05.06.2014 Aufrufe

Stefan Karasek - Arbeitskreis Quartiersforschung

Stefan Karasek - Arbeitskreis Quartiersforschung

Stefan Karasek - Arbeitskreis Quartiersforschung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Magisterarbeit<br />

Titel der Magisterarbeit<br />

„Intermediäre Organisationen für eine soziale<br />

Stadt(teil)entwicklung in Wien –<br />

Die Vernetzung am Beispiel des Grätzelmanagement<br />

Volkert- und Alliiertenviertel“<br />

Verfasser<br />

<strong>Stefan</strong> <strong>Karasek</strong><br />

angestrebter akademischer Grad<br />

Magister rer. soc. oec.<br />

Wien, im September 2007<br />

Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 122 295<br />

Studienrichtung lt. Studienblatt: Soziologie, geisteswissenschaftl. Stzw., gewählte Fächer<br />

statt 2. Studienrichtung<br />

Betreuer:<br />

Univ.-Prof. Dr. Jens S. Dangschat


Danksagung<br />

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit Unterstützung und Hilfe vieler Menschen zustande<br />

gekommen. Mein Dank gilt in diesem Zusammenhang vor allem Gaby, Joe, Alex,<br />

Marion und Barbara; Peter für das Ausleihen des Notebooks; Prof. Jens Dangschat für<br />

die Betreuung und Alex Hamedinger für die Hilfe bei der Eingrenzung des Themas;<br />

Eva danke ich für die zahllosen vergünstigten Studienbücher und meinen Freunden für<br />

die Geduld, aber auch die willkommene Abwechslung.<br />

2


"Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile."<br />

(Aristoteles)<br />

Lesehinweis:<br />

Die gebräuchlichen männlichen Substantive wurden bewusst nicht neutralisiert oder<br />

feminisiert, um den Lesefluss zu fördern, wie zum Beispiel „Akteure“ statt „Akteure und<br />

Akteurinnen“ oder „AkteurInnen“. Es sind in solchen Fällen immer die Angehörigen beider<br />

Geschlechter gemeint, außer es ist ausdrücklich vermerkt. Ich bitte dafür um Verständnis.<br />

Außerdem sind englischsprachige Begriffe, die kaum ins Deutsche übersetzbar sind, kursiv<br />

gesetzt, ebenso Eigennamen wie Grätzelmanagement.<br />

3


EINLEITUNG 8<br />

1. THEORETISCHER HINTERGRUND 11<br />

1.1. Governance 11<br />

1.1.1. Der Wandel der Verwaltungspolitik 11<br />

1.1.2. Die Hauptelemente von Governance 14<br />

1.1.2.1. Neue Kooperations-, Interaktions-, und Steuerungsformen 15<br />

1.1.2.2. Institutionalisierung neuer Formen des Regierens 17<br />

1.1.2.3. Verhandlungssysteme 17<br />

1.1.3. Kritik am Reformkonzept Governance 18<br />

1.1.4. Ausblick auf die weitere Arbeit 20<br />

1.2. Stadtteilmanagement als intermediäre Instanz 21<br />

1.2.1. Der Entstehungszusammenhang intermediärer Organisationen 21<br />

1.2.2. Begründung in der Entwicklung moderner Gesellschaft 21<br />

1.2.3. Die Aufgabenbeschreibung für intermediäre Organisationen 24<br />

1.2.4. Kritik am Konzept intermediärer Instanzen 25<br />

1.3. Stadtteilmanagement 27<br />

1.3.1. Der Stadtteilbezug/Der Quartiersansatz 27<br />

1.3.2. Struktur von Stadtteilmanagement 28<br />

1.3.2.1. Aspekte vertikaler Kooperation im Stadtteilmanagement 32<br />

1.3.2.2. Aspekte horizontaler Kooperation im Stadtteilmanagement 38<br />

1.3.3. Stadtteilmanagement im Rahmen des deutschen Bund-Länder-Programms „soziale<br />

Stadt“ - Ausblick auf die empirische Arbeit 46<br />

1.3.4. Stadtteilmanagement in der Kritik 47<br />

2. FORSCHUNGSFRAGEN 50<br />

A. Die Vermittlungs- und Vernetzungsstrukturen/horizontale Kooperation 50<br />

B. Die Entscheidungsstrukturen/vertikale Verteilung von Verantwortung und<br />

Kompetenz/Vermittlung und Vernetzung zwischen den Ebenen 51<br />

3. FORSCHUNGSMETHODEN UND FORSCHUNGSPROZESS 52<br />

3.1. Experteninterviews 54<br />

4


3.2. Leitfadeninterviews 55<br />

3.3. Inhaltsanalyse 57<br />

3.4. Datenerhebung und Interviewzitation 62<br />

3.5. Kurze Reflexion des Forschungsprozesses 63<br />

4. GRÄTZELMANAGEMENT VOLKERT- UND ALLIIERTENVIERTEL ALLGEMEIN<br />

66<br />

4.1. Institutionelle Einbettung des Projekts Grätzelmanagement 66<br />

4.1.4. Institutionen im Grätzelmanagement 67<br />

4.1.2. Ziele des Grätzelmanagements 71<br />

4.1.3. Überblick über den Ablauf der Organisation des Pilotprojekts Grätzelmanagement<br />

Volkert- und Alliiertenviertel 72<br />

4.1.4. Projektumsetzungen im Grätzelmanagement 72<br />

Das Projekt Umgestaltung Volkertplatz 73<br />

4.2. Die Beschreibung des Grätzels Volkert- und Alliiertenviertel 75<br />

5. HORIZONTALE VERNETZUNG DURCH DAS GRÄTZELMANAGEMENT 79<br />

5.1. Horizontale Vernetzung auf Verwaltungsebene 79<br />

5.1.1. Orte des Austausches und der Vernetzung – neue Kontakte 79<br />

5.1.2. Weitere Institutionen 80<br />

5.1.3. Institutionalisierung von Stadtteilen in der Verwaltung 81<br />

5.1.4. Ressortübergreifende Zusammenarbeit 81<br />

5.1.5. Vorteile der horizontalen Vernetzung auf Stadt- und Verwaltungsebene 83<br />

5.1.6. Selbstbestimmtes Regelwerk 84<br />

5.1.7. Ungleichgewicht in der Machtverteilung im Grätzelbeirat 85<br />

5.1.8. Begriff vom integrierten Handlungsansatz 85<br />

5.1.9. Zuweisung finanzieller Mittel für gemeinsame Projekte 87<br />

5.1.10. Zukunft und Nachhaltigkeit im Verwaltungsbereich 87<br />

5.2. Horizontale Vernetzung auf Stadtteilebene 89<br />

5.2.1. Kontaktaufnahme durch das Grätzelmanagement 89<br />

5.2.2. Akteure in den <strong>Arbeitskreis</strong>en 90<br />

5


5.2.3. Grätzelforum 97<br />

5.2.4. Informeller Austausch im Stadtteil 98<br />

5.2.5. Vernetzung der Dienstleister 100<br />

5.2.6. Ergebnisse aus den Netzwerken und „Nutzen“ der Netzwerke 100<br />

5.2.7. Qualität der Vernetzung 105<br />

5.2.8. Einflussfaktoren erfolgreicher Vernetzung im Stadtteil 109<br />

5.2.9. Hindernisse für eine horizontale Vernetzung im Stadtteil 122<br />

5.2.10. Initiativen 130<br />

5.2.11. Nachhaltigkeit: selbsttragende Strukturen 130<br />

6. VERTIKALE VERNETZUNG DURCH DAS GRÄTZELMANAGEMENT 133<br />

6.1. Grätzelbeirat 133<br />

6.2. Projektkoordinationsgruppe 134<br />

6.3. Vernetzung „nach oben“ 135<br />

6.4. Problemdefinition 137<br />

6.5. Projektentwicklung und Umsetzung 139<br />

6.6. Entscheidungskompetenzen 140<br />

6.6.1. Entscheidungskompetenzen der lokalen Ebene 141<br />

6.7. Kommunikation des Grätzelmanagement „nach oben“ 142<br />

6.8. Kommunikation des Grätzelmanagement „nach unten“ 143<br />

6.9. Spielregeln zum Verhältnis zwischen Bezirksvertretung und Stadtteilgremien 143<br />

6.10. Vertrauen in die „untere“ Ebene 144<br />

6.10.1. Verfügungsfonds 145<br />

6.11. Gemeinsame Problemorientierung 146<br />

6.12. Problemsicht vertikale Verteilung 147<br />

6.13. Vermittlung 149<br />

6.13.1 Kontakt 149<br />

6


6.13.2. Information 150<br />

6.13.3. Transparenz 151<br />

6.13.4. Verstehen 153<br />

6.14. Gemeinsam bestimmte Regeln der Zusammenarbeit und Selbstorganisation 154<br />

6.15. Lernerfahrungen aus dem Grätzelmanagement 155<br />

6.16. Die Vernetzung durch das Grätzelmanagement - Überblick 156<br />

CONCLUSIO 158<br />

Anhang 166<br />

Literatur 170<br />

Quellen- und Materialverzeichnis 177<br />

Abbildungsverzeichnis 178<br />

Tabellenverzeichnis 178<br />

Abkürzungsverzeichnis 179<br />

7


Einleitung<br />

Meiner persönlichen Wahrnehmung zufolge ist in Wien in den letzten Jahren eine Zunahme<br />

sozialräumlicher Polarisierung zu beobachten. Dabei fallen Stadtteile durch einen<br />

überdurchschnittlichen Migrantenanteil und hohe Arbeitslosenquoten bzw. niedriges<br />

Bildungsniveau auf. Diese Problemkombination wird von Phänomenen wie einer mangelhaften<br />

Ausstattung mit technischer Infrastruktur, unzureichender Verkehrsanbindung oder schlechter<br />

Nahversorgung im Stadtteil überlagert. Der Verdacht liegt dabei nahe, dass die sozial<br />

Benachteiligten durch die Bedingungen im Stadtteil zusätzlich benachteiligt werden<br />

(Alisch/Dangschat 1998). Aber woher kommen auf einmal diese sozialräumlichen<br />

Unterschiede in Ländern und Städten hochmoderner Gesellschaften, die über die letzten<br />

Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts zu den reichsten der Welt gehörten? Diese Unterschiede<br />

wachsen als unmittelbare Folge ökonomischer Umstrukturierungen (Alisch 2001: 7). Ausdruck<br />

finden sie erstens in der sozio-ökonomischen Polarisierung, also im Auseinanderentwickeln der<br />

Einkommen und der Einkommenssicherheit (Dangschat 1997). Dazu kommt die soziodemographische<br />

Ungleichheit, die sich in den Veränderungen der Haushaltsstrukturen<br />

niederschlägt, welche als Folge sich ausdifferenzierender Lebens- und Wohnformen zu<br />

beobachten ist. Weiter ist eine sozio-kulturelle Heterogenisierung, beobachtbar in Lebensstilen<br />

und multikultureller Ausdifferenzierung, fest zu stellen. Diese wirkt sich wiederum auf die<br />

Nachfrage nach Wohnraum aus. Diese Nachfrage nach Wohnraum ist demnach sozial selektiv<br />

und fördert letztlich die sozialräumliche Polarisierung (Alisch 2001: 7f.).<br />

Diese Probleme scheinen zu komplex zu sein, um sie mit punktuellen Maßnahmen wie<br />

arbeitsmarktpolitischen Projekten oder baulichen Erneuerungen allein zu lösen. Diese<br />

Maßnahmen müssen nicht nur verknüpft und aufeinander abgestimmt werden, es ist auch<br />

notwendig, sie an die Bedürfnisse des Stadtteils und deren Bewohnern anzupassen und damit<br />

die Kompetenzen und Sichtweisen der Betroffenen in die Stadtentwicklung einzubinden und<br />

damit die soziale Integration zu stärken. Dazu ist es vor allem erforderlich, die<br />

unterschiedlichen Akteuren an einen Tisch zu setzen und ein gegenseitiges Verständnis zu<br />

fördern sowie die Synergien zu nutzen, die entstehen können, wenn unterschiedliche Ideen,<br />

Kompetenzen und Perspektiven aufeinander bezogen werden.<br />

In deutschen Städten ist die Entwicklung der sozialräumlichen Polarisierung bereits weiter<br />

vorangeschritten als in Österreich. Aufgrund des erhöhten Problemdrucks ist dort 1999 im<br />

Zuge des Bund-Länder-Programms die Initiative „Stadtteile mit besonderem<br />

Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt“ eingerichtet worden, um die Wohn,- Arbeits- und<br />

8


Lebensbedingungen in den jeweiligen benachteiligten Stadtteilen zu verbessern. Das<br />

Programm geht von der Notwendigkeit eines integrierten Handlungsansatzes aus, der<br />

möglichst alle relevanten Akteuren vor Ort in den Entwicklungsprozess des Stadtteils<br />

einbinden soll. Interessant ist dabei die rasante Vorgehensweise praktischer Umsetzung im<br />

Gegensatz zur Entwicklung adäquater und die Praxis unterstützender Theorien. Ein Diskurs<br />

zwischen Praxis und Theorie fehlt laut Greiffenhagen/Neller (vgl. 2005) weitgehend. Von einer<br />

Integration der beiden Zugänge könnten jedoch beide Seiten profitieren.<br />

„Die Akzeptanz der vom Programm ´die soziale Stadt´ geforderten<br />

ressortübergreifenden Koordination und Kooperation von Politik und Verwaltung mit<br />

Akteuren aus den Stadtteilen“<br />

wird nach Greiffenhagen/Neller (2005: 11) zu wenig thematisiert.<br />

Genau hier soll der Ausgangspunkt meiner Fragestellung liegen, welche die vorliegende Arbeit<br />

begründet. Generell wird hier die Kooperation und Vernetzung jener verschiedenen Akteuren<br />

Thema sein, welche Einfluss auf die Entwicklung eines Stadtteils nehmen oder nehmen<br />

möchten bzw. auch nehmen sollten.<br />

Wir haben es im Wesentlichen also mit zwei Hauptaspekten zu tun. Zum einen, wie kann der<br />

steigenden Armut und sozialräumlichen Polarisierung in Großstädten entgegengewirkt werden<br />

und zwar ergänzend zu wohlfahrtsstaatlichen Maßnahmen, die erstens nicht mehr auszureichen<br />

scheinen und zweitens „von oben“ zurückgefahren werden? Zum anderen handelt es sich dann,<br />

unter der Vorraussetzung, dass Ergänzungen zum Wohlfahrtsstaat willkommen geheißen<br />

werden, um die Frage: Wie kann diese Ergänzung organisiert werden und welche neuen<br />

Strukturen und Prozesse der politischen Steuerung können in diesem Zusammenhang<br />

beobachtet werden? Zu dieser Frage soll einleitend das Konzept von Governance vorgestellt<br />

werden.<br />

Ich verfolge in dieser Arbeit zwei soziologisch zu durchleuchtende Aspekte. Unter dem Aspekt<br />

intermediärer Organisationen steht die Frage des gegenseitigen Verstehens, die Vermittlung<br />

unterschiedlicher Werte und Logiken, der Austausch von Meinungen und Sichtweisen im<br />

Vordergrund. Im zweiten Aspekt stellt sich die Frage nach einer erfolgreichen Kooperation<br />

zwischen unterschiedlichen Akteuren zur Schaffung von Synergien und Synthesen für den<br />

Stadtteil. Beide Aspekte sind nicht nur Ziel eines modernen Stadtteilmanagementkonzepts,<br />

sondern auch untrennbar miteinander verbunden, denn ohne der Integration von Individuen in<br />

eine Kooperation kommt es auch zu keiner erfolgreichen Zusammenarbeit, d.h. zu einem<br />

sinnvollen aufeinander Beziehen der je eigenen Beiträge und Leistungen. Intermediäre<br />

Organisationen sind also die Voraussetzung für eine Vernetzung und Kooperation<br />

9


unterschiedlicher Akteure. Diese intermediären Akteure sollen unterschiedliche<br />

Organisationsprinzipien und Handlungslogiken verzahnen<br />

„und vor allem die Ressourcen der jeweiligen Welten mehr füreinander nutzbar<br />

machen“<br />

(Grimm 2004: 50).<br />

Die beiden wesentlichen Ausgangspunkte dieser Arbeit sind somit:<br />

Die Untersuchung des Grätzelmanagement in seiner Rolle als intermediäre Organisation: Bei<br />

der Kooperation zwischen unterschiedlichen Fachressorts, Verwaltungssektoren, Bewohnern<br />

unterschiedlicher Herkunft und Lebenswelten oder Wirtschaftstreibenden ergeben sich oft<br />

kommunikative Probleme aufgrund kultureller Unterschiede oder divergierender<br />

Handlungslogiken. Ein Stadtteilmanagement hat die Aufgabe, als intermediäre Organisation<br />

zwischen unterschiedlichen Handlungslogiken in horizontaler und vertikaler Richtung zu<br />

vermitteln. Die dabei erbrachte Vermittlungsleistung kann helfen,<br />

„die Grundlagen verständigungsorientierten Handelns, die kommunikativen<br />

Infrastrukturen der Lebenswelt im Rahmen von komplexen<br />

Stadt(teil)entwicklungsprozessen zu bewahren“ (Grimm 2004: 240f.).<br />

Die Untersuchung des Grätzelmanagement hinsichtlich der Vernetzungsstrukturen und –<br />

prozesse und damit auch der politischen Steuerungsform: Hierbei kommen die<br />

strukturbezogenen Ziele eines Stadtteilmanagements zum tragen wie sie Alisch (2002: 94ff.)<br />

beschreibt. Damit ist der Anspruch verbunden, eine horizontale und vertikale Kooperation von<br />

Akteuren der Stadtteil- sowie der Verwaltungs- und Politikebene der Stadt zu erreichen. Alisch<br />

(2002: 95) unterscheidet beim Stadtteilmanagement zwei Ziele (Details siehe Kapitel III.2),<br />

die es zu erreichen gilt. Das sind erstens die gebietsbezogenen Ziele zur Verbesserung der<br />

Lebensbedingungen im Stadtteil und zweitens die strukturbezogenen Ziele, welche die<br />

angestrebten grundsätzlichen sozialen Beziehungen und die damit verbundenen Kooperationen<br />

in vertikaler und horizontaler Richtung beinhalten:<br />

„Die strukturbezogenen Ziele umreißen die angestrebte Qualität der policies als<br />

integrierte Handlungsansätze“ (Alisch 2002: 96).<br />

Dieser Handlungsansatz findet sich auch in der Zieldefinition des deutschen<br />

Bund-Länder Programms „soziale Stadt“ wieder (Heinelt/Mensch 2001). Auch Selle (vgl.<br />

1996b: 147) betont die Herausforderung, bisher getrennte Handlungsfelder in der<br />

Stadtteilentwicklung zu integrieren.<br />

10


1. Theoretischer Hintergrund<br />

1.1. Governance<br />

Um Stadtteilmanagement in seiner heutigen Ausprägung besser verstehen zu können ist es<br />

sinnvoll, den Begriff in einen breiteren Kontext zu stellen.<br />

Stadtteilmanagement stellt kein isoliertes soziales und politisches Feld mit ausschließlich ihm<br />

eigenen Bedingungen dar. Manche Kernpunkte (Entwicklungen und Anforderungen) in diesem<br />

Bereich spiegeln nämlich gleichzeitig die Veränderungen in der Gesamtentwicklung politischer<br />

Steuerung wider. Um diese veränderte Art und Weise politischer Steuerung zu beschreiben,<br />

wird der Begriff Governance verwendet.<br />

Damit Stadtteilmanagement also in seiner steuerungspolitischen Dimension leichter<br />

verständlich wird, möchte ich nun Governance als gegenwärtige Richtung einer Entwicklung<br />

von verwaltungs- und steuerungspolitischen Leitbildern nach dem zweiten Weltkrieg<br />

beschreiben und dann auf die aktuellen Besonderheiten von Governance eingehen.<br />

Dies soll in Anlehnung an die beiden Autoren Jann und Wegrich geschehen. Ich beziehe mich<br />

also weitgehend auf die Literatur aus dem deutschsprachigen Raum, da sich mit ihr die<br />

Entwicklung auch in Österreich am ehesten beschreiben lässt.<br />

1.1.1. Der Wandel der Verwaltungspolitik<br />

Das Konzept Governance wird laut Jann/Wegrich (vgl. 2004: 194) vor allem als normatives<br />

Konzept, weniger als analytisches Konzept verwendet. Es soll dabei Ansätze und Erfordernisse<br />

der Verwaltungsreform begründen. In unserem Fall hat das Konzept aber sehr wohl auch eine<br />

analytische Bedeutung. Schließlich soll das Grätzelmanagement Volkert- und Alliiertenviertel<br />

anhand einiger Dimensionen des Reformkonzeptes Governance analysiert und<br />

dementsprechend eingeordnet werden.<br />

Jann/Wegrich (2004: 196) unterscheiden vier dominierende Leitbilder in der<br />

Verwaltungspolitik seit Beginn der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts. Das erste bezeichnen sie<br />

als eine klassische weberianische, hierarchische Verwaltung im „demokratischen Staat“. Dabei<br />

ist die öffentliche Verwaltung den demokratisch legitimierten Instanzen, also Parlament und<br />

Regierung hierarchisch unterstellt und sie wirkt als „Vollzugsagent“ für die Umsetzung von<br />

Entscheidungen aus der Politik. Die Verwaltung selbst ist ebenfalls hierarchisch aufgebaut.<br />

Recht und Hierarchie waren die<br />

„nicht hinterfragten Steuerungsinstrumente dieses Verwaltungsmodells“ (Jann/Wegrich<br />

2004: 197).<br />

11


Das Verwaltungsrecht und den ihm zugrunde liegenden Rechtsschutz galt es umfassend zu<br />

gewährleisten.<br />

Das darauf folgende zweite Leitbild war vom Konzept des Marktversagens geprägt, bei dem<br />

der Staat eine lenkende und korrigierende Rolle als „aktiver Staat“ übernahm. Man war davon<br />

überzeugt, durch Erhöhung der Informations- und Problemverarbeitungskapazitäten von<br />

Regierung und Verwaltung alle Probleme des Regierens in den Griff zu bekommen. Planung<br />

spielte dabei eine wichtige Rolle. Im Konzept des politisch-administrativen System (PAS)<br />

verwirklichte sich schließlich die funktionale Verschränkung von Politik und Verwaltung.<br />

Doch Implementationsprobleme dieser Reformen und ökonomische Krisen brachten diesem<br />

Leitbild nicht nur viel Skepsis ein, sondern führten gar zu einer völligen Abwendung in den<br />

späten 70er Jahren. Das Tempo dieses Leitbildwandels war in den verschiedenen Ländern<br />

jedoch unterschiedlich. Zum Beispiel muss hier Österreich als Sonderfall ausgenommen<br />

werden, wo sich das alte Leitbild bis weit in die 80er Jahre hielt.<br />

Ansonsten setzte sich nun in weiten Teilen Westeuropas das neue dritte verwaltungspolitische<br />

Leitbild des „schlanken Staates“ durch. Im Zuge der nun einsetzenden neo-liberalen<br />

Staatskritik wurden die Vorwürfe umgekehrt und mehr als Staats- und Bürokratieversagen<br />

formuliert und nicht als Marktversagen. Dabei waren die Perspektiven und Lösungsansätze<br />

eher binnenorientiert, d.h. es wurde eine Rechts- und Verwaltungsvereinfachung im Sinne<br />

einer Entbürokratisierung bzw. Entstaatlichung gefordert. Managementkonzepte kehrten aus<br />

dem privaten Sektor in die Verwaltung ein. Bis heute populär geblieben ist der Begriff des New<br />

Public Management und zwar nicht nur als Schlagwort sondern auch in seiner Umsetzung.<br />

Die wichtigsten zu nennenden Elemente eines neuen öffentlichen Managements sind<br />

Outsourcing, Kontraktmanagement, Output-Steuerung, Dezentralisierung, Privatisierung (vgl.<br />

Jann 2001). Die Lösung des Effizienzproblems gilt dabei als vorrangig. Dieses Leitbild sieht<br />

im Kern eine ergebnisorientierte, transparente und dezentrale Steuerung mit einer Kunden- und<br />

Qualitätsorientierung der Verwaltung vor. Doch ist der Reformanspruch noch sehr stark nach<br />

innen gerichtet, wie Jann/Wegrich bemerken:<br />

„Entscheidend ist für dieses Leitbild vor allem die vorherrschende ´Binnensicht´, im<br />

Zentrum stehen die Optimierung und Modernisierung einzelner Organisationen (...) und<br />

das Vertrauen in die Steuerungsinstrumente des privaten Sektors (...)“ (Jann/Wegrich<br />

2004: 201).<br />

Diese Outputorientierung der Verwaltung hat ungewollte Nebenwirkungen wie die<br />

Segmentierung der Verwaltung oder das Aufkommen von Ressortegoismen. Dabei<br />

12


konzentrieren sich die einzelnen Verwaltungseinheiten auf die eigene Produktivität mehr als<br />

auf eine sachorientierte Problemlösung in Kooperation mit anderen.<br />

Das vierte Leitbild des „aktivierenden Staates“ erhält eine entscheidende Ergänzung zu seinem<br />

Vorgänger. Es geht um die Ausweitung der Problemsicht über das Staats- und<br />

Bürokratieversagen hinaus, hin zu einer ganzheitlicheren Sichtweise des Problems<br />

gesellschaftlicher Steuerung und Verantwortung. Es wird dabei von einem<br />

Gesellschaftsversagen ausgegangen und wie dieses behoben werden kann. Zivil- bzw.<br />

Bürgergesellschaft sind nun zusätzlich aufgefordert, sich der Lösung gesellschaftlicher<br />

Probleme anzunehmen. Man ist zu der Erkenntnis gekommen, dass auch eine noch so<br />

effiziente Verwaltung soziale Probleme nicht grundlegend lösen kann. Governance rückt an die<br />

Stelle von Management.<br />

„Der ´aktivierende Staat` zielt vor allem auf eine programmatische Neubestimmung des<br />

Verhältnisses von Staat, Markt und Zivilgesellschaft“ (Jann/Wegrich 2004: 199).<br />

Drei Kernthemen nennen Breitfuss et al. (2005: 59) als theoretische Begründung für<br />

Governance und in Folge auch für ein Stadtteilmanagement. Erstens sind die Möglichkeiten<br />

des Nationalstaates geringer geworden, die Arbeitsmarkt-, Wohnungsmarkt- und Sozialpolitik<br />

zu gestalten, worauf viele Verantwortlichkeiten und Aufgaben immer mehr den Individuen zu<br />

gefallen sind. Sie sollen zu mehr Eigeninitiative und Selbstverantwortung geführt werden.<br />

Zweitens nehmen sozialräumliche Ungleichheiten im Zuge globaler Veränderungen der<br />

Wirtschaftsstruktur und des Arbeitsmarktes zu. Das hat wiederum einen verstärkten<br />

Verteilungskampf um Arbeitsplätze und Wohnungen zur Folge, was die Bedeutung des<br />

Stadtteils erhöht. Damit werden soziale Maßnahmen zunehmend verräumlicht und sie erhalten<br />

einen stärkeren Gebietsbezug.<br />

Drittens haben neue technische Möglichkeiten die Kommunikation im Dienstleistungsbereich<br />

und in der Verwaltung neue Handlungsformen generiert und Aushandlungsprozesse haben die<br />

hierarchische Struktur verändert. Damit ist Vernetzung und Koordination zu einem zentralen<br />

Element neuer Steuerungsansätze, wie dem Stadtteilmanagement geworden.<br />

Modernes Governance kann als Reaktion auf die Kritik an einer regulativen hierarchischen<br />

Politik gedeutet werden. Mayntz (1979, 2004: 68) geht davon aus, dass eine regulative<br />

Normierung kein Verhalten motivieren kann, das auf Eigeninitiative und eigenes Engagement<br />

des Bürgers aufbaut und das in einer Zeit, in der der Anspruch auf Selbstbestimmung steigt.<br />

Alisch (2002: 172) nennt vor allem vier Anlässe für die Reformbestrebungen in der<br />

öffentlichen Verwaltung:<br />

„a) gesellschaftliche Rahmenbedingungen ,<br />

b) die Interpretation der kommunalen Finanzkrise,<br />

13


c) Politikversagen und die Reaktion der Gesellschaft,<br />

d) als erfolgreich wahrgenommene Wirtschaftsstrategien (Lernprozesse).“<br />

Die wichtigsten Ziele des Governance-Leitbildes sind nach Jann (vgl. 2002) die Erreichung<br />

sozialer, politischer und administrativer Kohäsion, die allgemeine Beteiligung und das<br />

bürgerschaftliche Engagement. Vor allem die Exklusion einzelner sozialer Gruppen soll<br />

überwunden werden. Daneben sollen die Ziele der Effizienz und der<br />

Dienstleistungsorientierung in der Verwaltung erhalten bleiben.<br />

Im Programm der deutschen Bundesregierung hieß es 1999 beispielsweise:<br />

„Der Staat ist weniger Entscheider und Produzent, als vielmehr Moderator und<br />

Aktivator der gesellschaftlichen Entwicklungen, die er nicht allein bestimmen kann und<br />

soll“<br />

(Bundesministerium des Inneren 1999: 8-9).<br />

In Österreich ging man im relevanten Regierungsprogramm 1 nicht so weit und explizierte auch<br />

die Rollenaufteilung zwischen Staat, Markt und Zivilgesellschaft nicht in dieser Weise. So<br />

heißt es dort nur u.a.:<br />

„Ziel ist die Konzentration der staatlichen Leistungen auf Kernfunktionen, u.a. durch die<br />

Fortsetzung des Weges der gesellschaftsrechtlichen Verselbständigung von definierten<br />

Bereichen“ (Regierungsprogramm 2000: 7).<br />

Diese Formulierung lässt noch sehr viel Spielraum für Interpretationen über die zukünftige<br />

Rolle des Staates, nur dass der Rückzug des Staates seinen Lauf nehmen soll, geht hier hervor.<br />

An anderer Stelle heißt es:<br />

„Der demokratische Staat ist auf die Mitwirkung seiner Bürgerinnen und Bürger<br />

angewiesen. Wir bemühen uns um einen neuen Patriotismus, der die Staatsbürger zum<br />

demokratischen Engagement und zur Mitverantwortung für das Gemeinwohl begeistert“<br />

(Regierungsprogramm 2000: 7).<br />

Auch hier ist es schwierig, eine eindeutige Aussage zu identifizieren, in diesem Fall darüber,<br />

welche Qualität bürgerschaftliches Engagement aufweisen soll. In wie weit hier eine breiter<br />

angelegte Basis für Kommunikation und Verhandlung als zuvor vorgesehen ist oder welche<br />

überschreiten aufgrund der hohen Komplexität die Kompetenzgrenzen Rolle der Staat, die<br />

Institutionen oder der private Sektor einnehmen soll, bleibt unklar.<br />

1.1.2. Die Hauptelemente von Governance<br />

Die aktuellen Probleme der Gesellschaft von Regierungs- und Verwaltungseinheiten. (Benz<br />

2004b) Regierungen und Verwaltungen können ihre Aufgaben immer weniger alleine und<br />

1 Der Beginn des Grätzelmanagements fällt in die Zeit der Regierung von „Schüssel I“ und dafür war das<br />

Regierungsprogramm vom 4.2.2000 relevant. http://www.austria.gv.at/site/3354/default.aspx;<br />

14


autonom erfüllen, sondern sind immer häufiger auf das Zusammenwirken mit anderen<br />

Akteuren (privater u. öffentlicher Sektor) angewiesen (Benz 2004b: 12).<br />

Um mit dieser Komplexität auch nur annähernd Schritt halten zu können, erscheint es sinnvoll,<br />

neue Steuerungsformen zu entwickeln. So bemerkt auch Mayntz (vgl. 2004: 71), dass die<br />

aktuellen Probleme „immer öfter den Charakter von Querschnittsproblemen haben“, welche in die<br />

Zuständigkeit unterschiedlicher Handlungsfelder hinein reichen.<br />

Mayntz (2004: 68) beschreibt das Besondere von Governance im modernen Staat als<br />

„das Zusammenwirken von Staat und Zivilgesellschaft bei der Regelung kollektiver<br />

Sachverhalte im gemeinschaftlichen Interesse“.<br />

Die Gestaltung von Governanceprozessen soll die Effektivität und Legitimität politischer<br />

Steuerung erhöhen (Heinelt 1997, 2002; zitiert nach Heinelt 2004: 34). Im Falle von<br />

Governance auf lokaler Ebene geht es darum, zentrale Leistungen und Programme auf die<br />

lokalen Besonderheiten zuzuschneiden, um die örtlichen Bedingungen zu berücksichtigen und<br />

die sogenannten „Problemgruppen“ zu erfassen (Benz 2004b: 35).<br />

Es entsteht immer mehr Zweifel daran, dass der Markt oder die ihn ersetzenden Mittel wie<br />

simulierte Wettbewerbe (Ausschreibungen) die einzige Alternative zu einer hierarchischen<br />

Steuerung sind, um die Leistungsfähigkeit des politisch-administrativen Systems zu sichern<br />

und zu steigern (Jann/Wegrich 2004).<br />

Die entscheidende Idee zur Weiterentwicklung verwaltungs- und steuerungspolitischer Formen<br />

im Governance Konzept liegt im Versuch, die bisher dominanten Modi zu kombinieren, wie<br />

das in den sogenannten Public Private Partnerships bereits passiert. Man hofft dabei auf eine<br />

positive Wechselwirkung zwischen den Steuerungsformen des hierarchischen Staates und dem<br />

marktorientierten Modell des New Public Management. Diese Kombination soll die jeweiligen<br />

Potentiale zur Entfaltung bringen (Jann/Wegrich 2004). Dazu ist es allerdings notwendig, die<br />

Akteure der verschiedenen Felder zusammenzubringen und deren Interessen miteinander zu<br />

koordinieren. Es ergeben sich also in Folge neue Beziehungsstrukturen in der politischen<br />

Steuerung.<br />

1.1.2.1. Neue Kooperations-, Interaktions-, und Steuerungsformen<br />

Im Unterschied zum New Public Management, wo eine intra-organisatorische Perspektive<br />

dominiert, zeichnet sich Governance durch seine inter-organisatorische Perspektive aus. So gilt<br />

schon allein für den Verwaltungsbereich, dass hier mehrere Ebenen miteinander kooperieren<br />

sollen und die öffentliche Verwaltung zunehmend in interorganisatorische Netzwerke<br />

eingebunden wird. Benz (2004b: 25) nennt die Überschreitung der Organisationsgrenzen<br />

zugunsten interorganisatorischer Strukturen als charakteristisches Merkmal neuartiger am<br />

15


Governancekonzept orientierter Kooperation. Damit ist auch eine eher segmentierte<br />

Verwaltung, die sich zuletzt am Leitbild des New Public Management orientiert hat,<br />

aufgerufen, ihre Ressortgrenzen zu überschreiten.<br />

Modernes Governance zielt damit auf eine Neugestaltung der Kooperationsbeziehungen von<br />

Akteuren des öffentlichen, privaten und dritten Sektors (Vereine, Verbände, Non-Profit-<br />

Organisationen) (Jann/Wegrich 2004).<br />

Ein wesentliches Element von Governance sind somit die<br />

„netzwerkartigen Strukturen, die aus staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren gebildet<br />

sind“<br />

(Mayntz 2004: 69).<br />

Neben der konventionellen Privatisierung ehemals staatlicher Aufgaben soll auch eine<br />

„organisierte Zivilgesellschaft“ Aufgaben übernehmen (Jann/Wegrich 2004: 205).<br />

Die Rolle des Staates verändert sich zusehends. Er gibt Aufgaben der Umsetzung an Private ab.<br />

Der aktivierende Staat konzentriert sich mehr auf die Steuerung der Leistungserstellung als auf<br />

eine eigene Produktion (Jann/Wegrich 2004). Damit verändert sich auch die Rolle der<br />

Verwaltung.<br />

„Kooperative Handlungsformen und die Rolle der Verwaltung als Initiator, Moderator<br />

und Förderer von Netzwerken (...) rücken dabei in den Mittelpunkt des Interesses“<br />

(Jann/Wegrich 2004: 205).<br />

Im Grunde geht es immer wieder um die Initiierung gesellschaftlicher Koproduktion von<br />

Leistungen. Die Verantwortung soll nicht an einzelne Akteure neu übertragen werden, sondern<br />

mit gegenseitigen Verpflichtungen geteilt werden, wobei sich langfristige Kooperationen in<br />

variablen Netzwerken etablieren sollen (vgl. Jann/Wegrich 2004: 206). Es werden also<br />

netzwerkartige Steuerungsformen angestrebt und dabei wird<br />

„die Bedeutung von Vertrauen und informellen Verhaltensnormen“<br />

(Jann/Wegrich 2004: 205) betont.<br />

Mit dem Begriff des modern governance wird<br />

„die bewusste Organisation und das Management der Interaktionen zwischen Staat,<br />

Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Individuen durch institutionelle Steuerung“<br />

fokussiert (vgl. Jann/Wegrich 2004: 207).<br />

Für dieses Management können dann intermediäre Organisationen eingesetzt werden, die<br />

zwischen den Akteuren vermittelnd wirken. Eine Balance zwischen Institutionalisierung und<br />

informeller Selbstkoordination zu finden, gehört dabei zu den Hauptaufgaben des<br />

16


Managements (vgl. Benz 2004b: 24). Hier stellt sich ein Problem, das im folgenden Abschnitt<br />

genauer besprochen werden soll.<br />

1.1.2.2. Institutionalisierung neuer Formen des Regierens<br />

Staat und Verwaltung sind nicht mehr der Gesellschaft übergeordnet, sondern in plurale<br />

Leistungsnetzwerke eingebunden (vgl. Jann/Wegrich 2004: 209). Die in diesen Netzwerken<br />

entstehenden institutionellen Arrangements resultieren aus den Verhandlungen öffentlicher und<br />

gesellschaftlicher Akteure. Dabei werden in der direkten Beteiligung die Interessen artikuliert<br />

und koordiniert (vgl. Jann/Wegrich 2004: 209f).<br />

„Governance ist die Gesamtheit der zahlreichen Wege, auf denen Individuen sowie<br />

öffentliche und private Institutionen ihre gemeinsamen Angelegenheiten regeln. Es<br />

handelt sich um einen kontinuierlichen Prozess, durch den kontroverse oder<br />

unterschiedliche Interessen ausgeglichen und kooperatives Handeln initiiert werden<br />

kann“<br />

(Commission on Global Governance, zitiert nach Schneider/Kenis 1996: 39).<br />

Für das netzwerkartige Zusammenwirken staatlicher und privater Akteure kann also kein<br />

einheitliches Patentrezept erstellt werden, nach dem politische Steuerung funktionieren wird.<br />

Die Konstellationen müssen an die jeweiligen Probleme angepasst werden. Mit einer zu<br />

starken Institutionalisierung der politischen Steuerung würde der Vorteil der flexiblen<br />

Anpassung an spezifische Probleme verloren gehen. Die traditionellen Institutionen finden sich<br />

in neuen Steuerungs- und Entscheidungsstrukturen bzw. in einem neuen institutionellen<br />

Kontext wieder.<br />

1.1.2.3. Verhandlungssysteme<br />

Die Arbeit des Steuerns und Regierens hat sich unter dem Gesichtspunkt von Governance<br />

verändert. Eine Hierarchie soll im Endeffekt nur mehr dort bestehen, wo strategische Ziele<br />

vorgegeben werden und wo über die Durchführung eines begleitenden Monitorings und einer<br />

Prozessevaluation entschieden wird. Ansonsten zeichnet sich das moderne Governancekonzept<br />

durch seine Betonung auf Verhandlungen aus. Für Mayntz (2004: 71) gehören<br />

Verhandlungssysteme zu den Kennzeichen von Governance:<br />

„Entscheidungen werden nicht oktroyiert, sondern in direkter Interaktion der Beteiligten<br />

vereinbart.“<br />

Die Einigung unter allen betroffenen Akteuren durch Verständigung über gemeinsame<br />

Interessen bildet daher einen Schwerpunkt von Governancekonzepten und deren Zielen. Die<br />

formellen sowie informellen Regelungen werden entweder von Menschen und Institutionen<br />

vereinbart oder liegen ohnehin im eigenen Interesse (Schneider/Kenis 1996).<br />

17


1.1.3. Kritik am Reformkonzept Governance<br />

Einer der Hauptkritikpunkte am Reformkonzept ist der mögliche Missbrauch durch eine neoliberale<br />

Politik. Dieser Politik wird vorgeworfen, dass sie diese Leitbilder benutzt, um ihre<br />

Strategien zu legitimieren und sich im Sinne einer Entstaatlichung zu entlasten. In der<br />

Privatisierung öffentlicher Leistungen wird eine Gefahr gesehen und der Rückzug des Staates<br />

kritisiert. Dieser Aspekt ist ernst zu nehmen, denn die Verantwortung soll nicht einfach<br />

abgegeben werden sondern breiter verteilt werden, vor allem wenn es um öffentliche<br />

Leistungen und Versorgung geht.<br />

Auf der anderen Seite sind die genannten Leitbilder auch Zeichen einer veränderten<br />

Problemsicht und sie spiegeln damit die Lernprozesse in der Verwaltungspolitik wider, so<br />

Jann/Wegrich (2004: 211). Jann/Wegrich gehen davon aus, dass Governance nicht die gleiche<br />

Dominanz wie die Managementperspektive erreichen wird, dem Konzept aber trotz der<br />

Unschärfe eine Korrekturfunktion zukommt (vgl. Jann/Wegrich 2004: 211f.). Eine<br />

standardisierte Vorgehensweise für die Umsetzung des Governancekonzeptes gibt es nicht.<br />

Wie wir bisher gesehen haben, lassen sich aus dem Governance Konzept also kaum<br />

implementationsreife Maßnahmen ableiten, sondern nur Orientierungshilfen erkennen (vgl.<br />

Jann/Wegrich 2004: 206).<br />

In den vorangegangen Erläuterungen 2 des Governancekonzeptes war immer wieder von<br />

gemeinsamen oder gemeinschaftlichen Interessen die Rede. Es darf dabei jedoch nicht<br />

vergessen werden, dass sich zu Beginn meist unterschiedliche oder sogar gegensätzliche<br />

Interessen gegenüber stehen. So reicht das Spektrum von Machtinteressen über parteipolitische<br />

Interessen bis hin zu institutionspolitischen Interessen und Interessen an der Erhaltung der<br />

eigenen Souveränität. Oft wäre es daher notwendig, den gemeinsamen Ertrag, den Output bzw.<br />

die Sachpolitik als Ziel der Zusammenarbeit in den Vordergrund zu stellen bzw. ins<br />

Bewusstsein zu rufen und zudem allen Akteuren die Möglichkeit zu einer profilierenden<br />

Darstellung in der Öffentlichkeit zu geben. Das wäre ein Weg, um über die Eigeninteressen<br />

hinaus eine konstruktive und produktive Zusammenarbeit zu fördern.<br />

Doch welche Anreize können zur Implementierung von Governancestrukturen genannt<br />

werden? Wie weiter oben beschrieben, sind die Ziele des Governancekonzeptes die<br />

Überwindung von Exklusionsprozessen, die Integration einzelner sozialer Gruppen und die<br />

2 beispielsweise Mayntz (2004: 68);<br />

18


Effizienzsteigerung und Dienstleistungsorientierung in der Verwaltung. Ein weiterer Anreiz<br />

allerdings, um in Governancestrukturen und –prozesse zu investieren, kann in Synergien<br />

gesehen werden, welche in einem kreativen und innovationsfördernden Klima entstehen<br />

können. Das Wissen und die Erfahrungen bisher außen vor gehaltener Akteure und<br />

Organisationen ist für die Schaffung von Mehrwerten in Verhandlungssystemen und<br />

Ideenwerkstätten unverzichtbar. Indem man die Ressourcen und Möglichkeiten der Akteure<br />

gerade in heterogenen Netzwerken erkennt, nutzt man das Potenzial dieser Netzwerke erst<br />

richtig und erzielt so einen Output, der weit über den bloßen Informationsaustausch hinaus<br />

geht. Müssen, im Extremfall, einzelne Institutionen jedes Mal das Rad neu erfinden, so bieten<br />

in Governancestrukturen gebildete Netzwerke eine Reihe an Möglichkeiten, bereits gebildetes<br />

Wissen und Ressourcen aufeinander zu beziehen. Auf diese Weise können auch kontrovers<br />

geführte und konflikthafte Verhandlungssysteme Lernprozesse in Gang setzen.<br />

Wie realistisch ist der Aufbau von Governancestrukturen überhaupt? An vielen Orten ist das<br />

Konzept längst umgesetzt und real. Die einzelnen Akteure stoßen jedoch an Grenzen, an ihre<br />

eigenen und wahrscheinlich auch an äußerliche. So kann es beispielsweise schwierig sein, die<br />

zeitlichen Ressourcen für zusätzliche Termine bzw. den Besuch von Gremien aufzubringen<br />

oder diese Treffen und den damit verbundenen Mehraufwand im Arbeitsalltag zu organisieren.<br />

Abgesehen davon müssen für diese Tätigkeit Personen gefunden werden, die motiviert und<br />

kompetent sind, in neuen Konstellationen und mit institutionsfremden Menschen zu arbeiten.<br />

Gerade hier wäre der Staat oder je nach dem die Länder oder Gemeinden aber auch die<br />

einzelnen Akteure und Institutionen aufgerufen, die notwendigen Rahmenbedingungen zu<br />

schaffen, sei es durch Verordnung, Schaffung von Anreizen oder der einfachen Ermöglichung.<br />

Eine der Hauptaufgaben aber auch Hauptprobleme des Managements von<br />

Governancestrukturen und Prozessen ist sicherlich die Stabilisierung einer Balance zwischen<br />

der Institutionalisierung und einer freien flexiblen Selbstkoordination, wie sie Benz (2004b:<br />

24) weiter oben angesprochen hat. In diesem Zusammenhang scheint der Anspruch von<br />

Jann/Wegrich (2004b: 206), langfristige Kooperationen in variablen Netzwerken einzurichten,<br />

etwas hoch gegriffen. Es besteht hier ein offensichtlicher Widerspruch einerseits zwischen der<br />

nötigen Vertrauensbildung, die ein regelmäßiges Zusammentreffen und daher Zeit braucht, also<br />

auch ein gewisses Maß an Institutionalisierung benötigt und andererseits dem gewünschten<br />

flexiblen und informellen Vorgehen in der Zusammenarbeit, das aber wichtig ist für eine<br />

kreative und innovative Kooperation. Hier steht das Governancekonzept und damit auch sein<br />

Management vor schwierigen Aufgaben.<br />

19


1.1.4. Ausblick auf die weitere Arbeit<br />

Das Konzept dient in dieser Arbeit als breitgefasste Perspektive auf das Phänomen<br />

Grätzelmanagement in Wien und ob sich bestimmte Kernpunkte von Governance im<br />

Grätzelmanagement wieder finden. Benz bemerkt, dass Governance wegen seiner Komplexität<br />

„nicht unmittelbar, sondern nur indirekt, d.h. durch Beobachtung von einzelnen<br />

Merkmalen“<br />

erkannt werden kann (Benz 2004b: 12). Wir wollen also sehen, ob das Grätzelmanagement<br />

solche einzelnen Merkmale enthält.<br />

Stadtteilmanagement kann demnach auch als Beispiel für eine gesellschaftspolitische<br />

Gesamtentwicklung, nämlich die veränderte Art und Weise politischer Steuerung genannt<br />

werden. Interessant für unsere Fragestellung ist das Konzept Governance auch deshalb, weil<br />

dabei einerseits eine Veränderung der Beziehungen zwischen den politischen Akteuren und<br />

andererseits eine Veränderung der Rolle der Akteure selbst nahegelegt wird. Außerdem sollen<br />

neue Akteure in das politische Kraftfeld integriert werden, die bisher nicht oder wenig an<br />

Verhandlung, Steuerung und Entscheidung beteiligt waren.<br />

Nachdem wir die Ursachen und Hintergründe der Veränderung politischer Steuerung<br />

(Netzwerke, Verantwortungsteilung, Selbstregulierung, etc.) kennen gelernt haben, müssen wir<br />

uns noch fragen, was dazu beitragen kann, diese neuen Formen der Steuerung zu unterstützen<br />

und was zu ihrer erfolgreichen Stabilisierung beitragen kann. Die Einrichtung intermediärer<br />

Organisationen wird in diesem Zusammenhang häufig als Option genannt. Die Entstehung,<br />

Aufgabe und Möglichkeiten solcher Einrichtungen in der Stadtteilentwicklung wird im<br />

anschließenden Kapitel erläutert.<br />

20


1.2. Stadtteilmanagement als intermediäre Instanz<br />

Governance als Reformkonzept politischer Steuerung ist also ein Ansatz ohne hierarchischer<br />

Spitze, sondern vielmehr ein in Gang zu bringender Prozess zwischen vielen mehr oder<br />

weniger gleichgestellten Akteuren, die untereinander jedoch höchst unterschiedliche Logiken<br />

und Interessen mitbringen. Intermediäre Organisationen bzw. Instanzen erscheinen in diesem<br />

Licht als geeignete Möglichkeit, zwischen diesen verschiedenen Akteuren und ihren Interessen<br />

zu vermitteln.<br />

1.2.1. Der Entstehungszusammenhang intermediärer Organisationen<br />

Als Hintergründe für die Entstehung intermediärer Organisationen in der Stadtteilentwicklung<br />

werden in der einschlägigen Literatur (vgl. Hinte 1991, 1992, Selle 1990a, 1994b; zitiert nach:<br />

Grimm 2004: 49) folgende genannt:<br />

„Die Verschärfung sozialer Ungleichheiten, die wachsende Zersplitterung<br />

lebensweltlicher und politischer Strukturen, die sinkende Wahlbeteiligung, die<br />

Komplexitätssteigerung in den Macht- und Entscheidungszentralen in Verwaltung,<br />

Politik und Industrie, Bedarf nach neuen Problemlösungen, Leistungsgrenzen der<br />

Selbsthilfe, der öffentlichen Verwaltung und der privaten Unternehmen sowie ein immer<br />

enger werdender Arbeitsmarkt (...).“<br />

Wesentlich für die Bildung intermediärer Organisationen scheint das Unvermögen bestehender<br />

Institutionen zu sein, dem Handlungsbedarf nach einer Bearbeitung bestehender komplexer<br />

Probleme gerecht zu werden (vgl. Grimm 2004: 49).<br />

Ergänzend dazu kann vom Bedarf nach Akteuren gesprochen werden, welche über die<br />

Kompetenzen verfügen komplexe Kommunikationsprozesse zu unterstützen.<br />

Selle (1994a: 122-124; zitiert nach Grimm 2004: 50) nennt fünf Quellen für die Entstehung<br />

intermediärer Organisationen:<br />

• Verlagerung (Regulierung, Privatisierung)<br />

• Konflikt (unbelasteter Dritter)<br />

• Engagement (Vermittlung für Bürgerinitiativen)<br />

• Endogenes Potential (Förderung, Initiierung von Projekten)<br />

• Neue Standards (Selbstverständnis der Fachleute ändert sich)<br />

1.2.2. Begründung in der Entwicklung moderner Gesellschaft<br />

Grimm (2004: 29ff.) geht in ihrer Erläuterung über die Notwendigkeit strategischer Ansätze in<br />

der Stadtteilentwicklung zunächst einmal von der Theorie des kommunikativen Handelns<br />

(Habermas 1981) aus. Darin beschreibt sie die Entkoppelung von System und Lebenswelt.<br />

21


Dem System wird die Wirtschaft mit dem Medium Geld und die bürokratische<br />

Staatsverwaltung mit dem Medium Macht zugeordnet. Geld und Macht sind<br />

Steuerungsmedien, welche das Handeln und Verhalten von Menschen steuern und werden auch<br />

symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien genannt. Die Lebenswelt hingegen ist eine<br />

vom Menschen begriffene, gedeutete und ihm subjektiv sinnvoll erscheinende Wirklichkeit.<br />

Ihre Kommunikationsform ist sprachlich bzw. verständigungsorientiert. In der Moderne<br />

werden die Systeme immer komplexer und die Lebenswelten werden zusehends rationaler<br />

strukturiert. Die Lebenswelt wird von ausdifferenzierten Subsystemen insofern kolonialisiert,<br />

als die Verständigungsorientierung der Lebenswelt bedroht ist, von den entsprachlichten,<br />

generalisierten Kommunikationsmedien ersetzt zu werden. Außerdem kommt es zu einer<br />

Ausdifferenzierung der Expertenkulturen (Wissenschaft, Moral, Recht, Kunst etc.), die sich mit<br />

der alltäglichen Lebenswelt immer weniger rück binden lassen. System und Lebenswelt<br />

differenzieren sich außerdem voneinander. Die entsprachlichten Subsysteme basieren jedoch<br />

auf der verständnisorientierten Kommunikation mit der Lebenswelt und müssen daher an der<br />

Kommunikation mit der Lebenswelt interessiert sein. Die institutionalisierte Meinungs- und<br />

Willensbildung ist auf die Zufuhren aus den informellen Kommunikationszusammenhängen<br />

der Öffentlichkeit und der Privatsphäre angewiesen.<br />

„Findet ein kommunikativer Austausch nicht mehr statt bzw. ist keine Basis der<br />

Auseinandersetzung mehr vorhanden, kommt es zur Implosion (...)“ (Grimm 2004: 28).<br />

Für diese Kommunikation braucht es nach Kempkes (1993: 77; zit. n. Grimm 2004: 31)<br />

„Vermittlungsexperten“.<br />

In Anlehnung an Grimm (2004: 32ff.) sind die beiden Phänomene Pluralismus und<br />

Individualismus als zentrale Begriffe für das Verständnis moderner Gesellschaften zu nennen.<br />

Im modernen Pluralismus (Berger/Luckmann 1995) erweitern sich die Entscheidungs- und<br />

Wahlmöglichkeiten bis hin zu einem Wahlzwang und zwar auf sozialer, materieller und<br />

geistiger Ebene. Auf der anderen Seite nimmt die Individualisierung (Beck 1997) aufgrund<br />

abnehmender Bedeutung traditioneller Werte zu. Die einzelnen Menschen müssen sich selbst<br />

positionieren und sind mehr denn je gefordert, Eigeninitiative zu übernehmen. Das verlangt<br />

von ihnen die Entwicklung flexibler Handlungskompetenzen zur Lebensbewältigung ab.<br />

Grimm (2004: 33) fordert daher:<br />

„In einer Gesellschaft, die um die Aufrechterhaltung demokratischer Strukturen und<br />

sozialer Integration bemüht ist, müssen aber Voraussetzungen geschaffen werden, um<br />

über bestehende Wahlmöglichkeiten zu informieren und die Zugangschancen erweiterter<br />

Optionen für breite Kreise der Bevölkerung zu eröffnen.“<br />

Berger/Luckmann (1995: 62) gehen schließlich davon aus, dass die Modernisierung und<br />

Pluralisierung die Desorientierung fördern und zur<br />

22


„Ausbreitung subjektiver und intersubjektiver Sinnkrisen“ führen.<br />

Zur Verhinderung dieser Krisen schlagen Berger/Luckmann die Forcierung intermediärer<br />

Strukturen und Institutionen vor. Diese Institutionen ermöglichen es, persönliche Werte aus<br />

dem Privatleben in die Gesellschaft zu tragen und zur Geltung zu bringen und damit die<br />

Gesellschaft mitzuformen. Sie bilden dabei Regeln aus, die das Zusammenleben und die<br />

Kooperation verschiedener Sinngemeinschaften durchdringen, ohne eine Wertordnung<br />

aufzuzwingen.<br />

„Diese Institutionen wirken sinnstiftend und sinnstützend in der Lebensführung der<br />

einzelnen und im Zusammenhalt von Lebensgemeinschaften“ (Berger/Luckmann 1995:<br />

62).<br />

Dabei wird von Berger/Luckmann der Anspruch erhoben, sowohl die Integration der einzelnen<br />

zu wahren als auch eine Form von Solidarität in der Gesellschaft zu fördern.<br />

„Nur wenn intermediäre Institutionen dazu beitragen, dass die subjektiven Erfahrungsund<br />

Handlungsmuster der Individuen in die gesellschaftliche Aushandlung und<br />

Etablierung von Sinn mit einfließen, wird verhindert werden, dass die Einzelnen sich in<br />

der modernen Welt als gänzlich Fremde wiederfinden; und nur dann wird vermieden<br />

werden können, dass die Identität der einzelnen Personen und der intersubjektive<br />

Zusammenhalt der Gesellschaft von der Krisenhaftigkeit der Moderne bedroht oder gar<br />

zerstört werden“ (Berger/Luckmann 1995: 77).<br />

Berger/Luckmann (1995: 62f.) schreiben den intermediären Institutionen die Aufgabe und<br />

Fähigkeit zu, analog zu einem Immunsystem mittels Stabilisierung des gesamten<br />

„Organsimus“ die Handlungs- und Integrationsfähigkeit aufrecht zu erhalten.<br />

Auch Selle (1994b: 41) fordert für den Prozess der Erneuerung von Stadtteilen die<br />

Entwicklung von Organisations- und Vermittlungsformen, um<br />

„unterschiedliche Organisationsprinzipien und Werte lose miteinander zu verbinden“.<br />

In diesem Zusammenhang sei auf die Bedeutung von Granovetters „weak ties“ (1973)<br />

hingewiesen, welche unterschiedliche Akteursgruppen oder soziale Netzwerke miteinander<br />

verbinden. Die Aufgabe intermediärer Organisationen wäre es hier, diese vermeintlich<br />

schwachen Verbindungen herzustellen. Der Vorteil von „weak ties“ besteht dann darin, dass<br />

die einzelnen Akteursgruppen oder Institutionen und Vereine etc. sich austauschen können und<br />

voneinander profitieren, ohne ihre Souveränität und Unabhängigkeit zu gefährden bzw. sich<br />

eine gemeinsame Wertordnung aufzwingen lassen zu müssen. In Weiterführung von<br />

Granovetters Ideen prägt Burt (1992) den Begriff der „structural holes“. Akteure, welche<br />

diese strukturellen Löcher besetzen, sind privilegiert in ihrem Zugang zu anderen sozialen<br />

Netzwerken. Gemeinwohlorientierte intermediäre Organisationen sind also aufgerufen, diese<br />

Position zu nutzen, um bisher getrennte Akteure an einen Tisch zu bringen und Kontakte her<br />

zustellen.<br />

23


1.2.3. Die Aufgabenbeschreibung für intermediäre Organisationen<br />

Für die Entwicklung von Stadtteilen ist es somit wichtig, spezifische Organisationen<br />

einzurichten, welche eine Vermittlungsfunktion zwischen den unterschiedlichen<br />

gesellschaftlichen Sphären übernehmen. Für diese Organisationen und ihre Funktion sind in<br />

der einschlägigen Literatur eine Reihe von metaphorischen Bezeichnungen eingeführt worden,<br />

die das Verständnis über die Aufgabe eines Stadtteilmanagements erleichtern. Grimm (2004:<br />

48) hat dazu folgende Auflistung erstellt, woraus hier lediglich ein Ausschnitt wiedergegeben<br />

ist:<br />

- Schmieröl (Hinte 1998c)<br />

- Schanierfunktion (Huber 1980)<br />

- Change agents (Friedman 1987, in: Selle 1990b)<br />

- Drehpunktpersonen (Huber 1980)<br />

- Brückeninstanzen (Selle 1990b; Evers 1991)<br />

- Bypass-Organisationen (Selle 1994b)<br />

- Innovationsagenturen (Selle 1994b)<br />

- Gelenkstücke (Hinte 1994a)<br />

- kontaktschaffende und kontakthaltende Instanzen (Hinte 1998c)<br />

- Dialogmanager (Hinte 1992)<br />

- Taoistische Fische, die zwischen den Strömen schwimmen (Huber 1980)<br />

Der Aushandlungsprozess zwischen den beteiligten Akteuren wird zunächst<br />

verständigungsorientiert gestaltet. Dabei ist eine Annäherung verschiedener Positionen nicht<br />

immer möglich.<br />

„Aber es kann gelingen, Transparenz und Akzeptanz bezüglich unterschiedlicher<br />

Positionen herzustellen und im Gegensatz zu den herkömmlichen ´Gewinner-Verlierer-<br />

Lösungen´ nach ´Gewinner-Gewinner-Lösungen´ zu suchen“<br />

(Grimm 2004: 52).<br />

Laut Grimm (2004: 54f.) sind die Hauptaufgaben einer intermediären Organisation in der<br />

Stadtteilentwicklung die Aktivierung und Kommunikation, die Ideenproduktion und<br />

Projektentwicklung, sowie die Organisation und Ressourcenbeschaffung.<br />

Es soll nun ein grober Überblick über die wichtigsten Aspekte intermediärer Organisationen<br />

gegeben werden. Grimm (2004: 69f.) hat die<br />

„formalen und inhaltlichen Voraussetzungen intermediärer Organisationen“<br />

aufgelistet. Einige davon sind, an den Interessen der vorliegenden Arbeit orientiert, im<br />

folgenden knapp zusammengefasst:<br />

24


Auf formaler Ebene notwendig sind u.a.:<br />

- Personen, die im PAS (politisch-administrativen System) in der horizontalen Ebene<br />

vermitteln;<br />

- Räumliche Ressourcen<br />

- „Strukturelle Zugangsmöglichkeiten der intermediären Akteure zu beiden Seiten, sowohl zur<br />

Lebenswelt als auch zum System, d.h. hier v.a. zu den unterschiedlichen Ressorts der<br />

Verwaltung“ (Grimm 2004: 69).<br />

- Eine an den Rändern offene Kommunalverwaltung;<br />

Auf inhaltliche Ebene zu berücksichtigen sind u.a.:<br />

- Dialogbereitschaft aller Parteien;<br />

- Intermediäre nur in Ausnahme als Anwälte, vielmehr sollen sie Voraussetzungen für<br />

Diskurse und Beteiligung schaffen;<br />

„Auf der Seite der Lebenswelt müssen Erfahrungen zur Sinnentfaltung gestiftet werden,<br />

die deutlich machen, dass die Welt gestaltbar ist, auf der Seite des Systems müssen<br />

Gelegenheiten der Kommunikation mit der Lebenswelt geschaffen werden“, um die<br />

Problemwahrnehmungs- und Problemlösungsfähigkeit von Institutionen zu verbessern“<br />

(Grimm 2004: 69).<br />

- Kooperations- und Kommunikationsstrukturen schaffen;<br />

- Dialogmanagement und Konfliktvermittlung organisieren bzw. gewährleisten;<br />

- Setzung von Normen bezüglich dem zugrunde liegenden Demokratieverständnis;<br />

1.2.4. Kritik am Konzept intermediärer Instanzen<br />

Intermediäre Instanzen und konkret intermediäre Organisationen bekommen im Zuge der<br />

vorangegangen Beschreibungen eine große Verantwortung zugesprochen. Sie sollen Dreh- und<br />

Angelpunkt einer teils desintegrierten Gesellschaft werden. Dabei wird es zu ihrer Aufgabe<br />

gemacht, Informationen in Umlauf zu bringen und umfassend über Entwicklungen im Stadtteil<br />

zu informieren. Sie sollen Kontakte zwischen den Menschen im Stadtteil und zu den<br />

Institutionen der Stadt herstellen. Sie sollen außerdem zwischen den Logik des Staates und der<br />

des Marktes vermitteln. Und dazu kommt, dass sie verständigungsorientiertes Handeln<br />

implementieren sollen und damit über geeignete Ressourcen und Methoden zu verfügen haben,<br />

welche Verstehensprozesse zwischen allen Beteiligten herstellen. Ein Stadtteil beherbergt<br />

mehrere Tausend Einwohner und darüber hinaus Gewerbetreibende und andere Akteure. In<br />

einer intermediären Organisation, wie es das Stadtteilmanagement darstellt, sind eine handvoll<br />

Menschen angestellt und mit der Stadtteilarbeit betraut. Die Überforderung dieser Organisation<br />

25


ist vorprogrammiert, wenn man ihr die gesamte Integrations- und Vermittlungsarbeit in einem<br />

Stadtteil überantwortet.<br />

Der oben dargestellte Anspruch von Berger/Luckmann, die Handlungs- und<br />

Integrationsfähigkeit des „gesamten Organismus“ mit intermediären Institutionen aufrecht zu<br />

erhalten, ist zwar ein ambitionierter Ansatz, kann jedoch für Organisationen wie ein<br />

Stadtteilmanagement nicht alleine gelten. Das Konzept des Stadtteilmanagements sieht zwar<br />

vor, ein Stadtteilbüro strategisch sehr günstig, nämlich vor Ort und in der Nähe der Alltagsbzw.<br />

Lebenswelt der Menschen zu positionieren. Es werden aber immer auch andere<br />

intermediäre Organisationen wie die Kirche, NGOs oder die Familie gefragt sein, zwischen<br />

Gesellschaft und Individuum zu vermitteln. Die Institutionalisierung zusätzlicher intermediärer<br />

Organisationen wie es das Stadtteilmanagement darstellt, darf aber nicht vom Staat genutzt<br />

werden, sich weiter zurückzuziehen und Verantwortung „nach unten“ abzugeben bzw. sich auf<br />

die Leistungsfähigkeit solcher intermediärer Organisationen zu verlassen. Denn Integration und<br />

Zusammenhalt in der Gesellschaft soll nicht an einzelne Organisationen übertragen werden,<br />

sondern muss ein gesamtgesellschaftliches Vorhaben bleiben.<br />

26


1.3. Stadtteilmanagement<br />

1.3.1. Der Stadtteilbezug/Der Quartiersansatz<br />

Für die Begründung eines Entwicklungskonzeptes, das als Ausgangspunkt den Stadtteil wählt,<br />

stehen eine Reihe von Argumenten und Thesen bereit. So behauptet Grimm (2004: 93), dass<br />

„eine Politik, die das Quartier als zentralen Ort zur Entwicklung ziviler demokratischer<br />

Strukturen vernachlässigt, (...) auf enormes Potenzial der dort lebenden Menschen“<br />

verzichtet.<br />

Der Stadtteil ist der zentrale Ort für die Stabilisierung und Normalisierung von<br />

Lebensvollzügen und genau dort ergeben sich zentrale Gestaltungs- und<br />

Erfahrungsmöglichkeiten (vgl. u.a. Hinte 1997, Oelschlägel 1997, Springer 1995; zitiert nach<br />

Grimm 2004: 121). Der Stadtteil bzw. das Grätzel werden daher als Ort und Instanz für soziale<br />

Integration gesehen. Schließlich wird im Wohnquartier der Alltag verbracht und die<br />

Nachbarschaft kann ein entscheidender Teil der sozialen Beziehungen darstellen. Dazu kommt,<br />

dass über gemeinsame selbstbestimmte Arbeit mit anderen Bewohnern soziale Integration<br />

abseits des ersten Arbeitsmarktes erreicht werden kann, so Alisch (2001) und<br />

Alisch/Dangschat (1998). Diese gemeinsame Arbeit kann durch ein Stadtteilmanagement<br />

initiiert und vermittelt werden. Im bezug auf die Integration von Migranten weist Dangschat<br />

(2000: 196) explizit auf die Bedeutung des Stadtteils/Quartiers hin. Gerade in Stadtteilen mit<br />

hoher Konzentration sozial Benachteiligter ist die Herausforderung, mit fremden Menschen vor<br />

Ort umgehen zu müssen besonders groß. Dangschat unterscheidet auf Quartiersebene zwischen<br />

der „kommunikativ-interaktiven Sozialintegration“, welche den Ausgleich konfligierender<br />

Interessen und die Teilhabe an öffentlichen Angelegenheiten beinhaltet und der „expressivkulturellen<br />

Sozialintegration“, welche die Herstellung emotionaler Beziehungen zwischen<br />

Personen und eine Integration in Gemeinschaften beinhaltet, wobei es auch um die<br />

Anerkennung dieser Gemeinschaften geht.<br />

Für die Aufgaben des Stadtteilmanagements gelten nun nach Alisch (2001: 13), dass<br />

„alle Projekte, Vorhaben und Strategien von den personellen, räumlichen, finanziellen<br />

und institutionellen Ressourcen“ ausgehen, „die im Quartier vorhanden sind“.<br />

Das Stadtteilmanagement knüpft zudem an den vorhandenen Potenzialen, Fähigkeiten und<br />

Aktivitäten der Bewohnerschaft an (Alisch 2001: 13).<br />

Das Stadtteilmanagement spiegelt als Konzept einerseits die Tendenzen von Governance als<br />

Reformkonzept politischer Steuerung und Regelung wider. Andererseits soll damit ein<br />

Instrument geschaffen werden, das die unterschiedlichen Interessen, im und am Stadtteil,<br />

untereinander vermittelt und koordiniert, sowie eine Plattform für Kommunikation und<br />

27


Austausch im Sinne einer intermediären Organisation darstellt. Der Stadtteil ist also<br />

gleichzeitig Ausgangspunkt und Ziel eines integrativen Handlungsansatzes.<br />

Mit dem Konzept des Stadtteilmanagements ist vor allem die Idee verknüpft,<br />

„eine Organisationsform zu schaffen, die das gemeinsame Ziel für die Entwicklung des<br />

Quartiers nicht aus dem Auge verliert, den Prozess der Entwicklung inklusive<br />

Bewohnerbeteiligung gestaltet und in die Richtung des vereinbarten Ziels lenkt, ohne<br />

dabei die Zusammenarbeit der beteiligten Akteure (Kooperationsbereitschaft) zu<br />

vernachlässigen“ (Alisch 2002: 104).<br />

Für die Charakteristik von Stadtteilmanagement ergeben sich nun Kernpunkte, die in dieser<br />

Kombination und Ausdrücklichkeit für die Stadtplanung relativ neu sind und von Alisch (2001:<br />

10) folgendermaßen zusammengefasst werden:<br />

„Die Merkmale Quartiersbezug, horizontale und vertikale Kooperation,<br />

Bürgeraktivierung und Vernetzung sind dabei handlungsleitend.“<br />

Im Anschluss soll nun auf Basis der Fragestellung besonders auf die strukturellen Elemente<br />

dieses Zugangs eingegangen werden, welche die Beziehungen der verschiedenen Akteure<br />

betreffen. Daher sollen hier vor allem die Merkmale Vernetzung und Kooperation<br />

berücksichtigt werden.<br />

1.3.2. Struktur von Stadtteilmanagement<br />

Wie weiter oben beschrieben, stellt Stadtteilmanagement einen Ansatz politischer Steuerung<br />

dar, der sich insbesondere durch seine neuartigen Strukturen auszeichnet. Dabei gehen die<br />

verschiedenen Akteure neue Beziehungen miteinander ein und durch Einbindung bisher<br />

abwesender Akteure werden die Netzwerke zunehmend komplexer und deren Koordination<br />

schwieriger. Damit das Stadtteilmanagement die Verbesserung der Lebensbedingungen<br />

erreichen kann, muss diese Koordinationsarbeit geleistet werden und die Beziehungsstrukturen<br />

an die neuen Ansprüche angepasst werden.<br />

Für das Stadtteilmanagement sind im Rahmen sozialer Stadtentwicklung zwei Ebenen bzw.<br />

Dimensionen zu unterscheiden. Alisch (2002: 95) beschreibt diese zwei Dimensionen sozialer<br />

Stadtentwicklung. Die erste Dimension ist die der „gebietsbezogenen Ziele“, welche praktisch<br />

die ursprüngliche Intention sozialer Stadtentwicklung wider spiegeln. Sie betreffen vor allem<br />

die Lebenssituation im jeweiligen Stadtgebiet:<br />

- „Verhindern weiterer Segregationsprozesse<br />

- Stabilisierung der Lebenssituation<br />

- Nachhaltige Entwicklungsprozesse initiieren<br />

- Lebensbedingungen verbessern<br />

- Sozial- und Wirtschaftsstruktur verbessern<br />

- Städtebauliche Aufwertung“ (Alisch 2002: 95);<br />

28


Alisch nennt zusätzlich zu diesen „gebietsbezogenen Zielen“ nun als zweite Dimension die<br />

„strukturbezogenen Ziele“, welche genauso erst erarbeitet werden müssen und nicht<br />

selbstverständlich vorausgesetzt werden können. Sie gelten allerdings als Voraussetzung für<br />

die Erreichung der „gebietsbezogenen Ziele“ und im Sinne der Verwaltungsmodernisierung<br />

gilt es dabei u.a.,<br />

„die immer knapper werdenden Mittel öffentlicher Haushalte so sparsam und effizient<br />

einzusetzen wie nur eben möglich“ (Döhne/Walter 1999: 24f.).<br />

Die „strukturbezogenen Ziele“ können damit als eigene Policy beschrieben werden und<br />

betreffen eher die Organisation der „gebietsbezogenen Ziele“.<br />

„Die strukturbezogenen Ziele markieren somit eigentlich die Mittel, die eingesetzt<br />

werden müssen, um die gebietsbezogenen und die globalen Ziele zu erreichen“ (Alisch<br />

2002: 94).<br />

Die „strukturbezogenen Ziele“ beinhalten die angestrebten grundlegenden sozialen<br />

Beziehungen und die damit verbundenen Kooperationen in vertikaler und horizontaler<br />

Richtung:<br />

- „Ressourcen bündeln<br />

- Ressortübergreifende Aktivität (Vernetzung)<br />

- Verknüpfung politisch-administrativer Handlungsebenen (Stadtteil, Bezirk, Stadtrat,<br />

Land)<br />

- Bewohnerbeteiligung<br />

- Aktivierung von Selbsthilfe“ (Alisch 2002: 95);<br />

Die Definition der „strukturbezogenen Ziele“ soll für die vorliegende Arbeit um zwei Aspekte<br />

erweitert werden. Erstens ist die Vernetzung nicht nur auf der Verwaltungsebene von Interesse,<br />

sondern auch auf Stadtteilebene, da hier ebenso Ressourcen gebündelt werden können und eine<br />

nachhaltige Zusammenarbeit erreicht werden soll. Zweitens erscheint der Begriff Struktur zu<br />

statisch und es muss davon ausgegangen werden, dass sich diese während dem Projekt laufend<br />

verändert. Ziel ist es ja eben, diese Struktur aufzubauen. Ob eine endgültige Erreichung dieser<br />

Struktur möglich oder wünschenswert ist, muss stark in Frage gestellt werden. Die<br />

Entwicklung und Etablierung der Struktur des Stadtteilmanagements ist also immer auch als<br />

Prozess zu betrachten. Interessant ist ja gerade der prozesshafte Charakter der Vernetzung und<br />

Zusammenarbeit und die Wechselwirkung zwischen Struktur und Handlung. Gerade<br />

Vermittlung ist eigentlich nur als Prozess zu begreifen. Man könnte daher geradezu von<br />

„prozessbezogenen Zielen“ sprechen. Der leichteren Verständigung wegen bleibt es in dieser<br />

Arbeit beim bereits von Alisch etablierten Begriff „strukturbezogene Ziele“.<br />

29


Es geht hier um einen neuen Politikansatz, bei dem integriertes Handeln sowie eine Vernetzung<br />

der Maßnahmen gewährleistet werden soll (vgl. Alisch 2002: 94). Die „strukturbezogenen<br />

Ziele“ beschreiben nun grob die Qualität eines integrierten Handlungsansatzes.<br />

Alisch (vgl. 2002: 96) hat die Integration der Handlungen in den folgenden drei Arten<br />

beschrieben. Dabei geht es zum einen jeweils um die Verteilung der politischen und<br />

gestalterischen Verantwortung und zum anderen um den Austausch und die Zusammenarbeit<br />

unterschiedlicher Akteure:<br />

• fächerübergreifende Problemlösung und Projektfinanzierung: Ressorts sollen ihre Ziele<br />

und ihre Mittelverteilung auf die Umsetzung der Policy ausrichten (horizontale<br />

Vernetzung 3 );<br />

• Verknüpfung politisch-administrativer Handlungsebenen: An der Definition der zu<br />

lösenden Probleme, der Projekte und Konzepte wirken sowohl das Land, die Bezirke<br />

und die Akteure der Stadtteilebene mit. (vertikale Vernetzung)<br />

• Aktivierung zur Selbsthilfe: Bewohner sollen sich in den Gebieten an der<br />

Projektentwicklung beteiligen(weniger an der Entscheidungsfindung und<br />

Mittelvergabe), was zum Qualitätsmerkmal erhoben wird. (demokratische Verteilung)<br />

Beim ersten Punkt, der horizontalen Verteilung politischer und gestalterischer Verantwortung<br />

besteht eine Hauptaufgabe des Stadtteilmanagements darin, unterschiedliche Handlungslogiken<br />

zu verbinden. Mayntz (vgl. 2001: 40) meint dazu, dass Kooperation im Zuge der horizontalen<br />

Koordination besonders gefragt ist. Da es nicht einen einzelnen Verantwortlichen auf der<br />

lokalen Ebene gibt, ist es erforderlich, dass sich ein Netzwerk der Akteure bildet, die über die<br />

Kompetenzen, Ressourcen, das Wissen und die Kontakte verfügt, um ein Konzept für die<br />

spezifischen Bedingungen des Stadtteils zu erstellen. In der Verwaltung bedeutet das, dass die<br />

Ressourcen und Mittel aufeinander bezogen werden.<br />

Zu den letzten beiden Punkten stellt sich die Frage nach dem Grad der Delegation von<br />

Entscheidungskompetenz bzw. nach der Balance zwischen Top-Down und Bottom-Up<br />

Steuerung. Sabatier (1998) unterscheidet dabei zwischen zwei Koalitionen. Die eine steht für<br />

den Policy Kern Ordnung und unterstützt eine Steuerung nach dem Top-Down Prinzip. Sie<br />

fordert die Kontrolle über die Arbeit der intermediären Organisation und tritt dafür ein, dass<br />

den demokratisch legitimierten Gremien die Entscheidung über die „richtigen“ Projekte<br />

vorbehalten bleiben.<br />

3 Alisch (2002) spricht hier von horizontaler und vertikaler Verteilung. Zum besseren Verständnis habe ich diese Formulierung<br />

hier jedoch durch die horizontale und vertikale Vernetzung ersetzt.<br />

30


Auf der anderen Seite verlangt die Bottom-Up Koalition, möglichst große Entscheidungsmacht<br />

und Handlungskompetenz in die Quartiere zu verlagern. Dabei sollen die Finanzmittel<br />

eigenständig verteilt werden können. Die langfristigen Ziele der Bottom-Up Koalition sind<br />

dabei Empowerment und Selbstorganisation. Diese Koalition vertritt die Meinung, dass nur so<br />

eine neue beteiligungsorientierte und soziale Stadtentwicklungspolitik verwirklicht werden<br />

kann (Alisch 2002: 163).<br />

Alisch (2002: 163) weist allerdings auf das Problem für die Bottom-Up Koalition hin, dass<br />

letztlich nur die Akteure der Top-Down Koalition als ´legitimierte´ Entscheider und<br />

Zuwendungsgeber Zugeständnisse gegenüber den Beteiligungsforderungen aus der Bottom-Up<br />

Koalition machen können.<br />

Für die Praxis gibt es bereits Empfehlungen für die Organisationsstruktur eines sozialen<br />

Stadtteilmanagements. So haben Franke/Grimm (2002: 190) für das Difu (Deutsches Institut<br />

für Urbanistik) eine Struktur vorgeschlagen, die aus drei Ebenen besteht. Auf der<br />

Verwaltungsebene werden die Ressourcen gebündelt. Dezernate und Ämter sollen dabei<br />

untereinander vernetzt werden. Ein Gebietsbeauftragter wird auf dieser Ebene eingesetzt, der<br />

das Gesamtprojekt steuert und koordiniert.<br />

Auf der intermediären Ebene übernimmt ein Stadtteilmoderator die Vernetzung, die Mediation<br />

und die gebietsbezogene Koordination.<br />

Das Quartier bildet die dritte Ebene, wo die Fachkräfte aus dem Stadtteilbüro die Interessen der<br />

lokalen Akteure und Bewohner organisiert und mit ihnen Aktivitäten initiiert und begleitet.<br />

Auf allen drei Ebenen soll dazu die Politik, der Markt und der dritte Sektor eingebunden<br />

werden.<br />

Auch Burgers et al. (2003: 101) haben eine Organisationsstruktur von Stadtteilmanagement<br />

skizziert. Sie fassen in der „Struktur des idealtypischen Programms“ die Akteure der „Stadtteil-<br />

Moderation“ und des „Stadtteilbüros“, wie sie bei Franke/Grimm vorkommen, zusammen zum<br />

Stadtteilmanagement. Außerdem ersetzen sie den „Gebietsbeauftragten“ durch eine „Task<br />

Force“, welche mit den Vertretern der Stadtverwaltung, der Institutionen und des<br />

Quartiersmanagements besetzt sind und sie beziehen auch die Ebenen Bund und Land mit in<br />

das Programm ein. Dort soll nach ihnen zu einer interbehördlichen Kooperation zwischen den<br />

Ministerien kommen. Die privatwirtschaftlichen Akteure des Marktes sind in diesem<br />

Programmvorschlag dafür ausgespart.<br />

Die Gemeinsamkeiten der beiden Vorschläge für eine Stadtteilmanagementstruktur liegen vor<br />

allem in dem Anspruch, Verknüpfungen zwischen den Akteuren sowohl in horizontaler wie in<br />

31


vertikaler Richtung vorzusehen. Dabei ist einerseits die Verknüpfung verschiedener Akteure<br />

auf einer Ebene wichtig, um Austauschprozesse zu koordinieren, Konflikte zu moderieren oder<br />

Ressourcen zu bündeln. Andererseits kommt wiederum der Zusammenarbeit zwischen den<br />

verschiedenen Ebenen, also der Verbindung in vertikaler Richtung, große Bedeutung zu, um<br />

Lernprozesse in Gang zu setzen, Informationen breiter zu streuen und zu vermitteln. Nach<br />

Franke (2005: 189) gehört es zu den Hauptaufgaben eines Stadtteilmanagements, die<br />

horizontalen und vertikalen Kommunikationswege sicherzustellen.<br />

Auf die Kooperation und Vernetzung in vertikaler sowie in horizontaler Richtung möchte ich<br />

nun im Besonderen eingehen, um die spezifischen Probleme dieser beiden Beziehungsarten<br />

innerhalb des sozialen Stadtteilmanagements zu erläutern.<br />

1.3.2.1. Aspekte vertikaler Kooperation im Stadtteilmanagement<br />

In vertikaler Richtung ist im wesentlichen von drei Hauptebenen die Rede, nämlich die<br />

Verwaltungsebene, die Ebene des Stadtteils bzw. Gebietsebene und dazwischen die<br />

intermediäre Ebene, welche zwischen den vorgenannten Ebenen vermittelt und vernetzt. Die<br />

vordringliche Frage ist hier die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Ebenen,<br />

die unausweichlich zur Frage nach der Beteiligung lokaler Akteure an stadtteilpolitischen<br />

Prozessen und Entscheidungen führt.<br />

Vertikale Kooperation zwischen Verwaltungsebene, Politik und Stadtteilebene<br />

Programmatik:<br />

Die Kultur der Planung im Allgemeinen und die der Stadtplanung im Besonderen hat sich in<br />

den vergangenen Jahrzehnten verändert. Die neue Planungskultur schlägt sich in<br />

„kleinteiligen, mikroräumlichen, problemorientierten, partizipatorischen und Fachpolitik<br />

übergreifenden Konzepten“ (Schmals 2001: 54) nieder.<br />

Dabei rücken die Betroffenen vor Ort immer öfter in den Blick und in die Diskussion über die<br />

„richtigen“ Entscheidungen im Stadtteil. In diesem Zusammenhang fordert Schmals (2001:<br />

60), dass<br />

„das aktuell und potenziell betroffene Klientel aufgrund seiner Realitätseinschätzung an<br />

problemlösenden Maßnahmen und Aushandlungsprozessen beteiligt werden“ sollte.<br />

Die Integration der subjektiven Erfahrungen und Einschätzungen von Menschen, welche die<br />

Situation vor Ort besonders gut kennen, ist für einen erfolgreichen Planungsprozess geradezu<br />

Bedingung. In diesem Zusammenhang spricht Mensch (vgl. 2001) von einem Wissensproblem<br />

und plädiert daher für eine Korrektur eines reinen Top-Down Ansatzes. Das Wissen über das<br />

reale Stadtteilleben ist für eine erfolgreiche Stadtteilentwicklung notwendig. Es ist allerdings<br />

32


schwierig dieses an Dritte, d.h. steuernde Instanzen zu vermitteln, weshalb eine reine Top-<br />

Down Steuerung auch zum Misserfolg führt. Die Konsequenz daraus ist eine Verlagerung der<br />

Steuerungsaktivitäten nach unten. Auch die<br />

„Formulierung von Steuerungsziel und –strategie selbst“ soll nach unten verlagert<br />

werden (Mensch 2001: 20).<br />

Die Instanz, welche die prozessmoderierende Rolle übernimmt, ist dabei das<br />

Stadtteilmanagement, das eine Brücke zwischen Stadtteil und städtischer Verwaltung darstellt<br />

(Mensch 2001: 23f). Als intermediäre Organisation vermittelt sie zwischen den Lebenswelten<br />

der Stadtteilakteure und der Verwaltung und sorgt somit für eine vertikale Vernetzung bzw. für<br />

den notwendigen Informationsfluss, die Moderation und Verfahrenstransparenz (Franke 2005:<br />

189). Dabei soll die Kommunikation und Kooperation zwischen den einzelnen Ebenen<br />

angeregt werden und Entscheidungen nach unten verlagert werden. Davon hängt der Erfolg<br />

eines Stadtteilmanagements ab.<br />

„Je ´durchlässiger´ die vertikale Struktur ist, das heißt, je mehr Mitspracherecht jede<br />

Ebene hat, desto wahrscheinlicher ist eine fruchtbare Zusammenarbeit und desto größer<br />

die Aussichten auf ein erfolgreiches Stadtentwicklungsprogramm mit nachhaltigen<br />

Effekten“<br />

(Burgers et al. 2003: 42).<br />

Auch die Verteilung der Kompetenzen und Aufgaben klären Burgers et al. (2003: 43) in ihrer<br />

„Anleitung für ein erfolgreiches Stadtentwicklungsprogramm“:<br />

„In einer erfolgreichen Ebenen-übergreifenden Beziehung setzt die obere Ebene die<br />

allgemeinen Rahmenbedingungen und hat hinreichend Vertrauen in niedrigere Ebenen,<br />

um ihnen Freiheit und Möglichkeiten zu eröffnen, ein Stadtentwicklungsprogramm zu<br />

entwickeln – vorausgesetzt es besteht eine gewisse Anleitung von Seiten der höheren<br />

Ebene.“<br />

Auch Franke (2005) fordert einen möglichst großen Gestaltungsspielraum für das<br />

Stadtteilmanagement für den Erfolg des Programms. Für eine zeitnahe Umsetzung von Ideen<br />

ist eine Verlagerung von Kompetenzen und Möglichkeiten (wie eine eigene Beschlussfassung<br />

durch legitimierte Stadtteilgremien) erforderlich (Franke 2005: 199).<br />

Voraussetzungen für und Probleme bei vertikaler Kooperation<br />

Eine entscheidende Voraussetzung für das Gelingen vertikaler Vernetzung und den Aufbau<br />

von Kooperationen ist das Kooperationsklima zwischen den Akteure. Es kommt daher auf die<br />

handelnden Personen und ihre Bereitschaft an, sich konstruktiv in Projekte einzubringen. Ein<br />

gemeinsamer Wille zum Stadtteilmanagement ist unbedingt notwendig (Franke 2005: 198).<br />

33


Beim Versuch, vertikale Kooperationen zwischen Lebenswelt und Verwaltung zu initiieren,<br />

treten die unterschiedlichen Handlungslogiken und Interessen der jeweiligen Akteure<br />

besonders deutlich zu Tage. Da die Kooperation der verschiedenen Ebenen aber für den Erfolg<br />

des Stadtteilmanagements so wichtig ist, um die Gegensätze zwischen Lebens- und<br />

Verwaltungswelten zu überwinden oder zumindest zu lindern, ist die Zusammenarbeit der<br />

Ebenen vertraglich festzulegen und auch über formelle und informelle Kooperations- und<br />

Kommunikationsstrukturen zu regeln (Franke 2005: 196). Eine direkte Verbindung zwischen<br />

den drei Ebenen ist von zentraler Bedeutung für eine erfolgreiche Arbeit vor Ort, da nur so die<br />

vor Ort mühsam ausgehandelten Kompromisse fruchtbar weitergetragen werden können<br />

(Franke 2005: 198).<br />

Das lokale Stadtteilmanagement braucht außerdem viele Ressourcen und Durchsetzungskraft<br />

für die ohnehin schwierige Verknüpfung der Vor-Ort-Ebene mit der Ebene der<br />

Verwaltungsorganisationen (Breckner/Herrmann/Gonzales/Läpple 2002: 115). Dafür ist u.a.<br />

die Wertschätzung und Unterstützung der Politik notwendig.<br />

Eine Schwierigkeit für den Aufbau von Kooperationen und Vernetzungen liegt in der<br />

Unterschiedlichkeit der Mentalitäten, Sprachen und Kulturen, sowie den jeweiligen<br />

Ausbildungsstandards (Mensch 2001: 22). Diese Problematik ist im Kapitel über das<br />

Stadtteilmanagement als intermediäre Instanz bereits angesprochen worden. Sie ergibt sich<br />

sowohl im Zuge vertikaler als auch horizontaler Kooperation, ist aber im Zusammenspiel<br />

zwischen Verwaltungslogik und subjektiver Lebenswelt besonders augenfällig.<br />

Bei der vertikalen Kooperation innerhalb der Verwaltung kann ein Mangel an Vertrauen<br />

zwischen den Verwaltungsebenen zu Überbürokratisierung führen. Der Vertrauensmangel<br />

führt dazu, dass ein integrierter Ansatz die vorhandenen Konflikte zusätzlich verschärft<br />

(Burgers et al. 2003: 43). Ein Mangel an Kontrolle und Führung verhindert hingegen u.U. die<br />

Einhaltung von Zielen auf der lokalen Ebene. Hier muss die richtige Balance zwischen Freiheit<br />

und Kontrolle gefunden werden. Es empfiehlt sich zu Beginn ein Arbeiten in kleinen Gruppen<br />

und im kleinen Rahmen (Arbeitsgruppen), damit sich Vertrauen langsam aufbauen kann und<br />

man später die Integration ausweitet (Burgers et al. 2003: 43).<br />

Wie weiter oben bereits besprochen ist den lokalen Akteure ein großer Spielraum zu geben,<br />

wobei jedoch nicht darauf verzichtet werden soll, die Rahmenbedingungen vorzugeben. Ein<br />

Vorschlag von Mensch (2001: 21f) lautet dazu zusammengefasst:<br />

34


- Festlegung von Spielregeln für die Kooperation im Stadtteil – einheitliche<br />

Problemdefinition. Zur Stabilisierung der Netzwerkstrukturen ist eine gemeinsame<br />

Sinninterpretation und Lösungsfindung wichtig.<br />

- Orientierung an langfristigen zukunftsorientierten Fragestellungen<br />

- Strategische Entscheidungen, welche die Gesamtstadt betreffen<br />

- Qualitätsstandards setzen und ein regelmäßiges Monitoring installieren.<br />

Zwei weitere Schwierigkeiten ergeben sich bei der direkten Beteiligung der Bewohnerschaft<br />

im Stadtteil. Das erste ist das Repräsentationsproblem. Nicht alle Bewohnergruppen sind in<br />

den jeweiligen Foren gleichermaßen vertreten (Mensch 2001: 23). Andere Personen oder<br />

Gruppen dominieren dafür das Geschehen. Ist also die Verteilung bzw. die Hierarchie in den<br />

horizontalen Netzwerken ungleich oder unsymmetrisch gelagert, ergeben sich folglich<br />

Probleme für die vertikale Kooperation und Vermittlung.<br />

Zweitens besteht die Gefahr, dass intermediäre Akteure die Willensbildung im Stadtteil<br />

dominieren und so die Bewohnerschaft nicht wirklich eingebunden ist (Mensch 2001: 34).<br />

Dazu kommt, dass intermediäre Akteure vorgeschoben werden und lediglich die Legitimation<br />

der politischen Entscheidungen absichern. Eine wirkliche Einbindung der Betroffenen kann<br />

dabei nicht gelingen, solange sie die Entscheidungsgremien nur mit ihrer geringfügigen<br />

Beteiligung „schmücken“, so Mensch (2001: 24).<br />

Top-Down versus Bottom-Up<br />

Die Balance zu erreichen zwischen Vertrauen und Kontrolle, zwischen Einflussnahme von<br />

oben und Mitspracherecht von unten ist eines der grundlegenden Ziele eines sozialen<br />

Stadtteilmanagements. Um die spezifischen und komplexen Probleme eines Stadtteils<br />

überhaupt rechtzeitig zu orten und zu bestimmen, reichen die Kenntnisse und Erfahrungen von<br />

Fachexperten oft nicht mehr aus.<br />

„Ohne die Einbindung der Betroffenen können komplexe Probleme wie solche der<br />

sozialen Ungleichheit nicht gelöst werden“ (Mensch 2001: 33).<br />

Es gibt unterschiedliche Abstufungen der Intensität von Beteiligung. Selle (vgl. 1996c: 170)<br />

hat diese Abstufungen wie folgt benannt:<br />

- Desinformieren, manipulieren<br />

- Befrieden, erziehen, therapieren<br />

- Informieren<br />

- Anhören, erörtern<br />

35


- Kooperieren<br />

- Einräumen von Kontrollbefugnissen und/oder Durchführungsmacht<br />

- Delegieren bzw. Institutionalisieren von Entscheidungsmacht<br />

Wie man sieht weist die Qualität der Beteiligung starke Unterschiede auf. Einerseits spiegelt<br />

die Darstellung eine immer größer werdende Akzeptanz der Mündigkeit von Individuen seitens<br />

des politisch-administrativen Systems wider. Vor allem aber wird den Beteiligten immer mehr<br />

Verantwortung, Gestaltungsmöglichkeit und Mitentscheidung zugesprochen. Der Entscheidung<br />

was und wie viel von unten, d.h. Bottom-Up kommen darf, obliegt jedoch immer der<br />

Entscheidung der Akteure von oben, Top-Down (Alisch 2002).<br />

Es gibt keine allgemein gültige Aussage über die richtige Mischung aus Bottom-Up und Top-<br />

Down. Zu Beginn eines Programms ist jedoch mehr Top-Down Steuerung nötig, wenn vor Ort<br />

noch keine oder schwach ausgebildete Netzwerke bestehen (Mensch 2001: 22). Eine reine Top-<br />

Down Strategie gilt zwar als gescheitert. Es bedarf jedoch trotzdem einer Steuerung von oben,<br />

wenn es um bestimmte Aspekte geht.<br />

Die oberen Ebenen sollen ihre Zielformulierung und Programmstrategien möglichst allgemein<br />

halten. Das bedeutet, dass<br />

„Politikinhalte oder Policies als moving targets behandelt werden sollen“,<br />

wie es Mensch (2001: 20) ausdrückt. Viele andere Probleme, wie die Arbeitslosigkeit und<br />

Armut, sind im Stadtteil nicht lösbar. Hier können nur kleine Verbesserungen erzielt werden.<br />

In solchen Fällen sind immer wieder Top-Down Strategien erforderlich (Mensch 2001: 25).<br />

In Stadtteilen stellt sich die Beteiligung oft insofern als kritisch und schwierig heraus, da es zu<br />

Spannungen zwischen herkömmlichen Institutionen und den Stadtteilnetzwerken kommen<br />

kann, da sich oft die Frage nach einer legitimierten Verbindlichkeit der Gremiumsbeschlüsse<br />

stellt (vgl. Mensch 2001: 34).<br />

Die nicht repräsentativen Stadtteilforen stehen dann dem Bezirksgremium als gewählten<br />

Vertreter gegenüber. Abhilfe könnte hier die Vereinbarung von Spielregeln zum Verhältnis von<br />

Bezirksvertretung und Stadtteilforen schaffen (Lahner/Zimmermann 2005: 232).<br />

Reflexion über zwei widersprüchliche Ansätze:<br />

Wie weiter oben erläutert stehen sich die Ansätze Top-Down und Bottom-Up in einem<br />

diametralen Verhältnis gegenüber.<br />

Die Ansichten der Autoren über die Verlagerung von Kompetenzen, wie sie bisher in diesem<br />

Kapitel (III. 2.) dargelegt wurden, sind entweder noch uneindeutig formuliert oder<br />

36


unterscheiden sich voneinander einigermaßen erheblich. Dass die Bedürfnisse der Akteure aus<br />

dem Stadtteil in die Planung und Projektierung einfließen sollten, scheint wohl im Kontext<br />

vorangegangener Erläuterungen betrachtet außer Zweifel zu stehen und wird auch von allen<br />

Autoren ähnlich diskutiert. Außerdem wird generell im Stadtteilmanagement der Anspruch<br />

gestellt, die Ideen der Bewohner und Gewerbetreibenden für Projekte zu nutzen bzw. daraus<br />

Projekte zu generieren. Damit obliegt auch ein Teil der Projektentwicklung den<br />

Stadtteilakteuren.<br />

Darüber jedoch, von wem allgemeine Rahmenbedingungen vorgegeben werden sollten,<br />

herrscht weniger Einigkeit und in den Positionen geht auch nicht ganz klar hervor, was unter<br />

Rahmenbedingungen genau verstanden wird. Nur Mensch (2001: 21f.) spezifiziert diesen<br />

Begriff in bezug auf das Stadtteilmanagementkonzept. Mensch (2001) und Burgers et al.<br />

(2003) erwarten die Definition der Rahmenbedingungen im Rahmen eines Top-Down<br />

Prozesses, während Alisch (2001) die Formulierung von Problemdefinitionen und Konzepten<br />

als eine Aufgabe kooperativer Akteure verschiedener Ebenen bis hinunter zur Stadtteilebene<br />

betrachtet. Hier wäre jedoch noch zu klären, wie die Stimmrechtsverteilung geregelt wird und<br />

wie groß der quantitative Anteil von Bewohner aus dem Stadtteil in diesen Gremien wäre.<br />

Franke (2005) bzw. Burgers et al. (2003) gehen mit Alisch (2001) nicht konform, wenn es um<br />

das Mitspracherecht von Bewohnern geht. Sie empfehlen nämlich, Entscheidungen von<br />

Bewohnern aus dem Stadtteil mittragen zu lassen und damit ein effektives<br />

Mitentscheidungsrecht, während Alischs Konzept nur bis zur Mitwirkung der Bewohner bei<br />

der Entwicklung von Projekten geht.<br />

So lässt sich zusammenfassend feststellen, dass Alisch (2001) dem Bottom-Up Prinzip bei der<br />

Bestimmung und Verhandlung des „Wie“, also der Rahmenbedingungen der Regelungen und<br />

Vorgaben mehr Geltung einräumt als etwa Mensch (2001) und Burgers et al. (2003). Hingegen<br />

bei der Entscheidung des „Was“, also welche Projekte finanziert werden und welche Probleme<br />

behandelt werden ist das Verhältnis umgekehrt. Hier forcieren Franke (2005) und Burgers et al.<br />

(2003) die Beteiligung von Bewohnern an Stadtteilgremien und deren Mitentscheidungsrecht<br />

und damit das Bottom-Up Prinzip.<br />

Schließlich sind wahrscheinlich zwei Punkte in dieser Diskussion entscheidend. Wie Alisch<br />

erwähnt, hängt die Möglichkeit Bottom-Up Prozesse zu initiieren, im großen und ganzen vom<br />

Zugeständnis der Top-Down Koalition ab. Zweitens ist es entscheidend, wie Burgers et al.<br />

argumentieren, dass eine Balance zwischen Kontrolle „von oben“ und Freiheit hergestellt wird,<br />

die einen kreativen und motivierten Beteiligungsprozess im Stadtteil ermöglicht.<br />

37


Aber einmal abgesehen von der Debatte um Mitbestimmungs- und<br />

Entscheidungskompetenzen, sind die Vertreter „von oben„ jedenfalls auf das Wissen und die<br />

Erfahrungen „von unten“ angewiesen und es ist die Aufgabe eines Stadtteilmanagements, die<br />

Kommunikation zwischen diesen Ebenen herzustellen.<br />

1.3.2.2. Aspekte horizontaler Kooperation im Stadtteilmanagement<br />

Weiter oben wurden bereits die verschiedenen Ebenen eines Stadtteilmanagements besprochen.<br />

Horizontale Kooperation und Vernetzung bedeutet insofern eine Verknüpfung der Akteure auf<br />

ein und derselben Ebene. Zunächst soll die horizontale Kooperation auf der Verwaltungsebene<br />

erläutert werden. Darauf folgt dann die Darlegung der entsprechenden Kooperation auf<br />

Stadtteilebene, auf welcher sich wieder ganz andere Intentionen und Probleme ergeben.<br />

Horizontale Kooperation auf der Verwaltungsebene<br />

Programmatik:<br />

In Deutschland ist der Diskurs rund um die Bekämpfung von Armut und sozialräumlicher<br />

Polarisierung in den Städten bereits weiter fortgeschritten als in Österreich. Besonders in der<br />

Diskussion über das hier bereits angesprochene Bund-Länder-Programm „soziale Stadt“<br />

scheint eine Menge an wissenschaftlichen und auch programmatischen Beiträgen auf. Dabei<br />

wird eine Zusammenarbeit zwischen den bisher sektoral agierenden Verwaltungseinheiten zur<br />

Bündelung der Mittel und Verbesserung der Koordination gefordert.<br />

„Klare Abgrenzungen zwischen Fachressorts – von der Beschäftigungspolitik über die<br />

Wirtschaftsförderung, die Sozialpolitik bis hin zur Stadterneuerung sind in Zukunft nicht<br />

mehr in der Lage, den an Komplexität wachsenden Aufgaben in benachteiligten<br />

Quartieren gerecht zu werden“ (Alisch/Dangschat 1998: 195).<br />

Dazu kommt die fehlende Flexibilität und Möglichkeit zur Variation bei der Finanzierung von<br />

Projekten, wodurch für die Projekte die Notwendigkeit besteht, sich an die Richtlinienstruktur<br />

der staatlichen Programme anzupassen anstatt umgekehrt (vgl. Alisch/Dangschat 1998: 193f.).<br />

In der Fachwelt zweifelt man nicht nur an der unzureichenden Fähigkeit sektoralen Vorgehens,<br />

komplexe Probleme lösen zu können, sondern wirft dieser Handlungsweise auch vor, den<br />

Schaden zu vergrößern.<br />

„In vielen Politikbereichen ist deutlich geworden, dass sektorales Vorgehen bei der<br />

Lösung komplexer Probleme unzureichend ist und zum Teil sogar nicht-intendierte<br />

negative Folgen in anderen Politikfeldern oder Teilbereichen des eigenen Politikfelds<br />

hervorruft“ (Becker/Löhr 2000: 24).<br />

Sektorales Vorgehen wirkt bei der Komplexität der Lage nur wie ein Tropfen auf dem heißen<br />

Stein, da es nur einseitig an einem der Probleme ansetzt (Mensch 2001: 14). So gesehen<br />

scheint es notwendig, die sozialen Probleme in ihrer Ganzheit zu erfassen und daher auch<br />

38


deren Mehrdimensionalität in deren Bearbeitung zu berücksichtigen. Ein integrierter<br />

Handlungsansatz sieht solch eine Problemsicht bzw. Vorgangsweise vor.<br />

„´Integriert´ arbeiten heißt, sich gleichzeitig mit verschiedenen Aspekten eines Problems<br />

auseinander zu setzen“ (Burgers et al. 2003: 53).<br />

Dazu ist es wiederum erforderlich, die verschiedenen Maßnahmen der einzelnen Sektoren zu<br />

koordinieren und miteinander zu verknüpfen. Daraus folgt dann die Notwendigkeit der<br />

horizontalen bzw. sozialen Vernetzung unterschiedlicher Verwaltungssektoren.<br />

Die meisten Programmbegleitungen vor Ort betonen, dass die Überwindung der<br />

Ressortgrenzen und der Aufbau kooperativer Strukturen auf der Verwaltungsebene von<br />

zentraler Bedeutung für ein effektives Stadtteilmanagement sind (vgl. Franke 2005). In<br />

horizontaler Richtung soll es daher auf der Verwaltungsebene zu einem koordinierten und<br />

kooperativen Handeln kommen. Denn eine ressort- und handlungsfeldübergreifende<br />

Zusammenarbeit, so Mensch (2001: 14), ist im Kampf gegen sozialräumliche Polarisierung<br />

unumstritten notwendig.<br />

Auch Burgers et al. (2003) Forderungen gehen in eine ähnliche Richtung. Sie meinen, dass die<br />

Komplexität der Zusammenhänge eine Veränderung und Anpassung der Stadtverwaltung<br />

verlangt. Diese Komplexität kann von einer fragmentierten Verwaltung nicht bewältigt werden<br />

und erfordert daher die Einführung eines integrierten Ansatzes. Die Einbindung aller<br />

kommunalen Steuerungs- und Handlungsebenen ist dafür notwendig.<br />

Ziel der Kooperation zwischen den Ressorts und Ämtern ist die Bündelung der Ressourcen, die<br />

Vereinfachung des Zugangs zu den verschiedenen Finanztöpfen und, dass eine gemeinsame<br />

Problemdefinition zur Zusammenarbeit führt (vgl. Mensch 2001).<br />

Ergänzend dazu können in Anlehnung an Burgers et al. (2003: 45) weitere Ziele der<br />

Kooperation genannt werden: Es gilt thematische Überlagerungen zu verhindern und es sollte<br />

vermieden werden, bestimmte Problembereiche auszuklammern. Außerdem sind<br />

Kooperationen wichtig, um Informationen auszutauschen, was im Gebiet gerade alles passiert.<br />

Kooperationen können somit auch die Koordination von Projekten und zu erbringenden<br />

Leistungen im Stadtteil optimieren helfen und gleichzeitig ein Wissensmanagement<br />

implementieren.<br />

Institutionalisierung des Stadtteils in der Verwaltung<br />

Zum einen soll die horizontale Vernetzung zu einer Verbesserung der Kommunikation auch<br />

innerhalb der Verwaltung führen. Um diese zu festigen und zu stabilisieren, ist eine<br />

institutionalisierte Raumorientierung in der Verwaltung mit Gebietsteams und Stadtteilbudgets<br />

sinnvoll, so Lahner/Zimmermann (2005: 231).<br />

39


Franke (2005: 189) fordert zudem die Nominierung von Gebietsbeauftragten, welche die<br />

horizontale Vernetzung und die Koordination des integrierten Handlungskonzeptes sowie die<br />

Gesamtprojektsteuerung übernehmen. Dazu soll eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe<br />

(Franke 2005: 189; Mensch 2001: 32) eingerichtet werden.<br />

Einen Vorschlag, der ein ähnliches Ziel verfolgt, machen Burgers et al. (2003: 46) mit der<br />

Einrichtung einer „task-force“, gemeint als kleine behördenübergreifende Arbeitsgruppe,<br />

jedoch mit eigenem Budget und einem gewissen Maß an Entscheidungsmacht. Diese „taskforce“<br />

soll der bedingten Akzeptanz und Unwilligkeit gegenüber Partnerschaften innerhalb der<br />

Verwaltung Abhilfe leisten.<br />

Voraussetzungen für Kooperationen auf der Verwaltungsebene – mögliche Probleme bei der<br />

Zusammenarbeit<br />

Wie im vorherigen Abschnitt bereits erwähnt, ist beispielsweise die Schaffung eines<br />

gemeinsamen Gremiums zur Überwindung von Ressortgrenzen, damit ein stadtteil- und<br />

problemorientiertes Arbeiten möglich ist (Mensch 2001: 28), eine Voraussetzung für<br />

horizontale Kooperationen. Solch ein Gremium soll mit einigen Vertretern aus den<br />

verschiedenen aber nicht allen möglichen Ressorts besetzt werden, so Burgers et al. (2003: 53),<br />

der empfiehlt, nicht gleich alle Fachbereiche und Akteure in einem Gebiet zusammen<br />

zubringen. Erstens ergibt sich sonst ein zu großer Organisationsaufwand. Außerdem wächst<br />

wichtiges Vertrauen zunächst besser in kleineren überschaubaren Gruppen.<br />

Die Überwindung von Ressortegoismus bildet einen integralen Bestandteil horizontaler<br />

Vernetzung und Kooperation. Doch gerade durch die Prinzipien des New Public Managements<br />

wird dieser Ressortegoismus gefördert. Die Zusammenarbeit verschiedener<br />

Verwaltungseinheiten wird nicht zuletzt aufgrund ihrer je spezifischen Interessen behindert.<br />

„Die größte Schwierigkeit bei der Organisation von transversalen oder horizontalen Kooperationen in<br />

Verwaltung und Dezernaten ist das Nebeneinander unterschiedlicher Interessensbereiche, durch<br />

welche Spannungen zwischen Ansätzen, Prozessen, professionellen Arbeitsweisen und<br />

Organisationsstrukturen bestehen“ (Burgers et al. 2003 : 50).<br />

Nicht zuletzt aus diesem Grund ist Geld als Mittel für die Entwicklung horizontaler<br />

Kooperation sehr wesentlich, wie Burgers et al. (2003: 55) darlegen. Die Zuweisung<br />

finanzieller Mittel stellt also eines der wichtigsten Mittel zur Initiierung horizontaler<br />

Partnerschaften dar. Die sektoral organisierten Fachbereiche haben getrennte Budgets und<br />

verlieren durch die Finanzierung gemeinsamer Projekte nicht die Kontrolle über ihre eigenen<br />

Mittel. So könnten sie sich unbesorgt auf solche Kooperationen einlassen.<br />

40


Für die Bildung von sektorübergreifenden Kooperationen sind Netzwerke von Bedeutung. Die<br />

Bildung und das Funktionieren von Netzwerken hängt wiederum von selbst vereinbarten<br />

Regeln (Ostrom/Ahn 2000) 4 sowie von Vertrauen (Zaheer et al. 1998; Putnam 1993) 5 und<br />

anderen sozialen Mechanismen wie der Reputation und einer kooperativen Makrokultur<br />

(Jones/Hesterly/Borgatti 1997) 6 ab.<br />

Diese Vorraussetzungen stellen sich am besten in regelmäßigen Treffen ein (vgl.<br />

Lahner/Zimmermann 2005: 226).<br />

Als problematisch beim Aufbau integrierter Konzepte erweist sich oft, dass den<br />

angesprochenen Akteuren, auch in der Verwaltung, dieses Prinzip fremd ist oder zumindest ein<br />

gemeinsames Verständnis darüber fehlt. Das integrierte Handlungskonzept ist nicht immer<br />

Ergebnis kollektiver Willensbildung und wird auch nicht von allen Beteiligten als<br />

gemeinsames Leitbild oder Grundlage betrachtet, so Lahner/Zimmermann (2005: 231). Die<br />

beiden Autoren gehen außerdem davon aus, dass ein offenes Netzwerk gemeinsamer<br />

Grundüberzeugungen die Grundlage für eine kollektive Raumbindung ist (2005: 234).<br />

Eine weitere Schwierigkeit bei der Entwicklung fächer- und sektorenübergreifender<br />

Zusammenarbeit bilden neben den organisatorischen Grenzen auch kulturelle Barrieren. Damit<br />

beinhaltet kollektives Handeln neben dem Handeln über die Grenzen zwischen Institutionen,<br />

Sektoren, verschiedenen Handlungslogiken und –rationalitäten hinweg auch eine Überwindung<br />

habitueller und kultureller Barrieren (Lahner/Zimmermann 2005: 234).<br />

Kritik der Diskussion über horizontale Kooperation auf der Verwaltungsebene:<br />

In der einschlägigen Literatur steht die Erläuterung der Nachteile einer sektoralen<br />

Verwaltungsorganisation gegenüber der Erläuterung der Vorteile einer sektorübergreifenden<br />

Verwaltungsorganisation deutlich im Vordergrund. Eine Rhetorik, welche mehr die positiven<br />

Anreize einer horizontalen ressortübergreifenden Kooperation in der Verwaltung betont wäre<br />

wünschenswert. Hervorzuheben wären dabei zum Beispiel die Steigerung von Effizienz und<br />

die Erzeugung von Synergien durch Ressourcenbündelung verschiedener Ressorts. Eine<br />

wissenschaftliche Aufarbeitung dieser positiven Anreize könnte zusätzliche wichtige<br />

Argumente für die Umsetzung eines integrierten Handlungskonzeptes liefern.<br />

4 zitiert nach: Lahner/Zimmermann 2005: 226.<br />

5 ebd.<br />

6 ebd.<br />

41


Zur Frage, welche Ressorts und besonders wie viele Ressorts der Verwaltung in eine<br />

Arbeitsgruppe zur horizontalen Kooperation zu integrieren sind, herrschen unterschiedliche<br />

Meinungen unter den wissenschaftlichen Experten. Wie weiter oben beschrieben, hat Burgers<br />

et al. (2003: 53) empfohlen, zu Beginn nicht alle möglichen Ressorts in die Kooperation eines<br />

Stadtteilmanagements einzubinden. Auf der anderen Seite gibt es Argumente, möglichst viele<br />

Ressorts für eine Zusammenarbeit zu gewinnen und zu beteiligen. Franke (2005: 192) warnt in<br />

diesem Zusammenhang vor der Problematik, welche sich ergibt, wenn die Abstimmungs- und<br />

Steuerungsarbeit auf Verwaltungsebene im Kern von nur wenigen Ressorts übernommen wird.<br />

Die Notwendigkeit der Einrichtung arbeitsfähiger Gremien zwingt unter Umständen die<br />

Prinzipien des integrierten Handlungskonzepts zu überdenken und den einen oder anderen<br />

Kompromiss einzugehen. Es sollte hier jedoch auch zwischen der Institution eines<br />

Stadtteilgremiums, das v.a. steuernde und koordinierende Aufgaben hat, und der Kooperation<br />

im Allgemeinen unterschieden werden. Aber vielleicht geht es auch gar nicht um die<br />

Beteiligung möglichst vieler Ressorts, also um eine quantitative Steigerung, sondern viel mehr<br />

darum, möglichst unterschiedliche Fachbereiche zu involvieren. Denn so können<br />

unterschiedliche Handlungslogiken integriert und aufeinander bezogen werden, um dadurch<br />

Innovationen in der Zusammenarbeit und bei der Schaffung neuer Projekte zu fördern. Die<br />

Kooperation qualitativ unterschiedlicher Politikfelder und Verwaltungssektoren steht dann im<br />

Vordergrund. Es sollen die bisher weitgehend getrennt agierenden Bereiche Soziales und<br />

Stadtplanung miteinander vernetzt werden (vgl. Breitfuss et a. 2001: 59; Heinelt/Mensch 2001:<br />

7). Darunter fallen die Bereiche Bildung, Arbeitsmarkt, Jugend, Frauen, Städtebau, Verkehr,<br />

Integration, Wirtschaft und Ökologie, um nur einige zu nennen.<br />

Horizontale Kooperation auf der Stadtteilebene<br />

Programmatik:<br />

Gerade auch auf der Stadtteilebene wird eine Vernetzung und Zusammenarbeit<br />

unterschiedlichster Akteure für notwendig gehalten. Denn hier befindet sich einerseits der<br />

Schauplatz der Interessens- und Nutzungskonflikte. Andererseits werden, wie Schnur (2003)<br />

betont, durch die Vernetzung die Handlungsmöglichkeiten und Kompetenzen der Akteure<br />

erweitert und gestärkt. In der einschlägigen Literatur wird hier auch der Begriff Sozialkapital<br />

eingeführt und dessen Bedeutung für die Entwicklung von Quartieren oder „Grätzeln“ betont.<br />

In diesem Zusammenhang werden die Nachbarschaftsnetzwerke erwähnt (vgl. Schnur 2003:<br />

73). Um eine nachhaltige Wirksamkeit des Programms der sozialen Stadt zu bewerkstelligen,<br />

ist es notwendig die nachbarschaftlichen Beziehungen der aktivierten Bewohner zu fördern und<br />

42


zu intensivieren (vgl. Mensch 2001: 23). An anderer Stelle ist schlicht vom nachhaltigen<br />

Aufbau selbsttragender Sozialstrukturen die Rede. Stadtteilmanagement soll demnach helfen,<br />

auf Stadtteilebene Strukturen zu schaffen, um eine Kooperation der relevanten Akteure im<br />

Gebiet zu ermöglichen. Dabei geht es nach Burgers et al. (2003: 52) um den Aufbau von<br />

selbsttragenden personellen und materiellen Strukturen. Diese sollen dazu führen, dass die<br />

Akteure ihre Situation selbst koordinieren und verbessern können. Dabei sollen alle Akteure im<br />

Stadtteil angesprochen werden. Neben den Bewohner sind auch die privaten Unternehmen, die<br />

privaten und öffentlichen Institutionen, sowie die Vereine und Clubs, welche im Stadtteil<br />

ansässig sind, zu vernetzen.<br />

Die dort entstehenden Policy Netzwerke bestehen aus unterschiedlichsten Akteuren<br />

(Bewohnern, Unternehmen, Verwaltung, Vereine, Verbände etc.) mit unterschiedlichsten<br />

Interessen und Sichtweisen. Zu einer gemeinsamen Problemdefinition und Problemlösung zu<br />

gelangen, wird dabei zur vorrangigen Herausforderung. Anzustreben ist eine Lösung von<br />

Problemen, die über den jeweiligen Zuständigkeitsbereich hinausgeht, wie Mayntz fordert<br />

(2001: 41). Sie verweist in diesem Zusammenhang auf die Steuerungstheorie, welche zwischen<br />

negativer und positiver Koordination unterscheidet 7 . Für letztere ist charakteristisch, dass sich<br />

die Beteiligten nicht an ihren eigenen Interessen, sondern an der Lösung des übergreifenden<br />

Problems orientieren und Kosten dafür in Kauf nehmen (Mayntz 2001: 42). Für Institutionen<br />

aus dem Stadtteil heißt das zum Beispiel, aus dem eigenen oft starren Korsett der Aufgabenund<br />

Zieldefinitionen herauszutreten und flexibel bzw. im Interesse der Stadtteilentwicklung<br />

neue Herausforderungen anzunehmen.<br />

Voraussetzungen für Kooperationen auf der Stadtteilebene – möglicheProbleme für die<br />

Zusammenarbeit<br />

Damit Kooperationen auf der Stadtteilebene zustande kommen und erfolgreich sind, braucht es<br />

eine Reihe an günstigen Vorraussetzungen. Dabei müssen Probleme beachtet werden, welche<br />

den Aufbau behindern und den Erfolg von Kooperationen verhindern können. Es geht hier<br />

darum, neben allgemeinen Problemen vor allem die sozialen Probleme zu erläutern, die<br />

soziologische Sachverhalte darstellen oder sich aus solchen ableiten lassen.<br />

Zunächst einmal dürfen keine wichtigen Akteure fehlen und die, die teilnehmen, müssen<br />

tatkräftig mitwirken. Dabei müssen gemeinsame Ergebnisse erzielt werden, so Mensch (2001:<br />

28).<br />

7 Die Steuerungstheorie kann im Kapitel über die horizontale Kooperation auf Verwaltungsebene analog angewendet werden.<br />

43


Für Kooperationsbeziehungen spielt Vertrauen eine nicht unerhebliche Rolle. Da einer der<br />

Kooperationspartner immer eine Vorleistung erbringt, muss er oder sie auf die Partner<br />

vertrauen, eine entsprechende Gegenleistung oder Ausgleichsleistung zu erhalten. Es besteht<br />

also eine strukturell bedingte Ungleichzeitigkeit von Leistung und Gegenleistung, wie sie<br />

schon von Mauss (1990) beschrieben wurde. Vertrauen und Kooperation scheinen in einer<br />

sensiblen Wechselbeziehung zu stehen. So kann Vertrauen einerseits als eine Vorbedingung für<br />

Kooperation (vgl. Gambetta 2001: 225f.) andererseits als Folge von Kooperation (Axelrod<br />

1988) betrachtet werden. Mit diesen Phänomenen ist auch ein Stadtteilmanagement beschäftigt,<br />

wenn es erstens darum geht, zu Beginn einander unbekannte Akteure in<br />

Kooperationsbeziehungen einzubinden, indem vertrauensschaffende Standards eingerichtet<br />

werden und sie zweitens nach Kooperationen wieder für neue zu gewinnen, indem an positive<br />

Kooperations- und Interaktionserfahrungen erinnert wird.<br />

Besteht im Vorfeld von Vernetzung und Kooperation also noch wenig oder kein Vertrauen<br />

zwischen potenziellen Partnern bzw. in die Vorhaben des Stadtteilmanagements, müssen<br />

Ressourcen oder Anreize für eine Zusammenarbeit geschaffen werden. Um den Prozess der<br />

Vernetzung zwischen den Akteuren anzuregen, werden also Steuerungsinstrumente wie Geld,<br />

die Bereitstellung von Informationen, Personalressourcen und Realhandlungen, wie z.B.<br />

städtische Bauvorhaben eingesetzt (vgl. Mensch 2001: 27). Neben Anreizen braucht es also<br />

auch Anlässe, an denen sich die Akteure konkret beteiligen können.<br />

Hinte (vgl. 2001: 165f.) weist darauf hin, dass routinisierte und vorstrukturierte Verfahren<br />

(Gremien, Arbeitsgruppen etc.) hier oft nicht zielführend sind.<br />

„Vielmehr bedarf es einer Mischung geregelter und ungeregelter Formen des<br />

Austausches, bei der sich die Beteiligten wechselseitig anregen, informieren, Beschlüsse<br />

fassen und Vorhaben durchführen“ (Hinte 2001: 165).<br />

Er geht sogar noch weiter und spricht von der Notwendigkeit „anarchisch anmutender<br />

Strukturen“, die „mehr Raum für Unvorhergesehenes“ lassen und die Kreativität fördern. So<br />

können sich Netzwerke bilden, die genügend Spielraum für die Eigenwilligkeit der Menschen<br />

und die spezifischen Bedingungen im Stadtteil bieten.<br />

Heterogenität der Akteure<br />

Die spezifischen Bedingungen im Stadtteil ergeben sich unter anderem durch die<br />

Verschiedenheit der Akteure. Es wäre leichtsinnig bei den Bewohnern oder den Unternehmen<br />

und öffentlichen Organisationen von jeweils homogenen Gruppen, hinsichtlich ihrer Probleme,<br />

Interessen und Potentiale zu sprechen.<br />

44


Eine ausgeprägte Heterogenität der Netzwerkakteure kann zum Beispiel insofern zu<br />

Schwierigkeiten führen, als „Revierkämpfe“ zwischen ihnen zu erwarten sind (vgl. Mensch<br />

2001: 17). Die Akteure unterscheiden sich in ihrer Sprache, ihrem Milieu, ihren Vorstellungen<br />

von Professionalität und Effektivität, ihrer Arbeitskultur und zudem in ihren Zielsetzungen.<br />

Das bedeutet, dass gerade deren Miteinander erst erprobt werden muss. Die Entwicklung einer<br />

gemeinsamen Arbeitskultur ist hier ebenso notwendig wie die Entwicklung einer kreativen<br />

Streitkultur, welche allerdings vor allem Zeit braucht. Netzwerke können nicht verordnet<br />

werden, sie wachsen langsam, und nur dann wenn die Akteure ihren Nutzen auch für sich<br />

selbst dabei aus den Aktivitäten ziehen können (Mensch 2001: 32). Die Netzwerke sollen dabei<br />

nicht nur der Befriedigung individueller Bedürfnisse Vorschub leisten. Die Akteure sollen dazu<br />

gebracht werden, ein möglichst problemadäquates Ergebnis zu erzielen (Mensch 2001: 17).<br />

Wenn die Beteiligten das Problem selbst definieren, scheint mir das bereits eine wichtige<br />

Voraussetzung dafür zu sein, dieses auch adäquat zu behandeln.<br />

Integration vs. Regimebildung<br />

Es bestehen die unterschiedlichsten Gründe, warum sich Menschen an Projekten und<br />

Aktivitäten eines Stadtteilmanagements beteiligen. Es bestehen jedoch ebenso die<br />

unterschiedlichsten Gründe dafür, warum viele Menschen nicht den Weg ins Stadtteilbüro<br />

finden und sich nicht aktiv an der Stadtteilpolitik beteiligen bzw. nicht beteiligt werden. Im<br />

Endeffekt bleibt ein relativ kleiner Anteil an Betroffenen übrig, welche sich langfristig<br />

engagieren und den Kontakt zum Stadtteilbüro aufrecht erhalten oder an Projekten teilnehmen<br />

und an Entscheidungen partizipieren.<br />

Lahner/Zimmermann (2005: 227) sehen hier die Gefahr, dass sich auf Stadtteilebene<br />

asymmetrische Machtverhältnisse entwickeln und es so zu einer sozialraum-bezogenen<br />

Regimebildung kommt, bestehend aus einer kleinen Gruppe von Engagierten und<br />

Funktionsträgern, welche dann das Geschehen vor Ort bestimmen. Dieses Problem wirft die<br />

demokratiepolitische Frage auf, wer unter welchen Bedingungen die Stadtteilpolitik bestimmen<br />

soll und schließlich die Verantwortung tragen soll. Die Gefahr einer solchen machtpolitischen<br />

Schieflage stärkt letztlich die Position der demokratisch legitimierten Gremien und<br />

konterkariert die Rechtfertigung lokaler Bürgerbeteiligung. Dieses Thema hat uns im Kapitel<br />

über die vertikalen Kooperationen und Vernetzungen bereits beschäftigt.<br />

Förderlich für das Engagement im Stadtteil kann eine gewisse Bindung an den Stadtteil bzw.<br />

an den Raum sein. Grundsätzlich nennen Lahner/Zimmermann (2005: 230) zwei<br />

45


egünstigende Gründe für die Bildung von Raumbindung an den Stadtteil, welche wiederum<br />

zur Beteiligung und Engagement motiviert. Einerseits gelingt diese auf Basis von<br />

Eigeninteressen, wie zum Beispiel von Eltern oder Unternehmen oder auch aufgrund affektiver<br />

oder identifikatorischer Bindung an den Stadtteil.<br />

Selbsttragende Strukturen<br />

Nach dem Ende eines über mehrere Jahre gelaufenen Stadtteilmanagementprogramms stellt<br />

sich die Frage, ob die aufgebauten sozialen Strukturen, die Netzwerke, Bekanntschaften und<br />

Kooperationen weiter bestehen bleiben. Deren Tragfähigkeit über den Förderzeitraum hinaus<br />

ist fraglich, weil zentrale Personen aus den intermediären Organisationen wie dem<br />

Stadtteilbüro wegfallen oder finanzielle Mittel nicht mehr zur Verfügung stehen.<br />

Lahner/Zimmermann (vgl. 2005: 231) zweifeln an deren Tragfähigkeit, wenn es sich aufgrund<br />

der dominierenden Planungsämter und Stadtteilmanager nur um (kommunal)staatlich<br />

moderierte Governance-Strukturen handelt. Daraus abzuleiten ist demnach, dass sich<br />

selbsttragende Sozialstrukturen entwickeln müssen, bei denen die Akteure unabhängig von<br />

kommunalstaatlich moderierenden Instanzen selbständig ihre Aktivitäten organisieren und ihre<br />

Interessen eigenständig und initiativ artikulieren.<br />

1.3.3. Stadtteilmanagement im Rahmen des deutschen Bund-Länder-<br />

Programms „soziale Stadt“ - Ausblick auf die empirische Arbeit<br />

Das Programm „soziale Stadt“ betrifft im Grunde nur deutsche Städte. Aufgrund ähnlicher,<br />

wenn auch nicht so weit fortgeschrittener sozialräumlicher Probleme wie in deutschen Städten,<br />

können allerdings Parallelen zu österreichischen Städten hergestellt werden und es kann daher<br />

versucht werden, rechtzeitig vom deutschen Programm zu lernen. Auch die politische<br />

Steuerung und die Verwaltungsstrukturen weisen Parallelen zur Situation in Österreich auf.<br />

Im Bund-Länder-Programm wird ein integrativer Ansatz gefordert, welcher ämter- und<br />

ressortübergreifend eine nachhaltige Stadtentwicklung bewirken soll 8 :<br />

„Da die Bündelung aller verfügbaren Programme und Ressourcen Erfolgsvoraussetzung<br />

für die zielgerichtete Stadtteilentwicklung ist, haben die Städte und Gemeinden die<br />

Aufgabe, die enge Kooperation der Fachressorts organisatorisch sicherzustellen, die<br />

schnelles übergreifendes Handeln ermöglichen soll.“<br />

Dabei soll im administrativen wie im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich<br />

gemeinsam und produktiv zusammen gearbeitet werden. Diese institutionelle Vernetzung soll<br />

8 Leitfaden zur Ausgestaltung der Gemeinschaftsinitiative „Soziale Stadt“ vom 1.3.2000<br />

http://www.sozialestadt.de/programm/handlungsfelder/quartiermanagement.phtml Zugriff 10.1.2007<br />

46


eine Kombination baulicher, sozialer und wirtschaftlicher Maßnahmen ermöglichen (vgl.<br />

Burgers et al.: 2003). Dazu soll ein Quartiersmanagement9 eingereichtet werden, das als<br />

strategischer Ansatz die Entwicklung des Quartiers fördert. Das Bund-Länder-Programm stellt<br />

die Aufgaben des Handlungsfeldes „Quartiersmanagement“ folgendermaßen dar:<br />

„Das prozessorientierte Quartiersmanagement dient dazu, eine horizontal und vertikal<br />

vernetzte Kooperations- und Managementstruktur auf Verwaltungs- und Quartiersebene,<br />

zwischen diesen Ebenen sowie mit allen anderen lokal relevanten Akteuren zu<br />

gewährleisten“ 10 .<br />

Ein produktives Zusammenwirken soll also auch zwischen den verschiedenen Akteuren, die<br />

aus dem Stadtteil selbst kommen, erreicht werden (vgl. Heinelt/Mensch 2001: 7). Sie sind<br />

schließlich die „Zielgruppe“, welche vom Programm profitieren soll. Deshalb mündet die<br />

Absicht, die Vernetzung auf allen Ebenen zu erreichen letztlich in der Vernetzung und<br />

selbständigen Organisation der Akteure im Stadtteil.<br />

„Das Hauptziel und zugleich das Hauptinstrument ist es, Vernetzung auf den<br />

verschiedenen Ebenen (Bund, Länder, Städte, Stadtteile) aufzubauen, um so letztlich eine<br />

Selbstkoordination der eigentlich Betroffenen, der AkteurInnen in den Stadtteilen, zu<br />

ermöglichen. Die so erzielte Selbstkoordination soll zur Folge haben, dass über<br />

´Selbstheilungsprozesse´ die Menschen ihre Situation in den benachteiligten und<br />

benachteiligenden Stadtteilen selbsttätig verbessern können“ (Mensch 2001: 27).<br />

Das Stadtteilmanagement im Sinne der „sozialen Stadt“ ist insofern sehr umfassend konzipiert,<br />

als es Reformen und ein Umdenken auf mehreren Ebenen und in mehreren Handlungsfeldern<br />

zugleich anstrebt. Diese Idee der Mehr- oder Mehrdimensionalität des Programms wirkt sich<br />

auch auf meine Arbeit über das Grätzelmanagement aus. Um dem ganzheitlichen Charakter<br />

des hier beschriebenen Stadtteilmanagementkonzeptes Genüge zu leisten, entspricht es dem<br />

Anspruch der vorliegenden Arbeit, die Verflechtung innerhalb aber auch zwischen den<br />

verschiedenen Ebenen zu untersuchen. Das Konzept des deutschen Stadtteilmanagements soll<br />

dabei u.a. als anschauliches Vergleichsmodell für das Wiener Grätzelmanagement<br />

herangezogen werden.<br />

1.3.4. Stadtteilmanagement in der Kritik<br />

Über die Intention des Bund-Länder-Programms, einen integrierten Handlungsansatz zu<br />

verfolgen, herrschen unterschiedliche Meinungen. So bemerkt Alisch (vgl. 2002: 97), dass das<br />

Bund-Länder-Programm gar keine deutliche Integration der einzelnen Handlungsfelder<br />

vorsieht. Auf der Ebene der Gemeinden und Städte beobachtet sie eine mangelhafte<br />

9 Der Begriff Quartiersmanagement ist der in Deutschland übliche Terminus. Seine Bedeutung ist allerdings mit dem des<br />

Stadtteilmanagements gleich zu setzen.<br />

10 Bund-Länder-Programm/Handlungsfeld “Quartiersmanagement“,<br />

http://www.sozialestadt.de/programm/handlungsfelder/quartiermanagement.phtml Stand 10.11.2006<br />

47


Verknüpfung zwischen den Ämtern und ein Vorherrschen von Ressortdenken bzw. Verfolgen<br />

eigener Ziele.<br />

„Auf der kommunalen Ebene verteidigen Ämter ihre Ressourcen und verfolgen eigene<br />

Ziele in den Gebieten, in denen ein ´integriertes´ Konzept umgesetzt werden soll“ (Alisch<br />

2002: 97).<br />

In eine ähnliche Richtung gehen auch die Anregungen auf Basis empirisch fundierter<br />

Programmbegleitungen wie:<br />

„Das Bewusstsein ressortübergreifender Verantwortung der Verwaltungsspitze für das<br />

Programm `Soziale Stadt´ muss noch verstärkt werden“<br />

(Knorr-Siedow/Jahnke/Trostorff 2002: 105; zitiert nach Franke 2005: 192)<br />

oder:<br />

„Die ressortspezifischen Sicht- und Handlungsweisen lassen sich langsamer umwandeln<br />

als integrierte Konzepte es erfordern“ (Mussel/Kreisl 2002: 82; zitiert nach Franke 2005:<br />

192).<br />

Grundsätzlich problematisch am Konzept des Stadtteilmanagements ist die Tatsache, dass<br />

parallel mit der prinzipiell wünschenswerten Aktivierung und dem Empowerment der lokalen<br />

Akteure auch die Überantwortung der Herstellung sozialer Sicherheit an die Individuen<br />

einhergeht. Es besteht die Gefahr, bisher eindeutig dem Sozialstaat zugeschriebene Aufgaben<br />

kontinuierlich an die einzelnen Betroffenen abzugeben. Der Sozialstaat verabschiedet sich auf<br />

diese Weise langsam durch die Hintertüre. Wie das bereits in Bereichen der<br />

Pensionsversicherung, des Gesundheitssystems oder anderen passiert, übernehmen die<br />

Individuen zusehends Risiken und Kosten, welche bisher weitgehend solidarisch verteilt<br />

waren. Die Ursachen liegen aber strukturell außerhalb ihrer Reichweite, weil es sich um<br />

globalisierte Entwicklungen und exogene Ursachen handelt, die jedoch tief in deren Leben<br />

hinein wirken. In den benachteiligten Stadtteilen verlangt dann Stadtteilmanagement just von<br />

jenen mehr Verantwortung zu übernehmen, welche die geringste politische Durchsetzungskraft<br />

haben und in der freien Artikulation und Selbstorganisation am schwächsten sind. Auch ein gut<br />

organisiertes Stadtteilmanagement kann nicht das Umverteilungsproblem in der Gesellschaft<br />

lösen. Die schrumpfenden Einnahmen öffentlicher Haushalte verlangen zwar einerseits einen<br />

effizienteren Einsatz der Ausgaben. Die Politik darf sich jedoch nicht der gesellschaftlichen<br />

Verantwortung entziehen und die öffentlichen Einnahmen den Bedingungen der<br />

„Marktgesetze“ überlassen bzw. das Problem auf die Ausgabenseite abwälzen.<br />

Diese Kehrseite der Medaille eines ambitionierten Stadtteilmanagements soll hier nicht<br />

unbeachtet bleiben, wenngleich es sich nur um ein hypothetisches Szenario handelt, das einen<br />

Zusammenhang zwischen staatlichem Handeln und Stadtteilmanagement als Programm<br />

unterstellt. Soweit ist die Entwicklung v.a. in Österreich noch nicht fortgeschritten, dass wir<br />

48


diesen Zusammenhang konstatieren müssen. Im allgemeinen Trend einer Kompetenz- und<br />

Verantwortungsabgabe des Staates an die Länder und Kommunen scheint dieses Szenario aber<br />

durchaus vorstellbar. Der Rückzug des Sozialstaates ist also gerade in diesem Zusammenhang<br />

nicht zu befürworten, da ihn ein Stadtteilmanagement schlicht nicht ersetzen kann und soll. Die<br />

Möglichkeiten des Stadtteilmanagements sind kleinräumiger angelegt und strukturell weitaus<br />

weniger wirkungsmächtig. Stadtteilmanagement kann aber aufgrund seiner Nähe zu den<br />

Lebenswelten eine Ergänzung zum System des Sozialstaates darstellen und zu der Sozial-<br />

Integration beitragen, zu welcher der Sozialstaat alleine nicht im Stande ist.<br />

Eine andere Schwierigkeit bei der Implementierung von Stadtteilmanagement ist darin zu<br />

sehen, dass auf Stadtteilebene gerade die Menschen aufgerufen werden, aktiv zu sein und ihre<br />

Ideen zu artikulieren, die aufgrund niedrigeren kulturellen, sozialen und ökonomischen<br />

Kapitals am wenigsten darauf vorbereitet sind bzw. wurden. Zum einen ist der<br />

Erwartungsdruck seitens der Politik, der Verwaltung oder der Experten sehr groß und es<br />

müssen in kurzer Zeit, am besten bis zu den nächsten Wahlen, herzeigbare Ergebnisse auf den<br />

Tisch. Auf der anderen Seite finden sich wie gesagt vor allem Menschen mit wenig bis gar<br />

keiner Erfahrung in Sachen Bewohneraktivierung, Beteiligungsverfahren und in sonstige Arten<br />

neuer Kooperationsformen. Dazu kommen sprachliche Barrieren und Unsicherheiten bezüglich<br />

der Artikulation eigener Interessen. Ebenso genannt werden müssen die Protagonisten einer<br />

lokalen Ökonomie, welche auf einmal in gemeinschaftliche Interessen eingebunden werden<br />

sollen, oft aber gerade in benachteiligten Stadtteilen kaum ihr Auslangen finden. Nicht zu<br />

vergessen sind schließlich die Fachexperten aus der Verwaltung und Planung, welche in der<br />

Beteiligung an diesen neuen Kommunikationszusammenhängen ebenso unerfahren sind.<br />

Stadtteilmanagement ist ein Feld, in dem es noch sehr viel Bedarf an Lernerfahrungen und<br />

Spielraum zum experimentieren besteht. Es stehen also Rahmenbedingungen zur Verfügung,<br />

welche gerade am Beginn eines neuen Projektes mit neuen Handlungsabläufen und Logiken<br />

ungünstig erscheinen. Das kann allerdings den Ambitionen des Stadtteilmanagementkonzeptes<br />

prinzipiell keinen Abbruch tun. Vielmehr muss darauf geachtet werden, dass die Erwartungen<br />

von außen nicht Ambitionen des Projektes erdrücken und die Letztentscheider und<br />

Letztverantwortlichen sich in Geduld üben. Bei solch umfangreichen und tiefgreifenden<br />

strukturellen und kulturellen Veränderungen, wie es das Stadtteilmanagement anstrebt,<br />

erscheint Zeit als die notwendigste Ressource, welche in das Projekt investiert werden muss.<br />

49


2. Forschungsfragen<br />

Die Forschungsfragen sind insofern offen gestellt, da mir über die inneren Strukturen des<br />

Grätzelmanagements zu Beginn der Untersuchung im Grunde wenig bekannt war. Das<br />

Forschungsinteresse, verknüpft mit den Vorgaben der Theorie ermöglichen vorerst eine<br />

Fokussierung auf bestimmte Aspekte.<br />

Der Ausgangspunkt zur Vermittlungsfunktion von Stadtteilmanagement als intermediäre<br />

Organisationen (Grimm 2004) ist in beiden Hauptforschungsfragen (A. horizontale und B.<br />

vertikale Kooperation) integriert.<br />

A. Die Vermittlungs- und Vernetzungsstrukturen/horizontale<br />

Kooperation<br />

Welche Akteure und welche Akteursgruppen sind in den verschiedenen Grätzelmanagement-<br />

Foren/Gremien auf den beiden Ebenen Verwaltung/Politik und Stadtteil vertreten bzw.<br />

involviert? Fehlen wichtige Gruppen?<br />

Interagieren oder kooperieren Verwaltungseinheiten aus unterschiedlichen Ressorts oder<br />

handeln die Fachbereiche fragmentiert und isoliert voneinander?<br />

Gibt es seitens der Protagonisten beteiligter Institutionen eine gemeinsame<br />

Problemorientierung hinsichtlich eines integrierten Handlungsansatzes?<br />

Sind die Netzwerke handlungsfähig bzw. welche Ergebnisse erzielen sie?<br />

Wie ist die formale Machtverteilung (Gleichberechtigung) in den horizontalen Netzwerken?<br />

Findet eine Vernetzung auf Stadtteilebene statt? Was macht die erfolgreichen Netzwerke<br />

(Regelmäßigkeit, Vertrauen, Normen etc.) aus?<br />

Der gemeinsame Raumbezug ist eine Voraussetzung für kollektive Handlungsfähigkeit im<br />

Quartiersmanagement (Lahner/Zimmermann 2005: 234). Wird diese Bedeutung des Grätzels<br />

von den Beteiligten artikuliert?<br />

50


Übernimmt das Grätzelmanagement eine Vermittlungsfunktion zum Beispiel zwischen<br />

Bewohnern und Unternehmen im Stadtteil? Werden dadurch Austausch- und<br />

Anpassungsprozesse eingeleitet? Wie gestaltet sich die Vermittlung?<br />

B. Die Entscheidungsstrukturen/vertikale Verteilung von<br />

Verantwortung und Kompetenz/Vermittlung und Vernetzung<br />

zwischen den Ebenen<br />

Wie ist das Grätzelmanagement strukturiert und in die Stadtpolitik integriert?<br />

Ist das Grätzelmanagement in eine städtische Gesamtstrategie eingebunden?<br />

Auf welcher Ebene werden Entscheidungen getroffen?<br />

(Top Down vs. Bottom Up) (bzgl. Mittelvergabe und Projektauswahl)<br />

Wurden autonom zu verwaltende Verfügungsfonds für das Grätzelmanagement eingerichtet?<br />

Welche Unterschiede oder Gemeinsamkeiten gibt es zwischen den verschiedenen Akteuren in<br />

der Problemsicht, d.h. über die Verteilung von Entscheidungskompetenz und Verantwortung?<br />

Übernimmt das Grätzelmanagement eine Vermittlungsfunktion zum Beispiel zwischen<br />

Bewohnern und Verwaltung? Werden dadurch Austausch- und Anpassungsprozesse<br />

eingeleitet? Wie gestaltet sich die Vermittlung?<br />

51


3. Forschungsmethoden und Forschungsprozess<br />

Die grundlegenden Forschungsfragen der vorliegenden Arbeit richten sich einerseits auf die<br />

organisierten Strukturen, welche sich in Kommunikation, Vernetzung und Kooperation durch<br />

das Grätzelmanagement niederschlagen, andererseits auf die Bedingungen und Motive für eine<br />

Vernetzung. Da anzunehmen ist, dass sich die Strukturen aufgrund temporärer Projekte,<br />

personeller Veränderungen oder sich ändernder politischer Rahmenbedingungen etc. laufend<br />

verändern, ist davon auszugehen, dass rückblickend ein Prozess des Organisierens zu<br />

rekonstruieren ist.<br />

Stark vereinfacht dargestellt lässt sich dieser Prozess erstens in Ursachen, Bedingungen,<br />

Motive, stimulierende Faktoren, Barrieren und Hindernisse zweitens in Erscheinungsformen<br />

bzw. Aktivitäten und drittens in die Folgen, Auswirkungen, Vor- und Nachteile für die Akteure<br />

und den Stadtteil unterteilen.<br />

Der Typ von Untersuchung, der hier angewendet wird, ist die Rekonstruktion sozialer<br />

Sachverhalte eines Falles zur Erklärung desselben. Dafür müssen alle Informationen<br />

zusammengetragen werden, die man benötigt, um ihn zu verstehen (Gläser/Laudel 2006: 34).<br />

Die erste zu treffende Entscheidung bezüglich der einzusetzenden Methoden war die zwischen<br />

qualitativer und quantitativer Vorgangsweise. Diese Entscheidung fiel zugunsten qualitativer<br />

Verfahren, basierte jedoch nicht auf der reinen Abgrenzung zu quantitativen Methoden bzw.<br />

auf deren bloße Verneinung. Die Definition und Begründung qualitativer Forschungsmethoden<br />

´ex negativo´ wie sie bereits Meinefeld (2004: 265) in Frage stellt, soll hier nicht genügen. Die<br />

Wahl ist aufgrund der Vorteile einer qualitativen Herangehensweise für das dargelegte<br />

Forschungsinteresse gut begründbar. In Bezug auf das dargelegte Forschungsinteresse lassen<br />

sich aus Flick et al. (2004: 14ff) mehrere Gründe und Kennzeichen qualitativer Forschung wie<br />

folgt zusammenfassen:<br />

- Aufmerksamkeit gilt u.a. Abläufen und Strukturmerkmalen<br />

- Offenheit gegenüber Neuem im untersuchten Feld<br />

- Prozesscharakter sozialer Wirklichkeit<br />

- Orientierung am Alltagsgeschehen und –wissen<br />

- Einbeziehung der Perspektiven der Beteiligten<br />

- Fallanalyse als Ausgangspunkt<br />

Aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten der Ausprägung und Formen von Austauschprozessen<br />

im Zuge horizontaler und vertikaler Vernetzung ist es notwendig, den Erzählfluss der<br />

52


interviewten Personen zu nutzen und deren Erläuterungen aufzugreifen, um diese Vielfalt der<br />

Qualitäten stadtteilbezogener Zusammenarbeit einzufangen. Trotz der dieser Arbeit<br />

zugrundegelegten Theorien, die relativ allgemeine Zusammenhänge konstatieren, ist es<br />

notwendig die Erhebungsmethoden offen zu gestalten, um die spezifischen Details des<br />

untersuchten Falls entdecken und verstehen zu können. Die besprochenen Theorien<br />

suggerieren vielleicht eine allzu starre Eingrenzung. Sie bilden allerdings nur den Rahmen<br />

innerhalb dessen Erkenntnisse gewonnen werden sollen. Wie eine Vernetzung und Vermittlung<br />

dann letztlich organisiert und vollzogen wird, bleibt vorerst offen. Die totale Offenheit, wie sie<br />

eine ´Grounded Theory` verlangt, wäre nicht sinnvoll gewesen, da das Forschungsinteresse<br />

bereits im Zuge erster Überlegungen über das Grätzelmanagement eingegrenzt wurde. Die<br />

Beschäftigung mit dem Konzept des Stadtteilmanagements im Vorfeld führte nämlich bereits<br />

zur Auseinandersetzung mit spezifischen Problemen und Fragestellungen, wie zum Beispiel<br />

die Kommunikation zwischen Akteuren mit unterschiedlichsten Interessen und<br />

Handlungslogiken oder die Beteiligung benachteiligter Gruppen an politischen<br />

Aushandlungsprozessen.<br />

Von einer Unvoreingenommenheit zu Beginn dieser Arbeit konnte also keine Rede sein. Eine<br />

Idealisierung der Unvoreingenommenheit ist also auch hier erkenntnistheoretisch nicht haltbar,<br />

da Erkenntnisse über soziale Phänomene nicht aus eigener Kraft ´emergieren´ sondern von<br />

Anfang an Konstruktionen des Forschers sind, wie Meinefeld (2004: 269) bemerkt. Auch<br />

Silverman (2001: 61) geht davon aus, dass ohne Vorannahmen oder Fragen keine seriöse<br />

Forschung möglich ist: „The attempt to describe things ´as they are´ ist doomed to failure.<br />

Without some perspective or, at the very least, a set of animating questions, there is nothing to<br />

report. Contrary to the view of crude empiricists, the facts never speak for themselves.”<br />

In vielen Detailfragen, wie zum Beispiel über die Motive des Engagements oder den Ablauf<br />

der Vernetzungsprozesse sind jedoch durchaus „neue“ Erkenntnisse, welche im Theorieteil<br />

noch nicht erläutert wurden, zu erwarten, da die lokalen Bedingungen zu Beginn nicht bekannt<br />

waren. Diese sind Ergebnis des Zusammenspiels räumlicher, sozialer, persönlicher, politischer,<br />

wirtschaftlicher und rechtlicher Aspekte. Diese „neuen“ Erkenntnisse über die spezifischen<br />

Prozesse könnten mit standardisierten Fragebögen bzw. Interviews nicht gewonnen werden.<br />

Einerseits weil die Vorgaben der Fragen interessante Aspekte ausklammern würden,<br />

andererseits weil Prozesse und komplexe Ereignisse nicht in vorgegebenen Antwortrastern<br />

erläutert werden könnten.<br />

53


Um diese relative Offenheit zu gewährleisten und eine entsprechende Erzählung über Abläufe<br />

und Prozesse, sowie ein Nachfragen zu ermöglichen, ist der Einsatz von Leitfadeninterviews<br />

mit Experten des Untersuchungsgegenstandes notwendig.<br />

3.1. Experteninterviews<br />

Die Entscheidung bezüglich der Datenerhebung fiel damit auf Experteninterviews. In diesem<br />

Zusammenhang soll kurz erläutert werden, was unter den Begriffen Experten und<br />

Experteninterviews zu verstehen ist bzw. wie ich diesen Begriff für diese Arbeit verstanden<br />

habe. Was ein Experte, eine Expertin ist, darüber herrscht in der Sozialwissenschaft<br />

Uneinigkeit. Für Meuser und Nagel (1991) aber auch für Bogner et al. (2002) ist der Begriff so<br />

eng zu fassen, dass die entsprechende Person einen Expertenstatus erhält, weil sie über ein<br />

besonderes Wissen aufgrund ihrer beruflichen Stellung verfügt. Dieses gemeinsame Wissen<br />

der Experten ist für die Forschung von Interesse. Für einen breiteren Begriff plädieren<br />

Gläser/Laudel (2006: 10). Für sie sind Experten<br />

„Menschen, die ein besonderes Wissen über soziale Sachverhalte besitzen“<br />

und in Folge sind für sie Experteninterviews<br />

„eine Methode, dieses Wissen zu erschließen.“<br />

Damit geht der Expertenstatus nach Gläser/Laudel nicht zwingend und ausschließlich mit der<br />

beruflichen oder professionellen Erfahrung der Person mit dem Untersuchungsgegenstand<br />

einher. Die Person selbst ist auch nicht der Untersuchungsgegenstand.<br />

„Die Experten sind ein Medium, durch das der Sozialwissenschaftler Wissen über einen<br />

ihn interessierenden Sachverhalt erlangen will. Sie sind also nicht das ´Objekt´ unserer<br />

Untersuchung, der eigentliche Fokus unseres Interesses, sondern sie sind bzw. waren<br />

´Zeugen´ der uns interessierenden Prozesse“ (Gläser/Laudel 2006: 10).<br />

Für diesen Expertenbegriff habe ich mich auch entschieden, denn wenn es zum Beispiel darum<br />

geht, die Vernetzungsprozesse im Stadtteil zu rekonstruieren, sind auch die Bewohner und<br />

Unternehmen vor Ort gefragt, ihre Erfahrungen mit dem Grätzelmanagement zu erläutern,<br />

denn teilweise haben diese Menschen über Jahre hinweg Wissen zum Grätzelmanagement<br />

angesammelt.<br />

„Die Experten haben eine besondere, mitunter sogar exklusive Stellung in dem sozialen<br />

Kontext, den wir untersuchen wollen“ (Gläser/Laudel 2006: 10).<br />

Die erläuterten Erfahrungen, Ereignisse und das Wissen der Experten sollen nun dazu<br />

beitragen Prozesse der Vernetzung und Vermittlung durch das Grätzelmanagement zu<br />

beschreiben und zu erklären. Experteninterviews werden also in Untersuchungen eingesetzt,<br />

„in denen soziale Situationen oder Prozesse rekonstruiert werden sollen, um eine<br />

sozialwissenschaftliche Erklärung zu finden“ (Gläser/Laudel 2006: 11).<br />

54


Die erläuterten Vorzüge von Experteninterviews hinsichtlich ihrer Eignung, das Wissen über<br />

Abläufe, Prozesse, Situationen und Ereignisse zu Tage zu fördern suggerieren die Möglichkeit<br />

absolutes, gültiges und zuverlässiges Wissen über den Forschungsgegenstand unabhängig vom<br />

Forschungsablauf zu generieren. Dieser Schluss ist trügerisch, wenn man bedenkt, dass<br />

Berichte nicht einfach Wiedergaben der Welt sind, sondern Teil der Welt, die sie beschreiben.<br />

Interviews müssen also auch als gemeinsam konstruierte soziale Situationen reflektiert werden.<br />

„According to contructionism, interviews and interviewees are always activley engaged<br />

in constructing meaning“ (Silverman 2001: 87).<br />

Ich möchte hier nicht so weit gehen wie Silverman und das Interview selbst zum<br />

Untersuchungsgegenstand machen. Seine Bemerkung regt jedoch dazu an, die in dieser Arbeit<br />

analysierten Interviews kritisch auf ihren Entstehungszusammenhang und in ihrer Situiertheit<br />

zu prüfen.<br />

Während der Analyse und Interpretation der Interviews sollte man sich jedenfalls<br />

vergegenwärtigen, dass es keine unberührten, neutralen Daten gibt (vgl. Atkinson/Hammersley<br />

1983; zit.n.: Silverman 2001: 111). Zu berücksichtigen ist dabei u.a. der persönliche und<br />

soziale Kontext, in dem die Reaktionen der Befragten stehen. Die Interpretation dieser<br />

Reaktionen setzt die Kenntnis dieses Kontextes voraus (vgl. Hopf 1978: 101).<br />

Die Situation von Interviews unterscheidet sich schon aufgrund der Form der Kommunikation<br />

also über welches Medium die Fragen gestellt werden. Neben Telefoninterviews, der<br />

Versendung von Fragebögen oder der Interviewdurchführung auf der Straße gibt es eine<br />

weitere Vielzahl von Möglichkeiten Interviews abzuwickeln. Die Auswahl der Interviewform<br />

fiel schließlich auf leitfadengestützte Interviews in einer face to face Interaktion, in der sich die<br />

interviewte und die interviewende Person im selben Raum einander gegenüber stehen und<br />

einander sehen können.<br />

3.2. Leitfadeninterviews<br />

Leitfadeninterviews sind nichtstandardisierte Interviews und setzen sich aus einer Summe von<br />

vorbereiteten Fragen zusammen, die während dem Interview allerdings nicht in der vorgelegten<br />

Reihenfolge abgearbeitet bzw. gestellt werden müssen. Es ist vielmehr die Aufgabe der<br />

interviewenden Person die Fragen kontextgerecht und dem Gesprächsverlauf angepasst<br />

einzubinden. Leitfadeninterviews empfehlen sich immer dann, wenn:<br />

„in einem Interview mehrere unterschiedliche Themen behandelt werden müssen, die<br />

durch das Ziel der Untersuchung und nicht durch die Antworten des Interviewpartners<br />

bestimmt werden, und<br />

wenn im Interview auch einzelne, genau bestimmbare Informationen erhoben werden<br />

müssen“ (Gläser/Laudel 2006: 107).<br />

55


Leitfäden für Interviews sollen weitgehend offene Fragen beinhalten, um, wie Gläser/Laudel<br />

(2006: 127) bemerken,<br />

„das Wissen des Interviewpartners und die Bedeutungen, die er diesem Wissen gibt, im<br />

Interview zu erfassen.“<br />

Die Schwierigkeit liegt v.a. daran, dass in begrenzter Zeit spezifische Informationen zu<br />

mehreren verschiedenen beschaffen werden sollen (Gläser/Laudel 2006: 127).<br />

Im Leitfadeninterview ist also der Spagat zwischen Erzählanregung zu Prozessen und der<br />

Eingrenzung auf bestimmte interessierende Aspekte des Expertenwissens zu schaffen.<br />

Gläser/Laudel (vgl. 2006: 39) verlangen zwar vom Interviewleitfaden, dass er die Fragen<br />

enthält, die in jedem Interview beantwortet werden müssen. Die Interviewleitfäden für die<br />

vorliegende Untersuchung des Grätzelmanagements beinhalteten jedoch nicht die identischen<br />

Fragen. Bis auf einige Kernfragen waren diese Leitfäden also nicht einheitlich konzipiert. Das<br />

liegt daran, dass die zu befragenden Personen aus unterschiedlichen Bereichen und<br />

Institutionen kamen und damit ihre perspektivischen Einblicke in das Grätzelmanagement aus<br />

den verschiedenen Kontexten in die Interviews mit einbrachten. Vorrangiges Ziel dieser Arbeit<br />

ist es nicht, die jeweiligen Positionen, Meinungen und Sichtweisen miteinander zu vergleichen<br />

oder gegeneinander abzuwiegen. Vielmehr soll das jeweilige Expertenwissen aufeinander<br />

bezogen werden und einander ergänzend das „Ganze“ des Untersuchungsgegenstandes<br />

Grätzelmanagement in Wien verstehen helfen. In der Konzipierung der Leitfäden habe ich also<br />

zuerst zwischen den Akteursgruppen der Politik- bzw. Verwaltungsebene, der intermediären<br />

Ebene des Grätzelmanagements und der Stadtteilebene unterschieden.<br />

Gläser/Laudel (2006: 131ff.) empfehlen für die Formulierung der Fragen für den<br />

Interviewleitfaden darauf zu achten, dass die Fragen:<br />

- neutral sind, d.h. sie dürfen dem Befragten keine Antwort nahe legen, wie das etwa<br />

Suggestivfragen tun.<br />

- klar und unmissverständlich sind, d.h. dass grammatikalisch schwierige Konstruktionen<br />

wie doppelte Verneinungen vermieden werden sollten und auch der Transport<br />

zusätzlicher Informationen in der Frage reduziert werden sollen.<br />

- einfach sind und damit nur einen Gegenstand zu behandeln bzw. nur ein<br />

Informationsbedürfnis äußern. Multiple Fragen innerhalb eines Satzes sind zu<br />

vermeiden.<br />

Über jedes Interview ist in Folge ein Protokoll (vgl. Gläser/Laudel 2006: 187) erstellt worden,<br />

welches das Zustandekommen des Interviews (Bereitschaft und Einwendungen des<br />

Interviewpartners) die Interviewsituation (Rahmenbedingungen wie Störungen,<br />

56


Gesprächsverlauf, Atmosphäre, Ort und Dauer etc.) beschreibt und Bemerkungen zur<br />

Nachinterviewphase enthält. Dieses Protokoll ist im Nachhinein in die Auswertung<br />

einzubeziehen, um die Plausibilität oder Widersprüche besser bewerten zu können (vgl.<br />

Gläser/Laudel 2006: 187).<br />

Die auf Tonband aufgezeichneten Interviews wurden schließlich transkribiert und zwar nach<br />

folgenden von Gläser und Laudel (2006: 188f) verwendeten Regeln:<br />

- „es wird in Standardorthographie verschriftet und keine literarische Umschrift -<br />

verwendet (...);<br />

- nichtverbale Äußerungen (...) werden nur dann transkribiert, wenn sie einer Aussage<br />

eine andere Bedeutung geben,<br />

- Besonderheiten der Antwort mit ´Ja´ oder ´Nein´, (z.B. zögernd, gedehnt, lachend)<br />

werden vermerkt,<br />

- Unterbrechungen im Gespräch werden vermerkt,<br />

- Unverständliche Passagen werden gekennzeichnet“<br />

Die Transkription erzeugt die Rohdaten in Form von Texten, die nun einer Auswertung<br />

zugeführt werden. Diese Texte sind noch mit prinzipiellen Unschärfen behaftet, was bedeutet,<br />

dass die Relevanz der in den Texten enthaltenen Informationen für die Untersuchung noch<br />

nicht geklärt ist. Relevante und irrelevante Informationen müssen also nun getrennt werden<br />

(vgl. Gläser/Laudel 2006: 41). Dafür eignet sich besonders die Inhaltsanalyse.<br />

3.3. Inhaltsanalyse<br />

Die Entstehung der Methode der Inhaltsanalyse lässt sich bereits bis in die 20er Jahre des<br />

vorigen Jahrhunderts zurück verfolgen und wurde zunächst in den USA entwickelt (vgl.<br />

Merten 1983; Lissmann 1997; zit.n. Mayring 2004: 469). Ihr Schwerpunkt lag zunächst auf der<br />

Entwicklung quantitativer Verfahren, wurde jedoch im Laufe der Zeit ausgeweitet und durch<br />

qualitative Ansätze ergänzt bzw. modifiziert. Die qualitative Inhaltsanalyse stellt die<br />

grundlegende Auswertungsmethode der vorliegenden Arbeit dar. Sie ist im deutschsprachigen<br />

Raum seit spätestens 1983 von Philipp Mayring weiterentwickelt und ausgereift worden.<br />

Durch die lange Entwicklungszeit und die verschiedenen Ansätze bzw. Schwerpunkte der<br />

Inhaltsanalyse wurde eine allgemein gültige Definition immer schwieriger. Ein Versuch, die<br />

Grundintention der Inhaltsanalyse möglichst kurz zusammen zu fassen stammt von Gläser und<br />

Laudel.<br />

„Die Inhaltsanalyse wertet Texte aus, indem sie ihnen in einem systematischen Verfahren<br />

Informationen entnimmt“ (Gläser/Laudel 2006: 44).<br />

57


Darüber hinaus inkludiert die Inhaltsanalyse eine Reihe von Besonderheiten, deren<br />

Kombination sie gerade von anderen qualitativen Verfahren unterscheidet. Mayring (2003: 12)<br />

versucht sich über eine Auflistung von sechs Kernpunkten einer Definition von Inhaltsanalyse<br />

als sozialwissenschaftlicher Methode anzunähern, die hier wie folgt zusammengefasst sind:<br />

1. Der Gegenstand der Inhaltsanalyse sind im weitesten Sinn übertragene Symbole, also<br />

Kommunikation.<br />

2. Diese Kommunikation muss protokolliert werden und wird so zur „fixierten“<br />

Kommunikation.<br />

3. Die Inhaltsanalyse zeichnet sich durch ihre systematische Vorgangsweise aus.<br />

4. Die Analyse läuft nach expliziten Regeln ab, um die intersubjektive<br />

Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten.<br />

5. Wenn es nach Mayring (2003) geht, soll die Analyse theoriegeleitet sein, d.h. die<br />

Interpretation geht vom jeweiligen Theoriehintergrund aus. Es soll dabei an die<br />

Erfahrungen anderer angeknüpft werden.<br />

6. Ziel ist es, Rückschlüsse auf bestimmte Aspekte der Kommunikation z.B.: Aussagen<br />

über den Sender (z.B. dessen Absichten) zu ziehen.<br />

Der letzte Punkt ist in dieser Arbeit weniger berücksichtigt worden. Auch Gläser und Laudel<br />

sind auf den Aspekt, aus der Kommunikation Aussagen über den Sender abzuleiten wenig<br />

eingegangen. Das hängt damit zusammen, dass der Ausgangspunkt jeweils das<br />

Experteninterview ist, dessen Zweck es ist, Erkenntnisse über einen Untersuchungsgegenstand<br />

und nicht über die Person, die über den Untersuchungsgegenstand spricht, zu gewinnen. Das<br />

Wissen der Person ist von Interesse, nicht deren Intentionen.<br />

Zentrales Element jeder Inhaltsanalyse ist das Kategoriensystem, das sich aus der<br />

Forschungsperspektive und der Untersuchungsfrage ableitet. Dabei ist zwischen zwei<br />

Herangehensweisen zu unterscheiden:<br />

- Deduktive Kategorienbildung: sie bestimmt das Auswertungsinstrument durch<br />

theoretische Überlegungen, bereits entwickelte Theoriekonzepte, Voruntersuchungen<br />

oder dem bisherigen Forschungsstand (vgl. Mayring 2003: 74). In diesem Fall werden<br />

die Kategorien also bestimmt, noch bevor der erste Text analysiert wird.<br />

- Induktive Kategorienbildung: sie leitet die Kategorien direkt aus dem Material ab, ohne<br />

Heranziehung vorab definierter Theorien (vgl. Mayring 2003: 75). Die Kategorien<br />

werden unmittelbar anhand des Analysematerials gebildet, wodurch versucht werden<br />

soll, den Vorannahmen und Verzerrungen des Forschers möglichst zu entgehen.<br />

58


Im Fall der vorliegenden Arbeit über das Grätzelmanagement war es jedoch trotzdem<br />

erforderlich, die Kategorienbildung größtenteils theoriegeleitet vorzunehmen. Diese<br />

Kategorienbildung erfolgte allerdings nach recht allgemeinen Gesichtspunkten, wie sie<br />

zunächst von den eingangs erläuterten Theorien nahegelegt wurden. Die lokale Praxis des<br />

Grätzelmanagements bewirkte schließlich eine Überarbeitung des Kategoriensystems in dem<br />

Sinne, dass die Kategorien immer weiter ausdifferenziert und spezifiziert werden mussten und<br />

das trotz des Postulats der Verallgemeinerung und Reduktion des Materials. Die Struktur des<br />

Kategoriensystems sollte aber weiterhin mit den Untersuchungsfragen korrespondieren,<br />

weshalb die Kategorien auch nicht verworfen wurden. Die theoretischen Vorüberlegungen<br />

waren damit im gesamten Auswertungsprozess präsent. Die Veränderung des<br />

Kategoriensystems während der Auswertung ist im Sinne einer Ergänzung oder einer<br />

Veränderung von Dimensionen absolut zulässig (vgl. Gläser/Laudel 2006: 199). Die Bildung<br />

der Kategorien soll dadurch im gesamten Forschungsverlauf als dynamischer Prozess erhalten<br />

bleiben. Damit soll die Auswertung und Interpretation so weit es geht für neue unerwartete<br />

Erkenntnisse offen bleiben.<br />

Um im Zuge der qualitativen Inhaltsanalyse zu einer sozialwissenschaftlichen Interpretation<br />

von Textmaterial zu gelangen, bieten sich verschiedene Vorgangsweisen an. Mayring (2003:<br />

58) unterscheidet drei Grundformen des Interpretierens:<br />

- Zusammenfassung<br />

- Explikation<br />

- Strukturierung<br />

Bei der Zusammenfassung ergeben sich die folgenden 3 Schritte:<br />

Zunächst kommt es zur Paraphrasierung des Materials. Dabei werden relevante Aussagen auf<br />

verständliche Kurzsätze verkürzt.<br />

„Die einzelnen Kodiereinheiten werden nun in eine knappe, nur auf den Inhalt<br />

beschränkte, beschreibende Form umgeschrieben (...)“ (Mayring 2003: 61).<br />

Im nächsten Schritt der Generalisierung werden die Paraphrasen auf eine definierte<br />

Abstraktionsebene verallgemeinert und inhaltgleiche Paraphrasen können gestrichen werden.<br />

Im dritten Schritt der<br />

Reduktion werden die verallgemeinerten Paraphrasen zu den Kategorien zugeordnet, womit es<br />

zur Zusammenfassung des Materials kommt (Mayring 2003: 61). Am Ende der<br />

Reduktionsphase muss überprüft werden, wie weit die ursprünglichen Paraphrasen noch im<br />

Kategoriensystem aufgehen, um beurteilen zu können, ob im Zuge der Reduktion auch keine<br />

Informationen verloren gegangen sind oder verzerrt worden sind.<br />

59


Ziel der Explikation (Mayring 2003: 78f) ist es, interpretationsbedürftige Textstellen zu<br />

erläutern und verständlich zu machen, d.h. zu explizieren. Dazu muss zusätzliches Material<br />

herangetragen werden. Was an zusätzlichem Material zugelassen wird, ist zu definieren. Die<br />

Auswahl dieses Materials entscheidet über die Güte der Explikation.<br />

Zu Beginn muss die zu explizierende Textstelle genau definiert werden. Danach sollte noch<br />

versucht werden, die unklare Textstelle mittels grammatikalischer Analyse oder aufgrund<br />

lexikalischer Bedeutung erklärbar zu machen. Sofern dieser Schritt erfolglos war, ist eine<br />

Kontextanalyse durch zuführen. Dabei ist zwischen enger und weiter Kontextanalyse zu<br />

unterscheiden.<br />

Erstere basiert lediglich auf Material, das aus dem Text selbst kommt. Es werden Textstellen<br />

gesammelt, die zur unklaren Textstelle in direkter Beziehung stehen.<br />

Die weite Kontextanalyse lässt auch Material zu, das über den eigentlichen Text hinaus geht,<br />

wie Informationen über den Verfasser, die Entstehungsbedingungen des Textes oder auch aus<br />

dem theoretischen Vorverständnis kann Material entnommen werden, um die fragliche<br />

Textstelle zu explizieren.<br />

Die zentralste Technik der Inhaltsanalyse ist nach Mayring (2003: 82ff) die Strukturierung.<br />

Sie hat zum<br />

„Ziel, eine bestimmte Struktur aus dem Material herauszufiltern“ (Mayring 2003: 82).<br />

Die Dimensionen der Strukturierung müssen aus der Fragestellung abgeleitet und theoretisch<br />

begründet werden und sodann genau bestimmt werden. Mayring (2003: 85) unterscheidet vier<br />

Formen der Strukturierung mit jeweils verschiedenen Zielen:<br />

- Inhaltliche Strukturierung: Extrahierung und Zusammenfassung des Materials nach<br />

bestimmten Themen und Inhaltsbereichen;<br />

- Typisierende Strukturierung<br />

- Skalierende Strukturierung<br />

- Formale Strukturierung<br />

Im Fall der vorliegenden Arbeit lag die Wahl der inhaltlichen Strukturierung am nächsten. Es<br />

sollen bestimmte Themen, Inhalte und Aspekte aus dem Material herausgefiltert und<br />

zusammengefasst werden. Die Theorien über Stadtteilmanagement und die daran angeknüpften<br />

Fragen gaben in diesem Zusammenhang bereits die Rahmenbedingungen für die<br />

interessierenden Inhalte vor. Die gebildeten Kategorien stellten den Ausgangspunkt für die<br />

Auswertung im Sinne einer inhaltlichen Strukturierung dar.<br />

60


„Welche Inhalte aus dem Material extrahiert werden sollen, wird durch theoriegeleitet<br />

entwickelte Kategorien und (sofern notwendig) Unterkategorien bezeichnet“ (Mayring<br />

2003: 89).<br />

Der von Mayring (vgl. 2003: 47ff) vorgeschlagene Gesamtablauf der qualitativen<br />

Inhaltsanalyse in neun Stufen kann wie folgt zusammengefasst werden:<br />

Stufe 1: Festlegung des Materials<br />

Es werden aus den Interviews nur Textstellen ausgewählt, in denen sich die Interviewpartner<br />

und –partnerinnen zu den Themen des Interviewleitfadens äußern.<br />

Stufe 2: Analyse der Entstehungssituation<br />

Im Zuge dieses Schrittes wird ein Interviewprotokoll angefertigt, das die anwesenden<br />

Personen, den emotionalen, kognitiven Handlungshintergrund des/ der Befragten, den<br />

soziokulturellen Rahmen und die Beschreibung der Erhebungssituation enthält.<br />

Stufe 3: Formale Charakterisierung des Materials<br />

Hier muss die Form der Transkription festgelegt werden, also wie genau transkribiert wurde<br />

(Pausen, Betonungen...).<br />

Stufe 4: Richtung der Analyse<br />

Man kann sich bei der Analyse entweder auf das Thema konzentrieren (wie im vorliegenden<br />

Fall), oder auf die kognitive Befindlichkeit des/der Interviewten.<br />

Stufe 5: Theoriegeleitete Differenzierung der Fragestellung<br />

Die Forschungsfrage und eventuelle Unterfragen müssen vor der Analyse feststehen.<br />

Stufe 6: Bestimmung der Analysetechnik<br />

Mayring schlägt, wie schon oben genannt, drei Analyseverfahren vor.<br />

Stufe 7: Definition der Analyseeinheit<br />

Die Textteile für die Analyse werden bestimmt und es wird festgelegt, wie eine Phrase<br />

beschaffen sein muss, um als Ausprägung für die Kategorie zu gelten.<br />

Stufe 8: Analyse des Materials<br />

Siehe oben: Zusammenfassung, Explikation, Strukturierung;<br />

Stufe 9: Die Interpretation<br />

Die Einzelfälle werden generalisiert und es entsteht eine Gesamtdarstellung anhand der<br />

Kategorien.<br />

Die Inhaltsanalyse wird wie erläutert durchgeführt. Die Zusammenfassung des transkribierten<br />

Materials ist ohnehin notwendig. Eine Explikation einzelner Textpassagen steht ebenfalls an<br />

und das Verfahren der Strukturierung wird sich v.a. auf den Typ der inhaltlichen<br />

Strukturierung beschränken.<br />

61


3.4. Datenerhebung und Interviewzitation<br />

Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit basieren im Wesentlichen auf der inhaltsanalytischen<br />

Auswertung von Experteninterviews, wie sie weiter oben beschrieben wurden. In Ergänzung<br />

dazu und zur Erhöhung der Verlässlichkeit der interpretativ gewonnenen Ergebnisse habe ich<br />

Internetrecherchen, Recherchen gedruckter Medien des Grätzelmanagements und dem „Grätzl-<br />

Blattl“ sowie der Durchsicht von Protokollen der <strong>Arbeitskreis</strong>sitzungen durchgeführt.<br />

Die interviewten Personen bleiben anonym, sofern ihre Identität nicht über die Institutionen,<br />

denen sie angehören auszumachen ist.<br />

Kern der empirischen Arbeit bilden die 13 anhand von Leitfäden durchgeführten<br />

Experteninterviews mit Personen folgender Institutionen:<br />

Die in den Zitaten angegebenen Kürzel für die interviewten Personen setzen sich aus folgenden<br />

Informationen zusammen: Interviewnummer, Geschlecht, ca. Alter und Zeilennummer<br />

Beispiel:<br />

I1_w30-39: 40-43 Interview 1_weiblich, etwa 37 Jahre alt: Zeile 40 bis 43 in der<br />

Transkription;<br />

1 Bezirksvorsteher 2. Bezirk I3_m50-59<br />

2(3) Projektträger(partner):<br />

1 Wiener Wissenschaftszentrum (WZW) I6_m30-39<br />

1 Wiener Wirtschaftsförderungsfonds (wwff) I10_w30-40m40<br />

(1) MA 25 (Geschäftsgruppe Wohnen, Wohnbau kein Interview<br />

und Stadterneuerung)<br />

1 MA 27 (EU Strategie und Wirtschaftentwicklung) I5_m40-49<br />

1 Magistratsdirektion Stadtbaudirektion I7_m40-49<br />

1 Grätzelmanagerin I1_w30-39<br />

1 Grätzelmanagerin I2_w30-39<br />

1 Grätzelmanager I4_m50-59<br />

1 Grätzelmanager I8_m40-49<br />

1 Grätzelmanagerin I13_w30-39<br />

1 Bewohner I9_m50-59<br />

1 Bewohnerin I11_w60-69<br />

1 Unternehmer (Marktstand) I14_m30-39<br />

62


3.5. Kurze Reflexion des Forschungsprozesses<br />

Die Auswahl des Untersuchungsgegenstandes war insofern einfach, da es in Wien lediglich<br />

zwei Grätzelmanagement Projekte gab. Die Wahl des Grätzelmanagement Volkert- und<br />

Alliiertenviertel war weitgehend pragmatisch begründet. Zwar kannte ich diese Einrichtung<br />

bereits von einem Studienkollegen, der dort ein Projekt mitorganisiert hatte. Der eigentliche<br />

Grund lag jedoch in meiner Beschäftigung bei einem Unternehmen, welches im Volkertviertel<br />

ansässig ist, wodurch ich die räumliche Nähe für meine Besuche und Untersuchungen nutzen<br />

konnte.<br />

Der Zugang zum Feld bzw. der Erstkontakt mit den Grätzelmanagern bestätigte mich<br />

in meiner Auswahl, da die Mitarbeiter des Grätzelmanagements von Anfang an kooperativ<br />

waren und mir so der Zugang zu weiteren Gesprächspartnern erleichtert wurde.<br />

Ich stand in der gesamten Untersuchungszeit außerdem kein einziges Mal vor verschlossener<br />

Tür und konnte auch telefonisch immer jemanden im Büro erreichen. So wurde es eher für<br />

mich zum Thema, eine kritische Distanz zum Untersuchungsgegenstand zu wahren und meine<br />

Sympathien genau zu reflektieren.<br />

Die Entscheidung für die Interviewpartner waren teilweise logisch vorgegeben, wenn es mir<br />

darum ging, Experten zu befragen. Neben den involvierten Institutionen(Projektpartner und<br />

Mitglieder des Grätzelbeirates) und Grätzelmanagern sollten auch die lokalen Akteure ihr<br />

Wissen einbringen. Der quantitative Anteil letzterer scheint im ersten Moment zu gering zu<br />

sein. Dazu muss jedoch erklärt werden, dass sich die Erhebung von Expertenwissen auf der<br />

Stadtteilebene als deutlich ergiebiger und ungefilterter erwies und dort rasch eine relative<br />

Sättigung eintrat. Das konnte von der Politik- und Verwaltungsebene nicht behauptet werden.<br />

Erstens wurde ein Interview mit einer tragenden Institution aus der Verwaltung verweigert.<br />

Zweitens, wie es sich auch in der quantitativen Verteilung der Ergebnisse widerspiegelt,<br />

konnten auf der Politik- und Verwaltungsebene nicht so große Datenmengen gewonnen<br />

werden. Einerseits war das Grätzelmanagement auf dieser Ebene, wie sich zeigen wird, weit<br />

weniger institutionalisiert. Andererseits wurde in der Politik und Verwaltung eine abstraktere<br />

und allgemeinere Darstellung der Sachverhalte und Prozesse verwendet. Während auf<br />

Stadtteilebene sogar zusätzlich Protokolle der <strong>Arbeitskreis</strong>e zur Verfügung standen, musste ich<br />

auf der Verwaltungsebene mit allgemein formulierten Homepages, die eine breite<br />

Öffentlichkeit bedienen, vorlieb nehmen. Das ist nicht als Kritik zu verstehen, sondern war<br />

vorerst einmal als Gegebenheit zu akzeptieren.<br />

Der Zeitpunkt der Interviews war sehr spät – zehn der dreizehn Interviews habe ich nach Ende<br />

des Grätzelmanagements im Jänner und Februar 2007 durchgeführt. Das hatte möglicherweise<br />

63


den Vorteil, dass die interviewten Personen bereits unbefangener waren und nicht mehr unter<br />

unmittelbarem Erfolgsdruck standen. So konnten sie bereits aus einer gewissen Distanz heraus<br />

erzählen.<br />

Der Nachteil lag im Zeitdruck für mich als interviewende Person darin, nach Ende des<br />

Grätzelmanagements auch nicht zu viel Zeit verstreichen zu lassen, um das Gedächtnis der<br />

Befragten nicht zu sehr zu strapazieren. Dieser Umstand führte dazu, weniger Zeit in die Beund<br />

Überarbeitung der Interviewleitfäden zu investieren als vielleicht notwendig gewesen<br />

wäre. Bei retrospektiver Aufarbeitung, wie sie bei den Interviews über vergangene Ereignisse<br />

erfolgt, kommt außerdem das Problem der Verklärung der Vergangenheit hinzu. Dazu habe ich<br />

grundsätzlich versucht mit Meinungen und Urteilen oder Empfehlungen besonders vorsichtig<br />

umzugehen.<br />

Die Experteninterviews ermöglichten eine rasche und bei den Befragten allgemein akzeptierte<br />

Erhebungsmethode. Die Möglichkeiten dieser Form der Erhebung erwiesen sich jedoch als<br />

beschränkt. Die Interviews verliefen teilweise auf allgemeiner Ebene, bei der die interviewten<br />

Personen die Aktivitäten und Prozesse relativ abstrakt erläuterten. Es brauchte in jedem<br />

Interview eine Zeit, bis die Reflexionsebene sozialer Beziehungen erreicht wurde bzw. war die<br />

Erinnerung der interviewten Personen an inhaltliche Aspekte wie Ereignisse und Projekte<br />

besser als die Erinnerung an einzelne Kooperationspartner oder die Beschreibung sozialer<br />

Beziehungen. Die Erzählung von Anekdoten oder anderen Details fiel oft dem beschränkten<br />

Zeitrahmen zum Opfer. Eine Alternative wäre gewesen, nach einer ersten Interviewphase mit<br />

allen Interviewpartnern auf einer allgemeinen Ebene eine zweite Phase von Interviews mit den<br />

selben Personen durchzuführen. Die ersten Interviews werden ausgewertet und vertiefende<br />

Fragen werden aus dem Material abgeleitet. Dieser Zwischenstand der Erkenntnis kann sodann<br />

eingesetzt werden, um weitere Details oder Teilaspekte in der zweiten Interviewphase<br />

abzufragen. Dieser erhebliche Zusatzaufwand wäre im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht zu<br />

leisten gewesen.<br />

Aspekte der Forschungsfrage, wie die Vermittlung und die Aushandlung zwischen Positionen<br />

und Interessen sind mit einer Methode wie dem Interview, bei dem diese Prozesse<br />

rückblickend rekonstruiert werden sollen problematisch. Die Beurteilung einer<br />

Vermittlungsleistung, bei der das Verstehen des empfangenden Kommunikationspartners<br />

erkannt werden soll, verlangt von der interviewten Person eine unmögliche Konstruktion und<br />

Interpretation. Hierfür ist eine ergänzende Erhebung durch teilnehmende Beobachtung<br />

sinnvoll, die während <strong>Arbeitskreis</strong>en und den Grätzelbeiräten stattfinden muss.<br />

64


Für eine genauere und vollständigere Abbildung der durch das Grätzelmanagement<br />

entstandenen Netzwerke ist selbstredend eine formale Netzwerkanalyse eine brauchbare<br />

Methode. Damit können die involvierten Netzwerkakteure namentlich und systematisch erfasst<br />

werden und ihre Beziehungen im Grätzelmanagement beschrieben werden.<br />

Außerdem kann das Grätzelmanagement hinsichtlich seiner Position und Rolle als Vermittler<br />

genauer beschrieben und dargestellt werden. Dazu kann man sich der Kennzahlen der formalen<br />

Netzwerkanalyse bedienen, wie das Zentralitätsmaß bzw. die „betweenness-centrality“ (vgl.<br />

Freeman 1979). Ein/e AkteurIn mit einem hohen Grad an betweenness-centrality ist dadurch<br />

charakterisiert, dass er/sie an der Position steht, die zwischen vielen Akteurspaaren im<br />

Netzwerk auf deren kürzesten Verbindungen liegt.<br />

Er/sie wird häufig von anderen Akteuren als ´Makler´ benutzt, weshalb von ihm viele<br />

Aktivitäten im Netzwerk kontrolliert werden können.<br />

Das Grätzelmanagement kann mit solch einem `Makler` verglichen werden.<br />

Der Unterschied ist jedoch, dass das Grätzelmanagement als intermediäre Instanz nicht den<br />

eigennützigen Vorteil der Kontrolle und der damit verbundenen Macht für sich beansprucht,<br />

sondern vielmehr diese Kontakte zur Verfügung stellt, also zwischen Akteuren vermittelt – sie<br />

integriert.<br />

65


4. Grätzelmanagement Volkert- und Alliiertenviertel<br />

Allgemein<br />

4.1. Institutionelle Einbettung des Projekts Grätzelmanagement<br />

Das Grätzelmanagement Volkert- und Alliiertenviertel war ein Pilotprojekt, das im Rahmen<br />

der EU-Ziel-2-Förderung von der Gebietsbetreuung Leopoldstadt im Auftrag der<br />

Magistratsabteilung 25 für „Stadterneuerung und Prüfstelle für Wohnhäuser“ (MA25), dem<br />

Wiener Wirtschaftsförderungsfonds(WWFF) und dem Wissenschaftszentrum Wien(WZW)<br />

eingerichtet wurde. Parallel dazu wurde auch im 20. Wiener Gemeindebezirk das<br />

Grätzelmanagement Wallensteinplatz mit der gleichen Organisationsstruktur gestartet.<br />

Der zuständige Projektträger war der Wiener Wirtschaftsförderungsfonds als Endbegünstigter,<br />

was bedeutete, dass er die jeweiligen Projektgelder vorstrecken musste und erst nach Prüfung<br />

der EU refundiert bekam. Das Projekt wurde also durch Mittel der Europäischen Union<br />

finanziell unterstützt.<br />

Das Volkert- und Alliiertenviertel entspricht einem Teilgebiet des EU-Ziel-2-Fördergebietes,<br />

welches im 2. und 20. Wiener Gemeindebezirk festgelegt wurde. Ziel dieses Programms ist es,<br />

mit Hilfe von EU-Mitteln (Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) Maßnahme<br />

1.2 und des Europäischen Sozialfonds (ESF) Maßnahme 3.2 11 ) und öffentlichen nationalen<br />

Mitteln ein unterdurchschnittlich entwickeltes städtisches Gebiet an die ausstattungsmäßige,<br />

wirtschaftliche und soziale Situation der Gesamtstadt heran zuführen 12 .<br />

Die eingesetzten EU-Mittel sind nicht als Ersatz für nationale Finanzierung gedacht sondern<br />

additiv zu verwenden und außerdem auf das bestimmte abgegrenzte Fördergebiet (Zielgebiet)<br />

zu konzentrieren, um einen entsprechend hohen Wirkungsgrad zu erzielen 13 .<br />

Das Pilotprojekt Grätzelmanagement wurde zu 50% aus den besagten EU-Mitteln und zu 50%<br />

aus nationalen Mitteln finanziert. Die EU-Förderfähigkeit von Projekten basiert auf<br />

Förderkriterien, welche sich an den Zielen des Programms, in diesem Fall „Ziel2“, orientieren.<br />

Daneben geht es auch um die Art und Weise der Zielerreichung, die nämlich direkt und<br />

effizient erfolgen soll.<br />

„Grundsätzlich ist alles förderfähig, was der unmittelbaren und effizienten Erreichung<br />

eines Zieles dient, das im Programm gesetzt wird“ (I5_m40-49: 168-169).<br />

11 vgl. Folgeevaluierung des Pilotprojektes “Grätzelmanagement Volkert- und Alliiertenviertel” im 2. Bezirk, Endbericht<br />

01/2006. Projektleitung Mag. Karin Steiner, abif.<br />

12 vgl. Ziel 2 Wien: http://www.ziel2.wien.at/ Zugriff 5.6.2007<br />

13 ebd.<br />

66


Das Ziel-2 Programm konzentriert sich auf drei Schwerpunkte 14 :<br />

- Entwicklung der lokalen Stadtstruktur<br />

- Wettbewerbsfähige Unternehmen<br />

- Gesellschaft und Humanressourcen<br />

Das Grätzelmanagement Volkert- und Alliiertenviertel wurde vom autorisierten Ziel-2 Beirat<br />

als Ziel-2 Projekt beschlossen und genehmigt.<br />

Das zweite wesentliche Standbein des Grätzelmanagements war die von der<br />

Magistratsabteilung 25 beauftragte Gebietsbetreuung des 2. Wiener Gemeindebezirks<br />

(Leopoldstadt), welche das Personal für das Grätzelmanagement bereit stellte. So war es<br />

möglich an die einschlägigen Erfahrungen der seit den 1970er Jahren in Wien bestehenden<br />

Gebietsbetreuungen anzuknüpfen.<br />

4.1.4. Institutionen im Grätzelmanagement<br />

Den Kern der institutionellen Beteiligung am Grätzelmanagement bilden die drei<br />

Projektpartner Magistratsabteilung 25 für „Stadterneuerung und Prüfstelle für Wohnhäuser“<br />

(MA25), der Wiener Wirtschaftsförderungsfonds(wwff) und das Wissenschaftszentrum<br />

Wien(WZW).<br />

Magistratsabteilung 25 – Stadterneuerung und Prüfstelle für Wohnhäuser (MA25)<br />

Die MA 25 ist in der Wiener Stadtverwaltung der Geschäftsgruppe für Wohnen, Wohnbau und<br />

Stadterneuerung zugeordnet. Die für das Grätzelmanagement zuständige untergeordnete Stelle<br />

ist die „Gruppe Gebietsbetreuung“. Gebietsbetreuungen sind in allen Wiener<br />

Gemeindebezirken vor Ort vertretene Einrichtungen zur Beratung und Information bei Fragen<br />

des Wohnens, Wohnumfelds, Infrastruktur, Stadterneuerung und Gemeinwesens sowie des<br />

Zusammenlebens. 15<br />

Die MA 25 hat das Personal für das Grätzelmanagement beigestellt und sie war im<br />

Grätzelbeirat stimmberechtigt vertreten.<br />

Der Wiener Wirtschaftsförderungsfonds (WWFF)<br />

Der WWFF ist das wirtschaftspolitische Instrument der Stadt Wien und sein Ziel ist die<br />

14 vgl. Ziel 2 Wien: http://www.ziel2.wien.at/ Zugriff 5.6.2007<br />

15 Wiener Gebietsbetreuungen: http://www.gebietsbetreuung.wien.at/ Zugriff: 22.05.2007<br />

67


Stärkung der Wiener Unternehmen und die nachhaltige Modernisierung des<br />

Wirtschaftsstandortes Wien. Ein Teilbereich des WWFF ist das WWFF-Europaservice,<br />

welches als Informations- und Beratungseinrichtung fungiert und auch als Projektmanager in<br />

wirtschaftsorientierten Projekten, die aus den Regionalfördermitteln der EU (Ziel 2)<br />

kofinanziert werden, tätig ist 16 .<br />

Im Grätzelmanagement übernahm der WWFF die Funktion des Projektträgers und war somit<br />

der Endbegünstigte für die Refundierung von EU-Fördermitteln, d.h. er finanzierte die Projekte<br />

des Grätzelmanagement vor. Außerdem war der WWFF stimmberechtigtes Mitglied im<br />

Grätzelbeirat des Grätzelmanagement.<br />

Die Rolle des WWFF im Grätzelmanagement war sehr vielschichtig. Er war zwar einerseits<br />

eine Wienweit operierende Institution und wäre aus dieser Sicht auf Stadtebene neben der<br />

Verwaltung anzusiedeln. Als Projektträger und gleichzeitig Grätzelmanager vor Ort vertrat er<br />

jedoch auch sehr kleinräumige lokale Interessen und war daher auch auf intermediärer Ebene<br />

aktiv.<br />

Das Wissenschaftszentrum Wien (WZW)<br />

Das WZW ist ein von der Stadt Wien subventionierter Verein, der zur Stärkung der<br />

Wissensbasis Wiens beitragen soll. Dabei geht es darum Wissen aufzuspüren, aufzubereiten<br />

und systematisch zu vernetzen. Das WZW organisiert Foren zum Austausch und zur Schaffung<br />

neuen, innovativen Wissens.<br />

Aufgaben des WZW im Grätzelmanagement waren die wissenschaftliche Begleitung und<br />

Beratung des Projektes, die Koordination der begleitenden Evaluation, die Vermittlung von<br />

Experten zu den verschiedenen Themenbereichen und verschiedenste Koordinationstätigkeiten<br />

innerhalb des Projektes 17 .<br />

Außerdem brachte sich das WZW teilweise bei der Erstellung der Projektstatuten ein, führte<br />

Coachings mit den Grätzelmanagement Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen durch, führte die<br />

Projektdokumentation durch und unterstützte die Kommunikation durch Moderationstätigkeit.<br />

Außerdem war das WZW für die Homepage des Grätzelmanagement zuständig. Auf eigenen<br />

Wunsch hatte das WZW kein Stimmrecht im Grätzelbeirat, da man sich in der Doppelrolle des<br />

Projektpartners und der wissenschaftlichen Begleitung als zu befangen erachtete (Interview 6,<br />

10-22). Das WZW hat als Mitglied des Grätzelbeirates jedoch am Beirat teilgenommen.<br />

16 WWFF: http://www.wwff.gv.at/wwff.aspx?target=131226&mark=gr%c3%a4tzelmanagement#show_131226 Zugriff:<br />

24.5.2007<br />

17 WZW: http://www.wzw.at/index.php?s=1&show=2&a=1&la=de Zugriff: 24.5.2007<br />

68


Magistratsdirektion Baudirektion (MD BD)<br />

Aufgabe der MD BD ist die ressortübergreifende Koordination (Interview 7, 344-345).<br />

Im Geschäftsbereich Bauten und Technik ist die Geschäftsstelle Infrastruktur und<br />

Stadterneuerung angesiedelt. Von hier aus erfolgt die strategische Koordination von<br />

Stadterneuerungsprogrammen (Interview 7, 10-13) und hier liegt auch die zentrale<br />

Koordinationsstelle der Wiener Gebietsbetreuungen (Interview 7, 326). Die Tätigkeit des MD<br />

BD Mitarbeiters in der Stadterneuerung war auch abseits des Grätzelmanagements die<br />

Vermittlung zwischen Arbeitsgruppen und Verwaltung (I7_m40-49: 152-155).<br />

Der Vertreter der MD-BD war Mitinitiator des Grätzelmanagement und stimmberechtigtes<br />

Mitglied des Grätzelbeirates.<br />

Die Magistratsabteilung 27 - EU-Strategie und Wirtschaftsentwicklung (MA 27)<br />

Die MA 27 koordiniert die für Wien relevanten EU-Fördermaßnahmen, insbesondere die<br />

Erstellung und Abwicklung der Programme für Gemeinschaftsinitiativen und Zielgebiete.<br />

Zudem prüft sie die Fördermaßnahmen der EU auf ihre Nutzanwendung für die Stadt Wien und<br />

die Förderbarkeit von Projekten der Stadt Wien nach den Richtlinien der EU 18 .<br />

Im Bezug auf das Grätzelmanagement ist die MA 27 damit die zuständige<br />

Verwaltungsbehörde des Förderprogramms Ziel-2 Wien (Interview 5, 8-14). Sie prüft<br />

außerdem die<br />

Einhaltung der Kriterien und EU-Regulative bis hin zur Abrechnung (Interview 5, 24-27) und<br />

sie war für die effiziente und zweckmäßige Umsetzung des Projektes verantwortlich (I5_m40-<br />

49: 36-42).<br />

Die MA 27 war mit einem Mitarbeiter vom Referat Urbanistik aus dem Dezernat EU-<br />

Förderungen im Grätzelbeirat als stimmberechtigtes Mitglied vertreten.<br />

Die Bezirksvorstehung des 2. Wiener Gemeindebezirks Leopoldstadt (BV2)<br />

Seit 1988 haben die Wiener Bezirke ein eigenes Budget, seit 1999 im zweiten<br />

Dezentralisierungsschritt stehen dem 2. Bezirk 7,5 Millionen Euro zur Verfügung. Über diese<br />

Mittel kann der Bezirk autonom entscheiden (Interview 3, 110-114). Die Dezentralisierung der<br />

Verwaltung ist in Wien derzeit so weit fortgeschritten, dass die Bezirksvertretung, der<br />

18 Stadt Wien:<br />

http://www.wien.gv.at/advuew/internet/AdvPrSrv.asp?Layout=geschaeftseinteilung&Type=K&Hlayout=&STELLECD=2000<br />

021815331828 Zugriff: 1.5.2007<br />

69


Finanzausschuss der Bezirksvertretung und der Bezirksvorsteher die Haushaltsmittel u.a. in<br />

folgenden Bereichen 19 verwalten:<br />

- Städtische Kindertagesheime<br />

- allgemeinbildende Pflichtschulen im Sinne des Wiener Schulgesetzes (mit<br />

Ausnahme)<br />

- Planung und Herstellung (Neu-, Um- und Ausbau) und Instandhaltung von<br />

Hauptstraßen und Nebenstraßen<br />

- Planung, Errichtung und Instandhaltung der öffentlichen Beleuchtung<br />

- Planung, Errichtung und Instandhaltung von Grünanlagen einschließlich der<br />

Baumpflanzungen, der Spielplätze und der Einrichtungen<br />

- Planung, Herstellung und Instandhaltung von Jugendspielplätzen<br />

- Instandhaltung der unbebauten Marktflächen und der städtischen Objekte etc.<br />

Wobei es sich bei dieser Aufstellung nur um einen knappen Auszug der zu verwaltenden<br />

Bereiche handelt. Die BV2 ist die demokratisch legitimierte Vertretung der Leopoldstadt und<br />

damit die politische Instanz für das Grätzelmanagement. Die BV2 war stimmberechtigtes<br />

Mitglied im Grätzelbeirat.<br />

Abbildung 1: Grätzelmanagement Projektstruktur 20<br />

19 Stadt Wien: http://www.wien.gv.at/recht/landesrecht-wien/rechtsvorschriften/html/v0010000.htm Zugriff: 24.6.2007<br />

20 Darstellung vom Grätzelmanagement: http://www.graetzelmanagement.at/02/frameset/frameset.html, Zugriff: 5.5.2007<br />

70


4.1.2. Ziele des Grätzelmanagements<br />

Univ. Prof. Dr. Dangschat legte der Bezirksvorstehung des 2. Wiener Gemeindebezirks im<br />

Beisein des Obersenatsrates Berger das Konzept für das Pilotprojekt Grätzelmanagement vor.<br />

Das Konzeptpapier A 21 war der Programmebene, das Konzeptpapier B 22 war der Projektebene<br />

(lokalen Ebene) gewidmet und wurde von der verantwortlichen Bezirksvorstehung<br />

angenommen.<br />

Ziel des Grätzelmanagements, wie auf der gleichnamigen Homepage beschrieben, war es, die<br />

Lebens-, Wirtschaft- und Umweltsituation im Volkert- und Alliiertenviertel dauerhaft zu<br />

stabilisieren und zu verbessern. Dieses Ziel des Grätzelmanagements sollte dadurch erreicht<br />

werden, dass Initiativen und Maßnahmen zur Verbesserung der Situation im Grätzel<br />

gemeinsam mit der ansässigen Bevölkerung und den Unternehmern ausgearbeitet werden<br />

sollte,<br />

„wobei darauf geachtet wird, dass auch die Umsetzung von der Bevölkerung selbst vor<br />

Ort getragen wird.“ 23<br />

Die Konzentration von Ressourcen im Sinne eines integrierten Handlungsansatzes war in der<br />

Zieldefinition ebenfalls enthalten.<br />

„Der integrierte Ansatz soll durch die Bündelung von Mitteln unterschiedlicher<br />

Förderungsansätze sowie unter Einbeziehung endogener Ressourcen und Potenziale das<br />

Grätzel stärken und damit die soziale Lebensfähigkeit des<br />

Grätzels sichern.“ 24<br />

Folgende Themenbereiche standen auf der Agenda des Grätzelmanagements:<br />

- „Verbesserung der lokalen Wirtschaftsstruktur<br />

- Verbesserung der Chancengleichheit im Erwerbsleben<br />

- Verbesserung des (Aus-)bildungsgrades mit Schwerpunkt MigrantInnen<br />

- Verbesserung der Wohnsituation und des Wohnumfelds<br />

- Verbesserung der sozialen, kulturellen und ökologischen Infrastruktur<br />

- Bündelung und Vernetzung relevanter lokaler Institutionen und Intiativen<br />

- Hilfe zur Selbsthilfe<br />

- Imageverbesserung des Stadtteils“ 25<br />

21 Dangschat, Jens S. (2001): Pilotprogramm „Grätzel-Management Wien“ Konzeptpapier A – Programmebene. Das Grätzel-<br />

Management – eine Idee zur Verwaltungsmodernisierung und zu einer modernen großstädtischen Sozialpolitik. ISRA, Mimeo.<br />

22<br />

Breitfuss, Andrea/Dangschat, Jens S. (2001): Pilotprogramm „Grätzel-Management Wien“ Konzeptpapier B – Projektebene.<br />

Projekte in Wien – Leopoldstadt „Nordbahnviertel“ und „Stuwerviertel“. ISRA, Mimeo.<br />

23 Grätzelmanagement: http://www.graetzelmanagement.at/02/frameset/frameset.html Stand 30.12.2006<br />

24 ebd.<br />

25 ebd.<br />

71


Das Team der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Grätzelmanagements Volkert- und<br />

Alliiertenviertel setzte sich aus den Funktionen Projektleiter, Grätzelmanager/in Wirtschaft,<br />

Projektassistent/in, Projektassistent/in für den Fachbereich Öffentlicher Raum und<br />

Projektassistent/in mit Schwerpunkt Migranten zusammen.<br />

4.1.3. Überblick über den Ablauf der Organisation des Pilotprojekts<br />

Grätzelmanagement Volkert- und Alliiertenviertel<br />

• März 2002: Projektstart und Abklärung organisatorischer Fragen;<br />

• bis Sommer 2002: Grätzelmanagement tritt mit einem mit Mitarbeitern des<br />

Grätzelmanagements besetzten Container auf dem Volkertplatz an die Öffentlichkeit.<br />

Durchführung von 164 offenen Interviews (92 mit Männern, 72 mit Frauen).<br />

• Herbst 2002: aktivierende Befragung (inkl. muttersprachliche Befragung) von knapp<br />

300 Bewohnern und Gewerbetreibenden zur Abbildung der Problemlagen und<br />

Sichtweisen, sowie zur Einladung der Befragten zur Teilnahme an der Ideenwerkstatt<br />

und den <strong>Arbeitskreis</strong>en.<br />

• Dezember 2002: Ideenwerkstatt mit etwa 130 Teilnehmenden; Konstituierung der<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>e;<br />

• ab Jänner 2003: Zusammentreffen der <strong>Arbeitskreis</strong>e (meist monatlich)<br />

• Oktober2004: Grätzelentwicklungskonzept Volkert- und Alliiertenviertel<br />

• Ende 2005: ursprünglich vorgesehenes Ende des Pilotprojektes Grätzelmanagement,<br />

jedoch Verlängerung um ein Jahr;<br />

• 31.12. 2006: Ende des Pilotprojektes Grätzelmanagement Volkert- und Alliiertenviertel;<br />

4.1.4. Projektumsetzungen im Grätzelmanagement<br />

Initiativen und Maßnahmen zur Verbesserung der Situation im Stadtteil wurden in Form von<br />

Projekten umgesetzt. Ein Auszug von Beispielen verwirklichter Projekte folgt hier, jedoch<br />

ohne Anspruch auf Vollständigkeit.<br />

- PC-Einstiegsprojekt (neue Technologien: niederschwellige<br />

Qualifizierungsmaßnahme)<br />

- Grätzelfeste jeweils im Mai der Jahre 2004-2006<br />

- Verbesserungsmaßnahmen im Park Rueppgasse („Käfigtür“)<br />

- Sommerkino (Freiluftkino am Volkertplatz)<br />

- Grätzel-Logo, Einkaufstaschen mit Grätzel-Logo<br />

- Internetportal lokaler Unternehmen und Werbefolder<br />

72


- Workshop „Maisstärke“<br />

- Max-Winter Lesung<br />

- Grätzelführung<br />

- Punschstand<br />

- Adventmarkt<br />

- Exkursion Linz<br />

- Exkursion Mauthausen<br />

- Veranstaltung „Anne Frank“<br />

- Dia-Vortrag über Istanbul<br />

- Informationsveranstaltung „Sicherheit im Viertel“<br />

- Radbügel<br />

- Bäume und Bänke im Straßenraum im Stadtteil<br />

- Begleitung der Realisierung des Volkertplatzes etc.<br />

Letzteres Projekt soll nun aufgrund seines Umfangs und der Sichtbarkeit im Viertel bzw. zur<br />

Veranschaulichung der Entscheidungsprozesse und der Vernetzung im folgenden beschrieben<br />

werden.<br />

Das Projekt Umgestaltung Volkertplatz<br />

´Ein Platz für Alle´ sollte der Volkertplatz werden. Das war das einhellige Motto während des<br />

Planungsprozesses mit den Bewohnern und Gewerbetreibenden des Grätzels 26 .<br />

Nach Abriss von ungenutzten Marktständen 1999 entstand ein Freiraum am Volkerplatz, der<br />

schließlich zu einem wesentlichen Bestandteil der Beteiligungsprozesse des<br />

Grätzelmanagement wurde. Der Anspruch, diesen Platz neu zu gestalten wurde bereits vor dem<br />

Grätzelmanagement von der Bezirkspolitik gestellt. Der Volkertplatz war jedoch auch bei den<br />

lokalen Akteuren von Beginn des Grätzelmanagements an ein Thema. Bereits bei der<br />

Ideenwerkstatt im Dezember 2002 und den ersten <strong>Arbeitskreis</strong>en im Frühjahr 2003 wurde dazu<br />

diskutiert. Das Grätzelmanagement bot die Möglichkeit, die verschiedenen Betroffenen in<br />

einem Prozess zu beteiligen, der die gemeinsame Ideensammlung und Ausarbeitung für einen<br />

neuen Volkertplatz vorsah. Die bauliche Umgestaltung wurde aus Ziel2 Mitteln und Mitteln<br />

des Bezirks kofinanziert. Der Beteiligungsprozess selbst, d.h. die Moderation(Moderatoren und<br />

Räumlichkeiten) und Begleitung der Kommunikation wurde vom Grätzelmanagement<br />

getragen. Es handelte sich also um kein Grätzelmanagement Projekt im engeren Sinn.<br />

26 Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 14.10.2005, http://www.magwien.gv.at/vtx/vtx-rkxlink?SEITE=020051014023<br />

Zugriff: 20.6.2007<br />

73


Die Einbindung von artikulationsschwächeren Gruppen wie Jugendlichen oder zugewanderten<br />

Frauen und Männern erfolgte unterschiedlich intensiv und erfolgreich. Auch die<br />

Gewerbetreibenden am und rund um den Volkertplatz beteiligten sich, wie noch zu erläutern<br />

sein wird, nicht durchgängig am Gestaltungs- und Diskussionsprozess zum Umbau des<br />

Volkertplatzes. Die Diskussion wurde weitgehend im <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum geführt.<br />

Auf dieser Plattform wurden die Wünsche und Ideen artikuliert und ausgearbeitet. Strittige<br />

Punkte blieben lange Zeit der Ballspielkäfig, die Fußgängerzone und die Abgrenzung zum<br />

Markt. Letzterer wurde in den <strong>Arbeitskreis</strong>sitzungen gelöst. Die häufigsten Wünsche waren die<br />

Einrichtung von Sitzbänken, Grün, Schatten und Trinkbrunnen. Die Ergebnisse und Ideen<br />

dieser Kommunikationsprozesse wurden schließlich in die Ausschreibung für die<br />

Umgestaltung des Volkertplatzes eingearbeitet. Eine Liste mit den Wünschen wurde in einem<br />

Treffen vom Bezirksvorsteher an die Magistratsabteilung 19 Architektur und Stadtgestaltung<br />

(MA 19), Magistratsabteilung 28 Straßenverwaltung und Straßenbau (MA 28) und<br />

Magistratsabteilung 42 Stadtgartenamt (MA 42) übergeben. Fünf Architekten bzw.<br />

Landschaftsplaner wurden zum Wettbewerb eingeladen und sie haben ihre Vorschläge jeweils<br />

einmal mit und einmal ohne Ballspielkäfig eingebracht.<br />

Die MA 19 hat die Ausschreibung organisiert und die eingereichten Projekte vor der Fachjury<br />

geprüft. Stimmberechtigte Mitglieder der Jury 27 waren Arch. DI Leopold Dungl<br />

(Juryvorsitzender), DI Cordula Loidl-Reisch (stv. Juryvorsitzende), Mag. Klaudius Foltin (MA<br />

19, Schriftführer), DI Andrea Mann (Gebietsbetreuung Leopoldstadt), der Bezirksvorsteher<br />

Gerhard Kubik (BV 2) und sein Stellvertreter Rudolf Kauba (BV 2) sowie Mag. Jutta<br />

Reichenpfader (<strong>Arbeitskreis</strong> Volkertplatz) als Vertreterin der Bewohner des Grätzels, welche<br />

von den jeweiligen <strong>Arbeitskreis</strong>sprechern entsandt wurde. Die Projektvorschläge blieben<br />

anonym und es gewann einstimmig der Projektvorschlag einer Landschaftsarchitektin, die im<br />

Grätzel wohnte. Dieses Projekt wurde schließlich öffentlich im <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum<br />

präsentiert und im Grätzelmanagement Büro ausgestellt. Über den strittigen Punkt des<br />

Ballspielkäfigs ist von der Jury entschieden worden. Sie entschied für den Vorschlag ohne<br />

Ballspielkäfig. Die Entscheidung über die Fußgängerzone im Bereich der Rueppgasse wurde<br />

vom Bezirksvorsteher übernommen. Er entschied für die Einrichtung einer Fußgängerzone. Die<br />

MA 28 beauftragte schließlich die Baufirma und begleitete den Umbau des Volkertplatzes.<br />

27 Stadt Wien, wien.at unter „Wettbewerbsergebnisse“:<br />

http://www.wien.gv.at/m19prjdb/wettbewerbe/html/show_ergebnis_js.asp?AUS_ID=1456&Q_A_TYP=&Q_A_STANDORT=<br />

&Q_A_QUERYSTR=&Q_A_ART=0&Q_A_VERFAHREN=0&Q_A_VON=&Q_A_BIS=&Q_A_LAUFEND=<br />

Stand: 20.6.2007<br />

74


Der Volkertplatz wurde im Oktober 2005 unter Beteiligung von Stadtrat DI Schicker<br />

(Stadtentwicklung und Verkehr) eröffnet.<br />

4.2. Die Beschreibung des Grätzels Volkert- und Alliiertenviertel<br />

Das Gebiet, in dem und für das das Grätzelmanagement Volkert- und Alliiertenviertel aktiv<br />

war, liegt im zweiten Wiener Gemeindebezirk Leopoldstadt. Dort grenzt es im Nordosten an<br />

die Nordbahnstraße bzw. die entsprechende Bahnlinie, im Südosten grenzt der Stadtteil an die<br />

Mühlfeld- und Fugbachgasse, im Süden schließt die Heinestraße und Klanggasse das Gebiet ab<br />

und im Nordwesten wird es von der Castellez-, der Scherzergasse und der Taborstraße<br />

abgegrenzt.<br />

Das Grätzelmanagement hatte vor Ort seinen Stützpunkt. Ein eigenes Büro wurde im April<br />

2003 am Volkertplatz 9 eingerichtet 28 .<br />

Um eine ungefähre Vorstellung vom Stadtteil zu bekommen, der Ziel und auch Ort der<br />

Grätzelmanagement-Aktivitäten war, soll hier eine kurze Beschreibung Bevölkerungs-, und der<br />

Wirtschaftstruktur, sowie der baulichen Struktur und der sozialen Infrastruktur folgen.<br />

28 vgl. Grätzelentwicklungskonzept Volkert- und Alliiertenviertel, Stand 1.10.2004: 15;<br />

75


Abbildung 2: Planausschnitt vom Stadtteil Volkert- und Alliiertenviertel 29<br />

Bevölkerungsstruktur:<br />

Die Fläche des Stadtteils Volkert- und Alliiertenviertel beträgt 300.000m² (30 Hektar) und es<br />

leben hier knapp über 10.000 Menschen 30 .<br />

Tabelle 1 beschreibt die Bevölkerung im Stadtteil Volkert- und Alliiertenviertel und vergleicht<br />

diese mit der Bevölkerung des 2.Bezirks Leopoldstadt und ganz Wien nach der Altersstruktur.<br />

29 eigene Darstellung nach Stadt Wien, Vienna GIS http://wien.at/stadtplan/, Anschrift: 1082 Wien, Rathaus<br />

30 Bevölkerungsevidenz der Stadt Wien: Bevölkerungsdaten 31.12.2000; zit.n. Grätzelentwicklungskonzept<br />

Volkert- und Alliiertenviertel, Stand 1.10.2004: 16;<br />

76


Tabelle 1: Bevölkerung im Stadtteil Volkert- und Alliiertenviertel im Wien Vergleich 31<br />

Volkert- und Alliiertenviertel Leopoldstadt Wien<br />

Alter<br />

in Jahren<br />

Insgesamt in Prozent<br />

%<br />

Insgesamt in Prozent<br />

%<br />

Insgesamt in Prozent<br />

%<br />

0- unter 6 708 6,6 5.354 5,9 93.375 5,8<br />

6- unter 10 409 3,8 3.426 3,8 65.576 4,1<br />

10- unter 15 538 5,1 4.216 4,7 78.342 4,8<br />

15- unter 19 408 3,8 3.442 3,8 61.745 3,8<br />

19- unter 30 1.590 14,9 12.840 14,2 221.373 13,7<br />

30- unter 60 5.073 47,5 41.731 46,1 750.988 46,5<br />

60 und 60+ 1.945 18,2 19.548 21,6 345.039 21,4<br />

Insgesamt 10.671 90.557 1.616.438<br />

Der Anteil der Zuwanderer aus der Türkei, dem ehemaligen Jugoslawien und arabischen<br />

Staaten im Volkert- und Alliiertenviertel liegt bei 38,3%, das waren im Jahr 2000 32 4.085<br />

Personen. Der Anteil dieser Zuwanderer liegt mit 45,8% bei den Kindern und Jugendlichen bis<br />

zum 19. Lebensjahr relativ höher.<br />

Die bauliche Struktur 33 im Stadtteil:<br />

Der Bebauungsgrad liegt bei ca. 73%, wobei der Großteil der Häuser in der Zeit zwischen 1849<br />

und 1918 errichtet wurde. Der Anteil der Gebäude, die nach 1945 gebaut wurden beträgt nur<br />

etwa 20%.<br />

Der öffentliche Raum im Stadtteil ist durch einen Mangel an Freiflächen gekennzeichnet. In<br />

der Rueppgasse befindet sich der einzige Spielplatz für Kinder. Der Volkertplatz wurde in der<br />

Zwischenzeit im Rahmen der Grätzelmanagement Aktivitäten umgestaltet und bietet seit<br />

Herbst 2005 Sitz- und Aufenthaltsmöglichkeiten sowie Spiel- und Sporteinrichtungen für<br />

Kinder, Jugendliche und Erwachsene.<br />

Die soziale Infrastruktur 34 im Stadtteil:<br />

Im Stadtteil Volkert- und Alliiertenviertel befinden sich vier religiöse Einrichtungen:<br />

31 Bevölkerungsevidenz der Stadt Wien: Bevölkerungsdaten 31.12.2000; zit.n. Grätzelentwicklungskonzept<br />

Volkert- und Alliiertenviertel, Stand 1.10.2004: 16;<br />

32 ebd.: 17;<br />

33 Die angegebenen Zahlen stammen vom Grätzelentwicklungskonzept Volkert- und Alliiertenviertel, Stand 1.10.2004: 18;<br />

34 ebd.<br />

77


- Philippinisch-katholische Kirchengemeinschaft<br />

- Islamische Kirchengemeinschaft<br />

- Evangelische Pfarre<br />

- Katholische Pfarre<br />

Zudem findet man im Stadtteil folgende Schulen und Kindertagesstätten:<br />

- 2 städtische Kindertagesheime<br />

- 2 Privatkindergärten<br />

- 2 Volksschulen<br />

- 1 kooperative Mittelschule<br />

- 1 Gymnasium (AHS)<br />

Weitere soziale Einrichtungen im Stadtteil sind der Jugendraum J.at, der Frauentreff für<br />

Migrantinnen, der Allgemeine Kultur- und Frauenverein, die Außenstelle des Integrationsfonds<br />

(der jedoch im Juni 2004 aufgelassen wurde) und andere verbandliche Einrichtungen, wie<br />

Sport- und Kulturvereine mit migrantischem Hintergrund oder parteipolitische Einrichtungen<br />

für Kinder, Senioren etc..<br />

Die Wirtschaftsstruktur im Stadtteil:<br />

Im Volkert- und Alliiertenviertel war ein Rückgang der Nahversorgung zu beobachten, was<br />

sich in der Verkleinerung des Volkertmarktes niederschlug 35 .<br />

Im Stadtteil befanden sich laut Grätzelmanagement 2002 etwa 58 Gastronomiebetriebe. Dazu<br />

kommen die 308 Unternehmer, die auf 186 Branchen verteilt sind. Bei diesen Unternehmen<br />

handelt es sich zumeist um Familien- und Kleinstbetriebe. Sie sind in zwei Vereinen, dem<br />

„Zwib2“ und dem „Volkertmarkt“ organisiert 36 .<br />

35 vgl. Grätzelentwicklungskonzept Volkert- und Alliiertenviertel, Stand 1.10.2004: 19;<br />

36 Wiener Einkaufsstraßenmanagement; zit.n.: Grätzelentwicklungskonzept Volkert- und Alliiertenviertel, Stand 1.10.2004:<br />

19;<br />

78


5. Horizontale Vernetzung durch das<br />

Grätzelmanagement<br />

5.1. Horizontale Vernetzung auf Verwaltungsebene<br />

Auf der Verwaltungsebene hatte das Grätzelmanagement kein Gremium oder irgendwelche<br />

formalisierten Zusammentreffen aus unterschiedlichen Ressorts und magistratischen<br />

Dienststellen, die den Informationsaustausch, die Koordination oder die gezielte Bündelung<br />

von Mitteln vorsah. Die Institutionalisierung einer Gruppe bestehend aus Vertretern<br />

unterschiedlicher Verwaltungseinheiten blieb im Rahmen des Grätzelmanagement aus. Ein<br />

Austausch innerhalb der Verwaltung fand vielmehr informell oder entweder nicht<br />

stadtteilbezogen oder zwischen wenigen einzelnen magistratischen Dienststellen statt.<br />

5.1.1. Orte des Austausches und der Vernetzung – neue Kontakte<br />

Auf die Frage nach den wichtigsten Partnern und neuen Kontakten im Rahmen des<br />

Grätzelmanagements wurden immer wieder die selben Institutionen, nämlich die<br />

Projektpartner und die Mitglieder des Grätzelbeirates genannt. Die dauerhafte und beständige<br />

Integration eines breiten Spektrums an Institutionen fand hier nicht statt oder blieb auf einen<br />

Verwaltungsbereich, wie den baulichen beschränkt. Besonders die Vernetzung der<br />

verschiedenen Geschäftsgruppen aus der Verwaltung kam zu kurz.<br />

Das offizielle Gremium, bei dem sich Akteure aus der Verwaltung zur Agenda<br />

Grätzelmanagement austauschen konnten war der Grätzelbeirat, welcher für ein<br />

vierteljährliches Zusammentreffen sorgte. Die Mitglieder dieses Beirates waren unter anderen<br />

Akteuren die MA 25, die MA 27 und die MD BD (I1_w30-39: 64-67).<br />

Im Zuge der Umgestaltung des Volkertplatzes kam es zu Treffen und zum Austausch zwischen<br />

den unmittelbar zuständigen Magistratsabteilungen 19 (Architektur und Stadtgestaltung), 28<br />

(Straßenverwaltung und Straßenbau), und 42 (Stadtgartenamt).<br />

Anstelle eines Gebietsteams oder einer Task Force, in welcher die relevanten Ressorts<br />

vertreten sind, wurde das Grätzelmanagement innerhalb der Verwaltung von einem Mitarbeiter<br />

der MD BD repräsentiert, der die einzelnen Dienststellen für Projekte untereinander<br />

koordinierte. Er verfügte über ein Netzwerk in der Verwaltung und hatte keine fixen<br />

Ansprechpartner in den einzelnen Magistratsabteilungen, sondern wählte diese nach Bedarf für<br />

die jeweiligen Agenden (I7_m40-49: 377-380). Diese Tätigkeit zählt auch abseits des<br />

Grätzelmanagements zu seinen Aufgaben.<br />

79


Aus Sicht des Mitarbeiters der MA 27 haben sich durch das Grätzelmanagement für die MA 27<br />

geringfügig neue Kontakte mit anderen Magistratsabteilungen ergeben. So hatte die MA 27<br />

durch das Grätzelmanagement zum Beispiel Kontakt mit der MA 25 (I5_m40-49: 313-318).<br />

Dazu kam der Austausch mit dem WWFF als Projektbetreuer. Abseits des Grätzelbeirates und<br />

des Stadtteils waren aber keine formalen oder regelmäßigen Treffen vorgesehen, sondern man<br />

kontaktierte sich nach Bedarf informell (I5_m40-49: 449-454). Ähnlich verhielt es sich bei den<br />

anderen Vertretern, die im Grätzelbeirat teilgenommen haben. Über diesen Kreis der<br />

Grätzelbeiratsmitglieder hinaus konnte, was die Vertreter der Verwaltung, Politik bzw.<br />

Stadtebene betraf nur die MD BD Kontakte innerhalb der Verwaltung intensivieren. Diese<br />

waren jedoch wie gesagt bereits vor dem Grätzelmanagement und abseits des<br />

Grätzelmanagements für die MD BD vorhanden.<br />

Informell und formell ergaben sich laut Mitarbeiter der MD BD (I7_m40-49: 305-315)<br />

allerdings besonders mit dem entwicklungsdynamischen 2. Bezirk viele Diskussions-, Kontaktund<br />

Austauschmöglichkeiten, die auch genutzt wurden. Diese bezogen sich jedoch weder<br />

ausschließlich auf das Grätzel noch auf das Grätzelmanagement.<br />

Die anderen institutionellen Teilnehmer des Grätzelbeirates waren unterschiedlich in neue<br />

Netzwerke eingetreten. Für das WZW ergab sich der wichtige Kontakt zur Bezirksvorstehung<br />

nur über die Grätzelbeiratssitzungen (I6_m30-39: 66-67). Abseits dieses formalisierten<br />

Zusammentreffens fehlte dem WZW der Austausch mit der verantwortlichen Bezirkspolitik.<br />

Aus Sicht des WWFF haben sich die Kontakte zur Gebietsbetreuung vertieft und das Wissen,<br />

welche Kompetenzen diese Einrichtung hat, verbessert (I10_w30-40m40: 626-627). Dazu<br />

kamen neue Kontakte zum Einkaufsstraßenmanagement (I10_w30-40m40: 388-390) und die<br />

Verstärkung der Kontakte und Kooperationen mit der Wirtschaftskammer Wien (I10_w30-<br />

40m40: 622-624).<br />

5.1.2. Weitere Institutionen<br />

Weiter bekannt innerhalb der Verwaltung war das Grätzelmanagement in der MA<br />

18(Stadtentwicklung und Stadtplanung), 21(Stadtteilplanung und Flächennutzung), sowie der<br />

MA 50 (Wohnbauförderung, Wohnhaussanierung, Wohnungsverbesserung und Aufsicht über<br />

gemeinnützige Bauvereinigungen) (I6_m30-39: 478-479). Diese waren jedoch im<br />

Grätzelmanagement nicht operativ eingebunden.<br />

Als eine auf der Stadtebene neben der Verwaltung aktive öffentliche Institution hatte der<br />

WWFF mit anderen Magistratsabteilungen kaum zu tun, außer bei Maßnahmen für<br />

80


den öffentlichen Raum, welche die Gewerbetreibenden im Grätzel betrafen (I10_w30-40m40:<br />

323-325). Eine tiefer gehende Vernetzung oder Kooperation fand hier nicht statt.<br />

Der WWFF hatte mit dem Marktamtsleiter 2. Bezirk von der MA 59 (Marktamt) temporär<br />

Kontakt, wenn es darum ging Einschätzungen und Informationen über den Markt einzuholen<br />

(I10_w30-40m40: 364-366). Der Kontakt beschränkte sich hier also auf<br />

Informationsweitergabe.<br />

5.1.3. Institutionalisierung von Stadtteilen in der Verwaltung<br />

Die Verwaltung in Wien ist dezentralisiert, d.h. dass jeder Bezirk über fixierte Budgetmittel<br />

verfügt. Der Einsatz dieser Mittel liegt in der Kompetenz und Verantwortung der<br />

Bezirksvertretung. Dazu hat jede magistratische Dienststelle eigene jeweils für bestimmte<br />

Bezirke zuständige Mitarbeiter, die dann auch in der Umsetzung mitverantwortlich und tätig<br />

sind (I7_m40-49: 239-250). Es gibt demnach eine gute vertikale Anbindung der Verwaltung an<br />

den Bezirk, welche aufgrund der eindeutigen Zuständigkeit der Mitarbeiter eine Vertrautheit<br />

und ein einschlägiges Wissen über ein Gebiet ermöglichen sollte. Im weitesten Sinn kann von<br />

einem Gebietsbeauftragten gesprochen werden, der zumindest mit dem Bezirk, nicht aber mit<br />

einem Stadtteil betraut ist – es gibt also keine Entsprechung auf der Stadtteilebene. Diese<br />

Funktion des Gebietsbeauftragten ist außerdem auf ein Fachressort, d.h. eine magistratische<br />

Dienststelle beschränkt und kann daher nicht mit einem Gebietsbeauftragten eines<br />

Grätzelmanagements verglichen werden. Der Mitarbeiter der MD BD ist Gebietsbeauftragter<br />

der beiden von den Grätzelmanagements betreuten Stadtteilen. Seine Aufgaben und<br />

Funktionen gehen jedoch weit über die zwei Stadtteile hinaus. Er ist u.a. für die Koordination<br />

aller Wiener Gebietsbetreuungen zuständig und zudem mit der Koordination von<br />

Stadterneuerungsprogrammen in ganz Wien betraut. Die ressortübergreifende Koordination im<br />

Sinne eines Stadtteilmanagements, d.h. für einzelne Stadtteile verlangt jedoch ausgedehnte<br />

Personalressourcen.<br />

5.1.4. Ressortübergreifende Zusammenarbeit<br />

Koordination<br />

Die Aufgabe ressortübergreifender Koordination obliegt der MD BD. Sie war allerdings nicht<br />

auf das Grätzelmanagement allein beschränkt sondern wird von der MD BD generell innerhalb<br />

der Verwaltung wahrgenommen. Darüber hinaus ist der Mitarbeiter der MD BD für die<br />

Wissensweitergabe und für die Ausschreibung der Gebietsbetreuungen verantwortlich<br />

(I4_m50-59: 451-456).<br />

81


Wie bereits erwähnt, hat der MD BD Mitarbeiter die Koordination der Magistratsabteilungen<br />

beim Projekt Umgestaltung des Volkertplatzes übernommen, d.h. er hat die Wünsche und<br />

Ideen des AK öffentlicher Raum an die Verwaltung MA 19 weiter vermittelt. Diese Liste an<br />

Wünschen ist anschließend in die Rahmenbedingungen der Wettbewerbsausschreibung<br />

eingeflossen (I7_m40-49: 135-141). Außerdem hat er den Einsatz der MA 28 koordiniert,<br />

welche die Fläche verwaltet und als Auftraggeber die Detailplanung und Umsetzungsplanung<br />

beauftragte bzw. den Umbau begleitete sowie die Bauleitung an eine Hauptbaufirma<br />

ausgelagert hat. Die Baumpflanzung und Pflege für den neuen Volkertplatz verantwortete der<br />

Gartenbezirk der MA 42 (I13_w30-39: 383-388). Deren Abstimmung mit der MA 28 wurde<br />

ebenfalls vom Mitarbeiter der MD BD koordiniert.<br />

Diese Koordination war nur von einer Hierarchieebene über den zu koordinierenden Stellen zu<br />

gewährleisten, wie man in der MD BD feststellte:<br />

„Jedes Ressort hat seinen Haushalt und die Erfahrung zeigt einfach, dass diese<br />

ressortübergreifende Koordination von Programmen nur von einer Hierarchieebene<br />

darüber ausgehen kann“ (I7_m40-49: 365-367).<br />

Ressourcenbündelung<br />

In Wien, einer Stadt mit langer und gefestigter Verwaltungstradition, haben sich im Zuge von<br />

Verwaltungsreformen Prinzipien des New Public Managements durchgesetzt. Das bezieht sich<br />

vor allem auf die finanziellen Verantwortlichkeiten. Unter anderem bilden nun die<br />

Haushaltsgrenzen die Ressortgrenzen, d.h. jedes Ressort hat einen eigenen Haushalt (I7_m40-<br />

49: 363-365) und bilanziert getrennt von anderen Ressorts.<br />

Trotzdem hat man in Wien laut Mitarbeiter der MD BD angefangen sich zu bemühen,<br />

Ressourcen unterschiedlicher Ressorts zu bündeln. Es hat zum Beispiel bereits vor dem<br />

Grätzelmanagement die Gebietsbetreuung Brunnenviertel dazu geführt, Mittel auf ein Gebiet<br />

zu konzentrieren und die Dienststellen der Verwaltung haben dabei intensiv<br />

zusammengearbeitet wodurch es zur Bündelung von Ressourcen und Budgets in einem Gebiet<br />

gekommen ist (I7_m40-49: 386-395).<br />

Beim Grätzelmanagement selbst gab es vom Konzept her die Ambition ressortübergreifender<br />

Projektfinanzierung. Diese hat aber nicht im gewünschten Ausmaß stattgefunden. Das WZW<br />

konnte keine tiefere Kooperation auf institutioneller Ebene feststellen.<br />

„Ein Elend war, dass es nicht gelungen ist, tiefere Kooperation herzustellen zwischen<br />

einer breiteren institutionellen Ebene, was sozusagen die Ebene anbelangt die Ebene der<br />

Magistratsabteilungen oder der vorgelagerten Fonds der Stadt Wien“ (I6_m50-59: 370-<br />

372).<br />

82


Das Projekt Volkertplatz war das einzige Projekt im Umfeld des Grätzelmanagement Volkertund<br />

Alliiertenviertel, bei dem es zu einer Koordination und Zusammenarbeit verschiedener<br />

Magistratsabteilungen gekommen ist. Diese Koordination wurde vom Mitarbeiter der MD BD<br />

übernommen.<br />

Neben der Beteiligung konventioneller Verwaltungseinheiten, wie der Magistratsabteilungen,<br />

war es auch ein Ziel andere öffentliche Institutionen operativ in das Grätzelmanagement<br />

einzubinden.<br />

Das Projekt Grätzelmanagement hätte ursprünglich mehr Projektpartner vorgesehen, wie zum<br />

Beispiel den Wohnfonds Wien (ehem. Stadterneuerungsfonds) und den Wiener<br />

ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds (waff). Diese aus der Wiener Stadtverwaltung<br />

ausgegliederten Fonds haben sich jedoch nicht an den Grätzelmanagement Aktivitäten beteiligt<br />

(I7_m40-49: 43-48). Daher ist eine Arbeitsgemeinschaft als Projektträgergemeinschaft in<br />

diesem Sinn nicht gelungen, so der Mitarbeiter der MD BD (I7_m40-49: 49-54).<br />

Über die Gründe für das Ausbleiben ressortübergreifender Projektfinanzierung kann auch nach<br />

den empirischen Untersuchungen leider nur spekuliert werden. Ob die Haushaltsgrenzen<br />

ausschlaggebend waren, eine allgemeine Rivalität zwischen Stadtratbüros, wie im WZW<br />

vermutet wurde (I6_m30-39: 471-473), die Routine sektoralen Verwaltungshandelns, die<br />

Barrieren kultureller Grenzen im Sinne unterschiedlicher Arbeitsweisen und<br />

Wirklichkeitskonstruktionen oder fehlende Anreize, die ein integriertes Handeln verhindert<br />

haben, kann in dieser Arbeit nicht eindeutig beantwortet werden.<br />

5.1.5. Vorteile der horizontalen Vernetzung auf Stadt- und<br />

Verwaltungsebene<br />

Im Grätzelbeirat gab es die Möglichkeit regelmäßig Informationen über das Grätzel und seine<br />

Entwicklung zwischen den verschiedenen Akteuren auszutauschen (I6_m30-39: 117-122).<br />

Dabei flossen Informationen vertikal zwischen lokalen Akteuren und der Verwaltung genauso<br />

wie horizontal unter den Vertretern der Institutionen. Informationen konnten dort auf kurzem<br />

Weg ausgetauscht und aus erster Hand gewonnen werden. Aufgrund der relativen Aktualität<br />

der verbreiteten Informationen konnte es verhindert werden, im Stadtteil dieselben Themen an<br />

verschiedenen Orten zu bearbeiten, ohne diese miteinander kurzzuschließen. Die Diskussion<br />

und Informationsweitergabe konnte so im Grätzelbeirat gebündelt und konzentriert werden.<br />

Abseits der unmittelbaren zum Grätzelmanagement gehörenden Gremien oder Treffen konnten<br />

neue Kontakte zur Verhinderung thematischer Überlagerung führen, indem man sich über<br />

Aktivitäten abstimmte. So konnte der WWFF im Rahmen des Grätzelmanagement einen neuen<br />

83


Kontakt zum Einkaufsstraßenmanagement herstellen, was zu einer besseren Abstimmung und<br />

Koordination von Aktivitäten und damit zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten führte<br />

(I10_w30-40m40: 388-390).<br />

5.1.6. Selbstbestimmtes Regelwerk<br />

Im Grätzelmanagement haben sich typische Governancestrukturen ausgebildet, indem die<br />

Akteure neue, den Bedürfnissen angepasste Regelwerke entwickelt und selbst bestimmt haben.<br />

Um die Möglichkeit zu haben, die Projektideen der Bewohner rechtzeitig vor Einreichung und<br />

Abstimmung im Grätzelbeirat kennen zu lernen und zu prüfen, haben die Vertreter der<br />

Verwaltung und Politik aus dem Grätzelbeirat ein institutionalisiertes Zusammentreffen zur<br />

vorzeitigen Besprechung einzureichender Projekte eingefordert. Dieses Zusammentreffen<br />

wurde in der Einrichtung der Projektkoordinationsgruppe realisiert, welche jeweils etwa 2-3<br />

Wochen vor dem Grätzelbeirat zusammentraf. Sie bestand also nicht von Beginn des<br />

Grätzelmanagement an, sondern wurde aus dem Bedarf heraus später ins Leben gerufen. Dort<br />

kamen die Vertreter der Bezirksvorstehung, des WWFF sowie des Grätzelmanagement für<br />

Bewohner zur Prüfung der Anträge auf Refundierbarkeit durch die EU zusammen. Die<br />

Projektkoordinationsgruppe fand ohne Bewohner statt. Projektanträge wurden dabei zum<br />

Beispiel umformuliert, um sie an die Kriterien der EU-Förderung anzupassen. Die<br />

Projektkoordinationsgruppe erleichterte also insofern die Arbeit der Letztverantwortlichen und<br />

verbesserte die Chancen auf erfolgreiche Projektanträge bzw. die Refundierung von EU-<br />

Mitteln. Auf diese Weise wurde auch für die Einrichtung der Projektkoordinationsgruppe<br />

argumentiert (I1_w30-39: 101-107). Auf der anderen Seite muss die Einrichtung dieser<br />

Projektkoordinationsgruppe auch kritisch beleuchtet werden.<br />

Der Grätzelbeirat konnte sich jedoch durchaus auch von den engen Richtlinien der EU-<br />

Förderkriterien lösen. Es wurden nämlich auch nichtförderfähige Projekte umgesetzt, die<br />

wegen ihrer guten Idee überzeugen konnten (I6_m30-39: 133-136). So konnten, wenn auch für<br />

eine Minderzahl an Projekten finanzielle Mittel ausschließlich aus der „eigenen Tasche“<br />

zugeschossen werden, was in Ausnahmefällen eine Flexibilisierung der Förderung bedeutete.<br />

Eine weitere im Grätzelmanagement Projekt selbstbestimmte Organisation der<br />

Zusammenarbeit war die Partnerschaftsvereinbarung, die zwischen den Projektpartnern<br />

WWFF, MA 25 und WZW getroffen wurde, in der die gegenseitigen Rechte und Pflichten<br />

zwischen den Partnern, die Verantwortlichkeiten und Formalitäten geregelt waren (I6_m30-39:<br />

513-517). Außerdem wurden für den Grätzelbeirat Statuten erstellt, indem die<br />

84


Geschäftsordnung wie zum Beispiel die Stimmverteilung und die Abstimmungsregeln im<br />

Beirat festgelegt wurde (I6_m30-39: 91-93).<br />

5.1.7. Ungleichgewicht in der Machtverteilung im Grätzelbeirat<br />

Der WWFF als Endbegünstigter der EU-Fördermittel übernahm im Grätzelbeirat die Rolle, in<br />

der seine Mitarbeiter die Förderbarkeit von Projekten beurteilten (I6_m30-39: 97-102). Ihnen<br />

oblag die Interpretation und somit ein entscheidender Teil der Entscheidung über die<br />

Umsetzung von eingebrachten Projekten. Die Mitarbeiter des WWFF waren nach einer Phase<br />

des Einlernens jene Akteure, welche über die Förderkriterien am besten Bescheid wussten und<br />

als Endbegünstigte auch dazu verpflichtet waren, sich die Richtlinien anzueignen. In der<br />

Projektkoordinationsgruppe und im Grätzelbeirat war der WWFF daher der Ansprechpartner,<br />

dem hinsichtlich der Beurteilung der Förderbarkeit das Vertrauen entgegengebracht wurde. Die<br />

MA 27 wäre an und für sich der logische Experte für Fragen der EU-Förderung gewesen. Sie<br />

war allerdings nur sehr selten im Grätzelbeirat vertreten.<br />

„Wir sind an sich Mitglied in diesem Grätzelbeirat, aber wir nehmen die Funktion<br />

zugegebener Weise sehr selten wahr“ (I5_m40-49: 102-103).<br />

Der Wissensvorsprung der WWFF Vertreter brachte den WWFF im Grätzelbeirat somit in die<br />

Situation, die prinzipiell „schwammig“ formulierten Förderkriterien zu interpretieren und so<br />

über „Sein oder Nicht-Sein“ von Projekten zu befinden.<br />

5.1.8. Begriff vom integrierten Handlungsansatz<br />

Definition und Wissen der Akteure<br />

Der vermeintlichen Umsetzung des Grätzelmanagement als integrierten Handlungsansatz mit<br />

ressortübergreifender Ressourcenbündelung und tiefgreifender Vernetzung gingen<br />

unterschiedlich anspruchsvolle Sichtweisen der institutionellen Akteure voraus. Von einem<br />

einheitlichen Begriff integrierter ressortübergreifender Handlung bzw. Zusammenarbeit konnte<br />

auch am Ende des Projektes nicht gesprochen werden.<br />

Dieser unterschiedliche Begriff ressortübergreifender Zusammenarbeit manifestierte sich in<br />

den Aussagen der institutionellen Akteure. So sah die MD BD Stadterneuerungsprogramme<br />

bereits vor dem Grätzelmanagement aufgrund der Themenstellung als eine ressortübergreifend<br />

zu organisierende Agenda bzw. die strategische Koordination von<br />

Stadterneuerungsprogrammen als ressortübergreifende Aufgabe (I7_m40-49: 10-15).<br />

Dort ging man außerdem davon aus, dass die Ressourcenkonzentration und<br />

-bündelung in der Verwaltungsstruktur bereits vorbereitet war(I7_m40-49: 252-253). Dabei<br />

stellt sich jedoch die Frage, warum kein einziges Projekt des Grätzelmanagements<br />

85


essortübergreifend finanziert wurde, obwohl die Bündelung von Ressourcen und die<br />

horizontale Vernetzung in der Verwaltung für das Grätzelmanagement vorgesehen war 37 . Die<br />

Zusammenziehung der EU-Fördermittel mit Mitteln der Stadt Wien bzw. der Bezirke<br />

(Kofinanzierung) war insofern die einzige Verknüpfung von finanziellen Ressourcen auf<br />

institutioneller Ebene und diese war Bedingung von Seiten der EU. In der MD BD ist man<br />

allerdings auch zur Einsicht gekommen, dass eine breite Vernetzung auch mit weiteren Fonds<br />

der Stadt Wien zwar das Ziel war, dieses Ziel aber nicht erreicht worden ist:<br />

„Wir wollten auch den, damals hat er noch Stadterneuerungsfonds, heute Wohnfonds mit<br />

ins Boot holen und den waff mit ins Boot holen, weil die alle in diesem Gebiet tätig<br />

waren in ihren Bereichen. Wir wollten uns einfach vernetzen und als Projektträger, als<br />

ARGE zusammen fassen. Es ist uns nicht gelungen, das gebe ich ganz offen zu“ (I7_m40-<br />

49: 46-50).<br />

Diese Vernetzung wäre die Voraussetzung für eine Ressourcenbündelung gewesen.<br />

Wie bereits weiter oben erwähnt hat sich eine ressortübergreifende Projektfinanzierung laut<br />

dem Leiter des Grätzelmanagements nicht in diesem Ausmaß (I4_m50-59: 522-525). Eine<br />

tiefere Kooperation auf institutioneller Ebene konnte auch vom WZW weder zwischen den<br />

Magistratsabteilungen noch der Fonds der Stadt Wien festgestellt werden(I6_m50-59: 370-<br />

372). So wird eine erhebliche Divergenz und Diffusion in der Verwendung des Begriffes<br />

ressortübergreifender Ressourcenbündelung deutlich. Einerseits tritt in der Diskussion der<br />

Widerspruch zwischen vorbereiteten Verwaltungsstrukturen bzw. theoretischem Anspruch und<br />

mangelnder praktischer Umsetzung zu Tage. Andererseits bedeutet eine gute Koordination von<br />

seriell hintereinander agierenden magistratischen Dienststellen noch keine Bündelung von<br />

Ressourcen. Genauso wenig wie sie von bloßer Vernetzung oder Informationsaustausch<br />

einfach erzeugt werden kann. Das alles sind nur die notwendigen Vorraussetzungen für einen<br />

effizienteren Einsatz immer knapper werdender kommunaler Mittel. Eine ressortübergreifende<br />

Zusammenarbeit kann also ganz unterschiedliche Qualitäten erreichen – im Spannungsfeld von<br />

informellem Informationsaustausch bis hin zur effizienten Ressourcenbündelung über die<br />

Haushaltsgrenzen hinaus. Der Begriff ressortübergreifender Zusammenarbeit bedarf demnach<br />

weiterer Diskussionen unter den Experten und in Folge einer Präzisierung und<br />

Vereinheitlichung in der Verwendung und Umsetzung.<br />

Weitaus einheitlicher, von einer Ausnahme abgesehen, ist die Problemsicht hinsichtlich der<br />

Bedeutung des Stadtteils als Ausgangspunkt von Stadterneuerungs- und<br />

Stadtplanungsprozessen. So konstatierte man im WZW ein steigendes Bewusstsein unter den<br />

37 vgl. Kapitel 4.1.2. Ziele des Grätzelmanagements.<br />

86


einschlägigen Experten Wiens für die Bedeutung spezifischer Bedingungen und Bedürfnisse<br />

des Stadtteils (I6_m30-39: 493-497). Und in der MD BD stellt man den Anspruch,<br />

Budgetmittel und Ressourcen der Stadt Wien in Zukunft stärker auf die Bedürfnisse der<br />

Stadtteile abzustimmen, die in angestrebten Sozialraumanalysen erhoben werden sollen<br />

(I7_m40-49: 256-261). Im WWFF ist die Konzentration finanzieller Mittel auf benachteiligte<br />

Gebiete gut geheißen worden. Man hat im Zusammenhang mit dem Grätzelmanagement aber<br />

auch darauf hingewiesen, dass es im Eigeninteresse des WWFF auch für die Bekanntmachung<br />

der eigenen Institution von Vorteil war (I10_w30-40m40: 468-474).<br />

5.1.9. Zuweisung finanzieller Mittel für gemeinsame Projekte<br />

Eine fächerübergreifende Projektfinanzierung hat bei den Grätzelmanagementprojekten nicht<br />

stattgefunden, wenn man einmal vom Ziel2 Projekt Volkertplatz absieht. Die fächerübergreifende<br />

Problemlösung fand im Grätzelbeirat bedingt statt soweit dort Vertreter<br />

unterschiedlicher Magistratabteilungen zugegen waren. Informell gab es freilich einen<br />

Austausch zwischen Magistratsabteilungen, hier auch wieder im Besonderen beim Projekt<br />

Volkertplatz.<br />

Die Zusammenarbeit der Magistratsabteilungen, wie sie zum Beispiel beim Umbau des<br />

Volkertplatzes erfolgte, bedeutete einen gewissen Koordinationsaufwand und letztlich ein<br />

Nebeneinanderstellen öffentlicher Leistungen. Eine Ressourcenbündelung im Sinne eines<br />

synergetischen Aufeinanderbeziehens von Mitteln, um einen Output zu schaffen, der weiter<br />

geht als wenn die Mitteln nur nebeneinander gestellt würden, ist durch das Grätzelmanagement<br />

im Verwaltungsbereich nicht explizit erreicht worden.<br />

5.1.10. Zukunft und Nachhaltigkeit im Verwaltungsbereich<br />

Was die Nachhaltigkeit des Projektes bzw. deren Auswirkungen auf zukünftige<br />

Stadterneuerungsprogramme betrifft, sind die Hoffnungen und Ansprüche ambivalent.<br />

So wird der auf die Bedürfnisse der Stadtteile abgestimmte Einsatz von Budgetmitteln und<br />

Ressourcen der Stadt Wien zwar in den Raum gestellt:<br />

„Und was wir noch nicht haben, was wir aber für die Zukunft anstreben werden wollen,<br />

ist, dass wir unsere Stadtteile noch detaillierter analysieren wollen. Jetzt vor allem<br />

sozialräumlich wollen. Ahm Stärken Schwächen, Analysen noch detaillierter machen<br />

wollen und... Da spreche ich aber von den nächsten Jahren und die Budgetmittel und die<br />

Ressourcen, die für die einzelnen Bezirke und Stadtteile notwendig sind, auf diese<br />

Bedürfnisse abstimmen wollen“ (I7_m40-49: 255-260).<br />

Es nehmen außerdem einzelne Personen der Verwaltung und Politik positive Erfahrungen aus<br />

dem Grätzelmanagement mit. Auf breiterer Basis fehlte aber die Resonanz und es hat sich<br />

wenig geändert v.a. was eine breitere Zusammenarbeit betrifft, so eine Feststellung des WZW<br />

87


(I6_m30-39: 455-462). Die Bilanz des Grätzelmanagements als Gesamtprogramm mit seinen<br />

Implikationen in Stadtpolitik und Verwaltung fällt daher vergleichsweise bescheiden aus. Als<br />

Pilotprojekt ergab sich die Frage, wie die Stadt Wien von solch einem Programm profitieren<br />

kann.<br />

„Da geht es darum, was kann man für Strategien entwickeln, die man dann auf ganz<br />

Wien auf die Gebietsbetreuungen umlegen kann“ (I10_w30-40m40: 456-457).<br />

Die Gebietsbetreuungen wurden schließlich mit Erfahrungen aus dem Grätzelmanagement<br />

„gefüttert“, d.h. verschiedene Erkenntnisse wurden in die Ausschreibungen der kommenden<br />

Gebietsbetreuungen eingearbeitet.<br />

„(...) in der Ausschreibung, die im letzten Jahr stattgefunden hat für die Wiener<br />

Gebietsbetreuungen, jetzt abgeschlossen ist und wir ja jetzt neue Aufträge vergeben<br />

haben und noch vergeben werden für die nächsten drei bis fünf Jahre. Da sind ja in die<br />

Ausschreibung viele Dinge und viele Erfahrungen aus den Grätzelmanagement<br />

miteingeflossen. Jetzt in punkto der Erwartungen, wie die Arbeitsprozesse zu laufen<br />

haben. Wir haben methodische Dinge, die gut gelaufen sind im Grätzelmanagement in<br />

die Ausschreibung mit hinein genommen“ (I7_m40-49: 419-425).<br />

Für die Wiener Verwaltung als Gesamtsystem hat sich durch das Grätzelmanagement<br />

jedenfalls nichts verändert. Die sektorale Zuständigkeit und rein vertikale Anbindung an die<br />

Bezirke ist beibehalten und nicht ausgebaut worden.<br />

88


5.2. Horizontale Vernetzung auf Stadtteilebene<br />

Die soziale Vernetzung im Stadtteil sollte wie auf Stadt- und Verwaltungsebene eine bessere<br />

Ausschöpfung von vorhandenen Ressourcen, verstärkte Koordination unter den Akteuren und<br />

eine Intensivierung des Informationsaustausches fördern. Hinzu kommt auf dieser Ebene noch<br />

der Aufbau von Sozialkapital und der selbstständigen Umsetzung von Ideen für den eigenen<br />

Stadtteil.<br />

Vor Beginn des Grätzelmanagement Projekts existierte bereits eine breite soziale Infrastruktur<br />

im Stadtteil Volkert- und Alliiertenviertel. Damals gab es bereits das Jugendzentrum mit<br />

Streetwork, den Frauentreff über den wif (Wiener Integrationsfonds) in der Springergasse mit<br />

Deutschkursen, die evangelische und die katholische Kirche, die islamische Gemeinschaft in<br />

der Springergasse, die verschiedenen Schulen und den Markt (I8_m40-49: 42-52). Diese waren<br />

jedoch untereinander wenig vernetzt.<br />

Das Grätzelmanagement ermöglichte in verschiedenen Zusammentreffen die Vernetzung, das<br />

Kennen lernen und den Austausch zwischen den lokalen Akteuren, insbesondere den<br />

Bewohnern bzw. Bewohnerinnen und den Gewerbetreibenden.<br />

Zunächst wird die erste Kontaktaufnahme im Stadtteil beschrieben. Welche Gruppen oder<br />

Akteure in den diversen Formen der Zusammentreffen vertreten waren, wird danach behandelt.<br />

5.2.1. Kontaktaufnahme durch das Grätzelmanagement<br />

Die Vorgangsweise bei der ersten Kontaktaufnahme mit den Bewohnern und<br />

Gewerbetreibenden aus dem Grätzel verlief unterschiedlich und das Grätzelmanagement<br />

versuchte sich den Menschen im Stadtteil auf mehrere Weisen zu nähern. So begann die<br />

Aktivität des Grätzelmanagements mit der Aufstellung des Containers am Volkertplatz, worauf<br />

hin die Passanten neugierig wurden und die Mitarbeiter des Grätzelmanagements ansprachen.<br />

Dort wurden dann die Passanten gefragt, was ihnen gefällt, was ihnen nicht gefällt und was sie<br />

verändern wollen bzw. was sie bereit sind, dafür zu tun. Dann fand die aktivierende Befragung<br />

von Haus zu Haus statt, bei der über 300 Interviews durchgeführt wurden und die Menschen<br />

gleichzeitig zur Ideenwerkstatt eingeladen wurden (I1_w30-39: 18-24). Per Postwurfsendung<br />

wurden schließlich alle Haushalte im Grätzel mit der Einladung zur Ideenwerkstatt im<br />

Dezember 2002 angeschrieben. Bei diesen Vorgangsweisen wurden jedoch die Zuwanderer nur<br />

mangelhaft erreicht, ebenso wie mit Flugzetteln oder Plakaten. Die für die Zuwanderer<br />

beauftragte Mitarbeiterin des Grätzelmanagement arbeitete daher mit weiteren Methoden zur<br />

besseren Erreichbarkeit. Sie betonte die Bedeutung von Mundpropaganda unter den<br />

Zuwanderern und die Notwendigkeit, mit den Flugzetteln zur Unterstützung die Menschen auf<br />

89


der Straße direkt anzusprechen und wenn möglich in der jeweiligen Sprache die Informationen<br />

zu vermitteln (I2_w30-39: 39-43). Schriftliche Kommunikation und schriftliche Dokumente<br />

stellen für viele Zuwanderer eine Erschwernis und ein Hindernis für den ersten Zugang dar<br />

(I2_w30-39: 52-57). Die mündliche Kontaktaufnahme ist der schriftlichen in diesem Fall<br />

vorzuziehen. Dabei entwickelte die Grätzelmanagerin die Kompetenz, Netzwerke und ihre<br />

Schlüsselpersonen, welche tragende Positionen in den Netzwerken besetzten, aufzuspüren. Das<br />

waren unter den Zuwanderern meist ältere Personen, die eine gewisse Autorität in ihren<br />

Gruppen ausübten und insofern auch meinungsbildend und mächtig in die jeweilige soziale<br />

Gruppe hineinwirkten. Über diese Schlüsselpersonen hatte die Grätzelmanagerin Zugang zu<br />

größeren Netzwerken und Gruppen. Diese Personen wirkten insofern als Multiplikatoren,<br />

wobei es meist ausreichte, diese Einzelpersonen anzusprechen.<br />

Auch der Projektleiter des Grätzelmanagements besuchte die Menschen direkt u.a. in den<br />

Gasthäusern im Grätzel und lernte so die Leute und ihre privaten Geschichten und Bedürfnisse<br />

kennen. Er konzentrierte sich dabei v.a. auf das Zuhören, was von den Leuten kam und auf<br />

diese Art ist dann das Vertrauen der Leute zu ihm und zum Grätzelmanagement gestiegen. Die<br />

Bewohner sind dann immer wieder zum Gespräch auf ihn zu gekommen (I8_m40-49: 171-<br />

176). Darunter waren Menschen aus Österreich ebenso wie aus der Türkei und aus Ex-<br />

Jugoslawien (I8_m40-49: 185-188). Neben den Bewohnern ging man auch auf die<br />

Gewerbetreibenden aus dem Grätzel zu und suchte sie in ihren Geschäftslokalen auf.<br />

5.2.2. Akteure in den <strong>Arbeitskreis</strong>en<br />

Die <strong>Arbeitskreis</strong>e bildeten die offizielle Plattform für die Akteure des Stadtteils Volker- und<br />

Alliiertenviertel. Der Großteil wurde in der Ideenwerkstatt im Dezember 2002 ins Leben<br />

gerufen.<br />

Die <strong>Arbeitskreis</strong>e wurden nach thematischen Schwerpunkten gegründet und sprachen<br />

dementsprechend unterschiedliche Menschen an oder schlossen auf diese Weise gar bestimmte<br />

Gruppen aus. Den <strong>Arbeitskreis</strong>en wurden zur Moderation je eigene Grätzelmanager<br />

zugeordnet. Der Anspruch möglichst alle Akteure in die <strong>Arbeitskreis</strong>e einzubinden erscheint<br />

weder realistisch noch gewollt. Die Förderung der Durchmischung von Akteuren ist jedoch<br />

immer wieder in Betracht gezogen worden. Die Teilnehmer waren jedenfalls durchwegs<br />

Bewohner und Unternehmer aus dem Stadtteil.<br />

90


<strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen<br />

Der <strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen ist der einzige <strong>Arbeitskreis</strong>, der bereits vor der Ideenwerkstatt<br />

gegründet wurde (Interview 1, 28-29). Seine Aktivierung erfolgte durch einen<br />

Grätzelmanagement-Mitarbeiter.<br />

Dabei nahmen 15 verschiedene Institutionen am etwa alle 1 ½ Monate stattfindenden<br />

<strong>Arbeitskreis</strong> teil, um Informationen auszutauschen und Ressourcen miteinander besser zu<br />

nutzen 38 . Man konnte dort die Aktivitäten der anderen kennen lernen und gemeinsame<br />

Aktivitäten betreiben initiieren. Die Teilnehmenden waren Vertreter von Schulen,<br />

Kindertagesheimen, religiösen Institutionen und gemeinnützigen Organisationen aus dem<br />

Grätzel.<br />

Der <strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen hatte aus formalen Gründen kein Stimmrecht im Grätzelbeirat<br />

zur Beschlussfassung von Projekten des Grätzelmanagements (Interview 1, 70-73).<br />

Ziel des <strong>Arbeitskreis</strong>es war vor allem der Informationsaustausch (Interview 10, 408-410).<br />

Tabelle 2: Teilnahme am <strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen 39<br />

Anzahl der<br />

Anzahl der Teilnehmer Durchschnittliche Anzahl der<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>sitzungen<br />

insgesamt<br />

Teilnehmer pro<br />

2002-2005<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>sitzung<br />

16 116 ~ 7<br />

Der „Frauentreff“, der Jugendtreff J.at und das „Frauenwohnzimmer“ aus der Springergasse<br />

waren auch im <strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen (I4_m50-59: 381-382). Die Moschee aus der<br />

Springergasse nahm nicht am <strong>Arbeitskreis</strong> teil (I4_m50-59: 139). Die dortigen<br />

Verantwortlichen waren jedoch immer offen für Besuche der Bewohner und anderer<br />

Institutionen.<br />

Nach dem Ende des Grätzelmanagement gibt es den <strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen nach wie vor,<br />

wenn er auch nur mehr alle zwei Monate zusammentrifft. Wichtiger Antreiber und Organisator<br />

war Herr Neuhauser vom Bürgerdienst, der sich mittlerweile jedoch weitgehend<br />

zurückgezogen hat. Das jährlich stattfindende Grätzelfest wurde von Institutionen dieses<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>es mitorganisiert. Daran beteiligten sich u.a. der Jugendtreff J.at und Schulen aus<br />

dem Stadtteil (I4_m50-59: 369-374).<br />

38 vgl. Grätzelentwicklungskonzept Volkert- und Alliiertenviertel, Stand 1.10.2004: 9f.;<br />

39 Quelle: eigene Darstellung, Angaben aus den zur Verfügung gestellten <strong>Arbeitskreis</strong>sitzungsprotokollen, jedoch Angaben<br />

über Teilnehmerzahlen unvollständig; durchschnittliche Anzahl der Teilnehmer pro <strong>Arbeitskreis</strong>sitzung bei Kommastellen<br />

gerundet;<br />

91


<strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft<br />

Der <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft traf sich einmal monatlich mit dem Ziel die Kultur im<br />

Stadtteil zu beleben, Begegnungen zwischen allen Menschen zu schaffen oder Räume für<br />

Zusammentreffen zu finden oder zu schaffen. Die Organisation von Kulturveranstaltungen und<br />

die unterstützende Beteiligung an Festen war die Hauptaufgabe der Teilnehmer im<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>. Die gewünschten Projekte waren nach den EU-Förderrichtlinien nicht<br />

förderfähig, weshalb der <strong>Arbeitskreis</strong> weitgehend alternative Möglichkeiten der Finanzierung<br />

auszuschöpfen versuchte.<br />

Tabelle 3: Teilnahme am <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft 40<br />

Anzahl der<br />

Anzahl der Teilnehmer Durchschnittliche Anzahl der<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>sitzungen<br />

insgesamt<br />

Teilnehmer pro<br />

2002-2006<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>sitzung<br />

39 209 ~ 5<br />

Durch den weitläufigen Begriff Kultur war die Thematik in diesem <strong>Arbeitskreis</strong> noch nicht<br />

sehr eng vordefiniert. Der <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft war zu Beginn ein<br />

Sammelbecken für Künstler, Kulturinteressierte und alle, die Aktivitäten und Feste machen<br />

wollten (I4_m50-59: 219-223). Kennen gelernt haben sich die Leute vom <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur<br />

und Gesellschaft u.a. beim Grätzelforum, wo sie sich zum Mitmachen gemeldet haben<br />

(I9_m50-59: 166-167). Es hat sich ein Kern an Teilnehmern heraus gebildet, der immer wieder<br />

an der Organisation von Veranstaltungen mitgewirkt hat oder eigene Feste (z.B. Grätzelball)<br />

veranstaltet hat. Diese Gruppe von mehreren Personen hat sich über die Jahre gefestigt und ist<br />

immer wieder zusammen aktiv gewesen (I4_m50-59: 305-306). Die Aktivitäten dieses<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>es waren nach den EU-Richtlinien zumeist nicht förderfähig. Das<br />

Grätzelmanagement konnte aber durch den Einsatz von Personalressourcen(Moderation etc.)<br />

und das zur Verfügung stellen von Räumlichkeiten wesentlich zur Formierung und<br />

Entwicklung dieses <strong>Arbeitskreis</strong>es beitragen. Gewinne aus Veranstaltungen wurden nicht unter<br />

den Personen aufgeteilt, sondern in zukünftige gemeinsame Aktivitäten investiert (I9_m50-59:<br />

100-103). Die Vernetzung mit oder Integration von „arbeitskreisfremden“ Akteuren war ein<br />

Anliegen des <strong>Arbeitskreis</strong>es Kultur und Gesellschaft. So wurden Personen von Randgruppen<br />

einbezogen (I4_m50-59: 435-436). Außerdem gab es Verbindungen bzw. netzwerkartige<br />

Überschneidungen mit dem <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen (I4_m50-59: 232-233).<br />

40 ebd;<br />

92


Eine starke Solidarität mit den Mitarbeitern des Grätzelmanagement zeigte der <strong>Arbeitskreis</strong><br />

Kultur und Gesellschaft bei der Kündigung eines Grätzelmanagement-Mitarbeiters, als sich der<br />

<strong>Arbeitskreis</strong> aus diesem Anlass demonstrativ auflöste. Gleichzeitig war der <strong>Arbeitskreis</strong> nach<br />

innen so gefestigt, dass sich die Teilnehmer trotzdem das letzte halbe Jahr bis zum Ende des<br />

Grätzelmanagement weiter privat trafen und im Jänner 2007 nach Ende des<br />

Grätzelmanagement wieder offiziell ihre Aktivitäten fortsetzten.<br />

Was die prinzipielle Zugänglichkeit betraf, war der <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft der<br />

offenste <strong>Arbeitskreis</strong> mit den wenigsten Konventionen und Vorschreibungen hinsichtlich der<br />

Zugehörigkeiten seiner Teilnehmer.<br />

<strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen<br />

Aus dem <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft hat sich im Frühjahr 2004 der <strong>Arbeitskreis</strong><br />

Aktive Frauen gebildet. Daher gab es auch Verbindungen und Austausch zwischen den beiden<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>en. Dort sollten die Anliegen der Frauen aus dem Grätzel und deren Austausch<br />

untereinander stärker gefördert werden (I9_m50-59: 169-173). Gründungsmitglieder waren<br />

Frauen aus Österreich und Frauen mit migrantischem Hintergrund. Das Erlernen der deutschen<br />

Sprache war eines der ersten Kernthemen dieses <strong>Arbeitskreis</strong>es. Zusätzlich findet auch der<br />

Frauenkulturtreff unverbindlich aber regelmäßig statt.<br />

Tabelle 4: Teilnahme am <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen 41<br />

Anzahl der Anzahl der Teilnehmerinnen Durchschnittliche Anzahl der<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>sitzungen<br />

insgesamt<br />

Teilnehmerinnen pro<br />

2004-2006<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>sitzung<br />

31 154 ~ 5<br />

Ein Teil der Aktiven Frauen waren Pensionistinnen, die Zeit und Motivation hatten und einen<br />

Sinn in ihrer Tätigkeit im <strong>Arbeitskreis</strong> sahen (I4_m50-59: 317-321). Der <strong>Arbeitskreis</strong> bestand<br />

von Beginn an aus österreichischer und nicht-österreichischer Beteiligung, wenngleich die<br />

Mehrheit zu Beginn österreichische Pensionistinnen waren. Bis zur Kündigung des<br />

Grätzelmanagement Mitarbeiters waren viele Österreicherinnen im <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen<br />

tätig (I11_w60-69 199-200). Das Interesse der österreichischen Frauen an den Zuwanderinnen<br />

führte zu einer Annäherung zwischen den Kulturen. Frauen aus vielen verschiedenen Kulturen<br />

und Ländern wie der Türkei, Ex-Jugoslawien, Pakistan und Österreich trafen im <strong>Arbeitskreis</strong><br />

41 Quelle: eigene Darstellung, Angaben aus den zur Verfügung gestellten <strong>Arbeitskreis</strong>sitzungsprotokollen; durchschnittliche<br />

Anzahl der TeilnehmerInnen pro <strong>Arbeitskreis</strong>sitzung bei Kommastellen gerundet;<br />

93


zusammen (I2_w30-39: 328-329). In Ergänzung zum <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen war der<br />

Frauenkulturtreff entstanden, bei dem immer wieder neue Frauen hinzu kamen und alte weg<br />

blieben, die Fluktuation also sehr stark war (I11_m65: 172). Viele kamen durch<br />

Mundpropaganda zu den Treffen (I11_m65: 176). Die Frauen kamen jedoch sehr unregelmäßig<br />

und schwer voraussagbar zum Frauenkulturtreff (I11_w60-69: 251-252). Außerdem kamen<br />

auch Frauen aus anderen Stadtteilen zum Frauenkulturtreff (I11_w60-69: 255), er war also<br />

über den lokalen Stadtteil hinaus ein Treffpunkt und eine Möglichkeit neue Kontakte zu<br />

knüpfen. Doch nicht nur hier lag ein Grund für die unbeständige Zusammensetzung der<br />

Treffen. Diese lagen auch in den kulturell bedingten familiären Verhältnissen der Frauen mit<br />

migrantischem Hintergrund. Ihre Ehemänner verlangten von ihnen, dass sie früher nach Hause<br />

kommen zum Kochen (I11_w60-69: 66-67) oder überhaupt nicht mehr zu den Treffen gehen,<br />

da sie dort mit anderen Männern Kontakt haben könnten.<br />

Die Zwanglosigkeit und Unverbindlichkeit des Frauenkulturtreffs machte letztlich aber auch<br />

seinen Erfolg aus, da dort ein gemütliches Beisammensein ohne Druck gut deutsch sprechen zu<br />

müssen und ohne Anwesenheitspflicht möglich war (I1_w30-39: 397-399). Außerdem entfiel<br />

dort der Anspruch auf die Umsetzung von Projekten und die Treffen waren wesentlich lockerer<br />

strukturiert als in anderen <strong>Arbeitskreis</strong>en:<br />

„Das ist eher so, dass die im Frauenkulturtreff zusammensitzen und Kaffee trinken oder<br />

so, miteinander reden, einen Ausflug einmal machen, Picknick oder was auch immer, da<br />

vernetzen sie sich, da sind sie dann da die Frauen“ (I1_w30-39: 389-392).<br />

<strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft<br />

Im <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft wurden alle Gewerbetreibende und Unternehmen des Grätzels<br />

eingeladen mit gemeinsamen Aktionen und Projekten die Wirtschaftssituation im Volkert- und<br />

Alliiertenviertel zu verbessern. Es sollten gemeinsame Marketingaktionen umgesetzt werden,<br />

um den Konsum im Grätzel zu verstärken. Dazu war es ein Ziel, das Angebot der Unternehmen<br />

im Grätzel sichtbarer und attraktiver zu machen. Unter anderem wurde ein Logowettbewerb<br />

durchgeführt, um ein Logo für das Grätzel zu schaffen. Der <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft wurde vom<br />

Grätzelmanagement für Wirtschaft, vertreten durch Mitarbeiter des WWFF, unterstützt und<br />

moderiert.<br />

94


Tabelle 5: Teilnahme am <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft 42<br />

Anzahl der<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>sitzungen<br />

2002-2004<br />

Anzahl der Teilnehmer<br />

insgesamt<br />

Durchschnittliche Anzahl der<br />

Teilnehmer pro<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>sitzung<br />

10 83 ~ 8<br />

Der <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft war nur für Gewerbetreibende offen, nicht aber für Bewohner<br />

(I13_w30-39: 556-557) des Stadtteils. Zu Beginn nahmen Unternehmer vom Markt aber auch<br />

von den Anrainergeschäften am Volkertplatz am <strong>Arbeitskreis</strong> teil (I14_m30-39: 38-39). Dabei<br />

erwies sich die Vernetzung der Marktleute als schwierig bzw. war diese auf Dauer nicht<br />

möglich, und das wie ein Grätzelmanager meinte, aufgrund der unterschiedlichen Ansichten<br />

und Arbeitskulturen der Gewerbetreibenden (I8_m40-49: 93-96). Doch fehlten zu Beginn auch<br />

die raschen Erfolgserlebnisse wie zum Beispiel der erfolglose Einsatz für die Einrichtung eines<br />

Bargeldautomaten, welche an der Ablehnung der örtlichen Bank scheiterte (I1_w30-39: 570-<br />

571). Hinzu kam, dass den Marktstandbetreibern am Volkertplatz ein gemeinsames<br />

Strategiebewusstsein fehlte und viel mehr auf die eigenen Vorteile geachtet wurde (I1_w30-39:<br />

597-599), ohne die Chancen einer Mehrwerterzielung durch gemeinsame Aktionen in Betracht<br />

zu ziehen.<br />

Dadurch beteiligten sich nur zwei Marktstände über längere Zeit an Veranstaltungen des<br />

Grätzelmanagements (I9_m50-59: 481-482), während der Rest der Marktstandbetreiber von<br />

den Veranstaltungen mit Fortdauer des Grätzelmanagement immer öfter fern blieb.<br />

Der <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft hat seine Aktivitäten mit Fortdauer des Grätzelmanagement immer<br />

mehr eingeschränkt (I9_m50-59: 499-501). Trotzdem bemühte sich das Grätzelmanagement<br />

weiter um den Kontakt und den Austausch mit den Gewerbetreibenden, indem es zum Beispiel<br />

die Protokolle der <strong>Arbeitskreis</strong>sitzungen vom <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft den Gewerbetreibenden<br />

weiter zuschickte (I14_m30-39: 17-19), auch wenn die letzte Teilnahme schon lange zurück<br />

lag.<br />

<strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum<br />

Dieser <strong>Arbeitskreis</strong> trifft sich nach wie vor, und das seit Jänner 2003, einmal monatlich, um<br />

Ideen zur Attraktivierung des öffentlichen Raumes zu sammeln und entwickeln. Außerdem<br />

wird dort über aktuelle Probleme und Konflikte diskutiert und mögliche Umgestaltungen im<br />

42 eigene Darstellung, Angaben aus den zur Verfügung gestellten <strong>Arbeitskreis</strong>sitzungsprotokollen, jedoch unvollständig;<br />

durchschnittliche Anzahl der Teilnehmer pro <strong>Arbeitskreis</strong>sitzung bei Kommastellen gerundet;<br />

95


öffentlichen Raum werden besprochen. Interessierte Bürger sollen in Planungsprozesse im<br />

öffentlichen Raum eingebunden werden. Die Umgestaltung des Volkertplatzes wurde hier<br />

moderierend begleitet.<br />

Tabelle 6: Teilnahme am <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum 43<br />

Anzahl der<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>sitzungen<br />

2002-2006<br />

Anzahl der Teilnehmer<br />

insgesamt<br />

Durchschnittliche Anzahl der<br />

Teilnehmer pro<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>sitzung<br />

32 325 ~ 10<br />

Der öffentliche Raum stand im Interesse unterschiedlichster Akteure, deren Ansichten sich oft<br />

erheblich voneinander unterschieden. Der <strong>Arbeitskreis</strong> war dadurch von unterschiedlichsten<br />

Akteuren besucht worden. Zuletzt wurden ca. 100 Personen per Post oder e-mail zu den<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>terminen eingeladen (I13_w30-39: 110-112).<br />

Vom Markt kam meist die Marktsprecherin zum <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum (I13_w30-39:<br />

98). Der <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum war nur für Bewohner und Unternehmer vorgesehen,<br />

nicht für Institutionen, daher war das Jugendtreff J.at anfangs nicht dabei. Später zum Thema<br />

Umgestaltung Volkertplatz wurde das Jugendtreff z.B. für das Thema Ballspielen eingeladen,<br />

wobei die Jugendlichen nicht für den Besuch beim <strong>Arbeitskreis</strong> zu motivieren waren<br />

(I13_w30-39: 57-63). Auch die Schulen wurden gewöhnlich nicht zum <strong>Arbeitskreis</strong><br />

öffentlicher Raum eingeladen (I13_w30-39: 132).<br />

Die Besucher im <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum waren zwar nach Alter und Geschlecht<br />

gemischt, aber es waren praktisch keine Zuwanderer im <strong>Arbeitskreis</strong> (I13_w30-39: 224-225).<br />

Es wurde zwar durch Teilnehmer versucht, Zuwanderer aus ihrer Nachbarschaft für den<br />

<strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum zu motivieren, aber es kam nur einmal eine Frau, welche mit<br />

den Anregungen der Österreicher jedoch überfordert wurde (I13_w30-39: 256-260).<br />

Bei der Umgestaltung des Volkertplatzes konnten türkische Frauen mit alternativen Methoden<br />

zur Artikulation ihrer Interessen geführt werden (I4_m50-59: 432-433). Zu einer gemeinsamen<br />

Diskussion mit den Österreichern aus dem <strong>Arbeitskreis</strong> oder einer Rückmeldung zu den<br />

eingebrachten Ideen kam es aber nicht mehr.<br />

Die Marktleute vom Volkertplatz wurden zum <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum eingeladen,<br />

nahmen trotz unmittelbarer Interessen am Umbau des Volkertplatzes am <strong>Arbeitskreis</strong> aber<br />

kaum teil, da sie einen Interessenkonflikt (I8_m40-49: 107-109) mit ihren eigenen Kunden,<br />

43 eigene Darstellung, Angaben aus den zur Verfügung gestellten <strong>Arbeitskreis</strong>sitzungsprotokollen;<br />

durchschnittliche Anzahl der Teilnehmer pro <strong>Arbeitskreis</strong>sitzung bei Kommastellen gerundet;<br />

96


den Bewohnern befürchteten. Ein Problem, das auch vom Grätzelmanagement nicht gelöst<br />

werden konnte.<br />

Die Beteiligung von Jugendlichen war insofern schwierig, weil die Projekte zu langfristig und<br />

ergebnisoffen angelegt waren und die Jugendlichen ungeduldig hinsichtlich Umsetzung<br />

wurden oder die Themen für die Jugendlichen teilweise uninteressant waren, so die Meinung<br />

der Grätzelmanagerin (I13_w30-39: 65-67). Es gelang jedoch durch die Mitarbeiter vom<br />

Jugendtreff J.at Jugendliche vereinzelt für <strong>Arbeitskreis</strong>sitzungen u.a. zum Thema<br />

Ballspielkäfig am Volkertplatz mitzubringen (I13_w30-39: 72-73).<br />

Die Fluktuation der Teilnehmer war auch im <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum stark. Je nach dem<br />

wessen Interessen und Themen behandelt wurden, kamen und gingen die Leute (I13_w30-39:<br />

98-103). Eine Kerngruppe im <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum ist erst in der letzten<br />

Grätzelmanagement Phase entstanden, wobei sich diese Gruppe allgemeinen Themen im<br />

Stadtteil annahmen (I13_w30-39: 104-105). Der <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum war für<br />

Bewohner und Unternehmer offen, nicht aber für Institutionen. Die Marktstandbetreiber zogen<br />

sich aufgrund von kollidierenden Eigeninteressen letztlich zurück.<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>vernetzungen<br />

Neben der Vernetzung innerhalb der <strong>Arbeitskreis</strong>e konnten durch die Vernetzung der<br />

Arbeitkreise untereinander zusätzlich unterschiedliche Sichtweisen, Ideen und Informationen<br />

ausgetauscht werden. Das war wie weiter oben erwähnt zwischen den <strong>Arbeitskreis</strong>en Kultur<br />

und Gesellschaft und Aktive Frauen der Fall, aber auch im Zuge des Projektes Volkertplatz<br />

zwischen den <strong>Arbeitskreis</strong>en öffentlicher Raum und Wirtschaft oder öffentlicher Raum und<br />

Institutionen, als der Vorplatz einer Schule thematisiert wurde.<br />

5.2.3. Grätzelforum<br />

Das Grätzelforum wurde halbjährlich im Grätzel veranstaltet und diente einerseits der<br />

Vorstellung der Grätzelmanagement-Aktivitäten und der Arbeit und Vorhaben der einzelnen<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>e. Außerdem war es Ziel des Grätzelforums, neue Teilnehmer für die <strong>Arbeitskreis</strong>e<br />

zu gewinnen. Einladungen zum Grätzelforum erhielten die Bewohner und Unternehmer aus<br />

dem Grätzel per Post oder sie erfuhren von der Veranstaltung aus dem „Grätzl-Blattl“. Der Ort<br />

des Forums wechselte innerhalb des Grätzels von mal zu mal. Vertreter der Bezirkspolitik und<br />

jeweils 60-80 Bewohner und Gewerbetreibende besuchten die Grätzelforen regelmäßig. Etwa<br />

ein Drittel der Teilnehmer waren bei jedem Grätzelforum erstmalig dabei (I_w30-39: 341-342).<br />

97


Das Grätzelforum schaffte die Möglichkeit, sich unverbindlich über Aktivitäten rund um das<br />

Grätzelmanagement zu informieren. Der Zugang zur Veranstaltung war freiwillig und insofern<br />

leicht, da Besucher nicht gleich zu irgendeiner Beteiligung oder einem Gespräch gezwungen<br />

waren, sondern erst einmal als Zuschauer aus einer gewissen Distanz das Geschehen<br />

beobachten konnten. Sie konnten auch jederzeit ohne mit jemanden gesprochen oder sich in<br />

einer Liste eingetragen zu haben wieder die Veranstaltung verlassen. Bei Interesse allerdings<br />

gab es viele Personen und Gelegenheiten, um Kontakt aufzunehmen, aber ebenfalls<br />

unverbindlich. Auf Freiwilligkeit und intrinsischer Motivation wurde so ein Schwergewicht<br />

gelegt. Das kam schüchternen Menschen oder Personen mit weniger Artikulationsgeschick<br />

bzw. anderer Kommunikationskultur nicht gerade entgegen, wodurch auch manche potentielle<br />

Interessenten verloren gegangen sein könnten. An den Grätzelforen haben neben Bewohnern<br />

und Gewerbetreibenden verschiedenste lokale Akteure, wie Vereine und Religionsvertreter<br />

teilgenommen (I2_w30-39: 490-491). Die Grätzelmanagerin schätzte die Zusammensetzung<br />

der Besucher etwa folgendermaßen ein: ein Drittel war am Grätzelforum nur zu Besuch, ein<br />

Drittel waren aktive Teilnehmer aus <strong>Arbeitskreis</strong>en und ein Drittel stellten neue Leute dar, die<br />

aus Neugier gekommen waren (I1_w30-39: 342-345). Damit stellte sich das Grätzelforum als<br />

gute Möglichkeit heraus, immer neue Interessenten und Aktive zu finden und zu gewinnen.<br />

„Bei so Veranstaltungen, beim Grätzelforum sind die alle zusammen gekommen, haben sich das so<br />

angeschaut, so wie ich und haben dann gesagt, ja wir wollen was tun“ (I9_m50-59: 166-167).<br />

Dort konnte man sich bei Essen und Trinken ungezwungen kennen lernen und sich über<br />

weitere Treffen und Aktivitäten informieren.<br />

Da die Grätzelforen auch von Mitgliedern des Grätzelbeirats besucht wurden, konnte<br />

hier auch ein informeller Austausch insbesondere zwischen Bezirkspolitik und Bewohnern<br />

stattfinden.<br />

5.2.4. Informeller Austausch im Stadtteil<br />

Bereits lange vor dem Grätzelmanagement war der Markt am Volkertplatz ein informelles<br />

Kommunikationszentrum. Er fungierte als Meinungsbildner und als Grätzelzentrum. Die<br />

Marktsprecherin hatte großes Gewicht und hat dieses immer noch, auch wenn sie jetzt in<br />

Pension gegangen ist und nicht mehr so häufig vor Ort ist:<br />

„(...) es ist ja wie ein Dorf mit diesem Markt in der Mitte, wo man sich trifft, wo man<br />

redet miteinander, wo die Marktsprecherin ein großes Gewicht gehabt hat“ (I1_w30-39:<br />

545-548).<br />

98


Die Geschäftsleute am Markt fungierten quasi als Informanten, wodurch Informationen rasch<br />

breit gestreut werden konnten, jedoch oft auch Gerüchte schneller als Wahrheiten verstreut<br />

wurden (I8_m40-49: 53-55).<br />

„Der Markt [war; d. Verf.] eine besondere Kommunikationsleitstelle sag ich jetzt einmal<br />

mit teilweise mehr Gerüchten als wie Wahrheiten“ (I8_m40-49: 62-64).<br />

Der Grätzelmanager hatte zwar guten und regelmäßigen Kontakt zu den Marktleuten, gegen<br />

Anregungen von außen, den Markt zu modernisieren, haben sich die alten Marktstandbesitzer<br />

jedoch immer gewehrt und zusammengehalten (I8_m40-49: 74-80). Und auch die Vernetzung<br />

der beiden Gruppierungen am Markt untereinander war nicht möglich aufgrund der<br />

unterschiedlichen Ansichten und Arbeitskulturen, so der Grätzelmanager (I8_m40-49: 93-96),<br />

was sich auch negativ auf den <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft ausgewirkt hat, der sich mit Fortdauer<br />

des Grätzelmanagements auflöste. Die Spaltung innerhalb der Marktleute in zwei<br />

Gruppierungen führte dazu, dass jede Gruppe für sich aktiv war und zusammenarbeitete. So<br />

kooperierten zum Beispiel zwei Feinkoststände während der Fußball Weltmeisterschaft 2006<br />

indem sie einen Fernseher vor Ort aufstellten und Essen und Getränke vor ihren Ständen<br />

verkauften (I12_m30-39: 78). Diese Marktstandbetreiber verzichteten auch auf Werbung für<br />

das Geschäft, weil sie davon ausgingen, dass viel mit Mundpropaganda funktioniert und auch<br />

daher Kundschaft von außerhalb des Grätzels kommt (I12_m30-39: 82-85).<br />

In Konfliktfällen waren die Marktleute eher bereit mit dem Grätzelmanagement Kontakt<br />

aufzunehmen für eine Hilfestellung. Eine Unterschriftensammlung wurde anlässlich der<br />

Absperrung vom Volkertplatz organisiert (I8_m40-49: 99-103).<br />

Die vielen Feste und sonstigen Veranstaltungen, welche über das Grätzelmanagement<br />

organisiert wurden sorgten für Zusammentreffen im Grätzel. Sie waren über das Jahr verteilt<br />

und boten unterschiedliche Schwerpunkte. Vom Grätzelball im Februar über Lesungen,<br />

Jubiläumsfeiern, Grätzelfeste, das Sommerkino oder den Adventmarkt gab es regelmäßig<br />

Anlässe, einander im Grätzel zu begegnen.<br />

Die Unterhaltungsprogramme und die Büffets bei den Grätzelfesten waren bewusst kulturell<br />

gemischt zusammengestellt worden, um Berührungen mit fremden Kulturen zu ermöglichen<br />

(I2_w30-39: 707-708). Trotzdem war die österreichische Bevölkerung am Grätzelfest wenig<br />

vertreten, hauptsächlich nur über die aktiven Teilnehmer oder Organisatoren (I2_w30-39: 717-<br />

720). Die informellen Kontakte zu lokalen Einrichtungen wie zu den Frauengruppen des<br />

Deutschkursinstituts Springergasse waren gut (I2_w30-39: 605).<br />

Die Kontakte des Grätzelmanagement zur islamischen Moschee in der Springergasse waren<br />

zwar aufrecht, es gelang über informelle Besuche hinaus aber keine Einbindung in<br />

99


<strong>Arbeitskreis</strong>e oder andere Beteiligungen (I4_m50-59: 418-420). Auch die informellen<br />

Kontakte einer Grätzelmanagerin zu den türkischen Geschäftsleuten konnten für weitere<br />

Beteiligungen oder die Vernetzung mit anderen Unternehmern nicht vertieft werden.<br />

Für die Herausgabe des „Grätzl-Blattls“ wurden über die übliche redaktionelle Arbeit hinaus<br />

immer wieder Mitarbeiter für weitere Aufgaben eingebunden. Freiwillige halfen dort mit, wo<br />

gerade jemand gebraucht wurde. Durch die Verbindung des „Grätzl-Blattls“ mit den<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>en Kultur und Gesellschaft und Aktive Frauen konnten jeweils rasch entsprechende<br />

Personen aus dem Stadtteil gefunden werden.<br />

5.2.5. Vernetzung der Dienstleister<br />

Einmal jährlich fand ein Vernetzungstreffen(Vernetzungsfrühstück) der Dienstleister des<br />

öffentlichen Raumes im Grätzel im Haus des Jugendtreffs J.at statt. Dieses Treffen wurde<br />

gemeinsam vom Bezirksvorsteher, dem Grätzelmanagement und dem Bürgerdienst initiiert.<br />

Bei der Veranstaltung 2005 44 waren 35 Personen zu Besuch, darunter die Straßenreiniger der<br />

Magistratsabteilung 48, die Grünraumbetreuerinnen, der Grätzelpolizist, der Bürgerdienst und<br />

Postbeamte sowie Schulwarte und Marktamtsleiter als auch Mitarbeiter vom<br />

Beschäftigungsprojekt „Kommuna“ (I4_m50-59: 398-405).<br />

Dort sind die Besucher auf ihr Befinden im Grätzel und auf ihre Anregungen und Ideen für<br />

Verbesserungen oder Veränderungen im Grätzel angesprochen worden. Die Anonymität der<br />

Dienstleister im Grätzel ist seit diesen Vernetzungstreffen zurückgegangen, was sich in der<br />

vermehrten Kommunikation und der Eigenverantwortung für das Grätzel geäußert hat<br />

(I8_m40-49: 561-567).<br />

Es kam also neben dem informellen Informationsaustausch unter den lokalen öffentlichen<br />

Dienstleistern (I10_w30-40m40: 410-418) auch zu einer verstärkten Wertschätzung derselben,<br />

was sich positiv auf deren Integration und Einbindung in und für das Grätzel ausgewirkt hat.<br />

5.2.6. Ergebnisse aus den Netzwerken und „Nutzen“ der Netzwerke<br />

Auch wenn die vorliegende Untersuchung die vom Grätzelmanagement erzeugten und<br />

geförderten Vernetzungsstrukturen zum Schwerpunkt hat, war die Vernetzung als Ziel des<br />

Grätzelmanagements kein Selbstzweck. Die Vernetzungen im Stadtteil waren nur die<br />

notwendigen Vorraussetzungen für die Umsetzung von Aktivitäten.<br />

44 Ziel 2 Wien:<br />

http://www.ziel2wien.at/dt/portal/content.php?navId=530&blogId=1646&regionId=139&topicId=1&language=dt&groupNam<br />

e=&found=2005%7C5%7C0%7C1823%7C1771%7C1646, Stand: 3.5.2005<br />

100


Daher soll kurz auf die Ergebnisse der Netzwerke und deren „Nutzen“ eingegangen werden.<br />

Dieser „Nutzen“ lässt sich je nach Sichtweise und Akteur ganz unterschiedlich ausmachen und<br />

darstellen. Was dem einen zum Vorteil gereichte, konnte u.U. für andere ein Nachteil sein.<br />

Eigennutzen der Akteure<br />

Der individuelle Eigennutzen stellte sich als wesentlicher Antrieb heraus, sich im<br />

Grätzelmanagement zu engagieren und mit anderen zu kooperieren.<br />

Auch wenn die Sprachbarrieren zuerst ein Hindernis für den Zugang zu <strong>Arbeitskreis</strong>en waren,<br />

bot der <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen die Möglichkeit, deutsch sprechen zu üben und zu lernen.<br />

Die Zuwanderinnen haben darin teilweise eine Chance für sich erkannt und sind dann sogar<br />

öfter gekommen. Während die Frauen am Anfang wegen ihrer sozialen Probleme und Fragen<br />

zur zuständigen Grätzelmanagerin gekommen sind, wandelte sich ihre Intention mit Fortdauer<br />

immer mehr in die Richtung, dort deutsch üben zu wollen (I2_w30-39: 351-358). Im Besuch<br />

des <strong>Arbeitskreis</strong>es haben viele Frauen mit migrantischem Hintergrund den Eigennutzen<br />

erkannt, was ihre Motivation, in den <strong>Arbeitskreis</strong> zu kommen verbessert hat und den Austausch<br />

zwischen den Frauen in den <strong>Arbeitskreis</strong>en angeregt hat. Die zuständige Grätzelmanagerin<br />

musste die Frauen dazu immer wieder an ihre eigenen Interessen und Vorteile des deutsch<br />

Lernens erinnern (I2_w30-39: 340).<br />

Im <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen tauschten sich Zuwanderinnen und Österreicherinnen kulturell<br />

aus, indem sie zum Beispiel ein Fest veranstalteten, bei dem sie die Kleider und Trachten aus<br />

ihren Heimatländern austauschten und für eine Modenschau anzogen (I9_m50-59: 306-310).<br />

Es fand außerdem ein gemeinsames Kochen mit Afrikanerinnen, Südamerikanerinnen,<br />

Türkinnen und Iranerinnen statt und es wurde ein Kochbuch dazu geschrieben (I11_w60-69:<br />

313-314). Es kam auch einmal eine Ärztin auf Besuch zum Frauenkulturtreff zur kurzen<br />

Untersuchung der Frauen (I11_w60-69: 149). Die Grätzelmanagerin für die Zuwanderer hat<br />

außerdem Rezepte übersetzt und bei Arztbesuchen die Frauen begleitet (I11_w60-69: 203).<br />

Der <strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen bot die Möglichkeit, Informationen wie neue Projekte und<br />

Einrichtungen vorzustellen und so als Multiplikator von Informationen aus dem Stadtteil zu<br />

fungieren (I4_m50-59: 382-385). Die Institutionen konnten sich dort präsentieren und über<br />

aktuelle Aktivitäten informieren.<br />

Wertschätzung und Wahrnehmung<br />

Wertschätzung und Wahrnehmung war ein wesentlicher Bestandteil zur Ermutigung, sich für<br />

den Stadtteil zu engagieren. Stattgefunden hat diese Wertschätzung ganz explizit beim<br />

101


jährlichen Treffen der Dienstleister des öffentlichen Raumes des Grätzels im Jugendtreff J.at,<br />

das von Bezirksvorstehung und Grätzelmanagement organisiert wurde, wie weiter oben bereits<br />

erläutert.<br />

Wertschätzung wurde auch bei den jeweiligen Grätzelforen kommuniziert, wobei die positive<br />

Anerkennung und das Lob auch vom Bezirksvorsteher artikuliert wurde. Die Bedeutung der<br />

Politik, die hinter den Aktivitäten der Bewohner und Unternehmer stand, wurde deutlich, da ihr<br />

positives Feedback für die Aktiven im Stadtteil besonderes Gewicht hatte und daher besonders<br />

motivierend wirkte (I9_m50-59: 359-368). So wurden die Aktiven aus dem <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur<br />

und Gesellschaft, nach deren Niederlegung der Aktivitäten aufgrund der Kündigung des<br />

Grätzelmanagers, von der Bezirksvorstehung und einer Mitarbeiterin der MA 25 zum Ende des<br />

Grätzelmanagements immer wieder ermutigt und auch beraten, ihre Aktivitäten fortzusetzen<br />

(I9_m50-59: 359-368).<br />

Diskussionskompetenz<br />

Im Grätzelmanagement wurde immer an die Teilnehmer in Diskussionen und <strong>Arbeitskreis</strong>en<br />

kommuniziert, dass unterschiedliche Meinungen nebeneinander stehen bleiben können<br />

(I8_m40-49: 461-464).<br />

Der Respekt und die Wertschätzung gegenüber anderen Meinungen wurde zuerst vom<br />

Grätzelmanagement zum Beispiel in den <strong>Arbeitskreis</strong>en eingefordert und später nach und nach<br />

auch von Beteiligten umgesetzt (I8_m40-49: 472-475). Dabei wurden von den<br />

Grätzelmanagement Mitarbeitern in den Foren bzw. <strong>Arbeitskreis</strong>en Normen bezüglich der<br />

Diskussionskultur und des zugrunde liegenden Demokratieverständnisses gesetzt.<br />

Bekanntschaften und Freundschaften<br />

Mit den Aktivitäten im Grätzelmanagement haben sich über die <strong>Arbeitskreis</strong>e neue Kontakte<br />

und Bekanntschaften bis hin zu Freundschaften entwickelt. So hat die Planerin der<br />

Volkertplatzumgestaltung, die im Grätzel wohnt durch die regelmäßigen Kontakte im<br />

<strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum viele Freundschaften gewonnen (I4_m50-59: 359-364).<br />

Nachhaltig wirksame Kontakte sind auch im <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft entstanden:<br />

„Es ist einer für den anderen da. Wenn du irgendwas brauchst, egal ob das auch was<br />

privates ist, kannst jederzeit kommen und sagen pass auf, wenn du Probleme hast kannst<br />

du kommen, kannst reden. Es ist wirklich wie man sagt, eine Gemeinschaft ist da daraus<br />

geworden“ (I9_m50-59: 178-183).<br />

102


Einzelne Personen sind im Grätzel durch deren Engagement so bekannt geworden, dass sie auf<br />

der Straße im Grätzel gegrüßt und angesprochen werden, so wie beispielsweise eine Frau aus<br />

dem Frauenkulturtreff:<br />

„Wir sehen uns und ein paar Worte sprechen wir auch, also einen Kontakt und wenn ich<br />

zum Supermarkt einkaufen geh und ich sehe eine Dame da, klopft sie mir auf die Schulter<br />

und grüßt (...) Da ist dann ein Kontakt und die freuen sich wenn sie mich sehen und ich<br />

freue mich auch dass sie mich erkennen“ (I11_w60-69: 126-130).<br />

So haben sich neben den Kontakten zu den Mitarbeitern des Grätzelmanagement selbst vor<br />

allem die Kontakte und Bekanntschaften der Bewohner untereinander vervielfacht und<br />

verstärkt. Die Anonymität trat durch diese Vernetzungen zugunsten einer offeneren Begegnung<br />

und einem Austausch zurück, was auch positive Auswirkungen auf das Vertrauen in die<br />

Mitmenschen aus dem Grätzel hatte und die gegenseitige Hilfe und Unterstützung im Alltag<br />

sowie gemeinschaftliche Aktivitäten nachhaltig förderte.<br />

Feste – Belebung des Stadtteils<br />

Das Leben im Grätzel Volkert- und Alliiertenviertel war in den Jahren des<br />

Grätzelmanagements von Festen bereichert worden. Diese konnten in dieser Form nur durch<br />

die Zusammenarbeit verschiedener Akteure stattfinden. Dabei mussten die Ressourcen aus dem<br />

Stadtteil genutzt werden. Für die Organisation der Veranstaltungen wurden alle möglichen<br />

Personalressourcen für Aufbauarbeiten und ähnliches herangezogen. Bekannte, Verwandte und<br />

Freunde wurden zu Festen mitgenommen und in Aktivitäten bzw. Funktionen eingebunden<br />

(I8_m40-49: 256-258). Für die diversen Aufgaben, wie kochen, servieren, Sponsoren finden<br />

bis hin zur grafischen Aufbereitung der Einladung und Getränkekarten, fanden sich stets<br />

engagierte Bewohner.<br />

Die Veranstaltungen mussten freilich versichert werden. Der Zugang zu einer günstigen<br />

Versicherung für Veranstaltungen konnte über eine Grätzelbewohnerin gesichert werden, die<br />

als ehemalige Mitarbeiterin einer Versicherung noch einen guten Zugang zu ihrem ehemaligen<br />

Arbeitgeber hatte und im <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft regelmäßige Teilnehmerin war<br />

(I9_m50-59: 537-540).<br />

Öffentlichkeit<br />

Das Grätzelforum und der Grätzelbeirat haben durch die Teilnahme verschiedenster Akteure<br />

ein gewisses Maß an Öffentlichkeit erreicht, das einerseits die Informationen breiter streute<br />

bzw. dazu beitrug, Neuigkeiten und Projekte oder Planungen nach außen zu transportieren und<br />

andererseits das Grätzelmanagement selbst und dessen Aktivitäten bekannter zu machen. Diese<br />

103


Veranstaltungen stellten insofern einen Knotenpunkt der Informationsweitergabe dar, von dem<br />

aus die Informationen in verschiedene Richtungen weitergetragen werden konnten.<br />

Das „Grätzl-Blattl“<br />

Das „Grätzl-Blattl“ ist die vierteljährlich erscheinende Stadtteilzeitung des Volkert- und<br />

Alliiertenviertels und besteht auch noch nach Ende des Grätzelmanagements weiter. Das Motto<br />

dieses lokalen Mediums lautet „von BewohnerInnen für BewohnerInnen“. Die Zeitung wurde<br />

zum wesentlichen Bestandteil einer neuen Öffentlichkeit im Grätzel bzw. des Grätzels, das als<br />

Medium des Stadtteils fungierte. Hier wurden nicht nur Informationen vermittelt, sondern auch<br />

gezielt Identität: „Von Menschen, die das Grätzel prägen“ („Grätzl-Blattl“ Jg.4, Nr.2, Juni<br />

2006). Hier war zudem Platz für die ganz spezifischen Themen des Stadtteils und dazu die<br />

Möglichkeit freier Meinungsäußerung und Meinungsaustausches.<br />

Das „Grätzl-Blattl“ wird an alle Haushalte im Volkert- und Alliiertenviertel verteilt bzw.<br />

versendet. Die Auflage pro Ausgabe beträgt ca. 8000 Stück. Die Autorenschaft setzt sich aus<br />

Bewohnern, Gewerbetreibenden und Institutionen des Grätzels zusammen 45 .<br />

Das „Grätzl-Blattl“ wurde als Verein gegründet und finanziert(e) seine Ausgaben mit Spenden<br />

und Inseraten von Unternehmen aus dem Grätzel oder dem Bezirk und von Institutionen wie<br />

dem WWFF oder dem Grätzelmanagement selbst. Da die Einrichtung einer Stadtteilzeitung<br />

nicht den EU-Förderkriterien entsprach, konnte es auch nie aus den Mitteln des<br />

Grätzelmanagement finanziert werden.<br />

Ziel der Zeitung ist es, ein „Sprachrohr (Kommunikationsplattform)“ für die Bewohner,<br />

Gewerbetreibenden und Institutionen zu sein, die Vernetzung im Stadtteil zu fördern, den<br />

Informationsfluss vom Grätzelmanagement und dessen <strong>Arbeitskreis</strong>en zur Bevölkerung<br />

herzustellen, Bewohner, Gewerbetreibende und Institutionen aus dem Grätzel vorzustellen,<br />

Identität zu schaffen, Kenntnisse der Geschichte, Kultur und der Gegenwart zu erweitern,<br />

sowie die Zukunft des Viertels zu diskutieren 46 .<br />

Die im „Grätzl-Blattl“ veröffentlichten Beiträge setzen sich naturgemäß aus lokalen Berichten<br />

zusammen, angefangen bei Veranstaltungen aller Art im Grätzel, über die Vorstellung von<br />

öffentlichen Einrichtungen, Unternehmen und kulturellen Aktionen, bis hin zur Vorstellung<br />

„von Menschen, die das Grätzl prägen“. Aber auch Beiträge zur Geschichte des Grätzels und<br />

v.a. aktuellen Themen, die diskutiert werden und das Grätzel im Speziellen betreffen finden<br />

45 Grätzelmanagement: http://www.graetzelmanagement.at/02/frameset/frameset.html, Stand: 30.12.2006<br />

46 Grätzelmanagement: http://www.graetzelmanagement.at/02/frameset/frameset.html, Stand: 30.12.2006<br />

104


sich im „Grätzl-Blattl“ regelmäßig. Nicht zuletzt sind auch die Leserbriefe in jeder Ausgabe zu<br />

erwähnen. Die Vielfalt der Themen ist hier in der Kürze nicht darstellbar. An der Erstellung<br />

des „Grätzl-Blattls“ waren von Beginn an vor allem vier österreichische Frauen maßgeblich<br />

beteiligt.<br />

5.2.7. Qualität der Vernetzung<br />

Kontakte<br />

Darüber hinaus war das Grätzelmanagement aber besonders darum bemüht, Kontakte<br />

herzustellen, um gemeinsame Aktivitäten zu starten:<br />

„Wir unterstützen keine Einzelpersonen, wir schauen eher, dass wir dann Gruppen<br />

zusammenbekommen, also wenn sich da jemand für etwas wirklich engagiert oder so,<br />

dann schauen wir oder finden wir noch andere Leute, die sich da mitengagieren wollen,<br />

damit wir sie da unterstützen können dabei“ (I1_w30-39: 136-139).<br />

Abgesehen von den <strong>Arbeitskreis</strong>en, Grätzelforen etc. stellte das Grätzelmanagement auch<br />

informell immer wieder Kontakte her, um Initiativen zu unterstützen, wie das bei den<br />

Architekten eines Kunstprojektes im öffentlichen Raum am Volkertplatz der Fall war oder bei<br />

Künstlern, die ein partizipatives Projekt (Flagge im Grätzel) machten, bei dem das<br />

Grätzelmanagement Kontakte zu den Bewohnern und Gewerbetreibenden herstellte (I1_w30-<br />

39: 1021-1025).<br />

Kontakte zwischen interessierten Bewohnern und Gewerbetreibenden herzustellen, war eine<br />

der Hauptaufgaben und Tätigkeiten der Grätzelmanager. Im <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen wurde<br />

so der Kontakt zwischen österreichischen Frauen und Zuwanderinnen hergestellt (I2_w30-39:<br />

163). Dadurch ging auch ein Teil der Anonymität im öffentlichen Raum verloren, als sich die<br />

Frauen unterschiedlicher Kulturen auf der Straße trafen und einander grüßten oder miteinander<br />

sprachen (I2_w30-39: 363-365).<br />

Der Kontakt wurde vom Grätzelmanagement mitunter auch direkt im öffentlichen Raum<br />

hergestellt, als Gespräche zwischen älteren österreichischen Frauen und Frauen nichtösterreichischer<br />

Herkunft initiiert wurden (I2_w30-39: 731-746).<br />

Kennen lernen<br />

Die Qualität der horizontalen Vernetzung im Stadtteil durch das Grätzelmanagement erreichte<br />

unterschiedliche Ausprägungen und Intensitäten.<br />

So gab es Vernetzungstreffen, wie das weiter oben bereits erläuterte Treffen der Dienstleister<br />

des Stadtteils, bei dem es um ein gegenseitiges kennen lernen, eine Verringerung von<br />

Anonymität und das Wissen über die richtigen Ansprechpartner für die Zukunft ging.<br />

105


Eine ähnliche Funktion hatte u.a. das Grätzelforum, bei dem sich die Menschen<br />

niederschwellig und unverbindlich informieren und kennen lernen konnten.<br />

Aber natürlich auch in den <strong>Arbeitskreis</strong>en gab es die Möglichkeit, neue Menschen und ihre<br />

verschiedenen Meinungen kennen zulernen, was für den Frauenkulturtreff auch als zentrales<br />

Kriterium hervorgehoben wurde (I11_w60-69: 59-60).<br />

Austausch von Informationen<br />

Auch der Zweck der Vernetzung, Informationen auszutauschen ist über die<br />

Grätzelmanagement Aktivitäten erfüllt worden. Obwohl Informationen rund um den Stadtteil<br />

oft auf informellen Wegen zirkuliert sind, wie das über Mundpropaganda, über den Markt und<br />

die Geschäfte der Fall war, konnten vor allem in den <strong>Arbeitskreis</strong>en Informationen breit<br />

gestreut werden. So konnten beispielsweise im <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen viele Fragen zu<br />

sozialen Anliegen der Zuwanderinnen bearbeitet werden und die österreichischen Frauen<br />

halfen hier auch mit, wenn es um sprachliche Schwierigkeiten ging (I2_w30-39: 163). Im<br />

Frauenkulturtreff konnten auf grund des niederschwelligen Zugangs und der informellen<br />

Atmosphäre, in der die Frauen unter sich blieben, auch diskrete Belange behandelt werden,<br />

wobei die Verständigung durch sprachliche Übersetzung unterstützt wurde (I11_w60-69: 147-<br />

148).<br />

In einem PC Schulungsprojekt hat am Anfang des Grätzelmanagements ein Arbeitsloser EDV<br />

Einführungen für Einsteiger gegeben (I4_m50-59: 279-282). Das war das einzige<br />

Bildungsprojekt im Rahmen des Grätzelmanagements. Hier konnte sich ein<br />

Beschäftigungsloser einbringen und wertvolle Informationen bzw. seine Ressourcen zur<br />

Verfügung stellen. Dieses Miniprojekt fand leider keine weitere Unterstützung, obwohl hier<br />

beiden Seiten geholfen gewesen wäre.<br />

Das „Grätzl-Blattl“ war eine Ergänzung zu den <strong>Arbeitskreis</strong>en, um Informationen über den<br />

Stadtteil zu vermitteln. Da es an alle Haushalte im Stadtteil geschickt wurde, wurden die<br />

enthaltenen Informationen auch entsprechend leichter zugänglich und die Bewohner und<br />

Unternehmer im Grätzel konnten sich unkompliziert über Aktuelles informieren.<br />

Kooperationen<br />

Die im Rahmen des Grätzelmanagements entstandenen Kooperationen waren<br />

unterschiedlichster Art und Intensität und wurden zwischen den verschiedensten Akteuren<br />

eingegangen.<br />

106


Eine Kooperation wurde zum Beispiel zwischen dem Grätzelmanagement und der<br />

gemeinnützigen Wohnungsbau-Gesellschaft (Gewog) eingegangen und wirkt bis heute nach.<br />

Das ehemalige Gebäude, welches die „Bundesanstalt für Pflanzenschutz und Samenkunde“<br />

beherbergte wird für Genossenschaftswohnungen umgebaut. Im Keller finden temporär<br />

Veranstaltungen statt und die Räumlichkeiten werden gegen geringe Miete und<br />

Strompauschale zur Verfügung gestellt (I1_w30-39: 1110-1116). Das Grätzelmanagement<br />

verwaltete den Schlüssel der Räume und die Abwicklung der temporären Benutzung sowie die<br />

bezahlte Miete für Gewog (I1_w30-39: 1020-1125).<br />

Eine Kooperation auf besonders breiter Basis fand 2004 in der Finanzierung des vom Verein<br />

„Grätzl-Blattl“ veranstalteten Sommerkinos am Volkertplatz statt. Neben der Stadt Wien (MA<br />

7 – Kultur), dem Bezirk Leopoldstadt und dem Grätzelmanagement, die sich an den Kosten<br />

beteiligten, wurde die Veranstaltung noch von Unternehmen aus dem Grätzel gesponsert<br />

(„Grätzl-Blattl“, Jg.2, Nr. 3, Oktober 2004: 7). Auch in den folgenden Jahren wurde diese<br />

Veranstaltung unter Beteiligung öffentlicher und privater Unternehmen finanziert.<br />

Auf Einladung des <strong>Arbeitskreis</strong>es Kultur und Gesellschaft hat eine Ballettschule, unweit vom<br />

Grätzel ansässig, kostenlos zur Eröffnung eine Tanzeinlage zum Grätzelball 2006 gegeben und<br />

dafür in eigener Sache Werbung gemacht. Die Ballettschule hat außerdem ein Inserat im<br />

„Grätzl-Blattl“ geschalten (I1_w30-39: 1032-1033).<br />

Das als Verein gegründete „Grätzl-Blattl“ ist auf Kooperationen wie Inserate existentiell<br />

angewiesen. Außerdem ist das „Grätzl-Blattl“ als Verein zeichnungsberechtigt und somit für<br />

Veranstaltungen immer wieder Kooperationspartner zum Beispiel für den WWFF (I10_w30-<br />

40m40: 60-64).<br />

Das Grätzelmanagement, der WWFF und das BSC (Business Service Center) haben u.a.<br />

Anzeigen im „Grätzl-Blattl“ geschalten. Im „Grätzl-Blattl“ wurden immer zwei A4 Seiten<br />

über Projekte und Allgemeines vom Grätzelmanagement geschalten (I1_w30-39: 337-338).<br />

Darüber hinaus inserierten und inserieren eine Reihe von lokalen Unternehmen aus dem<br />

Stadtteil im „Grätzl-Blattl“.<br />

Im Jahr 2006 wurde gemeinsam ein Ausflug in den Märchenpark nach St. Margarethen im<br />

Burgenland organisiert, der vom Jugendtreff J.at, <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft und<br />

dem <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen gemeinsam mit ca. 1.000 Euro finanziert wurde (I9_m50-59:<br />

87-89).<br />

107


Konfliktmanagement<br />

In Konfliktsituationen oder in Situationen, in denen ein Konsens im Stadtteil in weiter Ferne<br />

lag, blieb dem Grätzelmanagement die Strategie, die unterschiedlichen Positionen aufzuzeigen<br />

und für die Kontrahenten sichtbar zu machen (I13_w30-39: 294-296). Vorraussetzung für ein<br />

konstruktives Miteinander war aus Sicht des Grätzelmanagements der Respekt und die<br />

Wertschätzung gegenüber anderen Meinungen, die vom Grätzelmanagement vorerst<br />

eingefordert wurde und später auch von den Beteiligten umgesetzt wurde (I8_m40-49: 472-<br />

475).<br />

Neben den Konflikten, die in den <strong>Arbeitskreis</strong>en und anderen Gremien stattgefunden hatten,<br />

die von Moderation begleitet waren, kam es auch zu Konflikten außerhalb des<br />

„Moderationsraumes“ Grätzelmanagement. Die ursprüngliche Idee des Grätzelmanagements,<br />

die lokalen Akteure zu empowern und damit auch in eine eigenverantwortliche und<br />

selbstständige Konfliktlösungskompetenz zu führen, wurde manchmal auch ins Gegenteil<br />

umgekehrt (I13_w30-39: 531-535). Im Konfliktfall (meist Lärmbelästigungen) riefen die<br />

Bewohner oft nach dem Grätzelmanagement als Verantwortlichen bzw. zur Konfliktlösung<br />

anstatt die Konflikte eigenverantwortlich zu bearbeiten. Das Grätzelmanagement wurde in die<br />

Rolle gedrängt, für alles mögliche zuständig zu sein (I13_w30-39: 531-532) – ein Zeichen<br />

dafür, welche Autorität dem Grätzelmanagement zugeschrieben wurde und ein Zeichen für das<br />

bis dahin noch zu schwach ausgebildete Konfliktlösungspotenzial vor Ort.<br />

Die Grätzelmanagerin hat dann meist vermittelt und versucht, eine konstruktive<br />

Kommunikation zwischen den Streitpartnern wieder herzustellen (I13_w30-39: 536-538).<br />

Moderation<br />

Eine zentrale Aufgabe des Grätzelmanagements war die Moderation der<br />

Kommunikationsprozesse sowohl in vertikaler sowie in horizontaler Richtung, d.h. in<br />

Stadtteilnetzwerken ebenso wie im Austausch zwischen Stadtteilakteuren und Verwaltung.<br />

Insbesondere in den <strong>Arbeitskreis</strong>en moderierte ein Grätzelmanager oder eine<br />

Grätzelmanagerin. Aber auch im Grätzelbeirat übernahm das Grätzelmanagement als Vorsitz<br />

auch die Rolle der Moderation. Die Moderation bestand in der Gewährleistung der geplanten<br />

Tagesordnung, dem geregelten Ablauf von Abstimmungen und Diskussionen und der Obacht<br />

auf einen respektvollen Umgang miteinander. Die Einhaltung von Sprechbeiträgen und<br />

Sprechzeiten sollte dabei allen die Möglichkeit geben, sich in den Austausch einzuschalten.<br />

Das Grätzelmanagement zog sich jedoch aus der Rolle der Moderation zurück, wenn die<br />

entsprechende Gruppe sich selbstständig organisierte, wie das nach einiger Zeit beim<br />

108


<strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen der Fall war (I4_m50-59: 385-386). Das Grätzelmanagement zog<br />

sich außerdem aus den Sitzungen zurück, in denen Diskussionen rund um den Volkertplatz<br />

nach vielen Gesprächen zu keinem Konsens geführt hatten und festgefahren schienen. Dazu<br />

wurde eine externe Moderation bei den Sitzungen zum Ballspielkäfig und der Fußgängerzone<br />

hinzugezogen, weil sich die Grätzelmanager bereits als zu befangen fühlten und eine neutrale<br />

Rolle nicht mehr einnehmen konnten (I1_w30-39: 878-883).<br />

Wenngleich die vom Grätzelmanagement angewandten Methoden zur Aktivierung und<br />

Moderation oft nicht auf die Besonderheiten migrantischer Kulturen abgestimmt waren, konnte<br />

man in einem Fall einen wichtigen Schritt auf die Zuwanderer zu machen. Viele Zuwanderer<br />

hatten Probleme in der Artikulation ihrer Interessen und wenig Erfahrung mit den in den<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>en angewandten Kulturtechniken. Ihre Ideen und Wünsche wurden beim Projekt<br />

Umgestaltung Volkertplatz via Piktogrammen eingefangen, bei denen sie visuell mit Bildern<br />

und Symbolen arbeiteten. Diese Ideen wurden dann im <strong>Arbeitskreis</strong> eingebracht, wobei es<br />

jedoch zu keinem Meinungsaustausch kam (I13_w30-39: 263-268). Der Transfer von<br />

Sichtweisen blieb dadurch einseitig. Eine Begegnung bzw. eine Diskussion fand nicht statt,<br />

was die gegenseitige Akzeptanz nicht förderte.<br />

5.2.8. Einflussfaktoren erfolgreicher Vernetzung im Stadtteil<br />

Der Erfolg der Vernetzung durch das Grätzelmanagement äußerte sich in der Beteiligung<br />

mehrerer Akteure, die längerfristig auch nach der ersten Aktion oder dem ersten<br />

Zusammentreffen an der Umsetzung von Ideen weiter arbeiteten. Die Gründe für diese Erfolge<br />

sind vielfältig und können von Einzelpersonen oder ganzen Gruppen genauso abhängen, wie<br />

von äußeren Rahmenbedingungen oder einmaligen Ereignissen. Ein kausaler Zusammenhang<br />

im engsten Sinn konnte dabei in den seltensten Fällen festgestellt werden. Wesentliche<br />

Einflussfaktoren, welche die Vernetzung begünstigten oder erschwerten konnten aber<br />

ausgemacht werden und sollen im folgenden dargestellt werden. Diese Faktoren trotzen<br />

allerdings einem mechanistischen Einsatz für die Übernahme in andere soziale Situationen,<br />

können also nicht als Teile einer allgemeingültigen Rezeptur für das gezielte Zustandekommen<br />

von sozialen Netzwerken verstanden werden. Sie können den dargelegten Fall lediglich<br />

verstehen helfen und in zukünftigen ähnlichen sozialen Konstellationen, wie das zum Beispiel<br />

die neuen Gebietsbetreuungen in Wien sein werden, in Erinnerung gerufen werden.<br />

109


Strategien zur Vernetzung<br />

Um soziale Barrieren und Hemmschwellen abzubauen, förderte das Grätzelmanagement die<br />

Begegnung und den Kontakt zwischen Menschen, Institutionen und Orten im Stadtteil.<br />

Indem man die Orte der Aktivitäten und Veranstaltungen gewechselt hat, versuchte man den<br />

Menschen die verschiedenen Bereiche des Grätzels näher zu bringen. So besuchten die Frauen<br />

des <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen, darunter viele Zuwanderinnen die evangelische Kirche im<br />

Grätzel. Auf der anderen Seite besuchten nicht-muslimische Österreicher das islamische<br />

Gebetshaus in der Springergasse. <strong>Arbeitskreis</strong>e wurden in verschiedenen Institutionen des<br />

Grätzels oder auch in Gasthäusern abgehalten. Es fanden diverse Feste in der ehemaligen<br />

„Bundesanstalt für Pflanzenschutz und Samenkunde“ (neuer Name „Samba“) statt und es<br />

wurden Lesungen in Gasthäusern organisiert. Außerdem sorgten eigens organisierte<br />

Grätzelführungen für Begegnungen mit bisher unbekannten „Ecken“ und Menschen des<br />

Grätzels. Im gemeinsamen Suchen nach Orten im Grätzel, konnten sich die Teilnehmer dabei<br />

einen Überblick über das Grätzel, über seine Einrichtungen und Menschen verschaffen<br />

(I1_w30-39: 224-235). Auch die Grätzelforen haben von mal zu mal ihren Standort gewechselt<br />

und fanden u.a. am Volkertplatz, im Samba, in der evangelischen Kirche oder im Innenhof<br />

eines Bürogebäudes statt (I1_w30-39: 243-244).<br />

Diese Ortserkundungen verbesserten nicht nur das Wissen über das Grätzel, sondern initiierten<br />

auch Anlässe für weitere Begegnungen.<br />

Problemdefinition<br />

Die Frage, wer bestimmt und definiert, welche Probleme behandelt werden, ist für die spätere<br />

Identifikation und Beteiligung der lokalen Akteure nicht unwesentlich. Die Orientierung an den<br />

Problemen der Grätzelakteure stärkt die Identifikation und folglich die Motivation.<br />

Zu Beginn des Grätzelmanagements wurden mit der aktivierenden Befragung und später in der<br />

Ideenwerkstatt die Wünsche und Probleme aus der Sichtweise der Bewohner und Unternehmer<br />

eingefangen. In den <strong>Arbeitskreis</strong>en wurde die Definition der Probleme schließlich weiter<br />

konkretisiert. Im <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum wurden bei den ersten Sitzungen via<br />

Brainstorming ein Themenkatalog bestimmt und diese Themen wurden in den Jahren auch<br />

großteils bearbeitet (I4_m50-59: 210-215). Auch im <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft<br />

wurde gemeinsam beschlossen, was für Aktivitäten in Zukunft gesetzt werden sollen (I9_m50-<br />

59: 285-286).<br />

110


Positive Koordination<br />

Eine positive Koordination, bei der auch Kosten in Kauf genommen werden, war in<br />

verschiedenen <strong>Arbeitskreis</strong>en bei den Aktiven festzustellen. Der Einsatz einzelner Personen<br />

war sehr groß und die Bereitschaft von sich aus freiwillig in der Freizeit Arbeiten für den<br />

<strong>Arbeitskreis</strong> zu verrichten war vorhanden (I1_w30-39: 375-379). So wurden Sponsoren oder<br />

andere potentielle Unterstützer von <strong>Arbeitskreis</strong>aktivitäten aufgesucht und motiviert oder es<br />

wurden Plakatierarbeiten, Amtswege und vieles mehr übernommen.<br />

Die Aktivitäten des <strong>Arbeitskreis</strong>es Kultur und Gesellschaft waren sehr arbeitsintensiv. Im<br />

<strong>Arbeitskreis</strong> arbeiteten alle ehrenamtlich und verdienten damit kein Geld. Gewinne wurden auf<br />

ein gemeinsames Sparbuch eingezahlt (I9_m50-59: 100-103).<br />

Eigennutzen für die Akteure<br />

Die Motivation der <strong>Arbeitskreis</strong>teilnehmer erhöhte sich mit der Wahrnehmung der Beteiligten,<br />

dass sie durch das Grätzelmanagement ihren eigenen Interessen wie zum Beispiel der<br />

Erweiterung von Sozialkontakten nachgehen konnten oder ihre unmittelbare Umwelt wie den<br />

öffentlichen Raum verbesserten (I1_w30-39: 404-406). Die eigennützigen Interessen der<br />

Menschen, welche das Grätzelmanagement aufsuchten waren sehr unterschiedlich geschichtet.<br />

Die Anfragen reichten vom übersetzen oder vorlesen amtlicher Briefe, über die Bitte bei<br />

Geschäftsproblemen verschiedenster Art zu helfen, rechtliche Probleme zu erläutern bis hin zur<br />

Frage, wann das nächste Grätzelfest stattfindet, weil man dort wieder mehr verkaufen und<br />

einen Stand aufbauen möchte (I2_w30-39: 136-144).<br />

Viele Unternehmer, darunter vor allem Nicht-Österreicher brauchten viele Informationen zur<br />

Geschäftsgründung, Finanzierung und Abwicklung (I2_w30-39: 630-650). Für sie war das<br />

Grätzelmanagement mehr eine Beratungseinrichtung und eine Unterstützung für ihre<br />

unternehmerischen Interessen, weniger eine Möglichkeit Kontakte zu knüpfen. Währenddessen<br />

suchten wieder andere Gruppen, wie die Teilnehmer des <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft<br />

oder die Teilnehmerinnen des <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen gerade die Geselligkeit und den<br />

Austausch.<br />

Im <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen ist die Sprachbarriere zuerst als Hindernis wahrgenommen<br />

worden, um den <strong>Arbeitskreis</strong> zu besuchen. Dann haben die Zuwanderinnen darin eine Chance<br />

erkannt, deutsch sprechen zu lernen und sind öfter gekommen (I2_w30-39: 349-351). Dieser<br />

Eigennutzen musste von der Grätzelmanagerin jedoch lange Zeit immer wieder erläutert und<br />

betont werden. In diesem Zusammenhang ist auch das bereits weiter oben erläuterte Vertrauen<br />

111


in die Grätzelmanagement Mitarbeiter zu nennen, das erst aufgebaut werden musste, damit die<br />

Zuwanderinnen vom Nutzen der beworbenen Aktivitäten überzeugt werden konnten.<br />

Die zuständige Grätzelmanagerin förderte den Kontakt und die Kommunikation zwischen den<br />

Kulturen, indem sie den Zuwanderinnen die Möglichkeit erläuterte, deutsch üben zu können<br />

(I2_w30-39: 743). Im Frauenkulturtreff konnte man vielen Eigeninteressen nachgehen, ohne<br />

andere auszunutzen sondern im gegenseitigen Austausch voneinander zu profitieren. Einerseits<br />

war es möglich Sprachen zu lernen oder zumindest mit fremdsprachigen Personen zu üben<br />

oder auch verschiedene Frauen und verschiedene Meinungen kennen zu lernen und einfach nur<br />

zu plaudern, so eine Bewohnerin und Teilnehmerin aus dem Frauenkulturtreff (I11_w60-69:<br />

45-60).<br />

Ein Grätzelmanager wies neben dem persönlichen Nutzen für die Beteiligten und Aktiven auch<br />

auf die Grenze der Verpflichtung hin, die nicht überschritten werden sollte, da sonst eine<br />

Überforderung und eine Frustration mit anschließender Aufgabe drohe (I4_m50-59: 327-331).<br />

Sich einbringen - sinnstiftende Aktivitäten<br />

Neben einem effektiven vielleicht sogar zählbaren Eigennutzen konnten sich die Bewohner so<br />

weit persönlich einbringen, dass sie ihre Werte und ihre Bedeutungen in die Aktivitäten<br />

einbringen konnten. Viele Bewohner haben in den <strong>Arbeitskreis</strong>en eine Aufgabe und neue<br />

Kontakte gefunden bzw. Freundschaften geschlossen (I1_w30-39: 422-425).<br />

Aus Sicht des Grätzelmanagements war es ein wichtiges Ziel, dass die Menschen ihre<br />

Veranstaltungen selbständig organisieren und aus sich heraus agieren und daraus<br />

Selbstvertrauen gewinnen (I1_w30-39: 688-699).<br />

Ein Teil der Frauen vom <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen waren österreichische Pensionistinnen, die<br />

Zeit hatten und motiviert waren und einen Sinn in ihrer Tätigkeit sahen (I4_w30-39: 317-321).<br />

Dabei ging es darum, freie Zeit mit Sinn zu füllen und zu nutzen. Ein Bewohner spricht dabei<br />

von seinen Kolleginnen aus dem <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft, die auch im <strong>Arbeitskreis</strong><br />

Aktive Frauen tätig waren.<br />

„Das sind an und für sich solche Idealisten wie ich einer bin, der sagt ich habe einen<br />

gewissen Freizeitrahmen und den will ich nicht untätig vertun. (…) Die sagen ja, ich<br />

brauch das, dass ich irgendeine Aktivität habe, die ich ausführen kann, die mir einen<br />

Spaß macht“ (I9_m50-59: 112-115).<br />

Wobei den Bewohnern eine Aufgabe wichtiger ist als bloße Aktivität, weil sie mit Sinn erfüllt<br />

ist und eine Herausforderung darstellt und so bei Erfolg auch eine Bestätigung bringt.<br />

„Für mich, ich habe eigentlich eine Aufgabe gefunden, die mir einen Spaß macht, die<br />

mich interessiert. Da setze ich meine ganze Kraft dahinter, dass das<br />

funktioniert“(I9_m50-59: 151-152).<br />

112


Auf diese Weise konnten die Teilnehmer in den <strong>Arbeitskreis</strong>en langfristig motiviert werden.<br />

Vertrauen<br />

Durch langjährige und ernsthafte Aktivität im Grätzel konnten Bewohner und Unternehmer das<br />

Vertrauen ihrer Mitmenschen gewinnen. So genoss ein Bewohner durch seine Bekanntheit viel<br />

Vertrauen im Grätzel, wodurch er einen Vorteil bei der Organisation oder bei der Suche nach<br />

Unterstützung für Aktivitäten seines <strong>Arbeitskreis</strong>e erlang (I9_m50-59: 190-192).<br />

Aber auch das Vertrauen in das Grätzelmanagement war wichtig für dauerhafte Beziehungen<br />

und gemeinsame Aktivitäten. So hat eine aufrichtige Haltung den beteiligten Personen<br />

gegenüber das Wohlbefinden und Vertrauen gegenüber dem Grätzelmanagement gefördert.<br />

„Erstens einmal sie fühlen sich wohl da. Sie haben vertrauen zu uns, dass wir sie nicht<br />

ausnutzen oder in irgendeine Richtung lenken wollen oder so. Es darf jeder so sein wie<br />

er ist. Jeder darf seine Meinung haben, ob die jetzt den anderen gefällt oder nicht“<br />

(I1_w30-39: 419-421).<br />

In den Aufbau einer Vertrauensbasis wurde seitens des Grätzelmanagements viel Zeit<br />

investiert. Die Mitarbeiter waren gegenüber den vorgebrachten Anliegen sehr offen und haben<br />

den Menschen mit ihren Anliegen zugehört.<br />

Das Grätzelmanagement bemühte sich um Authentizität, d.h. Ehrlichkeit gegenüber den<br />

Menschen, vor allem was die realistische Einschätzung der Umsetzungsmöglichkeiten von<br />

angeregten Ideen und Projekten betraf, aber auch das Eingeständnis hinsichtlich eigener<br />

Schwächen oder des Nicht-Wissens um die Finanzierbarkeit eingereichter Projekte bzw. EU<br />

Förderungen. Dazu versuchten die Mitarbeiter des Grätzelmanagements die Eigeninitiative der<br />

Leute zu fördern und nicht selbst Ideen oder Vorschläge einzubringen, um neutral zu bleiben<br />

(I1_w30-39: 449-452). Das Vertrauen drückte sich auch in der zweifelhaften Tatsache aus,<br />

dass manche Menschen die Umsetzung von Projekten vom Grätzelmanagement selbst<br />

forderten und auf diese Weise die Verantwortung zurückgeben wollten.<br />

Auch den einzelnen Mitarbeitern des Grätzelmanagement wurde großes Vertrauen entgegen<br />

gebracht. Eine Mitarbeiterin wurde in ihrem Urlaub von Bewohnern privat angerufen, als die<br />

Bewohner ihrer Besorgnis wegen der Kündigung eines Grätzelmanagement Mitarbeiters<br />

ausdrücken wollten (I1_w30-39: 502-503). Die Beziehungen mancher <strong>Arbeitskreis</strong>teilnehmer<br />

zu den Grätzelmanagement Mitarbeitern hatten dabei bereits eine große persönliche Nähe<br />

erreicht.<br />

Der Aufbau von Vertrauen brauchte bei den Zuwanderern viele Monate (I2_w30-39: 134-135).<br />

Es fiel eine gewisse Hemmung zur Kontaktaufnahme mit der ausländischen Ansprechperson<br />

113


im Vergleich mit einer österreichischen Ansprechperson weg (I1_w30-39: 209). Das Vertrauen<br />

von Multiplikatoren oder Meinungsbildnern aus Vereinen und Gruppen zum<br />

Grätzelmanagement ist sehr wichtig, damit die beworbenen Aktivitäten auch bei den<br />

Zuwanderern bekannt und akzeptiert werden (I2_w30-39: 405-407). Diese Multiplikatoren<br />

waren meist ältere Zuwanderer, die Respekt, Autorität und Vertrauen in ihren Netzwerken<br />

genossen. Diese gaben dann die wichtigen Informationen weiter, weil sie Zugang zum<br />

gesamten Netzwerk hatten (I2_35: 509-514).<br />

Identifikation mit dem Stadtteil<br />

Die Identifikation mit dem Stadtteil als Ausgangspunkt oder Antrieb für die Bewohner und<br />

Unternehmer, sich in Grätzelmanagement Aktivitäten zu engagieren und zu vernetzen, wurde<br />

nur vereinzelt in den Interviews oder in den Medien des Grätzelmanagement artikuliert. So<br />

wurden die Veranstaltung von Festen im Grätzel als Signale interpretiert, die zeigen sollten,<br />

dass viel Leben im Stadtteil steckt. Diese Feste sollten zusätzlich die Identifikation mit dem<br />

Stadtteil fördern (I1_w30-39: 428-429). Dieses Bedürfnis nach einem positiven Grätzelimage<br />

weist auf eine starke Identifikation mit dem Grätzel hin. Österreichische Bewohner sahen in<br />

der Einrichtung Grätzelmanagement die Befriedigung ihrer Forderung, für dieses Grätzel auch<br />

einmal was im öffentlichen Raum zu tun. Man sah sich hier lange Zeit im Vergleich zu anderen<br />

Stadtteilen des 2. Wiener Gemeindebezirks benachteiligt oder vernachlässigt (I13_w30-39:<br />

199-201).<br />

Wie oben bereits erwähnt ist für die meisten Zuwanderer die Identität mit dem Stadtteil wenig<br />

ausgeprägt, wichtiger sind für sie vorerst globalere Gesetzgebungen zum Thema<br />

Einwanderung, Aufenthalt oder Wohnungsrecht (I2_w30-39: 448-454).<br />

Transparentes Regelwerk (formell und informell)<br />

Für eine dauerhafte Beteiligung der lokalen Akteure war es wichtig, die Regeln der<br />

Zusammenarbeit und die Möglichkeiten der Beteiligung, Mitentscheidung und finanziellen<br />

Förderungen sichtbar zu machen. Eine offene Haltung und Ehrlichkeit den beteiligten Personen<br />

gegenüber förderte außerdem das Vertrauen ins Grätzelmanagement (I1_w30-39: 419-421). In<br />

den <strong>Arbeitskreis</strong>en wurde darauf geachtet, dass geklärt war, welche Ziele und Erfolge erreicht<br />

werden sollen und wer was machen will bzw. wer was beitragen kann (I8_m40-49: 259-261).<br />

Die <strong>Arbeitskreis</strong>e liefen dabei so ab, dass sich die Personen vorstellten und ihre Motivation für<br />

die Teilnahme darlegten. Sie wurden dazu angehalten, Offenheit und Respekt für andere<br />

114


Meinungen zu zeigen und eine Akzeptanz dahingehend zu entwickeln, dass Konsens nicht<br />

immer möglich ist (I13_w30-39: 156-160).<br />

Ergebnistransparenz<br />

Die Bewohner hatten oft keine Gelegenheit oder nicht die Zeit, sich die Ergebnisse ihrer<br />

Aktionen anzusehen oder diese wahrzunehmen. Das transparent machen von erzielten<br />

Ergebnissen und Erfolgen war also wichtig für die Motivation und Freude an der Beteiligung<br />

(I1_w30-39: 715-719). Große Freude gab es bei kleinen Erfolgen bei den ersten<br />

Veranstaltungen, wo Besucher gekommen sind, wie das bei den ersten Lesungen der Fall war,<br />

bei denen es auch zur entsprechenden Resonanz durch die Besucher gekommen ist (I8_m40-<br />

49: 265-269).<br />

In der Moderation der <strong>Arbeitskreis</strong>sitzungen wurde über Feedbackrunden und vor allem über<br />

die Darstellung und Dokumentation der Ergebnisse der vorangegangenen Sitzung das Erreichte<br />

und der Stand der Dinge sichtbar und nachvollziehbar. Mit den Protokollen wurden diese<br />

Ergebnisse nochmals gesichert und breit gestreut.<br />

Personalressourcen<br />

Der Einsatz von Personal des Grätzelmanagements war für eine erfolgreiche Vernetzung und<br />

Betreuung der Netzwerke und Zusammentreffen maßgeblich von Bedeutung. Die Mitarbeiter<br />

des Grätzelmanagement haben die Kompetenzen aus Planung und Sozialarbeit mitgebracht<br />

(I1_w30-39: 1040-1045). Außerdem waren Moderation und Organisation bzw. die<br />

Nachbearbeitung wie das Verfassen von Protokollen wesentliche Bestandteile der<br />

Grätzelmanagement Arbeit. Die <strong>Arbeitskreis</strong>treffen wurden von den Grätzelmanagement<br />

Mitarbeitern vorbereitet, insbesondere die Moderation und die organisatorischen<br />

Rahmenbedingungen (I1_w30-39: 681-683). Im Grunde haben sich alle Grätzelmanager<br />

überdurchschnittlich eingesetzt und teilweise ihre Freizeit investiert. Die Grätzelmanagerin für<br />

Zuwanderer zum Beispiel übernahm mehr Aufgaben als ursprünglich vorgesehen und<br />

begleitete Frauen zu Arztterminen oder übersetzte Rezepte. Außerdem kannte sie viele<br />

Schlüsselpersonen und Multiplikatoren unter den Zuwanderern und nutzte dieses<br />

Netzwerkwissen für die Akquisition von Besuchern für Veranstaltungen (I2_w30-39: 824-<br />

825).<br />

Das Ausschöpfen des endogenen Potentials im Stadtteil in Form von Humanressourcen spielte<br />

im Rahmen der Grätzelmanagement Aktivitäten eine wesentliche Rolle. Dazu zählten<br />

einerseits die verschiedenen Fähigkeiten der Bewohner, andererseits deren Einsatz- und<br />

115


Verantwortungsbereitschaft. Die Möglichkeit, sich nach den jeweils eigenen Stärken und<br />

Interessen engagieren zu können, hat hier wohl stark zur positiven Motivation beigetragen.<br />

Ein Bewohner brachte seine kommunikative Begabung und seine Beziehungen zum Beispiel<br />

für die Akquisition von Tombolapreisen bei Unternehmen aus dem Stadtteil ein. Die<br />

Motivation für sein Engagement und sein Selbstbewusstsein für diese Tätigkeit waren deutlich<br />

ausgeprägt:<br />

„Ich bin halt auch ein Mensch, der das gut kann. Schnorren gehen. Weil ich bin nicht<br />

unverschämt oder was, sondern ich gehe hin und sage so und so schaut die Lage aus, das<br />

und das ist das, und ich habe zu 99 Prozent habe ich Erfolge“ (I9_m50-59: 197-200).<br />

Das große Engagement und die Übernahme von Verantwortung einzelner Personen hat weitere<br />

Menschen motiviert und angetrieben, sich ebenfalls an Aktivitäten zu beteiligen:<br />

„(...) das sind ein paar Leute, die einfach ultraengagiert sind und sich wirklich damit<br />

auseinander setzen oder Leute mitziehen. Einzelne Personen haben durch das<br />

Grätzelmanagement erst zu diesem Engagement gefunden“ (I10_w30-39m40-49: 676-<br />

678).<br />

Im <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft brachten sich alle Teilnehmer ein und hielten<br />

zusammen, so ein Bewohner und Teilnehmer des <strong>Arbeitskreis</strong>es (I9_m50-59: 225-233).<br />

Die Arbeit wurde aufgeteilt und es waren alle aufgerufen, ihre Ideen und speziellen<br />

Fähigkeiten einzubringen (I9_m50-59: 286-301).<br />

Auch für die Herausgabe der Zeitung „Grätzl-Blattl“ war das Engagement einzelner Personen<br />

wesentlich für die erfolgreiche Umsetzung. Die vier Frauen, welche die Zeitung produzierten,<br />

kamen aus verschiedenen Bereichen und ihre Motive, diese Zeitung zu machen haben einander<br />

ergänzt.<br />

„(...) das waren vier Frauen, die einfach das machen wollten und wenn die das nicht<br />

hätten machen wollen und in der Konstellation das gepasst hätte, wäre es nichts<br />

geworden“<br />

(I4_m50-59: 310-317).<br />

Sonstige Ressourcen des Grätzelmanagements<br />

Das Grätzelmanagement hat vor Ort die eigenen Ressourcen soviel wie möglich zur Verfügung<br />

gestellt. Die Ressourcen und das Wissen des Grätzelmanagements standen auf Anfrage<br />

weitgehend zur Verfügung (I1_w30-39: 1029-1030). Für Werbung bzw. Plakate wurden die<br />

Fensterflächen, Wände und Ankündigungstafeln genutzt. Die Räumlichkeiten des<br />

Grätzelmanagements wurden für die Zwischenlagerung diverser Materialien für<br />

Veranstaltungen genutzt (I1_w30-39: 1004-1005).<br />

116


Außerdem standen den Bewohnern der Drucker, der Kopierer und sonstige Büroeinrichtungen<br />

wie auch die PCs zur Verfügung, wenn diese Geräte nicht gerade von Grätzelmanagement<br />

Mitarbeitern gebraucht wurden (I1_w30-39: 1038-1040).<br />

Aktivitäten (Realhandlungen)<br />

Wie wichtig der Erfolg und die gemeinsame Bearbeitung von realistischen und realen<br />

Projekten zu Beginn der <strong>Arbeitskreis</strong>e war, zeigt sich vor allem an den weniger erfolgreichen<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>en. Der <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft wollte zu Beginn einen Bargeldautomaten<br />

(Bankomaten) im Grätzel bei der damals noch ortsansässigen Bank eingerichtet haben. Die<br />

Gewerbetreibenden erhofften sich davon einen stärkeren Kundenzulauf durch die jederzeitige<br />

Möglichkeit im Stadtteil Bargeld zu beheben. Dazu wurden Unterschriften bei Bewohner und<br />

Kunden gesammelt und der Bank übergeben, die jedoch die Einrichtung eines Bankomaten<br />

abgelehnt hat. Dieser Misserfolg zu Beginn des Grätzelmanagements hat den <strong>Arbeitskreis</strong><br />

nachhaltig gebremst (I1_w30-39: 562-567). Rasche Erfolgserlebnisse waren auch der<br />

Erfahrung der Grätzelmanagement Mitarbeiter nach für den Weiterbestand von <strong>Arbeitskreis</strong>en<br />

wesentlich: „Wir haben gemerkt in den <strong>Arbeitskreis</strong>en, es muss relativ schnell, relativ bald am Anfang<br />

ein Erfolgserlebnis her, sonst scharrt man mit den Füssen unter dem Sessel und kommt nicht weiter und<br />

irgendwann verliert sich das dann auch wieder“ (I1_w30-39: 567-570).<br />

Der <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum traf bis nach Ende des Grätzelmanagements weiter<br />

zusammen. Dort gibt es immer noch Themen, die viele betreffen und auch behandelt werden<br />

(I4_m50-59: 209-210).<br />

Selbstredend spielte auch das Vorhandensein eines aktuellen Anlasses eine Rolle in der<br />

Motivation für eine Beteiligung in den Netzwerken des Grätzelmanagements. Ein<br />

Gewerbetreibender vom Markt hätte Förderungen für sein Geschäft gebraucht, hat aber bereits<br />

kurz vor dem Beginn des Grätzelmanagements sein Geschäftslokal renoviert und so haben sich<br />

für ihn keine Anlässe für weitere Kontakte ergeben (I12_m30-39: 63-65).<br />

Gemeinsame Arbeitskultur, selbst bestimmte Regelungen<br />

Die Entwicklung einer gemeinsamen Arbeitskultur und die eigenständige Bestimmung von<br />

Regeln für die Zusammenarbeit in Netzwerken und Gruppen, wie den <strong>Arbeitskreis</strong>en trägt<br />

wesentlich zur Transparenz dieser Zusammenarbeit bei. Durch diese teilweise<br />

Institutionalisierung der Zusammenarbeit entstehen Verlässlichkeiten hinsichtlich erwarteter<br />

Handlungsabläufe und das Vertrauen in die Gemeinschaft wird erhöht. Die eigene<br />

Handlungssicherheit wird gestärkt.<br />

117


Bevor die Arbeit in den <strong>Arbeitskreis</strong>en begann, plauderte man meist ein wenig informell und<br />

ungezwungen, wodurch sich eine lockere Atmosphäre entwickeln konnte (I1_w30-39: 655-<br />

657).<br />

Die <strong>Arbeitskreis</strong>e waren so weit strukturiert, dass mit Flipchart gearbeitet wurde, auf der auch<br />

die Tagesordnung beschrieben war. Der Moderator bzw. der Grätzelmanager schrieb das<br />

Protokoll, das dann auch an alle Interessierten(laut einer Interessentenliste) und Teilnehmer<br />

versendet wurde (I1_w30-39: 657-658). Der Tagesordnungspunkt Allfälliges ermöglichte es<br />

allen, ihre Anliegen oder Themen einzubringen und damit eine Diskussion zu eröffnen. Die<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>e fanden monatlich abends statt. Sie wurden vom jeweiligen Grätzelmanager dazu<br />

genutzt, weitere wichtige Informationen an die Teilnehmer auszugeben (I1_w30-39: 663-673).<br />

Am Ende einer <strong>Arbeitskreis</strong>sitzung des <strong>Arbeitskreis</strong>es Kultur und Gesellschaft wurde eine<br />

Feedbackrunde installiert, die so vom Grätzelmanager geregelt war, dass Meinungsfreiheit<br />

herrschte und diese Meinung von den anderen Teilnehmern unkommentiert zu bleiben hatte<br />

(I1_w30-39: 660-665).<br />

Im <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft wurde nach einiger Zeit das gesellige Beisammensein<br />

mit Essen und Trinken nach Ende jeder <strong>Arbeitskreis</strong>sitzung gepflegt. Die Abwechslung und<br />

Mischung der Arbeitsmethoden in den <strong>Arbeitskreis</strong>sitzungen wurde vom Grätzelmanagement<br />

forciert. Die Grätzelmanager bereiteten die Gestaltung der <strong>Arbeitskreis</strong>sitzungen vor (I1_w30-<br />

39: 677-683).<br />

Der <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft entwickelte sich langsam von einem unstrukturierten<br />

Treffen zu einem systematischen zielorientierten Vorgehen einer Gruppe von Bewohnern. Die<br />

Aufgaben wurden unter den Teilnehmern aufgeteilt. Die Teilnehmerzufriedenheit erhöhte sich<br />

mit der Verbesserung der Ergebnissicherung und Arbeitsstruktur im <strong>Arbeitskreis</strong>, so die<br />

moderierende Grätzelmanagerin (I1_w30-39: 705-710). So wurde zum Beispiel der Bruch der<br />

Regel, die Feedbackrunde am Schluss jeder <strong>Arbeitskreis</strong>sitzung nicht kommentieren zu dürfen,<br />

von anderen Teilnehmern umgehend angesprochen und es wurde auf diese Regel verwiesen<br />

(I1_w30-39: 768-771). Andere Regeln blieben unausgesprochen und drückten sich mehr in<br />

einer allgemeinen Gruppenkultur aus, die jedoch von den Teilnehmern kaum reflektiert wurde.<br />

In diesem <strong>Arbeitskreis</strong> entwickelten sich spezielle Formen des Umgangs miteinander. Den<br />

eingespielten Betrieb störende Einflüsse wurden von der Gruppe zumeist selbst geregelt. Die<br />

Moderation des Grätzelmanagements wurde dabei selten in Anspruch genommen (I1_w30-39:<br />

757-762). Mit der Zeit festigte sich die Gruppe des <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft, was<br />

zu einem gewissen Maß an sozialer Schließung führte. Das war für die Integration neuer<br />

Teilnehmer oder Interessenten nicht unbedingt förderlich.<br />

118


„Es war so, dass wenn jemand neuer dazu gekommen ist, war es zum Teil schwierig, rein<br />

zu kommen, weil die Gruppe dann schon sehr gefestigt war. Wobei glaub ich aber nicht<br />

unmöglich gewesen wäre. Also wenn jemand wirklich gewollt hätte, dann hätte er sich<br />

auch einbringen können. Nur hätte er sich am Anfang an der Gruppe orientieren<br />

müssen“ (I1_w30-39: 737-741).<br />

Der Umgang mit Teilnehmern, die sich von der Gruppenkultur abweichend verhielten oder den<br />

eingespielten Betrieb störten bzw. in Frage stellten war ambivalent und uneinheitlich geregelt.<br />

Einerseits ergaben sich Lernerfahrungen und Angstbewältigungen für die Teilnehmer des<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>es Kultur und Gesellschaft. Durch den Besuch eines ursprünglich durch sein<br />

Verhalten und sein Erscheinungsbild als Bedrohung wahrgenommenen Mannes, konnten sich<br />

die Teilnehmer aber schließlich gewöhnen bis sein Besuch sogar freudig willkommen geheißen<br />

wurde. Der Umgang mit sozial abweichendem Verhalten und die Zunahme von Respekt und<br />

Akzeptanz vor offensichtlichen Differenzen war ein Erfahrungsgewinn, den die Teilnehmer in<br />

diesem <strong>Arbeitskreis</strong> für sich verbuchen konnten. Auf der anderen Seite wurde jedoch auch von<br />

der Gruppenkultur abweichendes Verhalten einzelner Personen zwar nicht sanktioniert, aber<br />

auch nicht langfristig toleriert, was schließlich auch einmal zum Austritt einer Person geführt<br />

hat. Das zeigt sich am Beispiel der Teilnahme eines Mannes mit Ideen, die dem Rest der<br />

Gruppe nicht zusagten.<br />

„Bis es dann halt so weit gekommen ist, dass sie halt zwei drei mal gesagt haben nein so<br />

wollen wir das jetzt nicht haben, wir machen das jetzt so und so einheitlich gegen ihn -<br />

und er hat sich dann auch verabschiedet aus dem <strong>Arbeitskreis</strong>, also er ist dann nicht<br />

mehr gekommen“ (I1_w30-39: 804-807).<br />

Die Gruppe hat so einen Punkt definiert an dem ihr der Preis für die Integration neuer Personen<br />

zu hoch wurde.<br />

Die Grätzelmanagement Moderation überließ diese gruppendynamischen Prozesse der Gruppe<br />

selbst und hielt sich aus dem schwelenden Konflikt heraus (I1_w30-39: 808-809). Die<br />

Grätzelmanagement Moderation hat es hier vielleicht verabsäumt, den Austritt dieses Mannes<br />

zu verhindern oder zumindest die unterschiedlichen Interessen für die Teilnehmer transparent<br />

zu machen. Drop-outs sind in Gruppen über einen gewissen Zeitraum gesehen zwar kaum zu<br />

verhindern, eine Moderation und ein Umgang mit der Situation, welche sich um den<br />

Zusammenhalt der Gruppe bemüht, war hier jedoch zu vermissen. Die gemeinsame Definition<br />

des Ziels des <strong>Arbeitskreis</strong>es zu Beginn war ein motivierender Faktor für die Teilnehmer, aktiv<br />

dabei zu bleiben (I1_w30-39: 859-861). Die Grätzelmanagement Moderation kommunizierte<br />

in den <strong>Arbeitskreis</strong>en die Idee, dass oft unterschiedliche Meinungen nebeneinander stehen<br />

bleiben können und ein Konsens nicht immer möglich sei.<br />

Eine Grätzelmanagerin fasste ihre Grundsätze für erfolgreiche <strong>Arbeitskreis</strong>e mit den Worten<br />

„Ehrlichkeit, Wissen und Vorbereitung“ (I1_w30-39: 872-873) zusammen.<br />

119


Die <strong>Arbeitskreis</strong>e wurden aufgerufen, eine Person aus ihrer Mitte auszuwählen, der in die Jury<br />

für den Wettbewerb zur Umgestaltung des Volkerplatzes gesandt wurde, um als<br />

stimmberechtigtes Mitglied und Vertreter der lokalen Ebene dort seine Stimme abzugeben.<br />

(I1_w30-39: 295-297).<br />

Im <strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen haben die Teilnehmer die Organisation der Sitzungen bald selbst<br />

übernommen. Zunächst hat ein Grätzelmanager den <strong>Arbeitskreis</strong> moderiert und sich mit der<br />

Zeit langsam zurückgenommen. Der Ort des Zusammentreffens des <strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen<br />

zirkulierte zwischen den Orten der beteiligten Institutionen. Der Gastgeber übernahm dabei die<br />

Moderation, die Bewirtung und das Verfassen des Protokolls (I4_m50-59: 385-390).<br />

Im <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum ergab sich zu Beginn oft das Problem, die Zusammentreffen<br />

als Ventil für Beschwerden und Missmut zu missbrauchen. Die Grätzelmanager wiesen aber<br />

immer wieder darauf hin, dass die <strong>Arbeitskreis</strong>e dafür genutzt werden sollen, konstruktive<br />

Ideen einzubringen und Projekte auszuarbeiten. Das Problem betraf auch nur einige wenige<br />

Bewohner, die nach einer Zeit entweder nicht mehr kamen oder ihr Verhalten anpassten. Die<br />

verbliebenen Teilnehmer sorgten schließlich selbst immer mehr für die Einhaltung der Regel,<br />

sich konstruktiv einzubringen und den <strong>Arbeitskreis</strong> nicht nur als Beschwerdestelle zu benutzen<br />

(I13_w30-39: 212-214). In der Einladung für jede <strong>Arbeitskreis</strong>sitzung war bereits ein<br />

Schwerpunktthema vorgegeben (I13_w30-39: 43-45). Damit konnte die Transparenz der<br />

behandelten Themen für Interessierte erhöht werden.<br />

Was die Einführung von strikten Regeln anbelangte, bildete der <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen und<br />

besonders der Frauenkulturtreff eine Ausnahme. Hier wurde stets die Unverbindlichkeit und<br />

der niederschwellige Zugang betont. Manche brachten eine Jause mit, Tee und Kaffee wurde<br />

gemacht. Wichtig war es, bei Ankunft zu grüßen und wenn man neu war sich vorzustellen, so<br />

eine Bewohnerin aus dem Frauenkulturtreff (I11_w60-69: 143-145).<br />

Es bestand auch keine Verpflichtung wieder zu kommen, wenngleich es gewünscht war und<br />

die zuständige Grätzelmanagerin für Zuwanderer die Frauen dazu anhielt oder erinnerte wieder<br />

zu kommen und die Vorteile der Teilnahme erläuterte. Mit Ankündigungen künftiger<br />

Programme versuchte sie außerdem den Frauen das Wiederkommen schmackhaft zu machen<br />

(I11_w60-69: 146-147).<br />

Zugang zu den Netzwerken<br />

Für viele Menschen ist eine Beteiligung an öffentlichen Veranstaltungen oder Sitzungen, an<br />

denen man seine Meinung frei artikulieren kann, keine Selbstverständlichkeit. Bei der<br />

120


Organisation der <strong>Arbeitskreis</strong>e vom Grätzelmanagement stellte sich heraus, dass der Ort des<br />

Zusammentreffens eine wesentliche Rolle für die Vernetzung und Beteiligung der Bewohner<br />

spielte. Einerseits versuchte man im Grätzelmanagement die Orte für die Veranstaltungen zu<br />

wechseln, um Barrieren zwischen den Menschen bzw. Kulturen abzubauen. Auf der anderen<br />

Seite stellte sich heraus, dass die Beteiligung und Kontaktfreudigkeit mitunter von der<br />

Vertrautheit mit dem Ort zusammenhing. Das war beim Frauenkulturtreff der Fall. Das<br />

Grätzelmanagement Büro hatte aus Sicht der Zuwanderinnen einen behördlichen Charakter,<br />

der problematisch und aufgrund negativer Erfahrungen in österreichischen Ämtern<br />

angstfördernd war. So fanden die ersten Frauenkulturtreffs im Jugendtreff J.at statt. Dieser Ort<br />

war durch den Kontakt über die Kinder für die Zuwanderinnen bzw. die Mütter der Kinder vertraut<br />

(I2_w30-39: 219). Dort wurden ursprünglich fremde Kulturtechniken wie die Verwendung der<br />

Flipchart möglich (I2_W30-39: 210-215). Auch die Anwesenheitsliste machte im<br />

Grätzelmanagement Büro Angst, weil sie die sichere Anonymität verhinderte, hingegen im<br />

Jugendtreff wurde sie akzeptiert (I2_w30-39: 220-221). Die beiden Orte am Volkertplatz sind<br />

lediglich etwa 50 Schritte voneinander entfernt, hatten für diese Frauen aber eine ganz<br />

unterschiedliche Bedeutung. Dieses Problem erkannte die zuständige Grätzelmanagerin und<br />

dadurch konnten die Zuwanderinnen im Jugendtreff langsam Vertrauen zum<br />

Grätzelmanagement aufbauen. In der Zwischenzeit, Ende 2006 fanden die Frauenkulturtreffs<br />

im Grätzelmanagement Büro bzw. in Folge im Büro der neuen Gebietsbetreuung statt.<br />

Der Frauenkulturtreff wurde zudem wesentlich unverbindlicher als andere <strong>Arbeitskreis</strong>e<br />

gestaltet und die Eigeninitiative der Frauen wurde hier nicht in dem Ausmaß gefordert. Die<br />

Themen waren mehr privater Natur und die Frauen konnten sich über Alltägliches wie Kinder,<br />

Kochen, Männer austauschen, ohne bei jedem Treffen unter dem Druck zu stehen, konkrete<br />

Ideen und Ergebnisse vorlegen zu müssen.<br />

„Der Einstieg ist nicht so schwierig. Die Frauen können reden über die Kinder und über<br />

das Kochen. Auch über Männer. Damit beschäftigt sich jede Frau. So kommt man ins<br />

Gespräch. Und die türkischen Frauen öffnen sich dann leichter, weil sie sehen, die<br />

kochen auch nur mit Wasser auf gut Wienerisch“ (I11_w60-69: 60-63).<br />

Es konnten immer Fragen gestellt werden und es wurde auch übersetzt, wenn sprachliche<br />

Verständigungsschwierigkeiten auftraten (I11_w60-69: 147-148). Der Frauenkulturtreff war<br />

also im Gegensatz zu anderen <strong>Arbeitskreis</strong>en darauf ausgelegt, die Kommunikation und<br />

Kontakte zu fördern. Die Frauen lernten andere Frauen aus dem Grätzel kennen und sie<br />

konnten dort die Kulturen und Lebensgewohnheiten der anderen Frauen kennen und verstehen<br />

lernen, die sich dann oft als gar nicht so andersartig herausstellten.<br />

121


5.2.9. Hindernisse für eine horizontale Vernetzung im Stadtteil<br />

Während es im Rahmen des Grätzelmanagements zu einer Reihe von Vernetzungen im<br />

Stadtteil gekommen ist, wie die <strong>Arbeitskreis</strong>e, Grätzelforen und Veranstaltungen zeigen,<br />

stießen die Mitarbeiter des Grätzelmanagement auch auf kaum oder nicht überwundene<br />

Schwierigkeiten bei ihren Vernetzungsversuchen.<br />

Soziales Geschlecht und kulturelle Unterschiede als Vernetzungsbarriere<br />

Zuwanderer, insbesondere Männer waren teilweise schwer für Beteiligungen und<br />

Vernetzungen zu gewinnen. Ein Grund mag in den Sprachproblemen und dem daraus<br />

resultierenden fehlenden Vertrauen in die eigene Artikulationsfähigkeit liegen.<br />

Insbesondere bei den Zuwanderern brachte die Geschlechtszugehörigkeit Unterschiede für die<br />

Möglichkeit der Beteiligung an Grätzelmanagement Aktivitäten. Manche Männer und<br />

Gewerbetreibende hatten aufgrund ihrer Arbeitstätigkeit keine Zeit, in die <strong>Arbeitskreis</strong>e zu<br />

kommen oder der Zeitpunkt des <strong>Arbeitskreis</strong>es war zu früh bzw. die Termine unter der Woche<br />

ungünstig (I2_w30-39: 253-254). Außerdem zeigten die männlichen Zuwanderer wenig<br />

Interesse an den Aktivitäten vom Grätzelmanagement und blieben lieber unter sich (I2_w30-<br />

39: 606-610). Erschwerend hinzu kam, dass die weibliche Grätzelmanagerin von vielen<br />

männlichen Zuwanderern nicht als gleichberechtigte Gesprächspartnerin ernst genommen<br />

wurde (I2_w30-39: 610-620), wobei auch ihr männlicher Kollege nicht mehr Erfolg hatte,<br />

männliche Zuwanderer in Aktivitäten des Grätzelmanagements einzubinden.<br />

Auch afrikanische Frauen und Frauen aus Ex-Jugoslawien sind oft arbeitstätig und hatten daher<br />

weniger Zeit bzw. kamen weniger in den <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen (I2_w30-39: 280-285).<br />

Dazu kam, dass bei den Menschen orientalischer Herkunft die Geschlechtertrennung<br />

traditionell stärker ausgeprägt ist und daher durften die entsprechenden Frauen weniger an<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>en teilnehmen, weil dort ihre Männer keinen Einblick hatten, zum Beispiel ob sie<br />

Kontakt mit anderen Männern haben, so die für den Frauenkulturtreff zuständige<br />

Grätzelmanagerin (I2_w30-39: 298-304). Zudem stellte die Grätzelmanagerin fest, dass<br />

weibliche Beteiligung an öffentlichen Zusammentreffen in der Herkunftskultur vieler<br />

Zuwanderer nicht verankert ist, weil die patriarchalischen Gesellschaftssysteme die<br />

Entscheidungen den männlichen Gesellschaftsmitgliedern überlassen (I2_w30-39: 191-194).<br />

Diese Männer verlangten von ihren Frauen, dass sie früher nach Hause kommen, unter dem<br />

Vorwand zu kochen oder die Kinder zu versorgen, weshalb auch der Frauenkulturtreff um eine<br />

Stunde vorverlegt wurde (I11_w60-69: 66-67).<br />

122


Auch das Kinderbetreuungsproblem schlug sich im Grätzelmanagement nieder. Viele Frauen<br />

konnten ihre Kinder nirgends abgeben und daher an manchen Veranstaltungen oder<br />

Unternehmungen nicht teilnehmen (I11_w60-69: 298-299). Als die Aktivitäten der zuständigen<br />

Grätzelmanagerin von der Grätzelmanagement Leitung eingeschränkt wurden und sie sich<br />

nicht mehr in dem Ausmaß den Anliegen der Zuwanderinnen widmen konnte, blieben viele<br />

Frauen den Treffen fern (I11_w60-69: 204-206).<br />

Ein weiterer Grund wurde mehrmals genannt, der darin lag, dass für Zuwanderer andere<br />

Probleme wichtiger waren als die, welche nur das Grätzel betrafen (I1_w30-39: 384-388).<br />

Dabei ging es u.a. um Aufenthaltsprobleme, Wohnprobleme oder bürokratische Probleme<br />

(I2_w30-39: 110-111), während sie meist mit dem zufrieden waren, was sie im Grätzel hatten<br />

(I2_w30-39: 126). Demnach geht es für viele Zuwanderer nach ihrer Ankunft in Österreich<br />

zunächst einmal um grundsätzliche rechtliche Klärungen, die den Aufenthalt überhaupt<br />

ermöglichen und eine längerfristige Planung der Existenz in Österreich erlauben.<br />

Aber auch vom Grätzelmanagement selbst ging ein Problem aus, das viele Zuwanderer davon<br />

abhielt, die Aktivitäten im Grätzelmanagement aufzusuchen und den Austausch mit anderen<br />

Stadtteilbewohnern zu pflegen. Das Grätzelmanagement hatte einen offiziellen Charakter aus<br />

Sicht der Zuwanderer und sie trauten sich dann aus sprachlichen Gründen nicht, sich in ein<br />

Gespräch einzubringen (I1_w30-39: 399-402). Außerdem führten die <strong>Arbeitskreis</strong>e zu einem<br />

gewissen Maß an Verbindlichkeit, die vielen Zuwanderern unangenehm waren oder ihnen<br />

Angst machten, insbesondere den Frauen.<br />

„Es sind dann langsam die Zuwanderer nicht mehr gekommen weil die Technik mit<br />

flipchart, mit aufschreiben und Anwesenheitsliste führen und Telefonnummern eventuell<br />

dazu schreiben das hat irgendwie so erschreckend gewirkt. Auch das Büro hat so einen<br />

behördlichen Charakter für sie, `aha wenn ich da jetzt meinen Namen sage wo landet<br />

das?` also irgendwelche Ängste ja. Und die haben dann oft Briefe nach Hause geschickt,<br />

so Protokolle und so und das war dann wieder eine verstärkte Angst auch vor den<br />

Männern“ (I2_w30-39:164-170).<br />

Dazu kam, dass Begriffe wie <strong>Arbeitskreis</strong> oder Moderation zu hochschwellig für die meisten<br />

Zuwanderer im Grätzel waren und sie diese nicht ansprachen bzw. nicht verstanden (I2_w30-<br />

39: 370-375).<br />

Es handelt sich dabei oft um Begriffe, die in der gebildeten österreichischen Mittelschicht<br />

bekannt sind, die aber auch von vielen Österreichern nicht gekannt oder verstanden werden,<br />

also kein rein sprachliches Problem darstellen, sondern ein kulturelles Kapital voraussetzen,<br />

das gerade in benachteiligten Stadtteilen mit Bewohnern aus meist unteren Bildungsschichten<br />

nicht selbstverständlich verlangt werden kann. Viele Zuwanderer waren zudem Analphabeten<br />

(I2_w30-39: 190-191). So waren die Begrifflichkeiten aber auch die damit verbundenen<br />

Methoden den meisten Bewohnern und vor allem den nicht-österreichischen<br />

123


Stadtteilbewohnern weitgehend fremd. Das Grätzelmanagement reagierte offenbar nicht<br />

ausreichend auf die geringe Beteiligung der Zuwanderer. Die unterschiedlichen<br />

Kulturtechniken und Wertvorstellungen wurden in den Empowermentversuchen zu wenig<br />

berücksichtigt. Ein stärkeres Entgegenkommen auf die spezifischen kulturellen Gewohnheiten<br />

der Zuwanderer ist weitgehend ausgeblieben, sieht man einmal von der Beteiligung bei der<br />

Umgestaltung vom Volkertplatz ab. Die Grätzelmanagerin für Zuwanderer war im<br />

Grätzelmanagement nur wenige Stunden in der Woche beschäftigt.<br />

Unternehmer im Stadtteil und das Problem ihrer Vernetzung<br />

Unter den Unternehmern bzw. Gewerbetreibenden im Grätzel kam es wie weiter oben<br />

dargestellt nur bedingt zu Vernetzungen. Gescheitert sind die Versuche an der sozialen<br />

Trennung zwischen Marktbetreibern des zentral gelegenen Volkertmarktes. Auf der einen Seite<br />

mangelte es an Einigkeit hinsichtlich Ideen und Vorstellungen über die Zukunft und die Ziele<br />

eines Marktes, der in Zeiten von preisgünstigeren Supermarktketten dringend Innovationen für<br />

dessen Weiterbestand gebraucht hätte. Es wurde einigen Marktstandbesitzern mangelnde<br />

Offenheit bezüglich Modernisierung und strategischem unternehmerischem Denken<br />

vorgeworfen (I8_m40-49: 74-84).<br />

„Die dort sperren in der Früh auf und haben zwei Kunden und sind zufrieden“<br />

(I10_w30-39m40-49: 543-544).<br />

Sie standen Einflüssen von außen ablehnend gegenüber und sie schrieben die Ursachen für ihre<br />

Probleme externen Akteuren zu, wie im Fall der Bank, welche die Einrichtung eines<br />

Bargeldautomaten abgelehnt hatte.<br />

Viele österreichische Gewerbetreibende im Grätzel standen außerdem bereits kurz vor der<br />

Pensionierung und verfolgten keine modernen Unternehmensstrategien, weshalb sie an<br />

Vernetzungen und Kooperationen im Stadtteil mit dem Grätzelmanagement oder anderen<br />

Gewerbetreibenden wenig Interesse hatten (I1_w30-39: 1091-1094). Fehlende Motivation<br />

aufgrund der Lebensphase verhinderte damit zusätzlich die Beteiligung an Grätzelmanagement<br />

Aktivitäten:<br />

„Teilweise stehen sie kurz vor der Pension und fragen sich, was soll ich mich da noch<br />

engagieren, bringt eh nichts die ganze Geschichte. Es war immer sehr sehr schwierig,<br />

die Gewerbetreibenden hier einzubinden“ (I1_w30-39: 1101-1104).<br />

Auf der anderen Seite stand der ersten Gruppe eine „Noch-Minderheit“ von zugewanderten<br />

Marktstandbetreibern gegenüber, die für Flexibilisierung und Ausweitung der<br />

Geschäftsbereiche eintraten und sich kulturell bzw. bezüglich ihrer Ideen nicht mit der ersten<br />

Gruppe identifizieren konnten.<br />

124


„Wir haben am Anfang gesprochen mit anderen Geschäftsleuten aber es ist schwierig,<br />

jeder hat seine eigene Ideologie und es ist schwer einen gleichen Weg zu finden“<br />

(I12_m30-39: 30-32).<br />

Aufgrund kultureller Unterschiede und unterschiedlicher Wünsche wurden die gemeinsamen<br />

Feste zu Beginn vom Markt wieder eingestellt:<br />

„Lauter Leute, die gerne Bier trinken und das hat nur für den Markt geschadet. Die<br />

Leute haben sich sozusagen erschrocken, weil bei uns kommen sehr viele Mütter mit<br />

Kindern und die sehen drinnen die Leute, die ziemlich viel Alkohol trinken. Das ist nicht<br />

schön. Welche Frau mit einem kleinen Kind will sich dort aufhalten“ (I12_m30-39: 41-<br />

45).<br />

Gegensätzliche Interessen um die Ladenöffnungszeiten zeigten eine weitere grundlegende<br />

Differenz auf. Das Grätzelmanagement war praktisch die dritte Gruppe in dieser Konstellation,<br />

konnte diese Grenzen zwischen den beiden Gruppen am Markt aber nicht überwinden. Wobei<br />

die Frage offen bleibt, ob die alteingesessenen Marktstandbetreiber das Grätzelmanagement,<br />

die Veränderungen in eingefahrene Strukturen herbeiführen wollten, als Machtkonkurrenz<br />

erlebten. So bleibt auch zu bezweifeln, dass eine Polarisierung zwischen den beiden<br />

Marktgruppen in „Aktive“ und „Verhinderer“ zulässig ist:<br />

„die eine Seite (...), das waren die Verhinderer und die anderen waren eher die Aktiven.<br />

Und das war natürlich ein Blödsinn, wenn ich sage ich kümmere mich nur um die eine<br />

Seite des Marktes“ (I10_w30-39m40-49: 105-107).<br />

Die finanzielle Förderung nur auf einen Teil der Gewerbetreibenden zu beschränken war vor<br />

dem Hintergrund der EU-Kriterien nicht zu rechtfertigen. Hier mangelte es eventuell an<br />

sozialer Kompetenz und einschlägiger Qualifikation der Grätzelmanager des WWFF, die<br />

eigene Rolle als Akteur im Stadtteil zu reflektieren und das Verhältnis zu den Marktleuten als<br />

Faktor des Vernetzungserfolges wahrzunehmen. Sogenannte „Verhinderer“ müssen nicht per<br />

se passiv sein. Eindeutig ist diese Frage jedoch hier nicht zu klären.<br />

Ungleiche Machtverteilung in den Netzwerken<br />

Ungleichgewichte in der Machtverteilung innerhalb von Netzwerken des Grätzels konnten<br />

auch vom Grätzelmanagement nur schwer ausgeglichen werden. Besonders wenn es sich um<br />

alteingesessene gewohnte Strukturen handelte, wie sie durch den Markt als Meinungsbildner<br />

und Grätzelzentrum verfestigt wurden.<br />

Dort hatte die Marktsprecherin großes Gewicht, wenn es darum ging, den Markt als Akteur für<br />

Grätzelmanagement Veranstaltungen oder Beteiligungen bei Aushandlungen zu gewinnen<br />

(I1_w30-39: 545-547). Sie galt als starke Meinungsbildnerin unter den Gewerbetreibenden<br />

(I1_w30-39: 571-573). So waren die Misserfolge im <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft nicht nur von<br />

ungleichen Interessen gekennzeichnet sondern auch von einer besonderen Einflussnahme<br />

einzelner Personen gegen das Grätzelmanagement (I1_w30-39: 571-573). Die Marktsprecherin<br />

125


war insofern nicht kooperationsbereit als sie das Marktfest nicht mit dem <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur<br />

und Gesellschaft terminlich koordinierte und gemeinsame Aktivitäten mit anderen<br />

Marktständen verhinderte, indem sie den Zugang zu Ressourcen wie die elektrische<br />

Stromversorgung am Markt verhinderte (I9_m50-59: 467-483). Es konnte sich auch im<br />

Grätzelmanagement niemand die spezielle Machtposition der Marktsprecherin erklären.<br />

„Mit ihrer Stimme hat sie Initiativen einfach verhindern können, wo aber keiner gewusst<br />

hat aufgrund welcher Basis hat die überhaupt das Recht. Jeder hat immer Angst gehabt<br />

vor der Frau Schindler (Name vom Verf. geändert)“ (I10_w30-40m40: 698-701).<br />

Die Funktion des Marktsprechers oder der Marktsprecherin ist eine informelle, nie schriftlich<br />

festgelegte Funktion und der Nachweis einer Legitimation ist somit unmöglich. Die<br />

Übernahme dieser Funktion basiert auf Freiwilligkeit und ihr geht keine Wahl durch ein<br />

Gremium oder andere Einrichtungen voraus, so der Marktamtsabteilungsleiter für den 2.<br />

Bezirk 47 . Die auf Dauer verfestigte Überzeugung von der Bedeutung der Person, welche diese<br />

informelle Funktion ausübt, ist also allein ausschlaggebend. Es wurde jedoch verabsäumt,<br />

diesen Sachverhalt im Grätzel bekannt zu machen, wenn das auch nicht die Aufgabe des<br />

neutralen Grätzelmanagements gewesen wäre. Dabei muss allerdings in Frage gestellt werden,<br />

ob eine diesbezügliche Aufklärung die Fronten nicht eher verhärtet hätte, kann das<br />

Grätzelmanagement aus Sicht der Marktbetreiber und auch umgekehrt doch auch als<br />

Konkurrent um Macht gedeutet werden.<br />

Die unterschiedlichen Artikulationsfähigkeiten sozialer Gruppen führten in<br />

Beteiligungsprozessen zu den auch in anderen Beteiligungsinitiativen bekannten<br />

Ungleichheiten in der faktischen Machtverteilung. Die Verteilung von Einfluss kann auch im<br />

<strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum und seiner Beschäftigung mit der Umgestaltung des<br />

Volkertplatzes kritisch betrachtet werden. Es haben sich beim Volkertplatz nämlich Gruppen<br />

beteiligt, die dann weniger die eigentlichen Nutzer darstellten (I4_m50-59: 434-435). So waren<br />

im Arbeitkreis vornehmlich österreichische Teilnehmer aktiv, während nach längerer<br />

Beobachtung festzustellen war, dass der Platz weitgehend von Frauen und Kindern<br />

migrantischen Hintergrunds genutzt wurde. Dieses Ungleichgewicht versuchte das<br />

Grätzelmanagement auszugleichen, indem es Zuwanderer in eigenen Gruppen dazu bewegte,<br />

ihre Ideen und Wünsche über bildliche Mitgestaltung einzubringen (I8_m40-49: 385-398). Die<br />

dort gesammelten Informationen und Ideen mussten dann wieder in den <strong>Arbeitskreis</strong><br />

öffentlicher Raum ohne Zuwanderer zurück gespielt werden, um dort weiter behandelt werden<br />

47 Laut Herrn Lastowiczka, Telefonat vom 20.6.2007<br />

126


zu können (I8_m40-49: 404-407). Damit blieb jedoch der <strong>Arbeitskreis</strong> der Filter und der Ort<br />

der letzten Entscheidung über die Einbringung von Ideen in den Planungsprozess der<br />

Verwaltung. Dabei kam es zu keinem unmittelbaren Austausch geschweige denn einer<br />

unmittelbaren Vermittlung unterschiedlicher Interessen und Meinungen, womit auch eine<br />

Chance der Begegnung und einer tiefergehenden Integration versäumt wurde.<br />

EU-Förderkriterien vs. Engagement der lokalen Akteure<br />

Neben dem bürokratischen Charakter des Grätzelmanagements aus Sicht der Zuwanderer ging<br />

ein weiteres Problem vom Grätzelmanagement aus. Im Nachhinein müssen die vielen<br />

Versprechungen und Zusagen der verschiedenen Grätzelmanager hinsichtlich der<br />

weitreichenden Förderungsmöglichkeiten als unvorsichtig bezeichnet werden. Die<br />

Förderkriterien der EU waren weit enger formuliert und strenger umzusetzen als ursprünglich<br />

geglaubt oder den Bewohnern und Unternehmern versprochen:<br />

„... das war am Anfang das Problem, dass keiner gewusst hat welche Maßnahmen kann<br />

eigentlich tatsächlich fördern und dann ist einmal alles in den Beirat gegangen zur<br />

Abstimmung, die Leute haben sich gefreut und dann ist die Hälfte abgelehnt worden, weil<br />

es keine Chance gegeben hat, die zu fördern. Dann ist das Engagement in den Keller<br />

gefallen, weil du erzählst mir vorher, das geht alles und ich zerbreche mir den Kopf und<br />

geht es aber doch nicht“ (I10_w30-39m40-49: 168-173).<br />

Gerade zu Beginn einen Enthusiasmus zu fördern, der dann teilweise ins Leere läuft, ohne<br />

genauer zu wissen, was man dabei verspricht, kann in einer Phase, in der noch das Vertrauen<br />

und die Beziehungen unter den Akteuren zu schwach ausgeprägt sind, für angehende<br />

Vernetzungen kontraproduktiv wirken. So hat es sich überhaupt als problematisch<br />

herausgestellt, dass die Projektideen sich nicht mit den Förderkriterien deckten und „von<br />

unten“ was anderes benötigt wurde als „von oben“ intendiert war. Diese Divergenzen<br />

bezüglich Angebot und Nachfrage wirkten sich auf die Motivation zur Beteiligung hemmend<br />

aus und schreckte schließlich viele Akteure ab.<br />

Fehlende Bindung an den Stadtteil<br />

Im Stadtteil Volkert- und Alliiertenviertel haben sich in den letzten Jahren einige Betriebe<br />

niedergelassen, die einer größeren überregionalen Firmenkette angehören. Die Strategien<br />

dieser Betriebe sind jedoch zumeist zentralistisch gesteuert und daher weniger an der lokalen<br />

Entwicklung orientiert oder in diese eingebunden. Die Versuche, solche Betriebe für Interessen<br />

des Stadtteils zu gewinnen sind letztlich fehlgeschlagen. Die ortsansässige ursprünglich<br />

österreichische Bank mit Filialen in weiten Teilen Europas ist dem breiten Interesse der<br />

Stadtteilakteure, einen Bargeldautomaten zu installieren nicht nachgekommen und hat im<br />

127


Frühjahr 2007 gar die Filiale am Volkertplatz geschlossen. Der Filialleiter musste sich dabei<br />

den Konzerninteressen fügen. Von einer Beteiligung im <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft konnte hier<br />

keine Rede sein.<br />

Diesen Filialbetrieben fehlt die Bindung an den Stadtteil (I3_m50-59: 287-296) und kleine<br />

Betriebe, die sich mehr auf die örtliche Situation einstellen, gibt es immer weniger (I3_m50-<br />

59: 305). Der Stadtteil befindet sich in einer langwierigen wirtschaftlichen<br />

Umstrukturierungsphase, die vom Grätzelmanagement auch nicht wesentlich beeinflusst<br />

werden konnte. An den überregionalen Interessen und Strategien von großen Unternehmen<br />

scheiterten schließlich lokale Strategien wie das Grätzelmanagement.<br />

Aber auch Institutionen, welche das öffentliche Interesse vertreten, konnten nicht in<br />

Grätzelmanagement Aktivitäten einbezogen werden, weil ihnen vermutlich die Aktionsebene<br />

Stadtteil zu kleinräumig war. So konnten manche zentral organisierten Institutionen nicht für<br />

ein lokales Engagement gewonnen werden. Arbeitsmarktpolitische Projekte waren nicht die<br />

Kompetenz des Grätzelmanagement, weshalb es auch mangels kompetenter Partner zu keinen<br />

diesbezüglichen Projekten kommen konnte (I4_m50-59: 277-278).<br />

Zugangsbeschränkungen für die Beteiligung<br />

Viele Aktivitäten des Grätzelmanagements waren von vorne herein so konzipiert, dass nur eine<br />

definierte Gruppe von Akteuren zur Beteiligung zugelassen wurde. Eine breitere Vernetzung<br />

und Vermittlung war dort damit unterbunden.<br />

Bei der Diskussion um die Abgrenzung des Volkertmarktes zum Freizeitbereich des<br />

Volkertplatzes in Richtung Rueppgasse wurden nach Definition des Bezirksvorstehers nur die<br />

Marktleute einbezogen, nicht die Nutzer des Freiraums, mit der Begründung, dass hier nur die<br />

Wirtschaft die Betroffenen waren (I3_m50-59: 389-394). Die Frage nach der Betroffenheit und<br />

der daraus abgeleiteten Rechtfertigung für eine Beteiligung ist objektiv schwer zu beantworten.<br />

Wer sich subjektiv betroffen fühlt und konstruktiv einbringt, könnte jedoch zu einer<br />

verständigungsorientierten Diskussion beitragen.<br />

Die meisten <strong>Arbeitskreis</strong>e waren nicht nur thematisch eingegrenzt, sondern auch was ihre<br />

Teilnahme betraf. Oft wurde diese Begrenzung plausibel begründet. Eine weitere Öffnung<br />

stellte sich in manchen Fällen jedoch manchmal als fruchtbar heraus. Der <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive<br />

Frauen (nur für Frauen), der <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum (nicht für Institutionen), der<br />

<strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen (nur für Institutionen) oder der <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft (nur<br />

Unternehmer) waren offiziell auf Gruppen beschränkt.<br />

128


Der <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum war nur für Bewohner und Unternehmer vorgesehen, nicht<br />

für Institutionen, weshalb der Jugendtreff J.at anfangs nicht dabei war, dann jedoch für die<br />

Jugendeinrichtung geöffnet wurde, wie z.B. für das Thema Ballspielen und Ballspielkäfig<br />

(I13_w30-39: 57-63).<br />

Viele Institutionen im Grätzel wie u.a. die Kirchen oder der Jugendtreff konzentrierten sich<br />

zwar sehr aktiv auf ihre jeweiligen Zielgruppen, konnten dadurch aber nur wenig zu einer<br />

Vernetzung unterschiedlicher Gruppen beitragen (I1_w30-39: 579-581). Dadurch ließen sich<br />

diese Institutionen auch nur eingeschränkt in Aktivitäten des Grätzelmanagement einbinden,<br />

die eine breitere Einbindung vorsahen. Eine themenübergreifende Zusammenarbeit war nicht<br />

möglich.<br />

Kündigung des Grätzelmanagers<br />

Die Kündigung des Grätzelmanagers für Bewohner im Sommer 2006 war ein Bruch im<br />

Verlauf des Grätzelmanagements. Der <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft und der<br />

<strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen legten ihre Aktivitäten bis zum Ende des Grätzelmanagements<br />

2006 aus Protest nieder und geplante Veranstaltungen wurden abgesagt.<br />

„Richard (Name von Verf. geändert) hat halt da seine Klientel gehabt und die haben<br />

gesagt, wenn er nicht mehr da ist, kommen wir halt auch nicht mehr“ (I11_w60-69: 207-<br />

209).<br />

Der Kündigungsgrund war für die Bewohner nicht nachvollziehbar. Eine Fortsetzung der<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>aktivitäten war erst wieder für Jänner 2007 angedacht (I1_w30-39: 485-488). Das<br />

Vorgehen der Vorgesetzten der Gebietsbetreuung wurde als Vertrauensbruch gedeutet und das<br />

Vertrauen in das Grätzelmanagement war in Folge erschüttert, da ein solcher Umgang mit<br />

Menschen von vielen Bewohnern nicht toleriert wurde (I1_w30-39: 481-483, I8_m40-49: 485).<br />

Der verantwortliche Leiter der Gebietsbetreuung wurde von <strong>Arbeitskreis</strong>teilnehmern zur<br />

Stellungnahme und Begründung der Kündigung vor den Leuten der <strong>Arbeitskreis</strong>e aufgefordert,<br />

was dann auch geschah (I9_m50-59: 346-353).<br />

Nur die Aktivitäten beim „Grätzl-Blattl“ wurden von den Beteiligten vom <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur<br />

und Gesellschaft und vom <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen aufrecht gehalten (I1_w30-39: 489-490).<br />

Die Teilnehmer vom <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft trafen sich weiter privat und berieten<br />

über die Fortsetzung der Aktivitäten im Jänner 2007 (I9_m50-59: 354-357).<br />

Das Beispiel zeigt außerdem, dass eine persönliche Bindung an einzelne Personen<br />

stattgefunden hat, die durch besonders stark entwickeltes Vertrauen Netzwerke stabilisiert hat.<br />

129


5.2.10. Initiativen<br />

Neben der Einrichtung Grätzelmanagement vor Ort initiierten lokale Akteure auch immer<br />

wieder Alleingänge. Dies geschah vor allem dann, wenn diese Akteure ihre Interessen über das<br />

Grätzelmanagement nicht stark genug vertreten sahen und den Druck und den Einfluss bei der<br />

Bezirkspolitik erhöhen wollten. Das Jugendtreff J.at hat zum Beispiel eine<br />

Unterschriftenaktion für den Bau des Ballspielkäfigs im Rahmen der Umgestaltung des<br />

Volkertplatzes gestartet und die Liste dem Bezirksvorsteher übergeben (I13_w30-39: 82-85).<br />

Auch die Marktleute haben eine Unterschriftenaktion gegen die Fußgängerzone in Erwägung<br />

gezogen, diese dann jedoch nicht umgesetzt (I13_w30-39: 86-88). Das Grätzelmanagement<br />

blieb hier insofern erfolglos, als es seine vermittelnde Rolle verlor, die gemeinsame Diskussion<br />

abgebrochen wurde und ein Konsens nicht mehr möglich war. In beiden Streitpunkten wurden<br />

die Entscheidungen schließlich „von oben“ (Jury, Bezirksvertretung) getroffen.<br />

5.2.11. Nachhaltigkeit: selbsttragende Strukturen<br />

Gerade bei einem als Pilotprojekt titulierten Programm wie dem Grätzelmanagement stellt sich<br />

am Ende die Frage nach der Nachhaltigkeit, nach den Strukturen, die nach Ablauf des<br />

Programms weiterbestehen. Insbesondere die selbsttragenden sozialen Strukturen auf<br />

Stadtteilebene interessieren in diesem Kapitel. Bei den <strong>Arbeitskreis</strong>en stellt sich das<br />

folgendermaßen dar. Die Teilnehmer des <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft haben nach<br />

Ende der Projektphase Grätzelmanagement einen Verein für Veranstaltungen gegründet<br />

(I4_m50-59: 342). Im Jänner 2007 ist dieser Verein „Grätzel aktiv Volkert- Alliiertenviertel“<br />

bereits ins Leben gerufen worden und er besteht hauptsächlich aus den selben Personen wie die<br />

beiden bereits vorher gut vernetzten <strong>Arbeitskreis</strong>e Kultur und Gesellschaft und Aktive Frauen<br />

(I9_m50-59: 235-240). Der Verein bekommt für Besprechungen jederzeit Zugang zum<br />

Gebietsbetreuungsbüro am Volkertplatz, dem ehemaligen Grätzelmanagement Büro (I9_m50-<br />

59: 513-516).<br />

Der <strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen besteht zwar nach wie vor, trifft aber nur mehr alle zwei Monate<br />

zusammen.<br />

Der <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum ist nach letzten Angaben im Februar 2007 auch noch aktiv<br />

gewesen und beschäftigt sich weiter mit allgemeinen Fragen des öffentlichen Raumes und des<br />

Verkehrs.<br />

Ebenfalls weiter bestehen wird die Zeitung bzw. der Verein „Grätzl-Blattl“, das Grätzelfest<br />

und der Grätzelball, der im Februar 2007 auch stattgefunden hat.<br />

130


Nach Ansicht des bis Sommer 2006 beschäftigten Grätzelmanager wird das Gefühl ernst<br />

genommen worden zu sein nachhaltig in die kommenden Aktivitäten hineinwirken (I8_m40-<br />

49-49: 364-375). Das „Grätzl-Blattl“ wird als Kooperationspartner erhalten bleiben und im<br />

September das Sommerkino mit veranstalten. Außerdem sind das Herbstfest und der<br />

Weihnachtsmarkt geplant (I9_m50-59: 235-250). Diese Realhandlungen werden<br />

wahrscheinlich dazu beitragen, dass die Vereine und Gruppen weiter zusammentreffen und<br />

Anlässe finden, sich auszutauschen bzw. die Aktivitäten in längerfristige Vorhaben ausbauen.<br />

Der <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft hat sich bereits während des Grätzelmanagement mangels<br />

Interesse still aufgelöst. Die Betreuerin und ehemalige im Stadtteil bereits bekannte<br />

Grätzelmanagerin für Wirtschaft bietet aber im Büro der Gebietsbetreuung nach wie vor<br />

Beratungstermine an. Das BSC (Business Service Center) bildet die Fortsetzung der WWFF-<br />

Aktivitäten und ist als eigenes Ziel2 Projekt bis Mitte 2008 konzipiert, um die lokale<br />

Wirtschaftssituation weiter zu verbessern (I10_w30-39m40-49: 222-228). Das BSC benötigt in<br />

Zukunft den Grätzelbeirat als Entscheidungsgremium nicht mehr, möchte jedoch den<br />

Bezirksvorsteher auch in Zukunft über die diesbezüglichen Aktivitäten informieren (I10_w30-<br />

39m40-49: 259-260).<br />

Auch der Grätzelbeirat wird in Zukunft als ein Entscheidungsgremium beibehalten werden,<br />

jedoch war im Februar 2007 noch nicht klar in welcher Form und mit welchen Mitgliedern.<br />

Im informellen Bereich sind vor allem die vielen neuen Freundschaften, die sich innerhalb des<br />

Viertels entwickelt haben zu erwähnen (I4_m50-59: 363-364). Kontakte und Bekanntschaften<br />

haben sich neben den <strong>Arbeitskreis</strong>en etabliert.<br />

Manche Aktiven gaben sich zum Ende des Grätzelmanagement betont selbstbewusst und<br />

zukunftsorientiert.<br />

Der Wille zu mehr Eigenverantwortung scheint da bereits Fuß gefasst zu haben:<br />

„(...) aber jetzt sind wir an der Reihe. Sie haben uns ein Beispiel gezeigt, aber jetzt sind<br />

wir an der Reihe“ (12_m30-39: 151-152).<br />

Auch am Grätzelforum im Sommer 2006 haben die aktiven Bewohner vom „Grätzl-Blattl“<br />

und dem <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft die Not zur Tugend gemacht und selbstbewusst<br />

die eigenständige Finanzierung zukünftiger Aktivitäten proklamiert. Ob ein so reibungsloser<br />

Übergang in eine langfristige Selbstständigkeit bei Ausbleiben öffentlicher Unterstützung<br />

gelingen kann, bleibt abzuwarten.<br />

So meinen kritische Stimmen, dass es verschiedenste Infrastruktur und Ressourcen wie Räume,<br />

Papier, Moderation, unterstützende Intervention auch in Zukunft bräuchte (I6_m33: 418-421).<br />

131


Zudem hätten für die Zukunft rechtzeitig lokale Institutionen gefunden werden müssen, die<br />

eine weitere Unterstützung bestehender Netzwerke gewährleisten (I6_m30-39: 434-441). Das<br />

ist soweit bekannt nur mit der Bereitschaft der Gebietsbetreuungen geschehen, ihre Büroräume<br />

für Besprechungen des Vereins „Grätzel Aktiv“ und der bestehenden <strong>Arbeitskreis</strong>e zur<br />

Verfügung zu stellen.<br />

Dazu kommt, dass es zum Beispiel im <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft zum Ende des<br />

Grätzelmanagement an einer ordentlichen Verabschiedung und Überleitung in die<br />

Selbstständigkeit fehlte und der Ablöseprozess damit nicht vollzogen war, wodurch die Gefahr<br />

bestand, Unklarheiten und Spannungen mit in die Selbstständigkeit zu nehmen (I8_m40-49:<br />

486-489).<br />

132


6. Vertikale Vernetzung durch das Grätzelmanagement<br />

Die soziale Vernetzung zwischen der Stadtteilebene und der Ebene der Politik und Verwaltung<br />

sollte zu einem verbesserten Austausch von Informationen und Wünschen führen. Die<br />

Problemlösungen sollten so besser auf den Stadtteil abgestimmt werden. Außerdem geht es<br />

darum, eine verständigungsorientierte Kommunikation zwischen den Ebenen zu fördern.<br />

6.1. Grätzelbeirat<br />

Der Grätzelbeirat war das Entscheidungsgremium zur Beschlussfassung der von den<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>en eingereichten Projekten (I6_m30-39: 109-110). Hier wurden die angesuchten<br />

förderfähigen Projekte nach ihrer Förderwürdigkeit eingestuft (I6_m30-39: 111-112). Die<br />

Statuten regelten die Teilnahme, die Abstimmung oder auch die Hinzuziehung von<br />

Fachexperten zur Beratung. Stimmberechtigt war der WWFF, die MA 25, die MA 27, die<br />

Magistratsdirektion Baudirektion, die Bezirksvorstehung Leopoldstadt sowie die Sprecher der<br />

jeweiligen <strong>Arbeitskreis</strong>e außer vom <strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen, d.h. maximal fünf<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>vertreter. Weiteres, jedoch nicht stimmberechtigtes Mitglied war das WZW und<br />

der Bürgerdienst. Den Vorsitz hatte das nicht stimmberechtigte Grätzelmanagement. Für die<br />

Beschließung von Projekten war eine Mehrheit von mehr als 50% notwendig, für eine<br />

Änderung der Geschäftsordnung eine 2/3 Mehrheit.<br />

Der Grätzelbeirat war öffentlich zugänglich, Interessierte konnten diesen also (ohne<br />

Stimmberechtigung) besuchen.<br />

Der Grätzelbeirat fand vierteljährlich in den Räumlichkeiten der Bezirksvorstehung statt.<br />

Er war der offizielle Ort der Begegnung der Ebenen Verwaltung, Politik, Grätzelmanagement<br />

und lokaler Akteure.<br />

Die MA 27 war als kompetenter Experte der EU-Kriterien nur selten im Beirat anwesend, hielt<br />

lediglich über den Ziel2 Beirat Kontakt zur Bezirksvertretung (I5_m40-49: 137-142). Sie stand<br />

als Vertreter der Verwaltung und potentieller Ratgeber in Sachen EU Förderungen damit kaum<br />

im Grätzelbeirat zur Verfügung, was die Vermittlung eines wesentlichen Anteils des<br />

Tagesgeschäftes des Grätzelmanagements, nämlich die übergeordneten Rahmenbedingungen<br />

wie die Finanzierung von Projekten, zu den Akteuren auf lokaler Ebene beeinträchtigte.<br />

Das Unwissen über die Förderkriterien war gerade zu Beginn ein wesentlicher Faktor zur<br />

Verunsicherung und Demotivierung aller beteiligten Akteure.<br />

133


Auch der Bezirksvorsteher entfernte sich nach Eröffnung des Grätzelbeirats meist und ließ sich<br />

allerdings durch einen Stellvertreter für die Besprechung von Einzelheiten ersetzen (I9_m50-<br />

59: 411-414).<br />

Der Grätzelbeirat hat eine eigene Ebene von Öffentlichkeit geschaffen, die über die<br />

anwesenden Akteure erzeugt wurde und so „nach draußen“ breiter gestreut werden konnte.<br />

Nach Meinung des WZW Mitarbeiters hat der Grätzelbeirat die Transparenz der<br />

Entscheidungen und die Kommunikation im Grätzel verbessert (I6_m30-39: 332-360). Er hob<br />

dabei besonders die Rolle des MD BD Mitarbeiters und seine kommunikativen Fähigkeiten<br />

hervor:<br />

„Der Bogner (Name geändert d. Verf.) war in der Lage zu kommunizieren authentisch<br />

meiner Meinung nach, warum gewisse Dinge einfach dauern, weil gewisse Prozesse<br />

komplex sind und weil es dort ur viele Akteure gibt und (...). Das hat er immer wieder<br />

kommuniziert. Gut finde ich. Und die Bewohner waren immer wieder in der Lage zu<br />

sehen und was ist das jetzt“<br />

(I6_m30-39: 338-341).<br />

Das gegenseitige Vertrauen stieg im Laufe der Jahre im Grätzelbeirat.<br />

„Ich kann wirklich sagen, dass das fast ein familiäres Ambiente dort ist, die sich alle schon<br />

jahrelang gut kennen und sie wissen, es ist keiner in seinen Forderungen unverschämt“<br />

(I9_m50-59: 422-424).<br />

Der Zugang zum Beirat war zwar öffentlich, das Stimmrecht war allerdings auf definierte<br />

Institutionen und Personen beschränkt. Die <strong>Arbeitskreis</strong>sprecher konnten bei Abwesenheit eine<br />

Vertretung bestimmen und ihr Stimmrecht abgeben (I9_m50-59: 429-431).<br />

6.2. Projektkoordinationsgruppe<br />

Die Projektkoordinationsgruppe wurde erst später im Verlauf des Grätzelmanagement<br />

eingerichtet. Zwei bis drei Wochen vor dem Grätzelbeirat traf sie zusammen. Dabei wurden die<br />

Projektideen aus den <strong>Arbeitskreis</strong>en von Vertretern des WWFF und der Bezirksvorstehung<br />

sowie einem Grätzelmanager besprochen. Die Anträge wurden auf ihre EU-Förderfähigkeit<br />

geprüft und eventuell umformuliert. Im Projektlaufbogen wurde vom Grätzelmanager der<br />

Projekttitel, die Zielgruppe, das Ziel der Projektmaßnahmen und die Kosten eingetragen. Das<br />

ausgefüllte Formular wurde anschließend noch mit dem <strong>Arbeitskreis</strong>sprecher abgesprochen<br />

und bestätigt (I1_w30-39: 955-960), bevor das Projekt im Grätzelbeirat zur Abstimmung<br />

vorgestellt wurde.<br />

134


6.3. Vernetzung „nach oben“<br />

Die Vernetzung des Grätzelmanagements „nach oben“ kann bis zur Ebene der EU verfolgt<br />

werden, mit der jedoch kein unmittelbarer Austausch mehr nachgewiesen werden konnte. Die<br />

europäische Kommission fungierte viel mehr als Kontrollstelle der von der MA 27 verwalteten<br />

Projekte in Wien (I5_m40-49: 146-154).<br />

Sinnvoll erscheint im Zuge dieses Austausches zumindest die Rahmenbedingungen<br />

hinsichtlich der Förderungen und deren Leistungsfähigkeit an die EU Kommission weiter zu<br />

kommunizieren, wenngleich das Grätzelmanagement im Stadtteil diese Aufgabe nicht<br />

übernehmen wird können.<br />

Die beteiligten Akteure waren sich weitgehend darüber einig, dass die Förderkriterien oft nicht<br />

mit den Bedürfnissen der lokalen Akteure korrespondierten. Dabei muss berücksichtigt<br />

werden, dass die Ziel 2 Förderkriterien nie ausdrücklich für ein Projekt wie das<br />

Grätzelmanagement konzipiert wurden sondern hauptsächlich an wirtschaftlichen Maßnahmen<br />

und nicht an einem Bürgerbeteiligungsprojekt orientiert war.<br />

So stellt sich weiter die Frage, wie weit die Vernetzung „nach oben“ gelungen ist.<br />

Die Bekanntheit des Grätzelmanagements in der Wiener Stadtverwaltung und Politik blieb bis<br />

zum Ende relativ bescheiden, auch wenn bei den Experten darüber die Meinungen auseinander<br />

gegangen sind. Von einem städtischen Schulterschluss für ein ganzheitlich ansetzendes<br />

Reformprogramm konnte aber keine Rede sein. Das Grätzelmanagement war in den<br />

Baudienststellen und Planungsdienststellen bekannter als in den rechtlichen Verwaltungsteilen<br />

(I5_m40-49: 224-225).<br />

Die Bekanntheit des Grätzelmanagements in der Verwaltung war laut MD BD Mitarbeiter im<br />

Allgemeinen recht gut, besonders im Wohnbaubereich, Stadterneuerungsbereich,<br />

Planungsbereich, Sozialbereich, im Bereich Integration, Kultur und Wirtschaft (I7_m40-49:<br />

285-296).<br />

Aus Sicht des WZW war für das Grätzelmanagement bei der MA 25 Schluss und in Richtung<br />

Stadtratbüro gab es keine Integration der Idee (I6_m30-39: 374-375). Immerhin hat sich über<br />

die Jahre ein privat freundschaftlicher Kontakt zwischen Grätzelbewohnern und einer<br />

Mitarbeiterin der MA 25 entwickelt (I8_m40-49: 536-539). Es gab jedoch keine<br />

nennenswerten Kontakte zu den Stadtratbüros, weder zum geschäftsmäßig zuständigen Stadtrat<br />

für Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung noch zu anderen, wenn man einmal vom Besuch<br />

des Stadtrates für Stadtentwicklung und Verkehr bei der Eröffnung des neuen Volkertplatzes<br />

absieht oder die Einladung von Bewohnern des Grätzels bei den Integrationstagen durch die<br />

135


Stadträtin für Integration (I11_w60-69: 294-296). Eine Zusammenarbeit oder ein<br />

Informationsaustausch auf operativer Ebene fand nicht statt.<br />

Die Präsenz des Grätzelmanagement in der Öffentlichkeit war ein Spiegelbild der allgemeinen<br />

Bedeutung in der politischen Szene.<br />

„(...) wir haben ein bisschen Probleme in der Wienweiten Öffentlichkeitsarbeit gehabt.<br />

Wir hätten immer gern gehabt, dass der Stadtrat das Projekt vorstellt, weil es an sich ein<br />

erfolgreiches Projekt ist, das hätte man her zeigen können. Und das war in der Form nie,<br />

dass beide Bezirke und der Stadtrat sagen das Grätzelmanagement ist die Zukunft und<br />

die und die Elemente übernimmt die Stadt Wien“ (I4_m50-59: 460-464).<br />

Das Grätzelmanagement fand sich auch in keiner offiziellen politischen Diskussion oder einem<br />

gesamtstädtischen Stadtentwicklungsprogramm wieder. Weder im STEP 05 fand das<br />

Grätzelmanagement eine Erwähnung noch wurde es im Gemeinderat der Stadt Wien zum<br />

Tagesordnungspunkt (I7_m40-49: 408-411). Die Abschlusskonferenz des Grätzelmanagement<br />

Ende 2006 machte auch noch einmal deutlich, wie gering das Interesse von Seiten der städtisch<br />

institutionellen Ebene war. Dort war nur ein Gemeinderat und niemand vom Wohnbauressort<br />

(MA25) (I4_m50-59: 478-480) oder anderen Ressorts zu Gast.<br />

Die Vernetzung nach oben endete also im Großen und Ganzen bei den Institutionen, die auch<br />

im Grätzelbeirat vertreten waren bzw. bei den unmittelbar an der Umsetzung von Projekten<br />

beteiligten Magistratsabteilungen, wie der MA 11, MA 13, MA 19, MA 21, MA 25, MA 28,<br />

MA 42, MA 48, MA 55 48 , wo jeweils bestimmte Ansprechpersonen zur Verfügung standen<br />

(I8_m40-49: 547-548).<br />

Eine Kommunikation der Lernerfahrungen aus dem Grätzelmanagement und dessen Qualität<br />

an die Entscheidungsträger der jeweiligen Stadträte, Gemeinderäte oder den Bürgermeister ist<br />

bis Ende Februar 2007 nicht erfolgt (I6_m30-39: 379-383). Damit bleibt das Konzept des<br />

Grätzelmanagements vorerst von einer breiteren Anerkennung und Umsetzung<br />

unberücksichtigt. Eine umfassendere Reform der Organisation und operativen Umsetzung von<br />

Stadtentwicklung und Stadterneuerung bleibt vorerst aus, auch wenn Erkenntnisse aus dem<br />

Pilotprojekt in die neuen Gebietsbetreuungen einfließen werden.<br />

Es konnten hinsichtlich der vertikalen Vernetzung mit der Verwaltung jedoch auch Teilerfolge<br />

erzielt werden. Der persönliche Kontakt des Bezirksvorstehers und einer Mitarbeiterin der MA<br />

25 führte immerhin zu einer wichtigen Motivation der Teilnehmer des <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und<br />

48 Ausgeschriebene Bezeichnungen siehe Abkürzungsverzeichnis<br />

136


Gesellschaft nach Ende des Grätzelmanagements weiter zu machen und einen Verein zu<br />

gründen (I9_m50-59: 359-368).<br />

Im <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum waren immer wieder Gäste aus Politik und Verwaltung, wie<br />

der Bezirksvorsteher, der Leiter der Verkehrskommission des Bezirks mehrmals oder Vertreter<br />

der Polizei und der MA 48 zur Diskussion und für Erläuterungen und Informationsaustausch zu<br />

Gast (I13_w30-39: 434-438). Auch im <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft war der<br />

Vorsitzende der Kulturkommission zu Besuch (I1_w30-39: 212-218).<br />

Die Grätzelmanager standen auch abseits des Grätzelbeirats und der<br />

Projektkoordinationsgruppe mit den Vertretern der Trägerorganisationen in Kontakt und trafen<br />

sich in Fokusgruppen regelmäßig zur Prozessreflexion (I6_m30-39: 212-214).<br />

Je stärker der Stadtteil oder der Bezirk gemeinsamer Bezugs- und Interessensschwerpunkt war,<br />

umso besser gelang auch der Austausch und die Vernetzung der Akteure. Geriet der<br />

geographische und administrative Bezugspunkt jedoch aus dem gemeinsamen Aktionsradius<br />

und Blickfeld, umso schwieriger und seltener gelang eine Vernetzung zwischen den Ebenen.<br />

6.4. Problemdefinition<br />

Bei der Frage, wer die Themen bestimmt, die im Grätzelmanagement behandelt werden sollen,<br />

d.h. wer die Probleme definiert, die gelöst werden sollen, muss von einer zweigleisigen<br />

Vorgangsweise gesprochen werden, die weder explizit so gewollt war noch dabei half, den<br />

Prozess zu optimieren. Zuerst konnten die Menschen ihre Ideen und Probleme im Grätzel bei<br />

Grätzelmanagern im Container und dann bei der aktivierenden Befragung bzw. bei der<br />

Ideenwerkstatt einbringen, die dann zu <strong>Arbeitskreis</strong>en zusammengefasst wurden (I4_m50-59:<br />

187-195). Die von den Bewohnern eingebrachten Themen waren Änderungswünsche im<br />

öffentlichen Raum, die Volkertplatzumgestaltung, kulturelle Veranstaltungen, das<br />

Jugendzentrum und ein Frauentreffen nur für Zuwanderinnen, oder eine große Veranstaltung<br />

für alle (I8_m40-49: 214-218). Auch in den <strong>Arbeitskreis</strong>en gab es natürlich weiter die<br />

Möglichkeit, Probleme zur Sprache zu bringen. So wurde etwa im <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher<br />

Raum bei den ersten Sitzungen gemeinsam ein Themenkatalog erstellt (I4_m50-59: 210-215).<br />

Der <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft hat seine Projekte überhaupt selbst geplant und<br />

abgewickelt (I4_m50-59: 245-246).<br />

Auf der anderen Seite waren mit den EU-Förderkriterien die behandelbaren Probleme<br />

vordefiniert. Das bedeutete, dass auch nur dafür Geld zur Verfügung stand. Die Ziele des<br />

Grätzelmanagements mussten damit von den EU-Verordnungen und Förderprogramm<br />

abgedeckt sein (I5_m40-49: 54-55). Das Förderprogramm Ziel 2 enthielt den städtischen<br />

137


Bereich, den Wirtschaftsbereich und den Sozialbereich, Qualifizierung und Integration. Das<br />

Grätzelmanagement war im Wirtschaftsbereich und städtischen Bereich angesiedelt (I5_m40-<br />

49: 63-66). Viele Ideen wie zum Beispiel die kulturellen Veranstaltungen wurden von diesen<br />

Kriterien allerdings nicht erfasst. Gerade diese Beiträge stellten sich aber im Stadtteil als<br />

besonders wertvoll für die Bildung sozialen Kapitals heraus. Sie mussten alternativ finanziert<br />

werden oder eben aufgegeben werden. Der ursprüngliche Projektantrag für das<br />

Grätzelmanagement beinhaltete noch alle nur erdenklichen Themen. Schließlich einigte man<br />

sich auf Wirtschaft und Soziales mit Qualifikation, musste dann aber letzteres auf materielle<br />

Infrastruktur umschichten. Damit konzentrierte man sich auf zwei Fördertöpfe der EU<br />

(I6_m30-39: 168-176):<br />

„Einschneidend und bindend waren dann diese beiden Töpfe. Das war der springende<br />

Punkt. Weil man hat nichts finanzieren können außerhalb dieser Töpfe. Es war (...) von<br />

der Nachfrageseite nach Aktivitäten war es sehr breit. Von der Angebotsseite war es wie<br />

ein Trichter, Filter eigentlich“ (I6_m30-39: 181-184).<br />

Da das Konzept des Grätzelmanagement einen Bottom-Up Ansatz verlangte (I6_m30-39: 187-<br />

192), hat man in der Praxis zuerst Projekte entwickelt und dann an die Förderkriterien<br />

angepasst (I6_m30-39: 192-194). Diese Logik erschwerte die Formulierung und<br />

verschlechterte in Folge die Umsetzungschancen von Projekten.<br />

Das Grätzelentwicklungskonzept und die darin in Projektideen umformulierten Probleme<br />

wurden gemeinsam vom Grätzelmanagement und lokalen Akteuren entwickelt (I7_m40-49:<br />

117-118). Hier wurden die lokalen Akteure in einen intensiven kreativen Prozess eingebunden,<br />

dessen Ergebnis zwar eine gute Transparenz der Wünsche und Ideen im Stadtteil ermöglichte.<br />

Die Umsetzungswahrscheinlichkeit hing aber wie gesagt von den übergeordneten<br />

Förderkriterien ab.<br />

Zu den Förderkriterien der EU kamen schließlich noch die Interessen der Träger wie dem<br />

WWFF, der Wirtschaftsprojekte forcierte (I6_m30-39: 184-187) und der Politik hinzu, die<br />

meinungsbildend ihren Einfluss im Grätzelbeirat geltend machten und als weitere Filter bzw.<br />

Steuerungsfaktoren fungierten (I10_w30-39m40-49: 200-201), noch bevor es dort zu einer<br />

Beschlussfassung bzw. Entscheidung kam. Die bindenden Rahmenbedingungen für die<br />

Umgestaltung des Volkertplatzes wurden außerdem vom Bezirksvorsteher und dem MD BD<br />

Mitarbeiter an die lokalen Akteure im <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum kommuniziert (I10_w30-<br />

39m40-49: 282-283).<br />

Der Volkertplatz wurde sowohl von der Bezirksvorstehung als auch von der Bevölkerung als<br />

Problemfeld wahrgenommen und artikuliert.<br />

138


Aber auch das Grätzelmanagement Team musste aus rationalen Gründen die Ergebnisse der<br />

aktivierenden Befragung strukturieren und für die Ideenwerkstatt aufbereiten (I10_w30-<br />

39m40-49: 225-228), wobei es zwangsläufig zu Filterungen der eingebrachten Ideen kam.<br />

Der Weg von der Idee zum umgesetzten Projekt erwies sich somit als ein langer und steiniger,<br />

auf dem die ursprüngliche Intention der Idee unter Umständen auf der Strecke blieb. Eine<br />

ganze Reihe an Filterungen und Veränderungen führte dazu, dass die lokalen Akteure zwar ihre<br />

Probleme artikulieren durften, aber damit keinerlei Anspruch darauf zu verbinden war, diese<br />

Probleme auch unabhängig in eine Projektentwicklungsphase zu überführen. Der Bottom-Up<br />

Ansatz konnte also bereits hier, noch lange vor der Entscheidungsphase nur teilweise<br />

umgesetzt werden. Eine vertikale Vernetzung, eine Einbindung aller Ebenen in die<br />

Problemdefinition, wie sie Alisch (2002) vorgeschlagen hat (siehe Kapitel „Struktur von<br />

Stadtteilmanagement“), hat hier diffus stattgefunden, allerdings ohne demokratischen<br />

Aushandlungsprozessen. Die Kriterien der EU wurden einfach als fixe Rahmenbedingungen<br />

vorgelegt.<br />

6.5. Projektentwicklung und Umsetzung<br />

Die Entwicklung und Umsetzung der einzelnen Projekte war je nach Materie unterschiedlichen<br />

Akteuren überlassen. Der <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft war so weit autark, dass<br />

aufgrund der gezwungenermaßen finanziellen Unabhängigkeit auch eine weitgehende<br />

Unabhängigkeit hinsichtlich der operativen und inhaltlichen Arbeit bestand.<br />

Die Ideen des <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum wurden von den Magistraten geprüft und in die<br />

eigenen Abwicklungsverfahren eingebunden, wie das beim Umbau des Volkertplatzes der Fall<br />

war, wo teilweise auch die Marktleute, die Zuwanderer und Jugendlichen in die<br />

Projektentwicklung eingebunden waren. Zuerst mussten die Ideen der Beteiligung in die<br />

Projektentwürfe der Bewerber einfließen (I1_w30-39: 277-278). Die weitere Projektent- und -<br />

abwicklung erfolgte dann in den jeweils zuständigen Magistratsabteilungen, wie der MA28<br />

(Straßenbau) und die MA 42 (Stadtgartenamt) (I4_m50-59: 264). Die Umsetzung von<br />

Projekten im öffentlichen Raum wurden dann von Firmen, welche die Stadt Wien beschäftigt<br />

und beauftragt, übernommen (I4_m50-59: 268-269). Kleinere Projekte wie die Aufstellung der<br />

Sitzbänke oder die Pflanzung von Bäumen wurden zuerst im <strong>Arbeitskreis</strong> entwickelt und dann<br />

der entsprechenden Magistratsabteilung zur Prüfung vorgelegt bzw. an die Förderkriterien<br />

angepasst, was allerdings Reibungsverluste erzeugte, weil man die Projekte nochmals<br />

überarbeiten musste, um sie auch finanziert zu bekommen (I6_m30-39: 192-194).<br />

139


6.6. Entscheidungskompetenzen<br />

Im wichtigsten Entscheidungsgremium im Rahmen des Grätzelmanagements, dem<br />

Grätzelbeirat, wurden alle Entscheidungen im Konsens getroffen (I1_w30-39: 74-75).<br />

Trotzdem war dort eine Schieflage der Machtverteilung vorprogrammiert, wenn man die lokale<br />

und städtische Ebene einander gegenüber stellt. Die Verwaltung und Politik hatte immer<br />

mindestens genauso viele Stimmen wie die lokale Ebene, das war statutarisch festgelegt.<br />

Nachdem der <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft zum Ende des Grätzelmanagement praktisch bereits<br />

aufgelöst war und meist auch sonst nicht alle <strong>Arbeitskreis</strong>sprecher anwesend waren bzw. der<br />

<strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen nicht stimmberechtigt war, ergab sich eine dauerhafte Mehrheit der<br />

städtisch institutionellen Ebene (I1_w30-39: 70-73).<br />

Der Grätzelbeirat wirkte neben seiner Bedeutung als Informations- und Vermittlungsinstanz<br />

auch als Filter von Bottom-Up Bewegungen und Einflüssen. Hier konnten die Wünsche der<br />

lokalen Ebene kontrolliert und wenn notwendig unterbunden bzw. deren Projekte auch<br />

verhindert werden.<br />

Die Einrichtung der Projektkoordinationsgruppe brachte die Vorteile einer planmäßigen<br />

Formulierung und Präsentation angesuchter Projekte und deren raschest mögliche Umsetzung.<br />

Sie bedeutete jedoch auch den Nachteil einer zusätzlichen Filterung lokalen Einflusses und<br />

Potenzials durch die verantwortlichen Institutionen und verschaffte ihnen einen<br />

Informationsvorsprung für Diskussionen im Grätzelbeirat. Sie stellte damit eine Möglichkeit<br />

für die Politik und Verwaltung dar, frühzeitig und vor der eigentlichen Entscheidung in den<br />

Entscheidungsprozess inhaltlich steuernd einzugreifen. Projekte wurden dadurch an die<br />

Förderkriterien angepasst.<br />

Wenn auch die Absicherung seitens Bezirkspolitik, Verwaltung und WWFF hinsichtlich des<br />

Einsatzes eigener finanzieller Mittel verständlich erscheint, muss doch auch auf das über die<br />

Projektkoordinationsgruppe ausgedrückte Misstrauen gegenüber den lokalen Akteuren und<br />

nicht zuletzt gegenüber den Grätzelmanagern hingewiesen werden. Zudem spiegelte diese<br />

Einrichtung die Unsicherheit aller Akteure gegenüber der Finanzierungsstruktur von EU-<br />

Projekten wider. So scheint es, dass erst nach einigen Jahren Erfahrung und dem Aufbau von<br />

Vertrauen eine Entlassung lokaler Akteure, einschließlich des Grätzelmanagements selbst, in<br />

die Selbstständigkeit möglich gewesen wäre. Gerade in diesem Spannungsfeld zwischen<br />

Unsicherheit und dem Bedürfnis nach Institutionalisierung, zwischen Verantwortung und<br />

Vertrauensvorschuss offenbart sich das Phänomen von Governance.<br />

Die Projektkoordinationsgruppe trug dazu bei, Projekte rascher umzusetzen und Zeit zu sparen.<br />

Die Vernetzung brachte für die Anwesenden einen Informationsaustausch und mit der Zeit<br />

140


zunehmende Handlungssicherheit und Vertrauen in ihr eigenes Handeln bzw. in das der<br />

Projektantragsteller. Sie kann jedoch auch als Symbol für die eingeschränkte Eignung der EU-<br />

Förderprogramme für ein Stadtteilmanagement gesehen werden.<br />

Der Grätzelbeirat hatte die theoretische Möglichkeit und Macht, die Gebietsbetreuung bzw. das<br />

Grätzelmanagement abzusetzen. Diese Regelung war Förderbedingung der EU (I9_m50-59:<br />

374-376).<br />

In dieser Regelung drückte sich nochmals die Sandwichposition des Grätzelmanagements in<br />

formalisierter Weise aus. Der Druck von Verwaltung und Politik sowie von der Stadtteilebene<br />

erhielt so eine unmittelbar existentielle Komponente für das Grätzelmanagement bzw. dessen<br />

Mitarbeiter.<br />

Als ein Beispiel zur Illustration der Entscheidungskompetenzen ist die Umgestaltung des<br />

Volkertplatzes zu nennen. Nachdem die Ergebnisse der Prozessmoderation rund um den<br />

<strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum in die Ausschreibung für den Wettbewerb eingearbeitet waren,<br />

wurde eine Jury einberufen, die den Gewinner zu bestimmen hatte. In der Jury saßen vier<br />

Fachjuroren und drei Laienjuroren, ein Bewohner und zwei Bezirksvertreter (I8_m40-49-49:<br />

427-428). Mit der Gebietsbetreuung als ein Teil der Fachjury bestand die Mehrheit in der Jury<br />

aus Kennern der Wünsche aus dem Beteiligungsprozess und des Stadtteils (I13_w30-39: 344-<br />

346).<br />

Wo kein Konsens erreicht wurde, wurden die unterschiedlichen Positionen vom<br />

Grätzelmanagement protokolliert und an die Entscheidungsträger (Bezirksvertretung,<br />

federführende Magistrate) weiter gegeben (I13_w30-39: 173-174). Ein strittiger Punkt blieb bis<br />

zu letzt der Ballspielkäfig, bei dem dem Grätzelmanagement lediglich die Rolle der<br />

Vermittlung unterschiedlicher Positionen blieb:<br />

„Im Endeffekt gab es da aber keine Einigung zu dem Prozess. Wir haben dann halt da<br />

aufgezeigt, dass es da unterschiedliche Positionen gab“ (I13_w30-39: 294-296).<br />

Die Entscheidung blieb in solchen Fällen der Bezirksvertretung und der Jury, die sich für die<br />

Variante ohne Ballspielkäfig entschied. Im strittigen Punkt der Fußgängerzone entschied<br />

ebenfalls die Bezirksvertretung, nämlich dafür, allerdings ohne Parkmöglichkeit (I13_w30-39:<br />

320-321).<br />

6.6.1. Entscheidungskompetenzen der lokalen Ebene<br />

Die Entscheidungsmöglichkeiten der lokalen Akteure waren im Grätzelmanagement<br />

weitgehend eingeschränkt.<br />

141


„Es war so, dass die Bewohner in dem Sinn gar nicht entscheiden haben können, was<br />

wirklich kommt oder nicht, sondern eher mitsprechen haben können“ (I1_w30-39: 286-<br />

288).<br />

Im Grätzelbeirat konnten die <strong>Arbeitskreis</strong>sprecher bei den Beschlussfassungen eingereichter<br />

Projekte mit stimmen. Die letzte Entscheidung trafen sie jedoch in keinem Fall.<br />

Zudem war wie erwähnt ein Vertreter der <strong>Arbeitskreis</strong>e in der Jury zum Volkertplatz<br />

stimmberechtigt.<br />

Der Grätzelbeirat bot die Möglichkeit der Artikulation von Interessen und Bedürfnissen und<br />

die Argumentation von Seiten der <strong>Arbeitskreis</strong>e (I6_m30-39: 117-125).<br />

Aufgrund des auslaufenden Pilotprojektes (das Grätzelmanagement lief noch bis Ende 2006)<br />

stieg der WWFF mit Ende 2005 aus dem Grätzelbeirat aus, führte die Grätzelmanagement<br />

Aktivitäten im Rahmen des Business Service Center aber weiter. Dadurch verringerten sich die<br />

Einflussmöglichkeiten lokaler Akteure bei Wirtschaftsprojekten im Grätzelbeirat (I10_w30-<br />

39m40-49: 259-260).<br />

6.7. Kommunikation des Grätzelmanagement „nach oben“<br />

Die Vermittlung und Kommunikation mit der Verwaltungsebene bzw. der Politik war durchaus<br />

gegeben. Es bestand laufender Kontakt und Informationsaustausch mit der Bezirksvorstehung<br />

und den Bezirksräten sowie unregelmäßige informelle Besuche beim Bezirksvorsteher<br />

(I1_w30-39: 199-205). Das Grätzelmanagement hat den Bezirksvorsteher immer auf dem<br />

Laufenden gehalten (I3_m50-59: 266-267). Der Bezirksvorsteher war unter anderem zu Gast<br />

im <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum (I1_w30-39: 205-207). Formelle Gespräche fanden in Form<br />

von Berichterstattungen im Grätzelbeirat und im Grätzelforum statt (I3_m50-59: 165-168).<br />

Dazu kamen informelle Gespräche per Telefon oder auch bei Veranstaltungen (I3_m50-59:<br />

159-161). Die Bezirksvorstehung pflegte im Rahmen des Grätzelmanagements Kontakte zur<br />

Stadtverwaltung (MA 25, MA19, MA 21, MD BD) (I3_m50-59: 267).<br />

Die im Grätzelbeirat nur selten anwesende MA 27 erhielt Berichte über Projektansuchen im<br />

Grätzelbeirat (I5_m40-49: 117-119).<br />

Ansonsten bot vor allem der Grätzelbeirat die Möglichkeit als institutionalisiertes Gremium,<br />

Informationen und Anregungen oder Beschwerden aus dem Stadtteil in die Verwaltung und<br />

Politik zu vermitteln. Der Umbau des Volkertplatzes war ein eigener Prozess, bei dem die<br />

Ideen der lokalen Akteure besonders genau und vorsichtig dokumentiert und an die Verwaltung<br />

und Politik weitergegeben wurden. Alle anderen Formen der Kommunikation „nach oben“<br />

fanden in weniger formalisierten und geregelten Situationen statt, wie bei Wortmeldungen im<br />

Grätzelforum oder eben Gesprächen bei Veranstaltungen und Festen statt.<br />

142


6.8. Kommunikation des Grätzelmanagement „nach unten“<br />

Wurden grundlegende Entscheidungen in Abwesenheit der lokalen Akteure getroffen, so<br />

wurden diese meist eigens vermittelt. So musste die einschränkende Wirkung der EU Kriterien<br />

den Bewohnern erklärt werden, als diese nicht mit den Bedürfnissen überein stimmten<br />

(I1_w27: 81-84). Auch die eigene Unsicherheit der Kriterienauslegung wurde vom<br />

Grätzelmanagement an die Bewohner kommuniziert, um Verständnis und Geduld bei den<br />

Beteiligten zu erreichen (I1_w30-39: 107-110).<br />

Im <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum war der Bezirksvorsteher zu Gast und hat dort Fragen<br />

beantwortet bzw. Rahmenbedingungen erläutert (I1_w30-39: 205-207).<br />

Das Grätzelmanagement versuchte eine Transparenz über die Kompetenzverteilung<br />

herzustellen, wer entscheiden und wer mitreden konnte, mit dem Ziel Rahmenbedingungen zu<br />

klären und Differenzen zu vermeiden (I1_w30-39: 865-872):<br />

„Es ist auch wichtig zu sagen, ihr habt dann die Möglichkeit, bei der<br />

Volkertplatzumgestaltung zum Beispiel. Ist es ein Mitspracherecht oder habt ihr die<br />

Entscheidungskompetenz. Und wenn ihr die Entscheidungskompetenz nicht habt, wer hat<br />

die? Und das auch wirklich klipp und klar am Tisch zu legen. Weil je mehr ich weiß von<br />

den Rahmenbedingungen, in denen ich mich bewegen kann und je mehr auch die<br />

Bewohner wissen oder die Teilnehmer von einem <strong>Arbeitskreis</strong> wissen in welchen<br />

Rahmenbedingungen sie sich bewegen können, je klarer diese Strukturen rundherum<br />

sind, um so weniger kommt es zu Differenzen oder so. Da ist halt auch wirklich<br />

Ehrlichkeit angesagt“ (I1_w30-39: 864-872).<br />

Hier war der Grätzelbeirat besonders wichtig, um einen kontinuierlichen Informationsfluss<br />

über Entwicklungsprozesse an die Bewohner aufrechtzuerhalten. Die <strong>Arbeitskreis</strong>sprecher<br />

konnten diese Informationen dann in ihre <strong>Arbeitskreis</strong>e weiter tragen (I6_m30-39: 127-130).<br />

Diese Weitergabe in die <strong>Arbeitskreis</strong>e war jedoch nicht formalisiert und verlief unsystematisch<br />

ab, wodurch die Zuverlässigkeit der weitergegebenen Informationen verschlechtert wurde und<br />

zudem eine Filterung der Informationen statt fand.<br />

6.9. Spielregeln zum Verhältnis zwischen Bezirksvertretung und<br />

Stadtteilgremien<br />

Einige Letztentscheidungen wie die über den Ballspielkäfig oder die Fußgeherzone musste wie<br />

wir gehört haben, die Bezirksvertretung übernehmen. Der Bezirk ist weitgehend für<br />

Maßnahmen im öffentlichen Raum der Finanzverantwortliche. Als solcher, so der<br />

Bezirksvorsteher (I3_m50-59: 423-426) wie auch der Grätzelmanager (I4_m50-59: 112-113),<br />

ist er auch mit seiner Bezirksvertretung und dem Finanzausschuss der Letztentscheidende für<br />

größere Projekte, die das Bezirksbudget betreffen. Im Grätzelbeirat konnte lediglich über<br />

143


kleinere Projekte, die vom Grätzelmanagement Budget abgedeckt wurden, entschieden werden.<br />

Diese Vorgangsweise ist den lokalen Akteuren immer wieder kommuniziert worden.<br />

6.10. Vertrauen in die „untere“ Ebene<br />

Hier geht es um das Vertrauen im Sinne einer Abgabe von Entscheidungs- oder<br />

Mitbestimmungskompetenz. Das Vertrauen von Seiten der demokratisch legitimierten Politik<br />

und der Verwaltung in die “untere” Stadtteilebene drückte sich im Grätzelmanagement in<br />

mehreren Situationen aus.<br />

Das Stimmrecht in der Jury zum Wettbewerb um die Umgestaltung des Volkertplatzes war für<br />

die lokale Ebene auf eine Person konzentriert, welche von den gewählten Sprechern jedes<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>es ausgesandt wurde (I1_w30-39: 295-297). Diese Person war eine von sieben<br />

stimmberechtigten Jurymitgliedern. Eine Mehrheit der unmittelbar von den Maßnahmen<br />

Betroffenen, d.h. im Stadtteil wohnenden oder arbeitenden Menschen, war somit von vorne<br />

herein ausgeschlossen.<br />

Die Einrichtung eines Grätzelbeirates und der Projektkoordinationsgruppe zeigt, dass das<br />

Vertrauen begrenzt ist und somit die Möglichkeiten der Mitbestimmung über Projekte im<br />

Stadtteil beschränkt bleiben sollen. In der Bewertung der Anliegen der lokalen Akteure durch<br />

die Verwaltung drückt sich die Schieflage in punkto Macht und Vertrauen aus.<br />

„Der Grätzelbeirat wird vom Grätzelmanagement moderiert(...), dass die Bewohner ihre<br />

Anliegen und ihre Projekte einbringen können, die Verwaltung sagt dann ja finden wir<br />

gut, finden wir nicht gut. Die Änderung wäre gut oder das würden wir uns wünschen,<br />

(...)“ (I1_w30-39: 184-186).<br />

Diese Vorgangsweise verstärkt die Abhängigkeit gegenüber der Verwaltung und der Politik<br />

und bestätigt die hierarchische Struktur, weil eine selbstbestimmte Projektumsetzung<br />

unterbunden wird und den Bewohnern signalisiert, dass ihnen kein vernünftiger<br />

Ressourcenumgang zugetraut wird.<br />

In einzelnen vor allem persönlichen Beziehungen zeigte sich, dass privat freundschaftliche<br />

Kontakte zwischen Grätzelbewohnern und Mitarbeitern aus der Verwaltung durchaus möglich<br />

waren (I8_m50-59: 536-539), woraus sich auch Vorteile für Einzelpersonen oder Gruppen aus<br />

dem Stadtteil ergeben haben. Der Bezirksvorsteher motivierte, und die MA 25 beriet und<br />

motivierte den <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft bzw. einzelne befreundete Bewohner zur<br />

Vereinsgründung und zum Weitermachen (I9_m50-59: 359-368), wenngleich dieses Bemühen<br />

von politischer Seite nicht ohne der eigenen Vorteile betrachtet werden kann. Sind doch die<br />

lokalen Akteure mit nachhaltiger Aktivität im Stadtteil für die politisch Verantwortlichen ein<br />

herzeigbarer Erfolg.<br />

144


Der neugegründete Verein „Grätzel Aktiv“ bekommt als Nachfolger des <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur<br />

und Gesellschaft jederzeit Zugang zum Gebietsbetreuungsbüro für Besprechungen (I9_m50-<br />

59: 513-516), was auch auf dem über die Jahre gut entwickelten Vertrauen gründet. Hier<br />

spielte die Etablierung einzelner Personen als zuverlässige Partner zweifellos eine Rolle.<br />

Das Vertrauen der Politik in das Grätzelmanagement war ebenfalls sehr wichtig, um eine<br />

entsprechende Unterstützung für das Grätzelmanagement zu gewährleisten. Das Klima<br />

zwischen Politik und Grätzelmanagement war trotz des Zuspruchs und Respekts aller<br />

politischen Fraktionen im Bezirk (I8_m40-49-49: 521-523) sensibel auf Störungen. Dass das<br />

Grätzelmanagement auch für die Bezirkspolitik ein wichtiger Partner war, wenn auch der<br />

unparteiische Status des Grätzelmanagement und dessen Neutralität unangetastet bleiben<br />

sollte, zeigte sich an zwei Beispielen, bei denen sich Bezirkspolitiker irritiert beim<br />

Grätzelmanagement beschwerten. Bei einer Veranstaltung einer Künstlergruppe am<br />

Volkertplatz wurden Luftballone einer politischen Partei verteilt, wofür Bezirkspolitiker das<br />

Grätzelmanagement verantwortlich machten. Im zweiten Fall war die Bezirkspolitikerin einer<br />

Oppositionspartei am Wahlsonntag im Rahmen einer Grätzelführung im Büro des<br />

Grätzelmanagements gesehen worden. Beide Male wurde von den Bezirkspolitikern ein<br />

Vertrauensmissbrauch des Grätzelmanagements geortet und die Neutralität des<br />

Grätzelmanagements in Frage gestellt. In beiden Fällen konnten aber die Missverständnisse<br />

nach langen intensiven Gesprächen ausgeräumt werden (I1_w30-39: 935-938). Trotzdem<br />

wurde das Vertrauen zum Grätzelmanagement und der Zuspruch aller Parteien (ÖVP, SPÖ,<br />

Grüne, FPÖ, KPÖ) vom Grätzelmanager insgesamt als hoch eingeschätzt (I8_m49: 521-523).<br />

Die Einrichtung eines Verfügungsfonds kann als Vertrauensbeweis an die Stadtteilakteure<br />

interpretiert werden, sofern dieser Fonds ausreichende Mittel vorsieht.<br />

6.10.1. Verfügungsfonds<br />

Die Eigenverantwortlichkeit, die lokalen Akteuren zugetraut wird, drückt sich neben der<br />

Möglichkeit der Mitbestimmung auch in der Überantwortung finanzieller Mittel aus. Ein frei<br />

verfügbares Budget für das Grätzelmanagement im Sinne eines Verfügungsfonds wird dabei<br />

oft verlangt. Neben dem Kleinstbudget für kleine Projekte, die immer im Grätzelbeirat<br />

beschlossen werden müssen, konnte das Grätzelmanagement nur als Sponsor für kleine<br />

Unterstützungen von Projekten auftreten. Das Logo des Grätzelmanagement wurde in solchen<br />

Fällen auf Drucksorten platziert. Die Kosten gingen dann als Werbungskosten aufs<br />

145


Grätzelmanagement Budget (I1_w30-39: 114-120). Es gab dazu aber auch noch frei verfügbare<br />

Mittel in Höhe von 2.500 Euro pro Quartal. Die Verantwortung dafür trugen die<br />

Grätzelmanagement Mitarbeiter (I4_m50-59: 130-131). Diese Mittel standen laut Statut für<br />

kurzfristige Maßnahmen dem Grätzelmanagement zur Verfügung und betrugen 1/6 der<br />

gesamten Projektmittel von 60.000 Euro im Jahr (I10_w30-39m40-49: 159). Über deren<br />

Verwendung war im nächsten Grätzelbeirat zur Prüfung der Richtlinienkonformität zu<br />

berichten gewesen (I10_w30-39m40-49: 150-155).<br />

6.11. Gemeinsame Problemorientierung<br />

Hinsichtlich einer gemeinsamen Problemorientierung über die Strategie und die Ziele des<br />

Grätzelmanagement gab es einige Überschneidungen, wenngleich der jeweilige institutionelle<br />

Hintergrund die Perspektive prägt. Der Stadtteilbezug war einer dieser Kernaspekte des<br />

Grätzelmanagements. Der Bezirksvorsteher sah den Stadtteilbezug des Grätzelmanagements<br />

als sinnvoll an, da die begrenzten Finanzierungsmitteln für den ganzen Bezirk nicht ausgereicht<br />

hätten (I3_m50-59: 31-34). Währenddessen sah der Mitarbeiter der MA 27 im Stadtteilbezug<br />

eine sinnvolle Möglichkeit, die Mittel auf ein Gebiet zu konzentrieren, weil sie in einem<br />

Bereich sehr viel bewirken können (I5_m40-49: 289-297). Ähnlich beurteilen die Mitarbeiter<br />

des WWFF die Bedeutung des Grätzelmanagements. Die Konzentration der Mittel auf ein<br />

benachteiligtes Gebiet war wichtig (I10_w30-39m40-49: 468-470). Die Gebietsabgrenzung<br />

war außerdem sinnvoll, da so die Erreichbarkeit und Kontaktaufnahme mit Unternehmen<br />

erleichtert wurde (I10_w30-39m40-49: 477-483). Sie sahen in der Konzentration auf einen<br />

Stadtteil für ihre Institution auch Vorteile in eigener Sache, nämlich die Möglichkeit, den<br />

WWFF als Institution bekannter zu machen indem man direkt vor Ort sein konnte (I10_w30-<br />

39m40-49: 470-474).<br />

Überhaupt wurde im effizienten Einsatz der Ressourcen aus dem Stadtteil ein Vorteil erkannt,<br />

der jedoch noch nicht im gewünschten Sinn zur Umsetzung kam:<br />

„(...) generell ist es sozusagen, es geht ja nicht nur ums ressortübergreifend sondern um<br />

gebietsbezogene Projektentwicklung und die gibt es noch nicht, (...)“ (I4_m50-59: 532-<br />

533).<br />

Die Integration und Nutzung der lokalen Ressourcen aus dem Stadtteil waren eine weitere<br />

Gemeinsamkeit in der Problemsicht einiger Akteure. Die „Bedürfnisse der Stadtteile“<br />

(I7_m40-49: 260), die „Orientierung an den Betroffenen“ (I8_m40-49-49: 161) oder von den<br />

Ideen der Unternehmern auszugehen (I10_w30-39m40-49: 535-547) waren hier die häufig<br />

genannten Aspekte einer Grätzelmanagement Strategie.<br />

146


Auf der anderen Seite wurde die Beteiligung lokaler Akteure mit der Notwendigkeit der<br />

Legitimation von Ergebnissen und Entscheidungen argumentiert und zwar von den<br />

einflussreichsten Vertretern aus der Verwaltung: Das Grätzelmanagement bedeutete aus deren<br />

Sicht auch eine Absicherung für den Bezirk (I5_m40-49: 350-356) und eine nachhaltige<br />

Akzeptanz der Ergebnisse (I7_m40-49: 156-162).<br />

Aus Sicht des Vertreters des WZW war das Grätzelmanagement als Pilotprojekt ein<br />

Lernprojekt (I6_m30-39: 239-245). Schließlich wurde der Sinn des Grätzelmanagements auch<br />

darin gesehen, Neuerungen zu probieren, um diese Erfahrungen dann flächendeckend auf die<br />

Gebietsbetreuungen zu übertragen (I3_m50-59: 231-233).<br />

Sowohl in der Problemsicht als auch in der Umsetzung ist das Grätzelmanagement vorwiegend<br />

als ein Projekt gesehen worden, das vornehmlich im Stadtteil aktiv wirkt. Nur ein<br />

Grätzelmanager sprach von sich aus von zwei Projekt- oder Konzeptebenen, der Stadtteil- und<br />

der Verwaltungsebene (I4_m50-59: 522-523). Das Grätzelmanagement ist kaum in seinem<br />

Anspruch erkannt worden, Verwaltung neu zu organisieren und dabei Ressourcen zu<br />

verknüpfen, noch ist von Synergien gesprochen worden, die über breite Vernetzungen zu<br />

erzielen gewesen wären. Vielmehr ist Grätzelmanagement als Beteiligungsprojekt gesehen<br />

worden, in dem Stadtteildemokratie ausprobiert wurde.<br />

6.12. Problemsicht vertikale Verteilung<br />

Hinsichtlich der Entwicklung des Demokratiebewusstseins sind im Zuge des<br />

Grätzelmanagements die Akteure auf zwei Ebenen angeregt worden. Zum einen wurde<br />

deutlich, dass es in Konfliktsituationen und Meinungsverschiedenheiten verschiedene<br />

Positionen gibt und diese so weit verhärtet sein können, dass es zu keiner Einigung kommen<br />

kann. Prinzipiell unterschiedliche Interessen stehen hier einander gegenüber. So machte man<br />

die Lernerfahrung, dass in manchen Fällen ein Konsens zu erreichen ist (I3_m50-59: 372-373).<br />

Aus diesem Dilemma heraus betrachtet ergibt sich schließlich die Rechtfertigung demokratisch<br />

legitimierter Entscheidungsträger. Hier müssen dann letztlich die politisch Verantwortlichen<br />

die Entscheidung treffen, dafür sind sie gewählt worden, so der Bezirksvorsteher des 2. Bezirks<br />

(I3_m50-59: 374).<br />

Die Problemsicht hinsichtlich der Mitbestimmung der lokalen Ebene und der Verteilung von<br />

Macht bei Grätzelmanagement Projekten war unter den Akteuren relativ homogen. Die<br />

Bevölkerung des Stadtteils artikulierte kaum einmal den Anspruch für mehr Mitbestimmung.<br />

Der Einfluss einzelner Persönlichkeiten in den entscheidenden Gremien mag dafür<br />

147


verantwortlich gewesen sein. Der MD BD Mitarbeiter konnte durch seine Stimme und seine<br />

Argumente Projekte unterbinden oder Meinungen bilden, welche die Stadtverwaltung für nicht<br />

sinnvoll gehalten hat (I10_w30-39m40-49: 320-323). Auf die Frage, ob er gerne manchmal<br />

mehr Verantwortung übernommen hätte oder mehr Projekte entschieden und mehr Einfluss<br />

gehabt hätte, antwortete ein Bewohner:<br />

„Nein. Ich habe den Einfluss sowieso bei der Zeitung, ohne dass ich Mitglied bei der<br />

Zeitung bin“ (I9_m50-59: 444-445).<br />

Diese Aussage scheint sinnbildlich für den gewonnenen Selbstwert mancher Bewohner im<br />

Stadtteil zu sein, die keinen besonderen Anspruch auf mehr Entscheidungsmöglichkeit stellte.<br />

Es gab in diesem Sinne bis auf Ausnahmen keine weiteren Hinweise, dass eine Ausweitung der<br />

Mitbestimmung „von unten“ verlangt wurde. So beschwerten sich einmal Anrainer während<br />

der Bauphase bzw. der Pflanzung eines Baums und der beigestellten Sitzbank, dass sie nicht in<br />

die Planung eingebunden wurden (I13_w30-39: 500-502). Dieses Projekt war ein<br />

Partizipationsprojekt, bei dem im <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum Ideen für die Aufstellung von<br />

Rastplätzen im Stadtteil erarbeitet wurden. Offensichtlich hatte man dabei vergessen, alle<br />

Betroffenen auch zu Beteiligten zu machen. Im Zuge dieses Konfliktes bemühte sich das<br />

Grätzelmanagement um mehr Transparenz und erstellte eine Fotomontage zur<br />

Veranschaulichung des Projektes. Dazu wirkte ein Bezirksrat vermittelnd und so wurde<br />

schließlich eine Versöhnung mit den Anrainern ermöglicht (I13_w30-39: 502-503).<br />

Der Grund für den ansonsten relativ ruhigen Ablauf des Grätzelmanagement Projekts mag<br />

auch in der Vermittlungsarbeit des Grätzelmanagements gelegen haben, die von Beginn des<br />

Grätzelmanagements an, abgesehen von der diffusen Erläuterung der Förderkriterien, die<br />

Möglichkeiten der lokalen Akteure darlegten und begründeten. Den Bewohnern ist vermittelt<br />

worden, dass nicht alle Wünsche auch umgesetzt und erfüllt werden können (I1_w30-39: 288-<br />

290). Der Prozess zur Entscheidung und die Möglichkeiten der Beteiligung wurden im Vorfeld<br />

transparent gemacht:<br />

„Demokratie ist gar nicht so schwierig wenn man zuerst klärt worauf man sich einlässt.<br />

Der Beschluss alleine ist das wesentliche nicht, das wesentliche ist der Prozess, dass es<br />

zu dem Beschluss kommen kann. Dazu braucht es Information, was bewirkt der<br />

Beschluss. Es ist mir immer wichtig gewesen, das aufzuarbeiten“ (I8_m40-49-49: 428-<br />

431).<br />

148


6.13. Vermittlung<br />

Zu den Aufgaben des Grätzelmanagements gehörte neben der Vermittlung auf horizontaler<br />

Ebene auch die vertikale Vermittlung zwischen der Ebene der Politik und Verwaltung mit der<br />

Stadtteilebene. Diese intermediäre Aufgabe reichte für Vermittlungen unterschiedlicher<br />

Intensität. Diese bewegte sich zwischen bloßer Kontaktherstellung über den<br />

Informationsaustausch bis hin zur Verbesserung von Transparenz und gegenseitigem<br />

Verstehen.<br />

Das Grätzelmanagement verstand sich als Vermittler zwischen der Verwaltung und den<br />

Bewohnern. Die Grätzelmanagement Mitarbeiter sollten dabei eine neutrale Rolle einnehmen<br />

(I8_m40-49-49: 150-152).<br />

„Wir verstehen uns eher als Vermittlungsstelle zwischen den beiden Ebenen als Puffer<br />

haben wir das sehr gerne bezeichnet, um die verschiedensten Akteure in den Dialog<br />

miteinander zu bringen und das dann eigentlich nur moderierend zu begleiten...“<br />

(I8_m40-49-49: 163-166).<br />

6.13.1 Kontakt<br />

Das Selbstverständnis des Grätzelmanagements als Vermittlungsstelle lag darin, die<br />

verschiedensten Akteure in den Dialog miteinander zu bringen (I1_w30-39: 163-166). Es ging<br />

darum Kontakte herzustellen oder einzuleiten. Das Grätzelmanagement war als Drehscheibe<br />

zur Weitervermittlung an Dritte gedacht, die weitere Hilfe anbieten können.<br />

„Außerdem sind wir eine Art Drehscheibe – also die Leute kommen mit den diversesten<br />

Problemen da rein ins Büro und wir schauen halt dann, wo gehören sie wirklich hin oder<br />

wo kann man ihnen wirklich weiter helfen“ (I1_w30-39: 167-169).<br />

Eine Kernkompetenz des Grätzelmanagement war es daher, zu wissen welche Stellen für die<br />

jeweiligen Bedürfnisse und Anliegen zuständig sind.<br />

Die für Zuwanderer zuständige Grätzelmanagerin stellte etwa Kontakte für Unternehmen her<br />

oder informierte sie über Ansprechpartner (I2_w30-39: 655-657), wenn es etwa um<br />

gewerbliche Probleme ging, die mit einschlägigen Magistratsabteilungen zu klären waren.<br />

Der Vorsitzende der Kulturkommission des Bezirks kam in den <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und<br />

Gesellschaft auf Besuch, damit die Teilnehmer ihre Aktivitäten und Arbeiten vorstellen<br />

konnten und die Einreichung bei der Kulturkommission leichter wird, weil der Vorsitzende<br />

dann bereits den <strong>Arbeitskreis</strong> und die Anliegen kannte (I1_w30-39: 212-218).<br />

Die Kompetenz der Gebietsbetreuung, die Kontakte zu den magistratischen Dienststellen<br />

bereits zu haben, ist dem Grätzelmanagement zugute gekommen, besonders bei Fragen des<br />

öffentlichen Raumes (I4_m50-59: 487-492). Diese Aufgabe des Grätzelmanagement war<br />

insofern nicht neu, da die Gebietsbetreuung die Kontaktherstellung zum Magistrat auch schon<br />

149


gemacht hat (I10_w30-39m40-49: 453-454). Was die Projektabwicklung betraf, war es<br />

weniger die Aufgabe des Grätzelmanagement, Kontakte zwischen lokaler Ebene und<br />

Verwaltung herzustellen. Das Grätzelmanagement übernahm die Einreichungen für<br />

Veranstaltungen und Platzmieten und organisierte die Abnahme durch die Magistrate (I9_m50-<br />

59: 521-528), d.h. den Kontakt zur Verwaltung hatte hier das Grätzelmanagement und es kam<br />

bei den Projekten zu keiner selbständigen Übernahme diesbezüglicher Aufgaben durch die<br />

Bewohner oder Unternehmer im Sinne eines nachhaltigen Empowerments.<br />

6.13.2. Information<br />

Den Informationsfluss zwischen den Ebenen hat das Grätzelmanagement im formellen wie<br />

informellen Rahmen organisiert.<br />

In den <strong>Arbeitskreis</strong>en wurden Termine anderer <strong>Arbeitskreis</strong>e oder Termine für Veranstaltungen<br />

im Bezirk und Stadtteil weitergegeben. Es kamen Experten und Politiker, wie der<br />

Bezirksvorsteher zu Besuch in die <strong>Arbeitskreis</strong>e, wo Informationen in beide Richtungen<br />

ausgetauscht wurden.<br />

Bei den Grätzelforen stellten die <strong>Arbeitskreis</strong>e ihre Projekte und Ideen vor. Die Bezirkspolitik<br />

und die Verwaltung nahmen dazu Stellung und berichteten über Neuigkeiten wie Planungen<br />

oder Projekte, die von der Stadt angedacht waren. Diese und andere Veranstaltungen haben den<br />

Informationsfluss gewährleistet (I3_m50-59: 275-276), zu dem dadurch eine breite Hörerschaft<br />

Zugang bekam.<br />

Der Grätzelbeirat bot ebenfalls die Möglichkeit regelmäßig aktuelle Informationen aus erster<br />

Hand aus dem Stadtteil oder von der Bezirks- und Stadtebene zu erhalten. Der Beirat konnte<br />

von jedem Interessierten besucht werden, was aber faktisch kaum der Fall war (I9_m50-59:<br />

394-396). Meist waren nur die offiziellen Beiratsmitglieder vor Ort.<br />

Die <strong>Arbeitskreis</strong>sprecher bzw. Projektantragsteller holten sich hier Rat und Anregung von der<br />

Verwaltung für die Anträge, um mehr Fördergelder zu lukrieren (I9_m50-59: 404-409).<br />

Der MD BD Mitarbeiter hat Informationen über Erfahrungen und Projektentwicklungen im<br />

Gebiet im Beirat eingebracht (I7_m40-49: 52-57).<br />

Als EU-Projekt musste das Grätzelmanagement einen Jahresbericht an die MA 27 und in<br />

weiterer Folge an die Kommission abgeben (I5_m40-49: 125-127). Die meist nicht im<br />

Grätzelbeirat anwesende MA 27 erhielt Berichte über Projektansuchen im Grätzelbeirat<br />

(I5_m40-49: 117-119).<br />

150


Eine besonders breit gestreute Informationsmöglichkeit rund um den Stadtteil bot das „Grätzl-<br />

Blattl“, wodurch ein leicht zugängliches Medium geschaffen werden konnte (I6_m30-39: 306-<br />

310). Die Ausgaben gingen an alle Haushalte im Stadtteil und lagen im Grätzelmanagement<br />

Büro zur freien Entnahme auf.<br />

Im informellen Bereich gab es stets die Möglichkeit, sich im Grätzelmanagement Büro bei den<br />

Mitarbeitern zu informieren. Das Grätzelmanagement hat die Bezirksebene immer über neue<br />

Entwicklungen und Stimmungen im Stadtteil auf dem Laufenden gehalten (I8_m40-49: 532),<br />

was auch vom Bezirksvorsteher bestätigt wurde (I3_m50-59: 266-267). Auch die Bezirksräte<br />

kamen informell und direkt im Grätzelmanagement Büro vorbei, um sich über neue<br />

Entwicklungen zu informieren oder Informationen weiter zu geben.<br />

6.13.3. Transparenz<br />

Auf der „Metaebene“ der Transparenz versuchte das Grätzelmanagement die Möglichkeiten<br />

der Mitbestimmung und die Aussichten auf Verwirklichung von Projektideen zu erläutern.<br />

Es wurde vom Grätzelmanagement erklärt, wer entscheiden und wer mitreden konnte, um die<br />

Rahmenbedingungen zu klären und spätere Differenzen von vorne herein zu vermeiden<br />

(I1_w30-39: 865-872). Gegenüber den Zuwanderern hat eine Grätzelmanagerin am Beispiel<br />

Umgestaltung Volkertplatz erklärt, dass es sich um eine Erhebung handelt, deren Ergebnisse in<br />

die Planung des Platzes einfließen. Diese Ergebnisse würden jedoch nicht zwingend umgesetzt<br />

werden. Diese Voraussetzungen wurden mehrmals erläutert, da sonst die Erwartungen zu groß<br />

und unrealistisch gewesen wären (I2_w30-39: 76-81).<br />

Der Grätzelbeirat war der Ort der unmittelbarsten Herstellung von Transparenz, weil dort die<br />

Vertreter der institutionellen Ebene direkt mit den Vertretern der lokalen Ebene<br />

kommunizieren konnten. Die Verwaltung erläuterte in den Grätzelbeiräten ihre Bedenken<br />

gegenüber Projektvorschlägen, brachte aber auch selbst Vorschläge und Hilfestellungen für die<br />

Lösung bei Problemen von Projektanträgen ein (I1_w30-39: 183-187).<br />

Der Grätzelbeirat bot somit kontinuierliche Information über Entwicklungsprozesse, die von<br />

der Politik an die Bewohner weiter gegeben wurde, welche diese Informationen dann in ihre<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>e weiter tragen konnten (I6_m30-39: 127-130). Auch im Bereich (fach-)<br />

sprachlicher Vermittlung war der Grätzelbeirat wertvoll. Die Fachsprache der Verwaltung<br />

unterschied sich von der Alltagssprache der lokalen Akteure und die Moderation des<br />

Grätzelmanagements war beim Grätzelbeirat in solchen Fällen dazu aufgerufen, das<br />

gegenseitige Verstehen zu fördern (I1_w30-39: 191-194). Der Grätzelbeirat profitierte laut<br />

151


WZW Mitarbeiter von den kommunikativen Fähigkeiten des MD BD Mitarbeiters, die<br />

Komplexität von Prozessen allgemein verständlich transparent zu machen (I6_m30-39: 334-<br />

340). Im Grätzelbeirat wurde der Handlungskontext und das System, in dem der jeweils andere<br />

agierte transparenter (I6_m30-39: 345-350). Allerdings konnten manche Entscheidungen „von<br />

oben“ nur unzureichend begründet werden, bzw. fehlte gerade dort die notwendige<br />

Nachvollziehbarkeit.<br />

„Es gab Situationen wo irgendwo, - man könnte es als Willkür interpretieren warum<br />

dann irgendwas aus dem Hut gezaubert wurde, warum irgendwas nicht geht“ (I6_m30-<br />

39: 151-153).<br />

Situationen, Argumente und Prozesse waren manchmal also auch schwer nachzuvollziehen und<br />

die Geschwindigkeit oder die Begründung für die Nichtumsetzung von Vorhaben sowie die<br />

Darstellung der Förderfähigkeit von Projekten blieben unbefriedigend für die lokalen Akteure<br />

(I6_m30-39: 153-158). Der Grätzelbeirat erzeugte keine totale Transparenz des<br />

Verwaltungshandelns oder der politischen Entscheidungen. Die entsprechenden Akteure<br />

behielten sich manche Informationen ein oder hielten wichtige Details zurück – bewusst und<br />

unbewusst, wissend und nichtwissend.<br />

Während die Bedeutung des Grätzelbeirates für die Transparenz des Verwaltungshandelns und<br />

der politischen Entscheidungen betont wird, stellt sich die Frage wie transparent oder wie gut<br />

wahrnehmbar die Sichtweisen und Positionen der lokalen Akteure im Grätzelbeirat wurden.<br />

Dabei ist zu beobachten, dass der Grätzelbeirat für die lokale Ebene nur ein Nebenschauplatz<br />

der Interessensartikulation war. Für die Grätzelbewohner und Unternehmer gab es über die<br />

Medien „Grätzl-Blattl“ und Grätzelforum die Möglichkeiten, die eigenen Sichtweisen in der<br />

Öffentlichkeit bzw. im Stadtteil darzustellen (I6_m40-49: 310-317).<br />

Entscheidungen der Politik und Verwaltung mussten vom Grätzelmanagement auch außerhalb<br />

des Grätzelbeirates vermittelt werden. So zum Beispiel beim Bau des Radwegs entlang der<br />

Nordbahnstraße, bei der die Sicherheitsargumente gegenüber den Menschen erläutert wurden,<br />

welche sich über die Führung des Radwegs beschwert hatten (I8_m40-49: 326-333).<br />

Zusätzlich ist in den <strong>Arbeitskreis</strong>en an einer Verständigung der Ebenen gearbeitet worden.<br />

Durch die Einladung von Experten in die <strong>Arbeitskreis</strong>e konnte die Vorgangsweise der<br />

Verwaltung erklärt werden (I4_m50-59: 217-219) bzw. den lokalen Akteuren vermittelt<br />

werden.<br />

Vermittlungsarbeit war auch bei den Projektanträgen der <strong>Arbeitskreis</strong>e für den Grätzelbeirat<br />

notwendig, bei der die „unterschiedlichen Sprachen“ verknüpft werden mussten. Dabei war des<br />

152


öfteren eine Umformulierung der von den lokalen Akteuren geschriebenen Anträge<br />

erforderlich. Diese in die „EU-Verwaltungssprache“ übersetzten Anträge wurden sodann im<br />

<strong>Arbeitskreis</strong> noch mal besprochen und bestätigt und sind später in die<br />

Projektkoordinationsgruppe gekommen (I8_m40-49: 496-497). Diese<br />

Projektkoordinationsgruppe diente insofern sozusagen als erste Vermittlungsstufe in den<br />

Grätzelbeirat.<br />

6.13.4. Verstehen<br />

Um den Förderkriterien der EU zu entsprechen mussten oft lebensweltfremde Formulierungen<br />

in den Projektanträgen eingeführt werden, deren Notwendigkeit den Bewohnern verständlich<br />

gemacht werden musste, um deren Einwilligung einzuholen (I1_w30-39: 964-968). Hier fand<br />

eine doppelte Vermittlung durch das Grätzelmanagement statt, die für eine wechselseitige<br />

Akzeptanz der beiden Ebenen notwendig war. Das unterschiedliche Verständnis zwischen<br />

lokalen Akteuren (Lebenswelten) und Verwaltung bzw. Politik (System) wurde hier von den<br />

Grätzelmanagern explizit thematisiert. Das führte zu neuen Erfahrungen auf beiden Seiten.<br />

„Lernerfahrungen gab es bezüglich der Systemlogik wo sich der jeweils andere bewegen<br />

muss oder die Rationalitäten wo er sich bewegt“ (I6_m30-39: 332-334).<br />

Der Hintergrund, die Handlungslogik und der Kontext, von dem aus der jeweils andere handelt<br />

konnte so besser verstanden werden. Eine verständigungsorientierte Kommunikation konnte<br />

somit im Grätzelbeirat ein Stück weit hergestellt werden.<br />

Die Regelmäßigkeit des Grätzelbeirats hat den Druck auf die Politiker erhöht, Konflikte<br />

auszutragen und Argumente oder Prozesse zu erläutern. Die Bewohner konnten diesen Druck<br />

auch ausüben (I6_m30-39: 356-360). Die institutionalisierte wiederholte Zusammenarbeit im<br />

Grätzelbeirat drängte zu einem Mindestmaß an Offenheit und durch sie wurde ein Prozess des<br />

gegenseitigen Verstehens gefördert.<br />

Was die sprachlichen Verständnisprobleme betraf, gab es in der Verwaltung bereits zentral<br />

gesteuerte Bemühungen, die Sprache einfacher und verständlicher zu machen (I7_m40-49: 93-<br />

97). Das mag ein Grund gewesen sein, dass die Verwaltungssprache weniger als Problem in<br />

der Verständigung im Grätzelbeirat erwähnt wurde.<br />

Es sollte beim Grätzelmanagement nicht vergessen werden, dass bereits die Gebietsbetreuung<br />

zuvor eine Brückenfunktion hatte (I10_w30-39m40-49: 436-437) und Kontakte herstellte.<br />

Durch die institutionalisierten Gremien im Grätzelmanagement konnte diese Funktion jedoch<br />

ausgebaut und vertieft werden. Die regelmäßigen Zusammentreffen im Grätzelmanagement<br />

förderten den Aufbau von Vertrauen und die Möglichkeiten, Positionen auszutauschen. So<br />

153


wurden unterschiedliche Positionen und andere Meinungen besser wahrgenommen und<br />

respektiert (I13_w30-39: 164-165).<br />

Eine weitere Form der Vermittlung unterschiedlicher „Welten“ fand direkt im<br />

Grätzelmanagement statt. Die Grätzelmanagerin für Zuwanderer half beim Verständnis von<br />

Briefen der Behörden oder Wirtschaftskammer für Unternehmer und erläuterte deren Inhalt,<br />

insbesondere bei sprachlichen Schwierigkeiten oder mangelnder Lesefähigkeit (I2_w30-39:<br />

662-664).<br />

6.14. Gemeinsam bestimmte Regeln der Zusammenarbeit und<br />

Selbstorganisation<br />

Die Zusammenarbeit zwischen der Verwaltung und Politik und der Stadtteilakteure musste<br />

geregelt werden und manifestierte sich im Grätzelbeirat, der im Sinne der EU-Förderkriterien<br />

mittels Statuten institutionalisiert wurde. Dort wurde, wie weiter oben beschrieben, über<br />

einzelne Projekte entschieden.<br />

Es kam im Grätzelbeirat jedoch zu Diskussionen und Konflikten, weil die institutionelle Ebene<br />

zu spät über Projektanträge (statt vereinbarte 14 Tage vor Beiratssitzung) informiert wurde.<br />

Die Institutionen wollten den Inhalt der Projekte jedoch vor den Beiratssitzungen prüfen<br />

(I10_w30-39m40-49: 220-227). Daher wurde die Projektkoordinationsgruppe 49 als<br />

Zwischengremium ins Leben gerufen und etwa einen Monat vor jedem Grätzelbeirat für die<br />

Institutionen einberufen, um rund um die Projekte Schwierigkeiten auszuräumen oder<br />

Stimmungen abzuklären bzw. rechtzeitig Informationen einzuholen (I10_w30-39m40-49: 228-<br />

233). Diese Projektkoordinationsgruppe wurde unabhängig von EU-Förderungskriterien<br />

formiert und kann als Phänomen eines Governanceprozess´ betrachtet werden, in dem die<br />

steuernden Mitglieder flexibel den politischen Prozess und die Steuerungsstruktur veränderten.<br />

Auch wenn die EU-Fördermaßnahmen mit ihren klar nach Fächern und Sektoren getrennten<br />

Fördertöpfen für viele Ambitionen hinderlich waren, so wurden in Ausnahmefällen wenigstens<br />

auch nichtförderfähige Projekte umgesetzt, die wegen ihrer guten Idee im Grätzelbeirat<br />

überzeugen konnten (I10_w30-39m40-49: 133-136).<br />

Im letzten (Verlängerungs-)jahr brauchte der WWFF die Projekte nicht mehr im Grätzelbeirat<br />

zur Abstimmung zu bringen und hat nur mehr darüber im Grätzelbeirat oder per e-mail<br />

berichtet und im WWFF intern abgestimmt. Damit hat sich die Beteiligungsmöglichkeit der<br />

49 Diskussion der Projektkoordinationsgruppe siehe unter Kapitel 8.6. Entscheidungskompetenzen.<br />

154


lokalen Ebene weiter verringert. Die Bürgervertreter hatten mit Anfang 2006 hier über den<br />

Grätzelbeirat keinen Einfluss mehr auf Projekte im Wirtschaftsbereich (I10_w30-39m40-49:<br />

236-245). Das hatte für die WWFF Projekte den Vorteil, die Projekte wesentlich rascher zur<br />

Umsetzung zu bringen und eventuellen Widerstand im Grätzelbeirat zu umgehen.<br />

Als eigenes Ziel2 Projekt bis Mitte 2008 ersetzte das BSC (Business Service Center) mit den<br />

selben Mitarbeitern wie für das Grätzelmanagement den WWFF seit 2006 (I10_w30-39m40-<br />

49: 222-228).<br />

6.15. Lernerfahrungen aus dem Grätzelmanagement<br />

In der Wahrnehmung der Experten des Grätzelmanagements hat das Grätzelmanagement zum<br />

einen den Selbstwert der lokalen Akteure gesteigert und sie ermutigt, sich einzusetzen und zu<br />

engagieren. Das Lernen voneinander im Beirat, die Stärkung des Selbstwerts und die<br />

Ermutigung auf gleicher Augenhöhe zu kommunizieren waren die entscheidenden Fortschritte<br />

im Grätzelmanagement, so eine Grätzelmanagerin (I1_w30-39: 454-458).<br />

Auf der anderen Seite ist es auch als Erfahrung beschrieben worden, demokratische Prozesse<br />

zu erleben und neu einzuschätzen:<br />

„Also ich glaube, dass eine wesentliche Qualität (des Grätzelmanagements; d.Verf.) ein<br />

neues Verständnis für demokratische Prozesse oder für gelebte Demokratie gewesen ist<br />

und immer noch ist. Und das meine ich für alle Seiten. Auf der einen Seite für die<br />

Bewohner selbst, für die Akteure, Akteurinnen selbst, für die Aktivisten und Aktivistinnen<br />

selbst, die erfahren haben, dass man auf der einen Seite Wünsche, Anregungen<br />

deponieren kann, dass man konstruktiv mitarbeiten kann, aber auch gelernt haben, dass<br />

nicht alles geht, nicht alle Wünsche und Anregungen umgesetzt werden können“<br />

(I7_m40-49: 167-173).<br />

Die Grenzen der Beteiligung im Grätzelmanagement in Wien werden hier aufgezeigt. Eine<br />

Mitarbeit ist erwünscht, wenn sie bei den Bürgern dazu führt, die Entscheidungen und Prozesse<br />

der Politik und Verwaltung zu verstehen und zu akzeptieren. Alternativen stehen nicht zur<br />

Debatte. Demokratie bleibt etwas wünschenswertes, solange es die eingefahrenen<br />

Machtstrukturen nicht erschüttert.<br />

Auf der anderen Seite konnte das Grätzelmanagement jedoch auch dazu beitragen, die Zweifel<br />

politischer Verantwortlicher zu zerstreuen, die vorerst in der Aktivierung und Beteiligung<br />

lokaler „Kräfte“ eine Gefahr und ein Unruhepotenzial sahen.<br />

„Da hat es am Anfang eine gewisse Skepsis gegeben, vor allem im politischen Bereich,<br />

weil man einfach zu wenig Erfahrung damit hatte, (...). Man hat zum Teil Angst davor<br />

gehabt, was passiert da jetzt. Kommt da jetzt eine Welle auf uns zu, mit der wir nicht<br />

mehr umgehen können, kommen Forderungen auf uns zu, die wir nicht bewältigen<br />

können, die wir nicht umsetzen können. Kann uns das jetzt politisch zum Nachteil<br />

geraten. Können da Bewegungen entstehen, die ah wir nicht mehr steuern können. Es<br />

war nicht so. Es war überhaupt nicht so“ (I7_m40-49: 176-184).<br />

155


Die Erfahrung einer friedlichen und sogar konstruktiven Auseinandersetzung hat das Vertrauen<br />

in die lokale Ebene möglicherweise sogar nachhaltig verbessert und lässt in Zukunft auf<br />

weitere Schritte der Mitbestimmung und Zusammenarbeit hoffen. Somit ist auch im politischen<br />

System zumindest auf wenige Personen bezogen ein Lerneffekt durch das Grätzelmanagement<br />

festzustellen, der eine Chance bedeutet, die politische Kultur in Wien ein weiteres Stück für<br />

kleinräumige Partizipationsprojekte zu öffnen.<br />

6.16. Die Vernetzung durch das Grätzelmanagement - Überblick<br />

Wie die Abbildung 3 (Vernetzung im Rahmen des Grätzelmanagement Volkert- und<br />

Alliiertenviertel 50 ) auf der nächsten Seite zeigt, waren eine Reihe von Akteuren aus der<br />

Verwaltung, Politik und dem Stadtteil durch das Grätzelmanagement miteinander in Kontakt<br />

gekommen. Der Großteil der Vernetzung beschränkte sich jedoch auf temporären und<br />

projektbezogenen Austausch. Intensive und regelmäßige Kontakte ergaben sich vor allem im<br />

Zuge institutionalisierter Zusammentreffen wie dem Grätzelbeirat und den <strong>Arbeitskreis</strong>en. Dort<br />

fand eine Moderation durch das Grätzelmanagement statt und geplante bzw. planmäßige<br />

Aktivitäten gingen von dort aus. Die meisten restlichen Vernetzungen dienten meist dem<br />

Informationsaustausch und dem gegenseitigen kennen lernen.<br />

50 Die Darstellung der Vernetzung basiert auf keiner systematischen Erhebung wie in einer formalisierten Netzwerkanalyse.<br />

Sie entspricht in diesem Sinne mehr einer Skizze der Vernetzung, um die wichtigsten Akteure und ihre Beziehungen, die im<br />

Rahmen des Grätzelmanagements Volkert- und Alliiertenviertel entstanden sind, rasch aber vereinfacht sichtbar zu machen.<br />

156


157


Conclusio<br />

Das Ziel der Vernetzung war weder Selbstzweck noch war die Vernetzung ein Selbstläufer,<br />

sondern sie verlangte viel Zeit und Arbeit.<br />

Die Vernetzung durch das Grätzelmanagement Volkert- und Alliiertenviertel gelang in<br />

manchen Bereichen besser, in anderen weniger gut. Eine Verallgemeinerung ist deshalb<br />

schwierig, weil sich zwar viele neue Vernetzungen und Kontakte ergaben, diese aber<br />

manchmal mehr punktuell als dauerhaft oder institutionalisiert stattfanden. Die Beteiligung an<br />

Veränderungsprozessen im öffentlichen Raum und die Belebung des Grätzels durch<br />

verschiedenste Veranstaltungen waren unmittelbare Folge neu gebildeter Netzwerke im<br />

Stadtteil Volkert- und Alliiertenviertel. Erfreuliche war dabei die Bildung von Sozialkapital,<br />

was sich in neuen Bekanntschaften und Freundschaften und einer positiveren Stimmung bei<br />

vielen Stadtteilbewohnern äußerte.<br />

Das Grätzelmanagement agierte keineswegs unabhängig von externen Bedingungen und<br />

individuellen Einflüssen einzelner Akteure, wovon auch die Vernetzungsarbeit geprägt war.<br />

Diese hing von zahlreichen Faktoren ab, die sich je nach Bereich und Ziel der Vernetzung<br />

voneinander unterschieden.<br />

Insgesamt war die politische Kultur im 2. Bezirk und damit auch die Offenheit der<br />

Bezirkspolitik ein wesentlicher Bestandteil der Vorraussetzungen für eine sinnvolle Umsetzung<br />

des Projektes. Die politischen Akteure bedeuteten eine wichtige Unterstützung für das<br />

Grätzelmanagement, profitierten aber auch selbst durch eine Imageverbesserung, mehr<br />

Medienpräsenz und die Möglichkeit sich beim Grätzelmanagement über aktuelle<br />

Entwicklungen und Stimmungen im Stadtteil zu informieren.<br />

Das Grätzelmanagement Volkert- und Alliiertenviertel weist rückblickend betrachtet einzelne<br />

Merkmale von Governance auf. Zum einen kam es zu einer interorganisatorischen<br />

Zusammenarbeit, insbesondere zwischen öffentlichen Organisationen und Bewohnern.<br />

Nichtstaatliche privatwirtschaftliche Unternehmen bildeten in den neu entstandenen<br />

Netzwerken eine Minderheit. Ihre Beteiligung beschränkte sich auf einzelne Projekte oder auf<br />

kleinere finanzielle Beiträge im Sponsoringbereich. An Aushandlungsprozessen in direkter<br />

Interaktion nahmen sie nur im Zuge des entsprechenden <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft im<br />

Grätzelbeirat teil.<br />

Für den wichtigen privaten Sektor besteht damit noch Aufholbedarf. Zum einen war dieser im<br />

Stadtteil von vorne herein schwach aufgestellt. Die Betriebsstruktur im Stadtteil ist von<br />

158


Kleinbetrieben geprägt. Die Gewerbetreibenden und Einzelhandelsunternehmen konnten sich<br />

nicht im gewünschten Maße einbringen. Die Gründe dafür können unterschiedlich verteilt u.a.<br />

im Generationswechsel und in der Resignation der Unternehmer sowie in den divergierenden<br />

Interessen, aber auch in eingeschränkten Zeitressourcen für zusätzliche Termine gesehen<br />

werden.<br />

Insgesamt kann auf Stadtteilebene aber von einem sehr breiten Spektrum unterschiedlichster<br />

Akteure gesprochen werden, die zumindest mit dem Grätzelmanagement in Kontakt waren.<br />

Das Grätzelmanagement organisierte die Institutionalisierung und Selbstkoordination von<br />

Steuerungs- und Verhandlungsprozessen, wie das besonders im Grätzelbeirat, der<br />

Projektkoordinationsgruppe oder den <strong>Arbeitskreis</strong>en der Fall war. Dort wurden jeweils<br />

selbstständig Regeln bestimmt, die an die Bedürfnisse der beteiligten Akteure angepasst<br />

wurden.<br />

Zwischen den Projektpartnern des Grätzelmanagements wurde eine schriftliche<br />

Partnerschaftsvereinbarung getroffen.<br />

Das Grätzelmanagement begünstigte die Bildung einer lokalen Zivilgesellschaft, d.h. die<br />

Bewohner und Unternehmer, sich zu organisieren und Aufgaben im und für den Stadtteil zu<br />

übernehmen.<br />

Die neu entstandenen Netzwerke des Grätzelmanagements waren Merkmale eines<br />

Governanceprozesses, wenngleich die Machtverteilung dort keinesfalls symmetrisch verteilt<br />

war und auch das Grätzelmanagement an dieser Schieflage nicht viel ändern konnte.<br />

Die Rolle als intermediäre Organisation konnte das Grätzelmanagement in vielen Fällen<br />

ausfüllen.<br />

Das Grätzelmanagement hat in verschiedenen Anfragen, Diskussionen, Verhandlungen und<br />

Konflikten wesentlich zu einer Vermittlung zwischen den Akteuren beigetragen. So konnte<br />

zum Beispiel beim Projekt Umgestaltung des Volkertplatzes die Transparenz und Akzeptanz<br />

unterschiedlicher Positionen verbessert werden. Das Grätzelmanagement hat sich dabei als<br />

Anwalt weitgehend im Hintergrund gehalten und stattdessen die Vorraussetzungen für<br />

Diskurse und Beteiligung geschaffen. Diese wurden vom Grätzelmanagement begleitet, wobei<br />

sehr wohl darauf geachtet wurde, Normen bezüglich dem zugrunde liegenden<br />

Demokratieverständnis zu setzen.<br />

In vertikaler Richtung ist zwar eine „Rückkoppelung“ von System und Lebenswelt gelungen.<br />

Diese ist jedoch zugunsten einer Vermittlung der Handlungslogik „nach unten“ betrieben<br />

worden, was nicht allein auf das Grätzelmanagement zurückzuführen ist, sondern auch mit der<br />

159


Machtposition von Politik und Verwaltung zu erklären ist. So wurde das Grätzelmanagement<br />

von Politik und Verwaltung auch dazu genutzt, das eigene Handeln zu rechtfertigen und zu<br />

legitimieren. Dazu wurden die EU-Förderbedingungen als unausweichlich und außerhalb der<br />

Reichweite regionalpolitischen Handelns beschrieben und damit gleichzeitig Alternativen der<br />

Finanzierung aus dem Blickfeld genommen. Das brachte für die Politik den Vorteil, die<br />

Akzeptanz von Entscheidungen in der Bevölkerung zu verbessern, was zu einer Beruhigung<br />

lokaler Akteure geführt hat. Die Rationalisierung der Lebenswelt wurde mit diesen<br />

Erläuterungen von Rahmenbedingungen wie der EU-Förderung oder von Prozessen der<br />

Verwaltung und der Wirtschaft weiter gefördert. Umgekehrt wurde eine Vermittlung von<br />

Werten und Vorstellungen der lokalen Akteure „nach oben“ nur solange gut geheißen, solange<br />

sie die rationale Handlungslogik von Politik und Verwaltung nicht in Frage stellten.<br />

Was die Herstellung horizontaler und vertikaler Kommunikationswege betrifft, war das<br />

Grätzelmanagement nur in Teilbereichen erfolgreich. Im Stadtteil ist die Vernetzung nicht<br />

flächendeckend, d.h. nicht zwischen allen größeren sozialen Gruppen gelungen. Dafür scheinen<br />

aus Sicht der Bewohner verschiedene Gründe denkbar. Viele Menschen waren bereits vor dem<br />

Grätzelmanagement in anderen sozialen Netzwerken eingebunden, u.U. auch außerhalb des<br />

Stadtteils. Andere suchten den sozialen Austausch erst gar nicht oder bevorzugten, in<br />

zurückgezogener Abgeschiedenheit zu leben und blieben daher für das Grätzelmanagement<br />

unerreichbar.<br />

Die neu entstandenen horizontalen Strukturen konnten dafür über die Zeit gefestigt werden.<br />

In vertikaler Richtung konnte man nicht alle gewünschten Akteure erreichen, um einen<br />

regelmäßigen Austausch zu erwirken.<br />

Zu einer dauerhaften und regelmäßigen Vernetzung zwischen Stadtteilakteuren und Vertretern<br />

aus Politik und Verwaltung kam es durch das Grätzelmanagement nur in eingeschränktem<br />

Ausmaß. Der einzige Ort, an dem ein solcher Austausch in institutioneller Form stattfand war<br />

der Grätzelbeirat. Dort konnten die lokalen Akteure ihre Ideen und Anliegen vorbringen. Eine<br />

Weiterleitung an die entsprechenden Dienststellen war damit aber nicht automatisch<br />

eingeschlossen.<br />

Eine vertikale Vernetzung bzw. ein Kontakt über die im Grätzelbeirat anwesenden<br />

Magistratsabteilungen hinaus gelang mit Ausnahme der Mitarbeit der MD BD kaum. Die<br />

fehlende Resonanz auf der Stadtratsebene und beim Bürgermeister Wiens, sowie die geringe<br />

160


Medienpräsenz zeigen, dass das Konzept des Stadtteilmanagements in Wien noch am Anfang<br />

steht.<br />

Problematisch war schließlich die Beziehung zwischen lokalen Akteuren und der<br />

institutionellen Ebene. Diese war nämlich von externen Faktoren wie den EU-Förderkriterien<br />

geprägt. Der im Grätzelmanagement intendierte Bottom-Up Ansatz konnte aufgrund der starren<br />

EU-Förderung nicht wie gewünscht umgesetzt werden. Diese Förderstruktur der EU war nicht<br />

für ein Konzept wie das Stadtteilmanagement eingerichtet worden und verstärkte dadurch<br />

implizit nicht nur die Top-Down Steuerung, sondern beschnitt zusätzlich die Ambitionen und<br />

Innovationen der Stadtteilakteure und des Grätzelmanagement-Ansatzes überhaupt. Die<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>e, die bereits sehr früh erkennen mussten, dass ihre Ideen nicht förderfähig waren,<br />

konnten sich letztlich sehr gut entfalten, denn sie waren finanziell unabhängiger als die<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>e, deren Projekte an den EU-Kriterien hing. Das sollte jedoch nicht als Argument<br />

gegen finanzielle Unterstützung „von oben“ interpretiert werden, denn die Personal- und<br />

Raumressourcen des Grätzelmanagements waren für die Entwicklung aller <strong>Arbeitskreis</strong>e<br />

grundlegend. So mündete zu Beginn des Grätzelmanagements die angeregte Beteiligung und<br />

Vernetzung oft in Ernüchterung über die einschränkenden Möglichkeiten der Förderung. Diese<br />

Bremswirkung auf ambitionierte Anliegen führte letztlich auch bei manchen zum vorzeitigen<br />

Ausstieg. Gleichzeitig waren die EU-Förderkriterien ein Schutzschild für Politik und<br />

Verwaltung, der für Kritiker aus dem Stadtteil außerhalb argumentativer Reichweite lag.<br />

Mussten diese Bedingungen doch als Gegebenheit hingenommen werden, auch wenn es zu<br />

einer Umschichtung zwischen den Fördermaßnahmen kam.<br />

Die geringen Erfahrungen der Grätzelmanagement Mitarbeiter mit Projektanträgen und das<br />

fehlende Wissen der Bewohner und Unternehmer über die EU-Kriterien führten zu einer<br />

einseitigen Machtverteilung hinsichtlich der Lesart und Interpretation der Kriterien, was<br />

gleichzeitig eine zusätzliche Abhängigkeit der lokalen Akteure begünstigte.<br />

Trotzdem muss ergänzt werden, dass in Ausnahmefällen Projekte finanziert und umgesetzt<br />

wurden, die nicht den Kriterien der EU entsprachen und aus Bezirksgeldern finanziert wurden.<br />

Während sich in vertikaler Richtung die Verhältnisse der Machtverteilung und Kontrolle kaum<br />

geändert hat, wurde in horizontaler Richtung in den Netzwerken Demokratie „geübt“. Die<br />

lokalen Akteure wurden damit zufriedengestellt und beruhigt, einerseits ihre Meinung<br />

wenigstens einbringen zu können und andererseits die bestehenden Entscheidungsstrukturen<br />

als „naturgegebene“ Vorraussetzung zu akzeptieren.<br />

161


Die Beteiligung erfolgte im Spannungsfeld zwischen befrieden, informieren, anhören und<br />

kooperieren bis hin zur teilweisen Mitentscheidung, wie das im Grätzelbeirat oder der Fachjury<br />

zur Umgestaltung des Volkertplatzes der Fall war.<br />

Die horizontale Vernetzung gelang im Stadtteil wesentlich besser als in der Verwaltung.<br />

Die Verwaltung blieb in ihrer Struktur und Organisation vom Projekt Grätzelmanagement<br />

unangetastet. Die zusätzlichen Aufgaben wurden im Zuge routinisierten Verwaltungshandelns<br />

erfüllt und von einem Mitarbeiter der MD BD koordiniert, der als Gebietsbeauftragter<br />

fungierte.<br />

Die Institutionalisierung des Stadtteils blieb innerhalb der Verwaltung aus. Es wurde weder<br />

eine task-force noch eine Arbeitsgruppe eingerichtet, welche die wichtigsten<br />

Magistratsabteilungen aus den jeweiligen Geschäftsgruppen miteinander verband.<br />

Der Grätzelbeirat konnte diese Arbeitsgruppe nicht ersetzen, da er erstens die Aufgabe hatte,<br />

die Vermittlung zwischen Stadtteil- und Verwaltungsebene zu bewerkstelligen und zweitens<br />

ein Entscheidungsgremium war und keine Koordinierungsstelle. Er war außerdem nicht dafür<br />

eingerichtet und organisiert, Ideen oder Innovationen zu generieren.<br />

So fehlte der Verwaltungsebene ein Gegenstück zu den <strong>Arbeitskreis</strong>en im Stadtteil. Die<br />

Koordination des Verwaltungshandelns ging nicht über das übliche Maß außerhalb des<br />

Grätzelmanagements hinaus. Von einer neuen ressortübergreifenden Ressourcenbündelung<br />

konnte keine Rede sein. Die Haushaltsgrenzen waren auch für das Grätzelmanagement<br />

unüberwindliche Barrieren zu einer integrativen Zusammenarbeit mit gemeinsamen Ziel, der<br />

Verbesserung der Lebensbedingungen im Stadtteil. Dazu kam das Ausbleiben wichtiger<br />

öffentlicher Institutionen wie im Falle einiger Fonds der Stadt Wien.<br />

Hier fehlte der Einfluss einer übergeordneten Hierarchieebene, welche die<br />

Magistratsabteilungen zu einer tieferen Zusammenarbeit aufruft. Die Stadtratsebene scheint<br />

dafür nicht die geeignete Instanz zu sein, auch die bisher aktive MD BD nicht, da sie bei den<br />

Fonds der Stadt Wien ohne entscheidendem Einfluss ist. Der Gemeinderat bzw. die<br />

Stadtregierung und der Bürgermeister wäre wohl dafür die einflussreichste Stelle gewesen. In<br />

diesem Fall müsste jedoch noch viel Vernetzungs- und Überzeugungsarbeit bei diesen<br />

Verantwortlichen geleistet werden. Nur diese Ebene kann eine einschneidende Änderung in<br />

Richtung integrativem Verwaltungshandeln delegieren.<br />

Im Stadtteil konnten dagegen weit größere Fortschritte in der Vernetzung gemacht werden.<br />

Dies war jedoch dem Engagement von Einzelpersonen zu verdanken. Durch die intensive<br />

162


Vernetzung hat sich Sozialkapital nachhaltig gebildet. Im Vergleich zur Verwaltungsebene<br />

drängt sich der Eindruck auf, dass es einfacher war Einzelpersonen im Stadtteil zu vernetzen<br />

als Organisationen der Stadt, was ein Hinweis dafür ist, unterschiedliche Methoden und<br />

Strategien für die jeweilige Vernetzung anzuwenden.<br />

Das Grätzelmanagement als Stadtteilmanagement hat zwar keine arbeitsmarktpolitischen<br />

Projekte zur Umsetzung gebracht. Eine soziale Integration ist aber abseits des ersten<br />

Arbeitsmarktes insofern gelungen, als die Menschen in den Arbeitkreisen in regelmäßige<br />

Aktivitäten eingebunden waren und sich dort sinnvoll bzw. nach eigenen Wünschen einbringen<br />

konnten. Dabei haben die Bewohner an öffentlichen Angelegenheiten teilgenommen. Zudem<br />

wurden neue emotionale Beziehungen zwischen den Menschen begründet und eine Integration<br />

in neue Gemeinschaften ist geglückt.<br />

Auffällig, jedoch kein Novum war die mangelhafte Einbindung von Bewohnern und<br />

Unternehmern mit Migrationshintergrund, was zum Teil an der fehlenden Systemintegration<br />

und damit außerhalb der Reichweite des Grätzelmanagements lag. Trotzdem waren<br />

Anknüpfungspunkte für eine verstärkte Vernetzung zu erkennen.<br />

Um Menschen mit Migrationshintergrund besser erreichen zu können und ihnen den Zugang<br />

zu Netzwerken zu erleichtern, braucht es sensibel entwickelte, auf die jeweiligen Gruppen<br />

zugeschnittene Strategien. Dazu muss unbedingt mit Migration erfahrenes Personal und<br />

muttersprachliches Personal in künftige Stadtteilmanagementprozesse aufgenommen werden,<br />

deren Lebenswelt in mindestens zwei Kulturen, der österreichischen und der der<br />

Zugewanderten fußt.<br />

Für zukünftige ähnliche Projekte wäre der Einsatz bereits erfahrenen Personals überhaupt zu<br />

empfehlen, das auch gut auf das Konzept eingestellt und vorbereitet wird.<br />

Das Grätzelmanagement hat wesentlich dazu beigetragen, Begegnungen im Stadtteil zu<br />

initiieren, die einerseits die Anonymität in der Nachbarschaft abschwächte. Außerdem konnten<br />

mit den neu gewonnenen Kontakten und Informationen die Handlungsmöglichkeiten und –<br />

spielräume ausgedehnt werden, was zu einer Vielzahl an gemeinsamen Aktivitäten und<br />

Projekten geführt hat. Durch die Vernetzung im Stadtteil konnten zusätzlich Kooperationen<br />

initiiert werden, die u.a. in der gemeinsamen Finanzierung und Unterstützung von<br />

Veranstaltungen zum Tragen kamen, wie das beim Sponsoring durch lokale Unternehmen der<br />

Fall war.<br />

Was das breite Engagement und die Bereitschaft unter den Bewohnern betraf, muss beachtet<br />

werden, dass manche Projekte auf den Schultern weniger lasteten, die sich im Vergleich zu<br />

163


vielen anderen überdurchschnittlich einsetzten. Sehr viele Aktivitäten blieben dadurch am<br />

außergewöhnlichen Einsatz von Einzelpersonen hängen. Sie kompensierten damit auch, was<br />

die mangelhaften finanziellen und personellen Strukturen nicht leisten konnten. Zu viel<br />

Verantwortung an Einzelnen fest zu machen, barg die ständige Gefahr eines Zusammenbruchs<br />

ganzer Netzwerke und damit der Projekte. Das Grätzelmanagement musste in solchen Fällen<br />

darauf besonderen Bedacht nehmen, dass diese Stützen nicht überfordert wurden.<br />

Eine zusätzliche horizontale Vernetzung könnte durch Zusammentreffen der <strong>Arbeitskreis</strong>e als<br />

Stadtteil Jour fixe unterstützt werden, um sich auszutauschen und durch Integration von Ideen<br />

gemeinsame Projekte zu initiieren.<br />

In Anbetracht der Tatsache, dass der Aufbau von Vertrauen zur Entwicklung von stabilen<br />

Netzwerken viel Zeit braucht, erscheint die Projektphase von nur etwa vier effektiven Jahren<br />

im Stadtteil als zu kurz. Die ersten Schritte der Einrichtung arbeitsfähiger Gruppen konnten<br />

gerade erst stabilisiert werden. Am Ende des Projektes wäre eine Vorbereitung lokaler<br />

Institutionen, Infrastrukturen im Stadtteil zur Verfügung zu stellen, das Mindeste gewesen, um<br />

die sozialen Strukturen für die Zukunft weiter zu unterstützen.<br />

Es drängt sich aber auch die Frage auf, ob dieses Projekt nicht überhaupt hätte deutlich<br />

verlängert und finanziell stärker unterstützt werden sollen.<br />

Leider muss das Grätzelmanagement rückblickend als ein Projekt beschrieben werden, das<br />

zwar sehr viel Vernetzung und Beteiligung im Stadtteil förderte, viele Ambitionen jedoch ohne<br />

viel Aussicht auf Förderung auf der Strecke blieben. So kam es zwar zu einer sozialen<br />

Vernetzung, aber nur zu wenig positiven Auswirkungen im sozioökonomischen Bereich. Nach<br />

wie vor steht eine Vielzahl an Geschäftslokalen im Viertel leer und es konnten auch sonst<br />

keine neuen Unternehmen im Stadtteil angesiedelt werden.<br />

Hier muss auch das Grätzelmanagement als reines Beteiligungsprojekt in Frage gestellt<br />

werden. Die wichtigen arbeitsmarkt-, bildungs- und wirtschaftspolitischen Projekte benötigen<br />

im Grunde Anreize und Inputs „von oben“. Der Bottom-Up Ansatz, auch wenn er im<br />

Grätzelmanagement ohnehin nicht konsequent umgesetzt wurde, bedarf der Ergänzung eines<br />

Top-Down Ansatzes, der für intensive finanzielle Unterstützung und inhaltliche Anleitung der<br />

Stadtteilprozesse sorgt. Es sind also auch Maßnahmen für die soziale und ökonomische<br />

Entwicklung zu setzen, die gemeinsam von den einschlägigen Institutionen, der Verwaltung<br />

164


und den Fonds in Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft initiiert und umgesetzt werden<br />

müssen.<br />

In diesem Zusammenhang, aber auch, um nochmals auf die Vernetzung in der Verwaltung<br />

zurückzukommen, war das Grätzelmanagement als Projekt, das nur vom Stadtteil ausgeht und<br />

auch nur im Stadtteil wirkt, zu eng ausgerichtet. Die Verwaltungsstrukturen blieben<br />

unverändert. Dabei sind Chancen ausgelassen worden, Ressourcen effizienter einzusetzen und<br />

die sozioökonomischen Lebensbedingungen im Stadtteil zu verbessern.<br />

Die Idee des Stadtteilmanagements stellt den Anspruch einer ganzheitlichen Herangehensweise<br />

an die Entwicklung eines Stadtteils. Dieser Ansatz konnte im Fall des Grätzelmanagements<br />

nicht umgesetzt werden.<br />

Unter den Vertretern der Projektpartner, Projektträger und den Mitgliedern des Grätzelbeirates<br />

sowie den Grätzelmanagern war ein gemeinsames geteiltes Wissen über das Konzept, die Ideen<br />

und die Strategien des Grätzelmanagements zu vermissen. Das zu Beginn vorgelegte Konzept<br />

wurde nicht von allen gelesen und so interpretierten diese Akteure den Sinn des<br />

Grätzelmanagements, vom jeweiligen institutionellen Hintergrund geprägt, sehr<br />

unterschiedlich und nur zum Teil dem Konzept des Stadtteilmanagements entsprechend. Der<br />

Begriff der ressortübergreifenden Ressourcenbündelung wurde uneinheitlich interpretiert oder<br />

gar nicht artikuliert. Eine Klärung und Präzisierung des Begriffs scheint längst überfällig, um<br />

über ein intersubjektives Verständnis hinaus auch an einer konsequenten Umsetzung arbeiten<br />

zu können.<br />

Dazu kommt, dass das Grätzelmanagement von den meisten Befragten vor allem als<br />

Beteiligungsprojekt wahrgenommen wurde, das für eine Moderation politischer Diskussionen<br />

eingerichtet wurde. Der ganzheitliche Ansatz einer integrativen Zusammenarbeit auf der<br />

Stadtteilebene als auch auf der Verwaltungsebene ist nur von wenigen artikuliert worden.<br />

Jede Kultur und insbesondere jede politische Kultur, aber auch Verwaltungskultur ändert sich<br />

langsam. Dass diese Entwicklung in Wien eine Ausnahme macht und besonders beschleunigt<br />

in wenigen Jahren (im Rahmen eines Projektes) vor sich geht, darf zwar bezweifelt werden.<br />

Der Hoffnung und besonders dem diesbezüglichen Einsatz soll dies aber auf keinen Fall einen<br />

Abbruch tun. Man darf gespannt beobachten, ob die vorsichtig eingeschlagene Richtung in<br />

Zukunft weiter verfolgt wird und welche Früchte sie tragen wird.<br />

165


Anhang<br />

Interviewleitfaden: Verwaltung und Projektpartner<br />

1. Welche Aufgabe hatten Sie im Rahmen des Grätzelmanagement?<br />

2. Welche Aufgabe hatte das Grätzelmanagement im Stadtteil?<br />

3. Nennen Sie bitte die wichtigsten Institutionen, mit denen Sie im Rahmen des<br />

Grätzelmanagement zu tun hatten.<br />

4. Welche Rolle übernahm ihre Organisation im Grätzelbeirat?<br />

5. Können Sie mehr über den Grätzelbeirat erzählen? Welche Funktion hatte er?<br />

Wie war das Diskussionsklima und die Diskussionskultur? Wie sind Entscheidungen<br />

Zustande gekommen? Konnte dort jeder vorbei kommen?<br />

6. Stellen Sie sich vor, ich nehme an einem Grätzelbeirat zum ersten Mal Teil. Was<br />

müsste ich beachten? Welche Regeln müsste ich dort einhalten?<br />

7. Was waren die Zielkriterien des Grätzelmanagements? Gab es Qualitätsvereinbarungen<br />

für das Grätzelmanagement?<br />

8. Stadtteilmanagement wird manchmal als Brückeninstanz beschrieben. Wo und wie hat<br />

das Grätzelmanagement vermittelnd gewirkt?<br />

9. Was konnte das Grätzelmanagement für die Vernetzung auf den verschiedenen Ebenen<br />

bewirken?<br />

10. Welche neuen Kontakte und Kooperationen haben sich durch das Grätzelmanagement<br />

ergeben, die es zuvor nicht gab?<br />

11. Was hat sich für die beteiligte Verwaltung durch das Grätzelmanagement getan oder<br />

verändert?<br />

12. Welche Lernerfahrungen hat das Grätzelmanagement in der Magistratsdirektion und<br />

der Verwaltung im Allgemeinen bewirkt?<br />

13. Wo kennt man das Grätzelmanagement in der Verwaltung und wo nicht?<br />

14. In der Theorie bzw. Fachliteratur über Verwaltungsmodernisierung ist häufig von einer<br />

ressortübergreifenden Zusammenarbeit die Rede. Was können Sie im Zusammenhang<br />

mit dem Grätzelmanagement darüber sagen? Hat diese Zusammenarbeit stattgefunden?<br />

Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?<br />

15. Gab es abseits des Grätzelbeirats und des Stadtteils Zusammentreffen mit anderen<br />

Institutionen oder Verwaltungseinheiten? Nennen Sie bitte Beispiele.<br />

16. Ist die Idee des Grätzelbezugs und des Grätzels in der Verwaltung irgendwie verankert?<br />

166


17. Wurde das Grätzelmanagement im Gemeinderat oder in der Wiener Stadtpolitik<br />

thematisiert? Gibt es Bezüge der Stadtentwicklungskonzepte zum Grätzelmanagement?<br />

18. Wie sah der Kontakt der Magistratsdirektion zur Politik (Bezirksvertretung) aus?<br />

Interviewleitfaden: Grätzelmanagement<br />

1. Was war Deine Aufgabe und Deine Tätigkeit im Grätzelmanagement?<br />

2. Erzählen Sie bitte über die Anfänge und die Entstehung des Grätzelmanagement. Was<br />

ist passiert? Wie haben die Menschen reagiert?<br />

3. Welche Aufgabe und Rolle hat(te) das Grätzelmanagement im Stadtteil?<br />

Wie ist das Verhältnis zu den verschiedenen Magistraten, zur Verwaltung und zur<br />

Politik?<br />

4. Haben Politiker gegen Projekte entschieden?<br />

Welche Projekte waren das? Wie wurde darauf reagiert? Warum gab es hier Probleme?<br />

5. Gibt es ein frei vom Grätzelmanagement verfügbares Budget?<br />

Welchen Anteil am Gesamtbudget beträgt das ca. in %?<br />

6. Was sind und waren die Themen im Grätzel?<br />

Was sind die Probleme aus der Sicht des Grätzelmanagements?<br />

Welche Themen wollte und will das Grätzelmanagement bearbeiten?<br />

7. Wer sind die relevanten Leute oder Akteure im Grätzel und für das<br />

Grätzelmanagement? Wie ist man auf sie zugegangen?<br />

Wer sind die „Macher“ im Grätzel? (Initiative, Mächtige, Aktive etc.)<br />

8. Was hat die Menschen zum Bleiben veranlasst? Was waren die Schwierigkeiten, die<br />

Menschen weiter zu binden und zu motivieren?<br />

9. Kam es zu Gruppenbildungen im Grätzel? Sind manchmal Gruppen im Grätzel zu stark<br />

oder dominant geworden?<br />

10. Sind neue Bekanntschaften, Beziehungen und Kontakte im Grätzel entstanden? Nenne<br />

bitte ein Beispiel.<br />

11. Wenn sich Bewohner oder auch Unternehmer für ihr Grätzel engagieren. Worauf ist das<br />

zurückzuführen?<br />

12. Wie sind die <strong>Arbeitskreis</strong>e entstanden? Wie laufen die <strong>Arbeitskreis</strong>e ab?<br />

Woher kommen die Themenvorschläge?<br />

Was für eine Rolle spielt Zeit in den <strong>Arbeitskreis</strong>en?<br />

Gibt es Spielregeln und wie sind sie entstanden?<br />

167


13. Welche <strong>Arbeitskreis</strong>e gibt es jetzt noch? Was passiert mit den Ergebnissen in den<br />

<strong>Arbeitskreis</strong>en? Was wird über das Grätzelmanagement hinaus bestehen bleiben?<br />

(<strong>Arbeitskreis</strong>e, Ressourcen etc.)<br />

14. Stellen Sie sich vor, ich schließe mich Ihrem <strong>Arbeitskreis</strong> an und nehme an einem<br />

Treffen zum ersten Mal Teil. Was müsste ich beachten? Welche Regeln müsste ich dort<br />

einhalten?<br />

15. Sind private Unternehmen oder Institutionen im Grätzel aktiv?<br />

Was bringen sie ein? (Ressourcen)<br />

Welche Interessen haben die Unternehmen?<br />

16. Erzählen Sie mir bitte etwas über den Grätzelbeirat. Wie ist dieser abgelaufen? Wie war<br />

die Abstimmung geregelt? Gab es informelle<br />

Koalitionen im Beirat?<br />

17. Stellen Sie sich vor, ich nehme an einem Grätzelbeirat zum ersten Mal Teil. Was<br />

müsste ich beachten? Welche Regeln müsste ich dort einhalten?<br />

18. Welche Folgen hatte der frühzeitige Abgang des Grätzelmanagers?<br />

Was hat ihn ausgemacht?<br />

19. Wer waren Ihre häufigsten Gesprächspartner rund um das<br />

Grätzelmanagement? Welche Gruppen, Institutionen oder Einzelpersonen?<br />

Interviewleitfaden: Stadtteilakteure (Bewohner, Unternehmer)<br />

1. Was ist das Besondere am Grätzel?<br />

2. Erzählen Sie bitte wie Sie zum Grätzelmanagement gekommen sind?<br />

3. Was hat Sie dazu bewegt, beim Grätzelmanagement und den Aktivitäten<br />

mitzumachen?<br />

4. Was waren zu Beginn des Grätzelmanagements die Themen? Was wollten Sie<br />

umsetzen oder verändern?<br />

5. Was hat sich für Sie und Ihr Leben durch das Grätzelmanagement verändert?<br />

6. Haben Sie durch das Grätzelmanagement neue Leute kennen gelernt? Haben sich neue<br />

Kontakte, Bekanntschaften oder Freunde ergeben? Welche?<br />

7. <strong>Arbeitskreis</strong>: Sie haben in Eurem <strong>Arbeitskreis</strong> viel umgesetzt. Wann ist es gut gelaufen?<br />

Wann ist es nicht so gut gelaufen?<br />

8. Stellen Sie sich vor, ich schließe mich Ihrem <strong>Arbeitskreis</strong> an und nehme an einem<br />

Treffen zum ersten Mal Teil. Was müsste ich beachten? Welche Regeln müsste ich dort<br />

einhalten?<br />

168


9. Können Sie mir etwas über den Grätzelbeirat erzählen? Was ist dort passiert? Konnte<br />

dort jeder vorbei kommen? Wie war das Verhältnis zu den Mitarbeitern der<br />

Verwaltung?<br />

10. Stellen Sie sich vor, ich nehme an einem Grätzelbeirat zum ersten Mal Teil. Was<br />

müsste ich beachten? Welche Regeln müsste ich dort einhalten?<br />

11. Welche Aufgabe hatte das Grätzelmanagement im Stadtteil?<br />

Was hat Ihnen am Grätzelmanagement besonders gut gefallen?<br />

Was hätten Sie am Projekt Grätzelmanagement anders gemacht oder verbessert?<br />

169


Literatur<br />

Alisch, Monika/Dangschat, Jens S. (1998): Armut und soziale Integration. Strategien sozialer<br />

Stadtentwicklung und lokaler Nachhaltigkeit. Opladen: Leske + Budrich.<br />

Alisch, Monika (Hrsg.) (2001): Stadtteilmanagement. Vorraussetzungen und Chancen für die<br />

soziale Stadt. Opladen: Leske + Budrich.<br />

Alisch, Monika (2002): Soziale Stadtentwicklung. Widersprüche, Kausalitäten und Lösungen.<br />

Opladen: Leske + Budrich.<br />

Axelrod, Robert (1988): Die Evolution der Kooperation. München: Oldenbourg.<br />

Beck, Ulrich (1997): Was ist Globalisierung? Irrtümer des Globalismus - Antworten auf<br />

Globalisierung. Frankfurt/Main: Suhrkamp.<br />

Becker, Heidede/Löhr, Rolf-Peter (2000): „Soziale Stadt“. Ein Programm gegen die<br />

sozialräumliche Spaltung in den Städten. In: Aus Politik und Zeitgeschichte B10-11. 22-29.<br />

Benz, Arthur (Hrsg.) (2004a): Governance – Regieren in komplexen Regelsystemen. Eine<br />

Einführung. Wiesbaden: VS Verlag.<br />

Benz, Arthur (2004b): Governance – Modebegriff oder nützliches sozialwissenschaftliches<br />

Konzept? in: Benz, Arthur (Hrsg.) (2004a). 11-28.<br />

Bertelsmann Stiftung/Hans-Böckler-Stiftung/Kommunale Gemeinschaftsstelle für<br />

Verwaltungsvereinfachung (Hrsg.) (2002): Quartiermanagement – Ein strategischer<br />

Stadt(teil)entwicklungsansatz. Organisationsmodell und Praxisbeispiele. Transferprodukt der<br />

Netzwerkarbeit. o.O.<br />

Bogner, Alexander/Littig, Beate/Menz, Wolfgang (Hrsg.) (2002): Das Experteninterview.<br />

Theorie, Methode, Anwendung. Opladen. Leske & Budrich.<br />

170


Breckner, Ingrid/Herrmann, Heike/Gonzales, Toralf/Läpple, Dieter (2002):<br />

Programmbegleitung vor Ort im Modellgebiet Hamburg-Altona-Lurup. Berlin.<br />

Breitfuss, Andrea/Dangschat, Jens S. (2001): Pilotprogramm „Grätzel-Management Wien“<br />

Konzeptpapier B – Projektebene. Projekte in Wien – Leopoldstadt „Nordbahnviertel“ und<br />

„Stuwerviertel“. ISRA, Mimeo.<br />

Bundesministerium des Innern (1999): Moderner Staat – Moderne Verwaltung. Das<br />

Programm der Bundesregierung. Berlin.<br />

Burgers, Jack/Vranken, Jan/Friedrichs, Jürgen/Hommerich, Carola (Hrsg.) (2003):<br />

Anleitung für ein erfolgreiches Stadtentwicklungsprogramm. Beispiele aus neun europäischen<br />

Ländern. Opladen: Leske + Budrich.<br />

Burt, Ronald S. (1992): Structural holes. The social structure of competition. Cambridge,<br />

Mass.: Harvard University Press.<br />

Dangschat, Jens S. (1997): Reichtum und Wohlstand auf Kosten der Armen. Folgen der<br />

städtischen Modernisierung für wachsende Einkommenspolarisierung und Segregation. in:<br />

Huster, Ernst-Ulrich (Hrsg.). 321-335.<br />

Dangschat, Jens S. (2001): Pilotprogramm „Grätzel-Management Wien“ Konzeptpapier A –<br />

Programmebene. Das Grätzel-Management – eine Idee zur Verwaltungsmodernisierung und zu<br />

einer modernen großstädtischen Sozialpolitik. ISRA, Mimeo.<br />

Döhne, Hans-Jochen; Walter, Kurt (1999): Aufgabe und Chance einer neuen<br />

Stadtentwicklungspolitik – Ziele und Konzeption des Bund-Länder-Programms „Stadtteile mit<br />

besonderem Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt“, in: Bundesbaublatt, Heft 5. 24–29.<br />

Flick, Uwe/von Kardorff, Ernst/Steinke, Ines (Hrsg.) (2004): Qualitative Forschung – Ein<br />

Handbuch. Hamburg. Rowohlt.<br />

171


Franke, Thomas/Grimm, Gaby (2002): Quartiersmanagement: Systematisierung und<br />

Begriffsbestimmung, in: Bertelsmann Stiftung/Hans-Böckler-Stiftung/Kommunale<br />

Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (Hrsg.) (2002). 5-12.<br />

Freeman, Linton C. (1979): Centrality in social networks. Conceptual clarification. Social<br />

Networks 1. 215-239.<br />

Froessler, Rolf/Lang, Markus/Selle, Klaus/Staubach, Reiner (Hrsg.): Lokale<br />

Partnerschaften. Die Erneuerung benachteiligter Quartiere in europäischen Städten.<br />

Basel/Boston/Berlin.<br />

Gambetta, Diego (2001): Kann man dem Vertrauen vertrauen? in: Hartmann, Martin/Offe,<br />

Claus (Hg.): Vertrauen. Die Grundlage sozialen Zusammenhalts. Frankfurt/Main, New York:<br />

Campus. 204-237.<br />

Garz, Detlev/Kraimer, Klaus (Hrsg.) (1991): Qualitativ-empirische Sozialforschung.<br />

Konzepte, Methoden, Analysen. Opladen. Westdeutscher Verlag.<br />

Gläser, Jochen/Laudel, Grit (2006): Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse.<br />

Wiesbaden. VS Verlag.<br />

Granovetter, Mark (1973): Strength of weak ties. American Journal of Sociology 78, 1360-<br />

1380.<br />

Grimm, Gaby (2004): Stadtteilentwicklung und Quartiermanagenement Entwicklung und<br />

Aufbau lokalspezifischer Organisations- und Steuerungsstrukturen. Essen: Klartext.<br />

Grote, Jürgen R./Gbikpi, Bernard (2002): Participatory Governance. Political and Societal<br />

Implications. Opladen: Leske + Budrich.<br />

Habermas, Jürgen (1981): Theorie des kommunikativen Handelns. Frankfurt/Main:<br />

Suhrkamp.<br />

172


Hammersley, M./Atkinson, P. (1983): Ethnography – Principles in Practise. London, New<br />

York: Tavistock.<br />

Heinelt, Hubert/Mayer, Margit (Hrsg.) (1997): Modernisierung der Kommunalpolitik. Neue<br />

Wege zur Ressourcenmobilisierung. Opladen. Leske + Budrich.<br />

Heinelt, Hubert/Mensch, Kirsten (2001): Vorwort in: Schader-Stiftung (Hrsg.): Politische<br />

Steuerung der Stadtentwicklung. Das Programm „Die soziale Stadt“ in der Diskussion.<br />

Darmstadt. 4-12.<br />

Heinelt, Hubert (1997): Neuere Debatten zur Modernisierung der Kommunalpolitik. Ein<br />

Überblick, in: Heinelt, Hubert/Mayer, Margit (Hrsg.) (1997). 12-28.<br />

Heinelt, Hubert (2002): Preface in: Grote, Jürgen R./Gbikpi, Bernard, Participatory<br />

Governance. Political and Societal Implications. Opladen: Leske + Budrich. 13-16.<br />

Heinelt, Hubert (2004): Governance auf lokaler Ebene. in: Benz, Arthur (Hrsg.) Governance –<br />

Regieren in komplexen Regelsystemen. Eine Einführung. Wiesbaden: VS Verlag. 29-44.<br />

Hinte, Wolfgang (1997): Zwischen Lebenswelt und Bürokratie. Erfahrungen aus einem<br />

Vierteljahrhundert stadtteilbezogener sozialer Arbeit, in: Blätter der Wohlfahrtspflege 03/1997.<br />

41-44.<br />

Hinte, Wolfgang (2001): Bewohner ermutigen, aktivieren, organisieren. in: Alisch, Monika<br />

(Hrsg.) (2001). 153-170.<br />

Hopf, Christel (1978): Die Pseudo-Exploration – Überlegungen zur Technik qualitativer<br />

Interviews in der Sozialforschung. in: Zeitschrift für Soziologie 7. 97-115.<br />

Huster, Ernst-Ulrich (Hrsg.) (1997): Reichtum in Deutschland. Die Gewinner der sozialen<br />

Polarisierung. Frankfurt/Main, New York.<br />

173


Jann, Werner (2001): Neues Steuerungsmodell, in: Bernhard Blanke/Stephan von<br />

Bandemer/Frank Nullmeier/Göttrick Wewer (Hrsg.), Handbuch zur Verwaltungsreform.<br />

Opladen. 82-89.<br />

Jann, Werner (2002): Der Wandel verwaltungspolitischer Leitbilder: Von Management zu<br />

Governance, in: Klaus König (Hrsg.), Deutsche Verwaltung an der Wende zum 21.Jahrhundert.<br />

Baden-Baden. 279-303.<br />

Jann, Werner/Wegrich, Kai (2004): Governance und Verwaltungspolitik, in: Benz, Arthur<br />

(Hrsg.) (2004). 193-214.<br />

Kempkes, L. Helge (1993): Auf den Grenzen von Systemen und Alltagswelt, Frankfurt/Main:<br />

Lang.<br />

Knorr-Siedow, Thomas/Jahnke, Kerstin/Trostorff, Britta (2002): Programmbegleitung vor<br />

Ort im Modellgebiet Cottbus-Sachsendorf-Madlow. Berlin.<br />

Lissmann, Urban (1997): Inhaltsanalyse von Texten. Landau: Verlag Empirische Pädagogik.<br />

Matthes, Joachim (Hrsg.) (1979): Sozialer Wandel in West-Europa. Verhandlungen des 19.<br />

Deutschen Soziologentages. Frankfurt/Main: Campus.<br />

Mauss, Marcel (1990): Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen<br />

Gesellschaften. Frankfurt/Main: Suhrkamp.<br />

Mayntz, Renate (2004): Governance im modernen Staat. in: Benz, Arthur (Hrsg.) (2004). 65-<br />

76.<br />

Mayntz, Renate (1979): Regulative Politik in der Krise?, in: Joachim Matthes (Hrsg.) (1979).<br />

55-81.<br />

Mayring, Philipp (2003): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim.<br />

Beltz.<br />

174


Mayring, Philipp (2004): Qualitative Inhaltsanalyse. in: Flick, Uwe/von Kardorff,<br />

Ernst/Steinke, Ines (Hrsg.) (2004). 468-475.<br />

Meinefeld, Werner (2004): Hypothesen und Vorwissen in der qualitativen Sozialforschung.<br />

in: Flick, Uwe/von Kardorff, Ernst/Steinke, Ines (Hrsg.) (2004). 265-275.<br />

Merten, Klaus (1983): Inhaltsanalyse. Einführung in Theorie, Methode und Praxis. Opladen:<br />

Westdeutscher Verlag.<br />

Meuser, Michael/Nagel, Ulrike (1991): ExpertInneninterviews – vielfach erprobt, wenig<br />

bedacht. Ein Beitrag zur qualitativen Methodendiskussion. in: Garz, Detlev/Kraimer, Klaus<br />

(Hrsg.) (1991). 441-471.<br />

Mussel, Christine/Kreisl, Peter (2002): Programmbegleitung vor Ort im Modellgebiet<br />

Kassel-Nordstadt. Berlin.<br />

Oelschlägel, Dieter (1997): Der Auftrag ist die Gestaltung von Lebensverhältnissen.<br />

Bedingungen von Alltagssolidarität schaffen – Der aktuelle Stand und die notwendige<br />

Diskussion in der Gemeinwesenarbeit, in: Blätter der Wohlfahrtspflege, 03/1997. 37-41.<br />

Schader-Stiftung (Hrsg.) (2001): Politische Steuerung der Stadtentwicklung. Das Programm<br />

„Die soziale Stadt“ in der Diskussion. Darmstadt.<br />

Schnur, Olaf (2003): Lokales Sozialkapital für die „soziale Stadt“. Politische Geographien<br />

sozialer Quartiersentwicklung am Beispiel Berlin-Moabit. Opladen: Leske + Budrich.<br />

Selle, Klaus (1990a): Intermediäre Organisationen in sechs Ländern – Ergebnisse einer<br />

Umfrage in den USA, den Niederlanden, der Schweiz, Österreich, Großbritannien und der<br />

Bundesrepublik Deutschland, in: Wohnbund (Hrsg.): Wohnpolitische Innovationen, Darmstadt.<br />

209-226.<br />

Selle, Klaus (1990b): Brückeninstanzen und Selbsthilfe im Quartier. „Intermediäre<br />

Organisationen“ unterstützen die Bewohner bei der Stadterneuerung, in: Trojan,<br />

Alf/Hildebrandt, Helmut (Hrsg.) (1990). 54-67.<br />

175


Selle, Klaus (1994a): Was ist bloß mit der Planung los? Erkundungen auf dem Weg zum<br />

kooperativen Handeln. Dortmund: Ein Werkbuch.<br />

Selle, Klaus (1994b): Lokale Partnerschaften – Organisationsformen und Arbeitsweisen für<br />

kooperative Problembearbeitung vor Ort, in: Froessler, Rolf/Lang, Markus/Selle,<br />

Klaus/Staubach, Reiner (Hrsg.) (1994). 37-66.<br />

Selle, Klaus (Hrsg.) (1996a): Planung und Kommunikation. Gestaltung von<br />

Planungsprozessen in Quartier, Stadt und Landschaft. Grundlagen, Methoden und<br />

Praxiserfahrungen. Wiesbaden & Berlin: Bauverlag.<br />

Selle, Klaus (1996b): Von der Bürgerbeteiligung zur Kooperation und zurück, in: Selle, Klaus<br />

(Hrsg.) (1996a). 61-78.<br />

Selle, Klaus (1996c): Klärungsbedarf. Sechs Fragen zur Kommunikation in Planungsprozessen<br />

– insbesondere zur Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern. zurück, in: Selle, Klaus (Hrsg.)<br />

(1996a). 161-180.<br />

Selle, Klaus (1996d): Was ist bloß mit der Planung los? Erkundungen auf dem Weg zum<br />

kooperativen Handeln. Ein Werkbuch, Dortmund: IRPUD.<br />

Selle, Klaus (1996e): Kooperation vor Ort. Partnerschaften für eine lokale Politik gegen<br />

Benachteiligung, in: Selle, Klaus (1996d). 129-158.<br />

Silverman, David (2001): Interpreting qualitative data. methods for analysing talk, text and<br />

interaction. London [u.a.]. SAGE Publ.<br />

Springer, Werner (1995): Alltag und sozialer Raum als Focus sozialpädagogischen Handelns,<br />

in: Neue Praxis 3/1995. 281-285.<br />

Trojan, Alf/Hildebrandt, Helmut (Hrsg.) (1990): Brücken zwischen Bürgern und Behörden –<br />

Innovative Strukturen für Gesundheitsförderung. Schriftenreihe Forum Sozial- und<br />

Gesundheitspolitik, Band 3, Sankt Augustin.<br />

176


Quellen- und Materialverzeichnis<br />

Folgeevaluierung des Pilotprojektes “Grätzelmanagement Volkert- und Alliiertenviertel” im 2.<br />

Bezirk, Endbericht 01/2006. Projektleitung Mag. Karin Steiner, abif.<br />

Grätzelentwicklungskonzept Volkert- und Alliiertenviertel, Stand 1.10.2004<br />

Grätzl-Blattl, Jg. 2, Nr. 3, Oktober 2004. Redaktion: Lichtenegger, Uschi/Plischek, Karin/<br />

Reifenauer, Sabine/Scholz, Beate.<br />

Grätzl-Blattl Jg. 4, Nr.2, Juni 2006, Redaktion: Plischek, Karin/ Scholz, Beate.<br />

Internetquellen:<br />

Bund-Länder-Programm/Handlungsfeld “Quartiersmanagement“:<br />

http://www.sozialestadt.de/programm/handlungsfelder/quartiermanagement.phtml, Zugriff:<br />

10.11.2006<br />

Österreichisches Regierungsprogramm 2000, („Schüssel I“ vom 4.2. 2000):<br />

http://www.austria.gv.at/site/3354/default.aspx, Zugriff: 20.12.2006.<br />

Grätzelmanagement: http://www.graetzelmanagement.at/02/frameset/frameset.html, Stand<br />

30.12.2006<br />

Bund-Länder Programm „Soziale Stadt“: Leitfaden zur Ausgestaltung der<br />

Gemeinschaftsinitiative „Soziale Stadt“ vom 1.3.2000:<br />

http://www.sozialestadt.de/programm/handlungsfelder/quartiermanagement.phtml, Zugriff:<br />

10.1.2007.<br />

Stadt Wien, Auszug aus der Geschäftseinteilung des Magistrats der Stadt:<br />

http://www.wien.gv.at/advuew/internet/AdvPrSrv.asp?Layout=geschaeftseinteilung&Type=K<br />

&Hlayout=&STELLECD=2000021815331828, Zugriff: 1.5.2007<br />

Wiener Gebietsbetreuung: http://www.gebietsbetreuung.wien.at/, Zugriff 22.05.2007<br />

Wiener Wirtschaftsförderungsfonds/Projekte:<br />

http://www.wwff.gv.at/wwff.aspx?target=131226&mark=gr%c3%a4tzelmanagement#show_1<br />

31226, Zugriff: 24.5.2007<br />

Wissenschaftszentrum Wien: http://www.wzw.at/index.php?s=1&show=2&a=1&la=de,<br />

Zugriff: 24.5.2007<br />

Ziel2 in Wien: http://www.ziel2.wien.at/, Zugriff: 5.6.2007<br />

Stadt Wien, „Wettbewerbsergebnisse“:<br />

http://www.wien.gv.at/m19prjdb/wettbewerbe/html/show_ergebnis_js.asp?AUS_ID=1456&Q_<br />

A_TYP=&Q_A_STANDORT=&Q_A_QUERYSTR=&Q_A_ART=0&Q_A_VERFAHREN=<br />

0&Q_A_VON=&Q_A_BIS=&Q_A_LAUFEND=, Stand: 20.6.2007<br />

177


Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 14.10.2005,<br />

http://www.magwien.gv.at/vtx/vtx-rk-xlink?SEITE=020051014023, Zugriff: 20.6.2007<br />

Stadt Wien, Vienna GIS: http://wien.at/stadtplan/, Anschrift: 1082 Wien, Rathaus Zugriff:<br />

29.8.2007<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

Abbildung 1: Grätzelmanagement Projektstruktur Seite 67<br />

Abbildung 2: Planausschnitt vom Stadtteil Volkert- und Alliiertenviertel Seite 73<br />

Abbildung 3: Vernetzung im Rahmen des Grätzelmanagement Volkert- und<br />

Alliiertenviertel Seite 154<br />

Tabellenverzeichnis<br />

Tabelle 1: Bevölkerung im Stadtteil Volkert- und Alliiertenviertel im Wien<br />

Vergleich Seite 74<br />

Tabelle 2: Teilnahme am <strong>Arbeitskreis</strong> Institutionen Seite 88<br />

Tabelle 3: Teilnahme am <strong>Arbeitskreis</strong> Kultur und Gesellschaft Seite 89<br />

Tabelle 4: Teilnahme am <strong>Arbeitskreis</strong> Aktive Frauen Seite 90<br />

Tabelle 5: Teilnahme am <strong>Arbeitskreis</strong> Wirtschaft Seite 92<br />

Tabelle 6: Teilnahme am <strong>Arbeitskreis</strong> öffentlicher Raum Seite 93<br />

178


Abkürzungsverzeichnis<br />

WZW<br />

WWFF<br />

MD BD<br />

BV2<br />

Wissenschaftszentrum Wien<br />

Wiener Wirtschaftsförderungsfonds<br />

Magistratsdirektion Baudirektion - Geschäftsbereich Bauten und Technik<br />

(Geschäftsstelle Infrastruktur und Stadterneuerung)<br />

Bezirksvorstehung des 2. Wiener Gemeindebezirks Leopoldstadt<br />

Geschäftsgruppe für Stadtentwicklung und Verkehr<br />

MA 18 Magistratsabteilung 18 Stadtentwicklung und Stadtplanung<br />

MA 19 Magistratsabteilung 19 Architektur und Stadtgestaltung<br />

MA 21A Magistratsabteilung 21A Stadtteilplanung und Flächennutzung<br />

MA 28 Magistratsabteilung 28 Straßenverwaltung und Straßenbau<br />

Geschäftsgruppe für Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung<br />

MA 25 Magistratsabteilung 25 Stadterneuerung und Prüfstelle f. Wohnhäuser<br />

MA 50 Magistratsabteilung 50 Wohnbauförderung und Schlichtungsstelle für<br />

wohnrechtliche Angelegenheiten<br />

Geschäftsgruppe für Bildung, Jugend, Information und Sport<br />

MA 11 Magistratsabteilung 11 Jugend und Familie<br />

MA 13 Magistratsabteilung 13 Bildung u. außerschulische Jugendbetreuung<br />

MA 55 Magistratsabteilung 55 Bürgerdienst<br />

Geschäftsgruppe für Finanzen, Wirtschaftspolitik und Wiener Stadtwerke<br />

MA 27 Magistratsabteilung 27 EU-Strategie und Wirtschaftsentwicklung<br />

Geschäftsgruppe für Umwelt<br />

MA 42 Magistratsabteilung 42 Stadtgartenamt<br />

MA 48 Magistratsabteilung 48 Abfallwirtschaft, Straßenreinigung u Fuhrpark<br />

Geschäftgruppe für Integration, Frauenfragen, KonsumentInnenschutz und Personal<br />

MA 59 Magistratsabteilung 59 Marktamt<br />

179


L E B E N S L A U F<br />

Name<br />

Geburtsdaten<br />

Staatsb./Familienstand<br />

<strong>Stefan</strong> <strong>Karasek</strong><br />

14.Februar 1974, Rosenheim<br />

Österreich/ledig<br />

Schulbildung/Weiterbildung<br />

1992 AHS Matura am BORG Hegelgasse 14, 1010 Wien<br />

1992 – 1993 Biologie-Studium an der Universität Wien<br />

1994 – 1996 Kolleg für Maschinenbau und Energieplanung<br />

seit 03/2001<br />

Studium der Soziologie (geisteswissenschaftlicher Stzw. mit<br />

Fächerkombination) an der Universität Wien<br />

(Schwerpunkte Arbeit, Organisation, Stadtforschung<br />

und Stadtentwicklung TU Wien)<br />

Beruflicher Werdegang<br />

1997 Zivildienst beim Arbeiter Samariterbund in Wien<br />

1998 – 2000 Verkaufsingenieur im Bereich Klimatechnik, Firma „Heizbösch“<br />

2000 – 02/2001 Projektassistent Haustechnische Planung, Firma „ALLPLAN“<br />

2003 – 09/2004 Mitarbeiter der Evaluation des ESF-Projekts „Berufsorientierung<br />

und prozessorientiertes Lernen“ am Institut für interdisziplinäre<br />

Forschung und Fortbildung (IFF)<br />

seit 11/2003<br />

Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds (waff)<br />

(Regionale Entwicklung)<br />

08/2004 Praktikum MA 18 (Stadtplanung, Referat für Stadtforschung)<br />

Kontakt:<br />

stefan.karasek@chello.at<br />

180

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!