscheidungsgremien nur mit ihrer geringfügigen<br />
Beteiligung „schmücken“, so Mensch (2001: 24).<br />
Top-Down versus Bottom-Up<br />
Die Balance zu erreichen zwischen Vertrauen und Kontrolle, zwischen Einflussnahme von<br />
oben und Mitspracherecht von unten ist eines der grundlegenden Ziele eines sozialen<br />
Stadtteilmanagements. Um die spezifischen und komplexen Probleme eines Stadtteils<br />
überhaupt rechtzeitig zu orten und zu bestimmen, reichen die Kenntnisse und Erfahrungen von<br />
Fachexperten oft nicht mehr aus.<br />
„Ohne die Einbindung der Betroffenen können komplexe Probleme wie solche der<br />
sozialen Ungleichheit nicht gelöst werden“ (Mensch 2001: 33).<br />
Es gibt unterschiedliche Abstufungen der Intensität von Beteiligung. Selle (vgl. 1996c: 170)<br />
hat diese Abstufungen wie folgt benannt:<br />
- Desinformieren, manipulieren<br />
- Befrieden, erziehen, therapieren<br />
- Informieren<br />
- Anhören, erörtern<br />
35
- Kooperieren<br />
- Einräumen von Kontrollbefugnissen und/oder Durchführungsmacht<br />
- Delegieren bzw. Institutionalisieren von Entscheidungsmacht<br />
Wie man sieht weist die Qualität der Beteiligung starke Unterschiede auf. Einerseits spiegelt<br />
die Darstellung eine immer größer werdende Akzeptanz der Mündigkeit von Individuen seitens<br />
des politisch-administrativen Systems wider. Vor allem aber wird den Beteiligten immer mehr<br />
Verantwortung, Gestaltungsmöglichkeit und Mitentscheidung zugesprochen. Der Entscheidung<br />
was und wie viel von unten, d.h. Bottom-Up kommen darf, obliegt jedoch immer der<br />
Entscheidung der Akteure von oben, Top-Down (Alisch 2002).<br />
Es gibt keine allgemein gültige Aussage über die richtige Mischung aus Bottom-Up und Top-<br />
Down. Zu Beginn eines Programms ist jedoch mehr Top-Down Steuerung nötig, wenn vor Ort<br />
noch keine oder schwach ausgebildete Netzwerke bestehen (Mensch 2001: 22). Eine reine Top-<br />
Down Strategie gilt zwar als gescheitert. Es bedarf jedoch trotzdem einer Steuerung von oben,<br />
wenn es um bestimmte Aspekte geht.<br />
Die oberen Ebenen sollen ihre Zielformulierung und Programmstrategien möglichst allgemein<br />
halten. Das bedeutet, dass<br />
„Politikinhalte oder Policies als moving targets behandelt werden sollen“,<br />
wie es Mensch (2001: 20) ausdrückt. Viele andere Probleme, wie die Arbeitslosigkeit und<br />
Armut, sind im Stadtteil nicht lösbar. Hier können nur kleine Verbesserungen erzielt werden.<br />
In solchen Fällen sind immer wieder Top-Down Strategien erforderlich (Mensch 2001: 25).<br />
In Stadtteilen stellt sich die Beteiligung oft insofern als kritisch und schwierig heraus, da es zu<br />
Spannungen zwischen herkömmlichen Institutionen und den Stadtteilnetzwerken kommen<br />
kann, da sich oft die Frage nach einer legitimierten Verbindlichkeit der Gremiumsbeschlüsse<br />
stellt (vgl. Mensch 2001: 34).<br />
Die nicht repräsentativen Stadtteilforen stehen dann dem Bezirksgremium als gewählten<br />
Vertreter gegenüber. Abhilfe könnte hier die Vereinbarung von Spielregeln zum Verhältnis von<br />
Bezirksvertretung und Stadtteilforen schaffen (Lahner/Zimmermann 2005: 232).<br />
Reflexion über zwei widersprüchliche Ansätze:<br />
Wie weiter oben erläutert stehen sich die Ansätze Top-Down und Bottom-Up in einem<br />
diametralen Verhältnis gegenüber.<br />
Die Ansichten der Autoren über die Verlagerung von Kompetenzen, wie sie bisher in diesem<br />
Kapitel (III. 2.) dargelegt wurden, sind entweder noch uneindeutig formuliert oder<br />
36
unterscheiden sich voneinander einigermaßen erheblich. Dass die Bedürfnisse der Akteure aus<br />
dem Stadtteil in die Planung und Projektierung einfließen sollten, scheint wohl im Kontext<br />
vorangegangener Erläuterungen betrachtet außer Zweifel zu stehen und wird auch von allen<br />
Autoren ähnlich diskutiert. Außerdem wird generell im Stadtteilmanagement der Anspruch<br />
gestellt, die Ideen der Bewohner und Gewerbetreibenden für Projekte zu nutzen bzw. daraus<br />
Projekte zu generieren. Damit obliegt auch ein Teil der Projektentwicklung den<br />
Stadtteilakteuren.<br />
Darüber jedoch, von wem allgemeine Rahmenbedingungen vorgegeben werden sollten,<br />
herrscht weniger Einigkeit und in den Positionen geht auch nicht ganz klar hervor, was unter<br />
Rahmenbedingungen genau verstanden wird. Nur Mensch (2001: 21f.) spezifiziert diesen<br />
Begriff in bezug auf das Stadtteilmanagementkonzept. Mensch (2001) und Burgers et al.<br />
(2003) erwarten die Definition der Rahmenbedingungen im Rahmen eines Top-Down<br />
Prozesses, während Alisch (2001) die Formulierung von Problemdefinitionen und Konzepten<br />
als eine Aufgabe kooperativer Akteure verschiedener Ebenen bis hinunter zur Stadtteilebene<br />
betrachtet. Hier wäre jedoch noch zu klären, wie die Stimmrechtsverteilung geregelt wird und<br />
wie groß der quantitative Anteil von Bewohner aus dem Stadtteil in diesen Gremien wäre.<br />
Franke (2005) bzw. Burgers et al. (2003) gehen mit Alisch (2001) nicht konform, wenn es um<br />
das Mitspracherecht von Bewohnern geht. Sie empfehlen nämlich, Entscheidungen von<br />
Bewohnern aus dem Stadtteil mittragen zu lassen und damit ein effektives<br />
Mitentscheidungsrecht, während Alischs Konzept nur bis zur Mitwirkung der Bewohner bei<br />
der Entwicklung von Projekten geht.<br />
So lässt sich zusammenfassend feststellen, dass Alisch (2001) dem Bottom-Up Prinzip bei der<br />
Bestimmung und Verhandlung des „Wie“, also der Rahmenbedingungen der Regelungen und<br />
Vorgaben mehr Geltung einräumt als etwa Mensch (2001) und Burgers et al. (2003). Hingegen<br />
bei der Entscheidung des „Was“, also welche Projekte finanziert werden und welche Probleme<br />
behandelt werden ist das Verhältnis umgekehrt. Hier forcieren Franke (2005) und Burgers et al.<br />
(2003) die Beteiligung von Bewohnern an Stadtteilgremien und deren Mitentscheidungsrecht<br />
und damit das Bottom-Up Prinzip.<br />
Schließlich sind wahrscheinlich zwei Punkte in dieser Diskussion entscheidend. Wie Alisch<br />
erwähnt, hängt die Möglichkeit Bottom-Up Prozesse zu initiieren, im großen und ganzen vom<br />
Zugeständnis der Top-Down Koalition ab. Zweitens ist es entscheidend, wie Burgers et al.<br />
argumentieren, dass eine Balance zwischen Kontrolle „von oben“ und Freiheit hergestellt wird,<br />
die einen kreativen und motivierten Beteiligungsprozess im Stadtteil ermöglicht.<br />
37
Aber einmal abgesehen von der Debatte um Mitbestimmungs- und<br />
Entscheidungskompetenzen, sind die Vertreter „von oben„ jedenfalls auf das Wissen und die<br />
Erfahrungen „von unten“ angewiesen und es ist die Aufgabe eines Stadtteilmanagements, die<br />
Kommunikation zwischen diesen Ebenen herzustellen.<br />
1.3.2.2. Aspekte horizontaler Kooperation im Stadtteilmanagement<br />
Weiter oben wurden bereits die verschiedenen Ebenen eines Stadtteilmanagements besprochen.<br />
Horizontale Kooperation und Vernetzung bedeutet insofern eine Verknüpfung der Akteure auf<br />
ein und derselben Ebene. Zunächst soll die horizontale Kooperation auf der Verwaltungsebene<br />
erläutert werden. Darauf folgt dann die Darlegung der entsprechenden Kooperation auf<br />
Stadtteilebene, auf welcher sich wieder ganz andere Intentionen und Probleme ergeben.<br />
Horizontale Kooperation auf der Verwaltungsebene<br />
Programmatik:<br />
In Deutschland ist der Diskurs rund um die Bekämpfung von Armut und sozialräumlicher<br />
Polarisierung in den Städten bereits weiter fortgeschritten als in Österreich. Besonders in der<br />
Diskussion über das hier bereits angesprochene Bund-Länder-Programm „soziale Stadt“<br />
scheint eine Menge an wissenschaftlichen und auch programmatischen Beiträgen auf. Dabei<br />
wird eine Zusammenarbeit zwischen den bisher sektoral agierenden Verwaltungseinheiten zur<br />
Bündelung der Mittel und Verbesserung der Koordination gefordert.<br />
„Klare Abgrenzungen zwischen Fachressorts – von der Beschäftigungspolitik über die<br />
Wirtschaftsförderung, die Sozialpolitik bis hin zur Stadterneuerung sind in Zukunft nicht<br />
mehr in der Lage, den an Komplexität wachsenden Aufgaben in benachteiligten<br />
Quartieren gerecht zu werden“ (Alisch/Dangschat 1998: 195).<br />
Dazu kommt die fehlende Flexibilität und Möglichkeit zur Variation bei der Finanzierung von<br />
Projekten, wodurch für die Projekte die Notwendigkeit besteht, sich an die Richtlinienstruktur<br />
der staatlichen Programme anzupassen anstatt umgekehrt (vgl. Alisch/Dangschat 1998: 193f.).<br />
In der Fachwelt zweifelt man nicht nur an der unzureichenden Fähigkeit sektoralen Vorgehens,<br />
komplexe Probleme lösen zu können, sondern wirft dieser Handlungsweise auch vor, den<br />
Schaden zu vergrößern.<br />
„In vielen Politikbereichen ist deutlich geworden, dass sektorales Vorgehen bei der<br />
Lösung komplexer Probleme unzureichend ist und zum Teil sogar nicht-intendierte<br />
negative Folgen in anderen Politikfeldern oder Teilbereichen des eigenen Politikfelds<br />
hervorruft“ (Becker/Löhr 2000: 24).<br />
Sektorales Vorgehen wirkt bei der Komplexität der Lage nur wie ein Tropfen auf dem heißen<br />
Stein, da es nur einseitig an einem der Probleme ansetzt (Mensch 2001: 14). So gesehen<br />
scheint es notwendig, die sozialen Probleme in ihrer Ganzheit zu erfassen und daher auch<br />
38
deren Mehrdimensionalität in deren Bearbeitung zu berücksichtigen. Ein integrierter<br />
Handlungsansatz sieht solch eine Problemsicht bzw. Vorgangsweise vor.<br />
„´Integriert´ arbeiten heißt, sich gleichzeitig mit verschiedenen Aspekten eines Problems<br />
auseinander zu setzen“ (Burgers et al. 2003: 53).<br />
Dazu ist es wiederum erforderlich, die verschiedenen Maßnahmen der einzelnen Sektoren zu<br />
koordinieren und miteinander zu verknüpfen. Daraus folgt dann die Notwendigkeit der<br />
horizontalen bzw. sozialen Vernetzung unterschiedlicher Verwaltungssektoren.<br />
Die meisten Programmbegleitungen vor Ort betonen, dass die Überwindung der<br />
Ressortgrenzen und der Aufbau kooperativer Strukturen auf der Verwaltungsebene von<br />
zentraler Bedeutung für ein effektives Stadtteilmanagement sind (vgl. Franke 2005). In<br />
horizontaler Richtung soll es daher auf der Verwaltungsebene zu einem koordinierten und<br />
kooperativen Handeln kommen. Denn eine ressort- und handlungsfeldübergreifende<br />
Zusammenarbeit, so Mensch (2001: 14), ist im Kampf gegen sozialräumliche Polarisierung<br />
unumstritten notwendig.<br />
Auch Burgers et al. (2003) Forderungen gehen in eine ähnliche Richtung. Sie meinen, dass die<br />
Komplexität der Zusammenhänge eine Veränderung und Anpassung der Stadtverwaltung<br />
verlangt. Diese Komplexität kann von einer fragmentierten Verwaltung nicht bewältigt werden<br />
und erfordert daher die Einführung eines integrierten Ansatzes. Die Einbindung aller<br />
kommunalen Steuerungs- und Handlungsebenen ist dafür notwendig.<br />
Ziel der Kooperation zwischen den Ressorts und Ämtern ist die Bündelung der Ressourcen, die<br />
Vereinfachung des Zugangs zu den verschiedenen Finanztöpfen und, dass eine gemeinsame<br />
Problemdefinition zur Zusammenarbeit führt (vgl. Mensch 2001).<br />
Ergänzend dazu können in Anlehnung an Burgers et al. (2003: 45) weitere Ziele der<br />
Kooperation genannt werden: Es gilt thematische Überlagerungen zu verhindern und es sollte<br />
vermieden werden, bestimmte Problembereiche auszuklammern. Außerdem sind<br />
Kooperationen wichtig, um Informationen auszutauschen, was im Gebiet gerade alles passiert.<br />
Kooperationen können somit auch die Koordination von Projekten und zu erbringenden<br />
Leistungen im Stadtteil optimieren helfen und gleichzeitig ein Wissensmanagement<br />
implementieren.<br />
Institutionalisierung des Stadtteils in der Verwaltung<br />
Zum einen soll die horizontale Vernetzung zu einer Verbesserung der Kommunikation auch<br />
innerhalb der Verwaltung führen. Um diese zu festigen und zu stabilisieren, ist eine<br />
institutionalisierte Raumorientierung in der Verwaltung mit Gebietsteams und Stadtteilbudgets<br />
sinnvoll, so Lahner/Zimmermann (2005: 231).<br />
39
Franke (2005: 189) fordert zudem die Nominierung von Gebietsbeauftragten, welche die<br />
horizontale Vernetzung und die Koordination des integrierten Handlungskonzeptes sowie die<br />
Gesamtprojektsteuerung übernehmen. Dazu soll eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe<br />
(Franke 2005: 189; Mensch 2001: 32) eingerichtet werden.<br />
Einen Vorschlag, der ein ähnliches Ziel verfolgt, machen Burgers et al. (2003: 46) mit der<br />
Einrichtung einer „task-force“, gemeint als kleine behördenübergreifende Arbeitsgruppe,<br />
jedoch mit eigenem Budget und einem gewissen Maß an Entscheidungsmacht. Diese „taskforce“<br />
soll der bedingten Akzeptanz und Unwilligkeit gegenüber Partnerschaften innerhalb der<br />
Verwaltung Abhilfe leisten.<br />
Voraussetzungen für Kooperationen auf der Verwaltungsebene – mögliche Probleme bei der<br />
Zusammenarbeit<br />
Wie im vorherigen Abschnitt bereits erwähnt, ist beispielsweise die Schaffung eines<br />
gemeinsamen Gremiums zur Überwindung von Ressortgrenzen, damit ein stadtteil- und<br />
problemorientiertes Arbeiten möglich ist (Mensch 2001: 28), eine Voraussetzung für<br />
horizontale Kooperationen. Solch ein Gremium soll mit einigen Vertretern aus den<br />
verschiedenen aber nicht allen möglichen Ressorts besetzt werden, so Burgers et al. (2003: 53),<br />
der empfiehlt, nicht gleich alle Fachbereiche und Akteure in einem Gebiet zusammen<br />
zubringen. Erstens ergibt sich sonst ein zu großer Organisationsaufwand. Außerdem wächst<br />
wichtiges Vertrauen zunächst besser in kleineren überschaubaren Gruppen.<br />
Die Überwindung von Ressortegoismus bildet einen integralen Bestandteil horizontaler<br />
Vernetzung und Kooperation. Doch gerade durch die Prinzipien des New Public Managements<br />
wird dieser Ressortegoismus gefördert. Die Zusammenarbeit verschiedener<br />
Verwaltungseinheiten wird nicht zuletzt aufgrund ihrer je spezifischen Interessen behindert.<br />
„Die größte Schwierigkeit bei der Organisation von transversalen oder horizontalen Kooperationen in<br />
Verwaltung und Dezernaten ist das Nebeneinander unterschiedlicher Interessensbereiche, durch<br />
welche Spannungen zwischen Ansätzen, Prozessen, professionellen Arbeitsweisen und<br />
Organisationsstrukturen bestehen“ (Burgers et al. 2003 : 50).<br />
Nicht zuletzt aus diesem Grund ist Geld als Mittel für die Entwicklung horizontaler<br />
Kooperation sehr wesentlich, wie Burgers et al. (2003: 55) darlegen. Die Zuweisung<br />
finanzieller Mittel stellt also eines der wichtigsten Mittel zur Initiierung horizontaler<br />
Partnerschaften dar. Die sektoral organisierten Fachbereiche haben getrennte Budgets und<br />
verlieren durch die Finanzierung gemeinsamer Projekte nicht die Kontrolle über ihre eigenen<br />
Mittel. So könnten sie sich unbesorgt auf solche Kooperationen einlassen.<br />
40
Für die Bildung von sektorübergreifenden Kooperationen sind Netzwerke von Bedeutung. Die<br />
Bildung und das Funktionieren von Netzwerken hängt wiederum von selbst vereinbarten<br />
Regeln (Ostrom/Ahn 2000) 4 sowie von Vertrauen (Zaheer et al. 1998; Putnam 1993) 5 und<br />
anderen sozialen Mechanismen wie der Reputation und einer kooperativen Makrokultur<br />
(Jones/Hesterly/Borgatti 1997) 6 ab.<br />
Diese Vorraussetzungen stellen sich am besten in regelmäßigen Treffen ein (vgl.<br />
Lahner/Zimmermann 2005: 226).<br />
Als problematisch beim Aufbau integrierter Konzepte erweist sich oft, dass den<br />
angesprochenen Akteuren, auch in der Verwaltung, dieses Prinzip fremd ist oder zumindest ein<br />
gemeinsames Verständnis darüber fehlt. Das integrierte Handlungskonzept ist nicht immer<br />
Ergebnis kollektiver Willensbildung und wird auch nicht von allen Beteiligten als<br />
gemeinsames Leitbild oder Grundlage betrachtet, so Lahner/Zimmermann (2005: 231). Die<br />
beiden Autoren gehen außerdem davon aus, dass ein offenes Netzwerk gemeinsamer<br />
Grundüberzeugungen die Grundlage für eine kollektive Raumbindung ist (2005: 234).<br />
Eine weitere Schwierigkeit bei der Entwicklung fächer- und sektorenübergreifender<br />
Zusammenarbeit bilden neben den organisatorischen Grenzen auch kulturelle Barrieren. Damit<br />
beinhaltet kollektives Handeln neben dem Handeln über die Grenzen zwischen Institutionen,<br />
Sektoren, verschiedenen Handlungslogiken und –rationalitäten hinweg auch eine Überwindung<br />
habitueller und kultureller Barrieren (Lahner/Zimmermann 2005: 234).<br />
Kritik der Diskussion über horizontale Kooperation auf der Verwaltungsebene:<br />
In der einschlägigen Literatur steht die Erläuterung der Nachteile einer sektoralen<br />
Verwaltungsorganisation gegenüber der Erläuterung der Vorteile einer sektorübergreifenden<br />
Verwaltungsorganisation deutlich im Vordergrund. Eine Rhetorik, welche mehr die positiven<br />
Anreize einer horizontalen ressortübergreifenden Kooperation in der Verwaltung betont wäre<br />
wünschenswert. Hervorzuheben wären dabei zum Beispiel die Steigerung von Effizienz und<br />
die Erzeugung von Synergien durch Ressourcenbündelung verschiedener Ressorts. Eine<br />
wissenschaftliche Aufarbeitung dieser positiven Anreize könnte zusätzliche wichtige<br />
Argumente für die Umsetzung eines integrierten Handlungskonzeptes liefern.<br />
4 zitiert nach: Lahner/Zimmermann 2005: 226.<br />
5 ebd.<br />
6 ebd.<br />
41
Zur Frage, welche Ressorts und besonders wie viele Ressorts der Verwaltung in eine<br />
Arbeitsgruppe zur horizontalen Kooperation zu integrieren sind, herrschen unterschiedliche<br />
Meinungen unter den wissenschaftlichen Experten. Wie weiter oben beschrieben, hat Burgers<br />
et al. (2003: 53) empfohlen, zu Beginn nicht alle möglichen Ressorts in die Kooperation eines<br />
Stadtteilmanagements einzubinden. Auf der anderen Seite gibt es Argumente, möglichst viele<br />
Ressorts für eine Zusammenarbeit zu gewinnen und zu beteiligen. Franke (2005: 192) warnt in<br />
diesem Zusammenhang vor der Problematik, welche sich ergibt, wenn die Abstimmungs- und<br />
Steuerungsarbeit auf Verwaltungsebene im Kern von nur wenigen Ressorts übernommen wird.<br />
Die Notwendigkeit der Einrichtung arbeitsfähiger Gremien zwingt unter Umständen die<br />
Prinzipien des integrierten Handlungskonzepts zu überdenken und den einen oder anderen<br />
Kompromiss einzugehen. Es sollte hier jedoch auch zwischen der Institution eines<br />
Stadtteilgremiums, das v.a. steuernde und koordinierende Aufgaben hat, und der Kooperation<br />
im Allgemeinen unterschieden werden. Aber vielleicht geht es auch gar nicht um die<br />
Beteiligung möglichst vieler Ressorts, also um eine quantitative Steigerung, sondern viel mehr<br />
darum, möglichst unterschiedliche Fachbereiche zu involvieren. Denn so können<br />
unterschiedliche Handlungslogiken integriert und aufeinander bezogen werden, um dadurch<br />
Innovationen in der Zusammenarbeit und bei der Schaffung neuer Projekte zu fördern. Die<br />
Kooperation qualitativ unterschiedlicher Politikfelder und Verwaltungssektoren steht dann im<br />
Vordergrund. Es sollen die bisher weitgehend getrennt agierenden Bereiche Soziales und<br />
Stadtplanung miteinander vernetzt werden (vgl. Breitfuss et a. 2001: 59; Heinelt/Mensch 2001:<br />
7). Darunter fallen die Bereiche Bildung, Arbeitsmarkt, Jugend, Frauen, Städtebau, Verkehr,<br />
Integration, Wirtschaft und Ökologie, um nur einige zu nennen.<br />
Horizontale Kooperation auf der Stadtteilebene<br />
Programmatik:<br />
Gerade auch auf der Stadtteilebene wird eine Vernetzung und Zusammenarbeit<br />
unterschiedlichster Akteure für notwendig gehalten. Denn hier befindet sich einerseits der<br />
Schauplatz der Interessens- und Nutzungskonflikte. Andererseits werden, wie Schnur (2003)<br />
betont, durch die Vernetzung die Handlungsmöglichkeiten und Kompetenzen der Akteure<br />
erweitert und gestärkt. In der einschlägigen Literatur wird hier auch der Begriff Sozialkapital<br />
eingeführt und dessen Bedeutung für die Entwicklung von Quartieren oder „Grätzeln“ betont.<br />
In diesem Zusammenhang werden die Nachbarschaftsnetzwerke erwähnt (vgl. Schnur 2003:<br />
73). Um eine nachhaltige Wirksamkeit des Programms der sozialen Stadt zu bewerkstelligen,<br />
ist es notwendig die nachbarschaftlichen Beziehungen der aktivierten Bewohner zu fördern und<br />
42
zu intensivieren (vgl. Mensch 2001: 23). An anderer Stelle ist schlicht vom nachhaltigen<br />
Aufbau selbsttragender Sozialstrukturen die Rede. Stadtteilmanagement soll demnach helfen,<br />
auf Stadtteilebene Strukturen zu schaffen, um eine Kooperation der relevanten Akteure im<br />
Gebiet zu ermöglichen. Dabei geht es nach Burgers et al. (2003: 52) um den Aufbau von<br />
selbsttragenden personellen und materiellen Strukturen. Diese sollen dazu führen, dass die<br />
Akteure ihre Situation selbst koordinieren und verbessern können. Dabei sollen alle Akteure im<br />
Stadtteil angesprochen werden. Neben den Bewohner sind auch die privaten Unternehmen, die<br />
privaten und öffentlichen Institutionen, sowie die Vereine und Clubs, welche im Stadtteil<br />
ansässig sind, zu vernetzen.<br />
Die dort entstehenden Policy Netzwerke bestehen aus unterschiedlichsten Akteuren<br />
(Bewohnern, Unternehmen, Verwaltung, Vereine, Verbände etc.) mit unterschiedlichsten<br />
Interessen und Sichtweisen. Zu einer gemeinsamen Problemdefinition und Problemlösung zu<br />
gelangen, wird dabei zur vorrangigen Herausforderung. Anzustreben ist eine Lösung von<br />
Problemen, die über den jeweiligen Zuständigkeitsbereich hinausgeht, wie Mayntz fordert<br />
(2001: 41). Sie verweist in diesem Zusammenhang auf die Steuerungstheorie, welche zwischen<br />
negativer und positiver Koordination unterscheidet 7 . Für letztere ist charakteristisch, dass sich<br />
die Beteiligten nicht an ihren eigenen Interessen, sondern an der Lösung des übergreifenden<br />
Problems orientieren und Kosten dafür in Kauf nehmen (Mayntz 2001: 42). Für Institutionen<br />
aus dem Stadtteil heißt das zum Beispiel, aus dem eigenen oft starren Korsett der Aufgabenund<br />
Zieldefinitionen herauszutreten und flexibel bzw. im Interesse der Stadtteilentwicklung<br />
neue Herausforderungen anzunehmen.<br />
Voraussetzungen für Kooperationen auf der Stadtteilebene – möglicheProbleme für die<br />
Zusammenarbeit<br />
Damit Kooperationen auf der Stadtteilebene zustande kommen und erfolgreich sind, braucht es<br />
eine Reihe an günstigen Vorraussetzungen. Dabei müssen Probleme beachtet werden, welche<br />
den Aufbau behindern und den Erfolg von Kooperationen verhindern können. Es geht hier<br />
darum, neben allgemeinen Problemen vor allem die sozialen Probleme zu erläutern, die<br />
soziologische Sachverhalte darstellen oder sich aus solchen ableiten lassen.<br />
Zunächst einmal dürfen keine wichtigen Akteure fehlen und die, die teilnehmen, müssen<br />
tatkräftig mitwirken. Dabei müssen gemeinsame Ergebnisse erzielt werden, so Mensch (2001:<br />
28).<br />
7 Die Steuerungstheorie kann im Kapitel über die horizontale Kooperation auf Verwaltungsebene analog angewendet werden.<br />
43
Für Kooperationsbeziehungen spielt Vertrauen eine nicht unerhebliche Rolle. Da einer der<br />
Kooperationspartner immer eine Vorleistung erbringt, muss er oder sie auf die Partner<br />
vertrauen, eine entsprechende Gegenleistung oder Ausgleichsleistung zu erhalten. Es besteht<br />
also eine strukturell bedingte Ungleichzeitigkeit von Leistung und Gegenleistung, wie sie<br />
schon von Mauss (1990) beschrieben wurde. Vertrauen und Kooperation scheinen in einer<br />
sensiblen Wechselbeziehung zu stehen. So kann Vertrauen einerseits als eine Vorbedingung für<br />
Kooperation (vgl. Gambetta 2001: 225f.) andererseits als Folge von Kooperation (Axelrod<br />
1988) betrachtet werden. Mit diesen Phänomenen ist auch ein Stadtteilmanagement beschäftigt,<br />
wenn es erstens darum geht, zu Beginn einander unbekannte Akteure in<br />
Kooperationsbeziehungen einzubinden, indem vertrauensschaffende Standards eingerichtet<br />
werden und sie zweitens nach Kooperationen wieder für neue zu gewinnen, indem an positive<br />
Kooperations- und Interaktionserfahrungen erinnert wird.<br />
Besteht im Vorfeld von Vernetzung und Kooperation also noch wenig oder kein Vertrauen<br />
zwischen potenziellen Partnern bzw. in die Vorhaben des Stadtteilmanagements, müssen<br />
Ressourcen oder Anreize für eine Zusammenarbeit geschaffen werden. Um den Prozess der<br />
Vernetzung zwischen den Akteuren anzuregen, werden also Steuerungsinstrumente wie Geld,<br />
die Bereitstellung von Informationen, Personalressourcen und Realhandlungen, wie z.B.<br />
städtische Bauvorhaben eingesetzt (vgl. Mensch 2001: 27). Neben Anreizen braucht es also<br />
auch Anlässe, an denen sich die Akteure konkret beteiligen können.<br />
Hinte (vgl. 2001: 165f.) weist darauf hin, dass routinisierte und vorstrukturierte Verfahren<br />
(Gremien, Arbeitsgruppen etc.) hier oft nicht zielführend sind.<br />
„Vielmehr bedarf es einer Mischung geregelter und ungeregelter Formen des<br />
Austausches, bei der sich die Beteiligten wechselseitig anregen, informieren, Beschlüsse<br />
fassen und Vorhaben durchführen“ (Hinte 2001: 165).<br />
Er geht sogar noch weiter und spricht von der Notwendigkeit „anarchisch anmutender<br />
Strukturen“, die „mehr Raum für Unvorhergesehenes“ lassen und die Kreativität fördern. So<br />
können sich Netzwerke bilden, die genügend Spielraum für die Eigenwilligkeit der Menschen<br />
und die spezifischen Bedingungen im Stadtteil bieten.<br />
Heterogenität der Akteure<br />
Die spezifischen Bedingungen im Stadtteil ergeben sich unter anderem durch die<br />
Verschiedenheit der Akteure. Es wäre leichtsinnig bei den Bewohnern oder den Unternehmen<br />
und öffentlichen Organisationen von jeweils homogenen Gruppen, hinsichtlich ihrer Probleme,<br />
Interessen und Potentiale zu sprechen.<br />
44
Eine ausgeprägte Heterogenität der Netzwerkakteure kann zum Beispiel insofern zu<br />
Schwierigkeiten führen, als „Revierkämpfe“ zwischen ihnen zu erwarten sind (vgl. Mensch<br />
2001: 17). Die Akteure unterscheiden sich in ihrer Sprache, ihrem Milieu, ihren Vorstellungen<br />
von Professionalität und Effektivität, ihrer Arbeitskultur und zudem in ihren Zielsetzungen.<br />
Das bedeutet, dass gerade deren Miteinander erst erprobt werden muss. Die Entwicklung einer<br />
gemeinsamen Arbeitskultur ist hier ebenso notwendig wie die Entwicklung einer kreativen<br />
Streitkultur, welche allerdings vor allem Zeit braucht. Netzwerke können nicht verordnet<br />
werden, sie wachsen langsam, und nur dann wenn die Akteure ihren Nutzen auch für sich<br />
selbst dabei aus den Aktivitäten ziehen können (Mensch 2001: 32). Die Netzwerke sollen dabei<br />
nicht nur der Befriedigung individueller Bedürfnisse Vorschub leisten. Die Akteure sollen dazu<br />
gebracht werden, ein möglichst problemadäquates Ergebnis zu erzielen (Mensch 2001: 17).<br />
Wenn die Beteiligten das Problem selbst definieren, scheint mir das bereits eine wichtige<br />
Voraussetzung dafür zu sein, dieses auch adäquat zu behandeln.<br />
Integration vs. Regimebildung<br />
Es bestehen die unterschiedlichsten Gründe, warum sich Menschen an Projekten und<br />
Aktivitäten eines Stadtteilmanagements beteiligen. Es bestehen jedoch ebenso die<br />
unterschiedlichsten Gründe dafür, warum viele Menschen nicht den Weg ins Stadtteilbüro<br />
finden und sich nicht aktiv an der Stadtteilpolitik beteiligen bzw. nicht beteiligt werden. Im<br />
Endeffekt bleibt ein relativ kleiner Anteil an Betroffenen übrig, welche sich langfristig<br />
engagieren und den Kontakt zum Stadtteilbüro aufrecht erhalten oder an Projekten teilnehmen<br />
und an Entscheidungen partizipieren.<br />
Lahner/Zimmermann (2005: 227) sehen hier die Gefahr, dass sich auf Stadtteilebene<br />
asymmetrische Machtverhältnisse entwickeln und es so zu einer sozialraum-bezogenen<br />
Regimebildung kommt, bestehend aus einer kleinen Gruppe von Engagierten und<br />
Funktionsträgern, welche dann das Geschehen vor Ort bestimmen. Dieses Problem wirft die<br />
demokratiepolitische Frage auf, wer unter welchen Bedingungen die Stadtteilpolitik bestimmen<br />
soll und schließlich die Verantwortung tragen soll. Die Gefahr einer solchen machtpolitischen<br />
Schieflage stärkt letztlich die Position der demokratisch legitimierten Gremien und<br />
konterkariert die Rechtfertigung lokaler Bürgerbeteiligung. Dieses Thema hat uns im Kapitel<br />
über die vertikalen Kooperationen und Vernetzungen bereits beschäftigt.<br />
Förderlich für das Engagement im Stadtteil kann eine gewisse Bindung an den Stadtteil bzw.<br />
an den Raum sein. Grundsätzlich nennen Lahner/Zimmermann (2005: 230) zwei<br />
45
egünstigende Gründe für die Bildung von Raumbindung an den Stadtteil, welche wiederum<br />
zur Beteiligung und Engagement motiviert. Einerseits gelingt diese auf Basis von<br />
Eigeninteressen, wie zum Beispiel von Eltern oder Unternehmen oder auch aufgrund affektiver<br />
oder identifikatorischer Bindung an den Stadtteil.<br />
Selbsttragende Strukturen<br />
Nach dem Ende eines über mehrere Jahre gelaufenen Stadtteilmanagementprogramms stellt<br />
sich die Frage, ob die aufgebauten sozialen Strukturen, die Netzwerke, Bekanntschaften und<br />
Kooperationen weiter bestehen bleiben. Deren Tragfähigkeit über den Förderzeitraum hinaus<br />
ist fraglich, weil zentrale Personen aus den intermediären Organisationen wie dem<br />
Stadtteilbüro wegfallen oder finanzielle Mittel nicht mehr zur Verfügung stehen.<br />
Lahner/Zimmermann (vgl. 2005: 231) zweifeln an deren Tragfähigkeit, wenn es sich aufgrund<br />
der dominierenden Planungsämter und Stadtteilmanager nur um (kommunal)staatlich<br />
moderierte Governance-Strukturen handelt. Daraus abzuleiten ist demnach, dass sich<br />
selbsttragende Sozialstrukturen entwickeln müssen, bei denen die Akteure unabhängig von<br />
kommunalstaatlich moderierenden Instanzen selbständig ihre Aktivitäten organisieren und ihre<br />
Interessen eigenständig und initiativ artikulieren.<br />
1.3.3. Stadtteilmanagement im Rahmen des deutschen Bund-Länder-<br />
Programms „soziale Stadt“ - Ausblick auf die empirische Arbeit<br />
Das Programm „soziale Stadt“ betrifft im Grunde nur deutsche Städte. Aufgrund ähnlicher,<br />
wenn auch nicht so weit fortgeschrittener sozialräumlicher Probleme wie in deutschen Städten,<br />
können allerdings Parallelen zu österreichischen Städten hergestellt werden und es kann daher<br />
versucht werden, rechtzeitig vom deutschen Programm zu lernen. Auch die politische<br />
Steuerung und die Verwaltungsstrukturen weisen Parallelen zur Situation in Österreich auf.<br />
Im Bund-Länder-Programm wird ein integrativer Ansatz gefordert, welcher ämter- und<br />
ressortübergreifend eine nachhaltige Stadtentwicklung bewirken soll 8 :<br />
„Da die Bündelung aller verfügbaren Programme und Ressourcen Erfolgsvoraussetzung<br />
für die zielgerichtete Stadtteilentwicklung ist, haben die Städte und Gemeinden die<br />
Aufgabe, die enge Kooperation der Fachressorts organisatorisch sicherzustellen, die<br />
schnelles übergreifendes Handeln ermöglichen soll.“<br />
Dabei soll im administrativen wie im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich<br />
gemeinsam und produktiv zusammen gearbeitet werden. Diese institutionelle Vernetzung soll<br />
8 Leitfaden zur Ausgestaltung der Gemeinschaftsinitiative „Soziale Stadt“ vom 1.3.2000<br />
http://www.sozialestadt.de/programm/handlungsfelder/quartiermanagement.phtml Zugriff 10.1.2007<br />
46
eine Kombination baulicher, sozialer und wirtschaftlicher Maßnahmen ermöglichen (vgl.<br />
Burgers et al.: 2003). Dazu soll ein Quartiersmanagement9 eingereichtet werden, das als<br />
strategischer Ansatz die Entwicklung des Quartiers fördert. Das Bund-Länder-Programm stellt<br />
die Aufgaben des Handlungsfeldes „Quartiersmanagement“ folgendermaßen dar:<br />
„Das prozessorientierte Quartiersmanagement dient dazu, eine horizontal und vertikal<br />
vernetzte Kooperations- und Managementstruktur auf Verwaltungs- und Quartiersebene,<br />
zwischen diesen Ebenen sowie mit allen anderen lokal relevanten Akteuren zu<br />
gewährleisten“ 10 .<br />
Ein produktives Zusammenwirken soll also auch zwischen den verschiedenen Akteuren, die<br />
aus dem Stadtteil selbst kommen, erreicht werden (vgl. Heinelt/Mensch 2001: 7). Sie sind<br />
schließlich die „Zielgruppe“, welche vom Programm profitieren soll. Deshalb mündet die<br />
Absicht, die Vernetzung auf allen Ebenen zu erreichen letztlich in der Vernetzung und<br />
selbständigen Organisation der Akteure im Stadtteil.<br />
„Das Hauptziel und zugleich das Hauptinstrument ist es, Vernetzung auf den<br />
verschiedenen Ebenen (Bund, Länder, Städte, Stadtteile) aufzubauen, um so letztlich eine<br />
Selbstkoordination der eigentlich Betroffenen, der AkteurInnen in den Stadtteilen, zu<br />
ermöglichen. Die so erzielte Selbstkoordination soll zur Folge haben, dass über<br />
´Selbstheilungsprozesse´ die Menschen ihre Situation in den benachteiligten und<br />
benachteiligenden Stadtteilen selbsttätig verbessern können“ (Mensch 2001: 27).<br />
Das Stadtteilmanagement im Sinne der „sozialen Stadt“ ist insofern sehr umfassend konzipiert,<br />
als es Reformen und ein Umdenken auf mehreren Ebenen und in mehreren Handlungsfeldern<br />
zugleich anstrebt. Diese Idee der Mehr- oder Mehrdimensionalität des Programms wirkt sich<br />
auch auf meine Arbeit über das Grätzelmanagement aus. Um dem ganzheitlichen Charakter<br />
des hier beschriebenen Stadtteilmanagementkonzeptes Genüge zu leisten, entspricht es dem<br />
Anspruch der vorliegenden Arbeit, die Verflechtung innerhalb aber auch zwischen den<br />
verschiedenen Ebenen zu untersuchen. Das Konzept des deutschen Stadtteilmanagements soll<br />
dabei u.a. als anschauliches Vergleichsmodell für das Wiener Grätzelmanagement<br />
herangezogen werden.<br />
1.3.4. Stadtteilmanagement in der Kritik<br />
Über die Intention des Bund-Länder-Programms, einen integrierten Handlungsansatz zu<br />
verfolgen, herrschen unterschiedliche Meinungen. So bemerkt Alisch (vgl. 2002: 97), dass das<br />
Bund-Länder-Programm gar keine deutliche Integration der einzelnen Handlungsfelder<br />
vorsieht. Auf der Ebene der Gemeinden und Städte beobachtet sie eine mangelhafte<br />
9 Der Begriff Quartiersmanagement ist der in Deutschland übliche Terminus. Seine Bedeutung ist allerdings mit dem des<br />
Stadtteilmanagements gleich zu setzen.<br />
10 Bund-Länder-Programm/Handlungsfeld “Quartiersmanagement“,<br />
http://www.sozialestadt.de/programm/handlungsfelder/quartiermanagement.phtml Stand 10.11.2006<br />
47
Verknüpfung zwischen den Ämtern und ein Vorherrschen von Ressortdenken bzw. Verfolgen<br />
eigener Ziele.<br />
„Auf der kommunalen Ebene verteidigen Ämter ihre Ressourcen und verfolgen eigene<br />
Ziele in den Gebieten, in denen ein ´integriertes´ Konzept umgesetzt werden soll“ (Alisch<br />
2002: 97).<br />
In eine ähnliche Richtung gehen auch die Anregungen auf Basis empirisch fundierter<br />
Programmbegleitungen wie:<br />
„Das Bewusstsein ressortübergreifender Verantwortung der Verwaltungsspitze für das<br />
Programm `Soziale Stadt´ muss noch verstärkt werden“<br />
(Knorr-Siedow/Jahnke/Trostorff 2002: 105; zitiert nach Franke 2005: 192)<br />
oder:<br />
„Die ressortspezifischen Sicht- und Handlungsweisen lassen sich langsamer umwandeln<br />
als integrierte Konzepte es erfordern“ (Mussel/Kreisl 2002: 82; zitiert nach Franke 2005:<br />
192).<br />
Grundsätzlich problematisch am Konzept des Stadtteilmanagements ist die Tatsache, dass<br />
parallel mit der prinzipiell wünschenswerten Aktivierung und dem Empowerment der lokalen<br />
Akteure auch die Überantwortung der Herstellung sozialer Sicherheit an die Individuen<br />
einhergeht. Es besteht die Gefahr, bisher eindeutig dem Sozialstaat zugeschriebene Aufgaben<br />
kontinuierlich an die einzelnen Betroffenen abzugeben. Der Sozialstaat verabschiedet sich auf<br />
diese Weise langsam durch die Hintertüre. Wie das bereits in Bereichen der<br />
Pensionsversicherung, des Gesundheitssystems oder anderen passiert, übernehmen die<br />
Individuen zusehends Risiken und Kosten, welche bisher weitgehend solidarisch verteilt<br />
waren. Die Ursachen liegen aber strukturell außerhalb ihrer Reichweite, weil es sich um<br />
globalisierte Entwicklungen und exogene Ursachen handelt, die jedoch tief in deren Leben<br />
hinein wirken. In den benachteiligten Stadtteilen verlangt dann Stadtteilmanagement just von<br />
jenen mehr Verantwortung zu übernehmen, welche die geringste politische Durchsetzungskraft<br />
haben und in der freien Artikulation und Selbstorganisation am schwächsten sind. Auch ein gut<br />
organisiertes Stadtteilmanagement kann nicht das Umverteilungsproblem in der Gesellschaft<br />
lösen. Die schrumpfenden Einnahmen öffentlicher Haushalte verlangen zwar einerseits einen<br />
effizienteren Einsatz der Ausgaben. Die Politik darf sich jedoch nicht der gesellschaftlichen<br />
Verantwortung entziehen und die öffentlichen Einnahmen den Bedingungen der<br />
„Marktgesetze“ überlassen bzw. das Problem auf die Ausgabenseite abwälzen.<br />
Diese Kehrseite der Medaille eines ambitionierten Stadtteilmanagements soll hier nicht<br />
unbeachtet bleiben, wenngleich es sich nur um ein hypothetisches Szenario handelt, das einen<br />
Zusammenhang zwischen staatlichem Handeln und Stadtteilmanagement als Programm<br />
unterstellt. Soweit ist die Entwicklung v.a. in Österreich noch nicht fortgeschritten, dass wir<br />
48
diesen Zusammenhang konstatieren müssen. Im allgemeinen Trend einer Kompetenz- und<br />
Verantwortungsabgabe des Staates an die Länder und Kommunen scheint dieses Szenario aber<br />
durchaus vorstellbar. Der Rückzug des Sozialstaates ist also gerade in diesem Zusammenhang<br />
nicht zu befürworten, da ihn ein Stadtteilmanagement schlicht nicht ersetzen kann und soll. Die<br />
Möglichkeiten des Stadtteilmanagements sind kleinräumiger angelegt und strukturell weitaus<br />
weniger wirkungsmächtig. Stadtteilmanagement kann aber aufgrund seiner Nähe zu den<br />
Lebenswelten eine Ergänzung zum System des Sozialstaates darstellen und zu der Sozial-<br />
Integration beitragen, zu welcher der Sozialstaat alleine nicht im Stande ist.<br />
Eine andere Schwierigkeit bei der Implementierung von Stadtteilmanagement ist darin zu<br />
sehen, dass auf Stadtteilebene gerade die Menschen aufgerufen werden, aktiv zu sein und ihre<br />
Ideen zu artikulieren, die aufgrund niedrigeren kulturellen, sozialen und ökonomischen<br />
Kapitals am wenigsten darauf vorbereitet sind bzw. wurden. Zum einen ist der<br />
Erwartungsdruck seitens der Politik, der Verwaltung oder der Experten sehr groß und es<br />
müssen in kurzer Zeit, am besten bis zu den nächsten Wahlen, herzeigbare Ergebnisse auf den<br />
Tisch. Auf der anderen Seite finden sich wie gesagt vor allem Menschen mit wenig bis gar<br />
keiner Erfahrung in Sachen Bewohneraktivierung, Beteiligungsverfahren und in sonstige Arten<br />
neuer Kooperationsformen. Dazu kommen sprachliche Barrieren und Unsicherheiten bezüglich<br />
der Artikulation eigener Interessen. Ebenso genannt werden müssen die Protagonisten einer<br />
lokalen Ökonomie, welche auf einmal in gemeinschaftliche Interessen eingebunden werden<br />
sollen, oft aber gerade in benachteiligten Stadtteilen kaum ihr Auslangen finden. Nicht zu<br />
vergessen sind schließlich die Fachexperten aus der Verwaltung und Planung, welche in der<br />
Beteiligung an diesen neuen Kommunikationszusammenhängen ebenso unerfahren sind.<br />
Stadtteilmanagement ist ein Feld, in dem es noch sehr viel Bedarf an Lernerfahrungen und<br />
Spielraum zum experimentieren besteht. Es stehen also Rahmenbedingungen zur Verfügung,<br />
welche gerade am Beginn eines neuen Projektes mit neuen Handlungsabläufen und Logiken<br />
ungünstig erscheinen. Das kann allerdings den Ambitionen des Stadtteilmanagementkonzeptes<br />
prinzipiell keinen Abbruch tun. Vielmehr muss darauf geachtet werden, dass die Erwartungen<br />
von außen nicht Ambitionen des Projektes erdrücken und die Letztentscheider und<br />
Letztverantwortlichen sich in Geduld üben. Bei solch umfangreichen und tiefgreifenden<br />
strukturellen und kulturellen Veränderungen, wie es das Stadtteilmanagement anstrebt,<br />
erscheint Zeit als die notwendigste Ressource, welche in das Projekt investiert werden muss.<br />
49
2. Forschungsfragen<br />
Die Forschungsfragen sind insofern offen gestellt, da mir über die inneren Strukturen des<br />
Grätzelmanagements zu Beginn der Untersuchung im Grunde wenig bekannt war. Das<br />
Forschungsinteresse, verknüpft mit den Vorgaben der Theorie ermöglichen vorerst eine<br />
Fokussierung auf bestimmte Aspekte.<br />
Der Ausgangspunkt zur Vermittlungsfunktion von Stadtteilmanagement als intermediäre<br />
Organisationen (Grimm 2004) ist in beiden Hauptforschungsfragen (A. horizontale und B.<br />
vertikale Kooperation) integriert.<br />
A. Die Vermittlungs- und Vernetzungsstrukturen/horizontale<br />
Kooperation<br />
Welche Akteure und welche Akteursgruppen sind in den verschiedenen Grätzelmanagement-<br />
Foren/Gremien auf den beiden Ebenen Verwaltung/Politik und Stadtteil vertreten bzw.<br />
involviert? Fehlen wichtige Gruppen?<br />
Interagieren oder kooperieren Verwaltungseinheiten aus unterschiedlichen Ressorts oder<br />
handeln die Fachbereiche fragmentiert und isoliert voneinander?<br />
Gibt es seitens der Protagonisten beteiligter Institutionen eine gemeinsame<br />
Problemorientierung hinsichtlich eines integrierten Handlungsansatzes?<br />
Sind die Netzwerke handlungsfähig bzw. welche Ergebnisse erzielen sie?<br />
Wie ist die formale Machtverteilung (Gleichberechtigung) in den horizontalen Netzwerken?<br />
Findet eine Vernetzung auf Stadtteilebene statt? Was macht die erfolgreichen Netzwerke<br />
(Regelmäßigkeit, Vertrauen, Normen etc.) aus?<br />
Der gemeinsame Raumbezug ist eine Voraussetzung für kollektive Handlungsfähigkeit im<br />
Quartiersmanagement (Lahner/Zimmermann 2005: 234). Wird diese Bedeutung des Grätzels<br />
von den Beteiligten artikuliert?<br />
50
Übernimmt das Grätzelmanagement eine Vermittlungsfunktion zum Beispiel zwischen<br />
Bewohnern und Unternehmen im Stadtteil? Werden dadurch Austausch- und<br />
Anpassungsprozesse eingeleitet? Wie gestaltet sich die Vermittlung?<br />
B. Die Entscheidungsstrukturen/vertikale Verteilung von<br />
Verantwortung und Kompetenz/Vermittlung und Vernetzung<br />
zwischen den Ebenen<br />
Wie ist das Grätzelmanagement strukturiert und in die Stadtpolitik integriert?<br />
Ist das Grätzelmanagement in eine städtische Gesamtstrategie eingebunden?<br />
Auf welcher Ebene werden Entscheidungen getroffen?<br />
(Top Down vs. Bottom Up) (bzgl. Mittelvergabe und Projektauswahl)<br />
Wurden autonom zu verwaltende Verfügungsfonds für das Grätzelmanagement eingerichtet?<br />
Welche Unterschiede oder Gemeinsamkeiten gibt es zwischen den verschiedenen Akteuren in<br />
der Problemsicht, d.h. über die Verteilung von Entscheidungskompetenz und Verantwortung?<br />
Übernimmt das Grätzelmanagement eine Vermittlungsfunktion zum Beispiel zwischen<br />
Bewohnern und Verwaltung? Werden dadurch Austausch- und Anpassungsprozesse<br />
eingeleitet? Wie gestaltet sich die Vermittlung?<br />
51
3. Forschungsmethoden und Forschungsprozess<br />
Die grundlegenden Forschungsfragen der vorliegenden Arbeit richten sich einerseits auf die<br />
organisierten Strukturen, welche sich in Kommunikation, Vernetzung und Kooperation durch<br />
das Grätzelmanagement niederschlagen, andererseits auf die Bedingungen und Motive für eine<br />
Vernetzung. Da anzunehmen ist, dass sich die Strukturen aufgrund temporärer Projekte,<br />
personeller Veränderungen oder sich ändernder politischer Rahmenbedingungen etc. laufend<br />
verändern, ist davon auszugehen, dass rückblickend ein Prozess des Organisierens zu<br />
rekonstruieren ist.<br />
Stark vereinfacht dargestellt lässt sich dieser Prozess erstens in Ursachen, Bedingungen,<br />
Motive, stimulierende Faktoren, Barrieren und Hindernisse zweitens in Erscheinungsformen<br />
bzw. Aktivitäten und drittens in die Folgen, Auswirkungen, Vor- und Nachteile für die Akteure<br />
und den Stadtteil unterteilen.<br />
Der Typ von Untersuchung, der hier angewendet wird, ist die Rekonstruktion sozialer<br />
Sachverhalte eines Falles zur Erklärung desselben. Dafür müssen alle Informationen<br />
zusammengetragen werden, die man benötigt, um ihn zu verstehen (Gläser/Laudel 2006: 34).<br />
Die erste zu treffende Entscheidung bezüglich der einzusetzenden Methoden war die zwischen<br />
qualitativer und quantitativer Vorgangsweise. Diese Entscheidung fiel zugunsten qualitativer<br />
Verfahren, basierte jedoch nicht auf der reinen Abgrenzung zu quantitativen Methoden bzw.<br />
auf deren bloße Verneinung. Die Definition und Begründung qualitativer Forschungsmethoden<br />
´ex negativo´ wie sie bereits Meinefeld (2004: 265) in Frage stellt, soll hier nicht genügen. Die<br />
Wahl ist aufgrund der Vorteile einer qualitativen Herangehensweise für das dargelegte<br />
Forschungsinteresse gut begründbar. In Bezug auf das dargelegte Forschungsinteresse lassen<br />
sich aus Flick et al. (2004: 14ff) mehrere Gründe und Kennzeichen qualitativer Forschung wie<br />
folgt zusammenfassen:<br />
- Aufmerksamkeit gilt u.a. Abläufen und Strukturmerkmalen<br />
- Offenheit gegenüber Neuem im untersuchten Feld<br />
- Prozesscharakter sozialer Wirklichkeit<br />
- Orientierung am Alltagsgeschehen und –wissen<br />
- Einbeziehung der Perspektiven der Beteiligten<br />
- Fallanalyse als Ausgangspunkt<br />
Aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten der Ausprägung und Formen von Austauschprozessen<br />
im Zuge horizontaler und vertikaler Vernetzung ist es notwendig, den Erzählfluss der<br />
52
interviewten Personen zu nutzen und deren Erläuterungen aufzugreifen, um diese Vielfalt der<br />
Qualitäten stadtteilbezogener Zusammenarbeit einzufangen. Trotz der dieser Arbeit<br />
zugrundegelegten Theorien, die relativ allgemeine Zusammenhänge konstatieren, ist es<br />
notwendig die Erhebungsmethoden offen zu gestalten, um die spezifischen Details des<br />
untersuchten Falls entdecken und verstehen zu können. Die besprochenen Theorien<br />
suggerieren vielleicht eine allzu starre Eingrenzung. Sie bilden allerdings nur den Rahmen<br />
innerhalb dessen Erkenntnisse gewonnen werden sollen. Wie eine Vernetzung und Vermittlung<br />
dann letztlich organisiert und vollzogen wird, bleibt vorerst offen. Die totale Offenheit, wie sie<br />
eine ´Grounded Theory` verlangt, wäre nicht sinnvoll gewesen, da das Forschungsinteresse<br />
bereits im Zuge erster Überlegungen über das Grätzelmanagement eingegrenzt wurde. Die<br />
Beschäftigung mit dem Konzept des Stadtteilmanagements im Vorfeld führte nämlich bereits<br />
zur Auseinandersetzung mit spezifischen Problemen und Fragestellungen, wie zum Beispiel<br />
die Kommunikation zwischen Akteuren mit unterschiedlichsten Interessen und<br />
Handlungslogiken oder die Beteiligung benachteiligter Gruppen an politischen<br />
Aushandlungsprozessen.<br />
Von einer Unvoreingenommenheit zu Beginn dieser Arbeit konnte also keine Rede sein. Eine<br />
Idealisierung der Unvoreingenommenheit ist also auch hier erkenntnistheoretisch nicht haltbar,<br />
da Erkenntnisse über soziale Phänomene nicht aus eigener Kraft ´emergieren´ sondern von<br />
Anfang an Konstruktionen des Forschers sind, wie Meinefeld (2004: 269) bemerkt. Auch<br />
Silverman (2001: 61) geht davon aus, dass ohne Vorannahmen oder Fragen keine seriöse<br />
Forschung möglich ist: „The attempt to describe things ´as they are´ ist doomed to failure.<br />
Without some perspective or, at the very least, a set of animating questions, there is nothing to<br />
report. Contrary to the view of crude empiricists, the facts never speak for themselves.”<br />
In vielen Detailfragen, wie zum Beispiel über die Motive des Engagements oder den Ablauf<br />
der Vernetzungsprozesse sind jedoch durchaus „neue“ Erkenntnisse, welche im Theorieteil<br />
noch nicht erläutert wurden, zu erwarten, da die lokalen Bedingungen zu Beginn nicht bekannt<br />
waren. Diese sind Ergebnis des Zusammenspiels räumlicher, sozialer, persönlicher, politischer,<br />
wirtschaftlicher und rechtlicher Aspekte. Diese „neuen“ Erkenntnisse über die spezifischen<br />
Prozesse könnten mit standardisierten Fragebögen bzw. Interviews nicht gewonnen werden.<br />
Einerseits weil die Vorgaben der Fragen interessante Aspekte ausklammern würden,<br />
andererseits weil Prozesse und komplexe Ereignisse nicht in vorgegebenen Antwortrastern<br />
erläutert werden könnten.<br />
53
Um diese relative Offenheit zu gewährleisten und eine entsprechende Erzählung über Abläufe<br />
und Prozesse, sowie ein Nachfragen zu ermöglichen, ist der Einsatz von Leitfadeninterviews<br />
mit Experten des Untersuchungsgegenstandes notwendig.<br />
3.1. Experteninterviews<br />
Die Entscheidung bezüglich der Datenerhebung fiel damit auf Experteninterviews. In diesem<br />
Zusammenhang soll kurz erläutert werden, was unter den Begriffen Experten und<br />
Experteninterviews zu verstehen ist bzw. wie ich diesen Begriff für diese Arbeit verstanden<br />
habe. Was ein Experte, eine Expertin ist, darüber herrscht in der Sozialwissenschaft<br />
Uneinigkeit. Für Meuser und Nagel (1991) aber auch für Bogner et al. (2002) ist der Begriff so<br />
eng zu fassen, dass die entsprechende Person einen Expertenstatus erhält, weil sie über ein<br />
besonderes Wissen aufgrund ihrer beruflichen Stellung verfügt. Dieses gemeinsame Wissen<br />
der Experten ist für die Forschung von Interesse. Für einen breiteren Begriff plädieren<br />
Gläser/Laudel (2006: 10). Für sie sind Experten<br />
„Menschen, die ein besonderes Wissen über soziale Sachverhalte besitzen“<br />
und in Folge sind für sie Experteninterviews<br />
„eine Methode, dieses Wissen zu erschließen.“<br />
Damit geht der Expertenstatus nach Gläser/Laudel nicht zwingend und ausschließlich mit der<br />
beruflichen oder professionellen Erfahrung der Person mit dem Untersuchungsgegenstand<br />
einher. Die Person selbst ist auch nicht der Untersuchungsgegenstand.<br />
„Die Experten sind ein Medium, durch das der Sozialwissenschaftler Wissen über einen<br />
ihn interessierenden Sachverhalt erlangen will. Sie sind also nicht das ´Objekt´ unserer<br />
Untersuchung, der eigentliche Fokus unseres Interesses, sondern sie sind bzw. waren<br />
´Zeugen´ der uns interessierenden Prozesse“ (Gläser/Laudel 2006: 10).<br />
Für diesen Expertenbegriff habe ich mich auch entschieden, denn wenn es zum Beispiel darum<br />
geht, die Vernetzungsprozesse im Stadtteil zu rekonstruieren, sind auch die Bewohner und<br />
Unternehmen vor Ort gefragt, ihre Erfahrungen mit dem Grätzelmanagement zu erläutern,<br />
denn teilweise haben diese Menschen über Jahre hinweg Wissen zum Grätzelmanagement<br />
angesammelt.<br />
„Die Experten haben eine besondere, mitunter sogar exklusive Stellung in dem sozialen<br />
Kontext, den wir untersuchen wollen“ (Gläser/Laudel 2006: 10).<br />
Die erläuterten Erfahrungen, Ereignisse und das Wissen der Experten sollen nun dazu<br />
beitragen Prozesse der Vernetzung und Vermittlung durch das Grätzelmanagement zu<br />
beschreiben und zu erklären. Experteninterviews werden also in Untersuchungen eingesetzt,<br />
„in denen soziale Situationen oder Prozesse rekonstruiert werden sollen, um eine<br />
sozialwissenschaftliche Erklärung zu finden“ (Gläser/Laudel 2006: 11).<br />
54
Die erläuterten Vorzüge von Experteninterviews hinsichtlich ihrer Eignung, das Wissen über<br />
Abläufe, Prozesse, Situationen und Ereignisse zu Tage zu fördern suggerieren die Möglichkeit<br />
absolutes, gültiges und zuverlässiges Wissen über den Forschungsgegenstand unabhängig vom<br />
Forschungsablauf zu generieren. Dieser Schluss ist trügerisch, wenn man bedenkt, dass<br />
Berichte nicht einfach Wiedergaben der Welt sind, sondern Teil der Welt, die sie beschreiben.<br />
Interviews müssen also auch als gemeinsam konstruierte soziale Situationen reflektiert werden.<br />
„According to contructionism, interviews and interviewees are always activley engaged<br />
in constructing meaning“ (Silverman 2001: 87).<br />
Ich möchte hier nicht so weit gehen wie Silverman und das Interview selbst zum<br />
Untersuchungsgegenstand machen. Seine Bemerkung regt jedoch dazu an, die in dieser Arbeit<br />
analysierten Interviews kritisch auf ihren Entstehungszusammenhang und in ihrer Situiertheit<br />
zu prüfen.<br />
Während der Analyse und Interpretation der Interviews sollte man sich jedenfalls<br />
vergegenwärtigen, dass es keine unberührten, neutralen Daten gibt (vgl. Atkinson/Hammersley<br />
1983; zit.n.: Silverman 2001: 111). Zu berücksichtigen ist dabei u.a. der persönliche und<br />
soziale Kontext, in dem die Reaktionen der Befragten stehen. Die Interpretation dieser<br />
Reaktionen setzt die Kenntnis dieses Kontextes voraus (vgl. Hopf 1978: 101).<br />
Die Situation von Interviews unterscheidet sich schon aufgrund der Form der Kommunikation<br />
also über welches Medium die Fragen gestellt werden. Neben Telefoninterviews, der<br />
Versendung von Fragebögen oder der Interviewdurchführung auf der Straße gibt es eine<br />
weitere Vielzahl von Möglichkeiten Interviews abzuwickeln. Die Auswahl der Interviewform<br />
fiel schließlich auf leitfadengestützte Interviews in einer face to face Interaktion, in der sich die<br />
interviewte und die interviewende Person im selben Raum einander gegenüber stehen und<br />
einander sehen können.<br />
3.2. Leitfadeninterviews<br />
Leitfadeninterviews sind nichtstandardisierte Interviews und setzen sich aus einer Summe von<br />
vorbereiteten Fragen zusammen, die während dem Interview allerdings nicht in der vorgelegten<br />
Reihenfolge abgearbeitet bzw. gestellt werden müssen. Es ist vielmehr die Aufgabe der<br />
interviewenden Person die Fragen kontextgerecht und dem Gesprächsverlauf angepasst<br />
einzubinden. Leitfadeninterviews empfehlen sich immer dann, wenn:<br />
„in einem Interview mehrere unterschiedliche Themen behandelt werden müssen, die<br />
durch das Ziel der Untersuchung und nicht durch die Antworten des Interviewpartners<br />
bestimmt werden, und<br />
wenn im Interview auch einzelne, genau bestimmbare Informationen erhoben werden<br />
müssen“ (Gläser/Laudel 2006: 107).<br />
55
Leitfäden für Interviews sollen weitgehend offene Fragen beinhalten, um, wie Gläser/Laudel<br />
(2006: 127) bemerken,<br />
„das Wissen des Interviewpartners und die Bedeutungen, die er diesem Wissen gibt, im<br />
Interview zu erfassen.“<br />
Die Schwierigkeit liegt v.a. daran, dass in begrenzter Zeit spezifische Informationen zu<br />
mehreren verschiedenen beschaffen werden sollen (Gläser/Laudel 2006: 127).<br />
Im Leitfadeninterview ist also der Spagat zwischen Erzählanregung zu Prozessen und der<br />
Eingrenzung auf bestimmte interessierende Aspekte des Expertenwissens zu schaffen.<br />
Gläser/Laudel (vgl. 2006: 39) verlangen zwar vom Interviewleitfaden, dass er die Fragen<br />
enthält, die in jedem Interview beantwortet werden müssen. Die Interviewleitfäden für die<br />
vorliegende Untersuchung des Grätzelmanagements beinhalteten jedoch nicht die identischen<br />
Fragen. Bis auf einige Kernfragen waren diese Leitfäden also nicht einheitlich konzipiert. Das<br />
liegt daran, dass die zu befragenden Personen aus unterschiedlichen Bereichen und<br />
Institutionen kamen und damit ihre perspektivischen Einblicke in das Grätzelmanagement aus<br />
den verschiedenen Kontexten in die Interviews mit einbrachten. Vorrangiges Ziel dieser Arbeit<br />
ist es nicht, die jeweiligen Positionen, Meinungen und Sichtweisen miteinander zu vergleichen<br />
oder gegeneinander abzuwiegen. Vielmehr soll das jeweilige Expertenwissen aufeinander<br />
bezogen werden und einander ergänzend das „Ganze“ des Untersuchungsgegenstandes<br />
Grätzelmanagement in Wien verstehen helfen. In der Konzipierung der Leitfäden habe ich also<br />
zuerst zwischen den Akteursgruppen der Politik- bzw. Verwaltungsebene, der intermediären<br />
Ebene des Grätzelmanagements und der Stadtteilebene unterschieden.<br />
Gläser/Laudel (2006: 131ff.) empfehlen für die Formulierung der Fragen für den<br />
Interviewleitfaden darauf zu achten, dass die Fragen:<br />
- neutral sind, d.h. sie dürfen dem Befragten keine Antwort nahe legen, wie das etwa<br />
Suggestivfragen tun.<br />
- klar und unmissverständlich sind, d.h. dass grammatikalisch schwierige Konstruktionen<br />
wie doppelte Verneinungen vermieden werden sollten und auch der Transport<br />
zusätzlicher Informationen in der Frage reduziert werden sollen.<br />
- einfach sind und damit nur einen Gegenstand zu behandeln bzw. nur ein<br />
Informationsbedürfnis äußern. Multiple Fragen innerhalb eines Satzes sind zu<br />
vermeiden.<br />
Über jedes Interview ist in Folge ein Protokoll (vgl. Gläser/Laudel 2006: 187) erstellt worden,<br />
welches das Zustandekommen des Interviews (Bereitschaft und Einwendungen des<br />
Interviewpartners) die Interviewsituation (Rahmenbedingungen wie Störungen,<br />
56
Gesprächsverlauf, Atmosphäre, Ort und Dauer etc.) beschreibt und Bemerkungen zur<br />
Nachinterviewphase enthält. Dieses Protokoll ist im Nachhinein in die Auswertung<br />
einzubeziehen, um die Plausibilität oder Widersprüche besser bewerten zu können (vgl.<br />
Gläser/Laudel 2006: 187).<br />
Die auf Tonband aufgezeichneten Interviews wurden schließlich transkribiert und zwar nach<br />
folgenden von Gläser und Laudel (2006: 188f) verwendeten Regeln:<br />
- „es wird in Standardorthographie verschriftet und keine literarische Umschrift -<br />
verwendet (...);<br />
- nichtverbale Äußerungen (...) werden nur dann transkribiert, wenn sie einer Aussage<br />
eine andere Bedeutung geben,<br />
- Besonderheiten der Antwort mit ´Ja´ oder ´Nein´, (z.B. zögernd, gedehnt, lachend)<br />
werden vermerkt,<br />
- Unterbrechungen im Gespräch werden vermerkt,<br />
- Unverständliche Passagen werden gekennzeichnet“<br />
Die Transkription erzeugt die Rohdaten in Form von Texten, die nun einer Auswertung<br />
zugeführt werden. Diese Texte sind noch mit prinzipiellen Unschärfen behaftet, was bedeutet,<br />
dass die Relevanz der in den Texten enthaltenen Informationen für die Untersuchung noch<br />
nicht geklärt ist. Relevante und irrelevante Informationen müssen also nun getrennt werden<br />
(vgl. Gläser/Laudel 2006: 41). Dafür eignet sich besonders die Inhaltsanalyse.<br />
3.3. Inhaltsanalyse<br />
Die Entstehung der Methode der Inhaltsanalyse lässt sich bereits bis in die 20er Jahre des<br />
vorigen Jahrhunderts zurück verfolgen und wurde zunächst in den USA entwickelt (vgl.<br />
Merten 1983; Lissmann 1997; zit.n. Mayring 2004: 469). Ihr Schwerpunkt lag zunächst auf der<br />
Entwicklung quantitativer Verfahren, wurde jedoch im Laufe der Zeit ausgeweitet und durch<br />
qualitative Ansätze ergänzt bzw. modifiziert. Die qualitative Inhaltsanalyse stellt die<br />
grundlegende Auswertungsmethode der vorliegenden Arbeit dar. Sie ist im deutschsprachigen<br />
Raum seit spätestens 1983 von Philipp Mayring weiterentwickelt und ausgereift worden.<br />
Durch die lange Entwicklungszeit und die verschiedenen Ansätze bzw. Schwerpunkte der<br />
Inhaltsanalyse wurde eine allgemein gültige Definition immer schwieriger. Ein Versuch, die<br />
Grundintention der Inhaltsanalyse möglichst kurz zusammen zu fassen stammt von Gläser und<br />
Laudel.<br />
„Die Inhaltsanalyse wertet Texte aus, indem sie ihnen in einem systematischen Verfahren<br />
Informationen entnimmt“ (Gläser/Laudel 2006: 44).<br />
57
Darüber hinaus inkludiert die Inhaltsanalyse eine Reihe von Besonderheiten, deren<br />
Kombination sie gerade von anderen qualitativen Verfahren unterscheidet. Mayring (2003: 12)<br />
versucht sich über eine Auflistung von sechs Kernpunkten einer Definition von Inhaltsanalyse<br />
als sozialwissenschaftlicher Methode anzunähern, die hier wie folgt zusammengefasst sind:<br />
1. Der Gegenstand der Inhaltsanalyse sind im weitesten Sinn übertragene Symbole, also<br />
Kommunikation.<br />
2. Diese Kommunikation muss protokolliert werden und wird so zur „fixierten“<br />
Kommunikation.<br />
3. Die Inhaltsanalyse zeichnet sich durch ihre systematische Vorgangsweise aus.<br />
4. Die Analyse läuft nach expliziten Regeln ab, um die intersubjektive<br />
Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten.<br />
5. Wenn es nach Mayring (2003) geht, soll die Analyse theoriegeleitet sein, d.h. die<br />
Interpretation geht vom jeweiligen Theoriehintergrund aus. Es soll dabei an die<br />
Erfahrungen anderer angeknüpft werden.<br />
6. Ziel ist es, Rückschlüsse auf bestimmte Aspekte der Kommunikation z.B.: Aussagen<br />
über den Sender (z.B. dessen Absichten) zu ziehen.<br />
Der letzte Punkt ist in dieser Arbeit weniger berücksichtigt worden. Auch Gläser und Laudel<br />
sind auf den Aspekt, aus der Kommunikation Aussagen über den Sender abzuleiten wenig<br />
eingegangen. Das hängt damit zusammen, dass der Ausgangspunkt jeweils das<br />
Experteninterview ist, dessen Zweck es ist, Erkenntnisse über einen Untersuchungsgegenstand<br />
und nicht über die Person, die über den Untersuchungsgegenstand spricht, zu gewinnen. Das<br />
Wissen der Person ist von Interesse, nicht deren Intentionen.<br />
Zentrales Element jeder Inhaltsanalyse ist das Kategoriensystem, das sich aus der<br />
Forschungsperspektive und der Untersuchungsfrage ableitet. Dabei ist zwischen zwei<br />
Herangehensweisen zu unterscheiden:<br />
- Deduktive Kategorienbildung: sie bestimmt das Auswertungsinstrument durch<br />
theoretische Überlegungen, bereits entwickelte Theoriekonzepte, Voruntersuchungen<br />
oder dem bisherigen Forschungsstand (vgl. Mayring 2003: 74). In diesem Fall werden<br />
die Kategorien also bestimmt, noch bevor der erste Text analysiert wird.<br />
- Induktive Kategorienbildung: sie leitet die Kategorien direkt aus dem Material ab, ohne<br />
Heranziehung vorab definierter Theorien (vgl. Mayring 2003: 75). Die Kategorien<br />
werden unmittelbar anhand des Analysematerials gebildet, wodurch versucht werden<br />
soll, den Vorannahmen und Verzerrungen des Forschers möglichst zu entgehen.<br />
58
Im Fall der vorliegenden Arbeit über das Grätzelmanagement war es jedoch trotzdem<br />
erforderlich, die Kategorienbildung größtenteils theoriegeleitet vorzunehmen. Diese<br />
Kategorienbildung erfolgte allerdings nach recht allgemeinen Gesichtspunkten, wie sie<br />
zunächst von den eingangs erläuterten Theorien nahegelegt wurden. Die lokale Praxis des<br />
Grätzelmanagements bewirkte schließlich eine Überarbeitung des Kategoriensystems in dem<br />
Sinne, dass die Kategorien immer weiter ausdifferenziert und spezifiziert werden mussten und<br />
das trotz des Postulats der Verallgemeinerung und Reduktion des Materials. Die Struktur des<br />
Kategoriensystems sollte aber weiterhin mit den Untersuchungsfragen korrespondieren,<br />
weshalb die Kategorien auch nicht verworfen wurden. Die theoretischen Vorüberlegungen<br />
waren damit im gesamten Auswertungsprozess präsent. Die Veränderung des<br />
Kategoriensystems während der Auswertung ist im Sinne einer Ergänzung oder einer<br />
Veränderung von Dimensionen absolut zulässig (vgl. Gläser/Laudel 2006: 199). Die Bildung<br />
der Kategorien soll dadurch im gesamten Forschungsverlauf als dynamischer Prozess erhalten<br />
bleiben. Damit soll die Auswertung und Interpretation so weit es geht für neue unerwartete<br />
Erkenntnisse offen bleiben.<br />
Um im Zuge der qualitativen Inhaltsanalyse zu einer sozialwissenschaftlichen Interpretation<br />
von Textmaterial zu gelangen, bieten sich verschiedene Vorgangsweisen an. Mayring (2003:<br />
58) unterscheidet drei Grundformen des Interpretierens:<br />
- Zusammenfassung<br />
- Explikation<br />
- Strukturierung<br />
Bei der Zusammenfassung ergeben sich die folgenden 3 Schritte:<br />
Zunächst kommt es zur Paraphrasierung des Materials. Dabei werden relevante Aussagen auf<br />
verständliche Kurzsätze verkürzt.<br />
„Die einzelnen Kodiereinheiten werden nun in eine knappe, nur auf den Inhalt<br />
beschränkte, beschreibende Form umgeschrieben (...)“ (Mayring 2003: 61).<br />
Im nächsten Schritt der Generalisierung werden die Paraphrasen auf eine definierte<br />
Abstraktionsebene verallgemeinert und inhaltgleiche Paraphrasen können gestrichen werden.<br />
Im dritten Schritt der<br />
Reduktion werden die verallgemeinerten Paraphrasen zu den Kategorien zugeordnet, womit es<br />
zur Zusammenfassung des Materials kommt (Mayring 2003: 61). Am Ende der<br />
Reduktionsphase muss überprüft werden, wie weit die ursprünglichen Paraphrasen noch im<br />
Kategoriensystem aufgehen, um beurteilen zu können, ob im Zuge der Reduktion auch keine<br />
Informationen verloren gegangen sind oder verzerrt worden sind.<br />
59
Ziel der Explikation (Mayring 2003: 78f) ist es, interpretationsbedürftige Textstellen zu<br />
erläutern und verständlich zu machen, d.h. zu explizieren. Dazu muss zusätzliches Material<br />
herangetragen werden. Was an zusätzlichem Material zugelassen wird, ist zu definieren. Die<br />
Auswahl dieses Materials entscheidet über die Güte der Explikation.<br />
Zu Beginn muss die zu explizierende Textstelle genau definiert werden. Danach sollte noch<br />
versucht werden, die unklare Textstelle mittels grammatikalischer Analyse oder aufgrund<br />
lexikalischer Bedeutung erklärbar zu machen. Sofern dieser Schritt erfolglos war, ist eine<br />
Kontextanalyse durch zuführen. Dabei ist zwischen enger und weiter Kontextanalyse zu<br />
unterscheiden.<br />
Erstere basiert lediglich auf Material, das aus dem Text selbst kommt. Es werden Textstellen<br />
gesammelt, die zur unklaren Textstelle in direkter Beziehung stehen.<br />
Die weite Kontextanalyse lässt auch Material zu, das über den eigentlichen Text hinaus geht,<br />
wie Informationen über den Verfasser, die Entstehungsbedingungen des Textes oder auch aus<br />
dem theoretischen Vorverständnis kann Material entnommen werden, um die fragliche<br />
Textstelle zu explizieren.<br />
Die zentralste Technik der Inhaltsanalyse ist nach Mayring (2003: 82ff) die Strukturierung.<br />
Sie hat zum<br />
„Ziel, eine bestimmte Struktur aus dem Material herauszufiltern“ (Mayring 2003: 82).<br />
Die Dimensionen der Strukturierung müssen aus der Fragestellung abgeleitet und theoretisch<br />
begründet werden und sodann genau bestimmt werden. Mayring (2003: 85) unterscheidet vier<br />
Formen der Strukturierung mit jeweils verschiedenen Zielen:<br />
- Inhaltliche Strukturierung: Extrahierung und Zusammenfassung des Materials nach<br />
bestimmten Themen und Inhaltsbereichen;<br />
- Typisierende Strukturierung<br />
- Skalierende Strukturierung<br />
- Formale Strukturierung<br />
Im Fall der vorliegenden Arbeit lag die Wahl der inhaltlichen Strukturierung am nächsten. Es<br />
sollen bestimmte Themen, Inhalte und Aspekte aus dem Material herausgefiltert und<br />
zusammengefasst werden. Die Theorien über Stadtteilmanagement und die daran angeknüpften<br />
Fragen gaben in diesem Zusammenhang bereits die Rahmenbedingungen für die<br />
interessierenden Inhalte vor. Die gebildeten Kategorien stellten den Ausgangspunkt für die<br />
Auswertung im Sinne einer inhaltlichen Strukturierung dar.<br />
60
„Welche Inhalte aus dem Material extrahiert werden sollen, wird durch theoriegeleitet<br />
entwickelte Kategorien und (sofern notwendig) Unterkategorien bezeichnet“ (Mayring<br />
2003: 89).<br />
Der von Mayring (vgl. 2003: 47ff) vorgeschlagene Gesamtablauf der qualitativen<br />
Inhaltsanalyse in neun Stufen kann wie folgt zusammengefasst werden:<br />
Stufe 1: Festlegung des Materials<br />
Es werden aus den Interviews nur Textstellen ausgewählt, in denen sich die Interviewpartner<br />
und –partnerinnen zu den Themen des Interviewleitfadens äußern.<br />
Stufe 2: Analyse der Entstehungssituation<br />
Im Zuge dieses Schrittes wird ein Interviewprotokoll angefertigt, das die anwesenden<br />
Personen, den emotionalen, kognitiven Handlungshintergrund des/ der Befragten, den<br />
soziokulturellen Rahmen und die Beschreibung der Erhebungssituation enthält.<br />
Stufe 3: Formale Charakterisierung des Materials<br />
Hier muss die Form der Transkription festgelegt werden, also wie genau transkribiert wurde<br />
(Pausen, Betonungen...).<br />
Stufe 4: Richtung der Analyse<br />
Man kann sich bei der Analyse entweder auf das Thema konzentrieren (wie im vorliegenden<br />
Fall), oder auf die kognitive Befindlichkeit des/der Interviewten.<br />
Stufe 5: Theoriegeleitete Differenzierung der Fragestellung<br />
Die Forschungsfrage und eventuelle Unterfragen müssen vor der Analyse feststehen.<br />
Stufe 6: Bestimmung der Analysetechnik<br />
Mayring schlägt, wie schon oben genannt, drei Analyseverfahren vor.<br />
Stufe 7: Definition der Analyseeinheit<br />
Die Textteile für die Analyse werden bestimmt und es wird festgelegt, wie eine Phrase<br />
beschaffen sein muss, um als Ausprägung für die Kategorie zu gelten.<br />
Stufe 8: Analyse des Materials<br />
Siehe oben: Zusammenfassung, Explikation, Strukturierung;<br />
Stufe 9: Die Interpretation<br />
Die Einzelfälle werden generalisiert und es entsteht eine Gesamtdarstellung anhand der<br />
Kategorien.<br />
Die Inhaltsanalyse wird wie erläutert durchgeführt. Die Zusammenfassung des transkribierten<br />
Materials ist ohnehin notwendig. Eine Explikation einzelner Textpassagen steht ebenfalls an<br />
und das Verfahren der Strukturierung wird sich v.a. auf den Typ der inhaltlichen<br />
Strukturierung beschränken.<br />
61
3.4. Datenerhebung und Interviewzitation<br />
Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit basieren im Wesentlichen auf der inhaltsanalytischen<br />
Auswertung von Experteninterviews, wie sie weiter oben beschrieben wurden. In Ergänzung<br />
dazu und zur Erhöhung der Verlässlichkeit der interpretativ gewonnenen Ergebnisse habe ich<br />
Internetrecherchen, Recherchen gedruckter Medien des Grätzelmanagements und dem „Grätzl-<br />
Blattl“ sowie der Durchsicht von Protokollen der <strong>Arbeitskreis</strong>sitzungen durchgeführt.<br />
Die interviewten Personen bleiben anonym, sofern ihre Identität nicht über die Institutionen,<br />
denen sie angehören auszumachen ist.<br />
Kern der empirischen Arbeit bilden die 13 anhand von Leitfäden durchgeführten<br />
Experteninterviews mit Personen folgender Institutionen:<br />
Die in den Zitaten angegebenen Kürzel für die interviewten Personen setzen sich aus folgenden<br />
Informationen zusammen: Interviewnummer, Geschlecht, ca. Alter und Zeilennummer<br />
Beispiel:<br />
I1_w30-39: 40-43 Interview 1_weiblich, etwa 37 Jahre alt: Zeile 40 bis 43 in der<br />
Transkription;<br />
1 Bezirksvorsteher 2. Bezirk I3_m50-59<br />
2(3) Projektträger(partner):<br />
1 Wiener Wissenschaftszentrum (WZW) I6_m30-39<br />
1 Wiener Wirtschaftsförderungsfonds (wwff) I10_w30-40m40<br />
(1) MA 25 (Geschäftsgruppe Wohnen, Wohnbau kein Interview<br />
und Stadterneuerung)<br />
1 MA 27 (EU Strategie und Wirtschaftentwicklung) I5_m40-49<br />
1 Magistratsdirektion Stadtbaudirektion I7_m40-49<br />
1 Grätzelmanagerin I1_w30-39<br />
1 Grätzelmanagerin I2_w30-39<br />
1 Grätzelmanager I4_m50-59<br />
1 Grätzelmanager I8_m40-49<br />
1 Grätzelmanagerin I13_w30-39<br />
1 Bewohner I9_m50-59<br />
1 Bewohnerin I11_w60-69<br />
1 Unternehmer (Marktstand) I14_m30-39<br />
62
3.5. Kurze Reflexion des Forschungsprozesses<br />
Die Auswahl des Untersuchungsgegenstandes war insofern einfach, da es in Wien lediglich<br />
zwei Grätzelmanagement Projekte gab. Die Wahl des Grätzelmanagement Volkert- und<br />
Alliiertenviertel war weitgehend pragmatisch begründet. Zwar kannte ich diese Einrichtung<br />
bereits von einem Studienkollegen, der dort ein Projekt mitorganisiert hatte. Der eigentliche<br />
Grund lag jedoch in meiner Beschäftigung bei einem Unternehmen, welches im Volkertviertel<br />
ansässig ist, wodurch ich die räumliche Nähe für meine Besuche und Untersuchungen nutzen<br />
konnte.<br />
Der Zugang zum Feld bzw. der Erstkontakt mit den Grätzelmanagern bestätigte mich<br />
in meiner Auswahl, da die Mitarbeiter des Grätzelmanagements von Anfang an kooperativ<br />
waren und mir so der Zugang zu weiteren Gesprächspartnern erleichtert wurde.<br />
Ich stand in der gesamten Untersuchungszeit außerdem kein einziges Mal vor verschlossener<br />
Tür und konnte auch telefonisch immer jemanden im Büro erreichen. So wurde es eher für<br />
mich zum Thema, eine kritische Distanz zum Untersuchungsgegenstand zu wahren und meine<br />
Sympathien genau zu reflektieren.<br />
Die Entscheidung für die Interviewpartner waren teilweise logisch vorgegeben, wenn es mir<br />
darum ging, Experten zu befragen. Neben den involvierten Institutionen(Projektpartner und<br />
Mitglieder des Grätzelbeirates) und Grätzelmanagern sollten auch die lokalen Akteure ihr<br />
Wissen einbringen. Der quantitative Anteil letzterer scheint im ersten Moment zu gering zu<br />
sein. Dazu muss jedoch erklärt werden, dass sich die Erhebung von Expertenwissen auf der<br />
Stadtteilebene als deutlich ergiebiger und ungefilterter erwies und dort rasch eine relative<br />
Sättigung eintrat. Das konnte von der Politik- und Verwaltungsebene nicht behauptet werden.<br />
Erstens wurde ein Interview mit einer tragenden Institution aus der Verwaltung verweigert.<br />
Zweitens, wie es sich auch in der quantitativen Verteilung der Ergebnisse widerspiegelt,<br />
konnten auf der Politik- und Verwaltungsebene nicht so große Datenmengen gewonnen<br />
werden. Einerseits war das Grätzelmanagement auf dieser Ebene, wie sich zeigen wird, weit<br />
weniger institutionalisiert. Andererseits wurde in der Politik und Verwaltung eine abstraktere<br />
und allgemeinere Darstellung der Sachverhalte und Prozesse verwendet. Während auf<br />
Stadtteilebene sogar zusätzlich Protokolle der <strong>Arbeitskreis</strong>e zur Verfügung standen, musste ich<br />
auf der Verwaltungsebene mit allgemein formulierten Homepages, die eine breite<br />
Öffentlichkeit bedienen, vorlieb nehmen. Das ist nicht als Kritik zu verstehen, sondern war<br />
vorerst einmal als Gegebenheit zu akzeptieren.<br />
Der Zeitpunkt der Interviews war sehr spät – zehn der dreizehn Interviews habe ich nach Ende<br />
des Grätzelmanagements im Jänner und Februar 2007 durchgeführt. Das hatte möglicherweise<br />
63
den Vorteil, dass die interviewten Personen bereits unbefangener waren und nicht mehr unter<br />
unmittelbarem Erfolgsdruck standen. So konnten sie bereits aus einer gewissen Distanz heraus<br />
erzählen.<br />
Der Nachteil lag im Zeitdruck für mich als interviewende Person darin, nach Ende des<br />
Grätzelmanagements auch nicht zu viel Zeit verstreichen zu lassen, um das Gedächtnis der<br />
Befragten nicht zu sehr zu strapazieren. Dieser Umstand führte dazu, weniger Zeit in die Beund<br />
Überarbeitung der Interviewleitfäden zu investieren als vielleicht notwendig gewesen<br />
wäre. Bei retrospektiver Aufarbeitung, wie sie bei den Interviews über vergangene Ereignisse<br />
erfolgt, kommt außerdem das Problem der Verklärung der Vergangenheit hinzu. Dazu habe ich<br />
grundsätzlich versucht mit Meinungen und Urteilen oder Empfehlungen besonders vorsichtig<br />
umzugehen.<br />
Die Experteninterviews ermöglichten eine rasche und bei den Befragten allgemein akzeptierte<br />
Erhebungsmethode. Die Möglichkeiten dieser Form der Erhebung erwiesen sich jedoch als<br />
beschränkt. Die Interviews verliefen teilweise auf allgemeiner Ebene, bei der die interviewten<br />
Personen die Aktivitäten und Prozesse relativ abstrakt erläuterten. Es brauchte in jedem<br />
Interview eine Zeit, bis die Reflexionsebene sozialer Beziehungen erreicht wurde bzw. war die<br />
Erinnerung der interviewten Personen an inhaltliche Aspekte wie Ereignisse und Projekte<br />
besser als die Erinnerung an einzelne Kooperationspartner oder die Beschreibung sozialer<br />
Beziehungen. Die Erzählung von Anekdoten oder anderen Details fiel oft dem beschränkten<br />
Zeitrahmen zum Opfer. Eine Alternative wäre gewesen, nach einer ersten Interviewphase mit<br />
allen Interviewpartnern auf einer allgemeinen Ebene eine zweite Phase von Interviews mit den<br />
selben Personen durchzuführen. Die ersten Interviews werden ausgewertet und vertiefende<br />
Fragen werden aus dem Material abgeleitet. Dieser Zwischenstand der Erkenntnis kann sodann<br />
eingesetzt werden, um weitere Details oder Teilaspekte in der zweiten Interviewphase<br />
abzufragen. Dieser erhebliche Zusatzaufwand wäre im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht zu<br />
leisten gewesen.<br />
Aspekte der Forschungsfrage, wie die Vermittlung und die Aushandlung zwischen Positionen<br />
und Interessen sind mit einer Methode wie dem Interview, bei dem diese Prozesse<br />
rückblickend rekonstruiert werden sollen problematisch. Die Beurteilung einer<br />
Vermittlungsleistung, bei der das Verstehen des empfangenden Kommunikationspartners<br />
erkannt werden soll, verlangt von der interviewten Person eine unmögliche Konstruktion und<br />
Interpretation. Hierfür ist eine ergänzende Erhebung durch teilnehmende Beobachtung<br />
sinnvoll, die während <strong>Arbeitskreis</strong>en und den Grätzelbeiräten stattfinden muss.<br />
64
Für eine genauere und vollständigere Abbildung der durch das Grätzelmanagement<br />
entstandenen Netzwerke ist selbstredend eine formale Netzwerkanalyse eine brauchbare<br />
Methode. Damit können die involvierten Netzwerkakteure namentlich und systematisch erfasst<br />
werden und ihre Beziehungen im Grätzelmanagement beschrieben werden.<br />
Außerdem kann das Grätzelmanagement hinsichtlich seiner Position und Rolle als Vermittler<br />
genauer beschrieben und dargestellt werden. Dazu kann man sich der Kennzahlen der formalen<br />
Netzwerkanalyse bedienen, wie das Zentralitätsmaß bzw. die „betweenness-centrality“ (vgl.<br />
Freeman 1979). Ein/e AkteurIn mit einem hohen Grad an betweenness-centrality ist dadurch<br />
charakterisiert, dass er/sie an der Position steht, die zwischen vielen Akteurspaaren im<br />
Netzwerk auf deren kürzesten Verbindungen liegt.<br />
Er/sie wird häufig von anderen Akteuren als ´Makler´ benutzt, weshalb von ihm viele<br />
Aktivitäten im Netzwerk kontrolliert werden können.<br />
Das Grätzelmanagement kann mit solch einem `Makler` verglichen werden.<br />
Der Unterschied ist jedoch, dass das Grätzelmanagement als intermediäre Instanz nicht den<br />
eigennützigen Vorteil der Kontrolle und der damit verbundenen Macht für sich beansprucht,<br />
sondern vielmehr diese Kontakte zur Verfügung stellt, also zwischen Akteuren vermittelt – sie<br />
integriert.<br />
65
4. Grätzelmanagement Volkert- und Alliiertenviertel<br />
Allgemein<br />
4.1. Institutionelle Einbettung des Projekts Grätzelmanagement<br />
Das Grätzelmanagement Volkert- und Alliiertenviertel war ein Pilotprojekt, das im Rahmen<br />
der EU-Ziel-2-Förderung von der Gebietsbetreuung Leopoldstadt im Auftrag der<br />
Magistratsabteilung 25 für „Stadterneuerung und Prüfstelle für Wohnhäuser“ (MA25), dem<br />
Wiener Wirtschaftsförderungsfonds(WWFF) und dem Wissenschaftszentrum Wien(WZW)<br />
eingerichtet wurde. Parallel dazu wurde auch im 20. Wiener Gemeindebezirk das<br />
Grätzelmanagement Wallensteinplatz mit der gleichen Organisationsstruktur gestartet.<br />
Der zuständige Projektträger war der Wiener Wirtschaftsförderungsfonds als Endbegünstigter,<br />
was bedeutete, dass er die jeweiligen Projektgelder vorstrecken musste und erst nach Prüfung<br />
der EU refundiert bekam. Das Projekt wurde also durch Mittel der Europäischen Union<br />
finanziell unterstützt.<br />
Das Volkert- und Alliiertenviertel entspricht einem Teilgebiet des EU-Ziel-2-Fördergebietes,<br />
welches im 2. und 20. Wiener Gemeindebezirk festgelegt wurde. Ziel dieses Programms ist es,<br />
mit Hilfe von EU-Mitteln (Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) Maßnahme<br />
1.2 und des Europäischen Sozialfonds (ESF) Maßnahme 3.2 11 ) und öffentlichen nationalen<br />
Mitteln ein unterdurchschnittlich entwickeltes städtisches Gebiet an die ausstattungsmäßige,<br />
wirtschaftliche und soziale Situation der Gesamtstadt heran zuführen 12 .<br />
Die eingesetzten EU-Mittel sind nicht als Ersatz für nationale Finanzierung gedacht sondern<br />
additiv zu verwenden und außerdem auf das bestimmte abgegrenzte Fördergebiet (Zielgebiet)<br />
zu konzentrieren, um einen entsprechend hohen Wirkungsgrad zu erzielen 13 .<br />
Das Pilotprojekt Grätzelmanagement wurde zu 50% aus den besagten EU-Mitteln und zu 50%<br />
aus nationalen Mitteln finanziert. Die EU-Förderfähigkeit von Projekten basiert auf<br />
Förderkriterien, welche sich an den Zielen des Programms, in diesem Fall „Ziel2“, orientieren.<br />
Daneben geht es auch um die Art und Weise der Zielerreichung, die nämlich direkt und<br />
effizient erfolgen soll.<br />
„Grundsätzlich ist alles förderfähig, was der unmittelbaren und effizienten Erreichung<br />
eines Zieles dient, das im Programm gesetzt wird“ (I5_m40-49: 168-169).<br />
11 vgl. Folgeevaluierung des Pilotprojektes “Grätzelmanagement Volkert- und Alliiertenviertel” im 2. Bezirk, Endbericht<br />
01/2006. Projektleitung Mag. Karin Steiner, abif.<br />
12 vgl. Ziel 2 Wien: http://www.ziel2.wien.at/ Zugriff 5.6.2007<br />
13 ebd.<br />
66
Das Ziel-2 Programm konzentriert sich auf drei Schwerpunkte 14 :<br />
- Entwicklung der lokalen Stadtstruktur<br />
- Wettbewerbsfähige Unternehmen<br />
- Gesellschaft und Humanressourcen<br />
Das Grätzelmanagement Volkert- und Alliiertenviertel wurde vom autorisierten Ziel-2 Beirat<br />
als Ziel-2 Projekt beschlossen und genehmigt.<br />
Das zweite wesentliche Standbein des Grätzelmanagements war die von der<br />
Magistratsabteilung 25 beauftragte Gebietsbetreuung des 2. Wiener Gemeindebezirks<br />
(Leopoldstadt), welche das Personal für das Grätzelmanagement bereit stellte. So war es<br />
möglich an die einschlägigen Erfahrungen der seit den 1970er Jahren in Wien bestehenden<br />
Gebietsbetreuungen anzuknüpfen.<br />
4.1.4. Institutionen im Grätzelmanagement<br />
Den Kern der institutionellen Beteiligung am Grätzelmanagement bilden die drei<br />
Projektpartner Magistratsabteilung 25 für „Stadterneuerung und Prüfstelle für Wohnhäuser“<br />
(MA25), der Wiener Wirtschaftsförderungsfonds(wwff) und das Wissenschaftszentrum<br />
Wien(WZW).<br />
Magistratsabteilung 25 – Stadterneuerung und Prüfstelle für Wohnhäuser (MA25)<br />
Die MA 25 ist in der Wiener Stadtverwaltung der Geschäftsgruppe für Wohnen, Wohnbau und<br />
Stadterneuerung zugeordnet. Die für das Grätzelmanagement zuständige untergeordnete Stelle<br />
ist die „Gruppe Gebietsbetreuung“. Gebietsbetreuungen sind in allen Wiener<br />
Gemeindebezirken vor Ort vertretene Einrichtungen zur Beratung und Information bei Fragen<br />
des Wohnens, Wohnumfelds, Infrastruktur, Stadterneuerung und Gemeinwesens sowie des<br />
Zusammenlebens. 15<br />
Die MA 25 hat das Personal für das Grätzelmanagement beigestellt und sie war im<br />
Grätzelbeirat stimmberechtigt vertreten.<br />
Der Wiener Wirtschaftsförderungsfonds (WWFF)<br />
Der WWFF ist das wirtschaftspolitische Instrument der Stadt Wien und sein Ziel ist die<br />
14 vgl. Ziel 2 Wien: http://www.ziel2.wien.at/ Zugriff 5.6.2007<br />
15 Wiener Gebietsbetreuungen: http://www.gebietsbetreuung.wien.at/ Zugriff: 22.05.2007<br />
67
Stärkung der Wiener Unternehmen und die nachhaltige Modernisierung des<br />
Wirtschaftsstandortes Wien. Ein Teilbereich des WWFF ist das WWFF-Europaservice,<br />
welches als Informations- und Beratungseinrichtung fungiert und auch als Projektmanager in<br />
wirtschaftsorientierten Projekten, die aus den Regionalfördermitteln der EU (Ziel 2)<br />
kofinanziert werden, tätig ist 16 .<br />
Im Grätzelmanagement übernahm der WWFF die Funktion des Projektträgers und war somit<br />
der Endbegünstigte für die Refundierung von EU-Fördermitteln, d.h. er finanzierte die Projekte<br />
des Grätzelmanagement vor. Außerdem war der WWFF stimmberechtigtes Mitglied im<br />
Grätzelbeirat des Grätzelmanagement.<br />
Die Rolle des WWFF im Grätzelmanagement war sehr vielschichtig. Er war zwar einerseits<br />
eine Wienweit operierende Institution und wäre aus dieser Sicht auf Stadtebene neben der<br />
Verwaltung anzusiedeln. Als Projektträger und gleichzeitig Grätzelmanager vor Ort vertrat er<br />
jedoch auch sehr kleinräumige lokale Interessen und war daher auch auf intermediärer Ebene<br />
aktiv.<br />
Das Wissenschaftszentrum Wien (WZW)<br />
Das WZW ist ein von der Stadt Wien subventionierter Verein, der zur Stärkung der<br />
Wissensbasis Wiens beitragen soll. Dabei geht es darum Wissen aufzuspüren, aufzubereiten<br />
und systematisch zu vernetzen. Das WZW organisiert Foren zum Austausch und zur Schaffung<br />
neuen, innovativen Wissens.<br />
Aufgaben des WZW im Grätzelmanagement waren die wissenschaftliche Begleitung und<br />
Beratung des Projektes, die Koordination der begleitenden Evaluation, die Vermittlung von<br />
Experten zu den verschiedenen Themenbereichen und verschiedenste Koordinationstätigkeiten<br />
innerhalb des Projektes 17 .<br />
Außerdem brachte sich das WZW teilweise bei der Erstellung der Projektstatuten ein, führte<br />
Coachings mit den Grätzelmanagement Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen durch, führte die<br />
Projektdokumentation durch und unterstützte die Kommunikation durch Moderationstätigkeit.<br />
Außerdem war das WZW für die Homepage des Grätzelmanagement zuständig. Auf eigenen<br />
Wunsch hatte das WZW kein Stimmrecht im Grätzelbeirat, da man sich in der Doppelrolle des<br />
Projektpartners und der wissenschaftlichen Begleitung als zu befangen erachtete (Interview 6,<br />
10-22). Das WZW hat als Mitglied des Grätzelbeirates jedoch am Beirat teilgenommen.<br />
16 WWFF: http://www.wwff.gv.at/wwff.aspx?target=131226&mark=gr%c3%a4tzelmanagement#show_131226 Zugriff:<br />
24.5.2007<br />
17 WZW: http://www.wzw.at/index.php?s=1&show=2&a=1&la=de Zugriff: 24.5.2007<br />
68
Magistratsdirektion Baudirektion (MD BD)<br />
Aufgabe der MD BD ist die ressortübergreifende Koordination (Interview 7, 344-345).<br />
Im Geschäftsbereich Bauten und Technik ist die Geschäftsstelle Infrastruktur und<br />
Stadterneuerung angesiedelt. Von hier aus erfolgt die strategische Koordination von<br />
Stadterneuerungsprogrammen (Interview 7, 10-13) und hier liegt auch die zentrale<br />
Koordinationsstelle der Wiener Gebietsbetreuungen (Interview 7, 326). Die Tätigkeit des MD<br />
BD Mitarbeiters in der Stadterneuerung war auch abseits des Grätzelmanagements die<br />
Vermittlung zwischen Arbeitsgruppen und Verwaltung (I7_m40-49: 152-155).<br />
Der Vertreter der MD-BD war Mitinitiator des Grätzelmanagement und stimmberechtigtes<br />
Mitglied des Grätzelbeirates.<br />
Die Magistratsabteilung 27 - EU-Strategie und Wirtschaftsentwicklung (MA 27)<br />
Die MA 27 koordiniert die für Wien relevanten EU-Fördermaßnahmen, insbesondere die<br />
Erstellung und Abwicklung der Programme für Gemeinschaftsinitiativen und Zielgebiete.<br />
Zudem prüft sie die Fördermaßnahmen der EU auf ihre Nutzanwendung für die Stadt Wien und<br />
die Förderbarkeit von Projekten der Stadt Wien nach den Richtlinien der EU 18 .<br />
Im Bezug auf das Grätzelmanagement ist die MA 27 damit die zuständige<br />
Verwaltungsbehörde des Förderprogramms Ziel-2 Wien (Interview 5, 8-14). Sie prüft<br />
außerdem die<br />
Einhaltung der Kriterien und EU-Regulative bis hin zur Abrechnung (Interview 5, 24-27) und<br />
sie war für die effiziente und zweckmäßige Umsetzung des Projektes verantwortlich (I5_m40-<br />
49: 36-42).<br />
Die MA 27 war mit einem Mitarbeiter vom Referat Urbanistik aus dem Dezernat EU-<br />
Förderungen im Grätzelbeirat als stimmberechtigtes Mitglied vertreten.<br />
Die Bezirksvorstehung des 2. Wiener Gemeindebezirks Leopoldstadt (BV2)<br />
Seit 1988 haben die Wiener Bezirke ein eigenes Budget, seit 1999 im zweiten<br />
Dezentralisierungsschritt stehen dem 2. Bezirk 7,5 Millionen Euro zur Verfügung. Über diese<br />
Mittel kann der Bezirk autonom entscheiden (Interview 3, 110-114). Die Dezentralisierung der<br />
Verwaltung ist in Wien derzeit so weit fortgeschritten, dass die Bezirksvertretung, der<br />
18 Stadt Wien:<br />
http://www.wien.gv.at/advuew/internet/AdvPrSrv.asp?Layout=geschaeftseinteilung&Type=K&Hlayout=&STELLECD=2000<br />
021815331828 Zugriff: 1.5.2007<br />
69
Finanzausschuss der Bezirksvertretung und der Bezirksvorsteher die Haushaltsmittel u.a. in<br />
folgenden Bereichen 19 verwalten:<br />
- Städtische Kindertagesheime<br />
- allgemeinbildende Pflichtschulen im Sinne des Wiener Schulgesetzes (mit<br />
Ausnahme)<br />
- Planung und Herstellung (Neu-, Um- und Ausbau) und Instandhaltung von<br />
Hauptstraßen und Nebenstraßen<br />
- Planung, Errichtung und Instandhaltung der öffentlichen Beleuchtung<br />
- Planung, Errichtung und Instandhaltung von Grünanlagen einschließlich der<br />
Baumpflanzungen, der Spielplätze und der Einrichtungen<br />
- Planung, Herstellung und Instandhaltung von Jugendspielplätzen<br />
- Instandhaltung der unbebauten Marktflächen und der städtischen Objekte etc.<br />
Wobei es sich bei dieser Aufstellung nur um einen knappen Auszug der zu verwaltenden<br />
Bereiche handelt. Die BV2 ist die demokratisch legitimierte Vertretung der Leopoldstadt und<br />
damit die politische Instanz für das Grätzelmanagement. Die BV2 war stimmberechtigtes<br />
Mitglied im Grätzelbeirat.<br />
Abbildung 1: Grätzelmanagement Projektstruktur 20<br />
19 Stadt Wien: http://www.wien.gv.at/recht/landesrecht-wien/rechtsvorschriften/html/v0010000.htm Zugriff: 24.6.2007<br />
20 Darstellung vom Grätzelmanagement: http://www.graetzelmanagement.at/02/frameset/frameset.html, Zugriff: 5.5.2007<br />
70
4.1.2. Ziele des Grätzelmanagements<br />
Univ. Prof. Dr. Dangschat legte der Bezirksvorstehung des 2. Wiener Gemeindebezirks im<br />
Beisein des Obersenatsrates Berger das Konzept für das Pilotprojekt Grätzelmanagement vor.<br />
Das Konzeptpapier A 21 war der Programmebene, das Konzeptpapier B 22 war der Projektebene<br />
(lokalen Ebene) gewidmet und wurde von der verantwortlichen Bezirksvorstehung<br />
angenommen.<br />
Ziel des Grätzelmanagements, wie auf der gleichnamigen Homepage beschrieben, war es, die<br />
Lebens-, Wirtschaft- und Umweltsituation im Volkert- und Alliiertenviertel dauerhaft zu<br />
stabilisieren und zu verbessern. Dieses Ziel des Grätzelmanagements sollte dadurch erreicht<br />
werden, dass Initiativen und Maßnahmen zur Verbesserung der Situation im Grätzel<br />
gemeinsam mit der ansässigen Bevölkerung und den Unternehmern ausgearbeitet werden<br />
sollte,<br />
„wobei darauf geachtet wird, dass auch die Umsetzung von der Bevölkerung selbst vor<br />
Ort getragen wird.“ 23<br />
Die Konzentration von Ressourcen im Sinne eines integrierten Handlungsansatzes war in der<br />
Zieldefinition ebenfalls enthalten.<br />
„Der integrierte Ansatz soll durch die Bündelung von Mitteln unterschiedlicher<br />
Förderungsansätze sowie unter Einbeziehung endogener Ressourcen und Potenziale das<br />
Grätzel stärken und damit die soziale Lebensfähigkeit des<br />
Grätzels sichern.“ 24<br />
Folgende Themenbereiche standen auf der Agenda des Grätzelmanagements:<br />
- „Verbesserung der lokalen Wirtschaftsstruktur<br />
- Verbesserung der Chancengleichheit im Erwerbsleben<br />
- Verbesserung des (Aus-)bildungsgrades mit Schwerpunkt MigrantInnen<br />
- Verbesserung der Wohnsituation und des Wohnumfelds<br />
- Verbesserung der sozialen, kulturellen und ökologischen Infrastruktur<br />
- Bündelung und Vernetzung relevanter lokaler Institutionen und Intiativen<br />
- Hilfe zur Selbsthilfe<br />
- Imageverbesserung des Stadtteils“ 25<br />
21 Dangschat, Jens S. (2001): Pilotprogramm „Grätzel-Management Wien“ Konzeptpapier A – Programmebene. Das Grätzel-<br />
Management – eine Idee zur Verwaltungsmodernisierung und zu einer modernen großstädtischen Sozialpolitik. ISRA, Mimeo.<br />
22<br />
Breitfuss, Andrea/Dangschat, Jens S. (2001): Pilotprogramm „Grätzel-Management Wien“ Konzeptpapier B – Projektebene.<br />
Projekte in Wien – Leopoldstadt „Nordbahnviertel“ und „Stuwerviertel“. ISRA, Mimeo.<br />
23 Grätzelmanagement: http://www.graetzelmanagement.at/02/frameset/frameset.html Stand 30.12.2006<br />
24 ebd.<br />
25 ebd.<br />
71
Das Team der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Grätzelmanagements Volkert- und<br />
Alliiertenviertel setzte sich aus den Funktionen Projektleiter, Grätzelmanager/in Wirtschaft,<br />
Projektassistent/in, Projektassistent/in für den Fachbereich Öffentlicher Raum und<br />
Projektassistent/in mit Schwerpunkt Migranten zusammen.<br />
4.1.3. Überblick über den Ablauf der Organisation des Pilotprojekts<br />
Grätzelmanagement Volkert- und Alliiertenviertel<br />
• März 2002: Projektstart und Abklärung organisatorischer Fragen;<br />
• bis Sommer 2002: Grätzelmanagement tritt mit einem mit Mitarbeitern des<br />
Grätzelmanagements besetzten Container auf dem Volkertplatz an die Öffentlichkeit.<br />
Durchführung von 164 offenen Interviews (92 mit Männern, 72 mit Frauen).<br />
• Herbst 2002: aktivierende Befragung (inkl. muttersprachliche Befragung) von knapp<br />
300 Bewohnern und Gewerbetreibenden zur Abbildung der Problemlagen und<br />
Sichtweisen, sowie zur Einladung der Befragten zur Teilnahme an der Ideenwerkstatt<br />
und den <strong>Arbeitskreis</strong>en.<br />
• Dezember 2002: Ideenwerkstatt mit etwa 130 Teilnehmenden; Konstituierung der<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>e;<br />
• ab Jänner 2003: Zusammentreffen der <strong>Arbeitskreis</strong>e (meist monatlich)<br />
• Oktober2004: Grätzelentwicklungskonzept Volkert- und Alliiertenviertel<br />
• Ende 2005: ursprünglich vorgesehenes Ende des Pilotprojektes Grätzelmanagement,<br />
jedoch Verlängerung um ein Jahr;<br />
• 31.12. 2006: Ende des Pilotprojektes Grätzelmanagement Volkert- und Alliiertenviertel;<br />
4.1.4. Projektumsetzungen im Grätzelmanagement<br />
Initiativen und Maßnahmen zur Verbesserung der Situation im Stadtteil wurden in Form von<br />
Projekten umgesetzt. Ein Auszug von Beispielen verwirklichter Projekte folgt hier, jedoch<br />
ohne Anspruch auf Vollständigkeit.<br />
- PC-Einstiegsprojekt (neue Technologien: niederschwellige<br />
Qualifizierungsmaßnahme)<br />
- Grätzelfeste jeweils im Mai der Jahre 2004-2006<br />
- Verbesserungsmaßnahmen im Park Rueppgasse („Käfigtür“)<br />
- Sommerkino (Freiluftkino am Volkertplatz)<br />
- Grätzel-Logo, Einkaufstaschen mit Grätzel-Logo<br />
- Internetportal lokaler Unternehmen und Werbefolder<br />
72
- Workshop „Maisstärke“<br />
- Max-Winter Lesung<br />
- Grätzelführung<br />
- Punschstand<br />
- Adventmarkt<br />
- Exkursion Linz<br />
- Exkursion Mauthausen<br />
- Veranstaltung „Anne Frank“<br />
- Dia-Vortrag über Istanbul<br />
- Informationsveranstaltung „Sicherheit im Viertel“<br />
- Radbügel<br />
- Bäume und Bänke im Straßenraum im Stadtteil<br />
- Begleitung der Realisierung des Volkertplatzes etc.<br />
Letzteres Projekt soll nun aufgrund seines Umfangs und der Sichtbarkeit im Viertel bzw. zur<br />
Veranschaulichung der Entscheidungsprozesse und der Vernetzung im folgenden beschrieben<br />
werden.<br />
Das Projekt Umgestaltung Volkertplatz<br />
´Ein Platz für Alle´ sollte der Volkertplatz werden. Das war das einhellige Motto während des<br />
Planungsprozesses mit den Bewohnern und Gewerbetreibenden des Grätzels 26 .<br />
Nach Abriss von ungenutzten Marktständen 1999 entstand ein Freiraum am Volkerplatz, der<br />
schließlich zu einem wesentlichen Bestandteil der Beteiligungsprozesse des<br />
Grätzelmanagement wurde. Der Anspruch, diesen Platz neu zu gestalten wurde bereits vor dem<br />
Grätzelmanagement von der Bezirkspolitik gestellt. Der Volkertplatz war jedoch auch bei den<br />
lokalen Akteuren von Beginn des Grätzelmanagements an ein Thema. Bereits bei der<br />
Ideenwerkstatt im Dezember 2002 und den ersten <strong>Arbeitskreis</strong>en im Frühjahr 2003 wurde dazu<br />
diskutiert. Das Grätzelmanagement bot die Möglichkeit, die verschiedenen Betroffenen in<br />
einem Prozess zu beteiligen, der die gemeinsame Ideensammlung und Ausarbeitung für einen<br />
neuen Volkertplatz vorsah. Die bauliche Umgestaltung wurde aus Ziel2 Mitteln und Mitteln<br />
des Bezirks kofinanziert. Der Beteiligungsprozess selbst, d.h. die Moderation(Moderatoren und<br />
Räumlichkeiten) und Begleitung der Kommunikation wurde vom Grätzelmanagement<br />
getragen. Es handelte sich also um kein Grätzelmanagement Projekt im engeren Sinn.<br />
26 Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 14.10.2005, http://www.magwien.gv.at/vtx/vtx-rkxlink?SEITE=020051014023<br />
Zugriff: 20.6.2007<br />
73
Die Einbindung von artikulationsschwächeren Gruppen wie Jugendlichen oder zugewanderten<br />
Frauen und Männern erfolgte unterschiedlich intensiv und erfolgreich. Auch die<br />
Gewerbetreibenden am und rund um den Volkertplatz beteiligten sich, wie noch zu erläutern<br />
sein wird, nicht durchgängig am Gestaltungs- und Diskussionsprozess zum Umbau des<br />
Volkertplatzes. Die Diskussion wurde weitgehend im <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum geführt.<br />
Auf dieser Plattform wurden die Wünsche und Ideen artikuliert und ausgearbeitet. Strittige<br />
Punkte blieben lange Zeit der Ballspielkäfig, die Fußgängerzone und die Abgrenzung zum<br />
Markt. Letzterer wurde in den <strong>Arbeitskreis</strong>sitzungen gelöst. Die häufigsten Wünsche waren die<br />
Einrichtung von Sitzbänken, Grün, Schatten und Trinkbrunnen. Die Ergebnisse und Ideen<br />
dieser Kommunikationsprozesse wurden schließlich in die Ausschreibung für die<br />
Umgestaltung des Volkertplatzes eingearbeitet. Eine Liste mit den Wünschen wurde in einem<br />
Treffen vom Bezirksvorsteher an die Magistratsabteilung 19 Architektur und Stadtgestaltung<br />
(MA 19), Magistratsabteilung 28 Straßenverwaltung und Straßenbau (MA 28) und<br />
Magistratsabteilung 42 Stadtgartenamt (MA 42) übergeben. Fünf Architekten bzw.<br />
Landschaftsplaner wurden zum Wettbewerb eingeladen und sie haben ihre Vorschläge jeweils<br />
einmal mit und einmal ohne Ballspielkäfig eingebracht.<br />
Die MA 19 hat die Ausschreibung organisiert und die eingereichten Projekte vor der Fachjury<br />
geprüft. Stimmberechtigte Mitglieder der Jury 27 waren Arch. DI Leopold Dungl<br />
(Juryvorsitzender), DI Cordula Loidl-Reisch (stv. Juryvorsitzende), Mag. Klaudius Foltin (MA<br />
19, Schriftführer), DI Andrea Mann (Gebietsbetreuung Leopoldstadt), der Bezirksvorsteher<br />
Gerhard Kubik (BV 2) und sein Stellvertreter Rudolf Kauba (BV 2) sowie Mag. Jutta<br />
Reichenpfader (<strong>Arbeitskreis</strong> Volkertplatz) als Vertreterin der Bewohner des Grätzels, welche<br />
von den jeweiligen <strong>Arbeitskreis</strong>sprechern entsandt wurde. Die Projektvorschläge blieben<br />
anonym und es gewann einstimmig der Projektvorschlag einer Landschaftsarchitektin, die im<br />
Grätzel wohnte. Dieses Projekt wurde schließlich öffentlich im <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum<br />
präsentiert und im Grätzelmanagement Büro ausgestellt. Über den strittigen Punkt des<br />
Ballspielkäfigs ist von der Jury entschieden worden. Sie entschied für den Vorschlag ohne<br />
Ballspielkäfig. Die Entscheidung über die Fußgängerzone im Bereich der Rueppgasse wurde<br />
vom Bezirksvorsteher übernommen. Er entschied für die Einrichtung einer Fußgängerzone. Die<br />
MA 28 beauftragte schließlich die Baufirma und begleitete den Umbau des Volkertplatzes.<br />
27 Stadt Wien, wien.at unter „Wettbewerbsergebnisse“:<br />
http://www.wien.gv.at/m19prjdb/wettbewerbe/html/show_ergebnis_js.asp?AUS_ID=1456&Q_A_TYP=&Q_A_STANDORT=<br />
&Q_A_QUERYSTR=&Q_A_ART=0&Q_A_VERFAHREN=0&Q_A_VON=&Q_A_BIS=&Q_A_LAUFEND=<br />
Stand: 20.6.2007<br />
74
Der Volkertplatz wurde im Oktober 2005 unter Beteiligung von Stadtrat DI Schicker<br />
(Stadtentwicklung und Verkehr) eröffnet.<br />
4.2. Die Beschreibung des Grätzels Volkert- und Alliiertenviertel<br />
Das Gebiet, in dem und für das das Grätzelmanagement Volkert- und Alliiertenviertel aktiv<br />
war, liegt im zweiten Wiener Gemeindebezirk Leopoldstadt. Dort grenzt es im Nordosten an<br />
die Nordbahnstraße bzw. die entsprechende Bahnlinie, im Südosten grenzt der Stadtteil an die<br />
Mühlfeld- und Fugbachgasse, im Süden schließt die Heinestraße und Klanggasse das Gebiet ab<br />
und im Nordwesten wird es von der Castellez-, der Scherzergasse und der Taborstraße<br />
abgegrenzt.<br />
Das Grätzelmanagement hatte vor Ort seinen Stützpunkt. Ein eigenes Büro wurde im April<br />
2003 am Volkertplatz 9 eingerichtet 28 .<br />
Um eine ungefähre Vorstellung vom Stadtteil zu bekommen, der Ziel und auch Ort der<br />
Grätzelmanagement-Aktivitäten war, soll hier eine kurze Beschreibung Bevölkerungs-, und der<br />
Wirtschaftstruktur, sowie der baulichen Struktur und der sozialen Infrastruktur folgen.<br />
28 vgl. Grätzelentwicklungskonzept Volkert- und Alliiertenviertel, Stand 1.10.2004: 15;<br />
75
Abbildung 2: Planausschnitt vom Stadtteil Volkert- und Alliiertenviertel 29<br />
Bevölkerungsstruktur:<br />
Die Fläche des Stadtteils Volkert- und Alliiertenviertel beträgt 300.000m² (30 Hektar) und es<br />
leben hier knapp über 10.000 Menschen 30 .<br />
Tabelle 1 beschreibt die Bevölkerung im Stadtteil Volkert- und Alliiertenviertel und vergleicht<br />
diese mit der Bevölkerung des 2.Bezirks Leopoldstadt und ganz Wien nach der Altersstruktur.<br />
29 eigene Darstellung nach Stadt Wien, Vienna GIS http://wien.at/stadtplan/, Anschrift: 1082 Wien, Rathaus<br />
30 Bevölkerungsevidenz der Stadt Wien: Bevölkerungsdaten 31.12.2000; zit.n. Grätzelentwicklungskonzept<br />
Volkert- und Alliiertenviertel, Stand 1.10.2004: 16;<br />
76
Tabelle 1: Bevölkerung im Stadtteil Volkert- und Alliiertenviertel im Wien Vergleich 31<br />
Volkert- und Alliiertenviertel Leopoldstadt Wien<br />
Alter<br />
in Jahren<br />
Insgesamt in Prozent<br />
%<br />
Insgesamt in Prozent<br />
%<br />
Insgesamt in Prozent<br />
%<br />
0- unter 6 708 6,6 5.354 5,9 93.375 5,8<br />
6- unter 10 409 3,8 3.426 3,8 65.576 4,1<br />
10- unter 15 538 5,1 4.216 4,7 78.342 4,8<br />
15- unter 19 408 3,8 3.442 3,8 61.745 3,8<br />
19- unter 30 1.590 14,9 12.840 14,2 221.373 13,7<br />
30- unter 60 5.073 47,5 41.731 46,1 750.988 46,5<br />
60 und 60+ 1.945 18,2 19.548 21,6 345.039 21,4<br />
Insgesamt 10.671 90.557 1.616.438<br />
Der Anteil der Zuwanderer aus der Türkei, dem ehemaligen Jugoslawien und arabischen<br />
Staaten im Volkert- und Alliiertenviertel liegt bei 38,3%, das waren im Jahr 2000 32 4.085<br />
Personen. Der Anteil dieser Zuwanderer liegt mit 45,8% bei den Kindern und Jugendlichen bis<br />
zum 19. Lebensjahr relativ höher.<br />
Die bauliche Struktur 33 im Stadtteil:<br />
Der Bebauungsgrad liegt bei ca. 73%, wobei der Großteil der Häuser in der Zeit zwischen 1849<br />
und 1918 errichtet wurde. Der Anteil der Gebäude, die nach 1945 gebaut wurden beträgt nur<br />
etwa 20%.<br />
Der öffentliche Raum im Stadtteil ist durch einen Mangel an Freiflächen gekennzeichnet. In<br />
der Rueppgasse befindet sich der einzige Spielplatz für Kinder. Der Volkertplatz wurde in der<br />
Zwischenzeit im Rahmen der Grätzelmanagement Aktivitäten umgestaltet und bietet seit<br />
Herbst 2005 Sitz- und Aufenthaltsmöglichkeiten sowie Spiel- und Sporteinrichtungen für<br />
Kinder, Jugendliche und Erwachsene.<br />
Die soziale Infrastruktur 34 im Stadtteil:<br />
Im Stadtteil Volkert- und Alliiertenviertel befinden sich vier religiöse Einrichtungen:<br />
31 Bevölkerungsevidenz der Stadt Wien: Bevölkerungsdaten 31.12.2000; zit.n. Grätzelentwicklungskonzept<br />
Volkert- und Alliiertenviertel, Stand 1.10.2004: 16;<br />
32 ebd.: 17;<br />
33 Die angegebenen Zahlen stammen vom Grätzelentwicklungskonzept Volkert- und Alliiertenviertel, Stand 1.10.2004: 18;<br />
34 ebd.<br />
77
- Philippinisch-katholische Kirchengemeinschaft<br />
- Islamische Kirchengemeinschaft<br />
- Evangelische Pfarre<br />
- Katholische Pfarre<br />
Zudem findet man im Stadtteil folgende Schulen und Kindertagesstätten:<br />
- 2 städtische Kindertagesheime<br />
- 2 Privatkindergärten<br />
- 2 Volksschulen<br />
- 1 kooperative Mittelschule<br />
- 1 Gymnasium (AHS)<br />
Weitere soziale Einrichtungen im Stadtteil sind der Jugendraum J.at, der Frauentreff für<br />
Migrantinnen, der Allgemeine Kultur- und Frauenverein, die Außenstelle des Integrationsfonds<br />
(der jedoch im Juni 2004 aufgelassen wurde) und andere verbandliche Einrichtungen, wie<br />
Sport- und Kulturvereine mit migrantischem Hintergrund oder parteipolitische Einrichtungen<br />
für Kinder, Senioren etc..<br />
Die Wirtschaftsstruktur im Stadtteil:<br />
Im Volkert- und Alliiertenviertel war ein Rückgang der Nahversorgung zu beobachten, was<br />
sich in der Verkleinerung des Volkertmarktes niederschlug 35 .<br />
Im Stadtteil befanden sich laut Grätzelmanagement 2002 etwa 58 Gastronomiebetriebe. Dazu<br />
kommen die 308 Unternehmer, die auf 186 Branchen verteilt sind. Bei diesen Unternehmen<br />
handelt es sich zumeist um Familien- und Kleinstbetriebe. Sie sind in zwei Vereinen, dem<br />
„Zwib2“ und dem „Volkertmarkt“ organisiert 36 .<br />
35 vgl. Grätzelentwicklungskonzept Volkert- und Alliiertenviertel, Stand 1.10.2004: 19;<br />
36 Wiener Einkaufsstraßenmanagement; zit.n.: Grätzelentwicklungskonzept Volkert- und Alliiertenviertel, Stand 1.10.2004:<br />
19;<br />
78
5. Horizontale Vernetzung durch das<br />
Grätzelmanagement<br />
5.1. Horizontale Vernetzung auf Verwaltungsebene<br />
Auf der Verwaltungsebene hatte das Grätzelmanagement kein Gremium oder irgendwelche<br />
formalisierten Zusammentreffen aus unterschiedlichen Ressorts und magistratischen<br />
Dienststellen, die den Informationsaustausch, die Koordination oder die gezielte Bündelung<br />
von Mitteln vorsah. Die Institutionalisierung einer Gruppe bestehend aus Vertretern<br />
unterschiedlicher Verwaltungseinheiten blieb im Rahmen des Grätzelmanagement aus. Ein<br />
Austausch innerhalb der Verwaltung fand vielmehr informell oder entweder nicht<br />
stadtteilbezogen oder zwischen wenigen einzelnen magistratischen Dienststellen statt.<br />
5.1.1. Orte des Austausches und der Vernetzung – neue Kontakte<br />
Auf die Frage nach den wichtigsten Partnern und neuen Kontakten im Rahmen des<br />
Grätzelmanagements wurden immer wieder die selben Institutionen, nämlich die<br />
Projektpartner und die Mitglieder des Grätzelbeirates genannt. Die dauerhafte und beständige<br />
Integration eines breiten Spektrums an Institutionen fand hier nicht statt oder blieb auf einen<br />
Verwaltungsbereich, wie den baulichen beschränkt. Besonders die Vernetzung der<br />
verschiedenen Geschäftsgruppen aus der Verwaltung kam zu kurz.<br />
Das offizielle Gremium, bei dem sich Akteure aus der Verwaltung zur Agenda<br />
Grätzelmanagement austauschen konnten war der Grätzelbeirat, welcher für ein<br />
vierteljährliches Zusammentreffen sorgte. Die Mitglieder dieses Beirates waren unter anderen<br />
Akteuren die MA 25, die MA 27 und die MD BD (I1_w30-39: 64-67).<br />
Im Zuge der Umgestaltung des Volkertplatzes kam es zu Treffen und zum Austausch zwischen<br />
den unmittelbar zuständigen Magistratsabteilungen 19 (Architektur und Stadtgestaltung), 28<br />
(Straßenverwaltung und Straßenbau), und 42 (Stadtgartenamt).<br />
Anstelle eines Gebietsteams oder einer Task Force, in welcher die relevanten Ressorts<br />
vertreten sind, wurde das Grätzelmanagement innerhalb der Verwaltung von einem Mitarbeiter<br />
der MD BD repräsentiert, der die einzelnen Dienststellen für Projekte untereinander<br />
koordinierte. Er verfügte über ein Netzwerk in der Verwaltung und hatte keine fixen<br />
Ansprechpartner in den einzelnen Magistratsabteilungen, sondern wählte diese nach Bedarf für<br />
die jeweiligen Agenden (I7_m40-49: 377-380). Diese Tätigkeit zählt auch abseits des<br />
Grätzelmanagements zu seinen Aufgaben.<br />
79
Aus Sicht des Mitarbeiters der MA 27 haben sich durch das Grätzelmanagement für die MA 27<br />
geringfügig neue Kontakte mit anderen Magistratsabteilungen ergeben. So hatte die MA 27<br />
durch das Grätzelmanagement zum Beispiel Kontakt mit der MA 25 (I5_m40-49: 313-318).<br />
Dazu kam der Austausch mit dem WWFF als Projektbetreuer. Abseits des Grätzelbeirates und<br />
des Stadtteils waren aber keine formalen oder regelmäßigen Treffen vorgesehen, sondern man<br />
kontaktierte sich nach Bedarf informell (I5_m40-49: 449-454). Ähnlich verhielt es sich bei den<br />
anderen Vertretern, die im Grätzelbeirat teilgenommen haben. Über diesen Kreis der<br />
Grätzelbeiratsmitglieder hinaus konnte, was die Vertreter der Verwaltung, Politik bzw.<br />
Stadtebene betraf nur die MD BD Kontakte innerhalb der Verwaltung intensivieren. Diese<br />
waren jedoch wie gesagt bereits vor dem Grätzelmanagement und abseits des<br />
Grätzelmanagements für die MD BD vorhanden.<br />
Informell und formell ergaben sich laut Mitarbeiter der MD BD (I7_m40-49: 305-315)<br />
allerdings besonders mit dem entwicklungsdynamischen 2. Bezirk viele Diskussions-, Kontaktund<br />
Austauschmöglichkeiten, die auch genutzt wurden. Diese bezogen sich jedoch weder<br />
ausschließlich auf das Grätzel noch auf das Grätzelmanagement.<br />
Die anderen institutionellen Teilnehmer des Grätzelbeirates waren unterschiedlich in neue<br />
Netzwerke eingetreten. Für das WZW ergab sich der wichtige Kontakt zur Bezirksvorstehung<br />
nur über die Grätzelbeiratssitzungen (I6_m30-39: 66-67). Abseits dieses formalisierten<br />
Zusammentreffens fehlte dem WZW der Austausch mit der verantwortlichen Bezirkspolitik.<br />
Aus Sicht des WWFF haben sich die Kontakte zur Gebietsbetreuung vertieft und das Wissen,<br />
welche Kompetenzen diese Einrichtung hat, verbessert (I10_w30-40m40: 626-627). Dazu<br />
kamen neue Kontakte zum Einkaufsstraßenmanagement (I10_w30-40m40: 388-390) und die<br />
Verstärkung der Kontakte und Kooperationen mit der Wirtschaftskammer Wien (I10_w30-<br />
40m40: 622-624).<br />
5.1.2. Weitere Institutionen<br />
Weiter bekannt innerhalb der Verwaltung war das Grätzelmanagement in der MA<br />
18(Stadtentwicklung und Stadtplanung), 21(Stadtteilplanung und Flächennutzung), sowie der<br />
MA 50 (Wohnbauförderung, Wohnhaussanierung, Wohnungsverbesserung und Aufsicht über<br />
gemeinnützige Bauvereinigungen) (I6_m30-39: 478-479). Diese waren jedoch im<br />
Grätzelmanagement nicht operativ eingebunden.<br />
Als eine auf der Stadtebene neben der Verwaltung aktive öffentliche Institution hatte der<br />
WWFF mit anderen Magistratsabteilungen kaum zu tun, außer bei Maßnahmen für<br />
80
den öffentlichen Raum, welche die Gewerbetreibenden im Grätzel betrafen (I10_w30-40m40:<br />
323-325). Eine tiefer gehende Vernetzung oder Kooperation fand hier nicht statt.<br />
Der WWFF hatte mit dem Marktamtsleiter 2. Bezirk von der MA 59 (Marktamt) temporär<br />
Kontakt, wenn es darum ging Einschätzungen und Informationen über den Markt einzuholen<br />
(I10_w30-40m40: 364-366). Der Kontakt beschränkte sich hier also auf<br />
Informationsweitergabe.<br />
5.1.3. Institutionalisierung von Stadtteilen in der Verwaltung<br />
Die Verwaltung in Wien ist dezentralisiert, d.h. dass jeder Bezirk über fixierte Budgetmittel<br />
verfügt. Der Einsatz dieser Mittel liegt in der Kompetenz und Verantwortung der<br />
Bezirksvertretung. Dazu hat jede magistratische Dienststelle eigene jeweils für bestimmte<br />
Bezirke zuständige Mitarbeiter, die dann auch in der Umsetzung mitverantwortlich und tätig<br />
sind (I7_m40-49: 239-250). Es gibt demnach eine gute vertikale Anbindung der Verwaltung an<br />
den Bezirk, welche aufgrund der eindeutigen Zuständigkeit der Mitarbeiter eine Vertrautheit<br />
und ein einschlägiges Wissen über ein Gebiet ermöglichen sollte. Im weitesten Sinn kann von<br />
einem Gebietsbeauftragten gesprochen werden, der zumindest mit dem Bezirk, nicht aber mit<br />
einem Stadtteil betraut ist – es gibt also keine Entsprechung auf der Stadtteilebene. Diese<br />
Funktion des Gebietsbeauftragten ist außerdem auf ein Fachressort, d.h. eine magistratische<br />
Dienststelle beschränkt und kann daher nicht mit einem Gebietsbeauftragten eines<br />
Grätzelmanagements verglichen werden. Der Mitarbeiter der MD BD ist Gebietsbeauftragter<br />
der beiden von den Grätzelmanagements betreuten Stadtteilen. Seine Aufgaben und<br />
Funktionen gehen jedoch weit über die zwei Stadtteile hinaus. Er ist u.a. für die Koordination<br />
aller Wiener Gebietsbetreuungen zuständig und zudem mit der Koordination von<br />
Stadterneuerungsprogrammen in ganz Wien betraut. Die ressortübergreifende Koordination im<br />
Sinne eines Stadtteilmanagements, d.h. für einzelne Stadtteile verlangt jedoch ausgedehnte<br />
Personalressourcen.<br />
5.1.4. Ressortübergreifende Zusammenarbeit<br />
Koordination<br />
Die Aufgabe ressortübergreifender Koordination obliegt der MD BD. Sie war allerdings nicht<br />
auf das Grätzelmanagement allein beschränkt sondern wird von der MD BD generell innerhalb<br />
der Verwaltung wahrgenommen. Darüber hinaus ist der Mitarbeiter der MD BD für die<br />
Wissensweitergabe und für die Ausschreibung der Gebietsbetreuungen verantwortlich<br />
(I4_m50-59: 451-456).<br />
81
Wie bereits erwähnt, hat der MD BD Mitarbeiter die Koordination der Magistratsabteilungen<br />
beim Projekt Umgestaltung des Volkertplatzes übernommen, d.h. er hat die Wünsche und<br />
Ideen des AK öffentlicher Raum an die Verwaltung MA 19 weiter vermittelt. Diese Liste an<br />
Wünschen ist anschließend in die Rahmenbedingungen der Wettbewerbsausschreibung<br />
eingeflossen (I7_m40-49: 135-141). Außerdem hat er den Einsatz der MA 28 koordiniert,<br />
welche die Fläche verwaltet und als Auftraggeber die Detailplanung und Umsetzungsplanung<br />
beauftragte bzw. den Umbau begleitete sowie die Bauleitung an eine Hauptbaufirma<br />
ausgelagert hat. Die Baumpflanzung und Pflege für den neuen Volkertplatz verantwortete der<br />
Gartenbezirk der MA 42 (I13_w30-39: 383-388). Deren Abstimmung mit der MA 28 wurde<br />
ebenfalls vom Mitarbeiter der MD BD koordiniert.<br />
Diese Koordination war nur von einer Hierarchieebene über den zu koordinierenden Stellen zu<br />
gewährleisten, wie man in der MD BD feststellte:<br />
„Jedes Ressort hat seinen Haushalt und die Erfahrung zeigt einfach, dass diese<br />
ressortübergreifende Koordination von Programmen nur von einer Hierarchieebene<br />
darüber ausgehen kann“ (I7_m40-49: 365-367).<br />
Ressourcenbündelung<br />
In Wien, einer Stadt mit langer und gefestigter Verwaltungstradition, haben sich im Zuge von<br />
Verwaltungsreformen Prinzipien des New Public Managements durchgesetzt. Das bezieht sich<br />
vor allem auf die finanziellen Verantwortlichkeiten. Unter anderem bilden nun die<br />
Haushaltsgrenzen die Ressortgrenzen, d.h. jedes Ressort hat einen eigenen Haushalt (I7_m40-<br />
49: 363-365) und bilanziert getrennt von anderen Ressorts.<br />
Trotzdem hat man in Wien laut Mitarbeiter der MD BD angefangen sich zu bemühen,<br />
Ressourcen unterschiedlicher Ressorts zu bündeln. Es hat zum Beispiel bereits vor dem<br />
Grätzelmanagement die Gebietsbetreuung Brunnenviertel dazu geführt, Mittel auf ein Gebiet<br />
zu konzentrieren und die Dienststellen der Verwaltung haben dabei intensiv<br />
zusammengearbeitet wodurch es zur Bündelung von Ressourcen und Budgets in einem Gebiet<br />
gekommen ist (I7_m40-49: 386-395).<br />
Beim Grätzelmanagement selbst gab es vom Konzept her die Ambition ressortübergreifender<br />
Projektfinanzierung. Diese hat aber nicht im gewünschten Ausmaß stattgefunden. Das WZW<br />
konnte keine tiefere Kooperation auf institutioneller Ebene feststellen.<br />
„Ein Elend war, dass es nicht gelungen ist, tiefere Kooperation herzustellen zwischen<br />
einer breiteren institutionellen Ebene, was sozusagen die Ebene anbelangt die Ebene der<br />
Magistratsabteilungen oder der vorgelagerten Fonds der Stadt Wien“ (I6_m50-59: 370-<br />
372).<br />
82
Das Projekt Volkertplatz war das einzige Projekt im Umfeld des Grätzelmanagement Volkertund<br />
Alliiertenviertel, bei dem es zu einer Koordination und Zusammenarbeit verschiedener<br />
Magistratsabteilungen gekommen ist. Diese Koordination wurde vom Mitarbeiter der MD BD<br />
übernommen.<br />
Neben der Beteiligung konventioneller Verwaltungseinheiten, wie der Magistratsabteilungen,<br />
war es auch ein Ziel andere öffentliche Institutionen operativ in das Grätzelmanagement<br />
einzubinden.<br />
Das Projekt Grätzelmanagement hätte ursprünglich mehr Projektpartner vorgesehen, wie zum<br />
Beispiel den Wohnfonds Wien (ehem. Stadterneuerungsfonds) und den Wiener<br />
ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds (waff). Diese aus der Wiener Stadtverwaltung<br />
ausgegliederten Fonds haben sich jedoch nicht an den Grätzelmanagement Aktivitäten beteiligt<br />
(I7_m40-49: 43-48). Daher ist eine Arbeitsgemeinschaft als Projektträgergemeinschaft in<br />
diesem Sinn nicht gelungen, so der Mitarbeiter der MD BD (I7_m40-49: 49-54).<br />
Über die Gründe für das Ausbleiben ressortübergreifender Projektfinanzierung kann auch nach<br />
den empirischen Untersuchungen leider nur spekuliert werden. Ob die Haushaltsgrenzen<br />
ausschlaggebend waren, eine allgemeine Rivalität zwischen Stadtratbüros, wie im WZW<br />
vermutet wurde (I6_m30-39: 471-473), die Routine sektoralen Verwaltungshandelns, die<br />
Barrieren kultureller Grenzen im Sinne unterschiedlicher Arbeitsweisen und<br />
Wirklichkeitskonstruktionen oder fehlende Anreize, die ein integriertes Handeln verhindert<br />
haben, kann in dieser Arbeit nicht eindeutig beantwortet werden.<br />
5.1.5. Vorteile der horizontalen Vernetzung auf Stadt- und<br />
Verwaltungsebene<br />
Im Grätzelbeirat gab es die Möglichkeit regelmäßig Informationen über das Grätzel und seine<br />
Entwicklung zwischen den verschiedenen Akteuren auszutauschen (I6_m30-39: 117-122).<br />
Dabei flossen Informationen vertikal zwischen lokalen Akteuren und der Verwaltung genauso<br />
wie horizontal unter den Vertretern der Institutionen. Informationen konnten dort auf kurzem<br />
Weg ausgetauscht und aus erster Hand gewonnen werden. Aufgrund der relativen Aktualität<br />
der verbreiteten Informationen konnte es verhindert werden, im Stadtteil dieselben Themen an<br />
verschiedenen Orten zu bearbeiten, ohne diese miteinander kurzzuschließen. Die Diskussion<br />
und Informationsweitergabe konnte so im Grätzelbeirat gebündelt und konzentriert werden.<br />
Abseits der unmittelbaren zum Grätzelmanagement gehörenden Gremien oder Treffen konnten<br />
neue Kontakte zur Verhinderung thematischer Überlagerung führen, indem man sich über<br />
Aktivitäten abstimmte. So konnte der WWFF im Rahmen des Grätzelmanagement einen neuen<br />
83
Kontakt zum Einkaufsstraßenmanagement herstellen, was zu einer besseren Abstimmung und<br />
Koordination von Aktivitäten und damit zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten führte<br />
(I10_w30-40m40: 388-390).<br />
5.1.6. Selbstbestimmtes Regelwerk<br />
Im Grätzelmanagement haben sich typische Governancestrukturen ausgebildet, indem die<br />
Akteure neue, den Bedürfnissen angepasste Regelwerke entwickelt und selbst bestimmt haben.<br />
Um die Möglichkeit zu haben, die Projektideen der Bewohner rechtzeitig vor Einreichung und<br />
Abstimmung im Grätzelbeirat kennen zu lernen und zu prüfen, haben die Vertreter der<br />
Verwaltung und Politik aus dem Grätzelbeirat ein institutionalisiertes Zusammentreffen zur<br />
vorzeitigen Besprechung einzureichender Projekte eingefordert. Dieses Zusammentreffen<br />
wurde in der Einrichtung der Projektkoordinationsgruppe realisiert, welche jeweils etwa 2-3<br />
Wochen vor dem Grätzelbeirat zusammentraf. Sie bestand also nicht von Beginn des<br />
Grätzelmanagement an, sondern wurde aus dem Bedarf heraus später ins Leben gerufen. Dort<br />
kamen die Vertreter der Bezirksvorstehung, des WWFF sowie des Grätzelmanagement für<br />
Bewohner zur Prüfung der Anträge auf Refundierbarkeit durch die EU zusammen. Die<br />
Projektkoordinationsgruppe fand ohne Bewohner statt. Projektanträge wurden dabei zum<br />
Beispiel umformuliert, um sie an die Kriterien der EU-Förderung anzupassen. Die<br />
Projektkoordinationsgruppe erleichterte also insofern die Arbeit der Letztverantwortlichen und<br />
verbesserte die Chancen auf erfolgreiche Projektanträge bzw. die Refundierung von EU-<br />
Mitteln. Auf diese Weise wurde auch für die Einrichtung der Projektkoordinationsgruppe<br />
argumentiert (I1_w30-39: 101-107). Auf der anderen Seite muss die Einrichtung dieser<br />
Projektkoordinationsgruppe auch kritisch beleuchtet werden.<br />
Der Grätzelbeirat konnte sich jedoch durchaus auch von den engen Richtlinien der EU-<br />
Förderkriterien lösen. Es wurden nämlich auch nichtförderfähige Projekte umgesetzt, die<br />
wegen ihrer guten Idee überzeugen konnten (I6_m30-39: 133-136). So konnten, wenn auch für<br />
eine Minderzahl an Projekten finanzielle Mittel ausschließlich aus der „eigenen Tasche“<br />
zugeschossen werden, was in Ausnahmefällen eine Flexibilisierung der Förderung bedeutete.<br />
Eine weitere im Grätzelmanagement Projekt selbstbestimmte Organisation der<br />
Zusammenarbeit war die Partnerschaftsvereinbarung, die zwischen den Projektpartnern<br />
WWFF, MA 25 und WZW getroffen wurde, in der die gegenseitigen Rechte und Pflichten<br />
zwischen den Partnern, die Verantwortlichkeiten und Formalitäten geregelt waren (I6_m30-39:<br />
513-517). Außerdem wurden für den Grätzelbeirat Statuten erstellt, indem die<br />
84
Geschäftsordnung wie zum Beispiel die Stimmverteilung und die Abstimmungsregeln im<br />
Beirat festgelegt wurde (I6_m30-39: 91-93).<br />
5.1.7. Ungleichgewicht in der Machtverteilung im Grätzelbeirat<br />
Der WWFF als Endbegünstigter der EU-Fördermittel übernahm im Grätzelbeirat die Rolle, in<br />
der seine Mitarbeiter die Förderbarkeit von Projekten beurteilten (I6_m30-39: 97-102). Ihnen<br />
oblag die Interpretation und somit ein entscheidender Teil der Entscheidung über die<br />
Umsetzung von eingebrachten Projekten. Die Mitarbeiter des WWFF waren nach einer Phase<br />
des Einlernens jene Akteure, welche über die Förderkriterien am besten Bescheid wussten und<br />
als Endbegünstigte auch dazu verpflichtet waren, sich die Richtlinien anzueignen. In der<br />
Projektkoordinationsgruppe und im Grätzelbeirat war der WWFF daher der Ansprechpartner,<br />
dem hinsichtlich der Beurteilung der Förderbarkeit das Vertrauen entgegengebracht wurde. Die<br />
MA 27 wäre an und für sich der logische Experte für Fragen der EU-Förderung gewesen. Sie<br />
war allerdings nur sehr selten im Grätzelbeirat vertreten.<br />
„Wir sind an sich Mitglied in diesem Grätzelbeirat, aber wir nehmen die Funktion<br />
zugegebener Weise sehr selten wahr“ (I5_m40-49: 102-103).<br />
Der Wissensvorsprung der WWFF Vertreter brachte den WWFF im Grätzelbeirat somit in die<br />
Situation, die prinzipiell „schwammig“ formulierten Förderkriterien zu interpretieren und so<br />
über „Sein oder Nicht-Sein“ von Projekten zu befinden.<br />
5.1.8. Begriff vom integrierten Handlungsansatz<br />
Definition und Wissen der Akteure<br />
Der vermeintlichen Umsetzung des Grätzelmanagement als integrierten Handlungsansatz mit<br />
ressortübergreifender Ressourcenbündelung und tiefgreifender Vernetzung gingen<br />
unterschiedlich anspruchsvolle Sichtweisen der institutionellen Akteure voraus. Von einem<br />
einheitlichen Begriff integrierter ressortübergreifender Handlung bzw. Zusammenarbeit konnte<br />
auch am Ende des Projektes nicht gesprochen werden.<br />
Dieser unterschiedliche Begriff ressortübergreifender Zusammenarbeit manifestierte sich in<br />
den Aussagen der institutionellen Akteure. So sah die MD BD Stadterneuerungsprogramme<br />
bereits vor dem Grätzelmanagement aufgrund der Themenstellung als eine ressortübergreifend<br />
zu organisierende Agenda bzw. die strategische Koordination von<br />
Stadterneuerungsprogrammen als ressortübergreifende Aufgabe (I7_m40-49: 10-15).<br />
Dort ging man außerdem davon aus, dass die Ressourcenkonzentration und<br />
-bündelung in der Verwaltungsstruktur bereits vorbereitet war(I7_m40-49: 252-253). Dabei<br />
stellt sich jedoch die Frage, warum kein einziges Projekt des Grätzelmanagements<br />
85
essortübergreifend finanziert wurde, obwohl die Bündelung von Ressourcen und die<br />
horizontale Vernetzung in der Verwaltung für das Grätzelmanagement vorgesehen war 37 . Die<br />
Zusammenziehung der EU-Fördermittel mit Mitteln der Stadt Wien bzw. der Bezirke<br />
(Kofinanzierung) war insofern die einzige Verknüpfung von finanziellen Ressourcen auf<br />
institutioneller Ebene und diese war Bedingung von Seiten der EU. In der MD BD ist man<br />
allerdings auch zur Einsicht gekommen, dass eine breite Vernetzung auch mit weiteren Fonds<br />
der Stadt Wien zwar das Ziel war, dieses Ziel aber nicht erreicht worden ist:<br />
„Wir wollten auch den, damals hat er noch Stadterneuerungsfonds, heute Wohnfonds mit<br />
ins Boot holen und den waff mit ins Boot holen, weil die alle in diesem Gebiet tätig<br />
waren in ihren Bereichen. Wir wollten uns einfach vernetzen und als Projektträger, als<br />
ARGE zusammen fassen. Es ist uns nicht gelungen, das gebe ich ganz offen zu“ (I7_m40-<br />
49: 46-50).<br />
Diese Vernetzung wäre die Voraussetzung für eine Ressourcenbündelung gewesen.<br />
Wie bereits weiter oben erwähnt hat sich eine ressortübergreifende Projektfinanzierung laut<br />
dem Leiter des Grätzelmanagements nicht in diesem Ausmaß (I4_m50-59: 522-525). Eine<br />
tiefere Kooperation auf institutioneller Ebene konnte auch vom WZW weder zwischen den<br />
Magistratsabteilungen noch der Fonds der Stadt Wien festgestellt werden(I6_m50-59: 370-<br />
372). So wird eine erhebliche Divergenz und Diffusion in der Verwendung des Begriffes<br />
ressortübergreifender Ressourcenbündelung deutlich. Einerseits tritt in der Diskussion der<br />
Widerspruch zwischen vorbereiteten Verwaltungsstrukturen bzw. theoretischem Anspruch und<br />
mangelnder praktischer Umsetzung zu Tage. Andererseits bedeutet eine gute Koordination von<br />
seriell hintereinander agierenden magistratischen Dienststellen noch keine Bündelung von<br />
Ressourcen. Genauso wenig wie sie von bloßer Vernetzung oder Informationsaustausch<br />
einfach erzeugt werden kann. Das alles sind nur die notwendigen Vorraussetzungen für einen<br />
effizienteren Einsatz immer knapper werdender kommunaler Mittel. Eine ressortübergreifende<br />
Zusammenarbeit kann also ganz unterschiedliche Qualitäten erreichen – im Spannungsfeld von<br />
informellem Informationsaustausch bis hin zur effizienten Ressourcenbündelung über die<br />
Haushaltsgrenzen hinaus. Der Begriff ressortübergreifender Zusammenarbeit bedarf demnach<br />
weiterer Diskussionen unter den Experten und in Folge einer Präzisierung und<br />
Vereinheitlichung in der Verwendung und Umsetzung.<br />
Weitaus einheitlicher, von einer Ausnahme abgesehen, ist die Problemsicht hinsichtlich der<br />
Bedeutung des Stadtteils als Ausgangspunkt von Stadterneuerungs- und<br />
Stadtplanungsprozessen. So konstatierte man im WZW ein steigendes Bewusstsein unter den<br />
37 vgl. Kapitel 4.1.2. Ziele des Grätzelmanagements.<br />
86
einschlägigen Experten Wiens für die Bedeutung spezifischer Bedingungen und Bedürfnisse<br />
des Stadtteils (I6_m30-39: 493-497). Und in der MD BD stellt man den Anspruch,<br />
Budgetmittel und Ressourcen der Stadt Wien in Zukunft stärker auf die Bedürfnisse der<br />
Stadtteile abzustimmen, die in angestrebten Sozialraumanalysen erhoben werden sollen<br />
(I7_m40-49: 256-261). Im WWFF ist die Konzentration finanzieller Mittel auf benachteiligte<br />
Gebiete gut geheißen worden. Man hat im Zusammenhang mit dem Grätzelmanagement aber<br />
auch darauf hingewiesen, dass es im Eigeninteresse des WWFF auch für die Bekanntmachung<br />
der eigenen Institution von Vorteil war (I10_w30-40m40: 468-474).<br />
5.1.9. Zuweisung finanzieller Mittel für gemeinsame Projekte<br />
Eine fächerübergreifende Projektfinanzierung hat bei den Grätzelmanagementprojekten nicht<br />
stattgefunden, wenn man einmal vom Ziel2 Projekt Volkertplatz absieht. Die fächerübergreifende<br />
Problemlösung fand im Grätzelbeirat bedingt statt soweit dort Vertreter<br />
unterschiedlicher Magistratabteilungen zugegen waren. Informell gab es freilich einen<br />
Austausch zwischen Magistratsabteilungen, hier auch wieder im Besonderen beim Projekt<br />
Volkertplatz.<br />
Die Zusammenarbeit der Magistratsabteilungen, wie sie zum Beispiel beim Umbau des<br />
Volkertplatzes erfolgte, bedeutete einen gewissen Koordinationsaufwand und letztlich ein<br />
Nebeneinanderstellen öffentlicher Leistungen. Eine Ressourcenbündelung im Sinne eines<br />
synergetischen Aufeinanderbeziehens von Mitteln, um einen Output zu schaffen, der weiter<br />
geht als wenn die Mitteln nur nebeneinander gestellt würden, ist durch das Grätzelmanagement<br />
im Verwaltungsbereich nicht explizit erreicht worden.<br />
5.1.10. Zukunft und Nachhaltigkeit im Verwaltungsbereich<br />
Was die Nachhaltigkeit des Projektes bzw. deren Auswirkungen auf zukünftige<br />
Stadterneuerungsprogramme betrifft, sind die Hoffnungen und Ansprüche ambivalent.<br />
So wird der auf die Bedürfnisse der Stadtteile abgestimmte Einsatz von Budgetmitteln und<br />
Ressourcen der Stadt Wien zwar in den Raum gestellt:<br />
„Und was wir noch nicht haben, was wir aber für die Zukunft anstreben werden wollen,<br />
ist, dass wir unsere Stadtteile noch detaillierter analysieren wollen. Jetzt vor allem<br />
sozialräumlich wollen. Ahm Stärken Schwächen, Analysen noch detaillierter machen<br />
wollen und... Da spreche ich aber von den nächsten Jahren und die Budgetmittel und die<br />
Ressourcen, die für die einzelnen Bezirke und Stadtteile notwendig sind, auf diese<br />
Bedürfnisse abstimmen wollen“ (I7_m40-49: 255-260).<br />
Es nehmen außerdem einzelne Personen der Verwaltung und Politik positive Erfahrungen aus<br />
dem Grätzelmanagement mit. Auf breiterer Basis fehlte aber die Resonanz und es hat sich<br />
wenig geändert v.a. was eine breitere Zusammenarbeit betrifft, so eine Feststellung des WZW<br />
87
(I6_m30-39: 455-462). Die Bilanz des Grätzelmanagements als Gesamtprogramm mit seinen<br />
Implikationen in Stadtpolitik und Verwaltung fällt daher vergleichsweise bescheiden aus. Als<br />
Pilotprojekt ergab sich die Frage, wie die Stadt Wien von solch einem Programm profitieren<br />
kann.<br />
„Da geht es darum, was kann man für Strategien entwickeln, die man dann auf ganz<br />
Wien auf die Gebietsbetreuungen umlegen kann“ (I10_w30-40m40: 456-457).<br />
Die Gebietsbetreuungen wurden schließlich mit Erfahrungen aus dem Grätzelmanagement<br />
„gefüttert“, d.h. verschiedene Erkenntnisse wurden in die Ausschreibungen der kommenden<br />
Gebietsbetreuungen eingearbeitet.<br />
„(...) in der Ausschreibung, die im letzten Jahr stattgefunden hat für die Wiener<br />
Gebietsbetreuungen, jetzt abgeschlossen ist und wir ja jetzt neue Aufträge vergeben<br />
haben und noch vergeben werden für die nächsten drei bis fünf Jahre. Da sind ja in die<br />
Ausschreibung viele Dinge und viele Erfahrungen aus den Grätzelmanagement<br />
miteingeflossen. Jetzt in punkto der Erwartungen, wie die Arbeitsprozesse zu laufen<br />
haben. Wir haben methodische Dinge, die gut gelaufen sind im Grätzelmanagement in<br />
die Ausschreibung mit hinein genommen“ (I7_m40-49: 419-425).<br />
Für die Wiener Verwaltung als Gesamtsystem hat sich durch das Grätzelmanagement<br />
jedenfalls nichts verändert. Die sektorale Zuständigkeit und rein vertikale Anbindung an die<br />
Bezirke ist beibehalten und nicht ausgebaut worden.<br />
88
5.2. Horizontale Vernetzung auf Stadtteilebene<br />
Die soziale Vernetzung im Stadtteil sollte wie auf Stadt- und Verwaltungsebene eine bessere<br />
Ausschöpfung von vorhandenen Ressourcen, verstärkte Koordination unter den Akteuren und<br />
eine Intensivierung des Informationsaustausches fördern. Hinzu kommt auf dieser Ebene noch<br />
der Aufbau von Sozialkapital und der selbstständigen Umsetzung von Ideen für den eigenen<br />
Stadtteil.<br />
Vor Beginn des Grätzelmanagement Projekts existierte bereits eine breite soziale Infrastruktur<br />
im Stadtteil Volkert- und Alliiertenviertel. Damals gab es bereits das Jugendzentrum mit<br />
Streetwork, den Frauentreff über den wif (Wiener Integrationsfonds) in der Springergasse mit<br />
Deutschkursen, die evangelische und die katholische Kirche, die islamische Gemeinschaft in<br />
der Springergasse, die verschiedenen Schulen und den Markt (I8_m40-49: 42-52). Diese waren<br />
jedoch untereinander wenig vernetzt.<br />
Das Grätzelmanagement ermöglichte in verschiedenen Zusammentreffen die Vernetzung, das<br />
Kennen lernen und den Austausch zwischen den lokalen Akteuren, insbesondere den<br />
Bewohnern bzw. Bewohnerinnen und den Gewerbetreibenden.<br />
Zunächst wird die erste Kontaktaufnahme im Stadtteil beschrieben. Welche Gruppen oder<br />
Akteure in den diversen Formen der Zusammentreffen vertreten waren, wird danach behandelt.<br />
5.2.1. Kontaktaufnahme durch das Grätzelmanagement<br />
Die Vorgangsweise bei der ersten Kontaktaufnahme mit den Bewohnern und<br />
Gewerbetreibenden aus dem Grätzel verlief unterschiedlich und das Grätzelmanagement<br />
versuchte sich den Menschen im Stadtteil auf mehrere Weisen zu nähern. So begann die<br />
Aktivität des Grätzelmanagements mit der Aufstellung des Containers am Volkertplatz, worauf<br />
hin die Passanten neugierig wurden und die Mitarbeiter des Grätzelmanagements ansprachen.<br />
Dort wurden dann die Passanten gefragt, was ihnen gefällt, was ihnen nicht gefällt und was sie<br />
verändern wollen bzw. was sie bereit sind, dafür zu tun. Dann fand die aktivierende Befragung<br />
von Haus zu Haus statt, bei der über 300 Interviews durchgeführt wurden und die Menschen<br />
gleichzeitig zur Ideenwerkstatt eingeladen wurden (I1_w30-39: 18-24). Per Postwurfsendung<br />
wurden schließlich alle Haushalte im Grätzel mit der Einladung zur Ideenwerkstatt im<br />
Dezember 2002 angeschrieben. Bei diesen Vorgangsweisen wurden jedoch die Zuwanderer nur<br />
mangelhaft erreicht, ebenso wie mit Flugzetteln oder Plakaten. Die für die Zuwanderer<br />
beauftragte Mitarbeiterin des Grätzelmanagement arbeitete daher mit weiteren Methoden zur<br />
besseren Erreichbarkeit. Sie betonte die Bedeutung von Mundpropaganda unter den<br />
Zuwanderern und die Notwendigkeit, mit den Flugzetteln zur Unterstützung die Menschen auf<br />
89
der Straße direkt anzusprechen und wenn möglich in der jeweiligen Sprache die Informationen<br />
zu vermitteln (I2_w30-39: 39-43). Schriftliche Kommunikation und schriftliche Dokumente<br />
stellen für viele Zuwanderer eine Erschwernis und ein Hindernis für den ersten Zugang dar<br />
(I2_w30-39: 52-57). Die mündliche Kontaktaufnahme ist der schriftlichen in diesem Fall<br />
vorzuziehen. Dabei entwickelte die Grätzelmanagerin die Kompetenz, Netzwerke und ihre<br />
Schlüsselpersonen, welche tragende Positionen in den Netzwerken besetzten, aufzuspüren. Das<br />
waren unter den Zuwanderern meist ältere Personen, die eine gewisse Autorität in ihren<br />
Gruppen ausübten und insofern auch meinungsbildend und mächtig in die jeweilige soziale<br />
Gruppe hineinwirkten. Über diese Schlüsselpersonen hatte die Grätzelmanagerin Zugang zu<br />
größeren Netzwerken und Gruppen. Diese Personen wirkten insofern als Multiplikatoren,<br />
wobei es meist ausreichte, diese Einzelpersonen anzusprechen.<br />
Auch der Projektleiter des Grätzelmanagements besuchte die Menschen direkt u.a. in den<br />
Gasthäusern im Grätzel und lernte so die Leute und ihre privaten Geschichten und Bedürfnisse<br />
kennen. Er konzentrierte sich dabei v.a. auf das Zuhören, was von den Leuten kam und auf<br />
diese Art ist dann das Vertrauen der Leute zu ihm und zum Grätzelmanagement gestiegen. Die<br />
Bewohner sind dann immer wieder zum Gespräch auf ihn zu gekommen (I8_m40-49: 171-<br />
176). Darunter waren Menschen aus Österreich ebenso wie aus der Türkei und aus Ex-<br />
Jugoslawien (I8_m40-49: 185-188). Neben den Bewohnern ging man auch auf die<br />
Gewerbetreibenden aus dem Grätzel zu und suchte sie in ihren Geschäftslokalen auf.<br />
5.2.2. Akteure in den <strong>Arbeitskreis</strong>en<br />
Die <strong>Arbeitskreis</strong>e bildeten die offizielle Plattform für die Akteure des Stadtteils Volker- und<br />
Alliiertenviertel. Der Großteil wurde in der Ideenwerkstatt im Dezember 2002 ins Leben<br />
gerufen.<br />
Die <strong>Arbeitskreis</strong>e wurden nach thematischen Schwerpunkten gegründet und sprachen<br />
dementsprechend unterschiedliche Menschen an oder schlossen auf diese Weise gar bestimmte<br />
Gruppen aus. Den <strong>Arbeitskreis</strong>en wurden zur Moderation je eigene Grätzelmanager<br />
zugeordnet. Der Anspruch möglichst alle Akteure in die <strong>Arbeitskreis</strong>e einzubinden erscheint<br />
weder realistisch noch gewollt. Die Förderung der Durchmischung von Akteuren ist jedoch<br />
immer wieder in Betracht gezogen worden. Die Teilnehmer waren jedenfalls durchwegs<br />
Bewohner und Unternehmer aus dem Stadtteil.<br />
90
<strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen<br />
Der <strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen ist der einzige <strong>Arbeitskreis</strong>, der bereits vor der Ideenwerkstatt<br />
gegründet wurde (Interview 1, 28-29). Seine Aktivierung erfolgte durch einen<br />
Grätzelmanagement-Mitarbeiter.<br />
Dabei nahmen 15 verschiedene Institutionen am etwa alle 1 ½ Monate stattfindenden<br />
<strong>Arbeitskreis</strong> teil, um Informationen auszutauschen und Ressourcen miteinander besser zu<br />
nutzen 38 . Man konnte dort die Aktivitäten der anderen kennen lernen und gemeinsame<br />
Aktivitäten betreiben initiieren. Die Teilnehmenden waren Vertreter von Schulen,<br />
Kindertagesheimen, religiösen Institutionen und gemeinnützigen Organisationen aus dem<br />
Grätzel.<br />
Der <strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen hatte aus formalen Gründen kein Stimmrecht im Grätzelbeirat<br />
zur Beschlussfassung von Projekten des Grätzelmanagements (Interview 1, 70-73).<br />
Ziel des <strong>Arbeitskreis</strong>es war vor allem der Informationsaustausch (Interview 10, 408-410).<br />
Tabelle 2: Teilnahme am <strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen 39<br />
Anzahl der<br />
Anzahl der Teilnehmer Durchschnittliche Anzahl der<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>sitzungen<br />
insgesamt<br />
Teilnehmer pro<br />
2002-2005<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>sitzung<br />
16 116 ~ 7<br />
Der „Frauentreff“, der Jugendtreff J.at und das „Frauenwohnzimmer“ aus der Springergasse<br />
waren auch im <strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen (I4_m50-59: 381-382). Die Moschee aus der<br />
Springergasse nahm nicht am <strong>Arbeitskreis</strong> teil (I4_m50-59: 139). Die dortigen<br />
Verantwortlichen waren jedoch immer offen für Besuche der Bewohner und anderer<br />
Institutionen.<br />
Nach dem Ende des Grätzelmanagement gibt es den <strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen nach wie vor,<br />
wenn er auch nur mehr alle zwei Monate zusammentrifft. Wichtiger Antreiber und Organisator<br />
war Herr Neuhauser vom Bürgerdienst, der sich mittlerweile jedoch weitgehend<br />
zurückgezogen hat. Das jährlich stattfindende Grätzelfest wurde von Institutionen dieses<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>es mitorganisiert. Daran beteiligten sich u.a. der Jugendtreff J.at und Schulen aus<br />
dem Stadtteil (I4_m50-59: 369-374).<br />
38 vgl. Grätzelentwicklungskonzept Volkert- und Alliiertenviertel, Stand 1.10.2004: 9f.;<br />
39 Quelle: eigene Darstellung, Angaben aus den zur Verfügung gestellten <strong>Arbeitskreis</strong>sitzungsprotokollen, jedoch Angaben<br />
über Teilnehmerzahlen unvollständig; durchschnittliche Anzahl der Teilnehmer pro <strong>Arbeitskreis</strong>sitzung bei Kommastellen<br />
gerundet;<br />
91
<strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft<br />
Der <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft traf sich einmal monatlich mit dem Ziel die Kultur im<br />
Stadtteil zu beleben, Begegnungen zwischen allen Menschen zu schaffen oder Räume für<br />
Zusammentreffen zu finden oder zu schaffen. Die Organisation von Kulturveranstaltungen und<br />
die unterstützende Beteiligung an Festen war die Hauptaufgabe der Teilnehmer im<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>. Die gewünschten Projekte waren nach den EU-Förderrichtlinien nicht<br />
förderfähig, weshalb der <strong>Arbeitskreis</strong> weitgehend alternative Möglichkeiten der Finanzierung<br />
auszuschöpfen versuchte.<br />
Tabelle 3: Teilnahme am <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft 40<br />
Anzahl der<br />
Anzahl der Teilnehmer Durchschnittliche Anzahl der<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>sitzungen<br />
insgesamt<br />
Teilnehmer pro<br />
2002-2006<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>sitzung<br />
39 209 ~ 5<br />
Durch den weitläufigen Begriff Kultur war die Thematik in diesem <strong>Arbeitskreis</strong> noch nicht<br />
sehr eng vordefiniert. Der <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft war zu Beginn ein<br />
Sammelbecken für Künstler, Kulturinteressierte und alle, die Aktivitäten und Feste machen<br />
wollten (I4_m50-59: 219-223). Kennen gelernt haben sich die Leute vom <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur<br />
und Gesellschaft u.a. beim Grätzelforum, wo sie sich zum Mitmachen gemeldet haben<br />
(I9_m50-59: 166-167). Es hat sich ein Kern an Teilnehmern heraus gebildet, der immer wieder<br />
an der Organisation von Veranstaltungen mitgewirkt hat oder eigene Feste (z.B. Grätzelball)<br />
veranstaltet hat. Diese Gruppe von mehreren Personen hat sich über die Jahre gefestigt und ist<br />
immer wieder zusammen aktiv gewesen (I4_m50-59: 305-306). Die Aktivitäten dieses<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>es waren nach den EU-Richtlinien zumeist nicht förderfähig. Das<br />
Grätzelmanagement konnte aber durch den Einsatz von Personalressourcen(Moderation etc.)<br />
und das zur Verfügung stellen von Räumlichkeiten wesentlich zur Formierung und<br />
Entwicklung dieses <strong>Arbeitskreis</strong>es beitragen. Gewinne aus Veranstaltungen wurden nicht unter<br />
den Personen aufgeteilt, sondern in zukünftige gemeinsame Aktivitäten investiert (I9_m50-59:<br />
100-103). Die Vernetzung mit oder Integration von „arbeitskreisfremden“ Akteuren war ein<br />
Anliegen des <strong>Arbeitskreis</strong>es Kultur und Gesellschaft. So wurden Personen von Randgruppen<br />
einbezogen (I4_m50-59: 435-436). Außerdem gab es Verbindungen bzw. netzwerkartige<br />
Überschneidungen mit dem <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen (I4_m50-59: 232-233).<br />
40 ebd;<br />
92
Eine starke Solidarität mit den Mitarbeitern des Grätzelmanagement zeigte der <strong>Arbeitskreis</strong><br />
Kultur und Gesellschaft bei der Kündigung eines Grätzelmanagement-Mitarbeiters, als sich der<br />
<strong>Arbeitskreis</strong> aus diesem Anlass demonstrativ auflöste. Gleichzeitig war der <strong>Arbeitskreis</strong> nach<br />
innen so gefestigt, dass sich die Teilnehmer trotzdem das letzte halbe Jahr bis zum Ende des<br />
Grätzelmanagement weiter privat trafen und im Jänner 2007 nach Ende des<br />
Grätzelmanagement wieder offiziell ihre Aktivitäten fortsetzten.<br />
Was die prinzipielle Zugänglichkeit betraf, war der <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft der<br />
offenste <strong>Arbeitskreis</strong> mit den wenigsten Konventionen und Vorschreibungen hinsichtlich der<br />
Zugehörigkeiten seiner Teilnehmer.<br />
<strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen<br />
Aus dem <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft hat sich im Frühjahr 2004 der <strong>Arbeitskreis</strong><br />
Aktive Frauen gebildet. Daher gab es auch Verbindungen und Austausch zwischen den beiden<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>en. Dort sollten die Anliegen der Frauen aus dem Grätzel und deren Austausch<br />
untereinander stärker gefördert werden (I9_m50-59: 169-173). Gründungsmitglieder waren<br />
Frauen aus Österreich und Frauen mit migrantischem Hintergrund. Das Erlernen der deutschen<br />
Sprache war eines der ersten Kernthemen dieses <strong>Arbeitskreis</strong>es. Zusätzlich findet auch der<br />
Frauenkulturtreff unverbindlich aber regelmäßig statt.<br />
Tabelle 4: Teilnahme am <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen 41<br />
Anzahl der Anzahl der Teilnehmerinnen Durchschnittliche Anzahl der<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>sitzungen<br />
insgesamt<br />
Teilnehmerinnen pro<br />
2004-2006<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>sitzung<br />
31 154 ~ 5<br />
Ein Teil der Aktiven Frauen waren Pensionistinnen, die Zeit und Motivation hatten und einen<br />
Sinn in ihrer Tätigkeit im <strong>Arbeitskreis</strong> sahen (I4_m50-59: 317-321). Der <strong>Arbeitskreis</strong> bestand<br />
von Beginn an aus österreichischer und nicht-österreichischer Beteiligung, wenngleich die<br />
Mehrheit zu Beginn österreichische Pensionistinnen waren. Bis zur Kündigung des<br />
Grätzelmanagement Mitarbeiters waren viele Österreicherinnen im <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen<br />
tätig (I11_w60-69 199-200). Das Interesse der österreichischen Frauen an den Zuwanderinnen<br />
führte zu einer Annäherung zwischen den Kulturen. Frauen aus vielen verschiedenen Kulturen<br />
und Ländern wie der Türkei, Ex-Jugoslawien, Pakistan und Österreich trafen im <strong>Arbeitskreis</strong><br />
41 Quelle: eigene Darstellung, Angaben aus den zur Verfügung gestellten <strong>Arbeitskreis</strong>sitzungsprotokollen; durchschnittliche<br />
Anzahl der TeilnehmerInnen pro <strong>Arbeitskreis</strong>sitzung bei Kommastellen gerundet;<br />
93
zusammen (I2_w30-39: 328-329). In Ergänzung zum <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen war der<br />
Frauenkulturtreff entstanden, bei dem immer wieder neue Frauen hinzu kamen und alte weg<br />
blieben, die Fluktuation also sehr stark war (I11_m65: 172). Viele kamen durch<br />
Mundpropaganda zu den Treffen (I11_m65: 176). Die Frauen kamen jedoch sehr unregelmäßig<br />
und schwer voraussagbar zum Frauenkulturtreff (I11_w60-69: 251-252). Außerdem kamen<br />
auch Frauen aus anderen Stadtteilen zum Frauenkulturtreff (I11_w60-69: 255), er war also<br />
über den lokalen Stadtteil hinaus ein Treffpunkt und eine Möglichkeit neue Kontakte zu<br />
knüpfen. Doch nicht nur hier lag ein Grund für die unbeständige Zusammensetzung der<br />
Treffen. Diese lagen auch in den kulturell bedingten familiären Verhältnissen der Frauen mit<br />
migrantischem Hintergrund. Ihre Ehemänner verlangten von ihnen, dass sie früher nach Hause<br />
kommen zum Kochen (I11_w60-69: 66-67) oder überhaupt nicht mehr zu den Treffen gehen,<br />
da sie dort mit anderen Männern Kontakt haben könnten.<br />
Die Zwanglosigkeit und Unverbindlichkeit des Frauenkulturtreffs machte letztlich aber auch<br />
seinen Erfolg aus, da dort ein gemütliches Beisammensein ohne Druck gut deutsch sprechen zu<br />
müssen und ohne Anwesenheitspflicht möglich war (I1_w30-39: 397-399). Außerdem entfiel<br />
dort der Anspruch auf die Umsetzung von Projekten und die Treffen waren wesentlich lockerer<br />
strukturiert als in anderen <strong>Arbeitskreis</strong>en:<br />
„Das ist eher so, dass die im Frauenkulturtreff zusammensitzen und Kaffee trinken oder<br />
so, miteinander reden, einen Ausflug einmal machen, Picknick oder was auch immer, da<br />
vernetzen sie sich, da sind sie dann da die Frauen“ (I1_w30-39: 389-392).<br />
<strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft<br />
Im <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft wurden alle Gewerbetreibende und Unternehmen des Grätzels<br />
eingeladen mit gemeinsamen Aktionen und Projekten die Wirtschaftssituation im Volkert- und<br />
Alliiertenviertel zu verbessern. Es sollten gemeinsame Marketingaktionen umgesetzt werden,<br />
um den Konsum im Grätzel zu verstärken. Dazu war es ein Ziel, das Angebot der Unternehmen<br />
im Grätzel sichtbarer und attraktiver zu machen. Unter anderem wurde ein Logowettbewerb<br />
durchgeführt, um ein Logo für das Grätzel zu schaffen. Der <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft wurde vom<br />
Grätzelmanagement für Wirtschaft, vertreten durch Mitarbeiter des WWFF, unterstützt und<br />
moderiert.<br />
94
Tabelle 5: Teilnahme am <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft 42<br />
Anzahl der<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>sitzungen<br />
2002-2004<br />
Anzahl der Teilnehmer<br />
insgesamt<br />
Durchschnittliche Anzahl der<br />
Teilnehmer pro<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>sitzung<br />
10 83 ~ 8<br />
Der <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft war nur für Gewerbetreibende offen, nicht aber für Bewohner<br />
(I13_w30-39: 556-557) des Stadtteils. Zu Beginn nahmen Unternehmer vom Markt aber auch<br />
von den Anrainergeschäften am Volkertplatz am <strong>Arbeitskreis</strong> teil (I14_m30-39: 38-39). Dabei<br />
erwies sich die Vernetzung der Marktleute als schwierig bzw. war diese auf Dauer nicht<br />
möglich, und das wie ein Grätzelmanager meinte, aufgrund der unterschiedlichen Ansichten<br />
und Arbeitskulturen der Gewerbetreibenden (I8_m40-49: 93-96). Doch fehlten zu Beginn auch<br />
die raschen Erfolgserlebnisse wie zum Beispiel der erfolglose Einsatz für die Einrichtung eines<br />
Bargeldautomaten, welche an der Ablehnung der örtlichen Bank scheiterte (I1_w30-39: 570-<br />
571). Hinzu kam, dass den Marktstandbetreibern am Volkertplatz ein gemeinsames<br />
Strategiebewusstsein fehlte und viel mehr auf die eigenen Vorteile geachtet wurde (I1_w30-39:<br />
597-599), ohne die Chancen einer Mehrwerterzielung durch gemeinsame Aktionen in Betracht<br />
zu ziehen.<br />
Dadurch beteiligten sich nur zwei Marktstände über längere Zeit an Veranstaltungen des<br />
Grätzelmanagements (I9_m50-59: 481-482), während der Rest der Marktstandbetreiber von<br />
den Veranstaltungen mit Fortdauer des Grätzelmanagement immer öfter fern blieb.<br />
Der <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft hat seine Aktivitäten mit Fortdauer des Grätzelmanagement immer<br />
mehr eingeschränkt (I9_m50-59: 499-501). Trotzdem bemühte sich das Grätzelmanagement<br />
weiter um den Kontakt und den Austausch mit den Gewerbetreibenden, indem es zum Beispiel<br />
die Protokolle der <strong>Arbeitskreis</strong>sitzungen vom <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft den Gewerbetreibenden<br />
weiter zuschickte (I14_m30-39: 17-19), auch wenn die letzte Teilnahme schon lange zurück<br />
lag.<br />
<strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum<br />
Dieser <strong>Arbeitskreis</strong> trifft sich nach wie vor, und das seit Jänner 2003, einmal monatlich, um<br />
Ideen zur Attraktivierung des öffentlichen Raumes zu sammeln und entwickeln. Außerdem<br />
wird dort über aktuelle Probleme und Konflikte diskutiert und mögliche Umgestaltungen im<br />
42 eigene Darstellung, Angaben aus den zur Verfügung gestellten <strong>Arbeitskreis</strong>sitzungsprotokollen, jedoch unvollständig;<br />
durchschnittliche Anzahl der Teilnehmer pro <strong>Arbeitskreis</strong>sitzung bei Kommastellen gerundet;<br />
95
öffentlichen Raum werden besprochen. Interessierte Bürger sollen in Planungsprozesse im<br />
öffentlichen Raum eingebunden werden. Die Umgestaltung des Volkertplatzes wurde hier<br />
moderierend begleitet.<br />
Tabelle 6: Teilnahme am <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum 43<br />
Anzahl der<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>sitzungen<br />
2002-2006<br />
Anzahl der Teilnehmer<br />
insgesamt<br />
Durchschnittliche Anzahl der<br />
Teilnehmer pro<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>sitzung<br />
32 325 ~ 10<br />
Der öffentliche Raum stand im Interesse unterschiedlichster Akteure, deren Ansichten sich oft<br />
erheblich voneinander unterschieden. Der <strong>Arbeitskreis</strong> war dadurch von unterschiedlichsten<br />
Akteuren besucht worden. Zuletzt wurden ca. 100 Personen per Post oder e-mail zu den<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>terminen eingeladen (I13_w30-39: 110-112).<br />
Vom Markt kam meist die Marktsprecherin zum <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum (I13_w30-39:<br />
98). Der <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum war nur für Bewohner und Unternehmer vorgesehen,<br />
nicht für Institutionen, daher war das Jugendtreff J.at anfangs nicht dabei. Später zum Thema<br />
Umgestaltung Volkertplatz wurde das Jugendtreff z.B. für das Thema Ballspielen eingeladen,<br />
wobei die Jugendlichen nicht für den Besuch beim <strong>Arbeitskreis</strong> zu motivieren waren<br />
(I13_w30-39: 57-63). Auch die Schulen wurden gewöhnlich nicht zum <strong>Arbeitskreis</strong><br />
öffentlicher Raum eingeladen (I13_w30-39: 132).<br />
Die Besucher im <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum waren zwar nach Alter und Geschlecht<br />
gemischt, aber es waren praktisch keine Zuwanderer im <strong>Arbeitskreis</strong> (I13_w30-39: 224-225).<br />
Es wurde zwar durch Teilnehmer versucht, Zuwanderer aus ihrer Nachbarschaft für den<br />
<strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum zu motivieren, aber es kam nur einmal eine Frau, welche mit<br />
den Anregungen der Österreicher jedoch überfordert wurde (I13_w30-39: 256-260).<br />
Bei der Umgestaltung des Volkertplatzes konnten türkische Frauen mit alternativen Methoden<br />
zur Artikulation ihrer Interessen geführt werden (I4_m50-59: 432-433). Zu einer gemeinsamen<br />
Diskussion mit den Österreichern aus dem <strong>Arbeitskreis</strong> oder einer Rückmeldung zu den<br />
eingebrachten Ideen kam es aber nicht mehr.<br />
Die Marktleute vom Volkertplatz wurden zum <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum eingeladen,<br />
nahmen trotz unmittelbarer Interessen am Umbau des Volkertplatzes am <strong>Arbeitskreis</strong> aber<br />
kaum teil, da sie einen Interessenkonflikt (I8_m40-49: 107-109) mit ihren eigenen Kunden,<br />
43 eigene Darstellung, Angaben aus den zur Verfügung gestellten <strong>Arbeitskreis</strong>sitzungsprotokollen;<br />
durchschnittliche Anzahl der Teilnehmer pro <strong>Arbeitskreis</strong>sitzung bei Kommastellen gerundet;<br />
96
den Bewohnern befürchteten. Ein Problem, das auch vom Grätzelmanagement nicht gelöst<br />
werden konnte.<br />
Die Beteiligung von Jugendlichen war insofern schwierig, weil die Projekte zu langfristig und<br />
ergebnisoffen angelegt waren und die Jugendlichen ungeduldig hinsichtlich Umsetzung<br />
wurden oder die Themen für die Jugendlichen teilweise uninteressant waren, so die Meinung<br />
der Grätzelmanagerin (I13_w30-39: 65-67). Es gelang jedoch durch die Mitarbeiter vom<br />
Jugendtreff J.at Jugendliche vereinzelt für <strong>Arbeitskreis</strong>sitzungen u.a. zum Thema<br />
Ballspielkäfig am Volkertplatz mitzubringen (I13_w30-39: 72-73).<br />
Die Fluktuation der Teilnehmer war auch im <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum stark. Je nach dem<br />
wessen Interessen und Themen behandelt wurden, kamen und gingen die Leute (I13_w30-39:<br />
98-103). Eine Kerngruppe im <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum ist erst in der letzten<br />
Grätzelmanagement Phase entstanden, wobei sich diese Gruppe allgemeinen Themen im<br />
Stadtteil annahmen (I13_w30-39: 104-105). Der <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum war für<br />
Bewohner und Unternehmer offen, nicht aber für Institutionen. Die Marktstandbetreiber zogen<br />
sich aufgrund von kollidierenden Eigeninteressen letztlich zurück.<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>vernetzungen<br />
Neben der Vernetzung innerhalb der <strong>Arbeitskreis</strong>e konnten durch die Vernetzung der<br />
Arbeitkreise untereinander zusätzlich unterschiedliche Sichtweisen, Ideen und Informationen<br />
ausgetauscht werden. Das war wie weiter oben erwähnt zwischen den <strong>Arbeitskreis</strong>en Kultur<br />
und Gesellschaft und Aktive Frauen der Fall, aber auch im Zuge des Projektes Volkertplatz<br />
zwischen den <strong>Arbeitskreis</strong>en öffentlicher Raum und Wirtschaft oder öffentlicher Raum und<br />
Institutionen, als der Vorplatz einer Schule thematisiert wurde.<br />
5.2.3. Grätzelforum<br />
Das Grätzelforum wurde halbjährlich im Grätzel veranstaltet und diente einerseits der<br />
Vorstellung der Grätzelmanagement-Aktivitäten und der Arbeit und Vorhaben der einzelnen<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>e. Außerdem war es Ziel des Grätzelforums, neue Teilnehmer für die <strong>Arbeitskreis</strong>e<br />
zu gewinnen. Einladungen zum Grätzelforum erhielten die Bewohner und Unternehmer aus<br />
dem Grätzel per Post oder sie erfuhren von der Veranstaltung aus dem „Grätzl-Blattl“. Der Ort<br />
des Forums wechselte innerhalb des Grätzels von mal zu mal. Vertreter der Bezirkspolitik und<br />
jeweils 60-80 Bewohner und Gewerbetreibende besuchten die Grätzelforen regelmäßig. Etwa<br />
ein Drittel der Teilnehmer waren bei jedem Grätzelforum erstmalig dabei (I_w30-39: 341-342).<br />
97
Das Grätzelforum schaffte die Möglichkeit, sich unverbindlich über Aktivitäten rund um das<br />
Grätzelmanagement zu informieren. Der Zugang zur Veranstaltung war freiwillig und insofern<br />
leicht, da Besucher nicht gleich zu irgendeiner Beteiligung oder einem Gespräch gezwungen<br />
waren, sondern erst einmal als Zuschauer aus einer gewissen Distanz das Geschehen<br />
beobachten konnten. Sie konnten auch jederzeit ohne mit jemanden gesprochen oder sich in<br />
einer Liste eingetragen zu haben wieder die Veranstaltung verlassen. Bei Interesse allerdings<br />
gab es viele Personen und Gelegenheiten, um Kontakt aufzunehmen, aber ebenfalls<br />
unverbindlich. Auf Freiwilligkeit und intrinsischer Motivation wurde so ein Schwergewicht<br />
gelegt. Das kam schüchternen Menschen oder Personen mit weniger Artikulationsgeschick<br />
bzw. anderer Kommunikationskultur nicht gerade entgegen, wodurch auch manche potentielle<br />
Interessenten verloren gegangen sein könnten. An den Grätzelforen haben neben Bewohnern<br />
und Gewerbetreibenden verschiedenste lokale Akteure, wie Vereine und Religionsvertreter<br />
teilgenommen (I2_w30-39: 490-491). Die Grätzelmanagerin schätzte die Zusammensetzung<br />
der Besucher etwa folgendermaßen ein: ein Drittel war am Grätzelforum nur zu Besuch, ein<br />
Drittel waren aktive Teilnehmer aus <strong>Arbeitskreis</strong>en und ein Drittel stellten neue Leute dar, die<br />
aus Neugier gekommen waren (I1_w30-39: 342-345). Damit stellte sich das Grätzelforum als<br />
gute Möglichkeit heraus, immer neue Interessenten und Aktive zu finden und zu gewinnen.<br />
„Bei so Veranstaltungen, beim Grätzelforum sind die alle zusammen gekommen, haben sich das so<br />
angeschaut, so wie ich und haben dann gesagt, ja wir wollen was tun“ (I9_m50-59: 166-167).<br />
Dort konnte man sich bei Essen und Trinken ungezwungen kennen lernen und sich über<br />
weitere Treffen und Aktivitäten informieren.<br />
Da die Grätzelforen auch von Mitgliedern des Grätzelbeirats besucht wurden, konnte<br />
hier auch ein informeller Austausch insbesondere zwischen Bezirkspolitik und Bewohnern<br />
stattfinden.<br />
5.2.4. Informeller Austausch im Stadtteil<br />
Bereits lange vor dem Grätzelmanagement war der Markt am Volkertplatz ein informelles<br />
Kommunikationszentrum. Er fungierte als Meinungsbildner und als Grätzelzentrum. Die<br />
Marktsprecherin hatte großes Gewicht und hat dieses immer noch, auch wenn sie jetzt in<br />
Pension gegangen ist und nicht mehr so häufig vor Ort ist:<br />
„(...) es ist ja wie ein Dorf mit diesem Markt in der Mitte, wo man sich trifft, wo man<br />
redet miteinander, wo die Marktsprecherin ein großes Gewicht gehabt hat“ (I1_w30-39:<br />
545-548).<br />
98
Die Geschäftsleute am Markt fungierten quasi als Informanten, wodurch Informationen rasch<br />
breit gestreut werden konnten, jedoch oft auch Gerüchte schneller als Wahrheiten verstreut<br />
wurden (I8_m40-49: 53-55).<br />
„Der Markt [war; d. Verf.] eine besondere Kommunikationsleitstelle sag ich jetzt einmal<br />
mit teilweise mehr Gerüchten als wie Wahrheiten“ (I8_m40-49: 62-64).<br />
Der Grätzelmanager hatte zwar guten und regelmäßigen Kontakt zu den Marktleuten, gegen<br />
Anregungen von außen, den Markt zu modernisieren, haben sich die alten Marktstandbesitzer<br />
jedoch immer gewehrt und zusammengehalten (I8_m40-49: 74-80). Und auch die Vernetzung<br />
der beiden Gruppierungen am Markt untereinander war nicht möglich aufgrund der<br />
unterschiedlichen Ansichten und Arbeitskulturen, so der Grätzelmanager (I8_m40-49: 93-96),<br />
was sich auch negativ auf den <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft ausgewirkt hat, der sich mit Fortdauer<br />
des Grätzelmanagements auflöste. Die Spaltung innerhalb der Marktleute in zwei<br />
Gruppierungen führte dazu, dass jede Gruppe für sich aktiv war und zusammenarbeitete. So<br />
kooperierten zum Beispiel zwei Feinkoststände während der Fußball Weltmeisterschaft 2006<br />
indem sie einen Fernseher vor Ort aufstellten und Essen und Getränke vor ihren Ständen<br />
verkauften (I12_m30-39: 78). Diese Marktstandbetreiber verzichteten auch auf Werbung für<br />
das Geschäft, weil sie davon ausgingen, dass viel mit Mundpropaganda funktioniert und auch<br />
daher Kundschaft von außerhalb des Grätzels kommt (I12_m30-39: 82-85).<br />
In Konfliktfällen waren die Marktleute eher bereit mit dem Grätzelmanagement Kontakt<br />
aufzunehmen für eine Hilfestellung. Eine Unterschriftensammlung wurde anlässlich der<br />
Absperrung vom Volkertplatz organisiert (I8_m40-49: 99-103).<br />
Die vielen Feste und sonstigen Veranstaltungen, welche über das Grätzelmanagement<br />
organisiert wurden sorgten für Zusammentreffen im Grätzel. Sie waren über das Jahr verteilt<br />
und boten unterschiedliche Schwerpunkte. Vom Grätzelball im Februar über Lesungen,<br />
Jubiläumsfeiern, Grätzelfeste, das Sommerkino oder den Adventmarkt gab es regelmäßig<br />
Anlässe, einander im Grätzel zu begegnen.<br />
Die Unterhaltungsprogramme und die Büffets bei den Grätzelfesten waren bewusst kulturell<br />
gemischt zusammengestellt worden, um Berührungen mit fremden Kulturen zu ermöglichen<br />
(I2_w30-39: 707-708). Trotzdem war die österreichische Bevölkerung am Grätzelfest wenig<br />
vertreten, hauptsächlich nur über die aktiven Teilnehmer oder Organisatoren (I2_w30-39: 717-<br />
720). Die informellen Kontakte zu lokalen Einrichtungen wie zu den Frauengruppen des<br />
Deutschkursinstituts Springergasse waren gut (I2_w30-39: 605).<br />
Die Kontakte des Grätzelmanagement zur islamischen Moschee in der Springergasse waren<br />
zwar aufrecht, es gelang über informelle Besuche hinaus aber keine Einbindung in<br />
99
<strong>Arbeitskreis</strong>e oder andere Beteiligungen (I4_m50-59: 418-420). Auch die informellen<br />
Kontakte einer Grätzelmanagerin zu den türkischen Geschäftsleuten konnten für weitere<br />
Beteiligungen oder die Vernetzung mit anderen Unternehmern nicht vertieft werden.<br />
Für die Herausgabe des „Grätzl-Blattls“ wurden über die übliche redaktionelle Arbeit hinaus<br />
immer wieder Mitarbeiter für weitere Aufgaben eingebunden. Freiwillige halfen dort mit, wo<br />
gerade jemand gebraucht wurde. Durch die Verbindung des „Grätzl-Blattls“ mit den<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>en Kultur und Gesellschaft und Aktive Frauen konnten jeweils rasch entsprechende<br />
Personen aus dem Stadtteil gefunden werden.<br />
5.2.5. Vernetzung der Dienstleister<br />
Einmal jährlich fand ein Vernetzungstreffen(Vernetzungsfrühstück) der Dienstleister des<br />
öffentlichen Raumes im Grätzel im Haus des Jugendtreffs J.at statt. Dieses Treffen wurde<br />
gemeinsam vom Bezirksvorsteher, dem Grätzelmanagement und dem Bürgerdienst initiiert.<br />
Bei der Veranstaltung 2005 44 waren 35 Personen zu Besuch, darunter die Straßenreiniger der<br />
Magistratsabteilung 48, die Grünraumbetreuerinnen, der Grätzelpolizist, der Bürgerdienst und<br />
Postbeamte sowie Schulwarte und Marktamtsleiter als auch Mitarbeiter vom<br />
Beschäftigungsprojekt „Kommuna“ (I4_m50-59: 398-405).<br />
Dort sind die Besucher auf ihr Befinden im Grätzel und auf ihre Anregungen und Ideen für<br />
Verbesserungen oder Veränderungen im Grätzel angesprochen worden. Die Anonymität der<br />
Dienstleister im Grätzel ist seit diesen Vernetzungstreffen zurückgegangen, was sich in der<br />
vermehrten Kommunikation und der Eigenverantwortung für das Grätzel geäußert hat<br />
(I8_m40-49: 561-567).<br />
Es kam also neben dem informellen Informationsaustausch unter den lokalen öffentlichen<br />
Dienstleistern (I10_w30-40m40: 410-418) auch zu einer verstärkten Wertschätzung derselben,<br />
was sich positiv auf deren Integration und Einbindung in und für das Grätzel ausgewirkt hat.<br />
5.2.6. Ergebnisse aus den Netzwerken und „Nutzen“ der Netzwerke<br />
Auch wenn die vorliegende Untersuchung die vom Grätzelmanagement erzeugten und<br />
geförderten Vernetzungsstrukturen zum Schwerpunkt hat, war die Vernetzung als Ziel des<br />
Grätzelmanagements kein Selbstzweck. Die Vernetzungen im Stadtteil waren nur die<br />
notwendigen Vorraussetzungen für die Umsetzung von Aktivitäten.<br />
44 Ziel 2 Wien:<br />
http://www.ziel2wien.at/dt/portal/content.php?navId=530&blogId=1646®ionId=139&topicId=1&language=dt&groupNam<br />
e=&found=2005%7C5%7C0%7C1823%7C1771%7C1646, Stand: 3.5.2005<br />
100
Daher soll kurz auf die Ergebnisse der Netzwerke und deren „Nutzen“ eingegangen werden.<br />
Dieser „Nutzen“ lässt sich je nach Sichtweise und Akteur ganz unterschiedlich ausmachen und<br />
darstellen. Was dem einen zum Vorteil gereichte, konnte u.U. für andere ein Nachteil sein.<br />
Eigennutzen der Akteure<br />
Der individuelle Eigennutzen stellte sich als wesentlicher Antrieb heraus, sich im<br />
Grätzelmanagement zu engagieren und mit anderen zu kooperieren.<br />
Auch wenn die Sprachbarrieren zuerst ein Hindernis für den Zugang zu <strong>Arbeitskreis</strong>en waren,<br />
bot der <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen die Möglichkeit, deutsch sprechen zu üben und zu lernen.<br />
Die Zuwanderinnen haben darin teilweise eine Chance für sich erkannt und sind dann sogar<br />
öfter gekommen. Während die Frauen am Anfang wegen ihrer sozialen Probleme und Fragen<br />
zur zuständigen Grätzelmanagerin gekommen sind, wandelte sich ihre Intention mit Fortdauer<br />
immer mehr in die Richtung, dort deutsch üben zu wollen (I2_w30-39: 351-358). Im Besuch<br />
des <strong>Arbeitskreis</strong>es haben viele Frauen mit migrantischem Hintergrund den Eigennutzen<br />
erkannt, was ihre Motivation, in den <strong>Arbeitskreis</strong> zu kommen verbessert hat und den Austausch<br />
zwischen den Frauen in den <strong>Arbeitskreis</strong>en angeregt hat. Die zuständige Grätzelmanagerin<br />
musste die Frauen dazu immer wieder an ihre eigenen Interessen und Vorteile des deutsch<br />
Lernens erinnern (I2_w30-39: 340).<br />
Im <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen tauschten sich Zuwanderinnen und Österreicherinnen kulturell<br />
aus, indem sie zum Beispiel ein Fest veranstalteten, bei dem sie die Kleider und Trachten aus<br />
ihren Heimatländern austauschten und für eine Modenschau anzogen (I9_m50-59: 306-310).<br />
Es fand außerdem ein gemeinsames Kochen mit Afrikanerinnen, Südamerikanerinnen,<br />
Türkinnen und Iranerinnen statt und es wurde ein Kochbuch dazu geschrieben (I11_w60-69:<br />
313-314). Es kam auch einmal eine Ärztin auf Besuch zum Frauenkulturtreff zur kurzen<br />
Untersuchung der Frauen (I11_w60-69: 149). Die Grätzelmanagerin für die Zuwanderer hat<br />
außerdem Rezepte übersetzt und bei Arztbesuchen die Frauen begleitet (I11_w60-69: 203).<br />
Der <strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen bot die Möglichkeit, Informationen wie neue Projekte und<br />
Einrichtungen vorzustellen und so als Multiplikator von Informationen aus dem Stadtteil zu<br />
fungieren (I4_m50-59: 382-385). Die Institutionen konnten sich dort präsentieren und über<br />
aktuelle Aktivitäten informieren.<br />
Wertschätzung und Wahrnehmung<br />
Wertschätzung und Wahrnehmung war ein wesentlicher Bestandteil zur Ermutigung, sich für<br />
den Stadtteil zu engagieren. Stattgefunden hat diese Wertschätzung ganz explizit beim<br />
101
jährlichen Treffen der Dienstleister des öffentlichen Raumes des Grätzels im Jugendtreff J.at,<br />
das von Bezirksvorstehung und Grätzelmanagement organisiert wurde, wie weiter oben bereits<br />
erläutert.<br />
Wertschätzung wurde auch bei den jeweiligen Grätzelforen kommuniziert, wobei die positive<br />
Anerkennung und das Lob auch vom Bezirksvorsteher artikuliert wurde. Die Bedeutung der<br />
Politik, die hinter den Aktivitäten der Bewohner und Unternehmer stand, wurde deutlich, da ihr<br />
positives Feedback für die Aktiven im Stadtteil besonderes Gewicht hatte und daher besonders<br />
motivierend wirkte (I9_m50-59: 359-368). So wurden die Aktiven aus dem <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur<br />
und Gesellschaft, nach deren Niederlegung der Aktivitäten aufgrund der Kündigung des<br />
Grätzelmanagers, von der Bezirksvorstehung und einer Mitarbeiterin der MA 25 zum Ende des<br />
Grätzelmanagements immer wieder ermutigt und auch beraten, ihre Aktivitäten fortzusetzen<br />
(I9_m50-59: 359-368).<br />
Diskussionskompetenz<br />
Im Grätzelmanagement wurde immer an die Teilnehmer in Diskussionen und <strong>Arbeitskreis</strong>en<br />
kommuniziert, dass unterschiedliche Meinungen nebeneinander stehen bleiben können<br />
(I8_m40-49: 461-464).<br />
Der Respekt und die Wertschätzung gegenüber anderen Meinungen wurde zuerst vom<br />
Grätzelmanagement zum Beispiel in den <strong>Arbeitskreis</strong>en eingefordert und später nach und nach<br />
auch von Beteiligten umgesetzt (I8_m40-49: 472-475). Dabei wurden von den<br />
Grätzelmanagement Mitarbeitern in den Foren bzw. <strong>Arbeitskreis</strong>en Normen bezüglich der<br />
Diskussionskultur und des zugrunde liegenden Demokratieverständnisses gesetzt.<br />
Bekanntschaften und Freundschaften<br />
Mit den Aktivitäten im Grätzelmanagement haben sich über die <strong>Arbeitskreis</strong>e neue Kontakte<br />
und Bekanntschaften bis hin zu Freundschaften entwickelt. So hat die Planerin der<br />
Volkertplatzumgestaltung, die im Grätzel wohnt durch die regelmäßigen Kontakte im<br />
<strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum viele Freundschaften gewonnen (I4_m50-59: 359-364).<br />
Nachhaltig wirksame Kontakte sind auch im <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft entstanden:<br />
„Es ist einer für den anderen da. Wenn du irgendwas brauchst, egal ob das auch was<br />
privates ist, kannst jederzeit kommen und sagen pass auf, wenn du Probleme hast kannst<br />
du kommen, kannst reden. Es ist wirklich wie man sagt, eine Gemeinschaft ist da daraus<br />
geworden“ (I9_m50-59: 178-183).<br />
102
Einzelne Personen sind im Grätzel durch deren Engagement so bekannt geworden, dass sie auf<br />
der Straße im Grätzel gegrüßt und angesprochen werden, so wie beispielsweise eine Frau aus<br />
dem Frauenkulturtreff:<br />
„Wir sehen uns und ein paar Worte sprechen wir auch, also einen Kontakt und wenn ich<br />
zum Supermarkt einkaufen geh und ich sehe eine Dame da, klopft sie mir auf die Schulter<br />
und grüßt (...) Da ist dann ein Kontakt und die freuen sich wenn sie mich sehen und ich<br />
freue mich auch dass sie mich erkennen“ (I11_w60-69: 126-130).<br />
So haben sich neben den Kontakten zu den Mitarbeitern des Grätzelmanagement selbst vor<br />
allem die Kontakte und Bekanntschaften der Bewohner untereinander vervielfacht und<br />
verstärkt. Die Anonymität trat durch diese Vernetzungen zugunsten einer offeneren Begegnung<br />
und einem Austausch zurück, was auch positive Auswirkungen auf das Vertrauen in die<br />
Mitmenschen aus dem Grätzel hatte und die gegenseitige Hilfe und Unterstützung im Alltag<br />
sowie gemeinschaftliche Aktivitäten nachhaltig förderte.<br />
Feste – Belebung des Stadtteils<br />
Das Leben im Grätzel Volkert- und Alliiertenviertel war in den Jahren des<br />
Grätzelmanagements von Festen bereichert worden. Diese konnten in dieser Form nur durch<br />
die Zusammenarbeit verschiedener Akteure stattfinden. Dabei mussten die Ressourcen aus dem<br />
Stadtteil genutzt werden. Für die Organisation der Veranstaltungen wurden alle möglichen<br />
Personalressourcen für Aufbauarbeiten und ähnliches herangezogen. Bekannte, Verwandte und<br />
Freunde wurden zu Festen mitgenommen und in Aktivitäten bzw. Funktionen eingebunden<br />
(I8_m40-49: 256-258). Für die diversen Aufgaben, wie kochen, servieren, Sponsoren finden<br />
bis hin zur grafischen Aufbereitung der Einladung und Getränkekarten, fanden sich stets<br />
engagierte Bewohner.<br />
Die Veranstaltungen mussten freilich versichert werden. Der Zugang zu einer günstigen<br />
Versicherung für Veranstaltungen konnte über eine Grätzelbewohnerin gesichert werden, die<br />
als ehemalige Mitarbeiterin einer Versicherung noch einen guten Zugang zu ihrem ehemaligen<br />
Arbeitgeber hatte und im <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft regelmäßige Teilnehmerin war<br />
(I9_m50-59: 537-540).<br />
Öffentlichkeit<br />
Das Grätzelforum und der Grätzelbeirat haben durch die Teilnahme verschiedenster Akteure<br />
ein gewisses Maß an Öffentlichkeit erreicht, das einerseits die Informationen breiter streute<br />
bzw. dazu beitrug, Neuigkeiten und Projekte oder Planungen nach außen zu transportieren und<br />
andererseits das Grätzelmanagement selbst und dessen Aktivitäten bekannter zu machen. Diese<br />
103
Veranstaltungen stellten insofern einen Knotenpunkt der Informationsweitergabe dar, von dem<br />
aus die Informationen in verschiedene Richtungen weitergetragen werden konnten.<br />
Das „Grätzl-Blattl“<br />
Das „Grätzl-Blattl“ ist die vierteljährlich erscheinende Stadtteilzeitung des Volkert- und<br />
Alliiertenviertels und besteht auch noch nach Ende des Grätzelmanagements weiter. Das Motto<br />
dieses lokalen Mediums lautet „von BewohnerInnen für BewohnerInnen“. Die Zeitung wurde<br />
zum wesentlichen Bestandteil einer neuen Öffentlichkeit im Grätzel bzw. des Grätzels, das als<br />
Medium des Stadtteils fungierte. Hier wurden nicht nur Informationen vermittelt, sondern auch<br />
gezielt Identität: „Von Menschen, die das Grätzel prägen“ („Grätzl-Blattl“ Jg.4, Nr.2, Juni<br />
2006). Hier war zudem Platz für die ganz spezifischen Themen des Stadtteils und dazu die<br />
Möglichkeit freier Meinungsäußerung und Meinungsaustausches.<br />
Das „Grätzl-Blattl“ wird an alle Haushalte im Volkert- und Alliiertenviertel verteilt bzw.<br />
versendet. Die Auflage pro Ausgabe beträgt ca. 8000 Stück. Die Autorenschaft setzt sich aus<br />
Bewohnern, Gewerbetreibenden und Institutionen des Grätzels zusammen 45 .<br />
Das „Grätzl-Blattl“ wurde als Verein gegründet und finanziert(e) seine Ausgaben mit Spenden<br />
und Inseraten von Unternehmen aus dem Grätzel oder dem Bezirk und von Institutionen wie<br />
dem WWFF oder dem Grätzelmanagement selbst. Da die Einrichtung einer Stadtteilzeitung<br />
nicht den EU-Förderkriterien entsprach, konnte es auch nie aus den Mitteln des<br />
Grätzelmanagement finanziert werden.<br />
Ziel der Zeitung ist es, ein „Sprachrohr (Kommunikationsplattform)“ für die Bewohner,<br />
Gewerbetreibenden und Institutionen zu sein, die Vernetzung im Stadtteil zu fördern, den<br />
Informationsfluss vom Grätzelmanagement und dessen <strong>Arbeitskreis</strong>en zur Bevölkerung<br />
herzustellen, Bewohner, Gewerbetreibende und Institutionen aus dem Grätzel vorzustellen,<br />
Identität zu schaffen, Kenntnisse der Geschichte, Kultur und der Gegenwart zu erweitern,<br />
sowie die Zukunft des Viertels zu diskutieren 46 .<br />
Die im „Grätzl-Blattl“ veröffentlichten Beiträge setzen sich naturgemäß aus lokalen Berichten<br />
zusammen, angefangen bei Veranstaltungen aller Art im Grätzel, über die Vorstellung von<br />
öffentlichen Einrichtungen, Unternehmen und kulturellen Aktionen, bis hin zur Vorstellung<br />
„von Menschen, die das Grätzl prägen“. Aber auch Beiträge zur Geschichte des Grätzels und<br />
v.a. aktuellen Themen, die diskutiert werden und das Grätzel im Speziellen betreffen finden<br />
45 Grätzelmanagement: http://www.graetzelmanagement.at/02/frameset/frameset.html, Stand: 30.12.2006<br />
46 Grätzelmanagement: http://www.graetzelmanagement.at/02/frameset/frameset.html, Stand: 30.12.2006<br />
104
sich im „Grätzl-Blattl“ regelmäßig. Nicht zuletzt sind auch die Leserbriefe in jeder Ausgabe zu<br />
erwähnen. Die Vielfalt der Themen ist hier in der Kürze nicht darstellbar. An der Erstellung<br />
des „Grätzl-Blattls“ waren von Beginn an vor allem vier österreichische Frauen maßgeblich<br />
beteiligt.<br />
5.2.7. Qualität der Vernetzung<br />
Kontakte<br />
Darüber hinaus war das Grätzelmanagement aber besonders darum bemüht, Kontakte<br />
herzustellen, um gemeinsame Aktivitäten zu starten:<br />
„Wir unterstützen keine Einzelpersonen, wir schauen eher, dass wir dann Gruppen<br />
zusammenbekommen, also wenn sich da jemand für etwas wirklich engagiert oder so,<br />
dann schauen wir oder finden wir noch andere Leute, die sich da mitengagieren wollen,<br />
damit wir sie da unterstützen können dabei“ (I1_w30-39: 136-139).<br />
Abgesehen von den <strong>Arbeitskreis</strong>en, Grätzelforen etc. stellte das Grätzelmanagement auch<br />
informell immer wieder Kontakte her, um Initiativen zu unterstützen, wie das bei den<br />
Architekten eines Kunstprojektes im öffentlichen Raum am Volkertplatz der Fall war oder bei<br />
Künstlern, die ein partizipatives Projekt (Flagge im Grätzel) machten, bei dem das<br />
Grätzelmanagement Kontakte zu den Bewohnern und Gewerbetreibenden herstellte (I1_w30-<br />
39: 1021-1025).<br />
Kontakte zwischen interessierten Bewohnern und Gewerbetreibenden herzustellen, war eine<br />
der Hauptaufgaben und Tätigkeiten der Grätzelmanager. Im <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen wurde<br />
so der Kontakt zwischen österreichischen Frauen und Zuwanderinnen hergestellt (I2_w30-39:<br />
163). Dadurch ging auch ein Teil der Anonymität im öffentlichen Raum verloren, als sich die<br />
Frauen unterschiedlicher Kulturen auf der Straße trafen und einander grüßten oder miteinander<br />
sprachen (I2_w30-39: 363-365).<br />
Der Kontakt wurde vom Grätzelmanagement mitunter auch direkt im öffentlichen Raum<br />
hergestellt, als Gespräche zwischen älteren österreichischen Frauen und Frauen nichtösterreichischer<br />
Herkunft initiiert wurden (I2_w30-39: 731-746).<br />
Kennen lernen<br />
Die Qualität der horizontalen Vernetzung im Stadtteil durch das Grätzelmanagement erreichte<br />
unterschiedliche Ausprägungen und Intensitäten.<br />
So gab es Vernetzungstreffen, wie das weiter oben bereits erläuterte Treffen der Dienstleister<br />
des Stadtteils, bei dem es um ein gegenseitiges kennen lernen, eine Verringerung von<br />
Anonymität und das Wissen über die richtigen Ansprechpartner für die Zukunft ging.<br />
105
Eine ähnliche Funktion hatte u.a. das Grätzelforum, bei dem sich die Menschen<br />
niederschwellig und unverbindlich informieren und kennen lernen konnten.<br />
Aber natürlich auch in den <strong>Arbeitskreis</strong>en gab es die Möglichkeit, neue Menschen und ihre<br />
verschiedenen Meinungen kennen zulernen, was für den Frauenkulturtreff auch als zentrales<br />
Kriterium hervorgehoben wurde (I11_w60-69: 59-60).<br />
Austausch von Informationen<br />
Auch der Zweck der Vernetzung, Informationen auszutauschen ist über die<br />
Grätzelmanagement Aktivitäten erfüllt worden. Obwohl Informationen rund um den Stadtteil<br />
oft auf informellen Wegen zirkuliert sind, wie das über Mundpropaganda, über den Markt und<br />
die Geschäfte der Fall war, konnten vor allem in den <strong>Arbeitskreis</strong>en Informationen breit<br />
gestreut werden. So konnten beispielsweise im <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen viele Fragen zu<br />
sozialen Anliegen der Zuwanderinnen bearbeitet werden und die österreichischen Frauen<br />
halfen hier auch mit, wenn es um sprachliche Schwierigkeiten ging (I2_w30-39: 163). Im<br />
Frauenkulturtreff konnten auf grund des niederschwelligen Zugangs und der informellen<br />
Atmosphäre, in der die Frauen unter sich blieben, auch diskrete Belange behandelt werden,<br />
wobei die Verständigung durch sprachliche Übersetzung unterstützt wurde (I11_w60-69: 147-<br />
148).<br />
In einem PC Schulungsprojekt hat am Anfang des Grätzelmanagements ein Arbeitsloser EDV<br />
Einführungen für Einsteiger gegeben (I4_m50-59: 279-282). Das war das einzige<br />
Bildungsprojekt im Rahmen des Grätzelmanagements. Hier konnte sich ein<br />
Beschäftigungsloser einbringen und wertvolle Informationen bzw. seine Ressourcen zur<br />
Verfügung stellen. Dieses Miniprojekt fand leider keine weitere Unterstützung, obwohl hier<br />
beiden Seiten geholfen gewesen wäre.<br />
Das „Grätzl-Blattl“ war eine Ergänzung zu den <strong>Arbeitskreis</strong>en, um Informationen über den<br />
Stadtteil zu vermitteln. Da es an alle Haushalte im Stadtteil geschickt wurde, wurden die<br />
enthaltenen Informationen auch entsprechend leichter zugänglich und die Bewohner und<br />
Unternehmer im Grätzel konnten sich unkompliziert über Aktuelles informieren.<br />
Kooperationen<br />
Die im Rahmen des Grätzelmanagements entstandenen Kooperationen waren<br />
unterschiedlichster Art und Intensität und wurden zwischen den verschiedensten Akteuren<br />
eingegangen.<br />
106
Eine Kooperation wurde zum Beispiel zwischen dem Grätzelmanagement und der<br />
gemeinnützigen Wohnungsbau-Gesellschaft (Gewog) eingegangen und wirkt bis heute nach.<br />
Das ehemalige Gebäude, welches die „Bundesanstalt für Pflanzenschutz und Samenkunde“<br />
beherbergte wird für Genossenschaftswohnungen umgebaut. Im Keller finden temporär<br />
Veranstaltungen statt und die Räumlichkeiten werden gegen geringe Miete und<br />
Strompauschale zur Verfügung gestellt (I1_w30-39: 1110-1116). Das Grätzelmanagement<br />
verwaltete den Schlüssel der Räume und die Abwicklung der temporären Benutzung sowie die<br />
bezahlte Miete für Gewog (I1_w30-39: 1020-1125).<br />
Eine Kooperation auf besonders breiter Basis fand 2004 in der Finanzierung des vom Verein<br />
„Grätzl-Blattl“ veranstalteten Sommerkinos am Volkertplatz statt. Neben der Stadt Wien (MA<br />
7 – Kultur), dem Bezirk Leopoldstadt und dem Grätzelmanagement, die sich an den Kosten<br />
beteiligten, wurde die Veranstaltung noch von Unternehmen aus dem Grätzel gesponsert<br />
(„Grätzl-Blattl“, Jg.2, Nr. 3, Oktober 2004: 7). Auch in den folgenden Jahren wurde diese<br />
Veranstaltung unter Beteiligung öffentlicher und privater Unternehmen finanziert.<br />
Auf Einladung des <strong>Arbeitskreis</strong>es Kultur und Gesellschaft hat eine Ballettschule, unweit vom<br />
Grätzel ansässig, kostenlos zur Eröffnung eine Tanzeinlage zum Grätzelball 2006 gegeben und<br />
dafür in eigener Sache Werbung gemacht. Die Ballettschule hat außerdem ein Inserat im<br />
„Grätzl-Blattl“ geschalten (I1_w30-39: 1032-1033).<br />
Das als Verein gegründete „Grätzl-Blattl“ ist auf Kooperationen wie Inserate existentiell<br />
angewiesen. Außerdem ist das „Grätzl-Blattl“ als Verein zeichnungsberechtigt und somit für<br />
Veranstaltungen immer wieder Kooperationspartner zum Beispiel für den WWFF (I10_w30-<br />
40m40: 60-64).<br />
Das Grätzelmanagement, der WWFF und das BSC (Business Service Center) haben u.a.<br />
Anzeigen im „Grätzl-Blattl“ geschalten. Im „Grätzl-Blattl“ wurden immer zwei A4 Seiten<br />
über Projekte und Allgemeines vom Grätzelmanagement geschalten (I1_w30-39: 337-338).<br />
Darüber hinaus inserierten und inserieren eine Reihe von lokalen Unternehmen aus dem<br />
Stadtteil im „Grätzl-Blattl“.<br />
Im Jahr 2006 wurde gemeinsam ein Ausflug in den Märchenpark nach St. Margarethen im<br />
Burgenland organisiert, der vom Jugendtreff J.at, <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft und<br />
dem <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen gemeinsam mit ca. 1.000 Euro finanziert wurde (I9_m50-59:<br />
87-89).<br />
107
Konfliktmanagement<br />
In Konfliktsituationen oder in Situationen, in denen ein Konsens im Stadtteil in weiter Ferne<br />
lag, blieb dem Grätzelmanagement die Strategie, die unterschiedlichen Positionen aufzuzeigen<br />
und für die Kontrahenten sichtbar zu machen (I13_w30-39: 294-296). Vorraussetzung für ein<br />
konstruktives Miteinander war aus Sicht des Grätzelmanagements der Respekt und die<br />
Wertschätzung gegenüber anderen Meinungen, die vom Grätzelmanagement vorerst<br />
eingefordert wurde und später auch von den Beteiligten umgesetzt wurde (I8_m40-49: 472-<br />
475).<br />
Neben den Konflikten, die in den <strong>Arbeitskreis</strong>en und anderen Gremien stattgefunden hatten,<br />
die von Moderation begleitet waren, kam es auch zu Konflikten außerhalb des<br />
„Moderationsraumes“ Grätzelmanagement. Die ursprüngliche Idee des Grätzelmanagements,<br />
die lokalen Akteure zu empowern und damit auch in eine eigenverantwortliche und<br />
selbstständige Konfliktlösungskompetenz zu führen, wurde manchmal auch ins Gegenteil<br />
umgekehrt (I13_w30-39: 531-535). Im Konfliktfall (meist Lärmbelästigungen) riefen die<br />
Bewohner oft nach dem Grätzelmanagement als Verantwortlichen bzw. zur Konfliktlösung<br />
anstatt die Konflikte eigenverantwortlich zu bearbeiten. Das Grätzelmanagement wurde in die<br />
Rolle gedrängt, für alles mögliche zuständig zu sein (I13_w30-39: 531-532) – ein Zeichen<br />
dafür, welche Autorität dem Grätzelmanagement zugeschrieben wurde und ein Zeichen für das<br />
bis dahin noch zu schwach ausgebildete Konfliktlösungspotenzial vor Ort.<br />
Die Grätzelmanagerin hat dann meist vermittelt und versucht, eine konstruktive<br />
Kommunikation zwischen den Streitpartnern wieder herzustellen (I13_w30-39: 536-538).<br />
Moderation<br />
Eine zentrale Aufgabe des Grätzelmanagements war die Moderation der<br />
Kommunikationsprozesse sowohl in vertikaler sowie in horizontaler Richtung, d.h. in<br />
Stadtteilnetzwerken ebenso wie im Austausch zwischen Stadtteilakteuren und Verwaltung.<br />
Insbesondere in den <strong>Arbeitskreis</strong>en moderierte ein Grätzelmanager oder eine<br />
Grätzelmanagerin. Aber auch im Grätzelbeirat übernahm das Grätzelmanagement als Vorsitz<br />
auch die Rolle der Moderation. Die Moderation bestand in der Gewährleistung der geplanten<br />
Tagesordnung, dem geregelten Ablauf von Abstimmungen und Diskussionen und der Obacht<br />
auf einen respektvollen Umgang miteinander. Die Einhaltung von Sprechbeiträgen und<br />
Sprechzeiten sollte dabei allen die Möglichkeit geben, sich in den Austausch einzuschalten.<br />
Das Grätzelmanagement zog sich jedoch aus der Rolle der Moderation zurück, wenn die<br />
entsprechende Gruppe sich selbstständig organisierte, wie das nach einiger Zeit beim<br />
108
<strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen der Fall war (I4_m50-59: 385-386). Das Grätzelmanagement zog<br />
sich außerdem aus den Sitzungen zurück, in denen Diskussionen rund um den Volkertplatz<br />
nach vielen Gesprächen zu keinem Konsens geführt hatten und festgefahren schienen. Dazu<br />
wurde eine externe Moderation bei den Sitzungen zum Ballspielkäfig und der Fußgängerzone<br />
hinzugezogen, weil sich die Grätzelmanager bereits als zu befangen fühlten und eine neutrale<br />
Rolle nicht mehr einnehmen konnten (I1_w30-39: 878-883).<br />
Wenngleich die vom Grätzelmanagement angewandten Methoden zur Aktivierung und<br />
Moderation oft nicht auf die Besonderheiten migrantischer Kulturen abgestimmt waren, konnte<br />
man in einem Fall einen wichtigen Schritt auf die Zuwanderer zu machen. Viele Zuwanderer<br />
hatten Probleme in der Artikulation ihrer Interessen und wenig Erfahrung mit den in den<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>en angewandten Kulturtechniken. Ihre Ideen und Wünsche wurden beim Projekt<br />
Umgestaltung Volkertplatz via Piktogrammen eingefangen, bei denen sie visuell mit Bildern<br />
und Symbolen arbeiteten. Diese Ideen wurden dann im <strong>Arbeitskreis</strong> eingebracht, wobei es<br />
jedoch zu keinem Meinungsaustausch kam (I13_w30-39: 263-268). Der Transfer von<br />
Sichtweisen blieb dadurch einseitig. Eine Begegnung bzw. eine Diskussion fand nicht statt,<br />
was die gegenseitige Akzeptanz nicht förderte.<br />
5.2.8. Einflussfaktoren erfolgreicher Vernetzung im Stadtteil<br />
Der Erfolg der Vernetzung durch das Grätzelmanagement äußerte sich in der Beteiligung<br />
mehrerer Akteure, die längerfristig auch nach der ersten Aktion oder dem ersten<br />
Zusammentreffen an der Umsetzung von Ideen weiter arbeiteten. Die Gründe für diese Erfolge<br />
sind vielfältig und können von Einzelpersonen oder ganzen Gruppen genauso abhängen, wie<br />
von äußeren Rahmenbedingungen oder einmaligen Ereignissen. Ein kausaler Zusammenhang<br />
im engsten Sinn konnte dabei in den seltensten Fällen festgestellt werden. Wesentliche<br />
Einflussfaktoren, welche die Vernetzung begünstigten oder erschwerten konnten aber<br />
ausgemacht werden und sollen im folgenden dargestellt werden. Diese Faktoren trotzen<br />
allerdings einem mechanistischen Einsatz für die Übernahme in andere soziale Situationen,<br />
können also nicht als Teile einer allgemeingültigen Rezeptur für das gezielte Zustandekommen<br />
von sozialen Netzwerken verstanden werden. Sie können den dargelegten Fall lediglich<br />
verstehen helfen und in zukünftigen ähnlichen sozialen Konstellationen, wie das zum Beispiel<br />
die neuen Gebietsbetreuungen in Wien sein werden, in Erinnerung gerufen werden.<br />
109
Strategien zur Vernetzung<br />
Um soziale Barrieren und Hemmschwellen abzubauen, förderte das Grätzelmanagement die<br />
Begegnung und den Kontakt zwischen Menschen, Institutionen und Orten im Stadtteil.<br />
Indem man die Orte der Aktivitäten und Veranstaltungen gewechselt hat, versuchte man den<br />
Menschen die verschiedenen Bereiche des Grätzels näher zu bringen. So besuchten die Frauen<br />
des <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen, darunter viele Zuwanderinnen die evangelische Kirche im<br />
Grätzel. Auf der anderen Seite besuchten nicht-muslimische Österreicher das islamische<br />
Gebetshaus in der Springergasse. <strong>Arbeitskreis</strong>e wurden in verschiedenen Institutionen des<br />
Grätzels oder auch in Gasthäusern abgehalten. Es fanden diverse Feste in der ehemaligen<br />
„Bundesanstalt für Pflanzenschutz und Samenkunde“ (neuer Name „Samba“) statt und es<br />
wurden Lesungen in Gasthäusern organisiert. Außerdem sorgten eigens organisierte<br />
Grätzelführungen für Begegnungen mit bisher unbekannten „Ecken“ und Menschen des<br />
Grätzels. Im gemeinsamen Suchen nach Orten im Grätzel, konnten sich die Teilnehmer dabei<br />
einen Überblick über das Grätzel, über seine Einrichtungen und Menschen verschaffen<br />
(I1_w30-39: 224-235). Auch die Grätzelforen haben von mal zu mal ihren Standort gewechselt<br />
und fanden u.a. am Volkertplatz, im Samba, in der evangelischen Kirche oder im Innenhof<br />
eines Bürogebäudes statt (I1_w30-39: 243-244).<br />
Diese Ortserkundungen verbesserten nicht nur das Wissen über das Grätzel, sondern initiierten<br />
auch Anlässe für weitere Begegnungen.<br />
Problemdefinition<br />
Die Frage, wer bestimmt und definiert, welche Probleme behandelt werden, ist für die spätere<br />
Identifikation und Beteiligung der lokalen Akteure nicht unwesentlich. Die Orientierung an den<br />
Problemen der Grätzelakteure stärkt die Identifikation und folglich die Motivation.<br />
Zu Beginn des Grätzelmanagements wurden mit der aktivierenden Befragung und später in der<br />
Ideenwerkstatt die Wünsche und Probleme aus der Sichtweise der Bewohner und Unternehmer<br />
eingefangen. In den <strong>Arbeitskreis</strong>en wurde die Definition der Probleme schließlich weiter<br />
konkretisiert. Im <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum wurden bei den ersten Sitzungen via<br />
Brainstorming ein Themenkatalog bestimmt und diese Themen wurden in den Jahren auch<br />
großteils bearbeitet (I4_m50-59: 210-215). Auch im <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft<br />
wurde gemeinsam beschlossen, was für Aktivitäten in Zukunft gesetzt werden sollen (I9_m50-<br />
59: 285-286).<br />
110
Positive Koordination<br />
Eine positive Koordination, bei der auch Kosten in Kauf genommen werden, war in<br />
verschiedenen <strong>Arbeitskreis</strong>en bei den Aktiven festzustellen. Der Einsatz einzelner Personen<br />
war sehr groß und die Bereitschaft von sich aus freiwillig in der Freizeit Arbeiten für den<br />
<strong>Arbeitskreis</strong> zu verrichten war vorhanden (I1_w30-39: 375-379). So wurden Sponsoren oder<br />
andere potentielle Unterstützer von <strong>Arbeitskreis</strong>aktivitäten aufgesucht und motiviert oder es<br />
wurden Plakatierarbeiten, Amtswege und vieles mehr übernommen.<br />
Die Aktivitäten des <strong>Arbeitskreis</strong>es Kultur und Gesellschaft waren sehr arbeitsintensiv. Im<br />
<strong>Arbeitskreis</strong> arbeiteten alle ehrenamtlich und verdienten damit kein Geld. Gewinne wurden auf<br />
ein gemeinsames Sparbuch eingezahlt (I9_m50-59: 100-103).<br />
Eigennutzen für die Akteure<br />
Die Motivation der <strong>Arbeitskreis</strong>teilnehmer erhöhte sich mit der Wahrnehmung der Beteiligten,<br />
dass sie durch das Grätzelmanagement ihren eigenen Interessen wie zum Beispiel der<br />
Erweiterung von Sozialkontakten nachgehen konnten oder ihre unmittelbare Umwelt wie den<br />
öffentlichen Raum verbesserten (I1_w30-39: 404-406). Die eigennützigen Interessen der<br />
Menschen, welche das Grätzelmanagement aufsuchten waren sehr unterschiedlich geschichtet.<br />
Die Anfragen reichten vom übersetzen oder vorlesen amtlicher Briefe, über die Bitte bei<br />
Geschäftsproblemen verschiedenster Art zu helfen, rechtliche Probleme zu erläutern bis hin zur<br />
Frage, wann das nächste Grätzelfest stattfindet, weil man dort wieder mehr verkaufen und<br />
einen Stand aufbauen möchte (I2_w30-39: 136-144).<br />
Viele Unternehmer, darunter vor allem Nicht-Österreicher brauchten viele Informationen zur<br />
Geschäftsgründung, Finanzierung und Abwicklung (I2_w30-39: 630-650). Für sie war das<br />
Grätzelmanagement mehr eine Beratungseinrichtung und eine Unterstützung für ihre<br />
unternehmerischen Interessen, weniger eine Möglichkeit Kontakte zu knüpfen. Währenddessen<br />
suchten wieder andere Gruppen, wie die Teilnehmer des <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft<br />
oder die Teilnehmerinnen des <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen gerade die Geselligkeit und den<br />
Austausch.<br />
Im <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen ist die Sprachbarriere zuerst als Hindernis wahrgenommen<br />
worden, um den <strong>Arbeitskreis</strong> zu besuchen. Dann haben die Zuwanderinnen darin eine Chance<br />
erkannt, deutsch sprechen zu lernen und sind öfter gekommen (I2_w30-39: 349-351). Dieser<br />
Eigennutzen musste von der Grätzelmanagerin jedoch lange Zeit immer wieder erläutert und<br />
betont werden. In diesem Zusammenhang ist auch das bereits weiter oben erläuterte Vertrauen<br />
111
in die Grätzelmanagement Mitarbeiter zu nennen, das erst aufgebaut werden musste, damit die<br />
Zuwanderinnen vom Nutzen der beworbenen Aktivitäten überzeugt werden konnten.<br />
Die zuständige Grätzelmanagerin förderte den Kontakt und die Kommunikation zwischen den<br />
Kulturen, indem sie den Zuwanderinnen die Möglichkeit erläuterte, deutsch üben zu können<br />
(I2_w30-39: 743). Im Frauenkulturtreff konnte man vielen Eigeninteressen nachgehen, ohne<br />
andere auszunutzen sondern im gegenseitigen Austausch voneinander zu profitieren. Einerseits<br />
war es möglich Sprachen zu lernen oder zumindest mit fremdsprachigen Personen zu üben<br />
oder auch verschiedene Frauen und verschiedene Meinungen kennen zu lernen und einfach nur<br />
zu plaudern, so eine Bewohnerin und Teilnehmerin aus dem Frauenkulturtreff (I11_w60-69:<br />
45-60).<br />
Ein Grätzelmanager wies neben dem persönlichen Nutzen für die Beteiligten und Aktiven auch<br />
auf die Grenze der Verpflichtung hin, die nicht überschritten werden sollte, da sonst eine<br />
Überforderung und eine Frustration mit anschließender Aufgabe drohe (I4_m50-59: 327-331).<br />
Sich einbringen - sinnstiftende Aktivitäten<br />
Neben einem effektiven vielleicht sogar zählbaren Eigennutzen konnten sich die Bewohner so<br />
weit persönlich einbringen, dass sie ihre Werte und ihre Bedeutungen in die Aktivitäten<br />
einbringen konnten. Viele Bewohner haben in den <strong>Arbeitskreis</strong>en eine Aufgabe und neue<br />
Kontakte gefunden bzw. Freundschaften geschlossen (I1_w30-39: 422-425).<br />
Aus Sicht des Grätzelmanagements war es ein wichtiges Ziel, dass die Menschen ihre<br />
Veranstaltungen selbständig organisieren und aus sich heraus agieren und daraus<br />
Selbstvertrauen gewinnen (I1_w30-39: 688-699).<br />
Ein Teil der Frauen vom <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen waren österreichische Pensionistinnen, die<br />
Zeit hatten und motiviert waren und einen Sinn in ihrer Tätigkeit sahen (I4_w30-39: 317-321).<br />
Dabei ging es darum, freie Zeit mit Sinn zu füllen und zu nutzen. Ein Bewohner spricht dabei<br />
von seinen Kolleginnen aus dem <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft, die auch im <strong>Arbeitskreis</strong><br />
Aktive Frauen tätig waren.<br />
„Das sind an und für sich solche Idealisten wie ich einer bin, der sagt ich habe einen<br />
gewissen Freizeitrahmen und den will ich nicht untätig vertun. (…) Die sagen ja, ich<br />
brauch das, dass ich irgendeine Aktivität habe, die ich ausführen kann, die mir einen<br />
Spaß macht“ (I9_m50-59: 112-115).<br />
Wobei den Bewohnern eine Aufgabe wichtiger ist als bloße Aktivität, weil sie mit Sinn erfüllt<br />
ist und eine Herausforderung darstellt und so bei Erfolg auch eine Bestätigung bringt.<br />
„Für mich, ich habe eigentlich eine Aufgabe gefunden, die mir einen Spaß macht, die<br />
mich interessiert. Da setze ich meine ganze Kraft dahinter, dass das<br />
funktioniert“(I9_m50-59: 151-152).<br />
112
Auf diese Weise konnten die Teilnehmer in den <strong>Arbeitskreis</strong>en langfristig motiviert werden.<br />
Vertrauen<br />
Durch langjährige und ernsthafte Aktivität im Grätzel konnten Bewohner und Unternehmer das<br />
Vertrauen ihrer Mitmenschen gewinnen. So genoss ein Bewohner durch seine Bekanntheit viel<br />
Vertrauen im Grätzel, wodurch er einen Vorteil bei der Organisation oder bei der Suche nach<br />
Unterstützung für Aktivitäten seines <strong>Arbeitskreis</strong>e erlang (I9_m50-59: 190-192).<br />
Aber auch das Vertrauen in das Grätzelmanagement war wichtig für dauerhafte Beziehungen<br />
und gemeinsame Aktivitäten. So hat eine aufrichtige Haltung den beteiligten Personen<br />
gegenüber das Wohlbefinden und Vertrauen gegenüber dem Grätzelmanagement gefördert.<br />
„Erstens einmal sie fühlen sich wohl da. Sie haben vertrauen zu uns, dass wir sie nicht<br />
ausnutzen oder in irgendeine Richtung lenken wollen oder so. Es darf jeder so sein wie<br />
er ist. Jeder darf seine Meinung haben, ob die jetzt den anderen gefällt oder nicht“<br />
(I1_w30-39: 419-421).<br />
In den Aufbau einer Vertrauensbasis wurde seitens des Grätzelmanagements viel Zeit<br />
investiert. Die Mitarbeiter waren gegenüber den vorgebrachten Anliegen sehr offen und haben<br />
den Menschen mit ihren Anliegen zugehört.<br />
Das Grätzelmanagement bemühte sich um Authentizität, d.h. Ehrlichkeit gegenüber den<br />
Menschen, vor allem was die realistische Einschätzung der Umsetzungsmöglichkeiten von<br />
angeregten Ideen und Projekten betraf, aber auch das Eingeständnis hinsichtlich eigener<br />
Schwächen oder des Nicht-Wissens um die Finanzierbarkeit eingereichter Projekte bzw. EU<br />
Förderungen. Dazu versuchten die Mitarbeiter des Grätzelmanagements die Eigeninitiative der<br />
Leute zu fördern und nicht selbst Ideen oder Vorschläge einzubringen, um neutral zu bleiben<br />
(I1_w30-39: 449-452). Das Vertrauen drückte sich auch in der zweifelhaften Tatsache aus,<br />
dass manche Menschen die Umsetzung von Projekten vom Grätzelmanagement selbst<br />
forderten und auf diese Weise die Verantwortung zurückgeben wollten.<br />
Auch den einzelnen Mitarbeitern des Grätzelmanagement wurde großes Vertrauen entgegen<br />
gebracht. Eine Mitarbeiterin wurde in ihrem Urlaub von Bewohnern privat angerufen, als die<br />
Bewohner ihrer Besorgnis wegen der Kündigung eines Grätzelmanagement Mitarbeiters<br />
ausdrücken wollten (I1_w30-39: 502-503). Die Beziehungen mancher <strong>Arbeitskreis</strong>teilnehmer<br />
zu den Grätzelmanagement Mitarbeitern hatten dabei bereits eine große persönliche Nähe<br />
erreicht.<br />
Der Aufbau von Vertrauen brauchte bei den Zuwanderern viele Monate (I2_w30-39: 134-135).<br />
Es fiel eine gewisse Hemmung zur Kontaktaufnahme mit der ausländischen Ansprechperson<br />
113
im Vergleich mit einer österreichischen Ansprechperson weg (I1_w30-39: 209). Das Vertrauen<br />
von Multiplikatoren oder Meinungsbildnern aus Vereinen und Gruppen zum<br />
Grätzelmanagement ist sehr wichtig, damit die beworbenen Aktivitäten auch bei den<br />
Zuwanderern bekannt und akzeptiert werden (I2_w30-39: 405-407). Diese Multiplikatoren<br />
waren meist ältere Zuwanderer, die Respekt, Autorität und Vertrauen in ihren Netzwerken<br />
genossen. Diese gaben dann die wichtigen Informationen weiter, weil sie Zugang zum<br />
gesamten Netzwerk hatten (I2_35: 509-514).<br />
Identifikation mit dem Stadtteil<br />
Die Identifikation mit dem Stadtteil als Ausgangspunkt oder Antrieb für die Bewohner und<br />
Unternehmer, sich in Grätzelmanagement Aktivitäten zu engagieren und zu vernetzen, wurde<br />
nur vereinzelt in den Interviews oder in den Medien des Grätzelmanagement artikuliert. So<br />
wurden die Veranstaltung von Festen im Grätzel als Signale interpretiert, die zeigen sollten,<br />
dass viel Leben im Stadtteil steckt. Diese Feste sollten zusätzlich die Identifikation mit dem<br />
Stadtteil fördern (I1_w30-39: 428-429). Dieses Bedürfnis nach einem positiven Grätzelimage<br />
weist auf eine starke Identifikation mit dem Grätzel hin. Österreichische Bewohner sahen in<br />
der Einrichtung Grätzelmanagement die Befriedigung ihrer Forderung, für dieses Grätzel auch<br />
einmal was im öffentlichen Raum zu tun. Man sah sich hier lange Zeit im Vergleich zu anderen<br />
Stadtteilen des 2. Wiener Gemeindebezirks benachteiligt oder vernachlässigt (I13_w30-39:<br />
199-201).<br />
Wie oben bereits erwähnt ist für die meisten Zuwanderer die Identität mit dem Stadtteil wenig<br />
ausgeprägt, wichtiger sind für sie vorerst globalere Gesetzgebungen zum Thema<br />
Einwanderung, Aufenthalt oder Wohnungsrecht (I2_w30-39: 448-454).<br />
Transparentes Regelwerk (formell und informell)<br />
Für eine dauerhafte Beteiligung der lokalen Akteure war es wichtig, die Regeln der<br />
Zusammenarbeit und die Möglichkeiten der Beteiligung, Mitentscheidung und finanziellen<br />
Förderungen sichtbar zu machen. Eine offene Haltung und Ehrlichkeit den beteiligten Personen<br />
gegenüber förderte außerdem das Vertrauen ins Grätzelmanagement (I1_w30-39: 419-421). In<br />
den <strong>Arbeitskreis</strong>en wurde darauf geachtet, dass geklärt war, welche Ziele und Erfolge erreicht<br />
werden sollen und wer was machen will bzw. wer was beitragen kann (I8_m40-49: 259-261).<br />
Die <strong>Arbeitskreis</strong>e liefen dabei so ab, dass sich die Personen vorstellten und ihre Motivation für<br />
die Teilnahme darlegten. Sie wurden dazu angehalten, Offenheit und Respekt für andere<br />
114
Meinungen zu zeigen und eine Akzeptanz dahingehend zu entwickeln, dass Konsens nicht<br />
immer möglich ist (I13_w30-39: 156-160).<br />
Ergebnistransparenz<br />
Die Bewohner hatten oft keine Gelegenheit oder nicht die Zeit, sich die Ergebnisse ihrer<br />
Aktionen anzusehen oder diese wahrzunehmen. Das transparent machen von erzielten<br />
Ergebnissen und Erfolgen war also wichtig für die Motivation und Freude an der Beteiligung<br />
(I1_w30-39: 715-719). Große Freude gab es bei kleinen Erfolgen bei den ersten<br />
Veranstaltungen, wo Besucher gekommen sind, wie das bei den ersten Lesungen der Fall war,<br />
bei denen es auch zur entsprechenden Resonanz durch die Besucher gekommen ist (I8_m40-<br />
49: 265-269).<br />
In der Moderation der <strong>Arbeitskreis</strong>sitzungen wurde über Feedbackrunden und vor allem über<br />
die Darstellung und Dokumentation der Ergebnisse der vorangegangenen Sitzung das Erreichte<br />
und der Stand der Dinge sichtbar und nachvollziehbar. Mit den Protokollen wurden diese<br />
Ergebnisse nochmals gesichert und breit gestreut.<br />
Personalressourcen<br />
Der Einsatz von Personal des Grätzelmanagements war für eine erfolgreiche Vernetzung und<br />
Betreuung der Netzwerke und Zusammentreffen maßgeblich von Bedeutung. Die Mitarbeiter<br />
des Grätzelmanagement haben die Kompetenzen aus Planung und Sozialarbeit mitgebracht<br />
(I1_w30-39: 1040-1045). Außerdem waren Moderation und Organisation bzw. die<br />
Nachbearbeitung wie das Verfassen von Protokollen wesentliche Bestandteile der<br />
Grätzelmanagement Arbeit. Die <strong>Arbeitskreis</strong>treffen wurden von den Grätzelmanagement<br />
Mitarbeitern vorbereitet, insbesondere die Moderation und die organisatorischen<br />
Rahmenbedingungen (I1_w30-39: 681-683). Im Grunde haben sich alle Grätzelmanager<br />
überdurchschnittlich eingesetzt und teilweise ihre Freizeit investiert. Die Grätzelmanagerin für<br />
Zuwanderer zum Beispiel übernahm mehr Aufgaben als ursprünglich vorgesehen und<br />
begleitete Frauen zu Arztterminen oder übersetzte Rezepte. Außerdem kannte sie viele<br />
Schlüsselpersonen und Multiplikatoren unter den Zuwanderern und nutzte dieses<br />
Netzwerkwissen für die Akquisition von Besuchern für Veranstaltungen (I2_w30-39: 824-<br />
825).<br />
Das Ausschöpfen des endogenen Potentials im Stadtteil in Form von Humanressourcen spielte<br />
im Rahmen der Grätzelmanagement Aktivitäten eine wesentliche Rolle. Dazu zählten<br />
einerseits die verschiedenen Fähigkeiten der Bewohner, andererseits deren Einsatz- und<br />
115
Verantwortungsbereitschaft. Die Möglichkeit, sich nach den jeweils eigenen Stärken und<br />
Interessen engagieren zu können, hat hier wohl stark zur positiven Motivation beigetragen.<br />
Ein Bewohner brachte seine kommunikative Begabung und seine Beziehungen zum Beispiel<br />
für die Akquisition von Tombolapreisen bei Unternehmen aus dem Stadtteil ein. Die<br />
Motivation für sein Engagement und sein Selbstbewusstsein für diese Tätigkeit waren deutlich<br />
ausgeprägt:<br />
„Ich bin halt auch ein Mensch, der das gut kann. Schnorren gehen. Weil ich bin nicht<br />
unverschämt oder was, sondern ich gehe hin und sage so und so schaut die Lage aus, das<br />
und das ist das, und ich habe zu 99 Prozent habe ich Erfolge“ (I9_m50-59: 197-200).<br />
Das große Engagement und die Übernahme von Verantwortung einzelner Personen hat weitere<br />
Menschen motiviert und angetrieben, sich ebenfalls an Aktivitäten zu beteiligen:<br />
„(...) das sind ein paar Leute, die einfach ultraengagiert sind und sich wirklich damit<br />
auseinander setzen oder Leute mitziehen. Einzelne Personen haben durch das<br />
Grätzelmanagement erst zu diesem Engagement gefunden“ (I10_w30-39m40-49: 676-<br />
678).<br />
Im <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft brachten sich alle Teilnehmer ein und hielten<br />
zusammen, so ein Bewohner und Teilnehmer des <strong>Arbeitskreis</strong>es (I9_m50-59: 225-233).<br />
Die Arbeit wurde aufgeteilt und es waren alle aufgerufen, ihre Ideen und speziellen<br />
Fähigkeiten einzubringen (I9_m50-59: 286-301).<br />
Auch für die Herausgabe der Zeitung „Grätzl-Blattl“ war das Engagement einzelner Personen<br />
wesentlich für die erfolgreiche Umsetzung. Die vier Frauen, welche die Zeitung produzierten,<br />
kamen aus verschiedenen Bereichen und ihre Motive, diese Zeitung zu machen haben einander<br />
ergänzt.<br />
„(...) das waren vier Frauen, die einfach das machen wollten und wenn die das nicht<br />
hätten machen wollen und in der Konstellation das gepasst hätte, wäre es nichts<br />
geworden“<br />
(I4_m50-59: 310-317).<br />
Sonstige Ressourcen des Grätzelmanagements<br />
Das Grätzelmanagement hat vor Ort die eigenen Ressourcen soviel wie möglich zur Verfügung<br />
gestellt. Die Ressourcen und das Wissen des Grätzelmanagements standen auf Anfrage<br />
weitgehend zur Verfügung (I1_w30-39: 1029-1030). Für Werbung bzw. Plakate wurden die<br />
Fensterflächen, Wände und Ankündigungstafeln genutzt. Die Räumlichkeiten des<br />
Grätzelmanagements wurden für die Zwischenlagerung diverser Materialien für<br />
Veranstaltungen genutzt (I1_w30-39: 1004-1005).<br />
116
Außerdem standen den Bewohnern der Drucker, der Kopierer und sonstige Büroeinrichtungen<br />
wie auch die PCs zur Verfügung, wenn diese Geräte nicht gerade von Grätzelmanagement<br />
Mitarbeitern gebraucht wurden (I1_w30-39: 1038-1040).<br />
Aktivitäten (Realhandlungen)<br />
Wie wichtig der Erfolg und die gemeinsame Bearbeitung von realistischen und realen<br />
Projekten zu Beginn der <strong>Arbeitskreis</strong>e war, zeigt sich vor allem an den weniger erfolgreichen<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>en. Der <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft wollte zu Beginn einen Bargeldautomaten<br />
(Bankomaten) im Grätzel bei der damals noch ortsansässigen Bank eingerichtet haben. Die<br />
Gewerbetreibenden erhofften sich davon einen stärkeren Kundenzulauf durch die jederzeitige<br />
Möglichkeit im Stadtteil Bargeld zu beheben. Dazu wurden Unterschriften bei Bewohner und<br />
Kunden gesammelt und der Bank übergeben, die jedoch die Einrichtung eines Bankomaten<br />
abgelehnt hat. Dieser Misserfolg zu Beginn des Grätzelmanagements hat den <strong>Arbeitskreis</strong><br />
nachhaltig gebremst (I1_w30-39: 562-567). Rasche Erfolgserlebnisse waren auch der<br />
Erfahrung der Grätzelmanagement Mitarbeiter nach für den Weiterbestand von <strong>Arbeitskreis</strong>en<br />
wesentlich: „Wir haben gemerkt in den <strong>Arbeitskreis</strong>en, es muss relativ schnell, relativ bald am Anfang<br />
ein Erfolgserlebnis her, sonst scharrt man mit den Füssen unter dem Sessel und kommt nicht weiter und<br />
irgendwann verliert sich das dann auch wieder“ (I1_w30-39: 567-570).<br />
Der <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum traf bis nach Ende des Grätzelmanagements weiter<br />
zusammen. Dort gibt es immer noch Themen, die viele betreffen und auch behandelt werden<br />
(I4_m50-59: 209-210).<br />
Selbstredend spielte auch das Vorhandensein eines aktuellen Anlasses eine Rolle in der<br />
Motivation für eine Beteiligung in den Netzwerken des Grätzelmanagements. Ein<br />
Gewerbetreibender vom Markt hätte Förderungen für sein Geschäft gebraucht, hat aber bereits<br />
kurz vor dem Beginn des Grätzelmanagements sein Geschäftslokal renoviert und so haben sich<br />
für ihn keine Anlässe für weitere Kontakte ergeben (I12_m30-39: 63-65).<br />
Gemeinsame Arbeitskultur, selbst bestimmte Regelungen<br />
Die Entwicklung einer gemeinsamen Arbeitskultur und die eigenständige Bestimmung von<br />
Regeln für die Zusammenarbeit in Netzwerken und Gruppen, wie den <strong>Arbeitskreis</strong>en trägt<br />
wesentlich zur Transparenz dieser Zusammenarbeit bei. Durch diese teilweise<br />
Institutionalisierung der Zusammenarbeit entstehen Verlässlichkeiten hinsichtlich erwarteter<br />
Handlungsabläufe und das Vertrauen in die Gemeinschaft wird erhöht. Die eigene<br />
Handlungssicherheit wird gestärkt.<br />
117
Bevor die Arbeit in den <strong>Arbeitskreis</strong>en begann, plauderte man meist ein wenig informell und<br />
ungezwungen, wodurch sich eine lockere Atmosphäre entwickeln konnte (I1_w30-39: 655-<br />
657).<br />
Die <strong>Arbeitskreis</strong>e waren so weit strukturiert, dass mit Flipchart gearbeitet wurde, auf der auch<br />
die Tagesordnung beschrieben war. Der Moderator bzw. der Grätzelmanager schrieb das<br />
Protokoll, das dann auch an alle Interessierten(laut einer Interessentenliste) und Teilnehmer<br />
versendet wurde (I1_w30-39: 657-658). Der Tagesordnungspunkt Allfälliges ermöglichte es<br />
allen, ihre Anliegen oder Themen einzubringen und damit eine Diskussion zu eröffnen. Die<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>e fanden monatlich abends statt. Sie wurden vom jeweiligen Grätzelmanager dazu<br />
genutzt, weitere wichtige Informationen an die Teilnehmer auszugeben (I1_w30-39: 663-673).<br />
Am Ende einer <strong>Arbeitskreis</strong>sitzung des <strong>Arbeitskreis</strong>es Kultur und Gesellschaft wurde eine<br />
Feedbackrunde installiert, die so vom Grätzelmanager geregelt war, dass Meinungsfreiheit<br />
herrschte und diese Meinung von den anderen Teilnehmern unkommentiert zu bleiben hatte<br />
(I1_w30-39: 660-665).<br />
Im <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft wurde nach einiger Zeit das gesellige Beisammensein<br />
mit Essen und Trinken nach Ende jeder <strong>Arbeitskreis</strong>sitzung gepflegt. Die Abwechslung und<br />
Mischung der Arbeitsmethoden in den <strong>Arbeitskreis</strong>sitzungen wurde vom Grätzelmanagement<br />
forciert. Die Grätzelmanager bereiteten die Gestaltung der <strong>Arbeitskreis</strong>sitzungen vor (I1_w30-<br />
39: 677-683).<br />
Der <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft entwickelte sich langsam von einem unstrukturierten<br />
Treffen zu einem systematischen zielorientierten Vorgehen einer Gruppe von Bewohnern. Die<br />
Aufgaben wurden unter den Teilnehmern aufgeteilt. Die Teilnehmerzufriedenheit erhöhte sich<br />
mit der Verbesserung der Ergebnissicherung und Arbeitsstruktur im <strong>Arbeitskreis</strong>, so die<br />
moderierende Grätzelmanagerin (I1_w30-39: 705-710). So wurde zum Beispiel der Bruch der<br />
Regel, die Feedbackrunde am Schluss jeder <strong>Arbeitskreis</strong>sitzung nicht kommentieren zu dürfen,<br />
von anderen Teilnehmern umgehend angesprochen und es wurde auf diese Regel verwiesen<br />
(I1_w30-39: 768-771). Andere Regeln blieben unausgesprochen und drückten sich mehr in<br />
einer allgemeinen Gruppenkultur aus, die jedoch von den Teilnehmern kaum reflektiert wurde.<br />
In diesem <strong>Arbeitskreis</strong> entwickelten sich spezielle Formen des Umgangs miteinander. Den<br />
eingespielten Betrieb störende Einflüsse wurden von der Gruppe zumeist selbst geregelt. Die<br />
Moderation des Grätzelmanagements wurde dabei selten in Anspruch genommen (I1_w30-39:<br />
757-762). Mit der Zeit festigte sich die Gruppe des <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft, was<br />
zu einem gewissen Maß an sozialer Schließung führte. Das war für die Integration neuer<br />
Teilnehmer oder Interessenten nicht unbedingt förderlich.<br />
118
„Es war so, dass wenn jemand neuer dazu gekommen ist, war es zum Teil schwierig, rein<br />
zu kommen, weil die Gruppe dann schon sehr gefestigt war. Wobei glaub ich aber nicht<br />
unmöglich gewesen wäre. Also wenn jemand wirklich gewollt hätte, dann hätte er sich<br />
auch einbringen können. Nur hätte er sich am Anfang an der Gruppe orientieren<br />
müssen“ (I1_w30-39: 737-741).<br />
Der Umgang mit Teilnehmern, die sich von der Gruppenkultur abweichend verhielten oder den<br />
eingespielten Betrieb störten bzw. in Frage stellten war ambivalent und uneinheitlich geregelt.<br />
Einerseits ergaben sich Lernerfahrungen und Angstbewältigungen für die Teilnehmer des<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>es Kultur und Gesellschaft. Durch den Besuch eines ursprünglich durch sein<br />
Verhalten und sein Erscheinungsbild als Bedrohung wahrgenommenen Mannes, konnten sich<br />
die Teilnehmer aber schließlich gewöhnen bis sein Besuch sogar freudig willkommen geheißen<br />
wurde. Der Umgang mit sozial abweichendem Verhalten und die Zunahme von Respekt und<br />
Akzeptanz vor offensichtlichen Differenzen war ein Erfahrungsgewinn, den die Teilnehmer in<br />
diesem <strong>Arbeitskreis</strong> für sich verbuchen konnten. Auf der anderen Seite wurde jedoch auch von<br />
der Gruppenkultur abweichendes Verhalten einzelner Personen zwar nicht sanktioniert, aber<br />
auch nicht langfristig toleriert, was schließlich auch einmal zum Austritt einer Person geführt<br />
hat. Das zeigt sich am Beispiel der Teilnahme eines Mannes mit Ideen, die dem Rest der<br />
Gruppe nicht zusagten.<br />
„Bis es dann halt so weit gekommen ist, dass sie halt zwei drei mal gesagt haben nein so<br />
wollen wir das jetzt nicht haben, wir machen das jetzt so und so einheitlich gegen ihn -<br />
und er hat sich dann auch verabschiedet aus dem <strong>Arbeitskreis</strong>, also er ist dann nicht<br />
mehr gekommen“ (I1_w30-39: 804-807).<br />
Die Gruppe hat so einen Punkt definiert an dem ihr der Preis für die Integration neuer Personen<br />
zu hoch wurde.<br />
Die Grätzelmanagement Moderation überließ diese gruppendynamischen Prozesse der Gruppe<br />
selbst und hielt sich aus dem schwelenden Konflikt heraus (I1_w30-39: 808-809). Die<br />
Grätzelmanagement Moderation hat es hier vielleicht verabsäumt, den Austritt dieses Mannes<br />
zu verhindern oder zumindest die unterschiedlichen Interessen für die Teilnehmer transparent<br />
zu machen. Drop-outs sind in Gruppen über einen gewissen Zeitraum gesehen zwar kaum zu<br />
verhindern, eine Moderation und ein Umgang mit der Situation, welche sich um den<br />
Zusammenhalt der Gruppe bemüht, war hier jedoch zu vermissen. Die gemeinsame Definition<br />
des Ziels des <strong>Arbeitskreis</strong>es zu Beginn war ein motivierender Faktor für die Teilnehmer, aktiv<br />
dabei zu bleiben (I1_w30-39: 859-861). Die Grätzelmanagement Moderation kommunizierte<br />
in den <strong>Arbeitskreis</strong>en die Idee, dass oft unterschiedliche Meinungen nebeneinander stehen<br />
bleiben können und ein Konsens nicht immer möglich sei.<br />
Eine Grätzelmanagerin fasste ihre Grundsätze für erfolgreiche <strong>Arbeitskreis</strong>e mit den Worten<br />
„Ehrlichkeit, Wissen und Vorbereitung“ (I1_w30-39: 872-873) zusammen.<br />
119
Die <strong>Arbeitskreis</strong>e wurden aufgerufen, eine Person aus ihrer Mitte auszuwählen, der in die Jury<br />
für den Wettbewerb zur Umgestaltung des Volkerplatzes gesandt wurde, um als<br />
stimmberechtigtes Mitglied und Vertreter der lokalen Ebene dort seine Stimme abzugeben.<br />
(I1_w30-39: 295-297).<br />
Im <strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen haben die Teilnehmer die Organisation der Sitzungen bald selbst<br />
übernommen. Zunächst hat ein Grätzelmanager den <strong>Arbeitskreis</strong> moderiert und sich mit der<br />
Zeit langsam zurückgenommen. Der Ort des Zusammentreffens des <strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen<br />
zirkulierte zwischen den Orten der beteiligten Institutionen. Der Gastgeber übernahm dabei die<br />
Moderation, die Bewirtung und das Verfassen des Protokolls (I4_m50-59: 385-390).<br />
Im <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum ergab sich zu Beginn oft das Problem, die Zusammentreffen<br />
als Ventil für Beschwerden und Missmut zu missbrauchen. Die Grätzelmanager wiesen aber<br />
immer wieder darauf hin, dass die <strong>Arbeitskreis</strong>e dafür genutzt werden sollen, konstruktive<br />
Ideen einzubringen und Projekte auszuarbeiten. Das Problem betraf auch nur einige wenige<br />
Bewohner, die nach einer Zeit entweder nicht mehr kamen oder ihr Verhalten anpassten. Die<br />
verbliebenen Teilnehmer sorgten schließlich selbst immer mehr für die Einhaltung der Regel,<br />
sich konstruktiv einzubringen und den <strong>Arbeitskreis</strong> nicht nur als Beschwerdestelle zu benutzen<br />
(I13_w30-39: 212-214). In der Einladung für jede <strong>Arbeitskreis</strong>sitzung war bereits ein<br />
Schwerpunktthema vorgegeben (I13_w30-39: 43-45). Damit konnte die Transparenz der<br />
behandelten Themen für Interessierte erhöht werden.<br />
Was die Einführung von strikten Regeln anbelangte, bildete der <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen und<br />
besonders der Frauenkulturtreff eine Ausnahme. Hier wurde stets die Unverbindlichkeit und<br />
der niederschwellige Zugang betont. Manche brachten eine Jause mit, Tee und Kaffee wurde<br />
gemacht. Wichtig war es, bei Ankunft zu grüßen und wenn man neu war sich vorzustellen, so<br />
eine Bewohnerin aus dem Frauenkulturtreff (I11_w60-69: 143-145).<br />
Es bestand auch keine Verpflichtung wieder zu kommen, wenngleich es gewünscht war und<br />
die zuständige Grätzelmanagerin für Zuwanderer die Frauen dazu anhielt oder erinnerte wieder<br />
zu kommen und die Vorteile der Teilnahme erläuterte. Mit Ankündigungen künftiger<br />
Programme versuchte sie außerdem den Frauen das Wiederkommen schmackhaft zu machen<br />
(I11_w60-69: 146-147).<br />
Zugang zu den Netzwerken<br />
Für viele Menschen ist eine Beteiligung an öffentlichen Veranstaltungen oder Sitzungen, an<br />
denen man seine Meinung frei artikulieren kann, keine Selbstverständlichkeit. Bei der<br />
120
Organisation der <strong>Arbeitskreis</strong>e vom Grätzelmanagement stellte sich heraus, dass der Ort des<br />
Zusammentreffens eine wesentliche Rolle für die Vernetzung und Beteiligung der Bewohner<br />
spielte. Einerseits versuchte man im Grätzelmanagement die Orte für die Veranstaltungen zu<br />
wechseln, um Barrieren zwischen den Menschen bzw. Kulturen abzubauen. Auf der anderen<br />
Seite stellte sich heraus, dass die Beteiligung und Kontaktfreudigkeit mitunter von der<br />
Vertrautheit mit dem Ort zusammenhing. Das war beim Frauenkulturtreff der Fall. Das<br />
Grätzelmanagement Büro hatte aus Sicht der Zuwanderinnen einen behördlichen Charakter,<br />
der problematisch und aufgrund negativer Erfahrungen in österreichischen Ämtern<br />
angstfördernd war. So fanden die ersten Frauenkulturtreffs im Jugendtreff J.at statt. Dieser Ort<br />
war durch den Kontakt über die Kinder für die Zuwanderinnen bzw. die Mütter der Kinder vertraut<br />
(I2_w30-39: 219). Dort wurden ursprünglich fremde Kulturtechniken wie die Verwendung der<br />
Flipchart möglich (I2_W30-39: 210-215). Auch die Anwesenheitsliste machte im<br />
Grätzelmanagement Büro Angst, weil sie die sichere Anonymität verhinderte, hingegen im<br />
Jugendtreff wurde sie akzeptiert (I2_w30-39: 220-221). Die beiden Orte am Volkertplatz sind<br />
lediglich etwa 50 Schritte voneinander entfernt, hatten für diese Frauen aber eine ganz<br />
unterschiedliche Bedeutung. Dieses Problem erkannte die zuständige Grätzelmanagerin und<br />
dadurch konnten die Zuwanderinnen im Jugendtreff langsam Vertrauen zum<br />
Grätzelmanagement aufbauen. In der Zwischenzeit, Ende 2006 fanden die Frauenkulturtreffs<br />
im Grätzelmanagement Büro bzw. in Folge im Büro der neuen Gebietsbetreuung statt.<br />
Der Frauenkulturtreff wurde zudem wesentlich unverbindlicher als andere <strong>Arbeitskreis</strong>e<br />
gestaltet und die Eigeninitiative der Frauen wurde hier nicht in dem Ausmaß gefordert. Die<br />
Themen waren mehr privater Natur und die Frauen konnten sich über Alltägliches wie Kinder,<br />
Kochen, Männer austauschen, ohne bei jedem Treffen unter dem Druck zu stehen, konkrete<br />
Ideen und Ergebnisse vorlegen zu müssen.<br />
„Der Einstieg ist nicht so schwierig. Die Frauen können reden über die Kinder und über<br />
das Kochen. Auch über Männer. Damit beschäftigt sich jede Frau. So kommt man ins<br />
Gespräch. Und die türkischen Frauen öffnen sich dann leichter, weil sie sehen, die<br />
kochen auch nur mit Wasser auf gut Wienerisch“ (I11_w60-69: 60-63).<br />
Es konnten immer Fragen gestellt werden und es wurde auch übersetzt, wenn sprachliche<br />
Verständigungsschwierigkeiten auftraten (I11_w60-69: 147-148). Der Frauenkulturtreff war<br />
also im Gegensatz zu anderen <strong>Arbeitskreis</strong>en darauf ausgelegt, die Kommunikation und<br />
Kontakte zu fördern. Die Frauen lernten andere Frauen aus dem Grätzel kennen und sie<br />
konnten dort die Kulturen und Lebensgewohnheiten der anderen Frauen kennen und verstehen<br />
lernen, die sich dann oft als gar nicht so andersartig herausstellten.<br />
121
5.2.9. Hindernisse für eine horizontale Vernetzung im Stadtteil<br />
Während es im Rahmen des Grätzelmanagements zu einer Reihe von Vernetzungen im<br />
Stadtteil gekommen ist, wie die <strong>Arbeitskreis</strong>e, Grätzelforen und Veranstaltungen zeigen,<br />
stießen die Mitarbeiter des Grätzelmanagement auch auf kaum oder nicht überwundene<br />
Schwierigkeiten bei ihren Vernetzungsversuchen.<br />
Soziales Geschlecht und kulturelle Unterschiede als Vernetzungsbarriere<br />
Zuwanderer, insbesondere Männer waren teilweise schwer für Beteiligungen und<br />
Vernetzungen zu gewinnen. Ein Grund mag in den Sprachproblemen und dem daraus<br />
resultierenden fehlenden Vertrauen in die eigene Artikulationsfähigkeit liegen.<br />
Insbesondere bei den Zuwanderern brachte die Geschlechtszugehörigkeit Unterschiede für die<br />
Möglichkeit der Beteiligung an Grätzelmanagement Aktivitäten. Manche Männer und<br />
Gewerbetreibende hatten aufgrund ihrer Arbeitstätigkeit keine Zeit, in die <strong>Arbeitskreis</strong>e zu<br />
kommen oder der Zeitpunkt des <strong>Arbeitskreis</strong>es war zu früh bzw. die Termine unter der Woche<br />
ungünstig (I2_w30-39: 253-254). Außerdem zeigten die männlichen Zuwanderer wenig<br />
Interesse an den Aktivitäten vom Grätzelmanagement und blieben lieber unter sich (I2_w30-<br />
39: 606-610). Erschwerend hinzu kam, dass die weibliche Grätzelmanagerin von vielen<br />
männlichen Zuwanderern nicht als gleichberechtigte Gesprächspartnerin ernst genommen<br />
wurde (I2_w30-39: 610-620), wobei auch ihr männlicher Kollege nicht mehr Erfolg hatte,<br />
männliche Zuwanderer in Aktivitäten des Grätzelmanagements einzubinden.<br />
Auch afrikanische Frauen und Frauen aus Ex-Jugoslawien sind oft arbeitstätig und hatten daher<br />
weniger Zeit bzw. kamen weniger in den <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen (I2_w30-39: 280-285).<br />
Dazu kam, dass bei den Menschen orientalischer Herkunft die Geschlechtertrennung<br />
traditionell stärker ausgeprägt ist und daher durften die entsprechenden Frauen weniger an<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>en teilnehmen, weil dort ihre Männer keinen Einblick hatten, zum Beispiel ob sie<br />
Kontakt mit anderen Männern haben, so die für den Frauenkulturtreff zuständige<br />
Grätzelmanagerin (I2_w30-39: 298-304). Zudem stellte die Grätzelmanagerin fest, dass<br />
weibliche Beteiligung an öffentlichen Zusammentreffen in der Herkunftskultur vieler<br />
Zuwanderer nicht verankert ist, weil die patriarchalischen Gesellschaftssysteme die<br />
Entscheidungen den männlichen Gesellschaftsmitgliedern überlassen (I2_w30-39: 191-194).<br />
Diese Männer verlangten von ihren Frauen, dass sie früher nach Hause kommen, unter dem<br />
Vorwand zu kochen oder die Kinder zu versorgen, weshalb auch der Frauenkulturtreff um eine<br />
Stunde vorverlegt wurde (I11_w60-69: 66-67).<br />
122
Auch das Kinderbetreuungsproblem schlug sich im Grätzelmanagement nieder. Viele Frauen<br />
konnten ihre Kinder nirgends abgeben und daher an manchen Veranstaltungen oder<br />
Unternehmungen nicht teilnehmen (I11_w60-69: 298-299). Als die Aktivitäten der zuständigen<br />
Grätzelmanagerin von der Grätzelmanagement Leitung eingeschränkt wurden und sie sich<br />
nicht mehr in dem Ausmaß den Anliegen der Zuwanderinnen widmen konnte, blieben viele<br />
Frauen den Treffen fern (I11_w60-69: 204-206).<br />
Ein weiterer Grund wurde mehrmals genannt, der darin lag, dass für Zuwanderer andere<br />
Probleme wichtiger waren als die, welche nur das Grätzel betrafen (I1_w30-39: 384-388).<br />
Dabei ging es u.a. um Aufenthaltsprobleme, Wohnprobleme oder bürokratische Probleme<br />
(I2_w30-39: 110-111), während sie meist mit dem zufrieden waren, was sie im Grätzel hatten<br />
(I2_w30-39: 126). Demnach geht es für viele Zuwanderer nach ihrer Ankunft in Österreich<br />
zunächst einmal um grundsätzliche rechtliche Klärungen, die den Aufenthalt überhaupt<br />
ermöglichen und eine längerfristige Planung der Existenz in Österreich erlauben.<br />
Aber auch vom Grätzelmanagement selbst ging ein Problem aus, das viele Zuwanderer davon<br />
abhielt, die Aktivitäten im Grätzelmanagement aufzusuchen und den Austausch mit anderen<br />
Stadtteilbewohnern zu pflegen. Das Grätzelmanagement hatte einen offiziellen Charakter aus<br />
Sicht der Zuwanderer und sie trauten sich dann aus sprachlichen Gründen nicht, sich in ein<br />
Gespräch einzubringen (I1_w30-39: 399-402). Außerdem führten die <strong>Arbeitskreis</strong>e zu einem<br />
gewissen Maß an Verbindlichkeit, die vielen Zuwanderern unangenehm waren oder ihnen<br />
Angst machten, insbesondere den Frauen.<br />
„Es sind dann langsam die Zuwanderer nicht mehr gekommen weil die Technik mit<br />
flipchart, mit aufschreiben und Anwesenheitsliste führen und Telefonnummern eventuell<br />
dazu schreiben das hat irgendwie so erschreckend gewirkt. Auch das Büro hat so einen<br />
behördlichen Charakter für sie, `aha wenn ich da jetzt meinen Namen sage wo landet<br />
das?` also irgendwelche Ängste ja. Und die haben dann oft Briefe nach Hause geschickt,<br />
so Protokolle und so und das war dann wieder eine verstärkte Angst auch vor den<br />
Männern“ (I2_w30-39:164-170).<br />
Dazu kam, dass Begriffe wie <strong>Arbeitskreis</strong> oder Moderation zu hochschwellig für die meisten<br />
Zuwanderer im Grätzel waren und sie diese nicht ansprachen bzw. nicht verstanden (I2_w30-<br />
39: 370-375).<br />
Es handelt sich dabei oft um Begriffe, die in der gebildeten österreichischen Mittelschicht<br />
bekannt sind, die aber auch von vielen Österreichern nicht gekannt oder verstanden werden,<br />
also kein rein sprachliches Problem darstellen, sondern ein kulturelles Kapital voraussetzen,<br />
das gerade in benachteiligten Stadtteilen mit Bewohnern aus meist unteren Bildungsschichten<br />
nicht selbstverständlich verlangt werden kann. Viele Zuwanderer waren zudem Analphabeten<br />
(I2_w30-39: 190-191). So waren die Begrifflichkeiten aber auch die damit verbundenen<br />
Methoden den meisten Bewohnern und vor allem den nicht-österreichischen<br />
123
Stadtteilbewohnern weitgehend fremd. Das Grätzelmanagement reagierte offenbar nicht<br />
ausreichend auf die geringe Beteiligung der Zuwanderer. Die unterschiedlichen<br />
Kulturtechniken und Wertvorstellungen wurden in den Empowermentversuchen zu wenig<br />
berücksichtigt. Ein stärkeres Entgegenkommen auf die spezifischen kulturellen Gewohnheiten<br />
der Zuwanderer ist weitgehend ausgeblieben, sieht man einmal von der Beteiligung bei der<br />
Umgestaltung vom Volkertplatz ab. Die Grätzelmanagerin für Zuwanderer war im<br />
Grätzelmanagement nur wenige Stunden in der Woche beschäftigt.<br />
Unternehmer im Stadtteil und das Problem ihrer Vernetzung<br />
Unter den Unternehmern bzw. Gewerbetreibenden im Grätzel kam es wie weiter oben<br />
dargestellt nur bedingt zu Vernetzungen. Gescheitert sind die Versuche an der sozialen<br />
Trennung zwischen Marktbetreibern des zentral gelegenen Volkertmarktes. Auf der einen Seite<br />
mangelte es an Einigkeit hinsichtlich Ideen und Vorstellungen über die Zukunft und die Ziele<br />
eines Marktes, der in Zeiten von preisgünstigeren Supermarktketten dringend Innovationen für<br />
dessen Weiterbestand gebraucht hätte. Es wurde einigen Marktstandbesitzern mangelnde<br />
Offenheit bezüglich Modernisierung und strategischem unternehmerischem Denken<br />
vorgeworfen (I8_m40-49: 74-84).<br />
„Die dort sperren in der Früh auf und haben zwei Kunden und sind zufrieden“<br />
(I10_w30-39m40-49: 543-544).<br />
Sie standen Einflüssen von außen ablehnend gegenüber und sie schrieben die Ursachen für ihre<br />
Probleme externen Akteuren zu, wie im Fall der Bank, welche die Einrichtung eines<br />
Bargeldautomaten abgelehnt hatte.<br />
Viele österreichische Gewerbetreibende im Grätzel standen außerdem bereits kurz vor der<br />
Pensionierung und verfolgten keine modernen Unternehmensstrategien, weshalb sie an<br />
Vernetzungen und Kooperationen im Stadtteil mit dem Grätzelmanagement oder anderen<br />
Gewerbetreibenden wenig Interesse hatten (I1_w30-39: 1091-1094). Fehlende Motivation<br />
aufgrund der Lebensphase verhinderte damit zusätzlich die Beteiligung an Grätzelmanagement<br />
Aktivitäten:<br />
„Teilweise stehen sie kurz vor der Pension und fragen sich, was soll ich mich da noch<br />
engagieren, bringt eh nichts die ganze Geschichte. Es war immer sehr sehr schwierig,<br />
die Gewerbetreibenden hier einzubinden“ (I1_w30-39: 1101-1104).<br />
Auf der anderen Seite stand der ersten Gruppe eine „Noch-Minderheit“ von zugewanderten<br />
Marktstandbetreibern gegenüber, die für Flexibilisierung und Ausweitung der<br />
Geschäftsbereiche eintraten und sich kulturell bzw. bezüglich ihrer Ideen nicht mit der ersten<br />
Gruppe identifizieren konnten.<br />
124
„Wir haben am Anfang gesprochen mit anderen Geschäftsleuten aber es ist schwierig,<br />
jeder hat seine eigene Ideologie und es ist schwer einen gleichen Weg zu finden“<br />
(I12_m30-39: 30-32).<br />
Aufgrund kultureller Unterschiede und unterschiedlicher Wünsche wurden die gemeinsamen<br />
Feste zu Beginn vom Markt wieder eingestellt:<br />
„Lauter Leute, die gerne Bier trinken und das hat nur für den Markt geschadet. Die<br />
Leute haben sich sozusagen erschrocken, weil bei uns kommen sehr viele Mütter mit<br />
Kindern und die sehen drinnen die Leute, die ziemlich viel Alkohol trinken. Das ist nicht<br />
schön. Welche Frau mit einem kleinen Kind will sich dort aufhalten“ (I12_m30-39: 41-<br />
45).<br />
Gegensätzliche Interessen um die Ladenöffnungszeiten zeigten eine weitere grundlegende<br />
Differenz auf. Das Grätzelmanagement war praktisch die dritte Gruppe in dieser Konstellation,<br />
konnte diese Grenzen zwischen den beiden Gruppen am Markt aber nicht überwinden. Wobei<br />
die Frage offen bleibt, ob die alteingesessenen Marktstandbetreiber das Grätzelmanagement,<br />
die Veränderungen in eingefahrene Strukturen herbeiführen wollten, als Machtkonkurrenz<br />
erlebten. So bleibt auch zu bezweifeln, dass eine Polarisierung zwischen den beiden<br />
Marktgruppen in „Aktive“ und „Verhinderer“ zulässig ist:<br />
„die eine Seite (...), das waren die Verhinderer und die anderen waren eher die Aktiven.<br />
Und das war natürlich ein Blödsinn, wenn ich sage ich kümmere mich nur um die eine<br />
Seite des Marktes“ (I10_w30-39m40-49: 105-107).<br />
Die finanzielle Förderung nur auf einen Teil der Gewerbetreibenden zu beschränken war vor<br />
dem Hintergrund der EU-Kriterien nicht zu rechtfertigen. Hier mangelte es eventuell an<br />
sozialer Kompetenz und einschlägiger Qualifikation der Grätzelmanager des WWFF, die<br />
eigene Rolle als Akteur im Stadtteil zu reflektieren und das Verhältnis zu den Marktleuten als<br />
Faktor des Vernetzungserfolges wahrzunehmen. Sogenannte „Verhinderer“ müssen nicht per<br />
se passiv sein. Eindeutig ist diese Frage jedoch hier nicht zu klären.<br />
Ungleiche Machtverteilung in den Netzwerken<br />
Ungleichgewichte in der Machtverteilung innerhalb von Netzwerken des Grätzels konnten<br />
auch vom Grätzelmanagement nur schwer ausgeglichen werden. Besonders wenn es sich um<br />
alteingesessene gewohnte Strukturen handelte, wie sie durch den Markt als Meinungsbildner<br />
und Grätzelzentrum verfestigt wurden.<br />
Dort hatte die Marktsprecherin großes Gewicht, wenn es darum ging, den Markt als Akteur für<br />
Grätzelmanagement Veranstaltungen oder Beteiligungen bei Aushandlungen zu gewinnen<br />
(I1_w30-39: 545-547). Sie galt als starke Meinungsbildnerin unter den Gewerbetreibenden<br />
(I1_w30-39: 571-573). So waren die Misserfolge im <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft nicht nur von<br />
ungleichen Interessen gekennzeichnet sondern auch von einer besonderen Einflussnahme<br />
einzelner Personen gegen das Grätzelmanagement (I1_w30-39: 571-573). Die Marktsprecherin<br />
125
war insofern nicht kooperationsbereit als sie das Marktfest nicht mit dem <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur<br />
und Gesellschaft terminlich koordinierte und gemeinsame Aktivitäten mit anderen<br />
Marktständen verhinderte, indem sie den Zugang zu Ressourcen wie die elektrische<br />
Stromversorgung am Markt verhinderte (I9_m50-59: 467-483). Es konnte sich auch im<br />
Grätzelmanagement niemand die spezielle Machtposition der Marktsprecherin erklären.<br />
„Mit ihrer Stimme hat sie Initiativen einfach verhindern können, wo aber keiner gewusst<br />
hat aufgrund welcher Basis hat die überhaupt das Recht. Jeder hat immer Angst gehabt<br />
vor der Frau Schindler (Name vom Verf. geändert)“ (I10_w30-40m40: 698-701).<br />
Die Funktion des Marktsprechers oder der Marktsprecherin ist eine informelle, nie schriftlich<br />
festgelegte Funktion und der Nachweis einer Legitimation ist somit unmöglich. Die<br />
Übernahme dieser Funktion basiert auf Freiwilligkeit und ihr geht keine Wahl durch ein<br />
Gremium oder andere Einrichtungen voraus, so der Marktamtsabteilungsleiter für den 2.<br />
Bezirk 47 . Die auf Dauer verfestigte Überzeugung von der Bedeutung der Person, welche diese<br />
informelle Funktion ausübt, ist also allein ausschlaggebend. Es wurde jedoch verabsäumt,<br />
diesen Sachverhalt im Grätzel bekannt zu machen, wenn das auch nicht die Aufgabe des<br />
neutralen Grätzelmanagements gewesen wäre. Dabei muss allerdings in Frage gestellt werden,<br />
ob eine diesbezügliche Aufklärung die Fronten nicht eher verhärtet hätte, kann das<br />
Grätzelmanagement aus Sicht der Marktbetreiber und auch umgekehrt doch auch als<br />
Konkurrent um Macht gedeutet werden.<br />
Die unterschiedlichen Artikulationsfähigkeiten sozialer Gruppen führten in<br />
Beteiligungsprozessen zu den auch in anderen Beteiligungsinitiativen bekannten<br />
Ungleichheiten in der faktischen Machtverteilung. Die Verteilung von Einfluss kann auch im<br />
<strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum und seiner Beschäftigung mit der Umgestaltung des<br />
Volkertplatzes kritisch betrachtet werden. Es haben sich beim Volkertplatz nämlich Gruppen<br />
beteiligt, die dann weniger die eigentlichen Nutzer darstellten (I4_m50-59: 434-435). So waren<br />
im Arbeitkreis vornehmlich österreichische Teilnehmer aktiv, während nach längerer<br />
Beobachtung festzustellen war, dass der Platz weitgehend von Frauen und Kindern<br />
migrantischen Hintergrunds genutzt wurde. Dieses Ungleichgewicht versuchte das<br />
Grätzelmanagement auszugleichen, indem es Zuwanderer in eigenen Gruppen dazu bewegte,<br />
ihre Ideen und Wünsche über bildliche Mitgestaltung einzubringen (I8_m40-49: 385-398). Die<br />
dort gesammelten Informationen und Ideen mussten dann wieder in den <strong>Arbeitskreis</strong><br />
öffentlicher Raum ohne Zuwanderer zurück gespielt werden, um dort weiter behandelt werden<br />
47 Laut Herrn Lastowiczka, Telefonat vom 20.6.2007<br />
126
zu können (I8_m40-49: 404-407). Damit blieb jedoch der <strong>Arbeitskreis</strong> der Filter und der Ort<br />
der letzten Entscheidung über die Einbringung von Ideen in den Planungsprozess der<br />
Verwaltung. Dabei kam es zu keinem unmittelbaren Austausch geschweige denn einer<br />
unmittelbaren Vermittlung unterschiedlicher Interessen und Meinungen, womit auch eine<br />
Chance der Begegnung und einer tiefergehenden Integration versäumt wurde.<br />
EU-Förderkriterien vs. Engagement der lokalen Akteure<br />
Neben dem bürokratischen Charakter des Grätzelmanagements aus Sicht der Zuwanderer ging<br />
ein weiteres Problem vom Grätzelmanagement aus. Im Nachhinein müssen die vielen<br />
Versprechungen und Zusagen der verschiedenen Grätzelmanager hinsichtlich der<br />
weitreichenden Förderungsmöglichkeiten als unvorsichtig bezeichnet werden. Die<br />
Förderkriterien der EU waren weit enger formuliert und strenger umzusetzen als ursprünglich<br />
geglaubt oder den Bewohnern und Unternehmern versprochen:<br />
„... das war am Anfang das Problem, dass keiner gewusst hat welche Maßnahmen kann<br />
eigentlich tatsächlich fördern und dann ist einmal alles in den Beirat gegangen zur<br />
Abstimmung, die Leute haben sich gefreut und dann ist die Hälfte abgelehnt worden, weil<br />
es keine Chance gegeben hat, die zu fördern. Dann ist das Engagement in den Keller<br />
gefallen, weil du erzählst mir vorher, das geht alles und ich zerbreche mir den Kopf und<br />
geht es aber doch nicht“ (I10_w30-39m40-49: 168-173).<br />
Gerade zu Beginn einen Enthusiasmus zu fördern, der dann teilweise ins Leere läuft, ohne<br />
genauer zu wissen, was man dabei verspricht, kann in einer Phase, in der noch das Vertrauen<br />
und die Beziehungen unter den Akteuren zu schwach ausgeprägt sind, für angehende<br />
Vernetzungen kontraproduktiv wirken. So hat es sich überhaupt als problematisch<br />
herausgestellt, dass die Projektideen sich nicht mit den Förderkriterien deckten und „von<br />
unten“ was anderes benötigt wurde als „von oben“ intendiert war. Diese Divergenzen<br />
bezüglich Angebot und Nachfrage wirkten sich auf die Motivation zur Beteiligung hemmend<br />
aus und schreckte schließlich viele Akteure ab.<br />
Fehlende Bindung an den Stadtteil<br />
Im Stadtteil Volkert- und Alliiertenviertel haben sich in den letzten Jahren einige Betriebe<br />
niedergelassen, die einer größeren überregionalen Firmenkette angehören. Die Strategien<br />
dieser Betriebe sind jedoch zumeist zentralistisch gesteuert und daher weniger an der lokalen<br />
Entwicklung orientiert oder in diese eingebunden. Die Versuche, solche Betriebe für Interessen<br />
des Stadtteils zu gewinnen sind letztlich fehlgeschlagen. Die ortsansässige ursprünglich<br />
österreichische Bank mit Filialen in weiten Teilen Europas ist dem breiten Interesse der<br />
Stadtteilakteure, einen Bargeldautomaten zu installieren nicht nachgekommen und hat im<br />
127
Frühjahr 2007 gar die Filiale am Volkertplatz geschlossen. Der Filialleiter musste sich dabei<br />
den Konzerninteressen fügen. Von einer Beteiligung im <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft konnte hier<br />
keine Rede sein.<br />
Diesen Filialbetrieben fehlt die Bindung an den Stadtteil (I3_m50-59: 287-296) und kleine<br />
Betriebe, die sich mehr auf die örtliche Situation einstellen, gibt es immer weniger (I3_m50-<br />
59: 305). Der Stadtteil befindet sich in einer langwierigen wirtschaftlichen<br />
Umstrukturierungsphase, die vom Grätzelmanagement auch nicht wesentlich beeinflusst<br />
werden konnte. An den überregionalen Interessen und Strategien von großen Unternehmen<br />
scheiterten schließlich lokale Strategien wie das Grätzelmanagement.<br />
Aber auch Institutionen, welche das öffentliche Interesse vertreten, konnten nicht in<br />
Grätzelmanagement Aktivitäten einbezogen werden, weil ihnen vermutlich die Aktionsebene<br />
Stadtteil zu kleinräumig war. So konnten manche zentral organisierten Institutionen nicht für<br />
ein lokales Engagement gewonnen werden. Arbeitsmarktpolitische Projekte waren nicht die<br />
Kompetenz des Grätzelmanagement, weshalb es auch mangels kompetenter Partner zu keinen<br />
diesbezüglichen Projekten kommen konnte (I4_m50-59: 277-278).<br />
Zugangsbeschränkungen für die Beteiligung<br />
Viele Aktivitäten des Grätzelmanagements waren von vorne herein so konzipiert, dass nur eine<br />
definierte Gruppe von Akteuren zur Beteiligung zugelassen wurde. Eine breitere Vernetzung<br />
und Vermittlung war dort damit unterbunden.<br />
Bei der Diskussion um die Abgrenzung des Volkertmarktes zum Freizeitbereich des<br />
Volkertplatzes in Richtung Rueppgasse wurden nach Definition des Bezirksvorstehers nur die<br />
Marktleute einbezogen, nicht die Nutzer des Freiraums, mit der Begründung, dass hier nur die<br />
Wirtschaft die Betroffenen waren (I3_m50-59: 389-394). Die Frage nach der Betroffenheit und<br />
der daraus abgeleiteten Rechtfertigung für eine Beteiligung ist objektiv schwer zu beantworten.<br />
Wer sich subjektiv betroffen fühlt und konstruktiv einbringt, könnte jedoch zu einer<br />
verständigungsorientierten Diskussion beitragen.<br />
Die meisten <strong>Arbeitskreis</strong>e waren nicht nur thematisch eingegrenzt, sondern auch was ihre<br />
Teilnahme betraf. Oft wurde diese Begrenzung plausibel begründet. Eine weitere Öffnung<br />
stellte sich in manchen Fällen jedoch manchmal als fruchtbar heraus. Der <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive<br />
Frauen (nur für Frauen), der <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum (nicht für Institutionen), der<br />
<strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen (nur für Institutionen) oder der <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft (nur<br />
Unternehmer) waren offiziell auf Gruppen beschränkt.<br />
128
Der <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum war nur für Bewohner und Unternehmer vorgesehen, nicht<br />
für Institutionen, weshalb der Jugendtreff J.at anfangs nicht dabei war, dann jedoch für die<br />
Jugendeinrichtung geöffnet wurde, wie z.B. für das Thema Ballspielen und Ballspielkäfig<br />
(I13_w30-39: 57-63).<br />
Viele Institutionen im Grätzel wie u.a. die Kirchen oder der Jugendtreff konzentrierten sich<br />
zwar sehr aktiv auf ihre jeweiligen Zielgruppen, konnten dadurch aber nur wenig zu einer<br />
Vernetzung unterschiedlicher Gruppen beitragen (I1_w30-39: 579-581). Dadurch ließen sich<br />
diese Institutionen auch nur eingeschränkt in Aktivitäten des Grätzelmanagement einbinden,<br />
die eine breitere Einbindung vorsahen. Eine themenübergreifende Zusammenarbeit war nicht<br />
möglich.<br />
Kündigung des Grätzelmanagers<br />
Die Kündigung des Grätzelmanagers für Bewohner im Sommer 2006 war ein Bruch im<br />
Verlauf des Grätzelmanagements. Der <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft und der<br />
<strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen legten ihre Aktivitäten bis zum Ende des Grätzelmanagements<br />
2006 aus Protest nieder und geplante Veranstaltungen wurden abgesagt.<br />
„Richard (Name von Verf. geändert) hat halt da seine Klientel gehabt und die haben<br />
gesagt, wenn er nicht mehr da ist, kommen wir halt auch nicht mehr“ (I11_w60-69: 207-<br />
209).<br />
Der Kündigungsgrund war für die Bewohner nicht nachvollziehbar. Eine Fortsetzung der<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>aktivitäten war erst wieder für Jänner 2007 angedacht (I1_w30-39: 485-488). Das<br />
Vorgehen der Vorgesetzten der Gebietsbetreuung wurde als Vertrauensbruch gedeutet und das<br />
Vertrauen in das Grätzelmanagement war in Folge erschüttert, da ein solcher Umgang mit<br />
Menschen von vielen Bewohnern nicht toleriert wurde (I1_w30-39: 481-483, I8_m40-49: 485).<br />
Der verantwortliche Leiter der Gebietsbetreuung wurde von <strong>Arbeitskreis</strong>teilnehmern zur<br />
Stellungnahme und Begründung der Kündigung vor den Leuten der <strong>Arbeitskreis</strong>e aufgefordert,<br />
was dann auch geschah (I9_m50-59: 346-353).<br />
Nur die Aktivitäten beim „Grätzl-Blattl“ wurden von den Beteiligten vom <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur<br />
und Gesellschaft und vom <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen aufrecht gehalten (I1_w30-39: 489-490).<br />
Die Teilnehmer vom <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft trafen sich weiter privat und berieten<br />
über die Fortsetzung der Aktivitäten im Jänner 2007 (I9_m50-59: 354-357).<br />
Das Beispiel zeigt außerdem, dass eine persönliche Bindung an einzelne Personen<br />
stattgefunden hat, die durch besonders stark entwickeltes Vertrauen Netzwerke stabilisiert hat.<br />
129
5.2.10. Initiativen<br />
Neben der Einrichtung Grätzelmanagement vor Ort initiierten lokale Akteure auch immer<br />
wieder Alleingänge. Dies geschah vor allem dann, wenn diese Akteure ihre Interessen über das<br />
Grätzelmanagement nicht stark genug vertreten sahen und den Druck und den Einfluss bei der<br />
Bezirkspolitik erhöhen wollten. Das Jugendtreff J.at hat zum Beispiel eine<br />
Unterschriftenaktion für den Bau des Ballspielkäfigs im Rahmen der Umgestaltung des<br />
Volkertplatzes gestartet und die Liste dem Bezirksvorsteher übergeben (I13_w30-39: 82-85).<br />
Auch die Marktleute haben eine Unterschriftenaktion gegen die Fußgängerzone in Erwägung<br />
gezogen, diese dann jedoch nicht umgesetzt (I13_w30-39: 86-88). Das Grätzelmanagement<br />
blieb hier insofern erfolglos, als es seine vermittelnde Rolle verlor, die gemeinsame Diskussion<br />
abgebrochen wurde und ein Konsens nicht mehr möglich war. In beiden Streitpunkten wurden<br />
die Entscheidungen schließlich „von oben“ (Jury, Bezirksvertretung) getroffen.<br />
5.2.11. Nachhaltigkeit: selbsttragende Strukturen<br />
Gerade bei einem als Pilotprojekt titulierten Programm wie dem Grätzelmanagement stellt sich<br />
am Ende die Frage nach der Nachhaltigkeit, nach den Strukturen, die nach Ablauf des<br />
Programms weiterbestehen. Insbesondere die selbsttragenden sozialen Strukturen auf<br />
Stadtteilebene interessieren in diesem Kapitel. Bei den <strong>Arbeitskreis</strong>en stellt sich das<br />
folgendermaßen dar. Die Teilnehmer des <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft haben nach<br />
Ende der Projektphase Grätzelmanagement einen Verein für Veranstaltungen gegründet<br />
(I4_m50-59: 342). Im Jänner 2007 ist dieser Verein „Grätzel aktiv Volkert- Alliiertenviertel“<br />
bereits ins Leben gerufen worden und er besteht hauptsächlich aus den selben Personen wie die<br />
beiden bereits vorher gut vernetzten <strong>Arbeitskreis</strong>e Kultur und Gesellschaft und Aktive Frauen<br />
(I9_m50-59: 235-240). Der Verein bekommt für Besprechungen jederzeit Zugang zum<br />
Gebietsbetreuungsbüro am Volkertplatz, dem ehemaligen Grätzelmanagement Büro (I9_m50-<br />
59: 513-516).<br />
Der <strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen besteht zwar nach wie vor, trifft aber nur mehr alle zwei Monate<br />
zusammen.<br />
Der <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum ist nach letzten Angaben im Februar 2007 auch noch aktiv<br />
gewesen und beschäftigt sich weiter mit allgemeinen Fragen des öffentlichen Raumes und des<br />
Verkehrs.<br />
Ebenfalls weiter bestehen wird die Zeitung bzw. der Verein „Grätzl-Blattl“, das Grätzelfest<br />
und der Grätzelball, der im Februar 2007 auch stattgefunden hat.<br />
130
Nach Ansicht des bis Sommer 2006 beschäftigten Grätzelmanager wird das Gefühl ernst<br />
genommen worden zu sein nachhaltig in die kommenden Aktivitäten hineinwirken (I8_m40-<br />
49-49: 364-375). Das „Grätzl-Blattl“ wird als Kooperationspartner erhalten bleiben und im<br />
September das Sommerkino mit veranstalten. Außerdem sind das Herbstfest und der<br />
Weihnachtsmarkt geplant (I9_m50-59: 235-250). Diese Realhandlungen werden<br />
wahrscheinlich dazu beitragen, dass die Vereine und Gruppen weiter zusammentreffen und<br />
Anlässe finden, sich auszutauschen bzw. die Aktivitäten in längerfristige Vorhaben ausbauen.<br />
Der <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft hat sich bereits während des Grätzelmanagement mangels<br />
Interesse still aufgelöst. Die Betreuerin und ehemalige im Stadtteil bereits bekannte<br />
Grätzelmanagerin für Wirtschaft bietet aber im Büro der Gebietsbetreuung nach wie vor<br />
Beratungstermine an. Das BSC (Business Service Center) bildet die Fortsetzung der WWFF-<br />
Aktivitäten und ist als eigenes Ziel2 Projekt bis Mitte 2008 konzipiert, um die lokale<br />
Wirtschaftssituation weiter zu verbessern (I10_w30-39m40-49: 222-228). Das BSC benötigt in<br />
Zukunft den Grätzelbeirat als Entscheidungsgremium nicht mehr, möchte jedoch den<br />
Bezirksvorsteher auch in Zukunft über die diesbezüglichen Aktivitäten informieren (I10_w30-<br />
39m40-49: 259-260).<br />
Auch der Grätzelbeirat wird in Zukunft als ein Entscheidungsgremium beibehalten werden,<br />
jedoch war im Februar 2007 noch nicht klar in welcher Form und mit welchen Mitgliedern.<br />
Im informellen Bereich sind vor allem die vielen neuen Freundschaften, die sich innerhalb des<br />
Viertels entwickelt haben zu erwähnen (I4_m50-59: 363-364). Kontakte und Bekanntschaften<br />
haben sich neben den <strong>Arbeitskreis</strong>en etabliert.<br />
Manche Aktiven gaben sich zum Ende des Grätzelmanagement betont selbstbewusst und<br />
zukunftsorientiert.<br />
Der Wille zu mehr Eigenverantwortung scheint da bereits Fuß gefasst zu haben:<br />
„(...) aber jetzt sind wir an der Reihe. Sie haben uns ein Beispiel gezeigt, aber jetzt sind<br />
wir an der Reihe“ (12_m30-39: 151-152).<br />
Auch am Grätzelforum im Sommer 2006 haben die aktiven Bewohner vom „Grätzl-Blattl“<br />
und dem <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft die Not zur Tugend gemacht und selbstbewusst<br />
die eigenständige Finanzierung zukünftiger Aktivitäten proklamiert. Ob ein so reibungsloser<br />
Übergang in eine langfristige Selbstständigkeit bei Ausbleiben öffentlicher Unterstützung<br />
gelingen kann, bleibt abzuwarten.<br />
So meinen kritische Stimmen, dass es verschiedenste Infrastruktur und Ressourcen wie Räume,<br />
Papier, Moderation, unterstützende Intervention auch in Zukunft bräuchte (I6_m33: 418-421).<br />
131
Zudem hätten für die Zukunft rechtzeitig lokale Institutionen gefunden werden müssen, die<br />
eine weitere Unterstützung bestehender Netzwerke gewährleisten (I6_m30-39: 434-441). Das<br />
ist soweit bekannt nur mit der Bereitschaft der Gebietsbetreuungen geschehen, ihre Büroräume<br />
für Besprechungen des Vereins „Grätzel Aktiv“ und der bestehenden <strong>Arbeitskreis</strong>e zur<br />
Verfügung zu stellen.<br />
Dazu kommt, dass es zum Beispiel im <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft zum Ende des<br />
Grätzelmanagement an einer ordentlichen Verabschiedung und Überleitung in die<br />
Selbstständigkeit fehlte und der Ablöseprozess damit nicht vollzogen war, wodurch die Gefahr<br />
bestand, Unklarheiten und Spannungen mit in die Selbstständigkeit zu nehmen (I8_m40-49:<br />
486-489).<br />
132
6. Vertikale Vernetzung durch das Grätzelmanagement<br />
Die soziale Vernetzung zwischen der Stadtteilebene und der Ebene der Politik und Verwaltung<br />
sollte zu einem verbesserten Austausch von Informationen und Wünschen führen. Die<br />
Problemlösungen sollten so besser auf den Stadtteil abgestimmt werden. Außerdem geht es<br />
darum, eine verständigungsorientierte Kommunikation zwischen den Ebenen zu fördern.<br />
6.1. Grätzelbeirat<br />
Der Grätzelbeirat war das Entscheidungsgremium zur Beschlussfassung der von den<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>en eingereichten Projekten (I6_m30-39: 109-110). Hier wurden die angesuchten<br />
förderfähigen Projekte nach ihrer Förderwürdigkeit eingestuft (I6_m30-39: 111-112). Die<br />
Statuten regelten die Teilnahme, die Abstimmung oder auch die Hinzuziehung von<br />
Fachexperten zur Beratung. Stimmberechtigt war der WWFF, die MA 25, die MA 27, die<br />
Magistratsdirektion Baudirektion, die Bezirksvorstehung Leopoldstadt sowie die Sprecher der<br />
jeweiligen <strong>Arbeitskreis</strong>e außer vom <strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen, d.h. maximal fünf<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>vertreter. Weiteres, jedoch nicht stimmberechtigtes Mitglied war das WZW und<br />
der Bürgerdienst. Den Vorsitz hatte das nicht stimmberechtigte Grätzelmanagement. Für die<br />
Beschließung von Projekten war eine Mehrheit von mehr als 50% notwendig, für eine<br />
Änderung der Geschäftsordnung eine 2/3 Mehrheit.<br />
Der Grätzelbeirat war öffentlich zugänglich, Interessierte konnten diesen also (ohne<br />
Stimmberechtigung) besuchen.<br />
Der Grätzelbeirat fand vierteljährlich in den Räumlichkeiten der Bezirksvorstehung statt.<br />
Er war der offizielle Ort der Begegnung der Ebenen Verwaltung, Politik, Grätzelmanagement<br />
und lokaler Akteure.<br />
Die MA 27 war als kompetenter Experte der EU-Kriterien nur selten im Beirat anwesend, hielt<br />
lediglich über den Ziel2 Beirat Kontakt zur Bezirksvertretung (I5_m40-49: 137-142). Sie stand<br />
als Vertreter der Verwaltung und potentieller Ratgeber in Sachen EU Förderungen damit kaum<br />
im Grätzelbeirat zur Verfügung, was die Vermittlung eines wesentlichen Anteils des<br />
Tagesgeschäftes des Grätzelmanagements, nämlich die übergeordneten Rahmenbedingungen<br />
wie die Finanzierung von Projekten, zu den Akteuren auf lokaler Ebene beeinträchtigte.<br />
Das Unwissen über die Förderkriterien war gerade zu Beginn ein wesentlicher Faktor zur<br />
Verunsicherung und Demotivierung aller beteiligten Akteure.<br />
133
Auch der Bezirksvorsteher entfernte sich nach Eröffnung des Grätzelbeirats meist und ließ sich<br />
allerdings durch einen Stellvertreter für die Besprechung von Einzelheiten ersetzen (I9_m50-<br />
59: 411-414).<br />
Der Grätzelbeirat hat eine eigene Ebene von Öffentlichkeit geschaffen, die über die<br />
anwesenden Akteure erzeugt wurde und so „nach draußen“ breiter gestreut werden konnte.<br />
Nach Meinung des WZW Mitarbeiters hat der Grätzelbeirat die Transparenz der<br />
Entscheidungen und die Kommunikation im Grätzel verbessert (I6_m30-39: 332-360). Er hob<br />
dabei besonders die Rolle des MD BD Mitarbeiters und seine kommunikativen Fähigkeiten<br />
hervor:<br />
„Der Bogner (Name geändert d. Verf.) war in der Lage zu kommunizieren authentisch<br />
meiner Meinung nach, warum gewisse Dinge einfach dauern, weil gewisse Prozesse<br />
komplex sind und weil es dort ur viele Akteure gibt und (...). Das hat er immer wieder<br />
kommuniziert. Gut finde ich. Und die Bewohner waren immer wieder in der Lage zu<br />
sehen und was ist das jetzt“<br />
(I6_m30-39: 338-341).<br />
Das gegenseitige Vertrauen stieg im Laufe der Jahre im Grätzelbeirat.<br />
„Ich kann wirklich sagen, dass das fast ein familiäres Ambiente dort ist, die sich alle schon<br />
jahrelang gut kennen und sie wissen, es ist keiner in seinen Forderungen unverschämt“<br />
(I9_m50-59: 422-424).<br />
Der Zugang zum Beirat war zwar öffentlich, das Stimmrecht war allerdings auf definierte<br />
Institutionen und Personen beschränkt. Die <strong>Arbeitskreis</strong>sprecher konnten bei Abwesenheit eine<br />
Vertretung bestimmen und ihr Stimmrecht abgeben (I9_m50-59: 429-431).<br />
6.2. Projektkoordinationsgruppe<br />
Die Projektkoordinationsgruppe wurde erst später im Verlauf des Grätzelmanagement<br />
eingerichtet. Zwei bis drei Wochen vor dem Grätzelbeirat traf sie zusammen. Dabei wurden die<br />
Projektideen aus den <strong>Arbeitskreis</strong>en von Vertretern des WWFF und der Bezirksvorstehung<br />
sowie einem Grätzelmanager besprochen. Die Anträge wurden auf ihre EU-Förderfähigkeit<br />
geprüft und eventuell umformuliert. Im Projektlaufbogen wurde vom Grätzelmanager der<br />
Projekttitel, die Zielgruppe, das Ziel der Projektmaßnahmen und die Kosten eingetragen. Das<br />
ausgefüllte Formular wurde anschließend noch mit dem <strong>Arbeitskreis</strong>sprecher abgesprochen<br />
und bestätigt (I1_w30-39: 955-960), bevor das Projekt im Grätzelbeirat zur Abstimmung<br />
vorgestellt wurde.<br />
134
6.3. Vernetzung „nach oben“<br />
Die Vernetzung des Grätzelmanagements „nach oben“ kann bis zur Ebene der EU verfolgt<br />
werden, mit der jedoch kein unmittelbarer Austausch mehr nachgewiesen werden konnte. Die<br />
europäische Kommission fungierte viel mehr als Kontrollstelle der von der MA 27 verwalteten<br />
Projekte in Wien (I5_m40-49: 146-154).<br />
Sinnvoll erscheint im Zuge dieses Austausches zumindest die Rahmenbedingungen<br />
hinsichtlich der Förderungen und deren Leistungsfähigkeit an die EU Kommission weiter zu<br />
kommunizieren, wenngleich das Grätzelmanagement im Stadtteil diese Aufgabe nicht<br />
übernehmen wird können.<br />
Die beteiligten Akteure waren sich weitgehend darüber einig, dass die Förderkriterien oft nicht<br />
mit den Bedürfnissen der lokalen Akteure korrespondierten. Dabei muss berücksichtigt<br />
werden, dass die Ziel 2 Förderkriterien nie ausdrücklich für ein Projekt wie das<br />
Grätzelmanagement konzipiert wurden sondern hauptsächlich an wirtschaftlichen Maßnahmen<br />
und nicht an einem Bürgerbeteiligungsprojekt orientiert war.<br />
So stellt sich weiter die Frage, wie weit die Vernetzung „nach oben“ gelungen ist.<br />
Die Bekanntheit des Grätzelmanagements in der Wiener Stadtverwaltung und Politik blieb bis<br />
zum Ende relativ bescheiden, auch wenn bei den Experten darüber die Meinungen auseinander<br />
gegangen sind. Von einem städtischen Schulterschluss für ein ganzheitlich ansetzendes<br />
Reformprogramm konnte aber keine Rede sein. Das Grätzelmanagement war in den<br />
Baudienststellen und Planungsdienststellen bekannter als in den rechtlichen Verwaltungsteilen<br />
(I5_m40-49: 224-225).<br />
Die Bekanntheit des Grätzelmanagements in der Verwaltung war laut MD BD Mitarbeiter im<br />
Allgemeinen recht gut, besonders im Wohnbaubereich, Stadterneuerungsbereich,<br />
Planungsbereich, Sozialbereich, im Bereich Integration, Kultur und Wirtschaft (I7_m40-49:<br />
285-296).<br />
Aus Sicht des WZW war für das Grätzelmanagement bei der MA 25 Schluss und in Richtung<br />
Stadtratbüro gab es keine Integration der Idee (I6_m30-39: 374-375). Immerhin hat sich über<br />
die Jahre ein privat freundschaftlicher Kontakt zwischen Grätzelbewohnern und einer<br />
Mitarbeiterin der MA 25 entwickelt (I8_m40-49: 536-539). Es gab jedoch keine<br />
nennenswerten Kontakte zu den Stadtratbüros, weder zum geschäftsmäßig zuständigen Stadtrat<br />
für Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung noch zu anderen, wenn man einmal vom Besuch<br />
des Stadtrates für Stadtentwicklung und Verkehr bei der Eröffnung des neuen Volkertplatzes<br />
absieht oder die Einladung von Bewohnern des Grätzels bei den Integrationstagen durch die<br />
135
Stadträtin für Integration (I11_w60-69: 294-296). Eine Zusammenarbeit oder ein<br />
Informationsaustausch auf operativer Ebene fand nicht statt.<br />
Die Präsenz des Grätzelmanagement in der Öffentlichkeit war ein Spiegelbild der allgemeinen<br />
Bedeutung in der politischen Szene.<br />
„(...) wir haben ein bisschen Probleme in der Wienweiten Öffentlichkeitsarbeit gehabt.<br />
Wir hätten immer gern gehabt, dass der Stadtrat das Projekt vorstellt, weil es an sich ein<br />
erfolgreiches Projekt ist, das hätte man her zeigen können. Und das war in der Form nie,<br />
dass beide Bezirke und der Stadtrat sagen das Grätzelmanagement ist die Zukunft und<br />
die und die Elemente übernimmt die Stadt Wien“ (I4_m50-59: 460-464).<br />
Das Grätzelmanagement fand sich auch in keiner offiziellen politischen Diskussion oder einem<br />
gesamtstädtischen Stadtentwicklungsprogramm wieder. Weder im STEP 05 fand das<br />
Grätzelmanagement eine Erwähnung noch wurde es im Gemeinderat der Stadt Wien zum<br />
Tagesordnungspunkt (I7_m40-49: 408-411). Die Abschlusskonferenz des Grätzelmanagement<br />
Ende 2006 machte auch noch einmal deutlich, wie gering das Interesse von Seiten der städtisch<br />
institutionellen Ebene war. Dort war nur ein Gemeinderat und niemand vom Wohnbauressort<br />
(MA25) (I4_m50-59: 478-480) oder anderen Ressorts zu Gast.<br />
Die Vernetzung nach oben endete also im Großen und Ganzen bei den Institutionen, die auch<br />
im Grätzelbeirat vertreten waren bzw. bei den unmittelbar an der Umsetzung von Projekten<br />
beteiligten Magistratsabteilungen, wie der MA 11, MA 13, MA 19, MA 21, MA 25, MA 28,<br />
MA 42, MA 48, MA 55 48 , wo jeweils bestimmte Ansprechpersonen zur Verfügung standen<br />
(I8_m40-49: 547-548).<br />
Eine Kommunikation der Lernerfahrungen aus dem Grätzelmanagement und dessen Qualität<br />
an die Entscheidungsträger der jeweiligen Stadträte, Gemeinderäte oder den Bürgermeister ist<br />
bis Ende Februar 2007 nicht erfolgt (I6_m30-39: 379-383). Damit bleibt das Konzept des<br />
Grätzelmanagements vorerst von einer breiteren Anerkennung und Umsetzung<br />
unberücksichtigt. Eine umfassendere Reform der Organisation und operativen Umsetzung von<br />
Stadtentwicklung und Stadterneuerung bleibt vorerst aus, auch wenn Erkenntnisse aus dem<br />
Pilotprojekt in die neuen Gebietsbetreuungen einfließen werden.<br />
Es konnten hinsichtlich der vertikalen Vernetzung mit der Verwaltung jedoch auch Teilerfolge<br />
erzielt werden. Der persönliche Kontakt des Bezirksvorstehers und einer Mitarbeiterin der MA<br />
25 führte immerhin zu einer wichtigen Motivation der Teilnehmer des <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und<br />
48 Ausgeschriebene Bezeichnungen siehe Abkürzungsverzeichnis<br />
136
Gesellschaft nach Ende des Grätzelmanagements weiter zu machen und einen Verein zu<br />
gründen (I9_m50-59: 359-368).<br />
Im <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum waren immer wieder Gäste aus Politik und Verwaltung, wie<br />
der Bezirksvorsteher, der Leiter der Verkehrskommission des Bezirks mehrmals oder Vertreter<br />
der Polizei und der MA 48 zur Diskussion und für Erläuterungen und Informationsaustausch zu<br />
Gast (I13_w30-39: 434-438). Auch im <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft war der<br />
Vorsitzende der Kulturkommission zu Besuch (I1_w30-39: 212-218).<br />
Die Grätzelmanager standen auch abseits des Grätzelbeirats und der<br />
Projektkoordinationsgruppe mit den Vertretern der Trägerorganisationen in Kontakt und trafen<br />
sich in Fokusgruppen regelmäßig zur Prozessreflexion (I6_m30-39: 212-214).<br />
Je stärker der Stadtteil oder der Bezirk gemeinsamer Bezugs- und Interessensschwerpunkt war,<br />
umso besser gelang auch der Austausch und die Vernetzung der Akteure. Geriet der<br />
geographische und administrative Bezugspunkt jedoch aus dem gemeinsamen Aktionsradius<br />
und Blickfeld, umso schwieriger und seltener gelang eine Vernetzung zwischen den Ebenen.<br />
6.4. Problemdefinition<br />
Bei der Frage, wer die Themen bestimmt, die im Grätzelmanagement behandelt werden sollen,<br />
d.h. wer die Probleme definiert, die gelöst werden sollen, muss von einer zweigleisigen<br />
Vorgangsweise gesprochen werden, die weder explizit so gewollt war noch dabei half, den<br />
Prozess zu optimieren. Zuerst konnten die Menschen ihre Ideen und Probleme im Grätzel bei<br />
Grätzelmanagern im Container und dann bei der aktivierenden Befragung bzw. bei der<br />
Ideenwerkstatt einbringen, die dann zu <strong>Arbeitskreis</strong>en zusammengefasst wurden (I4_m50-59:<br />
187-195). Die von den Bewohnern eingebrachten Themen waren Änderungswünsche im<br />
öffentlichen Raum, die Volkertplatzumgestaltung, kulturelle Veranstaltungen, das<br />
Jugendzentrum und ein Frauentreffen nur für Zuwanderinnen, oder eine große Veranstaltung<br />
für alle (I8_m40-49: 214-218). Auch in den <strong>Arbeitskreis</strong>en gab es natürlich weiter die<br />
Möglichkeit, Probleme zur Sprache zu bringen. So wurde etwa im <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher<br />
Raum bei den ersten Sitzungen gemeinsam ein Themenkatalog erstellt (I4_m50-59: 210-215).<br />
Der <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft hat seine Projekte überhaupt selbst geplant und<br />
abgewickelt (I4_m50-59: 245-246).<br />
Auf der anderen Seite waren mit den EU-Förderkriterien die behandelbaren Probleme<br />
vordefiniert. Das bedeutete, dass auch nur dafür Geld zur Verfügung stand. Die Ziele des<br />
Grätzelmanagements mussten damit von den EU-Verordnungen und Förderprogramm<br />
abgedeckt sein (I5_m40-49: 54-55). Das Förderprogramm Ziel 2 enthielt den städtischen<br />
137
Bereich, den Wirtschaftsbereich und den Sozialbereich, Qualifizierung und Integration. Das<br />
Grätzelmanagement war im Wirtschaftsbereich und städtischen Bereich angesiedelt (I5_m40-<br />
49: 63-66). Viele Ideen wie zum Beispiel die kulturellen Veranstaltungen wurden von diesen<br />
Kriterien allerdings nicht erfasst. Gerade diese Beiträge stellten sich aber im Stadtteil als<br />
besonders wertvoll für die Bildung sozialen Kapitals heraus. Sie mussten alternativ finanziert<br />
werden oder eben aufgegeben werden. Der ursprüngliche Projektantrag für das<br />
Grätzelmanagement beinhaltete noch alle nur erdenklichen Themen. Schließlich einigte man<br />
sich auf Wirtschaft und Soziales mit Qualifikation, musste dann aber letzteres auf materielle<br />
Infrastruktur umschichten. Damit konzentrierte man sich auf zwei Fördertöpfe der EU<br />
(I6_m30-39: 168-176):<br />
„Einschneidend und bindend waren dann diese beiden Töpfe. Das war der springende<br />
Punkt. Weil man hat nichts finanzieren können außerhalb dieser Töpfe. Es war (...) von<br />
der Nachfrageseite nach Aktivitäten war es sehr breit. Von der Angebotsseite war es wie<br />
ein Trichter, Filter eigentlich“ (I6_m30-39: 181-184).<br />
Da das Konzept des Grätzelmanagement einen Bottom-Up Ansatz verlangte (I6_m30-39: 187-<br />
192), hat man in der Praxis zuerst Projekte entwickelt und dann an die Förderkriterien<br />
angepasst (I6_m30-39: 192-194). Diese Logik erschwerte die Formulierung und<br />
verschlechterte in Folge die Umsetzungschancen von Projekten.<br />
Das Grätzelentwicklungskonzept und die darin in Projektideen umformulierten Probleme<br />
wurden gemeinsam vom Grätzelmanagement und lokalen Akteuren entwickelt (I7_m40-49:<br />
117-118). Hier wurden die lokalen Akteure in einen intensiven kreativen Prozess eingebunden,<br />
dessen Ergebnis zwar eine gute Transparenz der Wünsche und Ideen im Stadtteil ermöglichte.<br />
Die Umsetzungswahrscheinlichkeit hing aber wie gesagt von den übergeordneten<br />
Förderkriterien ab.<br />
Zu den Förderkriterien der EU kamen schließlich noch die Interessen der Träger wie dem<br />
WWFF, der Wirtschaftsprojekte forcierte (I6_m30-39: 184-187) und der Politik hinzu, die<br />
meinungsbildend ihren Einfluss im Grätzelbeirat geltend machten und als weitere Filter bzw.<br />
Steuerungsfaktoren fungierten (I10_w30-39m40-49: 200-201), noch bevor es dort zu einer<br />
Beschlussfassung bzw. Entscheidung kam. Die bindenden Rahmenbedingungen für die<br />
Umgestaltung des Volkertplatzes wurden außerdem vom Bezirksvorsteher und dem MD BD<br />
Mitarbeiter an die lokalen Akteure im <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum kommuniziert (I10_w30-<br />
39m40-49: 282-283).<br />
Der Volkertplatz wurde sowohl von der Bezirksvorstehung als auch von der Bevölkerung als<br />
Problemfeld wahrgenommen und artikuliert.<br />
138
Aber auch das Grätzelmanagement Team musste aus rationalen Gründen die Ergebnisse der<br />
aktivierenden Befragung strukturieren und für die Ideenwerkstatt aufbereiten (I10_w30-<br />
39m40-49: 225-228), wobei es zwangsläufig zu Filterungen der eingebrachten Ideen kam.<br />
Der Weg von der Idee zum umgesetzten Projekt erwies sich somit als ein langer und steiniger,<br />
auf dem die ursprüngliche Intention der Idee unter Umständen auf der Strecke blieb. Eine<br />
ganze Reihe an Filterungen und Veränderungen führte dazu, dass die lokalen Akteure zwar ihre<br />
Probleme artikulieren durften, aber damit keinerlei Anspruch darauf zu verbinden war, diese<br />
Probleme auch unabhängig in eine Projektentwicklungsphase zu überführen. Der Bottom-Up<br />
Ansatz konnte also bereits hier, noch lange vor der Entscheidungsphase nur teilweise<br />
umgesetzt werden. Eine vertikale Vernetzung, eine Einbindung aller Ebenen in die<br />
Problemdefinition, wie sie Alisch (2002) vorgeschlagen hat (siehe Kapitel „Struktur von<br />
Stadtteilmanagement“), hat hier diffus stattgefunden, allerdings ohne demokratischen<br />
Aushandlungsprozessen. Die Kriterien der EU wurden einfach als fixe Rahmenbedingungen<br />
vorgelegt.<br />
6.5. Projektentwicklung und Umsetzung<br />
Die Entwicklung und Umsetzung der einzelnen Projekte war je nach Materie unterschiedlichen<br />
Akteuren überlassen. Der <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft war so weit autark, dass<br />
aufgrund der gezwungenermaßen finanziellen Unabhängigkeit auch eine weitgehende<br />
Unabhängigkeit hinsichtlich der operativen und inhaltlichen Arbeit bestand.<br />
Die Ideen des <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum wurden von den Magistraten geprüft und in die<br />
eigenen Abwicklungsverfahren eingebunden, wie das beim Umbau des Volkertplatzes der Fall<br />
war, wo teilweise auch die Marktleute, die Zuwanderer und Jugendlichen in die<br />
Projektentwicklung eingebunden waren. Zuerst mussten die Ideen der Beteiligung in die<br />
Projektentwürfe der Bewerber einfließen (I1_w30-39: 277-278). Die weitere Projektent- und -<br />
abwicklung erfolgte dann in den jeweils zuständigen Magistratsabteilungen, wie der MA28<br />
(Straßenbau) und die MA 42 (Stadtgartenamt) (I4_m50-59: 264). Die Umsetzung von<br />
Projekten im öffentlichen Raum wurden dann von Firmen, welche die Stadt Wien beschäftigt<br />
und beauftragt, übernommen (I4_m50-59: 268-269). Kleinere Projekte wie die Aufstellung der<br />
Sitzbänke oder die Pflanzung von Bäumen wurden zuerst im <strong>Arbeitskreis</strong> entwickelt und dann<br />
der entsprechenden Magistratsabteilung zur Prüfung vorgelegt bzw. an die Förderkriterien<br />
angepasst, was allerdings Reibungsverluste erzeugte, weil man die Projekte nochmals<br />
überarbeiten musste, um sie auch finanziert zu bekommen (I6_m30-39: 192-194).<br />
139
6.6. Entscheidungskompetenzen<br />
Im wichtigsten Entscheidungsgremium im Rahmen des Grätzelmanagements, dem<br />
Grätzelbeirat, wurden alle Entscheidungen im Konsens getroffen (I1_w30-39: 74-75).<br />
Trotzdem war dort eine Schieflage der Machtverteilung vorprogrammiert, wenn man die lokale<br />
und städtische Ebene einander gegenüber stellt. Die Verwaltung und Politik hatte immer<br />
mindestens genauso viele Stimmen wie die lokale Ebene, das war statutarisch festgelegt.<br />
Nachdem der <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft zum Ende des Grätzelmanagement praktisch bereits<br />
aufgelöst war und meist auch sonst nicht alle <strong>Arbeitskreis</strong>sprecher anwesend waren bzw. der<br />
<strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen nicht stimmberechtigt war, ergab sich eine dauerhafte Mehrheit der<br />
städtisch institutionellen Ebene (I1_w30-39: 70-73).<br />
Der Grätzelbeirat wirkte neben seiner Bedeutung als Informations- und Vermittlungsinstanz<br />
auch als Filter von Bottom-Up Bewegungen und Einflüssen. Hier konnten die Wünsche der<br />
lokalen Ebene kontrolliert und wenn notwendig unterbunden bzw. deren Projekte auch<br />
verhindert werden.<br />
Die Einrichtung der Projektkoordinationsgruppe brachte die Vorteile einer planmäßigen<br />
Formulierung und Präsentation angesuchter Projekte und deren raschest mögliche Umsetzung.<br />
Sie bedeutete jedoch auch den Nachteil einer zusätzlichen Filterung lokalen Einflusses und<br />
Potenzials durch die verantwortlichen Institutionen und verschaffte ihnen einen<br />
Informationsvorsprung für Diskussionen im Grätzelbeirat. Sie stellte damit eine Möglichkeit<br />
für die Politik und Verwaltung dar, frühzeitig und vor der eigentlichen Entscheidung in den<br />
Entscheidungsprozess inhaltlich steuernd einzugreifen. Projekte wurden dadurch an die<br />
Förderkriterien angepasst.<br />
Wenn auch die Absicherung seitens Bezirkspolitik, Verwaltung und WWFF hinsichtlich des<br />
Einsatzes eigener finanzieller Mittel verständlich erscheint, muss doch auch auf das über die<br />
Projektkoordinationsgruppe ausgedrückte Misstrauen gegenüber den lokalen Akteuren und<br />
nicht zuletzt gegenüber den Grätzelmanagern hingewiesen werden. Zudem spiegelte diese<br />
Einrichtung die Unsicherheit aller Akteure gegenüber der Finanzierungsstruktur von EU-<br />
Projekten wider. So scheint es, dass erst nach einigen Jahren Erfahrung und dem Aufbau von<br />
Vertrauen eine Entlassung lokaler Akteure, einschließlich des Grätzelmanagements selbst, in<br />
die Selbstständigkeit möglich gewesen wäre. Gerade in diesem Spannungsfeld zwischen<br />
Unsicherheit und dem Bedürfnis nach Institutionalisierung, zwischen Verantwortung und<br />
Vertrauensvorschuss offenbart sich das Phänomen von Governance.<br />
Die Projektkoordinationsgruppe trug dazu bei, Projekte rascher umzusetzen und Zeit zu sparen.<br />
Die Vernetzung brachte für die Anwesenden einen Informationsaustausch und mit der Zeit<br />
140
zunehmende Handlungssicherheit und Vertrauen in ihr eigenes Handeln bzw. in das der<br />
Projektantragsteller. Sie kann jedoch auch als Symbol für die eingeschränkte Eignung der EU-<br />
Förderprogramme für ein Stadtteilmanagement gesehen werden.<br />
Der Grätzelbeirat hatte die theoretische Möglichkeit und Macht, die Gebietsbetreuung bzw. das<br />
Grätzelmanagement abzusetzen. Diese Regelung war Förderbedingung der EU (I9_m50-59:<br />
374-376).<br />
In dieser Regelung drückte sich nochmals die Sandwichposition des Grätzelmanagements in<br />
formalisierter Weise aus. Der Druck von Verwaltung und Politik sowie von der Stadtteilebene<br />
erhielt so eine unmittelbar existentielle Komponente für das Grätzelmanagement bzw. dessen<br />
Mitarbeiter.<br />
Als ein Beispiel zur Illustration der Entscheidungskompetenzen ist die Umgestaltung des<br />
Volkertplatzes zu nennen. Nachdem die Ergebnisse der Prozessmoderation rund um den<br />
<strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum in die Ausschreibung für den Wettbewerb eingearbeitet waren,<br />
wurde eine Jury einberufen, die den Gewinner zu bestimmen hatte. In der Jury saßen vier<br />
Fachjuroren und drei Laienjuroren, ein Bewohner und zwei Bezirksvertreter (I8_m40-49-49:<br />
427-428). Mit der Gebietsbetreuung als ein Teil der Fachjury bestand die Mehrheit in der Jury<br />
aus Kennern der Wünsche aus dem Beteiligungsprozess und des Stadtteils (I13_w30-39: 344-<br />
346).<br />
Wo kein Konsens erreicht wurde, wurden die unterschiedlichen Positionen vom<br />
Grätzelmanagement protokolliert und an die Entscheidungsträger (Bezirksvertretung,<br />
federführende Magistrate) weiter gegeben (I13_w30-39: 173-174). Ein strittiger Punkt blieb bis<br />
zu letzt der Ballspielkäfig, bei dem dem Grätzelmanagement lediglich die Rolle der<br />
Vermittlung unterschiedlicher Positionen blieb:<br />
„Im Endeffekt gab es da aber keine Einigung zu dem Prozess. Wir haben dann halt da<br />
aufgezeigt, dass es da unterschiedliche Positionen gab“ (I13_w30-39: 294-296).<br />
Die Entscheidung blieb in solchen Fällen der Bezirksvertretung und der Jury, die sich für die<br />
Variante ohne Ballspielkäfig entschied. Im strittigen Punkt der Fußgängerzone entschied<br />
ebenfalls die Bezirksvertretung, nämlich dafür, allerdings ohne Parkmöglichkeit (I13_w30-39:<br />
320-321).<br />
6.6.1. Entscheidungskompetenzen der lokalen Ebene<br />
Die Entscheidungsmöglichkeiten der lokalen Akteure waren im Grätzelmanagement<br />
weitgehend eingeschränkt.<br />
141
„Es war so, dass die Bewohner in dem Sinn gar nicht entscheiden haben können, was<br />
wirklich kommt oder nicht, sondern eher mitsprechen haben können“ (I1_w30-39: 286-<br />
288).<br />
Im Grätzelbeirat konnten die <strong>Arbeitskreis</strong>sprecher bei den Beschlussfassungen eingereichter<br />
Projekte mit stimmen. Die letzte Entscheidung trafen sie jedoch in keinem Fall.<br />
Zudem war wie erwähnt ein Vertreter der <strong>Arbeitskreis</strong>e in der Jury zum Volkertplatz<br />
stimmberechtigt.<br />
Der Grätzelbeirat bot die Möglichkeit der Artikulation von Interessen und Bedürfnissen und<br />
die Argumentation von Seiten der <strong>Arbeitskreis</strong>e (I6_m30-39: 117-125).<br />
Aufgrund des auslaufenden Pilotprojektes (das Grätzelmanagement lief noch bis Ende 2006)<br />
stieg der WWFF mit Ende 2005 aus dem Grätzelbeirat aus, führte die Grätzelmanagement<br />
Aktivitäten im Rahmen des Business Service Center aber weiter. Dadurch verringerten sich die<br />
Einflussmöglichkeiten lokaler Akteure bei Wirtschaftsprojekten im Grätzelbeirat (I10_w30-<br />
39m40-49: 259-260).<br />
6.7. Kommunikation des Grätzelmanagement „nach oben“<br />
Die Vermittlung und Kommunikation mit der Verwaltungsebene bzw. der Politik war durchaus<br />
gegeben. Es bestand laufender Kontakt und Informationsaustausch mit der Bezirksvorstehung<br />
und den Bezirksräten sowie unregelmäßige informelle Besuche beim Bezirksvorsteher<br />
(I1_w30-39: 199-205). Das Grätzelmanagement hat den Bezirksvorsteher immer auf dem<br />
Laufenden gehalten (I3_m50-59: 266-267). Der Bezirksvorsteher war unter anderem zu Gast<br />
im <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum (I1_w30-39: 205-207). Formelle Gespräche fanden in Form<br />
von Berichterstattungen im Grätzelbeirat und im Grätzelforum statt (I3_m50-59: 165-168).<br />
Dazu kamen informelle Gespräche per Telefon oder auch bei Veranstaltungen (I3_m50-59:<br />
159-161). Die Bezirksvorstehung pflegte im Rahmen des Grätzelmanagements Kontakte zur<br />
Stadtverwaltung (MA 25, MA19, MA 21, MD BD) (I3_m50-59: 267).<br />
Die im Grätzelbeirat nur selten anwesende MA 27 erhielt Berichte über Projektansuchen im<br />
Grätzelbeirat (I5_m40-49: 117-119).<br />
Ansonsten bot vor allem der Grätzelbeirat die Möglichkeit als institutionalisiertes Gremium,<br />
Informationen und Anregungen oder Beschwerden aus dem Stadtteil in die Verwaltung und<br />
Politik zu vermitteln. Der Umbau des Volkertplatzes war ein eigener Prozess, bei dem die<br />
Ideen der lokalen Akteure besonders genau und vorsichtig dokumentiert und an die Verwaltung<br />
und Politik weitergegeben wurden. Alle anderen Formen der Kommunikation „nach oben“<br />
fanden in weniger formalisierten und geregelten Situationen statt, wie bei Wortmeldungen im<br />
Grätzelforum oder eben Gesprächen bei Veranstaltungen und Festen statt.<br />
142
6.8. Kommunikation des Grätzelmanagement „nach unten“<br />
Wurden grundlegende Entscheidungen in Abwesenheit der lokalen Akteure getroffen, so<br />
wurden diese meist eigens vermittelt. So musste die einschränkende Wirkung der EU Kriterien<br />
den Bewohnern erklärt werden, als diese nicht mit den Bedürfnissen überein stimmten<br />
(I1_w27: 81-84). Auch die eigene Unsicherheit der Kriterienauslegung wurde vom<br />
Grätzelmanagement an die Bewohner kommuniziert, um Verständnis und Geduld bei den<br />
Beteiligten zu erreichen (I1_w30-39: 107-110).<br />
Im <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum war der Bezirksvorsteher zu Gast und hat dort Fragen<br />
beantwortet bzw. Rahmenbedingungen erläutert (I1_w30-39: 205-207).<br />
Das Grätzelmanagement versuchte eine Transparenz über die Kompetenzverteilung<br />
herzustellen, wer entscheiden und wer mitreden konnte, mit dem Ziel Rahmenbedingungen zu<br />
klären und Differenzen zu vermeiden (I1_w30-39: 865-872):<br />
„Es ist auch wichtig zu sagen, ihr habt dann die Möglichkeit, bei der<br />
Volkertplatzumgestaltung zum Beispiel. Ist es ein Mitspracherecht oder habt ihr die<br />
Entscheidungskompetenz. Und wenn ihr die Entscheidungskompetenz nicht habt, wer hat<br />
die? Und das auch wirklich klipp und klar am Tisch zu legen. Weil je mehr ich weiß von<br />
den Rahmenbedingungen, in denen ich mich bewegen kann und je mehr auch die<br />
Bewohner wissen oder die Teilnehmer von einem <strong>Arbeitskreis</strong> wissen in welchen<br />
Rahmenbedingungen sie sich bewegen können, je klarer diese Strukturen rundherum<br />
sind, um so weniger kommt es zu Differenzen oder so. Da ist halt auch wirklich<br />
Ehrlichkeit angesagt“ (I1_w30-39: 864-872).<br />
Hier war der Grätzelbeirat besonders wichtig, um einen kontinuierlichen Informationsfluss<br />
über Entwicklungsprozesse an die Bewohner aufrechtzuerhalten. Die <strong>Arbeitskreis</strong>sprecher<br />
konnten diese Informationen dann in ihre <strong>Arbeitskreis</strong>e weiter tragen (I6_m30-39: 127-130).<br />
Diese Weitergabe in die <strong>Arbeitskreis</strong>e war jedoch nicht formalisiert und verlief unsystematisch<br />
ab, wodurch die Zuverlässigkeit der weitergegebenen Informationen verschlechtert wurde und<br />
zudem eine Filterung der Informationen statt fand.<br />
6.9. Spielregeln zum Verhältnis zwischen Bezirksvertretung und<br />
Stadtteilgremien<br />
Einige Letztentscheidungen wie die über den Ballspielkäfig oder die Fußgeherzone musste wie<br />
wir gehört haben, die Bezirksvertretung übernehmen. Der Bezirk ist weitgehend für<br />
Maßnahmen im öffentlichen Raum der Finanzverantwortliche. Als solcher, so der<br />
Bezirksvorsteher (I3_m50-59: 423-426) wie auch der Grätzelmanager (I4_m50-59: 112-113),<br />
ist er auch mit seiner Bezirksvertretung und dem Finanzausschuss der Letztentscheidende für<br />
größere Projekte, die das Bezirksbudget betreffen. Im Grätzelbeirat konnte lediglich über<br />
143
kleinere Projekte, die vom Grätzelmanagement Budget abgedeckt wurden, entschieden werden.<br />
Diese Vorgangsweise ist den lokalen Akteuren immer wieder kommuniziert worden.<br />
6.10. Vertrauen in die „untere“ Ebene<br />
Hier geht es um das Vertrauen im Sinne einer Abgabe von Entscheidungs- oder<br />
Mitbestimmungskompetenz. Das Vertrauen von Seiten der demokratisch legitimierten Politik<br />
und der Verwaltung in die “untere” Stadtteilebene drückte sich im Grätzelmanagement in<br />
mehreren Situationen aus.<br />
Das Stimmrecht in der Jury zum Wettbewerb um die Umgestaltung des Volkertplatzes war für<br />
die lokale Ebene auf eine Person konzentriert, welche von den gewählten Sprechern jedes<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>es ausgesandt wurde (I1_w30-39: 295-297). Diese Person war eine von sieben<br />
stimmberechtigten Jurymitgliedern. Eine Mehrheit der unmittelbar von den Maßnahmen<br />
Betroffenen, d.h. im Stadtteil wohnenden oder arbeitenden Menschen, war somit von vorne<br />
herein ausgeschlossen.<br />
Die Einrichtung eines Grätzelbeirates und der Projektkoordinationsgruppe zeigt, dass das<br />
Vertrauen begrenzt ist und somit die Möglichkeiten der Mitbestimmung über Projekte im<br />
Stadtteil beschränkt bleiben sollen. In der Bewertung der Anliegen der lokalen Akteure durch<br />
die Verwaltung drückt sich die Schieflage in punkto Macht und Vertrauen aus.<br />
„Der Grätzelbeirat wird vom Grätzelmanagement moderiert(...), dass die Bewohner ihre<br />
Anliegen und ihre Projekte einbringen können, die Verwaltung sagt dann ja finden wir<br />
gut, finden wir nicht gut. Die Änderung wäre gut oder das würden wir uns wünschen,<br />
(...)“ (I1_w30-39: 184-186).<br />
Diese Vorgangsweise verstärkt die Abhängigkeit gegenüber der Verwaltung und der Politik<br />
und bestätigt die hierarchische Struktur, weil eine selbstbestimmte Projektumsetzung<br />
unterbunden wird und den Bewohnern signalisiert, dass ihnen kein vernünftiger<br />
Ressourcenumgang zugetraut wird.<br />
In einzelnen vor allem persönlichen Beziehungen zeigte sich, dass privat freundschaftliche<br />
Kontakte zwischen Grätzelbewohnern und Mitarbeitern aus der Verwaltung durchaus möglich<br />
waren (I8_m50-59: 536-539), woraus sich auch Vorteile für Einzelpersonen oder Gruppen aus<br />
dem Stadtteil ergeben haben. Der Bezirksvorsteher motivierte, und die MA 25 beriet und<br />
motivierte den <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft bzw. einzelne befreundete Bewohner zur<br />
Vereinsgründung und zum Weitermachen (I9_m50-59: 359-368), wenngleich dieses Bemühen<br />
von politischer Seite nicht ohne der eigenen Vorteile betrachtet werden kann. Sind doch die<br />
lokalen Akteure mit nachhaltiger Aktivität im Stadtteil für die politisch Verantwortlichen ein<br />
herzeigbarer Erfolg.<br />
144
Der neugegründete Verein „Grätzel Aktiv“ bekommt als Nachfolger des <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur<br />
und Gesellschaft jederzeit Zugang zum Gebietsbetreuungsbüro für Besprechungen (I9_m50-<br />
59: 513-516), was auch auf dem über die Jahre gut entwickelten Vertrauen gründet. Hier<br />
spielte die Etablierung einzelner Personen als zuverlässige Partner zweifellos eine Rolle.<br />
Das Vertrauen der Politik in das Grätzelmanagement war ebenfalls sehr wichtig, um eine<br />
entsprechende Unterstützung für das Grätzelmanagement zu gewährleisten. Das Klima<br />
zwischen Politik und Grätzelmanagement war trotz des Zuspruchs und Respekts aller<br />
politischen Fraktionen im Bezirk (I8_m40-49-49: 521-523) sensibel auf Störungen. Dass das<br />
Grätzelmanagement auch für die Bezirkspolitik ein wichtiger Partner war, wenn auch der<br />
unparteiische Status des Grätzelmanagement und dessen Neutralität unangetastet bleiben<br />
sollte, zeigte sich an zwei Beispielen, bei denen sich Bezirkspolitiker irritiert beim<br />
Grätzelmanagement beschwerten. Bei einer Veranstaltung einer Künstlergruppe am<br />
Volkertplatz wurden Luftballone einer politischen Partei verteilt, wofür Bezirkspolitiker das<br />
Grätzelmanagement verantwortlich machten. Im zweiten Fall war die Bezirkspolitikerin einer<br />
Oppositionspartei am Wahlsonntag im Rahmen einer Grätzelführung im Büro des<br />
Grätzelmanagements gesehen worden. Beide Male wurde von den Bezirkspolitikern ein<br />
Vertrauensmissbrauch des Grätzelmanagements geortet und die Neutralität des<br />
Grätzelmanagements in Frage gestellt. In beiden Fällen konnten aber die Missverständnisse<br />
nach langen intensiven Gesprächen ausgeräumt werden (I1_w30-39: 935-938). Trotzdem<br />
wurde das Vertrauen zum Grätzelmanagement und der Zuspruch aller Parteien (ÖVP, SPÖ,<br />
Grüne, FPÖ, KPÖ) vom Grätzelmanager insgesamt als hoch eingeschätzt (I8_m49: 521-523).<br />
Die Einrichtung eines Verfügungsfonds kann als Vertrauensbeweis an die Stadtteilakteure<br />
interpretiert werden, sofern dieser Fonds ausreichende Mittel vorsieht.<br />
6.10.1. Verfügungsfonds<br />
Die Eigenverantwortlichkeit, die lokalen Akteuren zugetraut wird, drückt sich neben der<br />
Möglichkeit der Mitbestimmung auch in der Überantwortung finanzieller Mittel aus. Ein frei<br />
verfügbares Budget für das Grätzelmanagement im Sinne eines Verfügungsfonds wird dabei<br />
oft verlangt. Neben dem Kleinstbudget für kleine Projekte, die immer im Grätzelbeirat<br />
beschlossen werden müssen, konnte das Grätzelmanagement nur als Sponsor für kleine<br />
Unterstützungen von Projekten auftreten. Das Logo des Grätzelmanagement wurde in solchen<br />
Fällen auf Drucksorten platziert. Die Kosten gingen dann als Werbungskosten aufs<br />
145
Grätzelmanagement Budget (I1_w30-39: 114-120). Es gab dazu aber auch noch frei verfügbare<br />
Mittel in Höhe von 2.500 Euro pro Quartal. Die Verantwortung dafür trugen die<br />
Grätzelmanagement Mitarbeiter (I4_m50-59: 130-131). Diese Mittel standen laut Statut für<br />
kurzfristige Maßnahmen dem Grätzelmanagement zur Verfügung und betrugen 1/6 der<br />
gesamten Projektmittel von 60.000 Euro im Jahr (I10_w30-39m40-49: 159). Über deren<br />
Verwendung war im nächsten Grätzelbeirat zur Prüfung der Richtlinienkonformität zu<br />
berichten gewesen (I10_w30-39m40-49: 150-155).<br />
6.11. Gemeinsame Problemorientierung<br />
Hinsichtlich einer gemeinsamen Problemorientierung über die Strategie und die Ziele des<br />
Grätzelmanagement gab es einige Überschneidungen, wenngleich der jeweilige institutionelle<br />
Hintergrund die Perspektive prägt. Der Stadtteilbezug war einer dieser Kernaspekte des<br />
Grätzelmanagements. Der Bezirksvorsteher sah den Stadtteilbezug des Grätzelmanagements<br />
als sinnvoll an, da die begrenzten Finanzierungsmitteln für den ganzen Bezirk nicht ausgereicht<br />
hätten (I3_m50-59: 31-34). Währenddessen sah der Mitarbeiter der MA 27 im Stadtteilbezug<br />
eine sinnvolle Möglichkeit, die Mittel auf ein Gebiet zu konzentrieren, weil sie in einem<br />
Bereich sehr viel bewirken können (I5_m40-49: 289-297). Ähnlich beurteilen die Mitarbeiter<br />
des WWFF die Bedeutung des Grätzelmanagements. Die Konzentration der Mittel auf ein<br />
benachteiligtes Gebiet war wichtig (I10_w30-39m40-49: 468-470). Die Gebietsabgrenzung<br />
war außerdem sinnvoll, da so die Erreichbarkeit und Kontaktaufnahme mit Unternehmen<br />
erleichtert wurde (I10_w30-39m40-49: 477-483). Sie sahen in der Konzentration auf einen<br />
Stadtteil für ihre Institution auch Vorteile in eigener Sache, nämlich die Möglichkeit, den<br />
WWFF als Institution bekannter zu machen indem man direkt vor Ort sein konnte (I10_w30-<br />
39m40-49: 470-474).<br />
Überhaupt wurde im effizienten Einsatz der Ressourcen aus dem Stadtteil ein Vorteil erkannt,<br />
der jedoch noch nicht im gewünschten Sinn zur Umsetzung kam:<br />
„(...) generell ist es sozusagen, es geht ja nicht nur ums ressortübergreifend sondern um<br />
gebietsbezogene Projektentwicklung und die gibt es noch nicht, (...)“ (I4_m50-59: 532-<br />
533).<br />
Die Integration und Nutzung der lokalen Ressourcen aus dem Stadtteil waren eine weitere<br />
Gemeinsamkeit in der Problemsicht einiger Akteure. Die „Bedürfnisse der Stadtteile“<br />
(I7_m40-49: 260), die „Orientierung an den Betroffenen“ (I8_m40-49-49: 161) oder von den<br />
Ideen der Unternehmern auszugehen (I10_w30-39m40-49: 535-547) waren hier die häufig<br />
genannten Aspekte einer Grätzelmanagement Strategie.<br />
146
Auf der anderen Seite wurde die Beteiligung lokaler Akteure mit der Notwendigkeit der<br />
Legitimation von Ergebnissen und Entscheidungen argumentiert und zwar von den<br />
einflussreichsten Vertretern aus der Verwaltung: Das Grätzelmanagement bedeutete aus deren<br />
Sicht auch eine Absicherung für den Bezirk (I5_m40-49: 350-356) und eine nachhaltige<br />
Akzeptanz der Ergebnisse (I7_m40-49: 156-162).<br />
Aus Sicht des Vertreters des WZW war das Grätzelmanagement als Pilotprojekt ein<br />
Lernprojekt (I6_m30-39: 239-245). Schließlich wurde der Sinn des Grätzelmanagements auch<br />
darin gesehen, Neuerungen zu probieren, um diese Erfahrungen dann flächendeckend auf die<br />
Gebietsbetreuungen zu übertragen (I3_m50-59: 231-233).<br />
Sowohl in der Problemsicht als auch in der Umsetzung ist das Grätzelmanagement vorwiegend<br />
als ein Projekt gesehen worden, das vornehmlich im Stadtteil aktiv wirkt. Nur ein<br />
Grätzelmanager sprach von sich aus von zwei Projekt- oder Konzeptebenen, der Stadtteil- und<br />
der Verwaltungsebene (I4_m50-59: 522-523). Das Grätzelmanagement ist kaum in seinem<br />
Anspruch erkannt worden, Verwaltung neu zu organisieren und dabei Ressourcen zu<br />
verknüpfen, noch ist von Synergien gesprochen worden, die über breite Vernetzungen zu<br />
erzielen gewesen wären. Vielmehr ist Grätzelmanagement als Beteiligungsprojekt gesehen<br />
worden, in dem Stadtteildemokratie ausprobiert wurde.<br />
6.12. Problemsicht vertikale Verteilung<br />
Hinsichtlich der Entwicklung des Demokratiebewusstseins sind im Zuge des<br />
Grätzelmanagements die Akteure auf zwei Ebenen angeregt worden. Zum einen wurde<br />
deutlich, dass es in Konfliktsituationen und Meinungsverschiedenheiten verschiedene<br />
Positionen gibt und diese so weit verhärtet sein können, dass es zu keiner Einigung kommen<br />
kann. Prinzipiell unterschiedliche Interessen stehen hier einander gegenüber. So machte man<br />
die Lernerfahrung, dass in manchen Fällen ein Konsens zu erreichen ist (I3_m50-59: 372-373).<br />
Aus diesem Dilemma heraus betrachtet ergibt sich schließlich die Rechtfertigung demokratisch<br />
legitimierter Entscheidungsträger. Hier müssen dann letztlich die politisch Verantwortlichen<br />
die Entscheidung treffen, dafür sind sie gewählt worden, so der Bezirksvorsteher des 2. Bezirks<br />
(I3_m50-59: 374).<br />
Die Problemsicht hinsichtlich der Mitbestimmung der lokalen Ebene und der Verteilung von<br />
Macht bei Grätzelmanagement Projekten war unter den Akteuren relativ homogen. Die<br />
Bevölkerung des Stadtteils artikulierte kaum einmal den Anspruch für mehr Mitbestimmung.<br />
Der Einfluss einzelner Persönlichkeiten in den entscheidenden Gremien mag dafür<br />
147
verantwortlich gewesen sein. Der MD BD Mitarbeiter konnte durch seine Stimme und seine<br />
Argumente Projekte unterbinden oder Meinungen bilden, welche die Stadtverwaltung für nicht<br />
sinnvoll gehalten hat (I10_w30-39m40-49: 320-323). Auf die Frage, ob er gerne manchmal<br />
mehr Verantwortung übernommen hätte oder mehr Projekte entschieden und mehr Einfluss<br />
gehabt hätte, antwortete ein Bewohner:<br />
„Nein. Ich habe den Einfluss sowieso bei der Zeitung, ohne dass ich Mitglied bei der<br />
Zeitung bin“ (I9_m50-59: 444-445).<br />
Diese Aussage scheint sinnbildlich für den gewonnenen Selbstwert mancher Bewohner im<br />
Stadtteil zu sein, die keinen besonderen Anspruch auf mehr Entscheidungsmöglichkeit stellte.<br />
Es gab in diesem Sinne bis auf Ausnahmen keine weiteren Hinweise, dass eine Ausweitung der<br />
Mitbestimmung „von unten“ verlangt wurde. So beschwerten sich einmal Anrainer während<br />
der Bauphase bzw. der Pflanzung eines Baums und der beigestellten Sitzbank, dass sie nicht in<br />
die Planung eingebunden wurden (I13_w30-39: 500-502). Dieses Projekt war ein<br />
Partizipationsprojekt, bei dem im <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum Ideen für die Aufstellung von<br />
Rastplätzen im Stadtteil erarbeitet wurden. Offensichtlich hatte man dabei vergessen, alle<br />
Betroffenen auch zu Beteiligten zu machen. Im Zuge dieses Konfliktes bemühte sich das<br />
Grätzelmanagement um mehr Transparenz und erstellte eine Fotomontage zur<br />
Veranschaulichung des Projektes. Dazu wirkte ein Bezirksrat vermittelnd und so wurde<br />
schließlich eine Versöhnung mit den Anrainern ermöglicht (I13_w30-39: 502-503).<br />
Der Grund für den ansonsten relativ ruhigen Ablauf des Grätzelmanagement Projekts mag<br />
auch in der Vermittlungsarbeit des Grätzelmanagements gelegen haben, die von Beginn des<br />
Grätzelmanagements an, abgesehen von der diffusen Erläuterung der Förderkriterien, die<br />
Möglichkeiten der lokalen Akteure darlegten und begründeten. Den Bewohnern ist vermittelt<br />
worden, dass nicht alle Wünsche auch umgesetzt und erfüllt werden können (I1_w30-39: 288-<br />
290). Der Prozess zur Entscheidung und die Möglichkeiten der Beteiligung wurden im Vorfeld<br />
transparent gemacht:<br />
„Demokratie ist gar nicht so schwierig wenn man zuerst klärt worauf man sich einlässt.<br />
Der Beschluss alleine ist das wesentliche nicht, das wesentliche ist der Prozess, dass es<br />
zu dem Beschluss kommen kann. Dazu braucht es Information, was bewirkt der<br />
Beschluss. Es ist mir immer wichtig gewesen, das aufzuarbeiten“ (I8_m40-49-49: 428-<br />
431).<br />
148
6.13. Vermittlung<br />
Zu den Aufgaben des Grätzelmanagements gehörte neben der Vermittlung auf horizontaler<br />
Ebene auch die vertikale Vermittlung zwischen der Ebene der Politik und Verwaltung mit der<br />
Stadtteilebene. Diese intermediäre Aufgabe reichte für Vermittlungen unterschiedlicher<br />
Intensität. Diese bewegte sich zwischen bloßer Kontaktherstellung über den<br />
Informationsaustausch bis hin zur Verbesserung von Transparenz und gegenseitigem<br />
Verstehen.<br />
Das Grätzelmanagement verstand sich als Vermittler zwischen der Verwaltung und den<br />
Bewohnern. Die Grätzelmanagement Mitarbeiter sollten dabei eine neutrale Rolle einnehmen<br />
(I8_m40-49-49: 150-152).<br />
„Wir verstehen uns eher als Vermittlungsstelle zwischen den beiden Ebenen als Puffer<br />
haben wir das sehr gerne bezeichnet, um die verschiedensten Akteure in den Dialog<br />
miteinander zu bringen und das dann eigentlich nur moderierend zu begleiten...“<br />
(I8_m40-49-49: 163-166).<br />
6.13.1 Kontakt<br />
Das Selbstverständnis des Grätzelmanagements als Vermittlungsstelle lag darin, die<br />
verschiedensten Akteure in den Dialog miteinander zu bringen (I1_w30-39: 163-166). Es ging<br />
darum Kontakte herzustellen oder einzuleiten. Das Grätzelmanagement war als Drehscheibe<br />
zur Weitervermittlung an Dritte gedacht, die weitere Hilfe anbieten können.<br />
„Außerdem sind wir eine Art Drehscheibe – also die Leute kommen mit den diversesten<br />
Problemen da rein ins Büro und wir schauen halt dann, wo gehören sie wirklich hin oder<br />
wo kann man ihnen wirklich weiter helfen“ (I1_w30-39: 167-169).<br />
Eine Kernkompetenz des Grätzelmanagement war es daher, zu wissen welche Stellen für die<br />
jeweiligen Bedürfnisse und Anliegen zuständig sind.<br />
Die für Zuwanderer zuständige Grätzelmanagerin stellte etwa Kontakte für Unternehmen her<br />
oder informierte sie über Ansprechpartner (I2_w30-39: 655-657), wenn es etwa um<br />
gewerbliche Probleme ging, die mit einschlägigen Magistratsabteilungen zu klären waren.<br />
Der Vorsitzende der Kulturkommission des Bezirks kam in den <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und<br />
Gesellschaft auf Besuch, damit die Teilnehmer ihre Aktivitäten und Arbeiten vorstellen<br />
konnten und die Einreichung bei der Kulturkommission leichter wird, weil der Vorsitzende<br />
dann bereits den <strong>Arbeitskreis</strong> und die Anliegen kannte (I1_w30-39: 212-218).<br />
Die Kompetenz der Gebietsbetreuung, die Kontakte zu den magistratischen Dienststellen<br />
bereits zu haben, ist dem Grätzelmanagement zugute gekommen, besonders bei Fragen des<br />
öffentlichen Raumes (I4_m50-59: 487-492). Diese Aufgabe des Grätzelmanagement war<br />
insofern nicht neu, da die Gebietsbetreuung die Kontaktherstellung zum Magistrat auch schon<br />
149
gemacht hat (I10_w30-39m40-49: 453-454). Was die Projektabwicklung betraf, war es<br />
weniger die Aufgabe des Grätzelmanagement, Kontakte zwischen lokaler Ebene und<br />
Verwaltung herzustellen. Das Grätzelmanagement übernahm die Einreichungen für<br />
Veranstaltungen und Platzmieten und organisierte die Abnahme durch die Magistrate (I9_m50-<br />
59: 521-528), d.h. den Kontakt zur Verwaltung hatte hier das Grätzelmanagement und es kam<br />
bei den Projekten zu keiner selbständigen Übernahme diesbezüglicher Aufgaben durch die<br />
Bewohner oder Unternehmer im Sinne eines nachhaltigen Empowerments.<br />
6.13.2. Information<br />
Den Informationsfluss zwischen den Ebenen hat das Grätzelmanagement im formellen wie<br />
informellen Rahmen organisiert.<br />
In den <strong>Arbeitskreis</strong>en wurden Termine anderer <strong>Arbeitskreis</strong>e oder Termine für Veranstaltungen<br />
im Bezirk und Stadtteil weitergegeben. Es kamen Experten und Politiker, wie der<br />
Bezirksvorsteher zu Besuch in die <strong>Arbeitskreis</strong>e, wo Informationen in beide Richtungen<br />
ausgetauscht wurden.<br />
Bei den Grätzelforen stellten die <strong>Arbeitskreis</strong>e ihre Projekte und Ideen vor. Die Bezirkspolitik<br />
und die Verwaltung nahmen dazu Stellung und berichteten über Neuigkeiten wie Planungen<br />
oder Projekte, die von der Stadt angedacht waren. Diese und andere Veranstaltungen haben den<br />
Informationsfluss gewährleistet (I3_m50-59: 275-276), zu dem dadurch eine breite Hörerschaft<br />
Zugang bekam.<br />
Der Grätzelbeirat bot ebenfalls die Möglichkeit regelmäßig aktuelle Informationen aus erster<br />
Hand aus dem Stadtteil oder von der Bezirks- und Stadtebene zu erhalten. Der Beirat konnte<br />
von jedem Interessierten besucht werden, was aber faktisch kaum der Fall war (I9_m50-59:<br />
394-396). Meist waren nur die offiziellen Beiratsmitglieder vor Ort.<br />
Die <strong>Arbeitskreis</strong>sprecher bzw. Projektantragsteller holten sich hier Rat und Anregung von der<br />
Verwaltung für die Anträge, um mehr Fördergelder zu lukrieren (I9_m50-59: 404-409).<br />
Der MD BD Mitarbeiter hat Informationen über Erfahrungen und Projektentwicklungen im<br />
Gebiet im Beirat eingebracht (I7_m40-49: 52-57).<br />
Als EU-Projekt musste das Grätzelmanagement einen Jahresbericht an die MA 27 und in<br />
weiterer Folge an die Kommission abgeben (I5_m40-49: 125-127). Die meist nicht im<br />
Grätzelbeirat anwesende MA 27 erhielt Berichte über Projektansuchen im Grätzelbeirat<br />
(I5_m40-49: 117-119).<br />
150
Eine besonders breit gestreute Informationsmöglichkeit rund um den Stadtteil bot das „Grätzl-<br />
Blattl“, wodurch ein leicht zugängliches Medium geschaffen werden konnte (I6_m30-39: 306-<br />
310). Die Ausgaben gingen an alle Haushalte im Stadtteil und lagen im Grätzelmanagement<br />
Büro zur freien Entnahme auf.<br />
Im informellen Bereich gab es stets die Möglichkeit, sich im Grätzelmanagement Büro bei den<br />
Mitarbeitern zu informieren. Das Grätzelmanagement hat die Bezirksebene immer über neue<br />
Entwicklungen und Stimmungen im Stadtteil auf dem Laufenden gehalten (I8_m40-49: 532),<br />
was auch vom Bezirksvorsteher bestätigt wurde (I3_m50-59: 266-267). Auch die Bezirksräte<br />
kamen informell und direkt im Grätzelmanagement Büro vorbei, um sich über neue<br />
Entwicklungen zu informieren oder Informationen weiter zu geben.<br />
6.13.3. Transparenz<br />
Auf der „Metaebene“ der Transparenz versuchte das Grätzelmanagement die Möglichkeiten<br />
der Mitbestimmung und die Aussichten auf Verwirklichung von Projektideen zu erläutern.<br />
Es wurde vom Grätzelmanagement erklärt, wer entscheiden und wer mitreden konnte, um die<br />
Rahmenbedingungen zu klären und spätere Differenzen von vorne herein zu vermeiden<br />
(I1_w30-39: 865-872). Gegenüber den Zuwanderern hat eine Grätzelmanagerin am Beispiel<br />
Umgestaltung Volkertplatz erklärt, dass es sich um eine Erhebung handelt, deren Ergebnisse in<br />
die Planung des Platzes einfließen. Diese Ergebnisse würden jedoch nicht zwingend umgesetzt<br />
werden. Diese Voraussetzungen wurden mehrmals erläutert, da sonst die Erwartungen zu groß<br />
und unrealistisch gewesen wären (I2_w30-39: 76-81).<br />
Der Grätzelbeirat war der Ort der unmittelbarsten Herstellung von Transparenz, weil dort die<br />
Vertreter der institutionellen Ebene direkt mit den Vertretern der lokalen Ebene<br />
kommunizieren konnten. Die Verwaltung erläuterte in den Grätzelbeiräten ihre Bedenken<br />
gegenüber Projektvorschlägen, brachte aber auch selbst Vorschläge und Hilfestellungen für die<br />
Lösung bei Problemen von Projektanträgen ein (I1_w30-39: 183-187).<br />
Der Grätzelbeirat bot somit kontinuierliche Information über Entwicklungsprozesse, die von<br />
der Politik an die Bewohner weiter gegeben wurde, welche diese Informationen dann in ihre<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>e weiter tragen konnten (I6_m30-39: 127-130). Auch im Bereich (fach-)<br />
sprachlicher Vermittlung war der Grätzelbeirat wertvoll. Die Fachsprache der Verwaltung<br />
unterschied sich von der Alltagssprache der lokalen Akteure und die Moderation des<br />
Grätzelmanagements war beim Grätzelbeirat in solchen Fällen dazu aufgerufen, das<br />
gegenseitige Verstehen zu fördern (I1_w30-39: 191-194). Der Grätzelbeirat profitierte laut<br />
151
WZW Mitarbeiter von den kommunikativen Fähigkeiten des MD BD Mitarbeiters, die<br />
Komplexität von Prozessen allgemein verständlich transparent zu machen (I6_m30-39: 334-<br />
340). Im Grätzelbeirat wurde der Handlungskontext und das System, in dem der jeweils andere<br />
agierte transparenter (I6_m30-39: 345-350). Allerdings konnten manche Entscheidungen „von<br />
oben“ nur unzureichend begründet werden, bzw. fehlte gerade dort die notwendige<br />
Nachvollziehbarkeit.<br />
„Es gab Situationen wo irgendwo, - man könnte es als Willkür interpretieren warum<br />
dann irgendwas aus dem Hut gezaubert wurde, warum irgendwas nicht geht“ (I6_m30-<br />
39: 151-153).<br />
Situationen, Argumente und Prozesse waren manchmal also auch schwer nachzuvollziehen und<br />
die Geschwindigkeit oder die Begründung für die Nichtumsetzung von Vorhaben sowie die<br />
Darstellung der Förderfähigkeit von Projekten blieben unbefriedigend für die lokalen Akteure<br />
(I6_m30-39: 153-158). Der Grätzelbeirat erzeugte keine totale Transparenz des<br />
Verwaltungshandelns oder der politischen Entscheidungen. Die entsprechenden Akteure<br />
behielten sich manche Informationen ein oder hielten wichtige Details zurück – bewusst und<br />
unbewusst, wissend und nichtwissend.<br />
Während die Bedeutung des Grätzelbeirates für die Transparenz des Verwaltungshandelns und<br />
der politischen Entscheidungen betont wird, stellt sich die Frage wie transparent oder wie gut<br />
wahrnehmbar die Sichtweisen und Positionen der lokalen Akteure im Grätzelbeirat wurden.<br />
Dabei ist zu beobachten, dass der Grätzelbeirat für die lokale Ebene nur ein Nebenschauplatz<br />
der Interessensartikulation war. Für die Grätzelbewohner und Unternehmer gab es über die<br />
Medien „Grätzl-Blattl“ und Grätzelforum die Möglichkeiten, die eigenen Sichtweisen in der<br />
Öffentlichkeit bzw. im Stadtteil darzustellen (I6_m40-49: 310-317).<br />
Entscheidungen der Politik und Verwaltung mussten vom Grätzelmanagement auch außerhalb<br />
des Grätzelbeirates vermittelt werden. So zum Beispiel beim Bau des Radwegs entlang der<br />
Nordbahnstraße, bei der die Sicherheitsargumente gegenüber den Menschen erläutert wurden,<br />
welche sich über die Führung des Radwegs beschwert hatten (I8_m40-49: 326-333).<br />
Zusätzlich ist in den <strong>Arbeitskreis</strong>en an einer Verständigung der Ebenen gearbeitet worden.<br />
Durch die Einladung von Experten in die <strong>Arbeitskreis</strong>e konnte die Vorgangsweise der<br />
Verwaltung erklärt werden (I4_m50-59: 217-219) bzw. den lokalen Akteuren vermittelt<br />
werden.<br />
Vermittlungsarbeit war auch bei den Projektanträgen der <strong>Arbeitskreis</strong>e für den Grätzelbeirat<br />
notwendig, bei der die „unterschiedlichen Sprachen“ verknüpft werden mussten. Dabei war des<br />
152
öfteren eine Umformulierung der von den lokalen Akteuren geschriebenen Anträge<br />
erforderlich. Diese in die „EU-Verwaltungssprache“ übersetzten Anträge wurden sodann im<br />
<strong>Arbeitskreis</strong> noch mal besprochen und bestätigt und sind später in die<br />
Projektkoordinationsgruppe gekommen (I8_m40-49: 496-497). Diese<br />
Projektkoordinationsgruppe diente insofern sozusagen als erste Vermittlungsstufe in den<br />
Grätzelbeirat.<br />
6.13.4. Verstehen<br />
Um den Förderkriterien der EU zu entsprechen mussten oft lebensweltfremde Formulierungen<br />
in den Projektanträgen eingeführt werden, deren Notwendigkeit den Bewohnern verständlich<br />
gemacht werden musste, um deren Einwilligung einzuholen (I1_w30-39: 964-968). Hier fand<br />
eine doppelte Vermittlung durch das Grätzelmanagement statt, die für eine wechselseitige<br />
Akzeptanz der beiden Ebenen notwendig war. Das unterschiedliche Verständnis zwischen<br />
lokalen Akteuren (Lebenswelten) und Verwaltung bzw. Politik (System) wurde hier von den<br />
Grätzelmanagern explizit thematisiert. Das führte zu neuen Erfahrungen auf beiden Seiten.<br />
„Lernerfahrungen gab es bezüglich der Systemlogik wo sich der jeweils andere bewegen<br />
muss oder die Rationalitäten wo er sich bewegt“ (I6_m30-39: 332-334).<br />
Der Hintergrund, die Handlungslogik und der Kontext, von dem aus der jeweils andere handelt<br />
konnte so besser verstanden werden. Eine verständigungsorientierte Kommunikation konnte<br />
somit im Grätzelbeirat ein Stück weit hergestellt werden.<br />
Die Regelmäßigkeit des Grätzelbeirats hat den Druck auf die Politiker erhöht, Konflikte<br />
auszutragen und Argumente oder Prozesse zu erläutern. Die Bewohner konnten diesen Druck<br />
auch ausüben (I6_m30-39: 356-360). Die institutionalisierte wiederholte Zusammenarbeit im<br />
Grätzelbeirat drängte zu einem Mindestmaß an Offenheit und durch sie wurde ein Prozess des<br />
gegenseitigen Verstehens gefördert.<br />
Was die sprachlichen Verständnisprobleme betraf, gab es in der Verwaltung bereits zentral<br />
gesteuerte Bemühungen, die Sprache einfacher und verständlicher zu machen (I7_m40-49: 93-<br />
97). Das mag ein Grund gewesen sein, dass die Verwaltungssprache weniger als Problem in<br />
der Verständigung im Grätzelbeirat erwähnt wurde.<br />
Es sollte beim Grätzelmanagement nicht vergessen werden, dass bereits die Gebietsbetreuung<br />
zuvor eine Brückenfunktion hatte (I10_w30-39m40-49: 436-437) und Kontakte herstellte.<br />
Durch die institutionalisierten Gremien im Grätzelmanagement konnte diese Funktion jedoch<br />
ausgebaut und vertieft werden. Die regelmäßigen Zusammentreffen im Grätzelmanagement<br />
förderten den Aufbau von Vertrauen und die Möglichkeiten, Positionen auszutauschen. So<br />
153
wurden unterschiedliche Positionen und andere Meinungen besser wahrgenommen und<br />
respektiert (I13_w30-39: 164-165).<br />
Eine weitere Form der Vermittlung unterschiedlicher „Welten“ fand direkt im<br />
Grätzelmanagement statt. Die Grätzelmanagerin für Zuwanderer half beim Verständnis von<br />
Briefen der Behörden oder Wirtschaftskammer für Unternehmer und erläuterte deren Inhalt,<br />
insbesondere bei sprachlichen Schwierigkeiten oder mangelnder Lesefähigkeit (I2_w30-39:<br />
662-664).<br />
6.14. Gemeinsam bestimmte Regeln der Zusammenarbeit und<br />
Selbstorganisation<br />
Die Zusammenarbeit zwischen der Verwaltung und Politik und der Stadtteilakteure musste<br />
geregelt werden und manifestierte sich im Grätzelbeirat, der im Sinne der EU-Förderkriterien<br />
mittels Statuten institutionalisiert wurde. Dort wurde, wie weiter oben beschrieben, über<br />
einzelne Projekte entschieden.<br />
Es kam im Grätzelbeirat jedoch zu Diskussionen und Konflikten, weil die institutionelle Ebene<br />
zu spät über Projektanträge (statt vereinbarte 14 Tage vor Beiratssitzung) informiert wurde.<br />
Die Institutionen wollten den Inhalt der Projekte jedoch vor den Beiratssitzungen prüfen<br />
(I10_w30-39m40-49: 220-227). Daher wurde die Projektkoordinationsgruppe 49 als<br />
Zwischengremium ins Leben gerufen und etwa einen Monat vor jedem Grätzelbeirat für die<br />
Institutionen einberufen, um rund um die Projekte Schwierigkeiten auszuräumen oder<br />
Stimmungen abzuklären bzw. rechtzeitig Informationen einzuholen (I10_w30-39m40-49: 228-<br />
233). Diese Projektkoordinationsgruppe wurde unabhängig von EU-Förderungskriterien<br />
formiert und kann als Phänomen eines Governanceprozess´ betrachtet werden, in dem die<br />
steuernden Mitglieder flexibel den politischen Prozess und die Steuerungsstruktur veränderten.<br />
Auch wenn die EU-Fördermaßnahmen mit ihren klar nach Fächern und Sektoren getrennten<br />
Fördertöpfen für viele Ambitionen hinderlich waren, so wurden in Ausnahmefällen wenigstens<br />
auch nichtförderfähige Projekte umgesetzt, die wegen ihrer guten Idee im Grätzelbeirat<br />
überzeugen konnten (I10_w30-39m40-49: 133-136).<br />
Im letzten (Verlängerungs-)jahr brauchte der WWFF die Projekte nicht mehr im Grätzelbeirat<br />
zur Abstimmung zu bringen und hat nur mehr darüber im Grätzelbeirat oder per e-mail<br />
berichtet und im WWFF intern abgestimmt. Damit hat sich die Beteiligungsmöglichkeit der<br />
49 Diskussion der Projektkoordinationsgruppe siehe unter Kapitel 8.6. Entscheidungskompetenzen.<br />
154
lokalen Ebene weiter verringert. Die Bürgervertreter hatten mit Anfang 2006 hier über den<br />
Grätzelbeirat keinen Einfluss mehr auf Projekte im Wirtschaftsbereich (I10_w30-39m40-49:<br />
236-245). Das hatte für die WWFF Projekte den Vorteil, die Projekte wesentlich rascher zur<br />
Umsetzung zu bringen und eventuellen Widerstand im Grätzelbeirat zu umgehen.<br />
Als eigenes Ziel2 Projekt bis Mitte 2008 ersetzte das BSC (Business Service Center) mit den<br />
selben Mitarbeitern wie für das Grätzelmanagement den WWFF seit 2006 (I10_w30-39m40-<br />
49: 222-228).<br />
6.15. Lernerfahrungen aus dem Grätzelmanagement<br />
In der Wahrnehmung der Experten des Grätzelmanagements hat das Grätzelmanagement zum<br />
einen den Selbstwert der lokalen Akteure gesteigert und sie ermutigt, sich einzusetzen und zu<br />
engagieren. Das Lernen voneinander im Beirat, die Stärkung des Selbstwerts und die<br />
Ermutigung auf gleicher Augenhöhe zu kommunizieren waren die entscheidenden Fortschritte<br />
im Grätzelmanagement, so eine Grätzelmanagerin (I1_w30-39: 454-458).<br />
Auf der anderen Seite ist es auch als Erfahrung beschrieben worden, demokratische Prozesse<br />
zu erleben und neu einzuschätzen:<br />
„Also ich glaube, dass eine wesentliche Qualität (des Grätzelmanagements; d.Verf.) ein<br />
neues Verständnis für demokratische Prozesse oder für gelebte Demokratie gewesen ist<br />
und immer noch ist. Und das meine ich für alle Seiten. Auf der einen Seite für die<br />
Bewohner selbst, für die Akteure, Akteurinnen selbst, für die Aktivisten und Aktivistinnen<br />
selbst, die erfahren haben, dass man auf der einen Seite Wünsche, Anregungen<br />
deponieren kann, dass man konstruktiv mitarbeiten kann, aber auch gelernt haben, dass<br />
nicht alles geht, nicht alle Wünsche und Anregungen umgesetzt werden können“<br />
(I7_m40-49: 167-173).<br />
Die Grenzen der Beteiligung im Grätzelmanagement in Wien werden hier aufgezeigt. Eine<br />
Mitarbeit ist erwünscht, wenn sie bei den Bürgern dazu führt, die Entscheidungen und Prozesse<br />
der Politik und Verwaltung zu verstehen und zu akzeptieren. Alternativen stehen nicht zur<br />
Debatte. Demokratie bleibt etwas wünschenswertes, solange es die eingefahrenen<br />
Machtstrukturen nicht erschüttert.<br />
Auf der anderen Seite konnte das Grätzelmanagement jedoch auch dazu beitragen, die Zweifel<br />
politischer Verantwortlicher zu zerstreuen, die vorerst in der Aktivierung und Beteiligung<br />
lokaler „Kräfte“ eine Gefahr und ein Unruhepotenzial sahen.<br />
„Da hat es am Anfang eine gewisse Skepsis gegeben, vor allem im politischen Bereich,<br />
weil man einfach zu wenig Erfahrung damit hatte, (...). Man hat zum Teil Angst davor<br />
gehabt, was passiert da jetzt. Kommt da jetzt eine Welle auf uns zu, mit der wir nicht<br />
mehr umgehen können, kommen Forderungen auf uns zu, die wir nicht bewältigen<br />
können, die wir nicht umsetzen können. Kann uns das jetzt politisch zum Nachteil<br />
geraten. Können da Bewegungen entstehen, die ah wir nicht mehr steuern können. Es<br />
war nicht so. Es war überhaupt nicht so“ (I7_m40-49: 176-184).<br />
155
Die Erfahrung einer friedlichen und sogar konstruktiven Auseinandersetzung hat das Vertrauen<br />
in die lokale Ebene möglicherweise sogar nachhaltig verbessert und lässt in Zukunft auf<br />
weitere Schritte der Mitbestimmung und Zusammenarbeit hoffen. Somit ist auch im politischen<br />
System zumindest auf wenige Personen bezogen ein Lerneffekt durch das Grätzelmanagement<br />
festzustellen, der eine Chance bedeutet, die politische Kultur in Wien ein weiteres Stück für<br />
kleinräumige Partizipationsprojekte zu öffnen.<br />
6.16. Die Vernetzung durch das Grätzelmanagement - Überblick<br />
Wie die Abbildung 3 (Vernetzung im Rahmen des Grätzelmanagement Volkert- und<br />
Alliiertenviertel 50 ) auf der nächsten Seite zeigt, waren eine Reihe von Akteuren aus der<br />
Verwaltung, Politik und dem Stadtteil durch das Grätzelmanagement miteinander in Kontakt<br />
gekommen. Der Großteil der Vernetzung beschränkte sich jedoch auf temporären und<br />
projektbezogenen Austausch. Intensive und regelmäßige Kontakte ergaben sich vor allem im<br />
Zuge institutionalisierter Zusammentreffen wie dem Grätzelbeirat und den <strong>Arbeitskreis</strong>en. Dort<br />
fand eine Moderation durch das Grätzelmanagement statt und geplante bzw. planmäßige<br />
Aktivitäten gingen von dort aus. Die meisten restlichen Vernetzungen dienten meist dem<br />
Informationsaustausch und dem gegenseitigen kennen lernen.<br />
50 Die Darstellung der Vernetzung basiert auf keiner systematischen Erhebung wie in einer formalisierten Netzwerkanalyse.<br />
Sie entspricht in diesem Sinne mehr einer Skizze der Vernetzung, um die wichtigsten Akteure und ihre Beziehungen, die im<br />
Rahmen des Grätzelmanagements Volkert- und Alliiertenviertel entstanden sind, rasch aber vereinfacht sichtbar zu machen.<br />
156
157
Conclusio<br />
Das Ziel der Vernetzung war weder Selbstzweck noch war die Vernetzung ein Selbstläufer,<br />
sondern sie verlangte viel Zeit und Arbeit.<br />
Die Vernetzung durch das Grätzelmanagement Volkert- und Alliiertenviertel gelang in<br />
manchen Bereichen besser, in anderen weniger gut. Eine Verallgemeinerung ist deshalb<br />
schwierig, weil sich zwar viele neue Vernetzungen und Kontakte ergaben, diese aber<br />
manchmal mehr punktuell als dauerhaft oder institutionalisiert stattfanden. Die Beteiligung an<br />
Veränderungsprozessen im öffentlichen Raum und die Belebung des Grätzels durch<br />
verschiedenste Veranstaltungen waren unmittelbare Folge neu gebildeter Netzwerke im<br />
Stadtteil Volkert- und Alliiertenviertel. Erfreuliche war dabei die Bildung von Sozialkapital,<br />
was sich in neuen Bekanntschaften und Freundschaften und einer positiveren Stimmung bei<br />
vielen Stadtteilbewohnern äußerte.<br />
Das Grätzelmanagement agierte keineswegs unabhängig von externen Bedingungen und<br />
individuellen Einflüssen einzelner Akteure, wovon auch die Vernetzungsarbeit geprägt war.<br />
Diese hing von zahlreichen Faktoren ab, die sich je nach Bereich und Ziel der Vernetzung<br />
voneinander unterschieden.<br />
Insgesamt war die politische Kultur im 2. Bezirk und damit auch die Offenheit der<br />
Bezirkspolitik ein wesentlicher Bestandteil der Vorraussetzungen für eine sinnvolle Umsetzung<br />
des Projektes. Die politischen Akteure bedeuteten eine wichtige Unterstützung für das<br />
Grätzelmanagement, profitierten aber auch selbst durch eine Imageverbesserung, mehr<br />
Medienpräsenz und die Möglichkeit sich beim Grätzelmanagement über aktuelle<br />
Entwicklungen und Stimmungen im Stadtteil zu informieren.<br />
Das Grätzelmanagement Volkert- und Alliiertenviertel weist rückblickend betrachtet einzelne<br />
Merkmale von Governance auf. Zum einen kam es zu einer interorganisatorischen<br />
Zusammenarbeit, insbesondere zwischen öffentlichen Organisationen und Bewohnern.<br />
Nichtstaatliche privatwirtschaftliche Unternehmen bildeten in den neu entstandenen<br />
Netzwerken eine Minderheit. Ihre Beteiligung beschränkte sich auf einzelne Projekte oder auf<br />
kleinere finanzielle Beiträge im Sponsoringbereich. An Aushandlungsprozessen in direkter<br />
Interaktion nahmen sie nur im Zuge des entsprechenden <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft im<br />
Grätzelbeirat teil.<br />
Für den wichtigen privaten Sektor besteht damit noch Aufholbedarf. Zum einen war dieser im<br />
Stadtteil von vorne herein schwach aufgestellt. Die Betriebsstruktur im Stadtteil ist von<br />
158
Kleinbetrieben geprägt. Die Gewerbetreibenden und Einzelhandelsunternehmen konnten sich<br />
nicht im gewünschten Maße einbringen. Die Gründe dafür können unterschiedlich verteilt u.a.<br />
im Generationswechsel und in der Resignation der Unternehmer sowie in den divergierenden<br />
Interessen, aber auch in eingeschränkten Zeitressourcen für zusätzliche Termine gesehen<br />
werden.<br />
Insgesamt kann auf Stadtteilebene aber von einem sehr breiten Spektrum unterschiedlichster<br />
Akteure gesprochen werden, die zumindest mit dem Grätzelmanagement in Kontakt waren.<br />
Das Grätzelmanagement organisierte die Institutionalisierung und Selbstkoordination von<br />
Steuerungs- und Verhandlungsprozessen, wie das besonders im Grätzelbeirat, der<br />
Projektkoordinationsgruppe oder den <strong>Arbeitskreis</strong>en der Fall war. Dort wurden jeweils<br />
selbstständig Regeln bestimmt, die an die Bedürfnisse der beteiligten Akteure angepasst<br />
wurden.<br />
Zwischen den Projektpartnern des Grätzelmanagements wurde eine schriftliche<br />
Partnerschaftsvereinbarung getroffen.<br />
Das Grätzelmanagement begünstigte die Bildung einer lokalen Zivilgesellschaft, d.h. die<br />
Bewohner und Unternehmer, sich zu organisieren und Aufgaben im und für den Stadtteil zu<br />
übernehmen.<br />
Die neu entstandenen Netzwerke des Grätzelmanagements waren Merkmale eines<br />
Governanceprozesses, wenngleich die Machtverteilung dort keinesfalls symmetrisch verteilt<br />
war und auch das Grätzelmanagement an dieser Schieflage nicht viel ändern konnte.<br />
Die Rolle als intermediäre Organisation konnte das Grätzelmanagement in vielen Fällen<br />
ausfüllen.<br />
Das Grätzelmanagement hat in verschiedenen Anfragen, Diskussionen, Verhandlungen und<br />
Konflikten wesentlich zu einer Vermittlung zwischen den Akteuren beigetragen. So konnte<br />
zum Beispiel beim Projekt Umgestaltung des Volkertplatzes die Transparenz und Akzeptanz<br />
unterschiedlicher Positionen verbessert werden. Das Grätzelmanagement hat sich dabei als<br />
Anwalt weitgehend im Hintergrund gehalten und stattdessen die Vorraussetzungen für<br />
Diskurse und Beteiligung geschaffen. Diese wurden vom Grätzelmanagement begleitet, wobei<br />
sehr wohl darauf geachtet wurde, Normen bezüglich dem zugrunde liegenden<br />
Demokratieverständnis zu setzen.<br />
In vertikaler Richtung ist zwar eine „Rückkoppelung“ von System und Lebenswelt gelungen.<br />
Diese ist jedoch zugunsten einer Vermittlung der Handlungslogik „nach unten“ betrieben<br />
worden, was nicht allein auf das Grätzelmanagement zurückzuführen ist, sondern auch mit der<br />
159
Machtposition von Politik und Verwaltung zu erklären ist. So wurde das Grätzelmanagement<br />
von Politik und Verwaltung auch dazu genutzt, das eigene Handeln zu rechtfertigen und zu<br />
legitimieren. Dazu wurden die EU-Förderbedingungen als unausweichlich und außerhalb der<br />
Reichweite regionalpolitischen Handelns beschrieben und damit gleichzeitig Alternativen der<br />
Finanzierung aus dem Blickfeld genommen. Das brachte für die Politik den Vorteil, die<br />
Akzeptanz von Entscheidungen in der Bevölkerung zu verbessern, was zu einer Beruhigung<br />
lokaler Akteure geführt hat. Die Rationalisierung der Lebenswelt wurde mit diesen<br />
Erläuterungen von Rahmenbedingungen wie der EU-Förderung oder von Prozessen der<br />
Verwaltung und der Wirtschaft weiter gefördert. Umgekehrt wurde eine Vermittlung von<br />
Werten und Vorstellungen der lokalen Akteure „nach oben“ nur solange gut geheißen, solange<br />
sie die rationale Handlungslogik von Politik und Verwaltung nicht in Frage stellten.<br />
Was die Herstellung horizontaler und vertikaler Kommunikationswege betrifft, war das<br />
Grätzelmanagement nur in Teilbereichen erfolgreich. Im Stadtteil ist die Vernetzung nicht<br />
flächendeckend, d.h. nicht zwischen allen größeren sozialen Gruppen gelungen. Dafür scheinen<br />
aus Sicht der Bewohner verschiedene Gründe denkbar. Viele Menschen waren bereits vor dem<br />
Grätzelmanagement in anderen sozialen Netzwerken eingebunden, u.U. auch außerhalb des<br />
Stadtteils. Andere suchten den sozialen Austausch erst gar nicht oder bevorzugten, in<br />
zurückgezogener Abgeschiedenheit zu leben und blieben daher für das Grätzelmanagement<br />
unerreichbar.<br />
Die neu entstandenen horizontalen Strukturen konnten dafür über die Zeit gefestigt werden.<br />
In vertikaler Richtung konnte man nicht alle gewünschten Akteure erreichen, um einen<br />
regelmäßigen Austausch zu erwirken.<br />
Zu einer dauerhaften und regelmäßigen Vernetzung zwischen Stadtteilakteuren und Vertretern<br />
aus Politik und Verwaltung kam es durch das Grätzelmanagement nur in eingeschränktem<br />
Ausmaß. Der einzige Ort, an dem ein solcher Austausch in institutioneller Form stattfand war<br />
der Grätzelbeirat. Dort konnten die lokalen Akteure ihre Ideen und Anliegen vorbringen. Eine<br />
Weiterleitung an die entsprechenden Dienststellen war damit aber nicht automatisch<br />
eingeschlossen.<br />
Eine vertikale Vernetzung bzw. ein Kontakt über die im Grätzelbeirat anwesenden<br />
Magistratsabteilungen hinaus gelang mit Ausnahme der Mitarbeit der MD BD kaum. Die<br />
fehlende Resonanz auf der Stadtratsebene und beim Bürgermeister Wiens, sowie die geringe<br />
160
Medienpräsenz zeigen, dass das Konzept des Stadtteilmanagements in Wien noch am Anfang<br />
steht.<br />
Problematisch war schließlich die Beziehung zwischen lokalen Akteuren und der<br />
institutionellen Ebene. Diese war nämlich von externen Faktoren wie den EU-Förderkriterien<br />
geprägt. Der im Grätzelmanagement intendierte Bottom-Up Ansatz konnte aufgrund der starren<br />
EU-Förderung nicht wie gewünscht umgesetzt werden. Diese Förderstruktur der EU war nicht<br />
für ein Konzept wie das Stadtteilmanagement eingerichtet worden und verstärkte dadurch<br />
implizit nicht nur die Top-Down Steuerung, sondern beschnitt zusätzlich die Ambitionen und<br />
Innovationen der Stadtteilakteure und des Grätzelmanagement-Ansatzes überhaupt. Die<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>e, die bereits sehr früh erkennen mussten, dass ihre Ideen nicht förderfähig waren,<br />
konnten sich letztlich sehr gut entfalten, denn sie waren finanziell unabhängiger als die<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>e, deren Projekte an den EU-Kriterien hing. Das sollte jedoch nicht als Argument<br />
gegen finanzielle Unterstützung „von oben“ interpretiert werden, denn die Personal- und<br />
Raumressourcen des Grätzelmanagements waren für die Entwicklung aller <strong>Arbeitskreis</strong>e<br />
grundlegend. So mündete zu Beginn des Grätzelmanagements die angeregte Beteiligung und<br />
Vernetzung oft in Ernüchterung über die einschränkenden Möglichkeiten der Förderung. Diese<br />
Bremswirkung auf ambitionierte Anliegen führte letztlich auch bei manchen zum vorzeitigen<br />
Ausstieg. Gleichzeitig waren die EU-Förderkriterien ein Schutzschild für Politik und<br />
Verwaltung, der für Kritiker aus dem Stadtteil außerhalb argumentativer Reichweite lag.<br />
Mussten diese Bedingungen doch als Gegebenheit hingenommen werden, auch wenn es zu<br />
einer Umschichtung zwischen den Fördermaßnahmen kam.<br />
Die geringen Erfahrungen der Grätzelmanagement Mitarbeiter mit Projektanträgen und das<br />
fehlende Wissen der Bewohner und Unternehmer über die EU-Kriterien führten zu einer<br />
einseitigen Machtverteilung hinsichtlich der Lesart und Interpretation der Kriterien, was<br />
gleichzeitig eine zusätzliche Abhängigkeit der lokalen Akteure begünstigte.<br />
Trotzdem muss ergänzt werden, dass in Ausnahmefällen Projekte finanziert und umgesetzt<br />
wurden, die nicht den Kriterien der EU entsprachen und aus Bezirksgeldern finanziert wurden.<br />
Während sich in vertikaler Richtung die Verhältnisse der Machtverteilung und Kontrolle kaum<br />
geändert hat, wurde in horizontaler Richtung in den Netzwerken Demokratie „geübt“. Die<br />
lokalen Akteure wurden damit zufriedengestellt und beruhigt, einerseits ihre Meinung<br />
wenigstens einbringen zu können und andererseits die bestehenden Entscheidungsstrukturen<br />
als „naturgegebene“ Vorraussetzung zu akzeptieren.<br />
161
Die Beteiligung erfolgte im Spannungsfeld zwischen befrieden, informieren, anhören und<br />
kooperieren bis hin zur teilweisen Mitentscheidung, wie das im Grätzelbeirat oder der Fachjury<br />
zur Umgestaltung des Volkertplatzes der Fall war.<br />
Die horizontale Vernetzung gelang im Stadtteil wesentlich besser als in der Verwaltung.<br />
Die Verwaltung blieb in ihrer Struktur und Organisation vom Projekt Grätzelmanagement<br />
unangetastet. Die zusätzlichen Aufgaben wurden im Zuge routinisierten Verwaltungshandelns<br />
erfüllt und von einem Mitarbeiter der MD BD koordiniert, der als Gebietsbeauftragter<br />
fungierte.<br />
Die Institutionalisierung des Stadtteils blieb innerhalb der Verwaltung aus. Es wurde weder<br />
eine task-force noch eine Arbeitsgruppe eingerichtet, welche die wichtigsten<br />
Magistratsabteilungen aus den jeweiligen Geschäftsgruppen miteinander verband.<br />
Der Grätzelbeirat konnte diese Arbeitsgruppe nicht ersetzen, da er erstens die Aufgabe hatte,<br />
die Vermittlung zwischen Stadtteil- und Verwaltungsebene zu bewerkstelligen und zweitens<br />
ein Entscheidungsgremium war und keine Koordinierungsstelle. Er war außerdem nicht dafür<br />
eingerichtet und organisiert, Ideen oder Innovationen zu generieren.<br />
So fehlte der Verwaltungsebene ein Gegenstück zu den <strong>Arbeitskreis</strong>en im Stadtteil. Die<br />
Koordination des Verwaltungshandelns ging nicht über das übliche Maß außerhalb des<br />
Grätzelmanagements hinaus. Von einer neuen ressortübergreifenden Ressourcenbündelung<br />
konnte keine Rede sein. Die Haushaltsgrenzen waren auch für das Grätzelmanagement<br />
unüberwindliche Barrieren zu einer integrativen Zusammenarbeit mit gemeinsamen Ziel, der<br />
Verbesserung der Lebensbedingungen im Stadtteil. Dazu kam das Ausbleiben wichtiger<br />
öffentlicher Institutionen wie im Falle einiger Fonds der Stadt Wien.<br />
Hier fehlte der Einfluss einer übergeordneten Hierarchieebene, welche die<br />
Magistratsabteilungen zu einer tieferen Zusammenarbeit aufruft. Die Stadtratsebene scheint<br />
dafür nicht die geeignete Instanz zu sein, auch die bisher aktive MD BD nicht, da sie bei den<br />
Fonds der Stadt Wien ohne entscheidendem Einfluss ist. Der Gemeinderat bzw. die<br />
Stadtregierung und der Bürgermeister wäre wohl dafür die einflussreichste Stelle gewesen. In<br />
diesem Fall müsste jedoch noch viel Vernetzungs- und Überzeugungsarbeit bei diesen<br />
Verantwortlichen geleistet werden. Nur diese Ebene kann eine einschneidende Änderung in<br />
Richtung integrativem Verwaltungshandeln delegieren.<br />
Im Stadtteil konnten dagegen weit größere Fortschritte in der Vernetzung gemacht werden.<br />
Dies war jedoch dem Engagement von Einzelpersonen zu verdanken. Durch die intensive<br />
162
Vernetzung hat sich Sozialkapital nachhaltig gebildet. Im Vergleich zur Verwaltungsebene<br />
drängt sich der Eindruck auf, dass es einfacher war Einzelpersonen im Stadtteil zu vernetzen<br />
als Organisationen der Stadt, was ein Hinweis dafür ist, unterschiedliche Methoden und<br />
Strategien für die jeweilige Vernetzung anzuwenden.<br />
Das Grätzelmanagement als Stadtteilmanagement hat zwar keine arbeitsmarktpolitischen<br />
Projekte zur Umsetzung gebracht. Eine soziale Integration ist aber abseits des ersten<br />
Arbeitsmarktes insofern gelungen, als die Menschen in den Arbeitkreisen in regelmäßige<br />
Aktivitäten eingebunden waren und sich dort sinnvoll bzw. nach eigenen Wünschen einbringen<br />
konnten. Dabei haben die Bewohner an öffentlichen Angelegenheiten teilgenommen. Zudem<br />
wurden neue emotionale Beziehungen zwischen den Menschen begründet und eine Integration<br />
in neue Gemeinschaften ist geglückt.<br />
Auffällig, jedoch kein Novum war die mangelhafte Einbindung von Bewohnern und<br />
Unternehmern mit Migrationshintergrund, was zum Teil an der fehlenden Systemintegration<br />
und damit außerhalb der Reichweite des Grätzelmanagements lag. Trotzdem waren<br />
Anknüpfungspunkte für eine verstärkte Vernetzung zu erkennen.<br />
Um Menschen mit Migrationshintergrund besser erreichen zu können und ihnen den Zugang<br />
zu Netzwerken zu erleichtern, braucht es sensibel entwickelte, auf die jeweiligen Gruppen<br />
zugeschnittene Strategien. Dazu muss unbedingt mit Migration erfahrenes Personal und<br />
muttersprachliches Personal in künftige Stadtteilmanagementprozesse aufgenommen werden,<br />
deren Lebenswelt in mindestens zwei Kulturen, der österreichischen und der der<br />
Zugewanderten fußt.<br />
Für zukünftige ähnliche Projekte wäre der Einsatz bereits erfahrenen Personals überhaupt zu<br />
empfehlen, das auch gut auf das Konzept eingestellt und vorbereitet wird.<br />
Das Grätzelmanagement hat wesentlich dazu beigetragen, Begegnungen im Stadtteil zu<br />
initiieren, die einerseits die Anonymität in der Nachbarschaft abschwächte. Außerdem konnten<br />
mit den neu gewonnenen Kontakten und Informationen die Handlungsmöglichkeiten und –<br />
spielräume ausgedehnt werden, was zu einer Vielzahl an gemeinsamen Aktivitäten und<br />
Projekten geführt hat. Durch die Vernetzung im Stadtteil konnten zusätzlich Kooperationen<br />
initiiert werden, die u.a. in der gemeinsamen Finanzierung und Unterstützung von<br />
Veranstaltungen zum Tragen kamen, wie das beim Sponsoring durch lokale Unternehmen der<br />
Fall war.<br />
Was das breite Engagement und die Bereitschaft unter den Bewohnern betraf, muss beachtet<br />
werden, dass manche Projekte auf den Schultern weniger lasteten, die sich im Vergleich zu<br />
163
vielen anderen überdurchschnittlich einsetzten. Sehr viele Aktivitäten blieben dadurch am<br />
außergewöhnlichen Einsatz von Einzelpersonen hängen. Sie kompensierten damit auch, was<br />
die mangelhaften finanziellen und personellen Strukturen nicht leisten konnten. Zu viel<br />
Verantwortung an Einzelnen fest zu machen, barg die ständige Gefahr eines Zusammenbruchs<br />
ganzer Netzwerke und damit der Projekte. Das Grätzelmanagement musste in solchen Fällen<br />
darauf besonderen Bedacht nehmen, dass diese Stützen nicht überfordert wurden.<br />
Eine zusätzliche horizontale Vernetzung könnte durch Zusammentreffen der <strong>Arbeitskreis</strong>e als<br />
Stadtteil Jour fixe unterstützt werden, um sich auszutauschen und durch Integration von Ideen<br />
gemeinsame Projekte zu initiieren.<br />
In Anbetracht der Tatsache, dass der Aufbau von Vertrauen zur Entwicklung von stabilen<br />
Netzwerken viel Zeit braucht, erscheint die Projektphase von nur etwa vier effektiven Jahren<br />
im Stadtteil als zu kurz. Die ersten Schritte der Einrichtung arbeitsfähiger Gruppen konnten<br />
gerade erst stabilisiert werden. Am Ende des Projektes wäre eine Vorbereitung lokaler<br />
Institutionen, Infrastrukturen im Stadtteil zur Verfügung zu stellen, das Mindeste gewesen, um<br />
die sozialen Strukturen für die Zukunft weiter zu unterstützen.<br />
Es drängt sich aber auch die Frage auf, ob dieses Projekt nicht überhaupt hätte deutlich<br />
verlängert und finanziell stärker unterstützt werden sollen.<br />
Leider muss das Grätzelmanagement rückblickend als ein Projekt beschrieben werden, das<br />
zwar sehr viel Vernetzung und Beteiligung im Stadtteil förderte, viele Ambitionen jedoch ohne<br />
viel Aussicht auf Förderung auf der Strecke blieben. So kam es zwar zu einer sozialen<br />
Vernetzung, aber nur zu wenig positiven Auswirkungen im sozioökonomischen Bereich. Nach<br />
wie vor steht eine Vielzahl an Geschäftslokalen im Viertel leer und es konnten auch sonst<br />
keine neuen Unternehmen im Stadtteil angesiedelt werden.<br />
Hier muss auch das Grätzelmanagement als reines Beteiligungsprojekt in Frage gestellt<br />
werden. Die wichtigen arbeitsmarkt-, bildungs- und wirtschaftspolitischen Projekte benötigen<br />
im Grunde Anreize und Inputs „von oben“. Der Bottom-Up Ansatz, auch wenn er im<br />
Grätzelmanagement ohnehin nicht konsequent umgesetzt wurde, bedarf der Ergänzung eines<br />
Top-Down Ansatzes, der für intensive finanzielle Unterstützung und inhaltliche Anleitung der<br />
Stadtteilprozesse sorgt. Es sind also auch Maßnahmen für die soziale und ökonomische<br />
Entwicklung zu setzen, die gemeinsam von den einschlägigen Institutionen, der Verwaltung<br />
164
und den Fonds in Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft initiiert und umgesetzt werden<br />
müssen.<br />
In diesem Zusammenhang, aber auch, um nochmals auf die Vernetzung in der Verwaltung<br />
zurückzukommen, war das Grätzelmanagement als Projekt, das nur vom Stadtteil ausgeht und<br />
auch nur im Stadtteil wirkt, zu eng ausgerichtet. Die Verwaltungsstrukturen blieben<br />
unverändert. Dabei sind Chancen ausgelassen worden, Ressourcen effizienter einzusetzen und<br />
die sozioökonomischen Lebensbedingungen im Stadtteil zu verbessern.<br />
Die Idee des Stadtteilmanagements stellt den Anspruch einer ganzheitlichen Herangehensweise<br />
an die Entwicklung eines Stadtteils. Dieser Ansatz konnte im Fall des Grätzelmanagements<br />
nicht umgesetzt werden.<br />
Unter den Vertretern der Projektpartner, Projektträger und den Mitgliedern des Grätzelbeirates<br />
sowie den Grätzelmanagern war ein gemeinsames geteiltes Wissen über das Konzept, die Ideen<br />
und die Strategien des Grätzelmanagements zu vermissen. Das zu Beginn vorgelegte Konzept<br />
wurde nicht von allen gelesen und so interpretierten diese Akteure den Sinn des<br />
Grätzelmanagements, vom jeweiligen institutionellen Hintergrund geprägt, sehr<br />
unterschiedlich und nur zum Teil dem Konzept des Stadtteilmanagements entsprechend. Der<br />
Begriff der ressortübergreifenden Ressourcenbündelung wurde uneinheitlich interpretiert oder<br />
gar nicht artikuliert. Eine Klärung und Präzisierung des Begriffs scheint längst überfällig, um<br />
über ein intersubjektives Verständnis hinaus auch an einer konsequenten Umsetzung arbeiten<br />
zu können.<br />
Dazu kommt, dass das Grätzelmanagement von den meisten Befragten vor allem als<br />
Beteiligungsprojekt wahrgenommen wurde, das für eine Moderation politischer Diskussionen<br />
eingerichtet wurde. Der ganzheitliche Ansatz einer integrativen Zusammenarbeit auf der<br />
Stadtteilebene als auch auf der Verwaltungsebene ist nur von wenigen artikuliert worden.<br />
Jede Kultur und insbesondere jede politische Kultur, aber auch Verwaltungskultur ändert sich<br />
langsam. Dass diese Entwicklung in Wien eine Ausnahme macht und besonders beschleunigt<br />
in wenigen Jahren (im Rahmen eines Projektes) vor sich geht, darf zwar bezweifelt werden.<br />
Der Hoffnung und besonders dem diesbezüglichen Einsatz soll dies aber auf keinen Fall einen<br />
Abbruch tun. Man darf gespannt beobachten, ob die vorsichtig eingeschlagene Richtung in<br />
Zukunft weiter verfolgt wird und welche Früchte sie tragen wird.<br />
165
Anhang<br />
Interviewleitfaden: Verwaltung und Projektpartner<br />
1. Welche Aufgabe hatten Sie im Rahmen des Grätzelmanagement?<br />
2. Welche Aufgabe hatte das Grätzelmanagement im Stadtteil?<br />
3. Nennen Sie bitte die wichtigsten Institutionen, mit denen Sie im Rahmen des<br />
Grätzelmanagement zu tun hatten.<br />
4. Welche Rolle übernahm ihre Organisation im Grätzelbeirat?<br />
5. Können Sie mehr über den Grätzelbeirat erzählen? Welche Funktion hatte er?<br />
Wie war das Diskussionsklima und die Diskussionskultur? Wie sind Entscheidungen<br />
Zustande gekommen? Konnte dort jeder vorbei kommen?<br />
6. Stellen Sie sich vor, ich nehme an einem Grätzelbeirat zum ersten Mal Teil. Was<br />
müsste ich beachten? Welche Regeln müsste ich dort einhalten?<br />
7. Was waren die Zielkriterien des Grätzelmanagements? Gab es Qualitätsvereinbarungen<br />
für das Grätzelmanagement?<br />
8. Stadtteilmanagement wird manchmal als Brückeninstanz beschrieben. Wo und wie hat<br />
das Grätzelmanagement vermittelnd gewirkt?<br />
9. Was konnte das Grätzelmanagement für die Vernetzung auf den verschiedenen Ebenen<br />
bewirken?<br />
10. Welche neuen Kontakte und Kooperationen haben sich durch das Grätzelmanagement<br />
ergeben, die es zuvor nicht gab?<br />
11. Was hat sich für die beteiligte Verwaltung durch das Grätzelmanagement getan oder<br />
verändert?<br />
12. Welche Lernerfahrungen hat das Grätzelmanagement in der Magistratsdirektion und<br />
der Verwaltung im Allgemeinen bewirkt?<br />
13. Wo kennt man das Grätzelmanagement in der Verwaltung und wo nicht?<br />
14. In der Theorie bzw. Fachliteratur über Verwaltungsmodernisierung ist häufig von einer<br />
ressortübergreifenden Zusammenarbeit die Rede. Was können Sie im Zusammenhang<br />
mit dem Grätzelmanagement darüber sagen? Hat diese Zusammenarbeit stattgefunden?<br />
Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?<br />
15. Gab es abseits des Grätzelbeirats und des Stadtteils Zusammentreffen mit anderen<br />
Institutionen oder Verwaltungseinheiten? Nennen Sie bitte Beispiele.<br />
16. Ist die Idee des Grätzelbezugs und des Grätzels in der Verwaltung irgendwie verankert?<br />
166
17. Wurde das Grätzelmanagement im Gemeinderat oder in der Wiener Stadtpolitik<br />
thematisiert? Gibt es Bezüge der Stadtentwicklungskonzepte zum Grätzelmanagement?<br />
18. Wie sah der Kontakt der Magistratsdirektion zur Politik (Bezirksvertretung) aus?<br />
Interviewleitfaden: Grätzelmanagement<br />
1. Was war Deine Aufgabe und Deine Tätigkeit im Grätzelmanagement?<br />
2. Erzählen Sie bitte über die Anfänge und die Entstehung des Grätzelmanagement. Was<br />
ist passiert? Wie haben die Menschen reagiert?<br />
3. Welche Aufgabe und Rolle hat(te) das Grätzelmanagement im Stadtteil?<br />
Wie ist das Verhältnis zu den verschiedenen Magistraten, zur Verwaltung und zur<br />
Politik?<br />
4. Haben Politiker gegen Projekte entschieden?<br />
Welche Projekte waren das? Wie wurde darauf reagiert? Warum gab es hier Probleme?<br />
5. Gibt es ein frei vom Grätzelmanagement verfügbares Budget?<br />
Welchen Anteil am Gesamtbudget beträgt das ca. in %?<br />
6. Was sind und waren die Themen im Grätzel?<br />
Was sind die Probleme aus der Sicht des Grätzelmanagements?<br />
Welche Themen wollte und will das Grätzelmanagement bearbeiten?<br />
7. Wer sind die relevanten Leute oder Akteure im Grätzel und für das<br />
Grätzelmanagement? Wie ist man auf sie zugegangen?<br />
Wer sind die „Macher“ im Grätzel? (Initiative, Mächtige, Aktive etc.)<br />
8. Was hat die Menschen zum Bleiben veranlasst? Was waren die Schwierigkeiten, die<br />
Menschen weiter zu binden und zu motivieren?<br />
9. Kam es zu Gruppenbildungen im Grätzel? Sind manchmal Gruppen im Grätzel zu stark<br />
oder dominant geworden?<br />
10. Sind neue Bekanntschaften, Beziehungen und Kontakte im Grätzel entstanden? Nenne<br />
bitte ein Beispiel.<br />
11. Wenn sich Bewohner oder auch Unternehmer für ihr Grätzel engagieren. Worauf ist das<br />
zurückzuführen?<br />
12. Wie sind die <strong>Arbeitskreis</strong>e entstanden? Wie laufen die <strong>Arbeitskreis</strong>e ab?<br />
Woher kommen die Themenvorschläge?<br />
Was für eine Rolle spielt Zeit in den <strong>Arbeitskreis</strong>en?<br />
Gibt es Spielregeln und wie sind sie entstanden?<br />
167
13. Welche <strong>Arbeitskreis</strong>e gibt es jetzt noch? Was passiert mit den Ergebnissen in den<br />
<strong>Arbeitskreis</strong>en? Was wird über das Grätzelmanagement hinaus bestehen bleiben?<br />
(<strong>Arbeitskreis</strong>e, Ressourcen etc.)<br />
14. Stellen Sie sich vor, ich schließe mich Ihrem <strong>Arbeitskreis</strong> an und nehme an einem<br />
Treffen zum ersten Mal Teil. Was müsste ich beachten? Welche Regeln müsste ich dort<br />
einhalten?<br />
15. Sind private Unternehmen oder Institutionen im Grätzel aktiv?<br />
Was bringen sie ein? (Ressourcen)<br />
Welche Interessen haben die Unternehmen?<br />
16. Erzählen Sie mir bitte etwas über den Grätzelbeirat. Wie ist dieser abgelaufen? Wie war<br />
die Abstimmung geregelt? Gab es informelle<br />
Koalitionen im Beirat?<br />
17. Stellen Sie sich vor, ich nehme an einem Grätzelbeirat zum ersten Mal Teil. Was<br />
müsste ich beachten? Welche Regeln müsste ich dort einhalten?<br />
18. Welche Folgen hatte der frühzeitige Abgang des Grätzelmanagers?<br />
Was hat ihn ausgemacht?<br />
19. Wer waren Ihre häufigsten Gesprächspartner rund um das<br />
Grätzelmanagement? Welche Gruppen, Institutionen oder Einzelpersonen?<br />
Interviewleitfaden: Stadtteilakteure (Bewohner, Unternehmer)<br />
1. Was ist das Besondere am Grätzel?<br />
2. Erzählen Sie bitte wie Sie zum Grätzelmanagement gekommen sind?<br />
3. Was hat Sie dazu bewegt, beim Grätzelmanagement und den Aktivitäten<br />
mitzumachen?<br />
4. Was waren zu Beginn des Grätzelmanagements die Themen? Was wollten Sie<br />
umsetzen oder verändern?<br />
5. Was hat sich für Sie und Ihr Leben durch das Grätzelmanagement verändert?<br />
6. Haben Sie durch das Grätzelmanagement neue Leute kennen gelernt? Haben sich neue<br />
Kontakte, Bekanntschaften oder Freunde ergeben? Welche?<br />
7. <strong>Arbeitskreis</strong>: Sie haben in Eurem <strong>Arbeitskreis</strong> viel umgesetzt. Wann ist es gut gelaufen?<br />
Wann ist es nicht so gut gelaufen?<br />
8. Stellen Sie sich vor, ich schließe mich Ihrem <strong>Arbeitskreis</strong> an und nehme an einem<br />
Treffen zum ersten Mal Teil. Was müsste ich beachten? Welche Regeln müsste ich dort<br />
einhalten?<br />
168
9. Können Sie mir etwas über den Grätzelbeirat erzählen? Was ist dort passiert? Konnte<br />
dort jeder vorbei kommen? Wie war das Verhältnis zu den Mitarbeitern der<br />
Verwaltung?<br />
10. Stellen Sie sich vor, ich nehme an einem Grätzelbeirat zum ersten Mal Teil. Was<br />
müsste ich beachten? Welche Regeln müsste ich dort einhalten?<br />
11. Welche Aufgabe hatte das Grätzelmanagement im Stadtteil?<br />
Was hat Ihnen am Grätzelmanagement besonders gut gefallen?<br />
Was hätten Sie am Projekt Grätzelmanagement anders gemacht oder verbessert?<br />
169
Literatur<br />
Alisch, Monika/Dangschat, Jens S. (1998): Armut und soziale Integration. Strategien sozialer<br />
Stadtentwicklung und lokaler Nachhaltigkeit. Opladen: Leske + Budrich.<br />
Alisch, Monika (Hrsg.) (2001): Stadtteilmanagement. Vorraussetzungen und Chancen für die<br />
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Alisch, Monika (2002): Soziale Stadtentwicklung. Widersprüche, Kausalitäten und Lösungen.<br />
Opladen: Leske + Budrich.<br />
Axelrod, Robert (1988): Die Evolution der Kooperation. München: Oldenbourg.<br />
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Verwaltungsvereinfachung (Hrsg.) (2002): Quartiermanagement – Ein strategischer<br />
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Programmbegleitung vor Ort im Modellgebiet Hamburg-Altona-Lurup. Berlin.<br />
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Burgers, Jack/Vranken, Jan/Friedrichs, Jürgen/Hommerich, Carola (Hrsg.) (2003):<br />
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Programmebene. Das Grätzel-Management – eine Idee zur Verwaltungsmodernisierung und zu<br />
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Froessler, Rolf/Lang, Markus/Selle, Klaus/Staubach, Reiner (Hrsg.): Lokale<br />
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Grätzl-Blattl, Jg. 2, Nr. 3, Oktober 2004. Redaktion: Lichtenegger, Uschi/Plischek, Karin/<br />
Reifenauer, Sabine/Scholz, Beate.<br />
Grätzl-Blattl Jg. 4, Nr.2, Juni 2006, Redaktion: Plischek, Karin/ Scholz, Beate.<br />
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http://www.sozialestadt.de/programm/handlungsfelder/quartiermanagement.phtml, Zugriff:<br />
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http://www.austria.gv.at/site/3354/default.aspx, Zugriff: 20.12.2006.<br />
Grätzelmanagement: http://www.graetzelmanagement.at/02/frameset/frameset.html, Stand<br />
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Bund-Länder Programm „Soziale Stadt“: Leitfaden zur Ausgestaltung der<br />
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http://www.sozialestadt.de/programm/handlungsfelder/quartiermanagement.phtml, Zugriff:<br />
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http://www.wien.gv.at/advuew/internet/AdvPrSrv.asp?Layout=geschaeftseinteilung&Type=K<br />
&Hlayout=&STELLECD=2000021815331828, Zugriff: 1.5.2007<br />
Wiener Gebietsbetreuung: http://www.gebietsbetreuung.wien.at/, Zugriff 22.05.2007<br />
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http://www.wwff.gv.at/wwff.aspx?target=131226&mark=gr%c3%a4tzelmanagement#show_1<br />
31226, Zugriff: 24.5.2007<br />
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http://www.wien.gv.at/m19prjdb/wettbewerbe/html/show_ergebnis_js.asp?AUS_ID=1456&Q_<br />
A_TYP=&Q_A_STANDORT=&Q_A_QUERYSTR=&Q_A_ART=0&Q_A_VERFAHREN=<br />
0&Q_A_VON=&Q_A_BIS=&Q_A_LAUFEND=, Stand: 20.6.2007<br />
177
Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 14.10.2005,<br />
http://www.magwien.gv.at/vtx/vtx-rk-xlink?SEITE=020051014023, Zugriff: 20.6.2007<br />
Stadt Wien, Vienna GIS: http://wien.at/stadtplan/, Anschrift: 1082 Wien, Rathaus Zugriff:<br />
29.8.2007<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildung 1: Grätzelmanagement Projektstruktur Seite 67<br />
Abbildung 2: Planausschnitt vom Stadtteil Volkert- und Alliiertenviertel Seite 73<br />
Abbildung 3: Vernetzung im Rahmen des Grätzelmanagement Volkert- und<br />
Alliiertenviertel Seite 154<br />
Tabellenverzeichnis<br />
Tabelle 1: Bevölkerung im Stadtteil Volkert- und Alliiertenviertel im Wien<br />
Vergleich Seite 74<br />
Tabelle 2: Teilnahme am <strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen Seite 88<br />
Tabelle 3: Teilnahme am <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft Seite 89<br />
Tabelle 4: Teilnahme am <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen Seite 90<br />
Tabelle 5: Teilnahme am <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft Seite 92<br />
Tabelle 6: Teilnahme am <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum Seite 93<br />
178
Abkürzungsverzeichnis<br />
WZW<br />
WWFF<br />
MD BD<br />
BV2<br />
Wissenschaftszentrum Wien<br />
Wiener Wirtschaftsförderungsfonds<br />
Magistratsdirektion Baudirektion - Geschäftsbereich Bauten und Technik<br />
(Geschäftsstelle Infrastruktur und Stadterneuerung)<br />
Bezirksvorstehung des 2. Wiener Gemeindebezirks Leopoldstadt<br />
Geschäftsgruppe für Stadtentwicklung und Verkehr<br />
MA 18 Magistratsabteilung 18 Stadtentwicklung und Stadtplanung<br />
MA 19 Magistratsabteilung 19 Architektur und Stadtgestaltung<br />
MA 21A Magistratsabteilung 21A Stadtteilplanung und Flächennutzung<br />
MA 28 Magistratsabteilung 28 Straßenverwaltung und Straßenbau<br />
Geschäftsgruppe für Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung<br />
MA 25 Magistratsabteilung 25 Stadterneuerung und Prüfstelle f. Wohnhäuser<br />
MA 50 Magistratsabteilung 50 Wohnbauförderung und Schlichtungsstelle für<br />
wohnrechtliche Angelegenheiten<br />
Geschäftsgruppe für Bildung, Jugend, Information und Sport<br />
MA 11 Magistratsabteilung 11 Jugend und Familie<br />
MA 13 Magistratsabteilung 13 Bildung u. außerschulische Jugendbetreuung<br />
MA 55 Magistratsabteilung 55 Bürgerdienst<br />
Geschäftsgruppe für Finanzen, Wirtschaftspolitik und Wiener Stadtwerke<br />
MA 27 Magistratsabteilung 27 EU-Strategie und Wirtschaftsentwicklung<br />
Geschäftsgruppe für Umwelt<br />
MA 42 Magistratsabteilung 42 Stadtgartenamt<br />
MA 48 Magistratsabteilung 48 Abfallwirtschaft, Straßenreinigung u Fuhrpark<br />
Geschäftgruppe für Integration, Frauenfragen, KonsumentInnenschutz und Personal<br />
MA 59 Magistratsabteilung 59 Marktamt<br />
179
L E B E N S L A U F<br />
Name<br />
Geburtsdaten<br />
Staatsb./Familienstand<br />
<strong>Stefan</strong> <strong>Karasek</strong><br />
14.Februar 1974, Rosenheim<br />
Österreich/ledig<br />
Schulbildung/Weiterbildung<br />
1992 AHS Matura am BORG Hegelgasse 14, 1010 Wien<br />
1992 – 1993 Biologie-Studium an der Universität Wien<br />
1994 – 1996 Kolleg für Maschinenbau und Energieplanung<br />
seit 03/2001<br />
Studium der Soziologie (geisteswissenschaftlicher Stzw. mit<br />
Fächerkombination) an der Universität Wien<br />
(Schwerpunkte Arbeit, Organisation, Stadtforschung<br />
und Stadtentwicklung TU Wien)<br />
Beruflicher Werdegang<br />
1997 Zivildienst beim Arbeiter Samariterbund in Wien<br />
1998 – 2000 Verkaufsingenieur im Bereich Klimatechnik, Firma „Heizbösch“<br />
2000 – 02/2001 Projektassistent Haustechnische Planung, Firma „ALLPLAN“<br />
2003 – 09/2004 Mitarbeiter der Evaluation des ESF-Projekts „Berufsorientierung<br />
und prozessorientiertes Lernen“ am Institut für interdisziplinäre<br />
Forschung und Fortbildung (IFF)<br />
seit 11/2003<br />
Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds (waff)<br />
(Regionale Entwicklung)<br />
08/2004 Praktikum MA 18 (Stadtplanung, Referat für Stadtforschung)<br />
Kontakt:<br />
stefan.karasek@chello.at<br />
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