05.06.2013 Aufrufe

Sebastian Kurtenbach

Sebastian Kurtenbach

Sebastian Kurtenbach

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

RUHR-­‐UNIVERSITÄT BOCHUM<br />

FAKULTÄT FÜR SOZIALWISSENSCHAFT<br />

Urbane Integrationsschleuse<br />

Rolle und Funktion sozial passiv segregierter Stadtquartiere<br />

und die damit einhergehende Herausforderung für die Stadtpolitik<br />

Vorgelegt von:<br />

<strong>Sebastian</strong> <strong>Kurtenbach</strong><br />

Betreut durch:<br />

Prof. Dr. Strohmeier<br />

und<br />

Prof. Dr. Schräpler<br />

am Beispiel von Mülheim an der Ruhr<br />

Masterarbeit<br />

Bochum, Dezember 2012


Zusammenfassung<br />

Ausgehend von der Beobachtung, dass Städte als relativ große, dichte und heterogene<br />

Siedlungen durch Zuwanderung und nicht durch Geburtenüberschuss wachsen, fragt die<br />

vorliegende Arbeit nach der sozialräumlich verorteten Funktion armutsbelasteter Stadtgebiete<br />

für den Integrationsprozess der Zuwanderer. Dazu wird zu Beginn der theoretische Rahmen<br />

hinsichtlich dieser Funktionsübernahme durch die Transformation von der industriellen zur<br />

postindustriellen Stadt gespannt und es werden die drängendsten Herausforderungen benannt,<br />

vor denen Städte heute stehen. Darauf aufbauend wird die zunehmende Differenzierung in<br />

urbanen Räumen anhand des Dreistufenmodells von Hamm strukturiert. Aus der funktionalen<br />

und sozialen Differenzierung ergibt sich somit in Bezug auf die Fragestellung der Untersuchung<br />

die Konzeption der urbanen Integrationsschleuse. Diese bietet Erklärungsansätze, wie<br />

Zuwanderung sozialräumlich organisiert wird. Den Ausgangspunkt bildet die Feststellung, dass<br />

sich Zuwanderer nicht proportional über die Stadt verteilen, sondern in bestimmte Stadtgebiete<br />

ziehen. Dieser Ungleichverteilung liegen Segregationsmechanismen zugrunde. Zugleich findet<br />

der Weg zur Integration in die Aufnahmegesellschaft in diesen Gebieten auch räumlich seinen<br />

Anfang. Im positiven Sinne finden dort Zuwanderer Bewohner mit ähnlichen Erfahrungen wie<br />

die eigenen vor, die ihnen beim Ankommen helfen können. Zudem helfen vorhandene<br />

Strukturen wie Arbeitsgelegenheiten, auch ökonomisch Fuß zu fassen. Somit hat die urbane<br />

Integrationsschleuse zwei wesentliche Merkmale: die Sockelbevölkerung und die<br />

Verteilerfunktion. Die Sockelbevölkerung besteht aus Zuwanderern, die seit längerer Zeit im<br />

Gebiet leben und Neuankömmlingen durch Know-­‐how-­‐Transfer und Arbeits-­‐ sowie<br />

Wohngelegenheiten helfen können. Die Verteilerfunktion wird daran deutlich, dass es zwar eine<br />

hohe Zuwanderungsrate ins Gebiet gibt, die Zugezogenen jedoch nicht lange dort leben.<br />

Entweder ziehen sie in ein anderes armutsbelastetes Gebiet oder in ein besseres Gebiet. Im Falle<br />

einer urbanen Integrationsschleuse ziehen die meisten in bessere Gebiete. Da urbane<br />

Integrationsschleusen die Stadtpolitik vor eine Reihe von Herausforderungen stellen, wurden<br />

vier besonders relevante Politikfelder identifiziert. Diese beschreiben zugleich die Aufgaben, die<br />

bewältigt werden sollten, um urbane Integrationsschleusen positiv zu gestalten. Das Konzept<br />

der urbanen Integrationsschleuse wurde am Beispiel Mülheim an der Ruhr untersucht. Dazu<br />

wurden drei Hypothesen aufgestellt. Die erste befasst sich mit der Identifizierung einer urbanen<br />

Integrationsschleuse. Die zweite geht von der Existenz einer Sockelbevölkerung aus, und die<br />

dritte fokussiert auf die Verteilerfunktion. Alle drei Hypothesen wurden bestätigt. Die Arbeit<br />

schließt mit konkreten Handlungsempfehlungen für die Stadt Mülheim an der Ruhr, wie sie mit<br />

der urbanen Integrationsschleuse adäquat umgehen kann. Diese Handlungsempfehlungen<br />

orientieren sich an den vier besonders relevanten Politikfeldern: Arbeitsmarkt, Integration,<br />

Bildung und Stadtentwicklung. Das Fazit fasst die inhaltlichen Erkenntnisse der Arbeit<br />

zusammen und liefert zugleich die Grundlage für weiterführende Arbeiten.<br />

2


I N H A L T S V E R ZE I C H N I S<br />

TABELLENVERZEICHNIS .............................................................................................................................. 5<br />

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS........................................................................................................................ 6<br />

EINLEITUNG ..................................................................................................................................................... 7<br />

1 STADTSOZIOLOGISCHE GRUNDLAGEN ............................................................................................ 9<br />

1.1 STADT ALS SOZIOLOGISCHER INTERESSENGEGENSTAND.................................................................................9<br />

1.2 DIE POSTINDUSTRIELLE STADT......................................................................................................................... 11<br />

1.2.1 Industrialisierung als Grundvoraussetzung der modernen Stadt .......................................... 12<br />

1.2.2 Fordistische Stadtentwicklung............................................................................................................... 12<br />

1.2.3 Fünf Herausforderungen der Städte zu Beginn des 21. Jahrhunderts.................................. 14<br />

1.3 DAS DREISTUFENMODELL .................................................................................................................................. 16<br />

1.4 FUNKTIONALE DIFFERENZIERUNG ................................................................................................................... 18<br />

1.4.1 Städtische Funktionsräume..................................................................................................................... 18<br />

1.4.2 Sozialökologische Theorie der Stadt ................................................................................................... 19<br />

1.4.3 Stadtmodell von Burgess .......................................................................................................................... 20<br />

1.4.4 Zone in transition als urbaner Funktionsraum .............................................................................. 22<br />

1.4.5 Invasions-­‐Sukzessions-­‐Zyklen................................................................................................................. 23<br />

1.4.6 Kritik an der sozialökologischen Theorie.......................................................................................... 24<br />

1.4.7 Kritische Anmerkung zu Bernd Hamm............................................................................................... 25<br />

1.4.8 Urbane Integrationsschleuse als zone in transition der postindustriellen Stadt............. 25<br />

1.5 SOZIALE DIFFERENZIERUNG .............................................................................................................................. 27<br />

1.5.1 Segregation als urbanes Phänomen .................................................................................................... 27<br />

1.5.2 Soziale Segregation..................................................................................................................................... 29<br />

1.5.3 Ethnische Segregation ............................................................................................................................... 29<br />

1.5.4 Demografische Segregation .................................................................................................................... 30<br />

1.5.5 Überlagerung der Segregationsarten................................................................................................. 30<br />

1.5.6 Quartier als soziologischer Interessensgegenstand...................................................................... 31<br />

1.5.7 Armutsquartiere in der postindustriellen Stadt............................................................................. 33<br />

1.6 KONZEPTION DER URBANEN INTEGRATIONSSCHLEUSE................................................................................ 35<br />

1.6.1 Der Gebietscharakter der urbanen Integrationsschleuse .......................................................... 38<br />

1.6.2 Die Sockelbevölkerung der urbanen Integrationsschleuse........................................................ 38<br />

1.6.3 Die Verteilerfunktion der urbanen Integrationsschleuse........................................................... 39<br />

2 RELEVANTE KOMMUNALPOLITISCHE HANDLUNGSFELDER FÜR DEN UMGANG MIT<br />

URBANEN INTEGRATIONSSCHLEUSEN .................................................................................................42<br />

2.1 KOMMUNALE ARBEITSMARKTPOLITIK ............................................................................................................ 42<br />

2.2 KOMMUNALE BILDUNGSPOLITIK....................................................................................................................... 44<br />

2.3 KOMMUNALE INTEGRATIONSPOLITIK.............................................................................................................. 45<br />

2.4 KOMMUNALE STADT-­‐ UND QUARTIERSENTWICKLUNGSPOLITIK................................................................ 46<br />

2.5 INTEGRIERTES KOMMUNALES HANDELN ALS PARADIGMA ZUM UMGANG MIT URBANEN<br />

INTEGRATIONSSCHLEUSEN............................................................................................................................................. 48<br />

3 METHODISCHE UNTERSUCHUNG.....................................................................................................50<br />

3.1 DAS PRAXISBEISPIEL MÜLHEIM AN DER RUHR.............................................................................................. 50<br />

3.2 FORSCHUNGSHYPOTHESEN UND OPERATIONALISIERUNG ........................................................................... 52<br />

3.2.1 Forschungshypothese I – Urbane Integrationsschleuse.............................................................. 52<br />

3.2.2 Forschungshypothese II – Sockelbevölkerung................................................................................. 53<br />

3.2.3 Forschungshypothese III – Verteilerfunktion .................................................................................. 53<br />

3.3 DATENBESCHREIBUNG UND BESTAND............................................................................................................. 54<br />

3.4 BESCHREIBUNG DER VORGEHENSWEISE ......................................................................................................... 55<br />

3.4.1 Vorgehensweise des erster Forschungsschritts .............................................................................. 55<br />

3


3.4.2 Vorgehensweise des zweiten Forschungsschritts .......................................................................... 56<br />

3.4.3 Alternative Möglichkeiten der Vorgehensweise ............................................................................. 57<br />

3.5 FORSCHUNGSTEIL 1: ERMITTLUNG DER URBANEN INTEGRATIONSSCHLEUSE ......................................... 58<br />

3.5.1 Datenüberblick.............................................................................................................................................. 59<br />

3.5.2 Untersuchung der Verteilung – Streudiagramme ......................................................................... 61<br />

3.5.3 Untersuchung der Verteilung – GIS...................................................................................................... 63<br />

3.5.4 Statistische Zusammenhangsuntersuchung mittels Pearsons Korrelationskoeffizient 68<br />

3.5.5 Klassifikation der urbanen Integrationsschleuse .......................................................................... 69<br />

3.6 FORSCHUNGSTEIL 2: UNTERSUCHUNG DER URBANEN INTEGRATIONSSCHLEUSE ................................... 72<br />

3.6.1 Gebietsprofil Altstadt II Südwest........................................................................................................... 72<br />

3.6.2 Untersuchung der Sockelbevölkerung................................................................................................ 78<br />

3.6.3 Untersuchung der Wanderungen.......................................................................................................... 80<br />

3.6.4 Untersuchung der innerstädtischen Wanderungsziele ............................................................... 84<br />

4 AUSWERTUNG UND ÜBERTRAGUNG DER FORSCHUNGSERGEBNISSE AUF<br />

KOMMUNALPOLITISCHE HANDLUNGSFELDER..................................................................................86<br />

4.1 ÜBERPRÜFUNG DER FORSCHUNGSHYPOTHESEN............................................................................................ 86<br />

4.1.1 Forschungshypothese 1 – Identifikation der urbanen Integrationsschleuse..................... 86<br />

4.1.2 Forschungshypothese 2 – Untersuchung der Sockelbevölkerung........................................... 87<br />

4.1.3 Forschungshypothese 3 – Untersuchung der Verteilerfunktion.............................................. 87<br />

4.2 INHALTLICHE INTERPRETATION DER FORSCHUNGSERGEBNISSE ............................................................... 88<br />

4.3 KOMMUNALPOLITISCHE HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN................................................................................ 89<br />

4.3.1 Handlungsfeld 1: Beschäftigungs-­‐ und Wirtschaftsförderung................................................. 90<br />

4.3.2 Handlungsfeld 2: Bildungsförderung – Ungleiches ungleich behandeln............................. 93<br />

4.3.3 Handlungsfeld 3: Integrationspolitik – Humanvermögen sichern......................................... 95<br />

4.3.4 Handlungsfeld 4: Quartiersentwicklung – Von Bedarfs-­‐ zu Bedürfnisorientierung....... 96<br />

5 ZUSAMMENFASSUNG UND FAZIT.....................................................................................................99<br />

6 VERZEICHNIS GENUTZTER MEDIEN ............................................................................................102<br />

6.1 MONOGRAPHIEN/BEITRÄGE IN SAMMELBÄNDEN.......................................................................................102<br />

6.2 ARTIKEL AUS FACHZEITSCHRIFTEN................................................................................................................109<br />

6.3 ONLINE-­‐QUELLEN..............................................................................................................................................110<br />

7 ANHANG ................................................................................................................................................112<br />

8 EIGENSTÄNDIGKEITSERKLÄRUNG...............................................................................................113<br />

4


Abbildungsverzeichnis<br />

ABBILDUNG 1: STADTMODELL VON BURGESS.................................................................................................................... 21<br />

ABBILDUNG 2: KARTE VON MÜLHEIM AN DER RUHR....................................................................................................... 51<br />

ABBILDUNG 3: STREUDIAGRAMM BEVÖLKERUNGSANTEIL DER ÜBER 65-­‐JÄHRIGEN UND AUSLÄNDERANTEIL ...... 61<br />

ABBILDUNG 4: STREUDIAGRAMM „BEVÖLKERUNG AB 18 JAHREN MIT EINER WOHNDAUER UNTER 5 JAHREN“ UND<br />

„ARBEITSLOSE AN DER BEVÖLKERUNG ZWISCHEN 18 UND 65 JAHRE“ IN MÜLHEIM AN DER RUHR AUF<br />

EBENE DER STATISTISCHEN BEZIRKE ...................................................................................................................... 62<br />

ABBILDUNG 5: KARTE ANTEIL DER AB 65 JÄHRIGEN AN DER BEVÖLKERUNG IN MÜLHEIM AN DER RUHR............. 64<br />

ABBILDUNG 6: KARTE ANTEIL BEVÖLKERUNG AB 18 JAHRE MIT EINER WOHNDAUER UNTER 5 JAHRE IN MÜLHEIM<br />

AN DER RUHR ............................................................................................................................................................... 65<br />

ABBILDUNG 7: AUSLÄNDERANTEIL IN MÜLHEIM AN DER RUHR.................................................................................... 66<br />

ABBILDUNG 8: KARTE ARBEITSLOSENANTEIL AN DER BEVÖLKERUNG ZWISCHEN 18 UND 65 JAHRE IN MÜLHEIM<br />

AN DER RUHR ............................................................................................................................................................... 67<br />

ABBILDUNG 9: KORRELATIONSMATRIX DER MERKMALE „WOHNDAUER UNTER 5 JAHRE“, „AUSLÄNDERANTEIL“,<br />

„ARBEITSLOSE AN DER BEVÖLKERUNG ZWISCHEN 18 UND 65 JAHRE“ UND „ANTEIL DER BEVÖLKERUNG<br />

ÜBER 65 JAHRE“ AUF EBENE DER STATISTISCHEN BEZIRKE VON MÜLHEIM AN DER RUHR ZUM<br />

MESSZEITPUNKT 31.12.2012 .................................................................................................................................. 68<br />

ABBILDUNG 10: BESCHREIBUNG DER QUINTILSGRUPPEN............................................................................................... 71<br />

ABBILDUNG 11: DEMOGRAFISCHES PROFIL DES STATISTISCHEN BEZIRKS ALTSTADT II SÜDWEST UND DER<br />

GESAMTSTADT MÜLHEIM AN DER RUHR (EIGENE DARSTELLUNG)..................................................................... 73<br />

ABBILDUNG 12: ETHNISCHES PROFIL DES STATISTISCHEN BEZIRKS ALTSTADT II SÜDWEST UND DER<br />

GESAMTSTADT MÜLHEIM AN DER RUHR (EIGENE DARSTELLUNG)..................................................................... 74<br />

ABBILDUNG 13: FLÄCHENPROFIL DES STATISTISCHEN BEZIRKS ALTSTADT II SÜDWEST UND DER GESAMTSTADT<br />

MÜLHEIM AN DER RUHR (EIGENE DARSTELLUNG)................................................................................................ 75<br />

ABBILDUNG 14: SOZIALES PROFIL DES STATISCHEN BEZIRKS ALTSTADT II SÜDWEST UND DER GESAMTSTADT<br />

MÜLHEIM AN DER RUHR (EIGENE DARSTELLUNG)................................................................................................ 76<br />

ABBILDUNG 15: WANDERUNGSPROFIL DES STATISTISCHEN BEZIRKS ALTSTADT II SÜDWEST UND DER<br />

GESAMTSTADT MÜLHEIM AN DER RUHR (EIGENE DARSTELLUNG)..................................................................... 77<br />

ABBILDUNG 16: SOCKELBEVÖLKERUNG – BEVÖLKERUNGS-­‐ UND AUSLÄNDERANTEIL (EIGENE DARSTELLUNG) .. 78<br />

ABBILDUNG 17: KARTE DER SOCKELBEVÖLKERUNG........................................................................................................ 79<br />

ABBILDUNG 18: VERTEILERFUNKTION – ALTSTADT II-­‐SÜDWEST UND MÜLHEIM AN DER RUHR (EIGENE<br />

DARSTELLUNG)............................................................................................................................................................ 81<br />

ABBILDUNG 19: ALTERSGRUPPEN DER WANDERNDEN BEVÖLKERUNG (EIGENE DARSTELLUNG)............................ 83<br />

Tabellenverzeichnis<br />

TABELLE 1: GENUTZTE DATENSÄTZE................................................................................................................................. 54<br />

TABELLE 2: DATEN DER INDIKATOREN „ARBEITSLOSE AN DER BEVÖLKERUNG IM ERWERBSFÄHIGEN ALTER“,<br />

„AUSLÄNDERANTEIL“,„BEVÖLKERUNG AB 65 JAHRE“ UND „WOHNDAUER UNTER 5 JAHRE“ IN MÜLHEIM AN<br />

DER RUHR AUF EBENE DER STATISTISCHEN BEZIRKE ........................................................................................... 60<br />

TABELLE 3: INDEXTABELLE ZUR IDENTIFIZIERUNG DER URBANEN INTEGRATIONSSCHLEUSE IN MÜLHEIM AN DER<br />

RUHR............................................................................................................................................................................. 70<br />

TABELLE 4: ECKDATEN DES STATISTISCHEN BEZIRKS ALTSTADT II SÜDWEST UND DER GESAMTSTADT MÜLHEIM<br />

AN DER RUHR ............................................................................................................................................................... 72<br />

TABELLE 5: WANDERUNGSART UND ERLÄUTERUNG ZUM QUELL-­‐ UND ZIELGEBIET.................................................. 80<br />

TABELLE 6: ALTERS-­‐ UND WANDERUNGSGRUPPEN......................................................................................................... 82<br />

TABELLE 7: ANTEIL DER UMZÜGE IN EIN GEBIET DER GRUPPEN 1 BIS 4 SOWIE ANTEIL DER UMZÜGE IN EIN<br />

GEBIET DER GRUPPE 5 ............................................................................................................................................... 84<br />

5


Abkürzungsverzeichnis<br />

AufenthaltG Aufenthaltsgesetz<br />

BW Baden-­‐Württemberg<br />

d.h. das heißt<br />

GG Grundgesetz<br />

ggf. gegebenfalls<br />

GIS Geografische Informationssysteme<br />

ILS Institut für Landes-­‐ und Stadtentwicklungsforschung<br />

MwSt Mehrwertsteuer<br />

NRW Nordrhein-­‐Westfalen<br />

LzPB Landeszentrale für politische Bildung<br />

SGB Sozialgesetzbuch<br />

vgl. vergleiche<br />

u.a. unter anderem<br />

z.B. zum Beispiel<br />

ZfT Zentrum für Türkeistudien<br />

ZEFIR Zentrum für interdisziplinäre Regionalentwicklung<br />

6


Einleitung<br />

Heute wie vor hundert Jahren wachsen Städte durch Zuwanderung: in westlichen Ländern durch<br />

internationale Zuwanderung und in Schwellenländern durch Landflucht. Jedoch ist der Begriff<br />

Stadt als Zuwanderungsziel undifferenziert und zeigt nicht die Herausforderungen und die<br />

Realitäten der Zuwanderer und der Stadtpolitik auf. Denn zugewandert wird vorrangig in einige<br />

wenige Stadtbezirke einer jeden Stadt. Bereits die Sozialforscher der Chicagoer Schule haben<br />

dies durch Begehungen beobachtet und in ihre grundlegenden stadtsoziologischen Arbeiten<br />

aufgenommen.<br />

Auch heute sehen wir Zeugnisse dieser räumlich konzentrierten Zuwanderung, wie sie z.B. der<br />

Journalist Doug Saunders dokumentiert hat. In den städtischen Ankunftsgebieten finden<br />

Zuwanderer erste Arbeitsmöglichkeiten, und die „Platzkarte“ für ein Leben in der neuen<br />

Umgebung wird hier vergeben. Oftmals sind diese Gebiete armutsgeprägt und zugleich<br />

interkulturell. Nur wenige Zuwanderer bleiben längere Zeit in diesen Gebieten. Viele ziehen<br />

weiter oder zurück ins Migrationsquellgebiet. Sie alle eint die Hoffnung auf ein besseres Leben<br />

für sich oder ihre Familie.<br />

Solche Ankunftsorte können also auch als Durchgangsgebiet oder urbane Integrationsschleuse<br />

bezeichnet werden, wenn es gelingt, sozialen Aufstieg zu organisieren und erlebbar zu machen.<br />

Wenn diese Hoffnung enttäuscht wird, kann es beim Betroffenen zur Resignation kommen. Orte,<br />

in denen viele Menschen mit derartigen Erfahrungen leben, sind keine hoffnungsvollen<br />

Ankunftsorte mehr; sie haben einen anderen Charakter. Im Englischen gibt es dafür die recht<br />

anschauliche Bezeichnung „depressed area“ oder im Französischen den Begriff „relegation“. Es<br />

gibt somit zwei Arten von armuts-­‐ und zuwanderungsgeprägten städtischen Gebieten, die sich<br />

zugleich in ihrer Funktion voneinander unterscheiden: zum einen die Integrationsschleusen und<br />

zum anderen die Orte der Relegation.<br />

Für die Stadtpolitik ist es demnach entscheidend zu wissen, welche Orte in ihrer Stadt welches<br />

Profil aufweisen und wie angemessene integrationsunterstützende Maßnahmen aussehen<br />

können. In diesem Sinne wird der inhaltliche Fokus der Arbeit, die sich als Zielgruppe an<br />

Stadtforscher und Kommunalpolitiker richtet, auf die urbanen Integrationsschleusen gelegt. Die<br />

Arbeit orientiert sich im Wesentlichen an vier Leitfragen:<br />

• Inwieweit haben städtische Teilgebiete, wenn sie sozial passiv segregiert sind, eine<br />

soziale Schleusenfunktion inne?<br />

• Wie ist eine solche Schleusenfunktion zu operationalisieren?<br />

• Welche Bevölkerungsgruppen leben wie lange in der urbanen Integrationsschleuse und<br />

wohin wandern sie ggf.?<br />

7


• Wie kann Stadtpolitik auf eine solche Schleusenfunktion unterstützend reagieren?<br />

Den theoretischen Hintergrund liefern die ersten beiden Abschnitte der vorliegenden Arbeit.<br />

Zunächst werden dabei stadtsoziologische Überlegungen behandelt. Zu ihnen gehört das<br />

Verständnis von Segregation sowie soziologischer Stadt-­‐ sowie Quartiersmodelle. Neben den<br />

soziologischen Aspekten wird auch die Auseinandersetzung mit kommunalpolitischen<br />

Möglichkeiten zur Einwirkung auf urbane Integrationsschleusen anhand einschlägiger<br />

Politikfelder beleuchtet.<br />

Der dritte Abschnitt erläutert das methodische Vorgehen. Dazu werden zu Beginn drei<br />

Forschungshypothesen gebildet und operationalisiert. In zwei Schritten wird anhand des<br />

Beispiels Mülheim an der Ruhr untersucht, ob es städtische Gebiete gibt, die eine soziale<br />

Schleusenfunktion innehaben, und wie sich diese zeigt.<br />

Im vierten Abschnitt werden die Ergebnisse ausgewertet und Handlungsempfehlungen für die<br />

Stadtpolitik formuliert, die aus ihnen hervorgehen. Im Fazit werden die Forschungsfragen und<br />

Hypothesen abschließend beantwortet.<br />

Zur Übersicht werden am Ende der Abschnitte 1 bis 4 die jeweiligen Inhalte kurz stichpunktartig<br />

zusammengefasst. Weiterführende Anmerkungen seitens des Autors finden sich in den<br />

Fußzeilen.<br />

Sofern nicht anders beschrieben, handelt es sich um Daten der Stadt Mülheim an der Ruhr,<br />

Referat V.1 Statistik und Stadtforschung.<br />

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in der Ausdrucksweise nur die männliche Form<br />

benutzt. Frauen sind selbstverständlich in gleicher Weise angesprochen.<br />

8


1 Stadtsoziologische Grundlagen<br />

Städte als Orte des Zusammenlebens, als Laboratorien, als Kristallisationspunkte ökonomischer<br />

Prozesse und damit als Spiegel der Gesellschaft bieten der Soziologie eine Reihe von Themen<br />

und sind bereits dadurch ein vielfältiges Forschungsfeld. Stadt als soziologischer<br />

Interessensgegenstand stellt den Forschenden zugleich vor viele Herausforderungen, Fragen<br />

und Phänomene. Schon allein die räumlich sinnvolle Abgrenzung einer Stadt ist ein schwieriges<br />

Unterfangen 1. Um sich diesem komplexen Forschungsgegenstand zu nähern, werden zu Beginn<br />

dieses Abschnitts soziologische Überlegungen zur Stadt inklusive einer zweckdienlichen<br />

Begriffsdefinition vorgestellt. Zudem wird das Konzept der postindustriellen Stadt erörtert.<br />

Darauf aufbauend werden die städtische Struktur und Entwicklungen anhand des<br />

Dreistufenmodells von Bernd Hamm beleuchtet. Da aus diesem zwei wesentliche<br />

Differenzierungen resultieren, werden beide Richtungen getrennt voneinander ausführlich in<br />

unterschiedlichen Aspekten diskutiert. Beide Stränge führen zu einer je eigenen und im<br />

nächsten Schritt zur gemeinsamen Konzeption und grundlegenden Operationalisierung der<br />

urbanen Integrationsschleuse, was zugleich den Abschluss des Abschnittes bildet.<br />

1.1 Stadt als soziologischer Interessengegenstand<br />

Schon zu Beginn der Auseinandersetzung mit dem Forschungsgegenstand „Stadt“ fällt ein<br />

grundlegendes Problem auf: Aus soziologischer Sicht ist nicht definiert oder festgelegt, was eine<br />

Stadt ist (vgl. u.a. Häußermann/Siebel 2004, S. 11; Eckhardt 2004, S. 7). Es gibt zwar eine Reihe<br />

von Versuchen zur Definition von Städten (vgl. u.a. Häußermann/Siebel 1987, S. 7; Friedrichs<br />

1995, S. 17; Weber 2006, S. 833ff.), aber keiner dieser Vorschläge hat sich durchgesetzt oder<br />

Gültigkeit erlangt. All diesen und weiteren Stadtdefinitionen sind die drei grundlegenden<br />

Eigenschaften gemein, die bereits Lois Wirth beschrieben hat: Größe, Dichte und Heterogenität<br />

(vgl. Wirth in Schäfers 2010, S. 84). Somit sind Städte im soziologischen Sinne relativ große<br />

Siedlungen, die eine relativ hohe Dichte und eine relativ heterogene Bevölkerung aufweisen.<br />

Die soziologische Auseinandersetzung mit der Stadt erschöpft sich jedoch nicht in der Definition<br />

des Forschungsgegenstandes selbst. Sie untersucht vielmehr soziale und bedingt<br />

umweltbezogene Prozesse im städtischen Raum. Solche spiegeln sich zum Teil auch in ihrer<br />

(sozialen) urbanen Struktur wider (vgl. u.a. Friedrichs 1995, S. 17f.; Löw 2010, S. 24f.).<br />

Außerdem – und das ist einem Großteil der stadtsoziologischen Fachliteratur gemeinsam – fragt<br />

1 Zur Entwicklung von Städten und zum Stadtverständnis in Abgrenzung von ruralen Räumen bis hin zur nach wie vor<br />

aktuellen Diskussion über die Metropolisierung des Stadtbegriffs siehe Häußermann/Siebel 1987.<br />

9


sie auch nach speziellen städtischen Verhaltensweisen von Menschen 2. Solche Verhaltensweisen<br />

wurden bereits in dem Aufsatz „Die Großstädte und das Geistesleben“ aus dem Jahr 1903 (vgl.<br />

Simmel 2010, S. 9ff.), der als einer der ersten stadtsoziologischen Texte gilt 3, von Georg Simmel<br />

beschrieben (vgl. Häußermann/Siebel 2004, S. 35). Simmel definierte drei typische<br />

Eigenschaften des Großstädters: Reserviertheit, Blasiertheit und Intellektualismus (vgl. Siebel<br />

2010, S. 9ff). Er beschreibt die Reserviertheit als Art und Weise, wie sich Großstadtbewohner<br />

untereinander begegnen. „Die geistige Haltung des Großstädters zueinander wird man in<br />

formaler Hinsicht als Reserviertheit bezeichnen dürfen.“ (Simmel 2010, S. 16) Blasiertheit<br />

wiederum ist eine Reaktion auf die städtische Umwelt. Menschen reagieren, wie er es nennt, mit<br />

einer „Steigerung des Nervenlebens“ (Simmel 2010, S. 9) auf die Großstadt. „Sie [die<br />

Blasiertheit] ist zunächst die Folge jener rasch wechselnden und in ihren Gegensätzen eng<br />

zusammendrängenden Nervenreize, aus denen uns auch die Steigerung der großstädtischen<br />

Intellektualität hervorzugehen schien; weshalb denn auch dumme und von vornherein geistig<br />

unlebendige Menschen nicht gerade blasiert zu sein pflegen.“ (Simmel 2010, S. 14) Aufgrund der<br />

sinnlichen Überforderung eines jeden Einzelnen sind Großstadtbewohner abgestumpft. „Das<br />

Wesen der Blasiertheit ist die Abstumpfung gegen die Unterschiede der Dinge, nicht in dem<br />

Sinne, daß sie nicht wahrgenommen würden, wie von Stumpfsinnigen, sondern so, daß die<br />

Bedeutung und der Wert der Unterschiede der Dinge selbst als nichtig empfunden wird.“<br />

(Simmel 2010, S. 15) Das heißt, dass Großstadtbewohner nur noch relativ selektiv ihre Umwelt<br />

wahrnehmen.<br />

Simmels Ausführungen zur Blasiertheit sind insbesondere vor dem Hintergrund des damals<br />

stark ausgeprägten Stadt-­‐Land-­‐Gegensatzes zu sehen. Die Blasiertheit spiegelt sich auch in<br />

seiner Beschreibung der Intellektualität wider. „Daraus wird vor allem der intellektualistische<br />

Charakter des großstädtischen Seelenlebens begreiflich, gegenüber dem kleinstädtischen, das<br />

vielmehr auf das Gemüt und gefühlsmäßige Beziehungen gestellt ist.“ (Simmel 2010, S. 10)<br />

Simmel beschreibt die Stadt somit nicht aus ihrer Größe heraus, sondern aus dem Verhalten, das<br />

die Großstadtbewohner zeigen. Somit ergeben sich zwei wichtige Punkte für das soziologische<br />

Verständnis für Städte. Erstens sind Städte relativ groß, dicht bebaut, weisen eine relativ gute<br />

2 Die Diskussion um das Städtische ist begründet im Stadt-­‐Land-­‐Gegensatz, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch<br />

gegeben war (vgl. Häußermann/Siebel 2004, S. 34). Heute spielen weitere Faktoren wie Globalisierung,<br />

Digitalisierung usw. eine zunehmende Rolle (vgl. Sassen 2006, S. 18f.).<br />

3 Schon vor Simmel haben Friedrich Engels und Karl Marx Eigenheiten des städtischen Lebens beschrieben und die<br />

Beseitigung des Unterschieds zwischen Stadt und Land als bedeutenden Punkt ihrer Theorie benannt (vgl.<br />

Marx/Engels 1969, S. 4). Allerdings hat Simmel diese Eigenheiten als Erster klassifiziert. Weitere Berichte über die<br />

Lebenswirklichkeiten in der industriellen Großstadt der frühen Industrialisierung: siehe Reiseberichte zu London aus<br />

dem Jahr 1775 von Georg Lichtenberg (vgl. Lichtenberg 1979) oder auch Heinrich Heine (vgl. Heine 2006).<br />

10


Infrastruktur auf etc. Diese dinglichen Merkmale werden als Verstädterung (vgl.<br />

Häußermann/Siebel 2004, S. 19) bezeichnet. Zweitens charakterisieren Merkmale, wie sie<br />

Simmel beschrieben hat, also jene, die die spezifische Lebensart von Stadtbewohnern betreffen,<br />

den Begriff Urbanität. In Europa ging während der Industrialisierung die Verstädterung zeitlich<br />

einher mit der Urbanisierung, dies ist aber nicht zwingend der Fall (vgl. Häußermann/Siebel<br />

2004, S. 19). Die Stadtsoziologie betrachtet daher Phänomene städtischen Zusammenlebens<br />

unter Berücksichtigung der dinglichen Umwelt sowie auch der Veränderung in ihrer sozialen<br />

Struktur. In Teilbereichen der neueren stadtsoziologischen Literatur wird ebenfalls über den Ort<br />

des Städtischen gesprochen, also über raumsoziologische Aspekte der Stadt (vgl. u.a. Löw 2010;<br />

Löw/Steet/Stoetze 2007). Kern dieser Arbeiten ist es, Raum bzw. Stadt nicht mehr als Container<br />

zu begreifen, sondern als im weiteren Sinne als Anordnung von Räumen, die sozial und<br />

kommunikativ produziert und gegliedert werden (vgl. Friedrichs 2011, S. 35f.).<br />

Selbstverständlich ist, wie Friedrich schreibt, Raum wichtig für soziologische Untersuchungen,<br />

aber nicht „das entscheidende Merkmal des Städtischen“(Friedrichs 2011, S. 36). Das ist eher in<br />

der urbanen Opportunitätsstruktur zu sehen. Solche Opportunitätsstrukturen sind u.a. „Arbeit,<br />

Bevölkerung, Wohnen, Infrastruktur und Normen“. (Friedrichs 2011, S. 36) Die Verteilungen<br />

solcher Merkmale sind allerdings nur innerhalb eines klar abgrenzbaren Bereichs, also eines<br />

Containers, zu beobachten. Somit wird für die vorliegende Arbeit das Containerkonzept der<br />

Stadt akzeptiert. In diesem werden städtische Phänomene lokal verortet. Somit ergibt sich die<br />

Möglichkeit, Verteilungen und Prozesse im Raum zu beschreiben (vgl. Friedrichs 2011, S. 35) 4.<br />

Neben dem Containermodell ist zudem die Berücksichtigung der aktuellen Stadtentwicklung (in<br />

Deutschland) für die vorliegende Arbeit von grundlegender Bedeutung. Im Zuge der<br />

Industrialisierung sind die Städte gewachsen, und auch die Phase des Wiederaufbaus nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg hat an der industriellen Basis der Städte nichts geändert. Heute gibt es<br />

zunehmend weniger Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe in (deutschen) Städten. Diese<br />

Phase wird als postindustrielle Stadtentwicklung bezeichnet und wird im Folgenden näher<br />

erläutert.<br />

1.2 Die postindustrielle Stadt<br />

Während im 19. und in weiten Teilen des 20. Jahrhunderts Städte aufgrund der industriellen<br />

Entwicklung wuchsen, ist dieser Trend zu Beginn des 21. Jahrhunderts zum Erliegen gekommen<br />

(vgl. Siebel 2007, S. 5). Industrielle Arbeitsplätze haben die Städte verlassen, wenn sie überhaupt<br />

4Eine kurze Zusammenfassung der raumsoziologischen Überlegungen von Bourdieu, die in diesem Zusammenhang zu<br />

einem vertieften Verständnis beitragen können, findet sich in Teicke 2012, S. 16ff..<br />

11


noch in Deutschland sind. Diese Phase der postindustriellen Stadt und der mit ihr verbundenen<br />

Herausforderungen für die Städte ist nur durch die Berücksichtigung der industriegeprägten<br />

Stadtentwicklung zu erklären.<br />

1.2.1 Industrialisierung als Grundvoraussetzung der modernen Stadt<br />

Unter Industrialisierung wird die Phase des Übergangs der Güterproduktion von<br />

landwirtschaftlichen Erzeugnissen hin zu Massenwaren bezeichnet (vgl. Baum 2012, S. 574). An<br />

jeweils spezifisch günstigen Standorten wurden Manufakturen und Fabriken errichtet. Oftmals<br />

fanden sich solche Standorte in Städten, da diese bereits eine relativ gute Infrastruktur<br />

aufwiesen 5. Solche Standorte zogen zunehmend Menschen aus der Region und zum Teil darüber<br />

hinaus an. Es kam zur Verstädterung und zur Urbanisierung. Die Arbeiter erwarben ihren<br />

Unterhalt nun durch Lohnarbeit und nicht mehr durch Subsistenzwirtschaft. Zumeist lebten die<br />

Arbeiter nahe den Fabriken in Wohngebäuden, die als überfüllt und elend beschrieben werden<br />

(vgl. Häußermann/Siebel 2004, S. 47). Die Fabriken wiederum wurden relativ nahe am<br />

Stadtzentrum errichtet und verfügten zumeist über Verbindungen zur Transportinfrastruktur<br />

wie Schienen oder großen Verkehrsstraßen.<br />

Aufgrund dieser Dominanz der Ökonomie in der städtischen Entwicklung wird von der<br />

industriellen Stadt gesprochen. Auf Basis dieser Anforderungen, die die Industrie an die Städte<br />

stellte, wurde Stadtplanung betrieben bzw. gab es Interdependenzen zwischen industriellen<br />

Anforderungen und städtebaulicher Planung. Ein Beispiel dafür ist die Schienenanbindung<br />

ehemaliger innerstädtischer Industrieanlagen. In Deutschland war dieses Modell bis in die<br />

Nachkriegszeit nachweisbar, was sich allerdings mit zunehmender Motorisierung und positiver<br />

Lohnentwicklung und der damit verbundenen Mobilität potenzieller Arbeiter änderte.<br />

Arbeitsplätze wurden aufgrund des zunehmenden Flächenbedarfs ins Umland verlagert. Diese<br />

Entwicklung wird als Fordismus bezeichnet und ist als Übergang zwischen der industriellen und<br />

der postindustriellen Stadt anzusehen (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2007, S. 135f.).<br />

1.2.2 Fordistische Stadtentwicklung<br />

Der sogenannte Fordismus geht auf den amerikanischen Unternehmer Henry Ford zurück (vgl.<br />

Häußermann/Läpple/Siebel 2007, S. 136) 6. Er gründete 1903 die Ford Motor Company in<br />

5Ein solches Beispiel bietet die Stadt Wuppertal im Bergischen Land. Es gab in Deutschland jedoch auch andere<br />

Entwicklungen, die sich an Rohstoffvorkommen orientierten, wie am Beispiel des Ruhrgebiets zu sehen ist.<br />

Weiterführend zur Industrialisierung in Deutschland siehe Hahn 2011.<br />

6Mit dem Fordismus ist der sog. Taylorismus eng verbunden. Siehe dazu Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 136 ff..<br />

12


Detroit und produzierte dort die ersten Automobile. Der erste Standort befand sich „in einem<br />

kleinem Ziegelschuppen und [sie] zog einige Jahre später in derselben Stadt in ein größeres<br />

Gebäude.“ (Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 138) Der städtische Standort bot zwei wichtige<br />

Vorteile. Zum einen gab es ein schier unerschöpfliches Reservoir an Arbeitskräften und zum<br />

anderen war die Stadt ein wichtiger Testmarkt für Ford (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2008,<br />

S. 138). Bei Ford wurde standardisiert produziert und die Fertigung in einzelne Schritte zerlegt.<br />

So wurde die Massenproduktion eines relativ komplexen Produktes mit un-­‐ bzw. angelernten<br />

Arbeitern realisiert. Dadurch sank der Stückpreis des Automobils und die Firma konnte<br />

expandieren.<br />

Mit zunehmender Produktionskapazität wuchs allerdings auch der Flächenbedarf, was hohe<br />

Kosten für neue Grundstücke nach sich zog. Ford entschloss sich, dezentral zu expandieren, d.h.<br />

jeder Firmenbereich suchte einen eigenen exurbanen Standort. Dabei berücksichtigte er<br />

allerdings nicht nur betriebswirtschaftliche, sondern auch volkswirtschaftliche Aspekte des<br />

Unternehmertums. Er zahlte relativ hohe Löhne, um für seine Produkte ein Nachfragepotenzial<br />

auf dem Markt zu schaffen. Durch diese Standort-­‐, Lohn-­‐ und Produktionspolitik wurden in den<br />

Vorstädten große Betriebsstätten errichtet und industrielle Arbeitsplätze waren nicht mehr von<br />

städtischer Umgebung abhängig. Vielmehr spielte die Mobilität eine wichtige Rolle, da viele<br />

Arbeiter bei Ford ein eigenes Auto hatten, das sie sich durch hohe Löhne und sinkende<br />

Produktkosten leisten konnten. In diesem Zusammenhang wird auch von der Demokratisierung<br />

des Automobils gesprochen (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 136ff.).<br />

Fordistische Stadtentwicklung, also die Emanzipation des industriellen Produktionsortes vom<br />

urbanen (Kern-­‐)Raum, trat in Deutschland mit der Massenautomobilisierung der 1960er-­‐ und<br />

1970er-­‐Jahre auf (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 136). Mit den Produktionsorten<br />

wurden auch zunehmend Wohn-­‐ und Konsumstrukturen in suburbane Standorte verlagert (vgl.<br />

Hesse 2004, S. 5). Die Städte wurden zunehmend zu Dienstleistungs-­‐, Verwaltungs-­‐, Bildungs-­‐<br />

und Kulturorten. Die Epoche der fordistischen Stadtentwicklung ist jedoch abgeschlossen, da<br />

zahlreiche Firmen ihre Produktion internationalisiert haben, um Lohnkosten einzusparen.<br />

Der Fordismus kann ebenfalls als Übergang zwischen der Industrialisierung der Städte und der<br />

Internationalisierung der Produktion verstanden werden. Die heutigen Entwicklungen sind<br />

nicht mehr klar abzugrenzen und zu benennen. Von daher wird vom Postfordismus oder auch<br />

von der postindustriellen Stadt gesprochen (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 135). In<br />

ihr überlagern sich unterschiedliche Herausforderungen und Problemlagen wie sinkende<br />

steuerliche Einnahmen, Armut und zunehmende Alterung. Diese Entwicklungen stellen Städte<br />

und Stadtpolitik vor immense Herausforderungen, die im Folgenden aufgezeigt werden.<br />

13


1.2.3 Fünf Herausforderungen der Städte zu Beginn des 21. Jahrhunderts<br />

Jede Stadt hat eigene Problemlagen und Ressourcen, mit denen die jeweilige Stadtpolitik<br />

umgehen muss. Allerdings zeigen sich zentrale Problemlagen, die allen deutschen Städten<br />

gemeinsam sind. Strohmeier hat in Anlehnung an Kaufmann fünf zentrale Herausforderungen<br />

für Städte zu Beginn des 21. Jahrhunderts formuliert (vgl. Strohmeier 2007, S. 246):<br />

1. Die ökonomische Herausforderung<br />

Zahlreiche Kommunen haben nicht genügend finanzielle Mittel, um allen Anforderungen<br />

adäquat gerecht werden zu können. „Sie besteht in der Krise der kommunalen Finanzen<br />

und (speziell in der BRD) in der zunehmenden Belastung der Kommunen durch<br />

Problemverschiebungen von der Bund-­‐Länder-­‐Ebene.“ (Strohmeier 2007, S. 246) Daraus<br />

resultieren zum einen kommunale Haushaltskrisen und zum anderen, damit verbunden,<br />

eine notwendige Prioritätensetzung und Sparzwänge der Stadtpolitik (vgl. Strohmeier<br />

2007, S. 247) als ökonomische Herausforderung.<br />

2. Die demografische Herausforderung<br />

Tiefgreifende demografische Veränderungen der Bevölkerungsstruktur hin zu immer<br />

mehr Senioren 7 und die selektive Abwanderung von Familien aus den Städten ins<br />

Umland (Suburbanisierung) 8 bilden gemeinsam die demografische Herausforderung.<br />

Innerhalb der Städte sind ebenso Disparitäten in der demografischen Zusammensetzung<br />

der Stadtteilbevölkerungen zu erkennen, wie Strohmeier zeigt (vgl. Strohmeier 2006a,<br />

S. 15). Insgesamt muss allerdings zunehmend für eine ältere Stadtgesellschaft gesorgt<br />

werden. Somit ist zu differenzieren zwischen regionalen und innerstädtischen<br />

demografischen Herausforderungen (vgl. Strohmeier 2007, S. 247).<br />

3. Die soziale Herausforderung<br />

Bei der sozialen Herausforderung ist eine „Polarisierung der sozialen Lage“ (Strohmeier<br />

2007, S. 246) innerhalb der Städte ein zunehmendes Problem. Arme Haushalte, Isolation<br />

und erodierende nachbarschaftliche und familiäre Netzwerke führen in einigen<br />

Stadtteilen zu Problemen (vgl. Strohmeier 2007, S. 247), wobei in einigen Teilen der<br />

Stadt zunehmend ökonomisch Bessergestellte leben, die sich, falls notwendig,<br />

Dienstleistungen hinzukaufen können (Siebel 2007, S. 128). Ausgleichend zu wirken und<br />

die soziale Infrastruktur passgenau herzustellen und aufrechtzuerhalten, ist die soziale<br />

Herausforderung.<br />

7 Für alle Städte und Gemeinden mit über 5.000 Einwohnern stellt die Bertelsmann Stiftung unter der Website<br />

www.wegweiser-­‐kommune.de kostenfrei eine Bevölkerungsprognose bis 2030 zur Verfügung.<br />

8 Weiterführend zur Thematik der Suburbanisierung siehe www.suburbanisierung.de.<br />

14


4. Die kulturelle Herausforderung<br />

Die kulturelle Herausforderung ist bedingt durch eine schwindende Identifikation der<br />

Bürger mit politischen Entscheidungen und Entscheidungsprozessen. Dies lässt sich an<br />

den sinkenden Wahlbeteiligungen bei (Kommunal-­‐)Wahlen ablesen. „In den<br />

Armutsvierteln der Städte und in den Stadtteilen mit den höchsten Migrantenanteilen<br />

sind in der Kommunalpolitik faktisch nicht mehr repräsentierte ‚demokratiefreie Zonen‘<br />

entstanden, in denen eine Minorität der erwachsenen Bevölkerung am politischen Leben<br />

partizipiert.“ (Strohmeier 2007, S. 247) Gründe dafür sind sozial instabile Milieus und<br />

Netzwerke sowie Gestaltungspessimismus (vgl. Strohmeier 2007, S. 247).<br />

5. Die internationale Herausforderung<br />

Zunehmende internationale Zuwanderung und die Konzentration von Migranten in<br />

wenigen innerstädtischen Wohngebieten sind weitverbreitete Phänomene. Allerdings<br />

sind die Zuwanderer mit einer Reihe von Problemen konfrontiert. „Der zugewanderte<br />

Nachwuchs der Stadtgesellschaft ist besonders von Einkommens-­‐ und Bildungsarmut<br />

betroffen, die zudem einander in hohem Maße bedingen.“ (Strohmeier 2007, S. 247) Die<br />

Städte stehen vor der Herausforderung, Integration zu organisieren und entsprechende<br />

Angebote und Infrastruktur bereitzustellen (vgl. Strohmeier 2007, S. 247).<br />

Insbesondere der internationalen Herausforderung kommt, auch vor dem Hintergrund der vier<br />

anderen Themen, eine wachsende Bedeutung zu. Migranten sind überdurchschnittlich oft von<br />

Armut betroffen, bekommen tendenziell mehr Kinder pro Frau und erzielen geringere<br />

Bildungsabschlüsse (vgl. u.a. Hanesch 2001; Strohmeier 2007; Kopp 2009). Die Integration von<br />

Zuwanderern ist ein wichtiger Schritt, um den Herausforderungen, vor denen Städte zu Beginn<br />

des 21. Jahrhunderts stehen, gerecht zu werden. Bei der Integration, also der Eingliederung<br />

eines Individuums in eine gesellschaftliche Majorität 9, sind zwei Bereiche zu unterscheiden: die<br />

strukturelle und die kulturelle Integration. Die strukturelle Integration meint „die Teilhabe an<br />

den Ressourcen und Positionen des Aufnahmelandes“. (Häußermann/Läpple/Siebel 2008,<br />

S. 315). Die kulturelle Integration meint die Akzeptanz und Verinnerlichung gesellschaftlicher<br />

Normen. Dabei bedingt die strukturelle die kulturelle Integration (vgl.<br />

Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 315). Demnach besteht die Aufgabe primär darin,<br />

Migranten am Wohnungs-­‐ und Arbeitsmarkt gleichberechtigt teilhaben zu lassen. Da sich<br />

Migranten in städtischen Teilgebieten konzentrieren, zeigt sich, dass die städtische Struktur<br />

differenziert ist. Eine solche Differenzierung eröffnet auch (im wahrsten Sinne des Wortes)<br />

Handlungsräume für integrationspolitische Maßnahmen. Das Verständnis der Mechanismen, die<br />

9 Es wird unterstellt, dass es sich dabei um einen Zuwanderer handelt, der dauerhaft am Migrationszielort leben<br />

möchte.<br />

15


hinter dieser sozialräumlichen Fragmentierung stehen, ist für die Implikation<br />

integrationspolitischer Maßnahmen von grundlegender Bedeutung. Diese Mechanismen der<br />

sozialräumlichen Differenzierung werden im Dreistufenmodell von Bernd Hamm deutlich.<br />

1.3 Das Dreistufenmodell<br />

Bei der Betrachtung städtischer Strukturen sind Unterschiede der verschiedenen Sozialräume zu<br />

erkennen. Es gibt z.B. Bereiche, in denen nur Büros zu finden sind, wie beispielsweise die City of<br />

London oder der Central Business District Melbourne. Zudem ist auch eine unterschiedliche<br />

Verteilung bzw. Differenzierung der Wohnbevölkerung, abhängig vom Stadtteil, zu erkennen.<br />

Beispiele dafür sind die armutsgeprägten französischen Banlieues oder im Gegensatz dazu die<br />

reichtumsgeprägten gated communitys in Südafrika. Hamm hat diesen Differenzierungen in<br />

seinem Dreistufenmodell Rechnung getragen. Er sieht drei zentrale<br />

Differenzierungsmechanismen, die zugleich Verteilungsmechanismen darstellen.<br />

1. Spezialisierung der Funktion als primärer Verteilungsmechanismus<br />

Die Spezialisierung oder auch funktionsräumliche Differenzierung ist abhängig vom<br />

Wachstum einer Stadt (vgl. Hamm 1977, S. 128). Der wichtigste Antrieb der<br />

Spezialisierung städtischer Teilgebiete ist der Bodenpreis, der infolge des Wachstums<br />

steigt. „Mit zunehmender Bevölkerungszahl – die ja auch ein ökonomisches Potenzial<br />

darstellt – nimmt der Wettbewerb um zentrale Standorte infolge steigender<br />

Grundrentenerwartungen zu, und damit gehen die Bodenpreise in die Höhe.“ (Hamm<br />

1977, S. 128) Eine Spezialisierung bedeutet dabei die ökonomisch bedingte Festlegung<br />

der Nutzung des jeweiligen Grundstücks (vgl. Hamm 1977, S. 128). Daraus folgt, dass<br />

eine Spezialisierung ökonomisch sinnvoll sein muss. Allerdings kann nicht jede<br />

Spezialisierung in jeder Stadt auftreten. Ausschlaggebend sind die örtlichen<br />

Gegebenheiten. Zum einen wird auf vorgefundene Strukturen wie z.B. historische<br />

Stadtkerne oder die lokale Industriestruktur aufgebaut. Zum anderen gibt es physische<br />

Voraussetzungen wie Berghänge, Wasserflächen usw., die nicht jede Bodennutzung und<br />

damit funktionale Differenzierung zulassen (vgl. Hamm 1977, S. 128f.). Der Grad der<br />

Spezialisierung ist abhängig von der Distanz zum Stadtzentrum, das zugleich die stärkste<br />

Spezialisierung aufweist. Distanz wird hier nicht verstanden als räumlicher Abstand<br />

zwischen zwei Orten, sondern als Zeit-­‐Kosten-­‐Maß (vgl. Hamm 1977, S. 129): Der<br />

zeitliche Aufwand X, der in Kauf genommen werden muss, um zum Ort Y zu gelangen, ist<br />

entscheidend. Die Spezialisierung als funktionale Differenzierung ist in diesem Modell<br />

der primäre Verteilungsmechanismus sozialräumlicher Differenzierung.<br />

16


2. Soziale Segregation als sekundärer Verteilungsmechanismus<br />

Hamm berücksichtigt in seinem Dreistufenmodell, dass städtische Strukturen nicht<br />

ausschließlich funktionell sind (vgl. Hamm 1977, S. 129). Er definiert als sekundären<br />

Mechanismus die Segregation zur Differenzierung sozialräumlicher Strukturen. Mit<br />

dieser ist die Verteilung von Wohnstandorten anhand der sozialen Schichtzugehörigkeit<br />

gemeint. Sie zeigt sich nach Hamm am deutlichsten bei der Wohnstandortwahl der<br />

Unterschicht. Da das Verhältnis von Mietpreis und Einkommen die entscheidende Rolle<br />

spielt, ist der Entscheidungsspielraum bei der Wohnstandortwahl relativ gering (vgl.<br />

Hamm 1977, S. 130). Segregation nach sozialer Schichtzugehörigkeit ist somit der<br />

sekundäre Verteilungsmechanismus.<br />

3. Symbolische Segregation als tertiärer Verteilungsmechanismus<br />

Ähnlich wie der sekundäre Verteilungsmechanismus verhält es sich bei der<br />

symbolischen oder auch subjektiven, Segregation. Dieser liegt die Beobachtung<br />

zugrunde, dass Reiche sich zwar durch das Verhältnis von Einkommen zum Bodenpreis<br />

jeden Wohnstandort in der Stadt aussuchen können, jedoch konzentriert in städtischen<br />

Räumen leben. Es besteht offenbar eine symbolische Identifikation mit einem Ort (vgl.<br />

Hamm 1977, S. 130). Die symbolische Segregation ist damit der tertiäre<br />

Verteilungsmechanismus sozialräumlicher Strukturen.<br />

Das Dreistufenmodell von Hamm bildet somit den Bezugsrahmen für die sozialräumliche<br />

Differenzierung der Stadt. „Nach diesem Bezugsrahmen vollzieht sich also der Prozess der<br />

sozialräumlichen Differenzierung in drei Stufen, wobei die primäre Verteilung wichtiger ist als<br />

die sekundäre, diese wichtiger als die tertiäre. Die übergeordnete Verteilung begrenzt jeweils<br />

objektiv den Spielraum für Standortentscheide der nachfolgenden.“ (Hamm 1977, S. 130)<br />

Durch die beschriebenen Verteilungsmechanismen des Dreistufenmodells kommt es zu<br />

Differenzierungen zweier Effekte: durch den primären Verteilungsmechanismus zur<br />

funktionalen Differenzierung und durch den sekundären und tertiären Verteilungsmechanismus<br />

zur sozialen Differenzierung urbaner Strukturen. Daraus resultierend werden für die<br />

vorliegende Arbeit die Effekte der funktionalen und der sozialen Differenzierung als zentrale<br />

Punkte zur Verteilung städtischer Strukturen berücksichtigt, wobei funktionale Differenzierung<br />

der primäre und soziale Differenzierung der sekundäre Steuerungsmechanismus ist. Sie werden<br />

im Folgenden jeweils ausführlich diskutiert, da beide, und auch jede für sich genommen, für die<br />

Konzeption urbaner Integrationsschleusen von grundlegender theoretischer Bedeutung sind.<br />

Die Erkenntnisse aus der funktionalen und sozialen Differenzierung hinsichtlich der urbanen<br />

Integrationsschleuse werden anschließend miteinander in Beziehung gesetzt. Dadurch wird die<br />

theoretische Grundlage zur Konzeption und Operationalisierung der urbanen<br />

Integrationsschleuse gelegt.<br />

17


1.4 Funktionale Differenzierung<br />

Funktionale Differenzierung als primärer Mechanismus zur Verteilung städtischer Strukturen<br />

produziert räumliche und soziale Strukturen. Durch sie entstehen spezialisierte städtische<br />

Teilgebiete wie Bankenviertel oder armutsgeprägte Wohngebiete, und zugleich schafft sie die<br />

Voraussetzung zur sozialen Differenzierung. Im Folgenden werden städtische Funktionsräume<br />

als Ausdruck funktionaler Differenzierung beschrieben. Zudem wird die sozialökologische<br />

Theorie vorgestellt, die funktionale Differenzierungsprozesse strukturiert und die Dynamiken<br />

der städtischen (Wachstums-­‐)Entwicklung berücksichtigt. Auf dieser Basis wird das Konzept der<br />

urbanen Integrationsschleuse unter Berücksichtigung der sozialökologischen Stadtforschung in<br />

einem ersten Schritt konkretisiert.<br />

1.4.1 Städtische Funktionsräume<br />

Um eine Stadt in Gänze funktionsfähig zu halten, bedarf es unterschiedlicher Funktionsräume 10<br />

wie Wohnbereiche, Geschäfts-­‐ bzw. Industrieareale, Verkehrs-­‐ und Freizeitflächen.<br />

„[Segregation] … bezeichnet die räumliche Verteilung unterschiedlicher Funktionen (Arbeiten,<br />

Wohnen, Freizeit, Verkehr) in einer Stadt.“ (Werheim 2007, S. 580) Anhand der Betrachtung der<br />

Nutzungsintensität, des Bodenpreises und weiterer Hinweise können zusätzliche<br />

Differenzierungen getroffen werden (vgl. Hamm 1977, S. 128ff.), so z.B. günstiges Wohnen mit<br />

hoher Nutzungsdichte (Hochhaus in einer Trabantensiedlung). Gesteuert wird diese Verteilung<br />

von Bodennutzung primär durch den Flächennutzungsplan der Kommune (vgl.<br />

Häußermann/Siebel 2004, S. 228). Eine reine Trennung der Funktionen ist nicht immer möglich,<br />

sodass es auch sogenannte Mischbauflächen bzw. Mischnutzung gibt (vgl. Schwalbach 2009,<br />

S. 43). Ein Beispiel dafür sind Ladenlokale im Erdgeschoss und Wohnnutzung in den<br />

darüberliegenden Etagen. Städtische Funktionsräume sind demnach Orte, die eine primäre<br />

Funktion erfüllen, ohne dabei andere Funktionen zwingend auszuschließen. Eine solche<br />

Differenzierung zeigt sich auf der städtischen Ebene durch die Herausbildung von<br />

spezialisierten städtischen Funktionsräumen. Solche sind zum Beispiel Industriegebiete,<br />

Wohngebiete oder Geschäftsviertel. Funktionsräumliche Differenzierungen verlaufen nach<br />

erkennbaren Mustern. Die sozialökologische Stadtforschung hat solche funktionsräumlichen<br />

Differenzierungserscheinungen bereits vor mehr als hundert Jahren erkannt und beschrieben.<br />

Ihre Erkenntnisse werden im Folgenden vorgestellt und diskutiert.<br />

10 Die funktionale Differenzierung in Funktionsräume wird auch als funktionale Segregation bezeichnet. Zum<br />

Segregationsbegriff siehe Abschnitt 1.5 der vorliegenden Arbeit.<br />

18


1.4.2 Sozialökologische Theorie der Stadt<br />

Die sozialökologische Theorie gehört zu den einflussreichsten und bekanntesten soziologischen<br />

Stadttheorien (vgl. Schnur 2008, S. 11) 11. Sie wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts u.a. von den<br />

amerikanischen Soziologen Robert Ezra Park und Ernest Burgess begründet. Sie untersuchten<br />

Wachstums-­‐ und Segregationsprozesse am Beispiel der Stadt Chicago 12 . Ihre Methodik<br />

orientierte sich am Journalismus und war durch eigenes Begehen und Dokumentieren des<br />

Forschungsgebietes geprägt. Bekannt wurde dieses Vorgehen unter dem Schlagwort to see life.<br />

Im Kern bedient sich die Sozialökologie Analogien 13 aus der Natur (vgl. Häußermann/Siebel<br />

2004, S. 49f). Prozesse aus der Natur werden auf die städtische Umwelt übertragen. Dabei geht<br />

es um eine „Interdependenz zwischen Sozialem und Territorialem“. (Schnur 2008, S. 12) Das<br />

bedeutet, dass es Orte in der Stadt gibt, die spezifische Funktionen übernehmen (vgl. Schnur<br />

2008, S. 12), wie z.B. Wohnraum für eine spezifische Einwanderergruppe 14 . Solche<br />

Funktionsräume werden im Jargon der Sozialökologie als natural area bezeichnet (vgl. Park<br />

1974, S. 90). Sie sind Produkte eines Verteilungsprozesses und aus ökologischen Verhältnissen<br />

entstanden (vgl. Schnur 2008, S. 12). „Natural Areas sollten physisch abgrenzbar sein, eine nach<br />

sozialen, demografischen oder ethnischen Merkmalen relativ homogene Bevölkerung aufweisen,<br />

soziale Normen und Sanktionen besitzen und aggregierte Lebensstile oder Verhaltensweisen,<br />

die sich in der Summe von anderen Gebieten unterscheiden.“ (Schnur 2008, S. 13). Sie sind<br />

demnach hoch spezialisierte funktionale Räume. Damit bringen sie allerdings auch eigene<br />

Verhaltensweisen mit sich, die als Ausdruck der urbanen Kultur zu verstehen sind.<br />

Welche konkrete Form und welches Ausmaß die Spezialisierung innerhalb einer Stadt annimmt,<br />

hängt dabei vom gesamten innerstädtischen Beziehungsgefüge ab (vgl. McKenzie 1925, S. 77).<br />

Eine natural area ist somit nicht isoliert vom gesamtbiotopischen Zusammenhang. Vielmehr<br />

bildet die Verquickung mit anderen natural areas das sogenannte web of life (vgl. Park 1936,<br />

S. 1). Verbindungen im web of life werden nicht nur durch Kommunikation oder temporäre<br />

Mobilität, sondern auch durch Wanderungsbewegungen gehalten (vgl. Park 1936, S. 7ff). Durch<br />

die beschriebenen Mechanismen entstehen somit in ihrem sozialen Profil relativ klar<br />

voneinander abzugrenzende funktionale Zonen in der Stadt, die sich nach klaren Mustern<br />

11 Selbstverständlich gibt es neben der Sozialökologie noch zahlreiche weitere theoretische Ansätze. Einen guten<br />

Überblick bieten u.a. Saunders 1987, Friedrichs 1995, Schäfers 2010 oder auch eingeschränkt auf das europäische<br />

Stadtmodell Frey/Koch 2011.<br />

12 Deswegen ist auch die Bezeichnung „Chicago School“ für die sozialökologische Stadtsoziologie geläufig.<br />

13 Zur Kritik an der sozialökologischen Theorie siehe Abschnitt 1.4.6 der vorliegenden Arbeit.<br />

14 Die Sozialökologie ist im Hinblick auf wachsende Städte der frühen Industrialisierung entwickelt worden.<br />

19


strukturieren (vgl. Strohmeier 1983, S. 94ff.). Auf Grundlage dieser Überlegungen entwickelte<br />

Burgess sein Zonenmodell der Stadt, welches im Folgenden vorgestellt wird.<br />

1.4.3 Stadtmodell von Burgess<br />

Das Stadtmodell von Burgess gehört zu den bekanntesten und ältesten Modellen der modernen<br />

Stadt. 1923 stellte er es auf einer Tagung der American Sociological Assosiation vor. Das Modell<br />

geht von einem aufgeschichteten ringförmigen Aufbau der Gesamtstadt aus (vgl. Strohmeier<br />

1983, S. 97). Burgess entwickelte sein Modell auf Basis der Annahme, dass es eine stetige<br />

Variation, ein regelmäßiges Muster, der natural areas in Bezug auf ein Zentrum gebe (vgl. Hamm<br />

1977, S. 33).<br />

Sein Modell besteht aus fünf aufgeschichteten Ringen. „Im Zentrum liegt der central business<br />

district, dessen Bodennutzung von Handel, Banken und Versicherungsgebäuden bestimmt wird.“<br />

(Strohmeier 1983, S. 98) Für das Zentrum ist auch der Begriff Loop gebräuchlich (vgl. Friedrichs<br />

1995, S. 40). Eine Wohnnutzung ist im Loop idealtypisch nicht vorhanden (vgl. Friedrichs 1995,<br />

S. 40). Der zweite Ring wird von der zone in transition gebildet. Dort wohnen Migranten, die in<br />

erster Generation in der Stadt leben (vgl. Hamm/Neumann 1996, S. 184). Zudem findet sich dort<br />

Gewerbefläche der Leichtindustrie und Einzelhandel (vgl. Friedrichs 1995, S. 40). Friedrichs<br />

beschreibt die zone in transition mit Schlagwörtern wie: „Gebiet des Lasters, Vergnügungsviertel,<br />

hohe Raten von Geisteskranken, Konzentration von Armut, …“ (Friedrich 1995, S. 40). Die<br />

Gebäude dort sind in der Regel in schlechtem Zustand und werden von den Bewohnern, die<br />

idealtypisch zur Miete wohnen, „heruntergewohnt“. Dadurch kommt es zu Bodenspekulationen,<br />

denn die Hausbesitzer gehen davon aus, dass sie das Gebäude aufgrund des Wachstums der<br />

ersten Zone gewinnbringend umwandeln oder veräußern können (vgl. Hamm/Neumann 1996,<br />

S. 207). Auf diese Weise wächst die innere Stadt (Loop) in die Gebiete der zone in transition und<br />

verändert diese. Die zone in transition wiederum wächst in den dritten Ring hinein, die zone of<br />

workingmen’s homes. In diesem Ring leben die Facharbeiter und Immigranten der zweiten<br />

Generation bereits in Wohnungen besseren Zustands (vgl. Hamm/Neumann 1996, S. 185). Auch<br />

dieser Bereich wächst, gedrückt vom zweiten Ring, in den vierten Ring hinein, die residential<br />

zone (vgl. Strohmeier 1983, S. 98). Die residential zone umfasst die besseren Wohngegenden<br />

einer Stadt. Sie besteht aus dem „Villenviertel sowie Einfamilienhaus-­‐ und Reihenhausarealen“.<br />

(Strohmeier 1983, S. 98). Den letzten Ring bildet die commuters zone, die oftmals auch jenseits<br />

der Stadtgrenze liegt (vgl. Strohmeier 1983, S. 98). Der gesamte Stadtaufbau ist somit auf ein<br />

Zentrum ausgerichtet, in das zur Arbeit eingependelt und das am Abend wieder verlassen wird.<br />

„Deswegen wird dem CBD [Central Business District] auch die Eigenschaft der ,Dominanz‘<br />

zugeschrieben.“ (Hamm 1977, S. 35)<br />

20


Abbildung 1: Stadtmodell von Burgess<br />

Quelle: www.mchp-appserv.cpe.umanitoba.ca;abgerufen am30.11.2012<br />

Um das Zentrum der Stadt zu erreichen, müssen somit zum Teil erhebliche Distanzen<br />

zurückgelegt werden. Aus diesem Grund ist Mobilität nicht nur ein städtisches Merkmal,<br />

sondern auch Grundvoraussetzung zur Entstehung von Urbanität. Sie ist ebenfalls vor dem<br />

Hintergrund notwendig, dass sich das Siedlungsgebiet von innen nach außen entwickelt. Durch<br />

das Ineinanderwachsen der einzelnen Ringe kommt es auch zu Verdrängungsprozessen in den<br />

natural areas. Eine solche Verdrängung ist dem Mechanismus der Bodenrendite geschuldet. Es<br />

gibt Nutzungen, die eine höhere Bodenrendite erwarten lassen als andere (vgl. Hamm 1977,<br />

S. 129) und damit Spekulationen ermöglichen (vgl. Hamm/Neumann 1996, S. 206). Auf diese<br />

Weise können natural areas durch Verdrängung ihre Funktion bzw. Spezialisierung verlieren<br />

bzw. verändern. In der Logik der Sozialökologie passiert dies durch Verdrängung beispielsweise,<br />

wenn der dritte in den vierten Ring wächst und die dort ansässige Bevölkerung verdrängt und<br />

somit den Charakter des Gebietes und der Bewohnerschaft verändert 15.<br />

Das Modell von Burgess genoss bereits zur damaligen Zeit hohe Aufmerksamkeit und wurde in<br />

der Folge weiter modifiziert. Daneben entwickelten Harris und Uhlman sowie Hoyt in<br />

Anlehnung an Burgess’ Stadtmodell andere Modelle, die sich aber im Grunde nur insoweit von<br />

diesem unterscheiden, dass nicht mehr von Ringen, sondern von Sektoren bzw. Mehrkernen 16<br />

ausgegangen wird (vgl. Schnur 2008 S. 12). Aber das Modell von Burgess und die<br />

dahinterstehende Theorie wurden auch vielfach kritisiert. Dazu gab es eine Reihe<br />

faktorialökologischer Untersuchungen, die alle das Ziel hatten, die sozialökologische Theorie<br />

entweder zu widerlegen oder zu untermauern (vgl. Hamm/Neumann 1996, S. 188). Allerdings<br />

15 Wie solche Austauschprozesse vonstattengehen, ist in Abschnitt 1.4.5 der vorliegenden Arbeit beschrieben.<br />

16 Für eine ausführliche Darstellung der genannten Stadtmodelle siehe Schnur 2008, S. 12 oder Teicke 2012, S. 22.<br />

21


ist unbestreitbar, dass es die beschriebenen Funktionsräume gab und gibt, wie besonders an<br />

migrantengeprägten Stadtgebieten zu sehen ist. Auf diesen urbanen Funktionsraum wird in der<br />

vorliegenden Arbeit besonderes Augenmerk gerichtet.<br />

1.4.4 Zone in transition als urbaner Funktionsraum<br />

Burgess beschreibt die zone in transition mit den drastischen Worten: „Within a deteriorating<br />

area are rooming-­‐housing, the purgatory of ,lost souls‘“. (Burgess 1984, S. 57) Es sind seiner<br />

Auffassung nach Orte der Desintegration, die jedoch auch Kreative anziehen und Wohnraum für<br />

Migranten und ärmere Bürger bereithalten. Innerhalb der zone in transition bilden Migranten<br />

auch natural areas, die durch monoethnische Gegenden, wie z.B. Little Italy in New York, geprägt<br />

werden. Den Einwohnern wird zugeschrieben, dass sie die zone in transition, in die sie vor noch<br />

nicht allzu langer Zeit zugezogen sind, bald wieder verlassen wollen, denn mit einem Verlassen<br />

des Ortes ist auch ein sozialer Aufstieg verbunden (vgl. Burgess 1984, S. 56). Die zone in<br />

transition ist demnach der Ort, an dem Migranten ankommen, in dem sie Orientierung finden<br />

und von dem sie schnellstmöglich wieder fortziehen möchten. Sie bietet aber auch Gelegenheit<br />

zur Arbeit und ermöglicht soziale Unterstützung (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2008,<br />

S. 313ff.).<br />

Zwar ist der bauliche Zustand der Wohnungen schlecht und das soziale Milieu tendenziell<br />

ethnisch und/oder sozial homogen, doch ist es auch der Ort der Künstler und des Neuen in der<br />

Stadt. Neben Angehörigen ethnischer Minoritäten leben dort auch „junge, alleinstehende<br />

Erwachsene, die am Beginn ihrer beruflichen und familiären Karriere stehen. Sie sind dort<br />

eingezogen, weil sie für die meist schlecht ausgestatteten Altbauwohnungen geringe Mieten<br />

zahlen müssen.“ (Hamm/Neumann 1996, S. 206) Auch finden sich Leichtindustrie,<br />

Handwerksbetriebe und Vergnügungsstätten in der zone in transition (vgl. Hamm/Neumann<br />

1996, S. 184). Solche Gewerbebetriebe sind oftmals mit Lärm und Emissionen verbunden, die<br />

ruhige Wohnverhältnisse eher schwierig machen. Sie ermöglichen den dort ansässigen<br />

Bewohnern allerdings ein geringes Einkommen durch erste, auch informelle,<br />

Arbeitsmöglichkeiten.<br />

Doug Saunders hat in seinen journalistischen Berichten über solche Ankunftsstädte überall auf<br />

der Welt dieselben Entwicklungen beschrieben (vgl. Saunders 2011). Es gibt in jeder Stadt ein<br />

Gebiet, in dem Migranten ankommen. In einigen Fällen wird dieser Ankunftsort durch diese<br />

selbst transformiert. In anderen Quartieren dient er als soziale Schleuse. Gemeinsam ist diesen<br />

Orten –und das deckt sich mit den Beschreibungen der Chicagoer Schule, dass sie eine<br />

Brückenkopffunktion innehaben. Das bedeutet, wenn in einem Gebiet bereits Migranten aus<br />

Land X oder Dorf Y wohnen, werden auch weitere Migranten mit demselben kulturellen<br />

22


Hintergrund hinzuziehen, was wiederum mit der Invasions-­‐Sukzessions-­‐Theorie 17<br />

übereinstimmt. Es gibt in urbanen Strukturen auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts Stadtgebiete,<br />

in die Migranten bevorzugt ziehen, wo sie aber nur eine kurze Zeit verweilen, um<br />

weiterzuziehen, nachdem sie sich wirtschaftlich und kulturell etabliert haben – so der Idealfall.<br />

Ein Quartier, das solche Eigenschaften erfüllt, hat den Charakter einer zone in transition.<br />

Solche Entwicklungen sind allerdings weder räumlich noch sozial als statisch anzusehen.<br />

Vielmehr sind städtische Funktionsräume, und damit auch urbane Integrationsschleusen,<br />

Dynamiken unterworfen. Bereits den Sozialökologen Burgess und Park war bewusst, dass sich<br />

unterscheidbare soziale Phänomene in kleineren Gebietseinheiten als der gesamtstädtischen<br />

Ebene zeigen (vgl. Park 1974, S. 90). Wie solche Dynamiken ablaufen und wie beispielsweise<br />

städtische Funktionsräume wie die zone in transition produziert und verändert werden, wird in<br />

der sozialökologischen Stadtforschung mittels Invasion und Sukzession erklärt.<br />

1.4.5 Invasions-­‐Sukzessions-­‐Zyklen<br />

Wie beim gesamtstädtischen Modell wird auch innerhalb des Konzepts des Invasions-­‐<br />

Sukzessions-­‐Zyklus davon ausgegangen, dass es sich um ökologische Prozesse handelt, die in<br />

Analogie zur Natur zu beschreiben sind. Der Grundgedanke dabei ist, dass in einem Gebiet zu<br />

Beginn des Beobachtungszeitraums eine andere Bevölkerungsgruppe lebt als zum Ende des<br />

Beobachtungszeitraums (vgl. Hamm/Neumann 1996, S. 212).Durch Wanderungsbewegungen<br />

hin zu und fort vom Beobachtungsgebiet ändert sich die Gebietsbevölkerung. „Dies geschieht in<br />

der Regel dann, wenn der soziale Status einer der beiden Gruppen[Zuwanderer oder<br />

Fortzeihende] sich verändert.“ (Hamm/Neumann 1996, S. 212) Eine solche Statusänderung<br />

könnte beispielsweise der soziale Aufstieg einer ethnischen Minorität sein, die sich im Raum<br />

manifestiert. In der Fachliteratur wird zum Teil das Beispiel des Zuzugs afroamerikanischer<br />

Bewohner in ein von weißen Bewohnern geprägtes Gebiet angesprochen (vgl. Hamm/Neumann<br />

1996, S. 212). Der Invasions-­‐Sukzessions-­‐Zyklus verläuft idealtypisch in mehreren Phasen und<br />

beginnt mit dem Zuzug weniger Angehöriger einer Minderheitsgruppe. Nach und nach ziehen<br />

weitere Angehörige dieser Minorität nach. Nach einiger Zeit versuchen die Einheimischen dies<br />

zu verhindern oder empören sich darüber. „Wenn die Zahl der ,Invasoren‘ aber einen gewissen<br />

Umfang (,tipping-­‐point‘) erreicht hat, dann sehen die bisher Ansässigen ihren Widerstand als<br />

zwecklos und beginnen fluchtartig das Wohngebiet zu verlassen, in das dann rasch weitere<br />

Invasoren nachziehen.“ (Hamm/Neumann 1996, S. 212) Sobald in einem Gebiet die Minderheit<br />

zur Mehrheit geworden ist, etabliert sie auch ihre eigene Infrastruktur wie z.B. kulturspezifische<br />

17 Vgl. Abschnitt 1.4.5<br />

23


Geschäfte. Der Verdrängungsprozess der ehemaligen Bevölkerung geht soweit, bis es eine<br />

nahezu homogene Quartiersbevölkerung gibt (vgl. Hamm/Neumann 1996, S. 212f.).<br />

Auch in diesem Konzept ist das Element der Dominanz zu erkennen, das typisch für die<br />

Chicagoer Schule ist. Allerdings ist hier nicht ein Gebiet dominant, sondern eine<br />

Bevölkerungsgruppe. Angelehnt an die Logik des Invasions-­‐Sukzessions-­‐Zyklus wurden weitere<br />

theoretische Modelle zur Erklärung von Gebietstransformationen entwickelt, dessen<br />

geläufigstes sicher das der Gentrification ist 18. Anhand all dieser Modelle, ob sie empirisch zu<br />

belegen sind oder nicht, wird deutlich, dass funktionale Differenzierung auch von Dynamiken<br />

und Wanderungen geprägt ist.<br />

1.4.6 Kritik an der sozialökologischen Theorie<br />

Die sozialökologische Theorie wurde oftmals und auch nicht zu Unrecht kritisiert. Erste Kritik<br />

kam bereits kurz nach der Veröffentlichung von Burgess’ Stadtmodell auf und hielt bis in die<br />

Nachkriegszeit an. Heute gilt die Theorie als weitgehend überholt, hat jedoch nach wie vor einen<br />

hohen Einflussfaktor auf das Verständnis von Städten (vgl. Schnur 2008, S. 11). Insbesondere<br />

wird der Sozialökologie vorgeworfen, dass sie ideologisch sei, da sie im Konkurrenzkampf oder<br />

auch Wettbewerb zwischen den sozialen Gruppen einer Stadt um soziale Güter und<br />

Bodennutzung den primären Mechanismus sieht. Ein solches Verständnis würde die<br />

Wettbewerbsethik der damaligen Zeit widerspiegeln (vgl. Aliha in Saunders 1987, S. 82). Zudem<br />

ist das Stadtmodell von Burgess nur auf Wachstumsbedingungen ausgelegt und liefert keine<br />

Erklärungsansätze für schrumpfende Städte, wie sie heute, demografisch bedingt in Europa oder<br />

Teilen Asiens, zu beobachten sind(vgl. United Nations 2012, S. 1).<br />

Weiterhin wurde das Modell dahin gehend kritisiert, dass es keinen empirisch nachzuweisenden<br />

ringförmigen Aufbau einer Stadt gäbe. Diese Kritik ist nicht vollends haltbar, wie Hamm und<br />

Neumann schreiben: „Im überwiegenden Teil der Untersuchungen, die sich mit räumlichen<br />

Verteilungsmustern beschäftigt haben, liegen methodisch falsche, nämlich rein schematische<br />

statt theoretisch angeleitete Operationalisierungen vor. […] Es ist schlicht Unsinn, das Modell<br />

der konzentrischen Zonen untersuchen zu wollen, indem mit einem Zirkel Kreise auf eine Karte<br />

gezeichnet werden.“ (Hamm/Neumann 1996, S. 191) Vielmehr muss Distanz in diesem Modell<br />

als Kosten-­‐Nutzen-­‐Aufwand angesehen werden (vgl. Strohmeier 1983, S. 98). Ein weiterer<br />

wichtiger Kritikpunkt ist die Vernachlässigung der Möglichkeit der politischen Einflussnahme<br />

auf die Stadtentwicklung (vgl. Schnur 2008, S. 21). Tatsächlich findet eine solche Möglichkeit<br />

18 Zur ausführlichen Erläuterung der Gentrification siehe Schnur 2008, S. 17. Ein Zeugnis der Popularität dieser<br />

Theorie bietet Twickel 2010.<br />

24


keine Beachtung, was wiederum für die zeitgenössische Logik spricht, in der die Theorie<br />

entwickelt wurde. Zudem wird die Analogie zur Natur als nicht zulässig kritisiert, da es sich<br />

nicht um biologische, sondern um soziale Prozesse handele (vgl. Saunders 1987, S. 83).<br />

Wie die Kritik an der Sozialökologie zeigt, sind einige, zum Teil grundlegende Punkte den<br />

Stadtstrukturen des 21. Jahrhunderts nicht mehr angemessen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass<br />

es keine Konzepte innerhalb dieser Theorie gibt, die auch heute noch erhebliche Erklärungskraft<br />

besitzen. Sie müssen jedoch im Kontext der postindustriellen Stadt angewendet werden. Daher<br />

wird für die weitere Arbeit das Konzept der zone in transition sowie des Invasions-­‐Sukzessions-­‐<br />

Zyklus unter Beachtung der genannten Punkte weiterhin akzeptiert.<br />

1.4.7 Kritische Anmerkung zu Bernd Hamm<br />

Neben der Kritik an der sozialökologischen Theorie weist auch Hamms theoretische<br />

Auseinandersetzung mit der Produktion städtischer Strukturen Kritikpunkte auf. Hamm hat in<br />

seiner Erklärung städtischer Prozesse weite Teile der sozialökologischen Stadtforschung nahezu<br />

vorbehaltlos übernommen. Jedoch werden dabei zentrale Punkte städtischer Strukturen und<br />

Entwicklungen vernachlässigt. Zum einen – und das zeigt auch Hamms Dreistufenmodell – wird<br />

immer von wachsenden Städten ausgegangen, und es bestehen keine Erklärungsansätze für<br />

schrumpfende urbane Räume. Die Frage bleibt offen, ob die genannten Prozesse auch<br />

„rückwärts“ verlaufen, und es werden keine eindeutigen Erklärungsansätze dafür geliefert, dass<br />

es in schrumpfenden Städten zu verstärkten Entmischungstendenzen der Wohnbevölkerung<br />

kommt. Zum anderen werden ähnlich wie bei der Sozialökologischen Schule gesamtstädtische<br />

Strukturen als Ganzes untersucht und dabei die Stadtteil-­‐ bzw. Quartiersebene als zweitrangig<br />

behandelt. Dennoch zeigt Hamm in seiner Differenzierungsannahme die herausstechenden<br />

Mechanismen städtischer und quartiersbezogener Entwicklungen. Bei der Übertragung dieser<br />

Annahmen auf die postindustrielle Stadt des 21. Jahrhunderts in Verbindung mit den daraus<br />

resultierenden Herausforderungen zeigt sich in der funktionsräumlichen Ausdifferenzierung<br />

diezone in transition als urbane Integrationsschleuse.<br />

1.4.8 Urbane Integrationsschleuse als zone in transition der postindustriellen Stadt<br />

Entwickelt wurde die Theorie, die das Konzept der zone in transition beinhaltet, durch<br />

Beobachtung amerikanischer Städte zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Es ist sinnvoll, sich den<br />

Charakter solcher Stadtviertel zu der Zeit zu vergegenwärtigen, auch um die Entwicklungen in<br />

europäischen Städten nachzuvollziehen.<br />

25


Die europäischen Städte erlebten keine internationale, sondern zuvordererst eine nationale<br />

Zuwanderung (vgl. Häußermann/Siebel 2004, S. 20). So unterscheidet sich zum einen das<br />

Ausmaß und zum anderen auf den ersten Blick die internationale Herausforderung, vor denen<br />

Städte standen und stehen (vgl. Strohmeier 2007, S. 246). Bei der Betrachtung der Situation im<br />

industriellen Zeitalter sind die Beschreibungen von Engels über die Lage der Arbeiter in England<br />

ein eindrucksvolles Zeugnis über solche Ankunftsgebiete. Zwar berichtet er in erster Linie über<br />

die mangelnden Hygieneverhältnisse und den niedrigen Wohnstandard, doch wird aus seinen<br />

Beschreibungen ebenfalls deutlich, dass die dort ansässige Bevölkerung u.a. dadurch<br />

gekennzeichnet ist, dass sie diesen Ort schnellstmöglich wieder verlassen möchte (vgl. Engels<br />

1954, S. 91ff.). Daraus lässt sich schließen, dass solche Arbeiterquartiere der damaligen Zeit<br />

bereits von Fluktuation und Dynamik gekennzeichnet waren. Auch gab es zum Teil erhebliche<br />

Bevölkerungsbewegungen zwischen Stadt und Land, z.B. in der Erntezeit (vgl.<br />

Häußermann/Siebel 2004, S. 22) 19. Somit benötigten ärmere Einwohner Wohnraum, der leicht<br />

zu bekommen, billig und austauschbar war. Sie strebten aber zugleich nach Wohnraum in<br />

„besseren“ Gegenden oder auch wieder zurück in ländlichere Gebiete (vgl. Häußermann/Siebel<br />

2004, S. 22).<br />

Im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert und im weiteren Verlauf, mit Einschränkungen<br />

bezüglich der beiden Weltkriege, änderte sich dies für kurze Zeit. Durch wirtschaftliches<br />

Wachstum und soziale Sicherheit, die einer betrieblichen Sozialpolitik zu verdanken war, kam es<br />

zur Spezialisierung städtischer Teilgebiete. Aufgrund dessen ließen sich Arbeiter in eigenen<br />

Arbeitergebieten nieder und die Austauschbeziehung mit den Migrationsquellgebieten kam zum<br />

Erliegen. In dieser Zeit entstand eine städtische Arbeiterklasse. Dadurch kam es in den<br />

Arbeiterquartieren der Großindustrie weder zu sozialer noch zu räumlicher Mobilität (vgl.<br />

Ulrich 1985, S. 233ff.). Diese Quartiere entwickelten, bedingt durch soziale Homogenität und<br />

zum Teil verwandtschaftliche Beziehungen, eigene feste soziale Netzwerke (vgl. Mackensen et<br />

al.1959, S. 223f.). Solche sozial homogenen Gebiete finden sich in (deutschen) Großstädten in<br />

dieser Form nicht mehr. Statt Gebieten mit derartig festen sozialen Strukturen gibt es, zumeist<br />

sogar in den gleichen städtischen Teilgebieten wie damals, Ankunftsorte. Zwar ist auch dort ein<br />

erhebliches Maß an Solidarität und Hilfeleistung zu beobachten, dieses ist aber primär an<br />

ethnische und nicht an soziale Zugehörigkeit gebunden (vgl. Ceylan 2006, S. 51). Dort leben die<br />

meisten Zuwanderer und die Ärmsten der Stadtgesellschaft. Zuwanderer ziehen tendenziell als<br />

19 Solche Bevölkerungsbewegungen, die auf landwirtschaftliche Gründe zurückzuführen sind, finden sich auch heute<br />

noch z.B. in Indien. Dazu weiterführend LZpB BW 2009. Neben solchen gibt es periodische Wanderungsbewegungen<br />

zu kulturellen Anlässen, was in China zu den chinesischen Neujahrsfeiertagen zu beobachten ist, die einen erheblichen<br />

Bevölkerungsaustausch zwischen Stadt und Land mit sich bringen, weil zu diesem Anlass kurzzeitig alle Menschen in<br />

ihre Heimatregionen wandern. Dazu weiterführend Kissinger 2011 oder auch Heberer/Rudolph 2010.<br />

26


Erstes dorthin, und dies zumeist wegen des relativ günstigen Mietpreises. Das wiederum<br />

impliziert, dass es sich um relativ arme Zuwanderer handelt. Somit sind solche<br />

Übergangsgebiete wie die zone in transition der Chicagoer Schule armutsgeprägte Gebiete.<br />

In der industriellen Stadt des 20. Jahrhunderts waren es primär Arbeitsmigranten, die in diese<br />

Gebiete zogen. In der postindustriellen Stadt des 21. Jahrhunderts ist dies nicht mehr eindeutig<br />

zu klassifizieren. Es überlagern sich unterschiedliche Zuwanderungsströme in Städte und damit<br />

auch in solch beschriebene Stadtgebiete. Dazu zählt nach wie vor die Arbeitswanderung, aber<br />

auch die Bildungswanderung, insbesondere in Universitätsstädten (vgl. BBSR 2011, S. 16). Die<br />

Zugezogenen verbleiben allerdings nicht lange im Stadtteil, sondern verteilen sich nach relativ<br />

geringer Wohndauer in andere Wohnorte in-­‐ und außerhalb der Stadt. Somit gibt es, im Sinne<br />

der funktionellen Differenzierung, Stadtteile, die eine Ankunfts-­‐ und Verteilerfunktion<br />

innehaben.<br />

1.5 Soziale Differenzierung<br />

Die soziale Differenzierung als sekundärer Verteilungsmechanismus städtischer Strukturen<br />

führt zur Nutzung oder auch Ausgestaltung der durch funktionelle Differenzierung geschaffenen<br />

städtischen Strukturen. Durch die soziale Differenzierung werden Wohnstandorte verteilt, und<br />

somit werden durch sie auch urbane Integrationsschleusen produziert. Die soziale<br />

Differenzierung innerhalb städtischer Räume vollzieht sich auf der Ebene von Stadtteilen und<br />

Quartieren. Entlang dieser Punkte zeichnet die folgende Betrachtung die soziale Differenzierung<br />

hin zur Konzeption der urbanen Integrationsschleuse als deren Konsequenz nach.<br />

1.5.1 Segregation als urbanes Phänomen<br />

Die ungleiche Verteilung unterschiedlicher Gruppen innerhalb eines Gebietes (hier: der Stadt)<br />

hat es schon immer gegeben. Beispielsweisewaren im alten Ägypten Teile der Stadt nur der Elite<br />

vorbehalten. In den mittelalterlichen Städten Europas waren Städte nach Zünften gegliedert. Das<br />

bedeutete, dass nur Angehörige einer Zunft in einem speziell dafür ausgewiesenen Gebiet leben<br />

durften (vgl. u.a. Hamm/Neumann 1996, S. 205; Gehne 2012, S. 18f.). Heutzutage gibt es z.B.<br />

gated communities, die aufgrund ihrer Bodenpreise nur für Reiche erschwinglich und somit<br />

ihnen vorbehalten sind.<br />

Es zeigt sich, dass Segregation zwar kein neues, aber nach wie vor ein aktuelles städtisches<br />

Phänomen ist. Für ein tieferes Verständnis von Segregation ist es ebenso notwendig zu<br />

berücksichtigen, dass nicht überall innerhalb eines Gebietes Menschen leben, d.h. verteilt sein<br />

können. Deutlich wird dies, wenn man beachtet, dass auf einer Wasserfläche oder an einem<br />

27


steilen Berghang niemand leben, d.h. keine Bevölkerung konzentriert oder verteilt sein kann. Es<br />

sind also nicht ausschließlich gesellschaftlich produzierte Umstände, die zur ungleichen<br />

Verteilung und Konzentration von Merkmalen im Merkmalsraum beitragen, sondern auch<br />

physisch bestimmte Gegebenheiten.<br />

Anders als beim Stadtbegriff findet sich in der soziologischen Literatur ein hohes Maß an<br />

Übereinstimmung, was unter Segregation verstanden wird. Gemeint ist damit eine<br />

Konzentration homogener Merkmalsträger innerhalb eines heterogenen Merkmalsraumes. Es<br />

wird also im Merkmalsraum, z.B. einer Stadt, eine Vielfalt, bezogen auf Merkmale wie z.B. Alter,<br />

vorausgesetzt. Wenn es nur Bewohner gäbe, die 30 Jahre alt wären, würden überall Menschen<br />

desselben Alters leben, und sie wären somit nicht segregiert. Im soziologischen Wörterbuch<br />

findet sich die Definition von Segregation wie folgt: „Segregation, zumeist räumliche Aufteilung<br />

von Individuen nach Hautfarbe, Konfession, Geschlecht, Status und anderen Merkmalen, die sich<br />

in der Art der Zugangsmöglichkeit zu Wohnbezirken, Schulen, Kirchen, Klubs, öffentlichen<br />

Einrichtungen niederschlägt.“ (Wienold 2007, S. 581) In dieser Definition ist bereits der Effekt<br />

von Segregation angedeutet: Segregation entscheidet über die Zugangschancen zu<br />

gesellschaftlich relevanten Gütern und ist deshalb auch als ein Maß an Ungleichheit innerhalb<br />

einer Gesellschaft zu betrachten (vgl. u.a. Friedrichs 1995, S. 79; Häußermann/Siebel 2004,<br />

S. 140; Strohmeier 2006a, S. 12). Jedoch wird diese Ungleichheit nicht immer als problematisch<br />

gewertet. „Generell wird die räumliche Segregation nur dann als problematisch gesehen, wenn<br />

damit Ungleichheit verfestigt oder sogar verstärkt wird.“ (ILS/ZEFIR 2003, S. 3)<br />

Auch zu beachten ist, dass zwar oft über segregierte Gebiete gesprochen wird, es sich aber<br />

immer um segregierte Personen handelt, die räumlich konzentriert sind. Vielmehr kommt<br />

Ungleichheit erst in Räumen, in denen Segregation stattfindet, zum Ausdruck (vgl. Häußermann<br />

2008, S. 336). Grundsätzlich gibt es zwei Wege der Segregation: die aktive, also freiwillige<br />

Segregation und die passive, also erzwungene 20 Segregation (vgl. Wienold 2007, S. 581.). Aktive<br />

Segregation zeigt sich z.B. in dem Phänomen, dass Reiche die am stärksten segregierte Gruppe<br />

innerhalb einer Stadt bilden (ILS/ZEFIR 2003, S. 3). Passive Segregation ist in Armutsstadtteilen,<br />

in denen die Ärmsten der Stadtgesellschaft leben, zu erkennen. Aus der Einteilung in passive und<br />

aktive Segregation resultiert auch der primäre Segregationsmechanismus 21 , der<br />

Immobilienmarkt (vgl. Strohmeier 1983, S. 95). In erster Linie werden Standorte durch<br />

Marktprozesse verteilt. Beispielsweise sind besonders begehrte Wohnstandorte entsprechend<br />

20 Erzwungene Segregation im Sinne von Apartheid wird für die vorliegende Arbeit nicht berücksichtigt. Dazu<br />

weiterführend am Beispiel Südafrikas Adam/Mooley 1998.<br />

21 Die symbolische Segregation als sekundärer Segregationsfaktor wird im Rahmen dieses Abschnitts nicht direkt<br />

behandelt. Weiterführend dazu siehe u.a. ILS/ZfT 2008, S. 22ff.<br />

28


teuer und können nur von denjenigen bewohnt werden, die es sich leisten können dort zu leben.<br />

So ist der Grad der Segregation auch ein Zeichen dafür, ob es sich tendenziell um einen<br />

angespannten Wohnungsmarkt handelt. Denn je entspannter ein Wohnungsmarkt ist, desto<br />

stärker ist das Ausmaß der Segregation (vgl. Strohmeier 2006b, S. 1), denn dann können sich<br />

auch Menschen mit geringerem Einkommen eher aussuchen, wo sie wohnen möchten. Bei<br />

angespannten Wohnungsmärkten können Menschen trotz evtl. steigenden Einkommens zum<br />

einen nicht überall in der Stadt eine Wohnung finden, die frei ist, und zum anderen zwingen die<br />

Mietpreise zum Verbleib in der günstigeren Wohnung 22. Bei einer differenzierten Betrachtung<br />

von Segregation als sozialer Differenzierung ist eine Klassifizierung der Segregation nach<br />

Merkmalsart ebenfalls sinnvoll. Im Folgenden werden drei relevante Segregationsarten<br />

vorgestellt.<br />

1.5.2 Soziale Segregation<br />

Soziale Segregation „umschreibt die Verteilung sozialer Gruppen […] in einer Stadt anhand ihres<br />

Wohnortes“ (Werheim 2007, S. 580). Beispiele für sozial segregierte Stadtgebiete sind<br />

Villenviertel oder auch Stadtteile mit vielen armen Bewohnern. Mit sozialen Gruppen sind hier<br />

in erster Linie Einkommensgruppen gemeint. Der zugrunde liegende Verteilungsmechanismus<br />

sozialer Gruppen in einer Stadt ist, wie eingangs schon erläutert, der Wohnungsmarkt. Negativ<br />

betroffen von sozialer Segregation in deutschen Großstädten sind vor allem Familien bzw.<br />

Kinder. Denn in den sozial passiv segregierten großstädtischen Gebieten leben die meisten<br />

Familien. Dem liegt das Phänomen zugrunde, dass Familien, die es sich leisten können, aus der<br />

Stadt ins Umland ziehen (Suburbanisierung) und tendenziell die ärmeren Familien in der Stadt<br />

verbleiben, die zudem die meisten Kinder haben (vgl. Strohmeier 2008, S. 491f.). Gemessen<br />

werden kann soziale Segregation z.B. durch den Indikator Arbeitslosenanteil. Jedoch muss dieser<br />

Indikator für mehrere Teilgebiete und/oder für die Gesamtstadt vorliegen, um Ungleichheiten<br />

zu erkennen.<br />

1.5.3 Ethnische Segregation<br />

Ethnische Segregation „umschreibt die Verteilung ethnischer Gruppen in einer Stadt anhand<br />

ihres Wohnortes“ (Werheim 2007, S. 580). Beispiele für ethnisch (zum Teil auch kulturell<br />

genannte) Segregation sind türkisch geprägte Stadtteile im Ruhrgebiet oder auch sogenannte<br />

Chinatowns in US-­‐amerikanischen Städten. Das Ausmaß der ethnischen Segregation allein sagt<br />

22Über den in diesem Kontext wichtigen Zusammenhang zwischen Wohnungsmarkt und demografischer Entwicklung<br />

siehe weiterführend Häußermann/Siebel 1987, S. 149ff. oder auch Schnur 2008, S. 29ff.<br />

29


nichts darüber aus, ob es sich um aktive oder passive Segregation handelt. Messbar ist die<br />

ethnische Segregation durch den Anteil von Migranten pro 100 Einwohner in einem Gebiet. Dazu<br />

sind, wie bei der sozialen Segregation, entsprechende Vergleichsdaten nötig, um das Ausmaß<br />

der Ungleichverteilung zu definieren. Auf diese Weise wird eine Vergleichbarkeit zwischen den<br />

betrachteten Teilgebieten geschaffen und Segregation verdeutlicht. Um die relative Dimension<br />

der Segregation von Minoritäten zu operationalisieren, gibt es den Segregationsindex von<br />

Duncan und Duncan, der das Ausmaß der Segregation im jeweiligen städtischen Kontext<br />

beschreibt, jedoch keine Vergleichbarkeit zwischen Städten ermöglicht (vgl. Friedrichs 1995,<br />

S. 79; Häußermann/Siebel 2004, S. 140f. ; Farwick 2004, S. 257).<br />

1.5.4 Demografische Segregation<br />

„Eine spezifische Form in den Städten ist die demografische Segregation, die nach den<br />

Merkmalen Alter, Haushaltstyp bzw. Lebenszyklusphase charakterisiert wird. Die<br />

Stadtbevölkerung verteilt sich nach Altersgruppen und Haushaltszusammensetzung nicht<br />

gleichmäßig über alle Quartiere.“ (ILS/ZEFIR 2003, S. 4) Dieser Definition folgend gibt es Gebiete<br />

in einer Stadt, in denen tendenziell eher ältere Menschen wohnen als in anderen Gebieten. Die<br />

Möglichkeit zur Operationalisierung besteht durch das Bilden des Medianalters für die<br />

interessierenden Gebiete sowie für die Gesamtstadt. Abweichungen vom gesamtstädtischen<br />

Durchschnitt und zwischen den einzelnen Teilgebieten sind somit leicht zu erkennen.<br />

1.5.5 Überlagerung der Segregationsarten<br />

Die Mechanismen der Ungleichverteilung, die in den verschiedenen Segregationsarten zum<br />

Ausdruck kommen, können sich zum Teil auch gegenseitig überlagern bzw. verstärken.<br />

„Segregation stellt dabei in der Regel – wie Armut – ein multidimensionales Phänomen dar.<br />

Vielfach fallen in städtischen Problemlagen alle drei Erscheinungsformen zusammen und<br />

überlagern sich räumlich.“ (ILS/ZEFIR 2003, S. 4) Daraus folgt, dass es Gebiete in der Stadt gibt,<br />

in denen unterschiedliche Arten passiver Segregation relativ stark vorkommen. Geprägt sind<br />

solche „Armutsgebiete“ von relativ vielen armen, ausländischen und zumeist auch jungen<br />

Menschen, wie Strohmeier am Beispiel des Ruhrgebiets veranschaulicht (vgl. Strohmeier 2001,<br />

S. 13ff.).<br />

Um Segregation zu messen, bedarf es statistischer Verfahren. Eines dieser Verfahren wurde von<br />

den US-­‐amerikanischen Forschern Shevky und Bell entwickelt. Ihr bedeutendes Konzept der<br />

Operationalisierung verschiedener Segregationsarten ist die Sozialraumanalyse<br />

30


(vgl. Bell/Shevky 1974, S. 128). Dazu werden mittels einer Faktorenanalyse 23 drei Indizes für<br />

jeden städtischen Teilraum erstellt: soziale Position (soziale Segregation), Verstädterung<br />

(demografische Segregation) und Segregation (ethnische Segregation) (vgl. Bell/Shevky 1974,<br />

S. 128f) 24. Dadurch wird die Lage eines jeden untersuchten Gebietes im „sozialen Raum“ sichtbar<br />

gemacht. Wenn die unterschiedlichen Segregationsarten in einem Gebiet verstärkt auftreten,<br />

würde das allerdings noch nicht zwingend bedeuten, dass es einen Zusammenhang gibt. Soziale<br />

Segregation könnte auch unabhängig von den anderen beiden Segregationsarten in einem Gebiet<br />

auftreten. Zumindest für deutsche Großstädte wurde ein solcher Zusammenhang jedoch<br />

nachgewiesen. Innerhalb städtischer Räume zeigen sich demnach Polarisierungstendenzen,<br />

wodurch sich die von Armut und Reichtum geprägten Gebiete (zunehmend) voneinander<br />

unterscheiden lassen. Innerhalb armutsgeprägter Stadtgebiete leben zudem auch die meisten<br />

Kinder und die Mehrzahl der Migranten der Stadt(vgl. u.a. Häußermann/Siebel 2001, S. 24ff.;<br />

Neu/Strohmeier/Kersting 2004, S. 225ff.).<br />

Eine solche Sozialraumanalyse ist jedoch nur ein Abbild der örtlichen Gegebenheiten.<br />

Mechanismen, die zu einer Ungleichverteilung führen, werden nicht aufgedeckt. Die Ebene, auf<br />

der eine solche Analyse durchgeführt wird, liegt unterhalb der städtischen und oberhalb der<br />

Individualebene. Sie wird durch Stadtquartiere gebildet. Was unter Quartier in diesem<br />

Zusammenhang zu verstehen wird im Folgenden erläutert.<br />

1.5.6 Quartier als soziologischer Interessensgegenstand<br />

Wie bereits die Theorie der Sozialökologie gezeigt hat, sind innerhalb einer Stadt raumbezogene<br />

Unterschiede hinsichtlich der Nutzung und Bewohnerschaft festzustellen. Für die soziologische<br />

Stadtforschung ergibt sich damit das Problem, welche Einteilung für die städtischen Teilräume<br />

vorgenommen werden sollte. Auch kommt eine statische Einteilung eines Stadtgebiets nicht<br />

unbedingt den Lebensrealitäten der Bewohner nahe.<br />

In der Quartiersforschung als Teil der Stadtforschung können grundsätzlich zwei Auffassungen<br />

des Quartiersbegriffs unterschieden werden: zum einen die theoretische Überlegung über das<br />

Quartier als lebensweltlicher Ort und zum anderen als statistisches bzw. administratives Gebiet.<br />

Beide Sichtweisen schließen sich nicht unbedingt gegenseitig aus und können in einer<br />

Gesamtherangehensweise sowohl separat als auch gemeinsam Gültigkeit besitzen. Beide werden<br />

im Folgenden vorgestellt und anschließend miteinander verbunden.<br />

23 Auch ist es gebräuchlich, inhaltlich valide Schätzer, wie z.B. die SGB-­‐II-­‐Quote, für den sozialen Rang zu nutzen, um<br />

das statistische Verfahren möglichst einfach und überschaubar zu halten. Auch wird so eventuell auftretenden<br />

mathematischen Fehlern im Verfahren vorgebeugt.<br />

24 Weiteres zur Sozialraumanalyse siehe u.a. Riege/Schubert 2005 sowie Urban/Weiser 2006.<br />

31


1.5.6.1 Das Quartier als lebensweltlicher Ort<br />

Unter Berücksichtigung der Lebenswelt der Bewohnerwerden städtische Teilgebiete als<br />

Quartierbezeichnet. Für Quartiere gibt es eine Reihe von Begriffen, wie beispielsweise Bahnhofs-­‐<br />

oder Bankenviertel, um eine Funktion zu beschreiben, aber auch – abhängig von der jeweiligen<br />

Stadt – ortseigene Bezeichnungen, wie z.B. Veedel in Köln, Kolonie im Ruhrgebiet oder Kiez in<br />

Berlin (vgl. Schnur 2008, S. 8). All diese und auch weitere Begriffe beschreiben einen städtischen<br />

Teilraum, der nicht unbedingt mit administrativen Grenzen übereinstimmen muss. Vielmehr<br />

orientiert sich eine solche Einteilung an individuellen Sichtweisen oder den Funktionen, die dem<br />

jeweiligen Gebiet zugeschrieben werden. Schnur hat vor diesem Hintergrund Quartier wie folgt<br />

definiert: „Ein Quartier ist ein kontextuell eingebetteter, durch externe und interne Handlungen<br />

sozial konstruierter, jedoch unscharf konturierter Mittelpunkt-­‐Ort alltäglicher Lebenswelten<br />

und individueller sozialer Sphären, deren Schnittmengen sich im räumlich-­‐identifikatorischen<br />

Zusammenhang eines überschaubaren Wohnumfelds abbilden.“ (Schnur 2008, S. 79)<br />

Unter theoretischen Gesichtspunkten ist dies eine, wie er selber schreibt, Fuzzy-­‐Definition (vgl.<br />

Schnur 2008, S. 79). Sie hat keine scharfen Grenzen, beschreibt aber die individuelle Einteilung<br />

der eigenen Umwelt. Dadurch ist ein Quartier ein lebensweltlicher „Mittelpunktort“, der<br />

Ressourcen und Normen für seine Bewohner beinhaltet. Auswirkungen, die auf kumulierte<br />

quartiersbezogene Faktoren bzw. Ressourcen zurückzuführen sind, werden als Kontexteffekte<br />

verstanden. Solche quartiersbezogenen Kontexteffekte sind insbesondere in sozial belasteten<br />

Quartieren zu beobachten, wie Strohmeier zeigt (vgl. Strohmeier 2010, S. 318ff). Somit sind<br />

grundlegende theoretische Konzepte, was ein Quartier ist und wie es auf seine Bewohner wirkt,<br />

als Ausdruck sozialer Differenzierung vorhanden. Allerdings fehlen nach wie vor Theorien, nach<br />

welchen Gesetzmäßigkeiten sich Quartiere entwickeln. Für die vorliegende Arbeit werden im<br />

Folgenden Überlegungen skizziert, wie ein Quartier so abgegrenzt werden kann, dass<br />

quantitative Stadtforschung umsetzbar wird 25.<br />

1.5.6.2 Das Quartier als abgrenzbare Einheit<br />

Ein Quartier ist, so die theoretische Vorüberlegung, eine städtische Teileinheit, die zugleich<br />

Funktionen wie Wohnraum, Erholungsgelegenheiten, Bildungseinrichtungen usw. beheimatet.<br />

Ein Quartier hat demnach eine zusammenhängende Flächenausdehnung, die geringer ist als die<br />

gesamte betrachtete Fläche. Diese wiederum ist zu bilden aus der Summe aller Teilflächen, d.h.<br />

aller Quartiere. Daher ist jeder Ort in einer Stadt Teil eines Quartiers. Anders als in der<br />

25 Eine ausführliche Darstellung unterschiedlicher Quartierskonzepte bietet Schnur 2008.<br />

32


(theoretisch richtigen) Fuzzy-­‐Definition ist ein Ort bei der Operationalisierung nur Teil eines<br />

Quartiers und nicht von mehreren.<br />

Solche grundsätzlichen Überlegungen zur Operationalisierung sind nur ein erster Schritt, auf<br />

den die Überlegung bezüglich der Größe des Quartiers folgt. Da ein Quartier ein lebensweltlicher<br />

Ort ist, kann und darf es nicht so groß sein, dass es von einem Menschen kognitiv nicht mehr zu<br />

erfassen ist. Daraus folgt, dass es umso bessere Ergebnisse im Sinne der Vorüberlegungen gibt,<br />

je kleiner die betrachtete Einheit ist. Dem stimmt auch Friedrichs zu, wenn er schreibt, dass „je<br />

höher wir aggregieren, desto heterogener werden die räumlichen Einheiten und desto<br />

ungenauer[…] unsere wissenschaftlichen Aussagen.“ (Friedrichs 1997, S. 20) Dem stehen aber<br />

zum Teil datenschutzrechtliche Restriktionen gegenüber. Also sollte im Sinne der<br />

wissenschaftlichen Zielführung pragmatisch gearbeitet werden, da auch oftmals die verfügbaren<br />

Daten nicht die besten (also kleinräumigsten) Daten sind. Denn oftmals gibt es (in der amtlichen<br />

Statistik) Daten auf z.B. Blockdatenebene, diese sind jedoch aus den o.g. Gründen nicht immer<br />

verfügbar. Es muss also mit dem gearbeitet werden, was zur Verfügung steht, und das sind meist<br />

Angaben in Gebietseinheiten wie „statistische Viertel“ 26 (vgl. Strohmeier 2001, S. 4). Diese sind<br />

zumeist kleiner als die Stadtteilebene und zumeist bilden zwei bis vier solcher Viertel einen<br />

Stadtteil. Alle Stadtteile zusammen bilden dann die gesamte Stadt. Daten auf Blockebene wären<br />

für statistische Sozialraumanalysen selbstverständlich die zweckdienlichste Variante, diese<br />

liegen jedoch nicht für jede Kommune flächendeckend und/oder zugänglich vor. Bei einer<br />

empirischen quantitativen Operationalisierung eines Quartiers sollte jedoch nicht vergessen<br />

werden, dass es sich dadurch um ein intersubjektiv nachvollziehbares Objekt handelt.<br />

1.5.7 Armutsquartiere in der postindustriellen Stadt<br />

Nach diesen theoretischen Konzeptionierungen des Quartiersbegriffs und der anschließenden<br />

Überlegung zur Operationalisierung zum Zwecke der quantitativen Forschung wird im<br />

Folgenden die Rolle des Quartiers im gesamtstädtischen Kontext betrachtet. Im Vordergrund<br />

stehen dabei Quartiere, in denen sich passive soziale, ethnische und demografische<br />

Segregationserscheinungen überlagern.<br />

Beim Übergang von der industriellen zur postindustriellen Stadt haben sich die Arbeitsplätze<br />

und Arbeitsverhältnisse verändert. Aus Arbeitern wurden Angestellte,<br />

Normalarbeitsverhältnisse seltener und Beschäftigung im produzierenden Gewerbe die<br />

Ausnahme. Diese Entwicklungen schlagen sich in den Städten auch räumlich nieder. Aus<br />

einstigen Arbeiterquartieren sind heute oftmals Armutsquartiere geworden, in denen sich die<br />

26 Die Bezeichnung variiert zwischen den Kommunen.<br />

33


eschriebenen Segregationsarten (vgl. Abschnitt 1.5) überlagern. Arbeiterquartiere waren<br />

zumeist geprägt von gegenseitiger nachbarschaftlicher Solidarität, Hilfe und sozialer Kontrolle<br />

(vgl. u.a. Croon/Utermann 1958; Mackensen et al. 1959; Elias/Scotson 1993). Durch den<br />

Rückzug der Produktionsstätten aus den Städten kam es vermehrt zu Fortzügen, was bis dahin<br />

die Ausnahme war (vgl. Neu 2007, S. 8). Die nachbarschaftlichen Netzwerke erodierten, und da<br />

es sich in diesen Quartieren meist um Wohnungen in schlechtem baulichem Zustand zu geringer<br />

Miete handelte, zogen nach und nach sozial schlechter gestellte Haushalte hinzu. Nicht selten<br />

waren dies Migrantenhaushalte. Wer in diesem Quartier blieb, konnte sich in der Regel einen<br />

Umzug entweder nicht leisten oder wollte aufgrund seines Alters nicht mehr umziehen (vgl.<br />

Strohmeier 2008, S. 492).<br />

Aber nicht nur ehemalige Arbeiterquartiere sind die Armutsquartiere der postindustriellen<br />

Stadt. Großwohnsiedlungen, die nur durch Automobilisierung breiter Bevölkerungsschichten so<br />

ermöglicht werden konnten, weisen oftmals ähnliche kumulierte Problemlagen auf. Zumeist sind<br />

diese Großwohnsiedlungen an den Stadträndern errichtet und geplant worden für Haushalte mit<br />

einem Ernährer, einer Hausfrau und Kindern. Das entsprach dem Rollenbild der damaligen Zeit.<br />

Das Auto war notwendig, um die Arbeitsstätte zu erreichen, und die Häuser lagen in<br />

Grünanlagen fernab des Stadtzentrums (vgl. Brailich et al. 2008, S. 128ff.). Diese<br />

monostrukturelle Wohnweise war allerdings für breite Bevölkerungsschichten nicht lange von<br />

Interesse. Da die Mietpreise aufgrund der geringen Nachfrage fielen, zogen auch dorthin nach<br />

und nach Migranten und Arme. Somit sind die Armutsquartiere der postindustriellen Stadt zum<br />

einen ehemalige Arbeiterquartiere und zum anderen Großwohnsiedlungen der 1960er-­‐ und<br />

1970er-­‐Jahre.<br />

Armutsquartiere können allerdings im Sinne der sozialräumlichen Differenzierung zwei<br />

unterschiedliche Funktionen erfüllen: entweder die Funktion eines sozialen Relegationsgebietes<br />

oder die einer urbanen Integrationsschleuse. Beide Funktionen werden im Folgenden<br />

konzeptionell und idealtypisch beschrieben.<br />

1.5.7.1 Typisierung: Armutsquartier als „Relegationsgebiet“<br />

Quartiere, die als Relegationsgebiet oder auch Getto, soziale Endstationen oder Banlieues<br />

bezeichnet werden, beheimaten Menschen, die primär von passiver sozialer Segregation<br />

betroffen sind (vgl. Wacquant 2004, S. 148f.). Hinzu kommen ethnische wie auch demografische<br />

Segregation. Die Wanderungsbeziehungen mit anderen städtischen Quartieren oder über die<br />

Stadtgrenze hinaus sind nahezu zum Erliegen gekommen, Umzüge finden, wenn überhaupt, nur<br />

innerhalb des Quartiers statt. Trotz geringer Fluktuation sind nachbarschaftliche Hilfsnetzwerke<br />

kaum zu beobachten. Austauschbeziehungen finden primär innerhalb von familiären<br />

34


Netzwerken und nur vereinzelt zu Menschen in gleichen Lebenslagen statt. Durch mangelnde<br />

Vorbilder ist für die nachwachsende Generation das Normalarbeitsverhältnis ein fremder und<br />

der Bezug von Mitteln aus sozialstaatlichen Sicherungssystemen ein vertrauter Zustand. Eine<br />

Identifikation mit dem Quartier wird zumeist nur als Trotz oder Abwehrmechanismus<br />

hergestellt. Der Wunsch, das Quartier zu verlassen, herrscht zwar vor, doch wird dieser aus<br />

ökonomischen Gründen und/oder mangelndem Selbstvertrauen nicht umgesetzt (vgl.<br />

Friedrichs/ Blasius 2000, S. 193ff.).<br />

1.5.7.2 Typisierung: Armutsquartier als urbane Integrationsschleuse<br />

In urbanen Integrationsschleusen leben, im Sinne der sozialen Differenzierung, primär<br />

Menschen, die von passiver sozialer Segregation betroffen sind. Außerdem ist eine ausgeprägte<br />

ethnische und demografische Segregation zu beobachten. Es besteht ein reger<br />

Wanderungsaustausch mit anderen Stadtquartieren und über die Stadtgrenze hinaus. Zumeist<br />

ziehen Migranten in das Gebiet, verlassen es aber auch wieder. Gründe sind die Aufnahme einer<br />

Arbeit oder bessere Wohnverhältnisse in einem anderen Quartier. Es bestehen leistungsfähige,<br />

meist ethnisch geprägte soziale Netzwerke im Quartier. Unstetige Arbeitsverhältnisse und<br />

prekäre Beschäftigungsverhältnisse sind die Regel. Allerdings wird formelle oder auch<br />

informelle Erwerbsarbeit von weiten Teilen der Bevölkerung als erstrebenswert angesehen.<br />

Eine Identifikation mit dem Quartier besteht nur selektiv bzw. bei der „Sockelbevölkerung“, die<br />

nicht fluktuiert und als eine Art sozialer Brückenkopf fungiert (vgl. Eichener 2006, S. 7). Diese<br />

hilft den Neuankömmlingen Orientierung zu finden und verschafft zum Teil Zugang zum<br />

informellen oder ethnischen Arbeitsmarkt im Quartier.<br />

1.6 Konzeption der urbanen Integrationsschleuse<br />

Nach der Auseinandersetzung mit der funktionalen Differenzierung und der sozialen<br />

Differenzierung als Verteilungsmechanismen städtischer Strukturen zeigt sich, dass das Konzept<br />

der urbanen Integrationsschleuse einen strukturellen Funktionsraum eröffnet, der sozial<br />

ausgestaltet wird. Für die weitere Arbeit wird im Folgenden die urbane Integrationsschleuse<br />

konzipiert.<br />

Wie in der theoretischen Definition beschrieben, ist ein Quartier ein lebensweltlicher Ort der<br />

Bewohner. Das lebensweltliche Verständnis beinhaltetet auch Austauschbeziehungen zwischen<br />

den Quartieren (vgl. Park 1936, S. 4), denn der Ort kann gewechselt bzw. Ressourcen in anderen<br />

Quartieren in Anspruch genommen werden. Für die Bewohner eines Quartiers ist es somit nur<br />

bedingt notwendig, dass ein Quartier alle alltagsrelevanten Ressourcen vorhalten muss, da<br />

35


dieses gewechselt oder verlassen werden kann. Andersherum ist eine Art Spezialisierung oder<br />

Differenzierung des Ressourcenangebots, z.B. Wohnraumausstattung oder Gastronomiestätten,<br />

möglich (vgl. Durkheim 1992, S. 96). Damit hätten Quartiere jeweils nur noch wenige<br />

Ressourcen, jedes für sich aber hoch spezialisierte Angebote. Zu beobachten ist dies<br />

beispielsweise in Form von Villensiedlungen, Kneipenstraßen oder Szenevierteln.<br />

Eine solche „Profilbildung“ eines Quartiers ist aber nicht überall zu beobachten, was zum Teil<br />

daran liegt, dass dort Menschen leben, die nicht mobil sind oder sein können. Mobilität ist<br />

demnach ein wichtiger urbaner Faktor (vgl. Burgess 1984, S. 59f.), der aber im Kapitalismus an<br />

ökonomische Ressourcen gebunden ist. Mit anderen Worten, Mobilität kostet Geld, und das steht<br />

Teilen der Stadtbevölkerung nicht immer ausreichend zur Verfügung. Andererseits besteht für<br />

einige Bevölkerungsgruppen, je nach Lebenslage, auch keine Notwendigkeit für alltägliche<br />

Mobilität. Wenn keine Arbeitsstätte aufgesucht werden muss, muss auch kein Weg dorthin – und<br />

damit aus dem Quartier– zurückgelegt werden, oder der Arbeitsplatz ist nur fußläufig vom<br />

Wohnort entfernt (vgl. Gebauer 2007, S. 235). Solche Arbeitsstätten sind in (post-­‐)industriellen<br />

Städten jedoch die absolute Minderheit. Jene immobilen Bevölkerungsgruppen sind z.B.<br />

Arbeitssuchende oder Menschen, die in der Reproduktionsarbeit beschäftigt sind<br />

(Häußermann/Siebel 1987, S. 183). Es handelt sich damit vorrangig um Gruppen, die temporär<br />

vom ökonomischen Erwerbsprozess ausgeschlossen sind.<br />

In Städten sind solche Gruppenangehörige durch Segregationsprozesse räumlich ungleich<br />

verteilt, und wie weiter oben bereits aufgezeigt überlagern sich diese Prozesse und Effekte<br />

gegenseitig. Es kann also davon ausgegangen werden, dass sich Quartiere von ihren<br />

Möglichkeitsstrukturen her, also ihrem alltagsrelevanten Ressourcenangebot, für ihre Bewohner<br />

voneinander unterscheiden, was Park folgendermaßen ausdrückt: „Jede große Stadt hat ihr<br />

Greenwich Village, genauso wie sie ihre Wallstreet hat.“ (Park 1974, S. 91) Solche spezifischen<br />

und quartierseigenen Möglichkeitsstrukturen, die sich im (Container-­‐)Raum verorten, bringen<br />

dadurch auch jeweils eigene Handlungsoptionen mit sich (vgl. Friedrichs 2012, S. 36). In einem<br />

armutsbelasteten Migrantenviertel beispielsweise gibt es unter Umständen kulturell eigene<br />

Gastronomieangebote der unterschiedlichen Minoritäten. Dort finden ungelernte Arbeitskräfte,<br />

bedingt durch soziale und ethnische Netzwerke, eher Arbeitsmöglichkeiten als in<br />

Bankenvierteln (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 313). Dass es solche<br />

(nachbarschaftlichen) Netzwerke gibt, haben unterschiedliche Untersuchungen gezeigt (vgl. u.a.<br />

Mackensen et al. 1959; Strohmeier 1984; Florida 2003; Ceylan 2006; Bude 2006;<br />

Friedrichs/Blasius/Klöckner 2009), wobei kultureller Hintergrund nicht mit ethnischem<br />

Hintergrund gleichzusetzen ist. Es ist erwiesen, dass Gruppen derselben kulturellen<br />

Zugehörigkeit, z.B. Migranten aus denselben Herkunftsregionen, Beschäftigte in der<br />

Kreativindustrie oder auch Arbeiter im Kohlebergbau ihre eigenen informellen Netzwerke<br />

36


ilden. Solche haben individuell eigene Leistungsmöglichkeiten und Zugangsvoraussetzungen.<br />

Zudem sind sie auf Face-­‐to-­‐Face-­‐Kontakte angewiesen, was z.B. auch für Kreative und nicht nur<br />

für armutsgefährdete Bewohner gilt (vgl. Heider 2011 S. 139). Durch Segregation (ob passiv<br />

oder aktiv) werden demnach ähnliche kulturelle Strukturen gebildet, die häufig mit einer<br />

homogenen sozialen Lage einhergehen (vgl. Strohmeier 2009, S. 156 ff.). Daraus ist zu schließen,<br />

dass es Gebiete geben kann, in denen eine hohe Zahl von Erwerbslosen lebt, die gleichzeitig<br />

ausländische Wurzeln haben. Nicht nur die Forscher der Chicagoer Schule haben diesen<br />

Zusammenhang beobachtet, sondern er ist auch durch neuere empirische Untersuchungen<br />

nachgewiesen worden (u.a. Strohmeier 2001; Häußermann/Siebel 2001; Ceylan 2006;<br />

Friedrichs/Triemer 2012). In solchen Gebieten sind oftmals funktionierende ethnisch homogene<br />

soziale Netzwerke etabliert (vgl. Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 313).<br />

Im Quartier werden somit bewohnerspezifische Ressourcen produziert, die zum Teil speziell auf<br />

die Bedürfnisse der unterschiedlichen Nutzergruppen, z.B. derselben Ethnie, ausgerichtet sind<br />

(vgl. Ceylan 2006, S. 251). Auf diese Weise werden in Quartieren, in denen sozial und ethnisch<br />

passiv segregierte Menschen leben, die alltäglichen Grundbedarfe befriedigt, und die<br />

Notwendigkeit der Mobilität schwindet. Zu bedenken ist, dass insbesondere Migranten keine<br />

Möglichkeit haben, woanders eine Arbeit zu finden (vgl. Park in Farwick 2009, S. 28f.) oder<br />

aufgrund von Diskriminierung eine Wohnung zu mieten, auch wenn die ökonomischen<br />

Ressourcen dafür vorhanden wären (vgl. Strohmeier 2006a, S. 18). Zum Teil entspricht eine<br />

solche eingeschränkte Mobilität auch den Wünschen eines Teils der Migranten-­‐Community<br />

(ILS/ZfT 2008, S. 59). Migranten finden soziale ethnisch homogene Netzwerke vor und können<br />

sich relativ leicht in ihnen integrieren und zurechtfinden und müssen keinen, oder nur einen<br />

sehr geringen, Mobilitätsaufwand betreiben. Zudem versprechen diese Quartiere Sicherheit und<br />

Unterstützung und geben Orientierung in einer fremden Umwelt (vgl.<br />

Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 313). Jedoch können sie auch soziale Kontrolle mit sich<br />

bringen und Möglichkeiten z.B. der interethnischen Kontaktaufnahme einschränken (vgl.<br />

Farwick 2009, S. 230). Zwar sind solche sozialen Netzwerke nichts migrantenspezifisches,<br />

jedoch können sie für diese Bevölkerungsgruppe integrationsstützend 27 wirken. Die Grundlage<br />

solcher Netzwerke bilden Bewohner, die zumeist seit längerer Zeit im Quartier leben. Sie sind<br />

ein zentraler Bestandteil des Konzepts der urbanen Integrationsschleuse.<br />

27 Zum Integrationsbegriff und der dazugehörigen Debatte siehe u.a. Luft/Schimany 2010; Löffler 2011.<br />

37


1.6.1 Der Gebietscharakter der urbanen Integrationsschleuse<br />

Die urbane Integrationsschleuse ist in ihrem Wesen und ihrer Funktion Ziel-­‐ und Lebensort von<br />

Zuwanderern und Menschen mit geringen ökonomischen Ressourcen. Dort leben die meisten<br />

Armen, die meisten Ausländer und die meisten Kinder bzw. zugleich die wenigsten Senioren.<br />

Armutsgeprägt ist die urbane Integrationsschleuse vor allem deswegen, weil die dort Lebenden<br />

zumeist über keine arbeitsmarktrelevanten Qualifikationen verfügen, keine Arbeitserlaubnis<br />

besitzen oder noch keine Arbeitsstelle gefunden haben (vgl. Dangschat 1999, S. 16f; Friedrichs<br />

2009, S. 15; Fuhr 2011, S. 552). Ethnisch von Auswanderern geprägt ist die urbane<br />

Integrationsschleuse durch ihre Funktion als Ankunftsort. Dorthin wandern überproportional<br />

viele Menschen im Vergleich zur Gesamtstadt zu. Die demografische Segregation ist geprägt<br />

durch die relative Abwesenheit von Alten. Ihr Anteil ist deswegen in einer urbanen<br />

Integrationsschleuse so gering, weil dort Zuwanderer die größte Gruppe stellen und diese<br />

zumeist nicht im Rentenalter sind (vgl. Statistisches Bundesamt 2012, S. 11). Zudem ist die<br />

Fluktuation in der urbanen Integrationsschleuse bedingt durch Außenwanderungsbewegungen<br />

(Zu-­‐ und Fortzüge) hoch, und ein solches Umfeld zählt nicht zu den Wohnstandortpräferenzen<br />

von Senioren (vgl. Kaiser/Pohlan 2008, S. 73). Trotz abnehmender Suburbanisierungstendenzen<br />

von Familien (vgl. BBSR 2001, S. 4) leben innerhalb von Städten dort, wo die meisten<br />

Zuwanderer leben, auch die meisten Kinder, wie zahlreiche Studien belegt haben (vgl. u.a.<br />

Strohmeier 2001, 2007, 2008, 2010). Charakterisiert werden kann die urbane<br />

Integrationsschleuse demnach mit den Schlagworten: arm, jung, bunt.<br />

1.6.2 Die Sockelbevölkerung der urbanen Integrationsschleuse<br />

Das Konzept der Sockelbevölkerung in Zusammenhang mit Migration wird in der einschlägigen<br />

Fachliteratur aus unterschiedlichen Blickwinkeln thematisiert (vgl. u.a. von Oppen 1958, S. 15;<br />

Haug 2000, S. 6; Heckmann 2009, S. 9; Farwick 2009, S. 43; Wildner 2012, S. 223), ohne<br />

allerdings diesen Namen zu verwenden. Unter Sockelbevölkerung sind quartiersansässige<br />

Bewohner zu verstehen. In jedem städtischen Teilgebiet finden sich Menschen, die dort seit<br />

längerer Zeit leben. Die Ortsansässigkeit war, wie unterschiedliche Studien zeigen, in<br />

präindustrieller Zeit auch der Normalfall (vgl. u.a. von Oppen 1958, S. 76; Croon/Utermann<br />

1958; S. 14). Das Konzept der urbanen Integrationsschleuse zeigt allerdings, dass es sich um ein<br />

Quartier handelt, in dem sehr viel Fluktuation stattfindet, es also wenige Ortsansässige gibt.<br />

Zudem ist der Charakter eines solchen Gebietes von seiner Funktion her bereits stark ethnisch<br />

diversifiziert. Daraus ist abzuleiten, dass die Sockelbevölkerung zum einen kleiner ist als<br />

diejenige der Gesamtstadt und zum anderen einen höheren Ausländeranteil aufweist.<br />

38


Die Sockelbevölkerung einer urbanen Integrationsschleuse ist allerdings nicht losgelöst von den<br />

Zuwanderern zu betrachten. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Sockelbevölkerung<br />

den Ankommenden erste Arbeits-­‐ und Wohnmöglichkeiten vermittelt (vgl. Ceylan 2006, S. 86).<br />

Zudem finden sie dort Hilfe und Beratung durch informelle, ethnisch geprägte familiäre<br />

und/oder nachbarschaftliche Netzwerke. Solche Unterstützungsleistungen, die primär von der<br />

Sockelbevölkerung geleistet werden, können Arbeitsmöglichkeiten und Qualifizierungsangebote<br />

sein, aber z.B. auch Know-­‐how-­‐Transfer über beispielsweise das Schulsystem, von dem<br />

wiederum die Kinder der Zuwanderer profitieren können.<br />

Die Sockelbevölkerung fungiert als eine Art Brückenkopf in die alte und als Wegweiser in der<br />

neuen Heimat. Sie haben sich im Gebiet der urbanen Integrationsschleuse niedergelassen, halten<br />

Kontakt ins Migrationsquellgebiet und sind idealtypisch ökonomisch und sozial, aber nicht<br />

vollständig kulturell in ihrer neuen Heimat integriert. Letzteres ist die Voraussetzung dafür, als<br />

eine Art Mittler zwischen den Welten, den Ankommenden und der neuen Umwelt, aufzutreten.<br />

Durch dieses „Dazwischen“ gelingt es ihnen, Neuankömmlingen den Beginn in der neuen<br />

Umwelt zu organisieren. Die Sockelbevölkerung hilft dabei, dass diejenigen, die zuwandern, die<br />

Kompetenzen erhalten, die es ihnen ermöglichen, in der Aufnahmegesellschaft Fuß zu fassen.<br />

Denn idealtypisch ziehen Zuwanderer nach einer relativ kurzen Aufenthaltsdauer wieder aus<br />

dem Gebiet fort und erleben entweder einen sozialen Abstieg oder aber einen Aufstieg. Somit<br />

hat die urbane Integrationsschleuse ein zweites gewichtiges Merkmal neben der<br />

Brückenkopffunktion der Sockelbevölkerung: die Verteilerfunktion.<br />

1.6.3 Die Verteilerfunktion der urbanen Integrationsschleuse<br />

Zuwanderer verbleiben nicht allzu lange in der urbanen Integrationsschleuse, denn wie in der<br />

Literatur zur zone in transition der Chicagoer Schule beschrieben, sind die Wohnungen in relativ<br />

schlechtem Zustand (vgl. Strohmeier 1983, S. 99) und nicht allzu groß, mitunter auch<br />

überbelegt. Im Sinne der urbanen Integrationsschleuse verbleiben Migranten im<br />

Integrationsprozess, der ihnen einen gleichberechtigten Zugang zu gesellschaftlichen<br />

Ressourcen und Positionen verschafft, dort nicht sehr lange. Nach einigen Jahren ziehen die<br />

Migranten meist wieder fort, um in einem anderen Quartier hochwertigeren Wohnraum zu<br />

beziehen, den sie sich aufgrund der Qualifikations-­‐ und Arbeitsmöglichkeiten, die sie im Quartier<br />

erfahren haben, nun bezahlen können. Wie lange die Aufenthaltsdauer in der urbanen<br />

Integrationsschleuse genau ist, hängt von spezifischen, kontextbezogenen Rahmenbedingungen<br />

ab und kann zwischen wenigen Monaten und mehreren Generationen liegen (vgl.<br />

Häußermann/Läpple/Siebel 2008, S. 325). Wer keinen sozialen Aufstieg erlebt etabliert sich im<br />

Milieu der verfestigten Armut und lebt zumeist in den urbanen Relegationszonen.<br />

39


Wie die Charakterisierung der urbanen Integrationsschleuse zeigt, sind auf der Quartiersebene<br />

unterschiedliche Opportunitätsstrukturen vorhanden, die das Quartier als Ort für<br />

Integrationsprozesse formen:<br />

• Relative kulturelle, ethnische und/oder soziale Homogenität, da dies zu vermehrten<br />

Kontakten zu Menschen in gleichen Lebenslagen führt (vgl. Farwick 2007, S. 230).<br />

Hergestellt durch ethnische Segregation.<br />

• Vermittlung von Arbeitsmöglichkeiten durch ethnisch homogene Netzwerke innerhalb<br />

der ethnischen Ökonomie (vgl. Fincke 2008, S. 139), insbesondere durch die<br />

Sockelbevölkerung.<br />

• Know-­‐how-­‐Transfer durch ethnisch-­‐homogene Austauschstrukturen wie z.B. türkische<br />

Kaffeehäuser (vgl. Ceylan 2001, S. 181), ebenfalls geleistet durch die Sockelbevölkerung.<br />

• Günstiger Wohnraum, der unkompliziert und schnell zur Verfügung steht und bei dessen<br />

Vergabe Migranten nicht diskriminiert werden (vgl. ILS 2003, S. 16), bedingt durch<br />

passive soziale und ethnische Segregation sowie die Leistung der Sockelbevölkerung.<br />

• Bildungsangebote, die dem Bedarf von Migranten und deren Kindern besonders<br />

angepasst sind, oder anders ausgedrückt: „Ungleiches ungleich behandeln“ (Strohmeier<br />

2007, S. 261), was vor allem bei Quartieren notwendig ist, in denen besonders viele von<br />

passiver sozialer und ethnischer Segregation betroffene Menschen leben.<br />

Diese Punkte sind zum einen Ausdruck funktionaler sowie sozialer Differenzierung und weisen<br />

zugleich auf die politischen Handlungsnotwendigkeiten hin. Diese werden im folgenden<br />

Abschnitt, geordnet nach Politikfeldern, schematisch vorgestellt.<br />

40


Zusammenfassung: Abschnitt 1<br />

• Städtische Strukturen manifestieren sich im Raum, der als Container begriffen wird.<br />

• Es gibt fünf Herausforderungen für Städte zu Beginn des 21. Jahrhunderts: die<br />

ökonomische, die demografische, die soziale, die kulturelle und die internationale<br />

Herausforderung. Integration kann einen entscheidenden Beitrag zur Bewältigung<br />

dieser Herausforderungen leisten.<br />

• Unter Integration wird der gleichberechtigte Zugang zu gesellschaftlichen Gütern und<br />

Positionen von Minoritäts-­‐ und Majoritätsangehörigen verstanden.<br />

• Die drei unterschiedlichen Segregationsarten ethnische, soziale und demografische<br />

Segregation überlagern und verstärken sich zum Teil gegenseitig.<br />

• Es gibt den theoretischen und den operationalisierten Quartiersbegriff, die<br />

nebeneinander gelten können.<br />

• Das Konzept der urbanen Integrationsschleuse als Produkt funktionaler und sozialer<br />

Differenzierung, die auf Hamms Dreistufenmodell zurückgeht, berücksichtigt die<br />

Überlagerung der drei Segregationsarten zuzüglich hoher Fluktuation. Zudem helfen<br />

die vorhandenen Opportunitätsstrukturen beim Integrationsprozess von<br />

Zuwanderern. Insbesondere diese setzen eine nichtmobile Teilbevölkerung aus<br />

demselben sozialen oder ethnischen Milieu voraus, die eine Brückenkopffunktion<br />

erfüllt.<br />

41


2 Relevante kommunalpolitische Handlungsfelder für den Umgang<br />

mit urbanen Integrationsschleusen<br />

Das Konzept der urbanen Integrationsschleuse ist auch für kommunalpolitisches Handeln<br />

bedeutsam, da die Kommune der Ort ist, an dem Menschen politische Entscheidungen<br />

unmittelbar in ihren Auswirkungen erfahren. Somit sind kommunalpolitische<br />

Entscheidungsträger mit den Herausforderungen, die urbane Integrationsschleusen mit sich<br />

bringen, direkt konfrontiert und können aktiv auf die Gestaltung eines solchen Gebietes Einfluss<br />

ausüben. Viel mehr als auf der landes-­‐ oder bundespolitischen Ebene 28 kann somit auf der<br />

kommunalen Ebene auf urbane Integrationsschleusen passgenau eingegangen werden. Für diese<br />

sind insbesondere die Politikfelder Arbeit, Bildung, Integration und Quartiersentwicklung von<br />

Bedeutung. Jedes dieser Handlungsfelder wird im folgenden Abschnitt mit einem<br />

kommunalpolitischen Schwerpunkt schematisch vorgestellt und abschließend<br />

zusammenfassend betrachtet. Im Vordergrund steht dabei die Zuspitzung auf die<br />

Einflussmöglichkeiten der Kommune im jeweiligen Politikbereich hinsichtlich des Umgangs mit<br />

urbanen Integrationsschleusen.<br />

2.1 Kommunale Arbeitsmarktpolitik<br />

Arbeitsmarktpolitik als Teil der Sozialpolitik, ist im föderalen Bundesstaat, primär Aufgabe des<br />

Bundes (vgl. Frevel/Dietz 2004, S. 77) 29. Politische Instrumente der Arbeitsmarktpolitik sind<br />

beispielsweise die Arbeitslosenversicherung, aber auch Maßnahmen zur Stützung und<br />

Förderung der Konjunktur. Dass der Bund die primäre Aufgabenerfüllung innehat, bedeutet<br />

jedoch nicht, dass die Länder keine Arbeitsmarktpolitik betreiben. Sie sind für die Segmente der<br />

Berufsbildung (vgl. Hockel/Schwarz 2010, S. 10) und zum Teil der Wirtschaftsförderung (vgl. am<br />

Beispiel NRW: www.nrwinvest.com) zuständig. Allerdings haben Kommunen nach Artikel 28<br />

des Grundgesetzes (GG) die sogenannte Allzuständigkeit (vgl. Bogumil/Holtkamp 2006, S. 9;<br />

Art. 28 GG). Das bedeutet, sie können sich auch eigene Aufgaben kreieren, die nicht zu ihrem<br />

engeren Aufgabenspektrum gehören. Es gibt somit Pflichtaufgaben und freiwillige Aufgaben der<br />

Kommunen (vgl. Bogumil/Holtkamp 2006, S. 51; § 6 SGB II). Eine freiwillige Aufgabe ist z.B. ein<br />

Stadtteiltreff mit sozialen Angeboten für Arbeitssuchende. Damit gibt es Bereiche in der<br />

28 Die europäische Ebene wird hier außen vorgelassen, da sie, trotz zunehmender Wichtigkeit, keine staatliche Ebene<br />

bildet. Dazu weiterführend Münch 2006.<br />

29 Nach Art. 50 GG wirken die Länder an der Gesetzgebung des Bundes mit, sind also nicht von der Gestaltung<br />

sozialpolitischer Maßnahmen ausgeschlossen. Allerdings ist der Bund nach Art. 31 GG in der Praxis die gestaltende<br />

Kraft der Sozial-­‐ und Arbeitsmarktpolitik.<br />

42


kommunalen Arbeitsmarktpolitik, welche die Gemeinden selber gestalten können, und<br />

Segmente, in denen sie Gesetze ausführen, ohne deren Inhalt beeinflussen zu können. Für die<br />

vorliegende Arbeit werden im Weiteren nur die freiwilligen Aufgaben der Arbeitsmarktpolitik<br />

betrachtet, in denen die Kommunen auch die inhaltlichen Ausgestaltungen selber bestimmen 30.<br />

Denn in diesem Aufgabensegment sind die entsprechenden Maßnahmen möglich, um urbane<br />

Integrationsschleusen auch arbeitsmarktpolitisch zu gestalten.<br />

Solche Maßnahmen haben zwar den Vorteil, dass sie passgenau auf die jeweilige Situation bzw.<br />

das Quartier zugeschnitten werden können. Andererseits trägt die Kommune alle Kosten selber.<br />

Dementsprechend sind für viele Kommunen solche freiwilligen Leistungen schlichtweg nicht zu<br />

bezahlen (vgl. Bogumil/Holtkamp 2006, S. 56). Oftmals haben diejenigen Kommunen<br />

Schwierigkeiten mit der Finanzierung freiwilliger Aufgaben, in denen solche Leistungen<br />

besonders notwendig wären. Somit bleiben Kommunen (nicht nur) im Bereich der<br />

Arbeitsmarktpolitikzwei Möglichkeiten: zum einen die Einwerbung von Fördermitteln z.B. bei<br />

der Europäischen Union (vgl. ESF 2012), zum anderen kostenneutrale Lösungen. Diese können<br />

durch Output-­‐orientierte Organisationsmodelle, die sich am Bedarf der Zielgruppen ausrichten,<br />

erreicht werden. Strohmeier stellt die kumulierten positiven Effekte solcher Maßnahmen<br />

anhand eines Beispiels aus dem Ruhrgebiet wie folgt dar: „Eine Qualifizierungsmaßnahme<br />

alleinerziehender Mütter mit Sozialhilfebezug in einer Ruhrgebietsstadt hat ihre Klientel aus<br />

dem Wohnbereich und nicht nach dem Buchstabenprinzip rekrutiert. Auf diese Weise entstand<br />

nach weniger als einem Jahr ein lokales Netzwerk von Frauen in ähnlicher Lebenssituation, die<br />

noch vor Beginn der Maßnahme ihre soziale Isolation beklagt hatten.“ (Strohmeier 2009, S. 171)<br />

Ein solches Netzwerk ist nicht nur wichtig, um Humanvermögen zu bilden, sondern auch um<br />

Zugang zu Arbeitsmöglichkeiten und Möglichkeiten zur Kinderbetreuung zu schaffen, damit z.B.<br />

erste Gelegenheitsjobs angenommen werden können. Außerdem haben Kommunen auch die<br />

Möglichkeit, ihr Know-­‐how zur Verfügung zu stellen, z.B. bei Absichten einer Existenzgründung<br />

oder der korrekten Einrichtung einer Betriebsstätte. Damit sind die Möglichkeiten<br />

arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen in urbanen Integrationsschleusen durch<br />

Drittmitteleinwerbung und Organisationsmodelle auch für finanzschwache Kommunen möglich.<br />

Zumeist hängt die Umsetzbarkeit solcher Modelle vom politischen Willen der kommunalen<br />

Verwaltungsspitze und des Rates ab (vgl. Bogumil/Holtkamp 2006, S. 68).<br />

30 Neben den beschriebenen Pflichtaufgaben haben Kommunen noch die Möglichkeit, als alleiniger Träger der<br />

Leistungen nach dem II. Sozialgesetzbuch aufzutreten (§ 6a, SGB II). Diese Mischform, das sog. Optionsmodell, wird in<br />

der vorliegenden Arbeit außen vor gelassen. Weiterführend dazu: Noe 2010 sowie www.kommunenfuerarbeit.de.<br />

43


2.2 Kommunale Bildungspolitik<br />

Bildung ist originäre Aufgabe der Bundesländer (vgl. KMK 2012). Allerdings haben Kommunen,<br />

als Teil der Länder, damit eine Mitverantwortung in der Bildungspolitik (vgl. Weiß 2009, S. 1).<br />

Betrachtet man das Feld der Bildungspolitik genauer, sind unterschiedliche Sektoren<br />

auszumachen:<br />

1.) der Elementarbereich, der vorschulische Bildungsangebote beinhaltet,<br />

2.) der schulische Bildungsbereich,<br />

3.) die Berufsbildung und<br />

4.) die Erwachsenen-­‐ und Familienbildung 31.<br />

Für die positive Gestaltung einer urbanen Integrationsschleuse sind alle Bausteine von<br />

Bedeutung. Jedoch hat eine Kommune nicht in allen Bereichen dieselbe inhaltliche<br />

Gestaltungsfreiheit. Im Schulbereich hat die Kommune keinen Einfluss auf die inhaltliche<br />

Ausrichtung. Sie ist Schulträger und hat als solcher vielmehr die Pflicht, die Schulinfrastruktur<br />

vorzuhalten, stellt also nichtlehrendes Personal und ist zuständig für den Schülertransport (vgl.<br />

Weiß 2009, S. 2). Durch die Verpflichtung, eine angemessene Schulinfrastruktur bereitzustellen,<br />

kann die Kommune Schulstandort-­‐ und unter Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />

auch Schulformentscheidungen treffen 32. Inhaltlich können Kommunen Schulen nur indirekt<br />

beeinflussen, beispielsweise durch die Beschäftigung von Schulsozialarbeitern und Psychologen<br />

(vgl. Wilhelmsen 2009, S. 89). Allerdings hat sich in einigen Bundesländern durch die<br />

Einführung des Modells der offenen Ganztagsschule ein neues kommunales Arbeitsfeld zwischen<br />

Jugendhilfe und Schule eröffnet (vgl. Deinet 2010, S. 33).<br />

Darüber hinaus besteht auch der Bereich der außerschulischen Bildung. Die Organisation der<br />

vorschulischen Bildung variiert erheblich zwischen den Bundesländern (vgl. BMFSJ 2005,<br />

S. 510). Das Grundprinzip ist jedoch, dass die Kommunen Personal und Infrastruktur stellen und<br />

dafür Mittel von Bund und Ländern erhalten (vgl. Hebborn 2007, S. 10) 33. Dadurch kann eine<br />

Kommune aber zugleich stärker auf die inhaltliche Ausgestaltung der Arbeit in den<br />

Kindertagesstätten einwirken, auch wenn diese gesetzlichen Rahmenbedingungen unterworfen<br />

sind (vgl. § 22 SGB VIII). Den größten inhaltlichen Spielraum haben Kommunen bei der<br />

Erwachsenen-­‐ und Familienbildung, da diese nur eingeschränkt gesetzlichen Regelungen<br />

31 Alternativ zu dieser eher an formalen Bildungsinstitutionen orientierten Auffassung von Lernangeboten existiert<br />

zudem das Konzept des „Lebenslangen Lernens“, das zusätzlich nonformales und informelles Lernen einschließt. Dazu<br />

weiterführend Schuetze 2006.<br />

32 Die Rahmenbedingungen variieren zwischen den Ländern.<br />

33 Für die berufsbildenden Schulen verhält sich die Aufteilung zwischen Ländern und Kommunen genauso wie beim<br />

Regelschulsystem (vgl. Hockel/Schwartz 2010, S. 11).<br />

44


unterliegen (vgl. Niedersächsischer Landtag 2007, S. 337), wobei sie allerdings auch die<br />

finanziellen Lasten alleine schultern müssen. Dafür ist es den Kommunen und freien Trägern<br />

freigestellt, wie sie die Erwachsenen-­‐ und Familienbildung inhaltlich ausgestalten.<br />

Für urbane Integrationsschleusen bedeutet dies, dass kommunale Bildungspolitik an den<br />

Spielräumen der jeweiligen bildungspolitischen Handlungsfelder ausgerichtet werden muss. Im<br />

vorschulischen Bereich sowie im Schulbereich können Kommunen die Integrationsleistungen<br />

unterstützen, indem sie eine möglichst hochwertige Infrastruktur vorhalten. Dies impliziert auch<br />

eine möglichst gute Ausstattung mit pädagogischen Fachkräften. Zudem ist insbesondere eine<br />

qualitativ hochwertige frühkindliche Förderung (vgl. Förster/Taubert 2008, S. 131ff.) ein<br />

Baustein, um der nachwachsenden Generation bessere Bildungs-­‐ und damit Zukunftschancen zu<br />

ermöglichen (vgl. Geißler 2008, S. 273ff.). Tatsächlich können Kommunen die Erwachsenen-­‐ und<br />

Familienbildung passgenau auf die Gegebenheiten in der urbanen Integrationsschleuse<br />

ausrichten, wie Beispiele aus dem Programm Soziale Stadt zeigen (vgl. Soziale Stadt 2012).<br />

2.3 Kommunale Integrationspolitik<br />

Der Bund hat in Einwanderungsfragen die Gesetzgebungskompetenz, und die Länder haben<br />

mittels Polizeigewalt für die Durchführung der Gesetze zu sorgen. Somit bleibt den Kommunen<br />

nur die Gestaltung weicher Integrationsfaktoren, oder anders gesagt: Der Bund und die Länder<br />

regeln die Zuwanderung, in den Kommunen wird sie zur Integrationsaufgabe. An ihnen hängt<br />

Integration allerdings im besonderen Ausmaß, denn Migranten erfahren die jeweiligen<br />

Förderungsangebote in ihrer unmittelbaren Lebensumwelt, dem Quartier (vgl. Farwick 2004,<br />

S. 254f.). Dieses Umstandes sind sich die meisten Kommunen bewusst und reagieren mit<br />

unterschiedlichen politischen Maßnahmen. Solche Maßnahmen unterliegen keinen gesetzlichen<br />

Regelungen und sind freiwillige Aufgaben der Kommunen 34.<br />

Die wachsenden Integrationsbemühungen von Kommunen sind ebenfalls an der Entwicklung<br />

dieses Politikfeldes abzulesen, denn seit spätestens 2005 hat sich die Kommunalpolitik von der<br />

Ausländer-­‐ zur Integrationspolitik weiterentwickelt (vgl. Heinrich 2012, S. 1). Kommunale<br />

Integrationspolitik hat sich somit, auch aufgrund unterschiedlicher öffentlicher und<br />

gesellschaftlicher Debatten, als prominentes Politikfeld etabliert (vgl. u.a. Schwarz 2010; Spiegel<br />

2010). Dabei wird sie von den Kommunen oftmals als sogenannte Querschnittsaufgabe<br />

34 Zwar gibt es eine Bundesbeauftragte für Integration, diese hat jedoch keine Kompetenz in der Gesetzgebung (§ 92<br />

AufenthG). Die Länder nehmen sich des Politikfeldes Integrationsförderung ebenfalls an, ohne jedoch Gesetze zu<br />

erlassen. Eher werden Projekte und Programme ausgeschrieben, die Kommunen Fördergelder für vorgeplante<br />

Integrationsprojekte sichern (vgl. am Beispiel NRW www.integration.nrw.de/foerderung/index.php, abgerufen am<br />

15.11.2012).<br />

45


etrachtet, was allerdings auch dazu führen kann, dass es zu einer organisierten<br />

Unverantwortlichkeit kommt (vgl. Banner 1991, S. 6). Dadurch gibt es zwar eine Förderung auf<br />

dem Papier, die jedoch keiner gemeinsamen Strategie folgt. Deshalb haben einige Kommunen<br />

sogenannte Integrationsbeauftragte 35 eingeführt, die sich allerdings in ihrem Aufgabenspektrum<br />

und ihren Kompetenzen unterscheiden. Durch einen Ansprechpartner innerhalb der<br />

Kommunalverwaltung wird Integrationsarbeit stärker betont und durchsetzungsfähiger (vgl.<br />

Detmers 2008, S. 105).<br />

Die inhaltliche Ausrichtung der kommunalen Integrationsarbeit ist nicht definiert und eine<br />

Kommune kann das Arbeitsfeld im Rahmen der Allzuständigkeit passgenau kreieren (vgl.<br />

Gesemann/Roth 2009, S. 12). Dabei reicht die Spannweite von innerer<br />

Verwaltungssensibilisierung bis hin zu Quartierskonzepten mit einem breiten Repertoire an<br />

sozialen Angeboten (vgl. u.a. Mansury 2007; BMVBS 2010). Eine solche Flexibilität in der<br />

Organisation ist Fluch und Segen zugleich. Fluch, weil es weder eine verlässliche Finanzierung<br />

für die Kommunen gibt noch eine Möglichkeit, integrationspolitische Leistungen einzufordern.<br />

Segen, weil passgenaue Lösungen generiert werden können, die dort greifen, wo sie besonders<br />

notwendig sind: nämlich in jenen Quartieren, die die Funktion einer urbanen<br />

Integrationsschleuse innehaben (vgl. Mansury 2007, S. 41ff.).<br />

Zu den Leistungen kommunaler Integrationspolitik gehört auch die Sprachförderung 36,da<br />

Sprache ein grundlegender Integrationsfaktor ist, deren Erwerb politisch gefördert werden kann<br />

(vgl. Pasler 2007, S. 7). Der Spracherwerb begünstigt die Möglichkeit, eine Arbeitsstelle zu<br />

erhalten und zu besseren Schulabschlüssen zu gelangen und fördert somit Teilhabechancen.<br />

Kommunale Integrationspolitik soll somit im weiteren Sinne als kommunales<br />

Leistungsspektrum verstanden werden, das primär auf die Förderung der Teilhabe von<br />

Migranten an relevanten Gütern abzielt. Damit können Kommunen ohne Einschränkungen<br />

passgenaue Angebote zur Förderung von Integration und damit auch zur Gestaltung urbaner<br />

Integrationsschleusen entwickeln.<br />

2.4 Kommunale Stadt-­‐ und Quartiersentwicklungspolitik<br />

Stadt-­‐ und damit auch Quartiersentwicklung gehört nach § 8 Raumordnungsgesetz zu den<br />

grundlegenden kommunalen Pflichtaufgaben. Die Gemeinden haben die Aufgaben, Strukturen<br />

von öffentlichem Interesse, wie z.B. Straßen, und zum Teil geförderten Wohnraum vorzuhalten.<br />

Da es sich meist um sehr kostenintensive Maßnahmen handelt, unterstützen Bund und Länder<br />

35 Die Bezeichnung variiert zwischen den Kommunen.<br />

36 An diesem Punkt gibt es eine inhaltliche Überschneidung mit der kommunalen Bildungspolitik.<br />

46


die Kommunen bei der Erledigung solcher Aufgaben qua Zuweisungen und<br />

Förderprogrammen 37. Zu den bedeutendsten Förderprogrammen der Quartiersentwicklung in<br />

Deutschland 38 gehören die Programme Soziale Stadt (vgl. Stolpe 2003, S. 5) sowie Stadtumbau<br />

West für die alten (vgl. Boba 2011, S. 9) und Stadtumbau Ost für die neuen Länder (vgl.<br />

Ramsauer 2012, S. 3). Die Rechtsgrundlage der Programme beruht auf Art. 104 GG sowie § 171<br />

BauGB, und sie werden von allen drei staatlichen Ebenen finanziert. Beide Programme haben<br />

das Ziel, innerhalb eines Projektzeitraums von fünf bis fünfzehn Jahren ein im kommunalen<br />

Kontext 39 benachteiligtes Quartier 40 städtebaulich und sozial besonders zu fördern bzw.<br />

aufzuwerten. Dazu gehören z.B. Fassadensanierungen und die Aufwertung des öffentlichen<br />

Raumes.<br />

In Programmgebieten der Sozialen Stadt, genauso wie in Stadtumbauquartieren, werden Bürger,<br />

privatwirtschaftliche Akteure, die Wohnungswirtschaft, öffentliche Einrichtungen und soziale<br />

Träger bei der Planung und Umsetzung der städtebaulichen Maßnahmen beteiligt (vgl. BMVBS<br />

2008a, S. 19ff). Im Rahmen des Programms Soziale Stadt wird im Quartier für einen begrenzten<br />

Umsetzungszeitraum eine Anlaufstelle für die Einwohner des Quartiers eingerichtet. Diese<br />

Anlaufstelle ist ebenso Sitz des lokalen Quartiersmanagements, das in der Regel mit Fachkräften<br />

aus dem sozialen und dem raumplanerischen Bereich besetzt ist (vgl. Eickhoff 2006, S. 106) 41.<br />

Für den Bereich der sozialen Maßnahmen stehen im Programm Soziale Stadt ebenfalls<br />

finanzielle Mittel zur Verfügung, um unterschiedliche Projekte im Stadtteil anzustoßen und zu<br />

etablieren.<br />

37 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird der Fokus auf den Bereich der Förderprogramme gelegt, da dieser es<br />

ermöglicht, auf die Herausforderungen, die urbane Integrationsschleusen mit sich bringen, adäquat zu reagieren. Für<br />

den Bereich der Regelförderung von Bund und Ländern zur Stadtentwicklung siehe<br />

www.bbsr.bund.de/nn_21972/BBSR/DE/Stadtentwicklung/Staedtebaufoerderung/GrundlagenZieleFinanzierung/gr<br />

undlagen__node.html?__nnn=true, abgerufen am 16.11.2012.<br />

38 Beispiele von ähnlichen Projekten wie Soziale Stadt aus England, Frankreich, den Niederlanden und den USA finden<br />

sich in Häußermann 2009, S. 151ff.<br />

39 Der Prozess zur Aufnahme als Programmquartier für Soziale Stadt am Beispiel NRW siehe<br />

www.sozialestadt.nrw.de/antrag_finanzierung/aufnahme.php, abgerufen am 16.11.2012; für Stadtumbau West am<br />

Beispiel NRW siehe www.stadtumbaunrw.de, abgerufen am 16.11.2012; für Stadtumbau Ost am Beispiel<br />

Mecklenburg-­‐Vorpommerns siehe http://www.lfi-­‐<br />

mv.de/cms2/LFI_prod/LFI/content/de/Foerderungen/Wohnungsbaufoerderung/_Foerderungen/Stadtumbau_Ost__<br />

Rueckbau/index.jsp?&view=911, abgerufen am 16.11.2012.<br />

40 Die Umsetzung orientiert sich an einem Planungsgebiet und nicht zwingend an politischen Grenzen; vgl. z.B. Stadt<br />

Bergheim, www.eg-­‐bm.de, abgerufen am 15.11.2012.<br />

41 Aktuelle Debatte zur Finanzierung des Programms Soziale Stadt siehe sozialestadt2011.wordpress.com, abgerufen<br />

am 16.11.2012.<br />

47


Der soziale Aspekt ist bei den Stadtumbauprogrammen nur als freiwilliger Bestandteil<br />

vorhanden. Viel eher steht die Bewältigung großer städtebaulicher Herausforderungen, wie z.B.<br />

Verwertung von Konvergenzflächen, Umnutzung ehemaliger Industrieareale, Rückbau von<br />

Großwohnsiedlungen etc., im Vordergrund (vgl. BMVBS 2008a, S. 26). Gesteuert werden die<br />

Stadtumbauprogramme sowie die Programmgebiete der Sozialen Stadt auf der kommunalen<br />

Ebene, ämter-­‐ bzw. fachbereichsübergreifend. Diese Querschnittsorganisation wird auch als<br />

integriertes Handeln bezeichnet (vgl. ISSAB 2008, S. 5). Da solche integrierten<br />

Stadtteilentwicklungsprogramme oftmals in Quartieren umgesetzt werden, in denen die meisten<br />

Migranten leben (vgl. Strohmeier 2008, S. 488), sind sie somit besonders relevant, um auf<br />

urbane Integrationsschleusen zu reagieren. Dazu sind nicht unbedingt die Programme der Stadt-­‐<br />

und Quartiersentwicklung vonnöten, sondern im Kern das integrierte Handeln aller relevanten<br />

Akteure.<br />

2.5 Integriertes kommunales Handeln als Paradigma zum Umgang mit urbanen<br />

Integrationsschleusen<br />

Die Politikbereiche, die im vorigen Abschnitt behandelt worden sind, machen die Themenvielfalt<br />

deutlich, die für die (Kommunal-­‐)Politik mit urbanen Integrationsschleusen einhergehen. Schon<br />

jedes Feld für sich ist ein komplexes Segment, und die Abstimmung unter den jeweiligen<br />

Fachressorts einer Verwaltung im Rahmen eines Projekts ist bereits eine große<br />

Herausforderung, wie Programme der Quartiersentwicklung deutlich machen. Dennoch ist das<br />

integrierte Handeln unerlässlich, wenn die Rahmenbedingungen für Migranten während ihrer<br />

„Durchlaufzeit“ im Quartier optimal gestaltet werden sollen. Im Verbund können Synergieeffekte<br />

erreicht und kumulierte positive Effekte für die Bewohner des Quartiers erzielt werden. Wie<br />

Beispiele aus den Programmgebieten zeigen, sind insbesondere diejenigen Projekte erfolgreich,<br />

die passgenaue Lösungen und eine klare Output-­‐Orientierung aufweisen. Um auf die<br />

Herausforderungen urbaner Integrationsschleusen von kommunalpolitischer Seite aus adäquat<br />

eingehen zu können, empfiehlt es sich somit, die vier Bereiche Arbeit, Integration, Bildung und<br />

Städtebauintegriert und zielorientiert zu betrachten.<br />

48


Zusammenfassung: Abschnitt 2<br />

• Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zur Förderung von Erwerbstätigkeit im<br />

Quartier können durch Output-­‐Orientierung in der Kommunalverwaltung<br />

gefördert werden.<br />

• In der frühkindlichen Bildung sowie im Bereich der offenen Ganztagsschule<br />

haben Kommunen begrenzte inhaltliche Entscheidungskompetenz und<br />

können somit bedingt urbane Integrationsschleusen unterstützen.<br />

• Insbesondere die Bereiche der Familien-­‐ und Erwachsenenbildung gehen mit<br />

einem hohen inhaltlichen Spielraum für die Kommune einher.<br />

• Integration findet in der Kommune statt und noch viel eher im Quartier. Dort<br />

setzen praktische Integrationsbemühungen an, die von der Kommunalpolitik<br />

frei gestaltet werden können.<br />

• Stadt-­‐ bzw. Quartiersentwicklung ist sozialräumlich integriertes Handeln, das<br />

urbane Integrationsschleusen in ihrer Leistungserbringung unterstützen kann.<br />

49


3 Methodische Untersuchung<br />

Nach der vorangegangenen theoretischen Diskussion und Konzeption der urbanen<br />

Integrationsschleuse wird zu Beginn des folgenden Abschnitts Mülheim an der Ruhr als<br />

Praxisbeispiel vorgestellt. Anschließend werden drei Forschungshypothesen aufgestellt, an<br />

denen sich die weitere Arbeit orientiert. Die Dokumentation der Forschungsarbeit 42 in<br />

chronologischer und inhaltlich logischer Reihenfolge beginnt mit der Operationalisierung der<br />

aufgestellten Forschungsthesen. Daran schließt sich die Vorstellung des vorliegenden<br />

Datenmaterials an. Im Zuge der Erläuterung des methodischen Vorgehens wird gleichzeitig<br />

dargestellt, welche statistischen Methoden alternativ hätten angewendet werden können und<br />

welche Indikatoren ausgewählt wurden, um die Forschungshypothesen zu überprüfen. Nach<br />

diesen Vorarbeiten folgt die gesamtstädtische Betrachtung der Stadt Mülheim, um dort eine<br />

urbane Integrationsschleuse zu identifizieren. Dieses Gebiet wird im zweiten Forschungsteil in<br />

den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt.<br />

3.1 Das Praxisbeispiel Mülheim an der Ruhr<br />

Mülheim an der Ruhr ist eine Großstadt im mittleren Ruhrgebiet mit knapp 170.000<br />

Einwohnern (vgl. Stadt Mülheim an der Ruhr 2012). Die Wurzeln der Stadtgeschichte reichen bis<br />

ins Mittelalter zurück. Geprägt wurde Mülheim in seiner heutigen Form besonders durch die<br />

Industrialisierung. Wie in den anderen Ruhrgebietsgroßstädten war auch in Mülheim an der<br />

Ruhr die Montanindustrie angesiedelt. Mit dem Zechensterben in der Nachkriegszeit setzte der<br />

Strukturwandel ein, der bis heute anhält. Die Stadt hat einen dicht besiedelten Kern, durch den<br />

die Ruhr fließt, und ländlichere Stadtrandbezirke. Sozial ist die Stadt in Nord und Süd gespalten<br />

(Kersting et.al. 2009, S.143). Im nördlichen Teil der Stadt leben eher Arme, Ausländer und deren<br />

Kinder, im Süden eher Reiche ohne Zuwanderungsgeschichte und mit tendenziell wenigen<br />

Kindern. Den sozialen Problemen in den nördlichen Gebieten wird mit einer Reihe von<br />

Maßnahmen wie z.B. dem Programm Soziale Stadt begegnet. Es gibt insgesamt neun Stadtteile,<br />

die durch 27 statistische Bezirke gebildet werden (Stadt Mülheim an der Ruhr 2012). Auf diese<br />

Ebene der statistischen Bezirke konzentriert sich die vorliegende Untersuchung. Die räumliche<br />

Verortung der statistischen Bezirke zeigt Abbildung 2.<br />

42 Die ethischen Grundsätze nach dem Kodex der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (siehe Anhang 3.1) werden<br />

selbstverständlich eingehalten.<br />

50


Abbildung 2: Karte von Mülheim an der Ruhr<br />

51


3.2 Forschungshypothesen und Operationalisierung<br />

Um die theoretische Diskussion anhand des Beispiels Mülheim an der Ruhr in der Praxis zu<br />

testen, werden im Folgenden drei Forschungshypothesen aufgestellt und unter<br />

Berücksichtigung des vorliegenden Materials operationalisiert.<br />

3.2.1 Forschungshypothese I – Urbane Integrationsschleuse<br />

In Mülheim an der Ruhr lässt sich ein Gebiet identifizieren, das das Profil einer urbanen<br />

Integrationsschleuse aufweist. Dazu gehört, dass sich dort soziale, ethnische und demografische<br />

Segregation überlagern und zudem hohe Wanderungsraten auftreten.<br />

Operationalisierung:<br />

Eine urbane Integrationsschleuse hat vier signifikant zusammenhängende Merkmale:<br />

1.) Einen relativ hohen (prozentualen) Anteil von Erwerbslosen an der Bevölkerung im<br />

erwerbsfähigen Alter.<br />

àPassive Soziale Segregation<br />

2.) Einen relativ hohen (prozentualen) Anteil von Ausländern 43 an der Gebietsbevölkerung.<br />

àEthnische Segregation<br />

3.) Einen relativ geringen (prozentualen) Anteil von Einwohnern über 65 Jahre.<br />

àDemografische Segregation<br />

4.) Einen relativ hohen (prozentualen) Anteil der Einwohner mit einer Wohndauer unter<br />

fünf Jahren an der jeweiligen Adresse.<br />

àFluktuation<br />

o Die urbane Integrationsschleuse weist bei allen vier Indikatoren die höchsten Werte<br />

auf. Diejenigen Werte werden als hoch angesehen, die im fünften Quintil der<br />

Verteilung liegen 44 . Dazu wird eigens ein additiver Index gebildet.<br />

43 Der Indikator Ausländeranteil ist im Anhang beschrieben. Insbesondere der Aspekt, wer zur Gruppe der Ausländer<br />

zählt, wird dort erläutert (siehe Anhang 3.2).<br />

44 Dies bedeutet allerdings nicht, dass theoretisch nicht auch andere Gebiete eine solche Funktion aufweisen könnten.<br />

52


3.2.2 Forschungshypothese II – Sockelbevölkerung<br />

Innerhalb eines Gebiets, das die Funktion einer urbanen Integrationsschleuse innehat, gibt es<br />

eine Sockelbevölkerung, die nicht umzieht. Sie fungiert als Brückenkopf und bietet erste<br />

Orientierung und Hilfen für die Ankommenden.<br />

Operationalisierung:<br />

• Die Sockelbevölkerung in der urbanen Integrationsschleuse hat eine Wohndauer von<br />

mindestens zehn Jahren an der jeweiligen Adresse.<br />

o Ihr Bevölkerungsanteil in der urbanen Integrationsschleuse ist kleiner als ihr<br />

Bevölkerungsanteil an der Gesamtstadt.<br />

• Der Ausländeranteil der gesamtstädtischen Sockelbevölkerung ist in der urbanen<br />

Integrationsschleuse höher als der gesamtstädtische Ausländeranteil.<br />

• Der Ausländeranteil der Sockelbevölkerung in der urbanen Integrationsschleuse liegt<br />

unter dem Ausländeranteil der Gesamtbevölkerung der urbanen Integrationsschleuse.<br />

3.2.3 Forschungshypothese III – Verteilerfunktion<br />

Eine urbane Integrationsschleuse hat eine Verteilerfunktion inne. Es findet sich ein hohes Maß<br />

an außer-­‐ und innerstädtischer Zu-­‐ und Abwanderung. Durch innerstädtische Umzüge aus dem<br />

Gebiet, das die Rolle einer urbanen Integrationsschleuse innehat, geht für die Mehrzahl der<br />

Fortziehenden ein sozialer Aufstieg einher.<br />

Operationalisierung:<br />

• Die Gruppe der Ankommenden ist dreigeteilt:<br />

1. Bildungswanderer<br />

2. Gering qualifizierte ausländische Zuwanderer oder auch Arbeitsmigranten<br />

3. Sonstige Zuwanderer<br />

• Die Verteilerfunktion der urbanen Integrationsschleuse wird anhand der Zu-­‐ und<br />

Fortwanderung in den Kategorien<br />

1. „Internationale Zuwanderung“,<br />

2. „Nationale Zuwanderung“,<br />

3. „Regionale Zuwanderung“<br />

4. „Innerstädtische Abwanderung“ gemessen.<br />

o Die Annahme gilt als bestätigt, wenn alle gebietsbezogenen Werte über den<br />

gesamtstädtischen Werten liegen.<br />

53


• Die Gruppe der Zuziehenden besteht zu mindestens zwei Drittel aus dem<br />

demografischen Mittelbau zwischen 18 und 65 Jahren, unabhängig woher sie<br />

zuwandern.<br />

• Fortzüge aus dem Gebiet, das im städtischen Kontext die Funktion einer urbanen<br />

Integrationsschleuse aufweist, werden in Bezug auf einen zu bildenden Index<br />

eingeordnet.<br />

o Die Annahme gilt als bestätigt, wenn mehr als 60 Prozent der Fortzüge aus dem<br />

Gebiet in ein anderes Gebiet mit einem sozialen Aufstieg verbunden sind.<br />

3.3 Datenbeschreibung und Bestand<br />

Die Datengrundlage bilden Lieferungen des Referats V.1 Statistik und Stadtforschung der Stadt<br />

Mülheim an der Ruhr. Die Daten stammen aus vier verschiedenen Datensätzen, wie Tabelle 1<br />

zeigt. Für den ersten Forschungsschritt wurden Daten für die innere Raumbeobachtung des<br />

Bundesamtes für Siedlungs-­‐ und Raumwesen und die Bestandsdaten 2009 verwendet. Für den<br />

zweiten Forschungsschritt wurden Daten aus der internen Bewegungs-­‐und Bestandsstatistik<br />

zusammengestellt, die aus datenschutzrechtlichen Gründen nur in aggregierter Form<br />

veröffentlich werden dürfen. Das Bestandsjahr der Daten, mit Ausnahme der<br />

Wanderungsangaben, ist 2010. Bei Wanderungsangaben wurde das Jahr 2009 hinzugenommen.<br />

Aus beiden Jahren wurde ggf. das arithmetische Mittel gebildet, um eventuelle Effekte von<br />

Extremereignissen, wie z.B. große Umsiedlungsmaßnahmen aufgrund von Abrisstätigkeiten,<br />

abzumildern. Die für die Arbeit geeigneten Indikatoren lassen sich in Anlehnung an die vier<br />

Dimensionen der Merkmale der urbanen Integrationsschleuse in vier Kategorien einteilen. Eine<br />

ausführliche Liste aller verwendeten Indikatoren und der genannten Kategorisierung, inklusive<br />

ihrer Berechnung und beschriebenen Bedeutung, befindet sich im Anhang (vgl. Anhang 3.2).<br />

Datensatz Datenstand<br />

Bestandsdaten 2009 31.12.2009<br />

Innere Raumbeobachtung (IRB) 31.12.2010<br />

Bewegungsdaten 2009 31.12.2009<br />

Bewegungsdaten 2010 31.12.2010<br />

Tabelle 1: Genutzte Datensätze<br />

54


3.4 Beschreibung der Vorgehensweise<br />

Die Untersuchung vollzieht sich in zwei Schritten: zunächst wird das vorhandene Datenmaterial<br />

ausgewertet, um die urbane Integrationsschleuse von Mülheim an der Ruhr zu identifizieren.<br />

Sollte der erste Schritt zu einem positiven Ergebnis kommen, wird in einem zweiten Schritt die<br />

urbane Integrationsschleuse mit ihren prägenden Merkmalen, der Sockelbevölkerung und der<br />

Verteilerfunktion, untersucht.<br />

3.4.1 Vorgehensweise des erster Forschungsschritts<br />

Der erste Teil des ersten Forschungsschritts wird durch die Diskussion der Daten aller vier<br />

Merkmale gestaltet. Dabei wird der Abstand des jeweils größten und jeweils kleinsten Wertes<br />

zum Mittelwert gemessen, um einen Eindruck von der Verteilung und eventuellen<br />

Extremwerten zu erhalten. Der jeweils größte Wert der Verteilung ist das sog. Maximum (max).<br />

Der kleinste Wert der Verteilung ist das sog. Minimum (min). Als Mittelwert wird an dieser<br />

Stelle der Median genommen. Der Median teilt die Verteilung in zwei gleichgroße Teile und<br />

reagiert somit, im Gegensatz zum arithmetischen Mittel, nicht auf Ausreißer (vgl. Gehring/Weins<br />

2009, S. 123). Der Abstand zum Mittelwert ergibt sich somit als Differenz zwischen Maximum<br />

und Median bzw. Minimum und Median. Maximum und Minimum werden als Extremwerte<br />

angesehen und durch Hervorhebung kenntlich gemacht.<br />

Durch die Visualisierung der Streuung, wie sie im zweiten Teil des ersten Forschungsschritts<br />

unternommen wird, können die Verteilung und damit auch die vermuteten Zusammenhänge<br />

bildlich dargestellt werden. Somit lassen sich auch Fehlschlüsse für die weitere Arbeit<br />

korrigieren oder Vermutungen untermauern.<br />

Der dritte Teil des ersten Forschungsschritts bildet die Visualisierung der Verteilung der vier<br />

genannten Merkmale auf räumlicher Ebene mittels eines Geografischen Informationssystems<br />

(GIS). Auf diese Weise können die Trends, die von den Streudiagrammen angezeigt werden, auch<br />

räumlich zugeordnet werden. Dazu bedarf es allerdings einer sinnvollen Einteilung bzw.<br />

Klassifizierung der vier Verteilungen. Von daher wird das einfache Verfahren der<br />

Klassenbildung anhand der Quintile gewählt. Auf diese Weise werden für jede Verteilung jeweils<br />

fünf gleichgroße Gruppen gebildet. Somit erhält jeder statistische Bezirk einen Wert zwischen 1<br />

und 5 pro Merkmalsverteilung.<br />

Da ein Zusammenhang zwischen den Merkmalen „Wohndauer unter 5 Jahre“, „Ausländeranteil“,<br />

„Arbeitslose an Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahre“ und „Anteil der über 65-­‐Jährigen an der<br />

Bevölkerung“ vermutet wird, wird dieser im ersten Forschungsschritt anhand des<br />

Korrelationskoeffizienten nach Pearsons (Pearsons r, auch Produkt-­‐Moment-­‐Korrelation<br />

55


genannt) untersucht. Dieses Zusammenhangsmaß eignet sich deswegen, da alle genutzten<br />

Variablen metrisch skaliert sind (vgl. Kuckartz et al.2010, S. 200). Die Korrelation berechnet sich<br />

aus der Kovarianz (kurz: Cov) und der Standardabweichung (kurz: s) der Variablen, deren<br />

Zusammenhang überprüft wird. Durch Pearsons Korrelationskoeffizient kann somit nur der<br />

statistische Zusammenhang zwischen zwei Variablen bzw. Wertepaaren gemessen werden (vgl.<br />

Kellerer 1960, S. 176). Die Ausprägung variiert zwischen -­‐1 und +1, wobei -­‐1 einen stark<br />

negativen Zusammenhang (je mehr, desto weniger) und +1 einen stark positiven<br />

Zusammenhang (je mehr, desto mehr) bedeutet. 0 sagt aus, dass es überhaupt keinen statistisch<br />

messbaren Zusammenhang zwischen den Variablen gibt (vgl. Kühnel/Krebs2010, S. 401).<br />

Allerdings bedeutet eine Korrelation nicht zwingend, dass es einen tatsächlichen inhaltlichen<br />

Zusammenhang, also eine Kausalität, gibt. Ein Beispiel dafür wäre, wenn eine höhere<br />

Geburtenhäufigkeit positiv mit der Storchenpopulation korreliert. Ein inhaltlicher<br />

Zusammenhang ist nicht logisch herzustellen. Die Erklärung für die hohe Korrelation wäre, dass<br />

Storche in ländlichen Regionen leben und dort die Fertilitätsrate höher ist. Somit ist eine<br />

Korrelation ein Hinweis, der ggf. inhaltlich ausgestaltet oder hinterfragt werden muss, um<br />

zweckdienlich zu sein; die Überprüfung geht also von der Korrelation hin zur Kausalität.<br />

Im abschließenden Teil des ersten Forschungsschritts werden die Verteilungspunkte pro Bezirk<br />

aufaddiert. Beim Arbeitslosenanteil, der Fluktuation und dem Ausländeranteil werden die<br />

Punkte steigend zum Anteil vergeben. Das heißt, je höher die Eingruppierung, desto mehr<br />

Punkte gibt es. Beim Indikator „Anteil der über 65-­‐Jährigen an der Bevölkerung“ ist es aufgrund<br />

der theoretischen Vorüberlegungen anders herum, da eine urbane Integrationsschleuse relativ<br />

wenige Senioren beheimatet. Somit werden bei diesem Indikator mit steigendem Anteil weniger<br />

Punkte vergeben. Das Ergebnis ist damit ein additiver Index. Durch den Index erhält jeder<br />

statistische Bezirk einen Wert zwischen 4 und 20 Punkten. Die statistischen Bezirke werden,<br />

geordnet nach den Indexpunkten in fünf gleichgroße Gruppen geteilt und die dadurch gewonnen<br />

Gruppen inhaltlich beschrieben.<br />

3.4.2 Vorgehensweise des zweiten Forschungsschritts<br />

Im zweiten Forschungsschritt steht das Gebiet der urbanen Integrationsschleuse im Mittelpunkt<br />

der Betrachtung. Dazu wird zu Beginn der Bezirk im statistischen Profil vorgestellt 45 .<br />

Anschließend wird über den Indikator „Wohndauer ab 10 Jahren an der jeweiligen Adresse“ die<br />

Sockelbevölkerung untersucht. Er erfasst die Sockelbevölkerung, da davon ausgegangen werden<br />

kann, dass mit einer Wohndauer ab 10 Jahren eine subjektive Identifikation mit dem<br />

45 Statistische Profile aller statistischen Bezirke Mülheims an der Ruhr befinden sich im Anhang 3.3.<br />

56


Wohnquartier besteht und Kontakte zu anderen Bewohnern des Quartiers bereits länger<br />

Bestand haben können. Untersucht wird die Sockelbevölkerung anhand der Variable<br />

Ausländeranteil.<br />

Weiterhin wird die Verteilerfunktion der urbanen Integrationsschleuse anhand der<br />

Wanderungsbewegungen hin zum und fort vom statistischen Bezirk betrachtet. Dazu wird<br />

zuerst die Zuwanderung in den Kategorien „International“, „National“, „Regional“ und<br />

„Innerstädtisch“ untersucht. Die Zu-­‐ und Abwanderer werden anhand der Indikatoren<br />

Ausländeranteil und Alter beschrieben.<br />

Der abschließende Schritt der Untersuchung ist die Beschreibung und Kategorisierung der<br />

innerstädtischen Abwanderungsziele mittels des additiven Index des Forschungsteils 1. Es wird<br />

davon ausgegangen, dass durch einen Wohnortwechsel in einen Bezirk, der einer höheren<br />

Gruppe angehört, ein sozialer Aufstieg einhergeht. Dies ist allerdings nur ein Hinweis und die<br />

Gefahr einer ungültigen Verallgemeinerung ist an dieser Stelle in besonderer Weise gegeben.<br />

Abschließend wird ausgezählt, wie hoch der Anteil derjenigen war, der in ein „statushöheres“<br />

Gebiet gezogen ist.<br />

3.4.3 Alternative Möglichkeiten der Vorgehensweise<br />

Bei der demografischen Segregation ist der Indikator „Anteil der ab 65-­‐Jährigen“ redundant zu<br />

„Anteil der unter 18-­‐Jährigen“. Ersterer schlägt jedoch tendenziell eher bei „reicheren“ Gebieten<br />

an, da dort mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Bewohner, die jetzt Senioren sind, die Stadt in<br />

der Familiengründungsphase nicht verlassen haben, im Gegensatz zu Familien mit mittlerem<br />

und hohem Einkommen. Somit kommt es zu keiner Betrachtung, die von vornherein von<br />

inhaltlich falschen Umständen ausgeht. Der Indikator „Wohndauer unter 5 Jahre an der<br />

jeweiligen Adresse“ wurde deswegen gewählt, weil er einfacher zu kommunizieren ist und<br />

zugleich inhaltlich valide ist, was für die Handlungsempfehlungen von großer Bedeutung ist.<br />

Zur Datenbeschreibung im zweiten Teil des ersten Forschungsschritts hätte auch das<br />

arithmetische Mittel verwendet werden können, was allerdings den Nachteil hat, dass es auf<br />

Ausreißer reagiert. Zudem ist das gewählte einfache Verfahren auch für Fachfremde<br />

nachvollziehbar. Zur Klassifikation der Gebiete könnten multivariate Analysemethoden<br />

herangezogen werden. Statt der Gruppierung nach Quintilen hätten entweder z-­‐Werte<br />

zugeordnet werden können oder entsprechend standardisierte Werte mittels Faktorenanalyse.<br />

Mit diesen hätte zudem auch eine Clusteranalyse durchgeführt werden können. Da es für die<br />

Identifizierung und Untersuchung der urbanen Integrationsschleuse allerdings keine<br />

explorativen Methoden (vgl. zur Z-­‐Standardisierung: Kühnel/Krebs 2010, S. 631; Zur<br />

Faktorenanalyse: Backhaus et al. 2011, S. 330; Zur Clusteranalyse: Bacher/Pöge/Wenzig 2010,<br />

57


S. 22) benötigt, wird auf multivariate Analysemethoden verzichtet. Im zweiten<br />

Forschungsschritt wird das betrachtete Gebiet nur mit der Gesamtstadt verglichen und nicht mit<br />

anderen Gebieten Mülheims, was den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen würde, auch<br />

wenn es durchaus sinnvoll wäre. Die Sockelbevölkerung könnte auch anhand von<br />

armutsbezogenen Daten untersucht werden, um ein klareres Bild ihrer sozialen Situation zu<br />

erhalten, was allerdings aufgrund der verfügbaren Daten nicht möglich ist. Der Index der<br />

Wanderungsanalyse sollte zudem nach dem adressbezogenen Ziel fragen und die Baublöcke<br />

betrachten, die Wanderungsziel sind. Dieses Verfahren wäre zwar sinnvoll, jedoch aufgrund<br />

datenschutzrechtlicher Restriktionen, aufgrund zu geringer Fallzahl, nicht zulässig.<br />

Der Segregationsindikator „Mietpreis pro Quadratmeter“ konnte nicht verwendet werden,<br />

obwohl er für Segregationsprozesse ein zentraler Indikator ist. Leider liegt dieser nicht vor.<br />

3.5 Forschungsteil 1: Ermittlung der urbanen Integrationsschleuse<br />

Um die urbane Integrationsschleuse zu ermitteln, werden im Folgenden fünf Schritte<br />

unternommen. Erstens werden die Daten der vier Merkmale<br />

• Anteil der über 65-­‐Jährigen an der Gesamtbevölkerung,<br />

• Ausländeranteil,<br />

• Wohndauer unter 5 Jahren der Bevölkerung und<br />

• Arbeitslose an Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter<br />

auf Ebene der statistischen Bezirke der Stadt Mülheim an der Ruhr betrachtet. Dazu werden die<br />

vier Merkmale einzeln anhand des Medians und der Spannweite bzw. Minimal-­‐ und<br />

Maximalwerte gesichtet und analysiert. Zudem wird die Streuung der Merkmale paarweise<br />

dargestellt. Somit ergibt sich schon ein erster Eindruck, welches Gebiet die Funktion einer<br />

urbanen Integrationsschleuse innehaben könnte. Anschließend werden diese auf vier<br />

thematischen Stadtkarten geovisualisiert. Daraufhin wird ihr Zusammenhang mittels des<br />

Korrelationskoeffizienten von Pearson überprüft. Der letzte Forschungsschritt des ersten Teils<br />

ist die Klassifizierung der urbanen Integrationsschleuse in Mülheim an der Ruhr anhand eines<br />

additiven Verfahrens. Zuletzt werden die Gebiete mittels ihrer Indexwerte klassifiziert.<br />

58


3.5.1 Datenüberblick<br />

Der erste Schritt zur Ermittlung einer urbanen Integrationsschleuse ist die differenzierte<br />

Betrachtung der vorliegenden Daten. Beim ersten Indikator, „Arbeitslose an der Bevölkerung im<br />

erwerbsfähigen Alter“, zeigt sich eine Spannweite von 15,13 Prozent, die von 0,98 Prozent in<br />

Holthausen-­‐Südost bis zu 16,10 Prozent in Altstadt II Südwest reicht. Der Median der Verteilung<br />

beträgt 6,81 Prozent. Insbesondere der Wert von Altstadt II Südwest ist sehr auffällig.<br />

Beim zweiten Indikator, dem „Ausländeranteil“, beträgt die Spannweite 31,50 Prozent. Dabei ist<br />

der kleinste Wert mit 2,12 Prozent in Holthausen-­‐Südost zu finden und der größte in Altstadt II<br />

Südwest mit 33,65 Prozent. Der Median der Verteilung beträgt 8,93 Prozent. Somit ist, wie beim<br />

ersten Indikator, Altstadt II Südwest das Gebiet mit einem Extremwert, der auf eine urbane<br />

Integrationsschleuse hinweist.<br />

Der demografische Indikator, „Anteil der Bevölkerung ab 65 Jahre“, weist eine Spannweite von<br />

15,60 Prozentpunkten auf. Der geringste Wert findet sich mit 17,36 Prozent in Altstadt II<br />

Südwest, der größte in Holthausen-­‐Südost mit 32,96 Prozent. Der Median liegt bei<br />

24,33 Prozent.<br />

Der Fluktuationsindikator „Wohndauer unter 5 Jahren“ hingegen zeigt wieder ein relativ breit<br />

gestreutes Feld. Die Spannweite beträgt 28,01 Prozent. Die beiden Enden der Streuung bilden<br />

Holthausen-­‐Südost mit 21,23 Prozent als kleinster und Altstadt I Stadtmitte mit 49,24 Prozent<br />

als größter Wert. Der Median der Verteilung beträgt 31,53 Prozent.<br />

59


Arbeitslose an<br />

der Bevölkerung<br />

im<br />

erwerbsfähigen<br />

Alter<br />

Ausländer-­‐<br />

anteil<br />

Bevölkerung<br />

ab 65 Jahre<br />

Wohndauer<br />

unter<br />

5 Jahre<br />

Altstadt I Nordost 8,43% 10,24% 25,95% 33,80%<br />

Altstadt I<br />

Stadtmitte<br />

13,00% 29,84% 19,63% 49,24%<br />

Altstadt I Südost 10,65% 16,30% 25,46% 40,80%<br />

Altstadt I Südwest 5,11% 7,91% 28,33% 42,42%<br />

Altstadt II Nord 6,81% 8,97% 24,62% 28,19%<br />

Altstadt II<br />

Nordost<br />

8,11% 11,46% 23,45% 30,50%<br />

Altstadt II Südost 11,74% 19,00% 19,43% 44,00%<br />

Altstadt II<br />

Südwest<br />

16,10% 33,65% 17,36% 45,04%<br />

Broich-­‐Ost 8,89% 9,22% 25,23% 32,13%<br />

Broich-­‐West +<br />

Waldgebiet<br />

5,62% 7,11% 25,18% 32,05%<br />

Dümpten-­‐Ost 7,87% 8,93% 23,57% 26,24%<br />

Dümpten-­‐West 7,40% 9,93% 24,40% 33,99%<br />

Heißen-­‐Mitte 7,54% 8,68% 22,33% 30,06%<br />

Heißen-­‐Nord 3,20% 3,90% 22,20% 24,56%<br />

Heißen-­‐Süd 4,71% 4,21% 25,68% 25,56%<br />

Holthausen-­‐Nord 2,57% 3,66% 24,25% 25,55%<br />

Holthausen-­‐<br />

Südost<br />

0,98% 2,12% 32,96% 21,23%<br />

Holthausen-­‐West 2,72% 4,42% 22,83% 30,51%<br />

Menden und<br />

Ickten<br />

1,64% 2,34% 31,06% 31,93%<br />

Saarn-­‐Mitte 4,99% 6,34% 21,81% 30,25%<br />

Saarn-­‐Süd 3,21% 2,55% 25,53% 30,52%<br />

Saarn-­‐West 2,50% 3,11% 27,49% 24,11%<br />

Speldorf-­‐Nordost 7,59% 10,68% 24,33% 35,05%<br />

Speldorf-­‐<br />

Nordwest<br />

2,99% 13,78% 21,23% 34,96%<br />

Speldorf-­‐Süd 3,57% 4,36% 28,03% 26,48%<br />

Styrum-­‐Nord 8,87% 15,41% 19,67% 34,22%<br />

Styrum-­‐Süd 9,52% 24,36% 18,18% 31,85%<br />

Tabelle 2: Daten der Indikatoren „Arbeitslose an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter“,<br />

„Ausländeranteil“,„Bevölkerung ab 65 Jahre“ und „Wohndauer unter 5 Jahre“ in Mülheim an der Ruhr auf<br />

Ebene der statistischen Bezirke<br />

60


Aus der Aufstellung wird deutlich, dass bei drei der vier betrachteten Merkmale derselbe<br />

Stadtteil, Altstadt II Südwest, die höchsten Werte erzielt. Zudem sind bei diesem Stadtteil bei<br />

zwei betrachteten Merkmalen auch die Spitzenwerte relative Extremwerte, wenn man den<br />

Median als Lagemaß nimmt. Ein erster Schritt deutet also auf das statistische Viertel Altstadt II<br />

Südwest als urbane Integrationsschleuse hin. Zur Visualisierung der Verteilung und<br />

Überprüfung der Interpretation wird die Verteilung im Folgenden anhand zweier<br />

Streudiagramme visualisiert.<br />

3.5.2 Untersuchung der Verteilung – Streudiagramme<br />

Das erste Streudiagramm zeigt die Streuung der Merkmale „Anteil der über 65-­‐Jährigen an der<br />

Bevölkerung“ und „Ausländeranteil an der Bevölkerung“ auf Ebene der statistischen Bezirke.<br />

Abbildung 3: Streudiagramm Bevölkerungsanteil der über 65-­‐Jährigen und Ausländeranteil<br />

61


Das zweite Streudiagramm zeigt die Streuung der beiden Merkmale „Wohndauer unter 5 Jahren“<br />

der Bevölkerung und „Anteil der Arbeitslosen an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter“.<br />

Abbildung 4: Streudiagramm „Bevölkerung ab 18 Jahren mit einer Wohndauer unter 5 Jahren“ und „Arbeitslose an der<br />

Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahre“ in Mülheim an der Ruhr auf Ebene der statistischen Bezirke<br />

Durch die Streudiagramme wird das Ausmaß des Zusammenhangs der Merkmale in der<br />

Verteilung auch visuell deutlich. Zudem bestätigt sich der Trend zunehmend, dass es sich beim<br />

statistischen Bezirk Altstadt II Südwest um eine urbane Integrationsschleuse handelt, da sie bei<br />

beiden Streudiagrammen das auffälligste Gebiet ist. Beim ersten der beiden Streudiagramme<br />

liefert es den Spitzenwert der deutlichen Ausreißer und bestätigt das Bild, das sich bei der<br />

Datenuntersuchung bereits ergeben hat. Auch beim zweiten Streudiagramm zeigt sich, dass es<br />

sich mit Altstadt I Stadtmitte um den Spitzenwert handelt.<br />

Somit ergibt sich ein offensichtlicher Trend, der jedoch bislang nicht abschließend bestätigt<br />

werden kann. Es kann ebenso der Fall sein, dass es sich bei Altstadt I Stadtmitte und Altstadt II<br />

Südwest jeweils um eine urbane Integrationsschleuse handelt, insbesondere wenn diese direkt<br />

62


aneinandergrenzen. Es wird jedoch weiterhin davon ausgegangen, dass es auf der Ebene der<br />

statistischen Bezirke in Mülheim an der Ruhr nur eine urbane Integrationsschleuse gibt. Um den<br />

räumlichen Zusammenhang zu untersuchen und ob es sich bei Altstadt II Südwest um die<br />

urbane Integrationsschleuse handelt, wird die Verteilung auf vier thematischen Karten<br />

visualisiert.<br />

3.5.3 Untersuchung der Verteilung – GIS<br />

Die Verteilung wird mittels georeferenzierter Daten auf Ebene der statistischen Bezirke von<br />

Mülheim an der Ruhr visualisiert. Dazu wurden für jede Karte bzw. für jeden verwendeten<br />

Indikator fünf gleich große Gruppen gebildet. Die Grenzwerte für die Gruppen orientieren sich<br />

demnach am 20., 40., 60. und 80. Perzentil der Verteilung.<br />

63


Abbildung 5: Karte Anteil der ab 65 Jährigen an der Bevölkerung in Mülheim an der Ruhr<br />

64


Abbildung 6: Karte Anteil Bevölkerung ab 18 Jahre mit einer Wohndauer unter 5 Jahre in Mülheim an der Ruhr<br />

65


Abbildung 7: Ausländeranteil in Mülheim an der Ruhr<br />

66


Abbildung 8: Karte Arbeitslosenanteil an der Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahre in Mülheim an der Ruhr<br />

Es zeigt sich, dass es bei allen Karten einen deutlichen Unterschied zwischen Stadtmitte und<br />

Stadtrandgebiet gibt. Die einzige relative Ausnahme bildet die Karte des Indikators „Anteil der<br />

über 65-­‐Jährigen an der Bevölkerung“. Dort weist die Innenstadt anteilig mehr Einwohner im<br />

Rentenalter auf als die unmittelbar nördlich angrenzenden Gebiete, die in allen anderen<br />

Verteilungen gemeinsam die Spitzengruppe bilden. Es zeigen sich somit zwei Trends: Zum einen<br />

sind die innenstädtischen Gebiete Wohnorte von Einwohnern, die von passiver Segregation<br />

67


etroffen sind, und zum anderen leben in Altstadt I Stadtmitte deutlich mehr Rentner als in<br />

Altstadt II Südwest, was gegen den Charakter einer urbanen Integrationsschleuse spricht.<br />

3.5.4 Statistische Zusammenhangsuntersuchung mittels Pearsons Korrelationskoeffizient<br />

Um einen Zusammenhang zwischen den vier genannten Merkmalen zu untersuchen, werden<br />

diese anhand des Zusammenhangsmaßes Pearsons r beleuchtet. Dieses Zusammenhangsmaß<br />

kann nur bei metrischen Variablen eingesetzt werden und nimmt einen Wert zwischen -­‐1 und<br />

+1 an, wobei -­‐1 einen sehr starken negativen Zusammenhang (je mehr, desto weniger) angibt, 0<br />

gar keinen Zusammenhang und +1 einen sehr starken positiven Zusammenhang (je mehr, desto<br />

mehr).<br />

Wohndauer<br />

unter 5 Jahre<br />

Ausländer-­‐<br />

anteil<br />

Arbeitslose an<br />

der<br />

Bevölkerung<br />

zwischen 18<br />

und 65 Jahre<br />

Anteil der<br />

Bevölkerung<br />

über 65 Jahre<br />

Wohndauer<br />

unter 5 Jahre<br />

Ausländer-­‐<br />

anteil<br />

Arbeitslose<br />

an der<br />

Bevölkerung<br />

zwischen 18<br />

und 65 Jahre<br />

Anteil der<br />

Bevölkerung<br />

über 65 Jahre<br />

1 0,777** 0,740** -­‐0,472*<br />

0,777** 1 0,889** -­‐0,735**<br />

0,740** 0,889** 1 -­‐0,664**<br />

-­‐0,472* -­‐0,735** -­‐0,664** 1<br />

* = beidseitige Signifikanz von 0,5 ** = beidseitige Signifikanz von 0,1<br />

Abbildung 9: Korrelationsmatrix der Merkmale „Wohndauer unter 5 Jahre“, „Ausländeranteil“, „Arbeitslose an der<br />

Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahre“ und „Anteil der Bevölkerung über 65 Jahre“ auf Ebene der statistischen Bezirke<br />

von Mülheim an der Ruhr zum Messzeitpunkt 31.12.2012<br />

Es zeigt sich, dass alle Indikatoren eindeutig miteinander korrelieren: die Wohndauer unter<br />

5 Jahren an der jeweiligen Adresse zu +0,77 mit dem Ausländeranteil und zu +0,74 mit dem<br />

Anteil der Arbeitslosen an der Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahre sowie mit -­‐0,47 mit dem<br />

Anteil der über 65-­‐Jährigen an der Bevölkerung. Zudem korrelieren der Indikator „Arbeitslose<br />

68


an der Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahre mit +0,89 mit dem Ausländeranteil. Der<br />

Ausländeranteil korreliert mit -­‐0,74 negativ mit dem Anteil der über 65 Jährigen. Dieser<br />

wiederum korreliert auch negativ mit -­‐0,66 mit dem Anteil der Arbeitslosen an der Bevölkerung.<br />

Alle Korrelationen sind hochsignifikant. Das bedeutet, dass da, wo die Fluktuation am höchsten<br />

ist, auch die meisten Ausländer leben, die meisten Armen bzw. Arbeitslosen sowie die wenigsten<br />

Einwohner im Rentenalter.<br />

3.5.5 Klassifikation der urbanen Integrationsschleuse<br />

Zur abschließenden Klassifikation der urbanen Integrationsschleuse wird ein einfaches<br />

additives Verfahren verwendet. Dazu werden die Daten, die die fünf gleich großen Gruppen<br />

beinhalten, gruppiert. Das heißt, dass die Gruppe im 1. Quintil der Verteilung den Wert 1<br />

zugeordnet bekommt, im 2. Quintil den Wert 2, im 3. Quintil den Wert 3, im 4. Quintil den Wert 4<br />

und im 5. Quintil der Verteilung den Wert 5. Somit erhält jedes Gebiet für jedes der vier<br />

untersuchten Merkmale einen Wert zwischen 1 und 5. Diese Werte werden dann pro<br />

statistischem Bezirk addiert. Somit ergibt sich ein fiktiver Minimalwert von 4 (1+1+1+1=4) und<br />

ein fiktiver Höchstwert von 20 (5+5+5+5=20). Die Ergebnisse sind in folgender Tabelle<br />

zusammengefasst:<br />

69


Tabelle 3: Indextabelle zur Identifizierung der urbanen Integrationsschleuse in Mülheim an der Ruhr<br />

70


Nur ein statistischer Bezirk erreicht den Spitzenwert von 20 Indexpunkten. Es ist, wie der erste<br />

Trend bereits vermuten ließ, Altstadt II Südwest. Für die weitere Arbeit wird dieses Gebiet<br />

differenzierter betrachtet. Allerdings muss auch dieses Gebiet im Kontext mit den anderen<br />

Gebieten Mülheims untersucht werden. Daher werden die statistischen Bezirke nach den<br />

Quintilen der Indexpunkte kurz typisiert 46.<br />

Beschreibung der quintilsangehörigen Gebieten<br />

Gruppe 1 (4 bis 8 Punkte) Die statistischen Bezirke Mülheims der Gruppe 1 sind an den<br />

südlichen und westlichen Stadträndern zu finden. Sie zeichnen<br />

sich dadurch aus, dass dort eher Reiche, Alte und wenige<br />

Ausländer leben. Sie bilden, bildlich gesprochen, die<br />

„Oberstadt“.<br />

Gruppe 2 (9 und 10 Punkte) Die Gebiete der Gruppe 2 sind in den Innenstadtrandgebieten<br />

verortet. Sie sind zwar nicht im selben Ausmaß als „Oberstadt“<br />

anzusehen, doch sind sie eher Wohnorte von ökonomisch und<br />

sozial Bessergestellten mit tendenziell weniger Kindern.<br />

Gruppe 3 (11 bis 13 Punkte) Die statistischen Bezirke der Gruppe 3 bieten ein heterogenes<br />

Bild. Einige von ihnen liegen an den Stadträndern, andere in den<br />

innenstadtnahen Bereichen. Ihre Sozialstruktur ist ebenfalls<br />

heterogen, und somit ist die Gesamtgruppe 3 eher unauffällig. In<br />

Bezirken, die dieser Gruppe angehören, leben eher Angehörige<br />

der gesellschaftlichen Mittelschicht.<br />

Gruppe 4 (14 Punkte) Die statistischen Bezirke der Gruppe 4 liegen, mit einer<br />

Ausnahme, alle im östlichen Teil der Stadt und vermehrt an den<br />

Stadtrandbereichen. Dort finden sich eine Reihe von sozial<br />

belasteten Haushalten, allerdings auch zahlreiche<br />

mittelständische Haushalte. Somit kann von einer sozialen<br />

Mischung der Gebiete der Gruppe 4 gesprochen werden, auch<br />

wenn es deutliche Anzeichen sozialer Belastung gibt.<br />

Gruppe 5 (15 bis 20 Punkte) Statistische Bezirke, die der Gruppe 5 angehören, liegen<br />

allesamt im nördlichen Teil der Stadt und ziehen sich von der<br />

Innenstadt bis an den nördlichen Stadtrand. Dort finden sich<br />

eine Reihe von sozial belasteten Haushalten, wenige Alte (viele<br />

Kinder) und die meisten Ausländer. Die urbane<br />

Integrationsschleuse Mülheims, Altstadt II Südwest, ist Teil<br />

dieser Gruppe. Man kann die Gruppe 5, bildlich gesprochen, als<br />

„Unterstadt“ bezeichnen.<br />

Abbildung 10: Beschreibung der Quintilsgruppen<br />

46 In den Fällen, in denen die Quintilsgruppengrenze zwei Fälle mit derselben Indexpunktezahl zwei<br />

unterschiedlichen Quintilen zugeordnet hat, wurde dieser inhaltliche Fehler händisch korrigiert.<br />

71


3.6 Forschungsteil 2: Untersuchung der urbanen Integrationsschleuse<br />

Das statistische Gebiet Altstadt II Südwest wurde eindeutig als urbane Integrationsschleuse<br />

identifiziert und wird daher im zweiten Teil der Untersuchung in den Mittelpunkt gestellt. Dazu<br />

wird das Gebiet zu Beginn anhand einschlägiger Daten und Grafiken beschrieben. In einem<br />

zweiten Schritt wird die Sockelbevölkerung, wie in der Forschungshypothese 2 erläutert,<br />

betrachtet. Um die Verteilerfunktion des Bezirks zu untersuchen, wird als Drittes mittels<br />

deskriptiver Verfahren eine Wanderungsanalyse vorgenommen. Den Abschluss bildet eine<br />

Kategorisierung der innerstädtischen Wanderungsziele.<br />

3.6.1 Gebietsprofil Altstadt II Südwest<br />

Der statistische Bezirk Altstadt IISüdwest wird anhand einschlägiger Eckdaten, des<br />

demografischen Aufbaus, der ethnischen Zusammensetzung, der vorhandenen Flächen,<br />

ausgewählter Sozialindikatoren, Fluktuationsklassen und der Anteile der unterschiedlichen<br />

Wohngebäudetypen an allen Wohngebäuden beschrieben.<br />

3.6.1.1 Eckdaten<br />

Einwohner:<br />

Anteil an allen Einwohnern:<br />

Medianalter:<br />

Größte Ausländergruppe:<br />

Ausländeranteil:<br />

Arbeitslose:<br />

Arbeitslosenquote:<br />

Fläche in ha:<br />

Anteil der Fläche:<br />

Innerstädtische Zuwanderung:<br />

Außerstädtische Zuwanderung:<br />

Innerstädtische Abwanderung:<br />

Außerstädtische Abwanderung:<br />

Altstadt II Südwest Mülheim an der Ruhr<br />

6.217<br />

3,77%<br />

40 Jahre<br />

Türken<br />

33,65%<br />

639<br />

16,10%<br />

279,79<br />

3,06%<br />

Tabelle 4: Eckdaten des statistischen Bezirks Altstadt II Südwest und der Gesamtstadt Mülheim an der Ruhr<br />

611<br />

431<br />

682<br />

271<br />

164.895<br />

100%<br />

46 Jahre<br />

Türken<br />

10,63%<br />

7.264<br />

7,21%<br />

9129<br />

100%<br />

/<br />

6745<br />

/<br />

5797<br />

72


Der statistische Bezirk Altstadt II Südwest ist Teil des Stadtteils Eppinghoven und liegt am<br />

nördlichen Rand der Mülheimer Innenstadt. Die größte Ausländerpopulation des Bezirks sind,<br />

wie in der Gesamtstadt, die türkischstämmigen Zuwanderer. Ausländer sind hier Einwohner mit<br />

einer nichtdeutschen Staatsbürgerschaft. Die Arbeitslosigkeit und damit die vermutete Armut im<br />

Bezirk liegt weit über dem gesamtstädtischen Wert. Das Wanderungssaldo der<br />

Wanderungsbewegungen über die Stadtgrenze ist positiv, d.h. es liegen Wanderungsgewinne<br />

vor. Das innerstädtische Wanderungssaldo dagegen ist negativ, d.h. innerstädtisch liegen<br />

Wanderungsverluste vor.<br />

3.6.1.2 Demografisches Profil<br />

Abbildung 11: Demografisches Profil des statistischen Bezirks Altstadt II Südwest und der Gesamtstadt Mülheim an der<br />

Ruhr (eigene Darstellung)<br />

Beim statistischen Bezirk Altstadt II Südwest handelt es sich um einen relativ jungen Stadtteil im<br />

Mülheimer Norden der Innenstadt. Das Medianalter liegt 6 Jahre unter dem gesamtstädtischen.<br />

Dort leben auffällig viele Menschen im erwerbsfähigen Alter, d.h. zwischen 18 und 65 Jahren.<br />

Besonders auffällig ist, dass zudem relativ wenige über 65-­‐Jährige in dem statistischen Bezirk<br />

leben. Der Anteil der Kinder liegt über dem gesamtstädtischen Niveau.<br />

73


3.6.1.3 Ethnisches Profil<br />

Abbildung 12: Ethnisches Profil des statistischen Bezirks Altstadt II Südwest und der Gesamtstadt Mülheim an der Ruhr<br />

(eigene Darstellung)<br />

Die größte Ausländergruppe im statistischen Bezirk Altstadt II Südwest sind Türken. Sie bilden<br />

auch die größte Ausländergruppe in der Gesamtstadt. Danach folgen die beiden ethnischen<br />

Gruppen Amerikaner und asiatische GUS-­‐Migranten, jedoch jeweils mit großem Abstand zur<br />

größten Ausländergruppe 47. Somit gibt es eine dominante Ausländergruppe im Bezirk und<br />

weitere anteilsmäßig kleinere ethnische Gruppen. Der Ausländeranteil im Bezirk liegt mit<br />

33,65 Prozent weit über dem gesamtstädtischen von 10,63 Prozent und ist zudem der höchste<br />

Wert aller statistischen Bezirke.<br />

47 Der Anteil der EU-­‐Ausländer beinhaltet weitere aufgeführte Ausländergruppen und wird aus diesem Grund<br />

inhaltlich nicht beachtet, der Vollständigkeit halber allerdings mit aufgeführt.<br />

74


3.6.1.4 Flächenprofil<br />

Abbildung 13: Flächenprofil des statistischen Bezirks Altstadt II Südwest und der Gesamtstadt Mülheim an der Ruhr<br />

(eigene Darstellung)<br />

Altstadt II Südwest ist ein sehr dicht bebautes Wohngebiet, fast ohne Erholungsflächen. Die Ruhr<br />

streift das Gebiet, was den Anteil der Wasserfläche erklärt. Verkehrsflächen weisen mit gut<br />

18 Prozent Anteil die zweitgrößte Flächennutzung auf. Vereinzelt finden sich in diesem Bezirk<br />

auch Betriebe bzw. Betriebsflächen. Ein Vergleich mit der Gesamtstadt ist aufgrund der<br />

mangelnden inhaltlichen Vergleichbarkeit der Flächenprofile nicht zielführend.<br />

75


3.6.1.5 Soziales Profil<br />

Abbildung 14: Soziales Profil des statischen Bezirks Altstadt II Südwest und der Gesamtstadt Mülheim an der Ruhr<br />

(eigene Darstellung)<br />

Im statistischen Bezirk Altstadt II Südwest leben im Vergleich zum städtischen Durchschnitt<br />

sehr viele Arbeitslose. Der Anteil der Haushalte an allen Haushalten mit Kindern ist mit fast<br />

25 Prozent ebenso als sehr hoch anzusehen. In etwa jedem fünften Haushalt in diesem Gebiet<br />

lebt mindestens ein Kind. In diesem Bezirk ist somit die Wahrscheinlichkeit, dass mehrere<br />

soziale Probleme gleichzeitig auftreten relativ hoch.<br />

76


3.6.1.6 Wanderungsprofil<br />

Abbildung 15: Wanderungsprofil des statistischen Bezirks Altstadt II Südwest und der Gesamtstadt Mülheim an der Ruhr<br />

(eigene Darstellung)<br />

Die Fluktuation im statistischen Bezirk Altstadt II Südwest ist relativ hoch. Mehr als ein Fünftel<br />

der Bevölkerung wechselt rechnerisch innerhalb der ersten drei Jahre mindestens einmal die<br />

Adresse, mehr als die Hälfte binnen zehn Jahren. Insbesondere die Wohndauer unter 3 Jahren ist<br />

überdurchschnittlich hoch. Dies spricht dafür, den Bezirk als Durchgangsstation anzusehen.<br />

Gleichzeitig deutet es darauf hin, dass die Herausbildung tragfähiger informeller<br />

nachbarschaftlicher Beziehungen relativ schwierig sein könnte. Jedoch gibt es offensichtlich<br />

auch einen Anteil der Bevölkerung, der nicht häufig umzieht, also sozial im Bezirk „verwurzelt“<br />

ist. Die Fluktuation nimmt, auch im Vergleich zu den gesamtstädtischen Werten, mit<br />

zunehmender Wohndauer ab.<br />

77


3.6.2 Untersuchung der Sockelbevölkerung<br />

Eine urbane Integrationsschleuse ist geprägt von hoher Fluktuation, wie schon der erste<br />

Forschungsschritt gezeigt hat. Für den Integrationsprozess, insbesondere für Migranten, ist es<br />

wichtig, einen ersten Anlaufpunkt und Bekanntschaften in der neuen Umgebung zu haben. Dabei<br />

helfen verwandtschaftliche und soziale Netzwerke, die das Ankommen begleiten. Es ist also<br />

hilfreich, eine Art Brückenkopf im Quartier zu haben: Menschen, die zur selben sozialen Gruppe<br />

gehören, z.B. türkischstämmige Einwanderer, die sich vor Ort auskennen und dort bereits<br />

verwurzelt sind. Besonders unterstützend ist es, wenn sie selbst Arbeits-­‐ und<br />

Wohnmöglichkeiten zur Verfügung stellen können. Durch Rat und informelle Hilfeleistungen<br />

geben sie den Neuankömmlingen Orientierung und sozialen Halt. Zu messen ist die<br />

Sockelbevölkerung durch die Wohndauer, die in diesem ansonsten sehr von Fluktuation<br />

geprägten Gebiet mehr als 10 Jahre beträgt. Mit dem vorliegenden Material wird außerdem der<br />

Ausländeranteil der Sockelbevölkerung sichtbar.<br />

Abbildung 16: Sockelbevölkerung – Bevölkerungs-­‐ und Ausländeranteil (eigene Darstellung)<br />

Die Sockelbevölkerung der urbanen Integrationsschleuse Altstadt II Südwest ist deutlich kleiner<br />

als die der gesamtstädtischen Bevölkerung. Jeder zweite Mülheimer hat eine Verweildauer von<br />

mindestens 10 Jahren an derselben Adresse, in der urbanen Integrationsschleuse nur jeder<br />

Dritte. Der Ausländeranteil derjenigen, die seit 10 Jahren und mehr an derselben Adresse leben,<br />

beträgt auf der gesamtstädtischen Ebene gut 5 Prozentpunkte. In Altstadt II Südwest ist er mit<br />

gut 20 Prozentpunkten viermal so hoch.<br />

78


Im Vergleich ist der Ausländeranteil der Gesamtstadt fünf Prozentpunkte höher als jener der<br />

gesamtstädtischen Sockelbevölkerung. In Altstadt II Südwest ist der Ausländeranteil<br />

15 Prozentpunkte höher als der der Sockelbevölkerung allein, was die Wahrscheinlichkeit<br />

informeller ethnischer Netzwerke erhöht.<br />

Abbildung 17: Karte der Sockelbevölkerung<br />

79


3.6.3 Untersuchung der Wanderungen<br />

Mobilität als urbanes Merkmal ist in unterschiedlicher Form zu begreifen. Alltägliche Mobilität<br />

umfasst z.B. die Entfernung vom Wohnort zum Arbeitsplatz, die zurückgelegt werden muss.<br />

Zudem gibt es auch Mobilität durch Wanderung, die sich in Form von Zu-­‐ und Fortzügen<br />

niederschlägt. Im Kontext städtischer Integration ist es zumal interessant,welches die<br />

Wanderungsquell-­‐ und Wanderungszielgebiete sind. Hierbei ist in internationale, nationale,<br />

regionale, innerstädtische und Binnenbezirks-­‐Zu-­‐ und Fortwanderung zu unterscheiden, wie die<br />

folgende Übersicht in Bezug auf die vorliegende Arbeit beschreibt:<br />

Wanderungsart Quell-­‐ oder Zielgebiet<br />

International Außerhalb Deutschland<br />

National Innerhalb Deutschland;<br />

außerhalb von NRW<br />

Regional Innerhalb von NRW;<br />

außerhalb von Mülheim an der Ruhr<br />

Innerstädtisch Innerhalb von Mülheim an der Ruhr;<br />

außerhalb Altstadt II Südwest<br />

Innerbezirk Innerhalb von Altstadt II Südwest<br />

Tabelle 5: Wanderungsart und Erläuterung zum Quell-­‐ und Zielgebiet<br />

Da erwartet wird, dass die urbane Integrationsschleuse eine Art „Verteilerfunktion“ innehat,<br />

wird diese anhand der einschlägigen vier Wanderungskategorien „Internationale<br />

Zuwanderung“, „Nationale Zuwanderung“, „Regionale Zuwanderung“ und „Innerstädtische<br />

Abwanderung“ untersucht. Dazu werden die einzelnen Werte in Relation zur<br />

Gesamtbevölkerung des betrachteten Gebiets gesetzt.<br />

80


Abbildung 18: Verteilerfunktion – Altstadt II-­‐Südwest und Mülheim an der Ruhr (eigene Darstellung)<br />

Der grafischen Darstellung ist klar zu entnehmen, dass alle Werte von Altstadt II Südwest über<br />

dem gesamtstädtischen Mittel liegen, was für eine Verteilerfunktion dieses Quartiers spricht.<br />

Bei der differenzierten Betrachtung der vier Gruppen fällt auf, dass die internationale<br />

Zuwanderung zwar mit gut 2 Prozentpunkten relativ gering ist, aber den gesamtstädtischen<br />

Wert weit übertrifft. Die Zahl ist dahin gehend zu interpretieren, dass 2,27 Prozent derjenigen,<br />

die im Mittel 2009 und 2010 in Altstadt II Südwest gelebt haben, im selben<br />

Beobachtungszeitraum dorthin zugezogen sind.<br />

Auch bei der Zuwanderung aus Deutschland, ohne Nordrhein-­‐Westfalen, liegt Altstadt II<br />

Südwest zwar auf niedrigem Niveau, aber dennoch über dem gesamtstädtischen Wert.<br />

Das Niveau der regionalen Zuwanderung in das jeweils betrachtete Gebiet ist in Altstadt II<br />

Südwest ebenfalls höher als das gesamtstädtische.<br />

81


Die innerstädtische Abwanderung, d.h. der Anteil derjenigen, die im Betrachtungszeitraum<br />

durch Abwanderung und Umzug den statistischen Bezirk verlassen haben, ist bei Altstadt II<br />

Südwest auf einem deutlich höheren Niveau als in der Gesamtstadt.<br />

Zusammengefasst kann somit gesagt werden, dass verhältnismäßig viele Menschen von<br />

außerhalb nach Altstadt II Südwest zuziehen. Ebenso wandern verhältnismäßig viele Menschen<br />

von Altstadt II Südwest in einen anderen statistischen Bezirk ab. In allen Bereichen liegen die<br />

Werte deutlich über dem städtischen Mittel.<br />

Nachdem davon ausgegangen werden kann, dass die Verteilerfunktion gegeben ist, wird nun<br />

untersucht, wer „verteilt“ wird. Dazu werden die Zu-­‐ und Fortziehenden des statistischen<br />

Bezirks Altstadt II Südwest anhand ihrer Altersgruppe klassifiziert und eingeordnet. Dafür dient<br />

folgende Übersicht:<br />

Altersgruppe Wanderungsgruppe<br />

Unter 18 Jahre Familienwanderung<br />

18 bis 25 Jahre Bildungswanderung<br />

26 bis 35 Jahre Familien-­‐ und/oder Arbeitswanderung<br />

36 bis 65 Jahre Arbeitswanderung<br />

Über 65 Jahre Alterswanderung<br />

Tabelle 6: Alters-­‐ und Wanderungsgruppen<br />

Diese Kategorisierung in Wanderungsgruppen ist ausschließlich theoretischer Art. Die Motive,<br />

die zur Wanderung führten, sind nicht flächendeckend durch Befragungen erfasst worden.<br />

Vielmehr orientiert sich diese Einteilung an aktuellen Befunden der Demografieforschung (vgl.<br />

Bertelsmann Stiftung 2012). Wie groß die Altersgruppe an der jeweiligen Wanderungsgruppe<br />

ist, zeigt die folgende Grafik:<br />

82


Abbildung 19: Altersgruppen der wandernden Bevölkerung (eigene Darstellung)<br />

Bei den Zuziehenden aus dem Ausland gibt es niemanden, der im Rentenalter zugezogen ist. Die<br />

Gruppe der 18-­‐ bis 24-­‐Jährigen ist mit über 40 Prozent eindeutig die größte, gefolgt von fast<br />

40 Prozent der 25-­‐ bis 45-­‐Jährigen. Die Gruppe derjenigen, die aus Deutschland (ohne NRW) in<br />

den Bezirk zuwandern, ist ebenfalls jung, dennoch überwiegt der Anteil derjenigen, die zwischen<br />

25 und 45 Jahre alt sind. Die regionale Zuwanderung, d.h. aus NRW, ist ähnlich gestaffelt wie die<br />

nationale Zuwanderung. Bei den innerstädtischen Fortzügen liegen die Altersgruppen der unter<br />

18-­‐Jährigen und der 18-­‐ bis 25-­‐Jährigen gleichauf. Die größte Gruppe ist die der 25-­‐ bis 45-­‐<br />

Jährigen. Auch Senioren verlassen den Bezirk, auch wenn sie die kleinste Gruppe der<br />

Wandernden bilden.<br />

Die Verteilerfunktion der urbanen Integrationsschleuse ist Ausdruck dafür, dass dort die<br />

„Platzkarte“ für das Leben in der neuen Umgebung entscheidend mitvergeben wird. Die<br />

bisherige Betrachtung hat gezeigt, dass dort die Wanderungsbewegungen auf die Funktion und<br />

Rolle einer urbanen Integrationsschleuse hindeuten. Um dies näher zu untersuchen, werden nun<br />

die Wanderungsziele der innerstädtischen Abwanderung untersucht.<br />

83


3.6.4 Untersuchung der innerstädtischen Wanderungsziele<br />

Um sozialen Aufstieg durch Fortzug und damit die vermutete grundlegende Funktion einer<br />

urbanen Integrationsschleuse zu messen, werden die innerstädtischen Wanderungsziele, wenn<br />

sie außerhalb von Altstadt II Südwest liegen, betrachtet. Dafür werden die Gruppen aus den<br />

Indexwerten aus dem Forschungsschritt I hinzugezogen. Der Anteil derjenigen, die von Altstadt<br />

II Südwest, einem Gebiet mit 20 Indexpunkten und Teil der Gruppe 5, in ein Gebiet mit maximal<br />

14 Indexpunkten, also nicht Teil der Gruppe 5, ziehen, wird aufaddiert (siehe Abschnitt 3.3.5),<br />

sodass das Ergebnis zeigt, wie hoch der Anteil derjenigen ist, die die urbane<br />

Integrationsschleuse verlassen haben und dafür in ein „besseres“ Gebiet gezogen sind.<br />

Anteil der Umzüge in ein Gebiet der Gruppen<br />

1 bis 4<br />

Anteil der Umzüge in ein Gebiet mit der Gruppe<br />

5<br />

64,30 % 35,70%<br />

Tabelle 7: Anteil der Umzüge in ein Gebiet der Gruppen 1 bis 4 sowie Anteil der Umzüge in ein Gebiet der Gruppe 5<br />

Das Ergebnis des additiven Verfahrens zeigt, dass 64,30 Prozent derjenigen, die im Mittel 2009<br />

und 2010 Altstadt II Südwest verlassen haben, in ein statushöheres Gebiet mit maximal 14<br />

Indexpunkten gezogen sind, was als Zeichen des sozialen Aufstiegs interpretiert werden kann 48.<br />

48 Allerdings ist dies nur ein Hinweis und sollte idealerweise auf kleinräumiger Ebene, d.h. Blockdatenebene noch<br />

einmal überprüft werden. Sozialer Aufstieg sollte zudem idealerweise mit einer Statusänderung von eventuellen<br />

Transferleistungen oder gestiegenen Äquivalenzeinkommen des wandernden Haushaltes gemessen werden, was aus<br />

datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich ist.<br />

84


Zusammenfassung: Abschnitt 3<br />

• Mülheim an der Ruhr ist das Praxisbeispiel, in dem das Konzept der urbanen<br />

Integrationsschleuse untersucht wird.<br />

• Die erste Forschungshypothese geht davon aus, dass es ein identifizierbares Gebiet<br />

gibt, das das Profil einer urbanen Integrationsschleuse im Mülheimer Kontext<br />

aufweist. Sie hat die höchsten Werte in den Kategorien Soziale, Demografische und<br />

Ethnische Segregation sowie Fluktuation. Zur Untersuchung der ersten<br />

Forschungshypothese wurden einschlägige Daten beschrieben, geovisualisiert und<br />

ein additiver Index gebildet. Durch ihn konnte Altstadt II Südwest als urbane<br />

Integrationsschleuse identifiziert werden.<br />

• Die zweite Forschungshypothese geht davon aus, dass es eine Sockelbevölkerung in<br />

der urbanen Integrationsschleuse gibt. Diese Teilgruppe hat eine Wohndauer über<br />

zehn Jahre. Sie hat einen höheren Ausländeranteil als die der Gesamtstadt und ihr<br />

Anteil ist kleiner als der der Gesamtstadt. Zur Untersuchung der Sockelbevölkerung<br />

wurde ihr Anteil, in Gegenüberstellung zum gesamtstädtischen Niveau, dargestellt<br />

und zudem geovisualisiert.<br />

• Die dritte Forschungshypothese geht davon aus, dass es eine höhere Zuwanderung in<br />

die urbane Integrationsschleuse gibt und zugleich eine höhere innerstädtische<br />

Abwanderung. Mindestens zwei Drittel der innerstädtischen Fortzüge haben Gebiete<br />

eines höheren sozialen Status zum Ziel und so kann auf einen sozialen Aufstieg der<br />

fortziehenden Bevölkerung geschlossen werden der sich räumlich niederschlägt. Die<br />

dritte Forschungshypothese wurde anhand der Wanderungsbewegungen<br />

„internationale Zuwanderung“, „nationale Zuwanderung“, „regionale Zuwanderung“<br />

und „innerstädtische Wegzüge“ untersucht. Die Wanderungsziele wurden anhand<br />

der Indexwerte zur Überprüfung der ersten Forschungshypothese eingeordnet.<br />

85


4 Auswertung und Übertragung der Forschungsergebnisse auf<br />

kommunalpolitische Handlungsfelder<br />

Nach der theoretischen Konzeption der urbanen Integrationsschleuse und ihrer empirischen<br />

Überprüfung am Praxisbeispiel Mülheim an der Ruhr werden im vierten Abschnitt die<br />

Forschungshypothesen den Ergebnissen aus dem dritten Abschnitt gegenübergestellt und<br />

inhaltlich interpretiert. Zudem werden die Erkenntnisse in konkrete kommunalpolitische<br />

Handlungsempfehlungen übersetzt, die sich an den obengenannten Politikbereichen (siehe<br />

Abschnitt 2) orientieren. Jede Handlungsempfehlung wird mit einem Praxisbeispiel<br />

veranschaulicht. Auch wenn die genannten Beispiele nicht vorbehaltlos auf andere Kontexte<br />

übertragen werden können, zeigen sie dennoch, was mit politischem Willen und Engagement<br />

umgesetzt werden kann. Den Abschluss bildet das Fazit, in dem die Ergebnisse dieser Arbeit<br />

zusammengetragen werden. Ein Ausblick auf mögliche weiterführende Arbeiten sowie eine<br />

Stellungnahme des Autors zum bearbeiteten Thema runden die Ausführungen ab.<br />

4.1 Überprüfung der Forschungshypothesen<br />

Zur Überprüfung der eingangs aufgestellten Forschungshypothesen werden diese jeweils<br />

inhaltlich wiederholt und mit den Forschungsergebnissen verglichen. Die drei Teilergebnisse<br />

werden jeweils inhaltlich erläutert und in den Kontext des Konzepts der urbanen<br />

Integrationsschleuse gestellt.<br />

4.1.1 Forschungshypothese 1 – Identifikation der urbanen Integrationsschleuse<br />

Inhaltliche Aussage<br />

Die Forschungshypothese 1 geht davon aus, dass es ein identifizierbares städtisches Teilgebiet<br />

gibt, das die Funktion einer urbanen Integrationsschleuse innehat. Diese weist die höchsten<br />

Bevölkerungsanteile auf, die von passiver sozialer, ethnischer und demografischer Segregation<br />

betroffen sind. Zudem sind für die urbane Integrationsschleuse Spitzenwerte hinsichtlich der<br />

Fluktuationsrate zu verzeichnen (vgl. Abschnitt 3.3.5).<br />

Ergebnis der Überprüfung<br />

Die Annahme wurde in allen Aspekten bestätigt. Zur Ermittlung wurden fünf Forschungsschritte<br />

unternommen, die in einem additiven Index mündeten. Mit diesem Index wurde die urbane<br />

Integrationsschleuse Altstadt II Südwest als einzige ihrer Art in Mülheim identifiziert. Das Gebiet<br />

86


erreichte (als einziger statistischer Bezirk) sogar den Spitzenwert von 20 möglichen<br />

Indexpunkten.<br />

4.1.2 Forschungshypothese 2 – Untersuchung der Sockelbevölkerung<br />

Inhaltliche Aussage<br />

Die Forschungshypothese zwei geht davon aus, dass es in der urbanen Integrationsschleuse eine<br />

Sockelbevölkerung gibt, die das Ankommen der Zuwanderer organisiert und somit als<br />

Brückenkopf für sie fungiert.<br />

Ergebnis der Überprüfung<br />

Die zweite Forschungshypothese wurde bestätigt. Die Sockelbevölkerung von Altstadt II<br />

Südwest ist gut 15 Prozentpunkte kleiner als die Sockelbevölkerung der Gesamtstadt. Bei der<br />

differenzierten Betrachtung der Sockelbevölkerung sind zwei weitere Punkte festzustellen:<br />

Erstens ist der Ausländeranteil der Sockelbevölkerung höher als der Ausländeranteil derjenigen,<br />

die auf gesamtstädtischen Niveau seit mindestens 10 Jahren an der jeweiligen Adresse leben.<br />

Zweitens ist der Ausländeranteil der Sockelbevölkerung in Altstadt II Südwest geringer als der<br />

Ausländeranteil der gesamten Bevölkerung in Altstadt II Südwest.<br />

4.1.3 Forschungshypothese 3 – Untersuchung der Verteilerfunktion<br />

Inhaltliche Aussage<br />

Die dritte Forschungshypothese geht davon aus, dass die urbane Integrationsschleuse eine<br />

Verteilerfunktion innehat. Die Zuwanderung von außerhalb Mülheims in die urbane<br />

Integrationsschleuse liegt in allen drei Kategorien, also internationale, nationale und regionale<br />

Zuwanderung, über dem gesamtstädtischen Niveau. Die innerstädtische Abwanderung in einen<br />

anderen statistischen Bezirk liegt ebenso über dem gesamtstädtischen Niveau. Zudem deutet<br />

das Wanderungsmuster darauf hin, dass zwei Drittel derjenigen, die durch einen<br />

innerstädtischen Umzug das Gebiet verlassen, einen sozialen Aufstieg erleben, der sich durch<br />

Fortzug in einen ökonomisch und/oder sozial bessergestellten Stadtbezirk ausdrückt.<br />

Ergebnis der Überprüfung<br />

Die dritte Forschungshypothese ist ebenfalls angenommen. Nach Altstadt II Südwest als urbane<br />

Integrationsschleuse ziehen anteilig und bezogen auf die Gesamtstadt mehr Menschen von<br />

außerhalb Mülheims zu. Ebenso verlassen auch überdurchschnittlich viele Menschen den Bezirk<br />

durch einen innerstädtischen Umzug. Auch die Annahme, dass bei der Mehrheit von mindestens<br />

87


zwei Drittel der Fortziehenden ein sozialer Aufstieg stattgefunden hat, kann angenommen<br />

werden, wie die Kategorisierung der innerstädtischen Wanderungsziele zeigt.<br />

4.2 Inhaltliche Interpretation der Forschungsergebnisse<br />

Es zeigt sich, dass sich das Konzept der urbanen Integrationsschleuse bestätigt hat. Das ist<br />

deswegen bemerkenswert, weil es zeigt, dass ein Stadtgebiet, indem relativ viele von passiver<br />

sozialer Segregation betroffene Menschen leben, eine wichtige gesamtstädtische Funktion und<br />

Rolle innehaben kann. In der urbanen Integrationsschleuse findet der Integrationsprozess in die<br />

neue Umwelt seinen Anfang.<br />

Doch sind solche Gebiete keine Blackbox, sondern sie weisen spezielle Charakteristika auf. Eines<br />

dieser Charakteristika ist die vorhandene Sockelbevölkerung. In ihrer ethnischen Ausprägung<br />

unterscheidet sie sich eindeutig von der gesamtstädtischen Bevölkerung mit einer Wohndauer<br />

von mindestens 10 Jahren an der jeweiligen Adresse. Vermutlich sind die ausländischen Bürger<br />

mit einer Wohndauer von mindestens 10 Jahren an der jeweiligen Adresse in der urbanen<br />

Integrationsschleuse auch diejenigen, die das Ankommen neuer Zuwanderer mitorganisieren.<br />

Dafür spricht zum einen, dass sie nach wie vor keine deutschen Staatsbürger sind, obwohl sie<br />

seit mindestens 10 Jahren an der gleichen Adresse leben. Dies ist ein Hinweis auf eine<br />

bestehende Identifikation mit dem Migrationsquellgebiet 49. Zum anderen ist die internationale<br />

Zuwanderung in die urbane Integrationsschleuse höher als im gesamtstädtischen Durchschnitt.<br />

Aber nicht nur die internationale, sondern auch die nationale und die regionale<br />

Zuwanderungsrate sind in der urbanen Integrationsschleuse deutlich überdurchschnittlich<br />

hoch. Auch dies spricht für ihre Verteilerfunktion. Für ausländische Zuziehende sowie für<br />

Bildungs-­‐ und Arbeitswanderer ist diese Zone der erste Anlaufpunkt. Zudem ziehen ebenfalls<br />

Ausländer, die bereits in einer anderen Stadt im Auswanderungsland gelebt haben, sich dort<br />

aber nicht sozial oder ökonomisch etablieren konnten, unter Umständen in dieses Gebiet. Auch<br />

Wanderung aufgrund von Familiengründung, z.B. durch Geburt eines Kindes, ist zu<br />

berücksichtigen. Weiterhin ist zu vermuten, dass es in diesem Gebiet relativ unkompliziert und<br />

für Ausländer ohne Diskriminierung möglich ist, Wohnraum zu mieten.<br />

Das alles macht die urbane Integrationsschleuse zugleich auch zum urbanen Experimentierfeld<br />

für Neues in der Stadt, und sie ist somit von Interesse für die kreative Klasse und Studierende.<br />

Zwar ist Mülheim an der Ruhr keine klassische Universitätsstadt, doch liegen die Universitäten<br />

49 Dies könnte auch als Zeichen dafür interpretiert werden, dass Menschen trotz langer Wohndauer im Zuzugsland die<br />

Staatsbürgerschaft verwehrt wird.<br />

88


Duisburg-­‐Essen, Bochum, Düsseldorf und Dortmund nicht weit entfernt. Dazu kommen noch<br />

Fachhochschulen, u.a. auch in Mülheim an der Ruhr selbst.<br />

Außerdem ist davon auszugehen, dass die Wohnungen im betrachteten Gebiet in einem relativ<br />

schlechten Zustand sind, was sich wiederum auf die Miethöhe auswirken kann. Dadurch wird<br />

das Wohnen dort für Studierende, Arbeitssuchende und Künstler nicht nur interessant, sondern<br />

auch finanzierbar.<br />

Die urbane Integrationsschleuse ist somit nicht nur ein Ort der Integration für Ausländer,<br />

sondern ebenso für weitere Zuwanderergruppen wie Arbeits-­‐ und Bildungswanderer. Durch die<br />

beobachtete relativ geringe Wohndauer an der jeweiligen Adresse und die innerstädtische<br />

Fortzugsrate hat sich zudem die Vermutung der Verteilerfunktion der urbanen<br />

Integrationsschleuse bestätigt. Knapp zwei Drittel derjenigen, die im Beobachtungszeitraum den<br />

statistischen Bezirk dieser Untersuchung verlassen haben, sind in einen Bezirk gezogen, der ein<br />

sozial besseres Profil aufweist. Das bedeutet aber ebenfalls, dass ein Drittel in einen Bezirk<br />

fortgezogen ist, der vermutlich eine gleich hohe Anzahl sozial schwächerer Haushalte<br />

beheimatet.<br />

4.3 Kommunalpolitische Handlungsempfehlungen<br />

Urbane Integrationsschleusen bringen für kommunale Entscheidungsträger eine Reihe von<br />

Herausforderungen mit sich. Um ihnen gerecht zu werden und die Funktion solcher Stadtgebiete<br />

zu unterstützen, bedarf es passgenauer Lösungen vor Ort. Der Umgang mit urbanen<br />

Integrationsschleusen ist primär Aufgabe der kommunalen Ebene. Folgende Punkte können<br />

dabei einen adäquaten Umgang mit solchen Gebieten erschweren:<br />

• Politische Entscheidungen für urbane Integrationsschleusen wirken sich zumeist in<br />

längeren Zeiträumen aus als innerhalb einer Wahlperiode. Somit ist es für politische<br />

Akteure relativ unattraktiv, ein erhöhtes Engagement für diese Gebiete aufzubringen.<br />

• In urbanen Integrationsschleusen leben relativ wenige stimmberechtigte Bürger, was zu<br />

einer mangelnden Artikulation politischer Interessen führt.<br />

• Einige Kommunen (insbesondere im Ruhrgebiet und in strukturschwachen Regionen)<br />

haben finanzielle Probleme, sodass teure Projekte von der Kommune nicht allein<br />

finanziert werden können.<br />

• Durch eine Unterstützung der Schleusenfunktion werden keine raumbezogenen<br />

messbaren Verbesserungen erreicht, da Bewohner, die einen sozialen Aufstieg erleben,<br />

das Gebiet wieder verlassen und durch weitere „Arme“ wieder „ersetzt“ werden. Somit<br />

ist eine öffentliche Präsentation von Erfolgen nicht breitenwirksam möglich.<br />

89


Für Mülheim an der Ruhr werden im Folgenden in vier Handlungsfeldern konkrete<br />

Handlungsempfehlungen abgegeben und mit Praxisbeispielen verdeutlicht. Dabei steht der<br />

statistische Bezirk Altstadt II Südwest im Fokus der Betrachtung. Das bedeutet jedoch nicht, dass<br />

Entwicklungen auf gesamtstädtischer Ebene keine Rolle für dieses Quartier spielen können.<br />

Die vorgeschlagenen Handlungsempfehlungen machen, aus praktischer Sicht, die Bandbreite der<br />

miteinander verknüpften Themen deutlich. Zudem wird durch die Übertragung der<br />

Forschungsergebnisse in konkrete Handlungsempfehlungen die Aktualität des Themas sichtbar.<br />

4.3.1 Handlungsfeld 1: Beschäftigungs-­‐ und Wirtschaftsförderung<br />

Dem Handlungsfeld Wirtschafts-­‐ und Beschäftigungsförderung wird die größte Bedeutung<br />

beigemessen, da davon ausgegangen wird, dass Integration primär über den Arbeitsmarkt<br />

erreicht wird. Durch Arbeit wird ökonomisches Kapital erwirtschaftet, das erst die soziale und<br />

ökonomische Teilhabe an der Mehrheitsgesellschaft ermöglicht. Arbeitsmarktpolitik ist keine<br />

originäre Aufgabe der Kommune und wird, mit Ausnahme der Aufgabenerfüllung als<br />

Optionskommune, von der Bundesebene geregelt. Allerdings kann eine Kommune zu<br />

wirtschaftsförderlichen Rahmenbedingungen beitragen. An diesem Punkt setzt die<br />

Handlungsempfehlung zur Beschäftigungs-­‐ und Wirtschaftsförderung an.<br />

Um die wirtschaftliche Beschäftigung im Bezirk zu fördern, bedarf es vonseiten der Kommune<br />

einer Mehrebenenstrategie. Zum einen muss zwischen lang-­‐ und kurzfristigen Möglichkeiten der<br />

Wirtschafts-­‐ und Beschäftigungsförderung unterschieden werden. Zum anderen müssen die<br />

unterschiedlichen Potenziale der Bewohner, Zu-­‐ und Abwanderer berücksichtigt werden 50.<br />

Da nicht zu erwarten ist, dass sich durch Arbeitgeber und Investoren von außerhalb in<br />

absehbarer Zukunft etwas an der Beschäftigungssituation im Quartier ändert, wird auf die<br />

Potenziale der Bewohner gebaut. Es sind somit oftmals keine wissensintensiven Arbeitsplätze,<br />

die geschaffen werden könnten. Doch bieten sie Auskommen, schaffen Humanvermögen und<br />

können beim Integrationsprozess unterstützend wirken. Es empfiehlt sich, langfristige und<br />

kleinteilige Förderung sowie Leuchtturmprojekte nebeneinander zu initialisieren.<br />

50 Grundsätzlich wäre es wünschens-­‐ und förderungswert, wenn große Arbeitgeber sich im Quartier niederlassen und<br />

Bewohner aus Altstadt II Südwest anstellen würden. Allerdings ist das ein Teil der gesamtstädtischen Förderung und<br />

findet in der Handlungsempfehlung zur Wirtschafts-­‐ und Beschäftigungsförderung keinen Niederschlag.<br />

90


4.3.1.1 Handlungsempfehlung zur Beschäftigungs-­‐ und Wirtschaftsförderung<br />

Leuchtturmprojekt: Existenzgründerhaus<br />

Für alle potenziellen Erwerbstätigen in Altstadt II Südwest wäre die Einrichtung eines<br />

Existenzgründerhauses mit flankierenden Angeboten wie Concierge, Gründungsberatung und<br />

Coaching, flexibler Büronutzung, gemeinsamer Öffentlichkeitsarbeit und geteilter<br />

Infrastrukturnutzung vorteilhaft. Gering Qualifizierte könnten so in Ladenlokalen des<br />

Existenzgründerhauses Kleinstgewerbebetriebe eröffnen, wie z.B. eine Werkstatt für Fahrräder<br />

oder Elektrokleingeräte. Büroflächen könnten von Start-­‐up-­‐Unternehmen genutzt werden, wie<br />

z.B. Hausmeisterserviceangebote oder haushaltsnahe Dienstleistungen. Auch für<br />

wissensintensive Dienstleistungen, wie Web-­‐Designer, wäre ein solches Existenzgründerhaus<br />

von Interesse. Eine Kooperation mit den Universitäten und/oder Fachhochschulen der Region<br />

kann zudem beschäftigungsfördernd wirken. Zudem sollten Teile des Existenzgründerhauses als<br />

Co-­‐Working-­‐Arbeitsplätze organisiert werden. Das heißt, dass dort Arbeitsplätze auch für<br />

einzelne Tage angemietet werden können. Ein solches Existenzgründerhaus, das auch die<br />

Belange gering qualifizierter Arbeitskräfte berücksichtigt, kann als Leuchtturmprojekt eine<br />

Strahlkraft für den gesamten Bezirk entfalten. Co-­‐finanziert werden kann ein solches Haus mit<br />

Fördermitteln von Europäischer Union, Bund und Land.<br />

Langfristige Maßnahmen: Mikroförderung<br />

Die lösungsorientierte Beratung potenziell Selbstständiger durch Fachkräfte der Kommune, z.B.<br />

der Wirtschaftsförderung, der Bauordnung oder auch des Ordnungsamtes, kann die<br />

sachgerechte Einrichtung von Betriebsstätten fördern. Zudem empfiehlt es sich, Liegenschaften,<br />

die in städtischer Hand sind, für Existenzgründer günstig zur Verfügung zu stellen. Weiterhin<br />

sollte die Kommune darauf hinwirken, dass Existenzgründern in Altstadt II Südwest Kredite<br />

gewährt werden und ihnen bei der Beantragungsphase beratend zur Seite gestanden wird. Eine<br />

solch kleinteilige, langfristige und fokussierte Arbeitsmarktförderung wird aller Voraussicht<br />

nach auf Dauer keine wissensbasierten Dienstleistungen im Quartier verorten können, sondern<br />

eher Gastronomie und Einzelhandel. Allerdings können Familien ihr Auskommen auf diese<br />

Weise erwirtschaften, Ankömmlinge können eine Anstellung finden, die keine Qualifikation<br />

voraussetzt und der kommunale Haushalt wird entlastet. Zudem kommt durch Konsum Kapital<br />

in das Quartier. Auch dadurch können Arbeitsplätze geschaffen und erhalten werden. Eine<br />

solche Förderung muss allerdings langfristig, das bedeutet mindestens 10 Jahre, laufen und<br />

personell werden. Sie verspricht allerdings auch langfristige positive Wirkungen. In Mülheim an<br />

der Ruhr kann mit der Mülheim &Business GmbH auf Erfahrungen mit bereits bestehenden<br />

Förderungsangeboten für Existenzgründer aufgebaut werden.<br />

91


Ausbildungsförderung und Berufsqualifikation<br />

Nicht nur Existenzgründung, sondern auch Berufsausbildung und<br />

Berufsqualifikationsmaßnamen sind für eine nachhaltige Beschäftigungsförderung von hoher<br />

Wichtigkeit. Zur Förderung von Ausbildungsplätzen ist die Qualifikation vorhandener Betriebe<br />

zu Ausbildungsbetrieben anzustreben. Dafür ist auch die Möglichkeit der sogenannten<br />

Verbundausbildung in Betracht zu ziehen. Neben der Ausbildungsförderung können<br />

Berufsqualifikationsmaßnahmen im Quartier stattfinden. Diese können, wenn sie am Bedarf der<br />

Menschen und des Ortes ausgerichtet sind, auch in den Stadtteil hineinwirken. Ein Beispiel wäre<br />

die Qualifikation mit Holzarbeiten in einer Stadtteilwerkstatt, in der Holzzäune für das Quartier<br />

gebaut werden könnten. Eine solche Stadtteilwerkstatt kann zudem mit einem Sozialkaufhaus<br />

verbunden werden. Dorthin können Bürger z.B. nicht mehr funktionstüchtige Elektrogeräte oder<br />

Möbel bringen, die dort repariert werden und für einen geringen Preis verkauft werden. Die<br />

Verkaufspalette kann zudem durch weitere Sachspenden wie Secondhand-­‐Kleidung oder<br />

Schulbücher erweitert werden.<br />

Integrierte Betrachtung Handlungsfeld 1<br />

Das vorgeschlagene Existenzgründerhaus sowie die kleinteilige Förderung und Beratung von<br />

Existenzgründungen zielt auch darauf ab, dass Ankommende eine Anstellung in den<br />

Arbeitsstätten finden, die sie für den weiteren Arbeitsmarkt qualifizieren können. Auch<br />

Bildungswanderer können dort, z.B. in der Gastronomie, Jobs finden. Zudem besteht die<br />

Möglichkeit, dass Bildungswanderer nach Abschluss ihrer Ausbildung oder ihres Studiums dort<br />

ebenfalls ein Start-­‐up-­‐Unternehmen gründen. Sie können ebenso flankierende Maßnahmen und<br />

Beratung des Existenzgründerhauses nutzen, wodurch auch das Risiko des Scheiterns verringert<br />

werden würde. Dasselbe gilt für gering Qualifizierte oder Facharbeiter aus dem Handwerk, die<br />

ein Unternehmen gründen möchten. Durch die Förderung von Ausbildung im Stadtteil kann die<br />

Beschäftigungssituation im Bezirk nachhaltig verbessert werden. Zudem ist es notwendig,<br />

sinnvolle Qualifikations-­‐ und Fortbildungsmaßnahmen im Quartier zu verorten, damit potenziell<br />

Erwerbstätige, die sonst keine Chance auf eine Beschäftigung haben, an den Arbeitsmarkt<br />

herangeführt werden können. Wie solche Projekte der Arbeitsmarktförderung umgesetzt<br />

werden können, zeigen auch Erfahrungen aus anderen Kommunen. Das Praxisbeispiel aus der<br />

Stadt Offenbach verdeutlicht, wie ein Existenzgründerhaus in einem Stadtteil des Programms<br />

Soziale Stadt erfolgreich errichtet und verstetigt werden konnte.<br />

92


4.3.1.2 Praxisbeispiel zum Handlungsfeld 1<br />

In der hessischen Stadt Offenbach wurde in einem Programmgebiet der Sozialen Stadt ein<br />

Existenzgründerhaus eingerichtet, der sogenannte Gründercampus Ostpol. Dazu wurde, in<br />

Kooperation mit der Wohnungswirtschaft, eine Liegenschaft aufgekauft und auf die Bedürfnisse<br />

von Existenzgründern hin saniert. Flankierend dazu wurde die Kooperation mit der Offenburger<br />

Hochschule gesucht. Auch Studierende sollten in diesen Räumlichkeiten nach Abschluss ihres<br />

Studiums die Möglichkeit haben, ein Unternehmen zu gründen. Im Existenzgründerhaus finden<br />

sich unterschiedliche Serviceangebote wie IT-­‐Service, Kopierservice und weitere mehr, die<br />

gegen ein relativ geringes Entgelt Dienstleistungen für die Existenzgründer anbieten. Die<br />

monatlichen Mietkosten der Büros belaufen sich auf 350,00 € zzgl. MwSt. Die Ateliermiete<br />

richtet sich nach der Größe. Gemeinschaftlichwerden über die Miete Post-­‐ und Empfangsservice<br />

finanziert. Flankiert wird die Existenzgründung im Gründercampus Ostpol durch den<br />

sogenannten Ostpolkredit. Dort bekommen Existenzgründer, die möglicherweise bei freien<br />

Banken kein Startkapital erhalten, einen Existenzgründungskredit. Finanziert wird diese<br />

Kreditvergabe von der Offenburger Sparkasse, der Stadt Offenburg und der KIZ gGmbH.<br />

Website des Gründercampus: www.ostpol-­‐gruendercampus.de<br />

Website des Ostpolkredits: www.ostpolkredit.de<br />

Website des Programms Soziale Stadt in Offenburg: www.soziale-­‐stadt-­‐offenbach.de<br />

4.3.2 Handlungsfeld 2: Bildungsförderung – Ungleiches ungleich behandeln<br />

Für die kommunale Bildungsförderung ist der Adressat der Förderung besonders wichtig. Da<br />

sich im Bezirk Altstadt II Südwest auch Schulen und vorschulische Bildungseinrichtungen<br />

befinden, heißt es den Bedarfen vor Ort angemessen Rechnung zu tragen. Die formalen<br />

Bildungseinrichtungen sind dort vor besondere Herausforderungen gestellt und müssen somit<br />

auch besonders unterstützt werden. Die konkreten Unterstützungsmaßnahmen sollten in einem<br />

moderierten Prozess von Eltern und Lehrkräften gemeinsam entwickelt werden.<br />

4.3.2.1 Handlungsempfehlung zum Handlungsfeld 2<br />

Mülheim an der Ruhr ist mit dem Bildungsbüro, dem Bildungsnetzwerk, Early Excellence und<br />

der Bildungskonferenz bereits auf dem richtigen Weg. Für die Bildungsförderung in der urbanen<br />

Integrationsschleuse wäre die gezielte Information der Sockelbevölkerung über bestehende<br />

Angebote besonders wichtig. Dies kann durch gezielte Ansprachen von Vereinen und<br />

Institutionsbeteiligung sowie Bürgerdialoge im Gebiet organisiert werden. Wichtig ist, dass<br />

93


diejenigen, die aktiv am informellen Integrationsprozess beteiligt sind, über Angebote,<br />

Informationen und Unterstützungsmöglichkeiten in Mülheim an der Ruhr Bescheid wissen und<br />

dieses Wissen bei Bedarf auch weitergeben können.<br />

4.3.2.2 Praxisbeispiel zum Handlungsfeld 2<br />

In der fränkischen Stadt Nürnberg wird im Rahmen des Programms Soziale Stadt eine Vielzahl<br />

von sozialen Projekten angeboten. Um möglichst viele Menschen im Programmgebiet zu<br />

erreichen, wurde das Projekt „Netzwerk FUNKtionierende Stadtteilöffentlichkeit“ initialisiert.<br />

Ziel des Projektes ist es, mittels unterschiedlicher Informationskanäle über die Angebote im<br />

Stadtteil zu berichten und so Informationen an eine breitere Öffentlichkeit zu tragen. Das Projekt<br />

umfasst drei Bausteine.<br />

Erstens werden sogenannte Stadtteillotsen gesucht, die Informationen über Projekte und<br />

Angebote im Stadtteil sammeln und auch wieder im Stadtteil verbreiten. Dafür ist ein hohes Maß<br />

an Kommunikationsfähigkeit notwendig. Allerdings können somit informell weite Kreise der<br />

Stadtteilöffentlichkeit erreicht werden.<br />

Der zweite Baustein ist die Einrichtung eines Begegnungsortes in Form eines interkulturellen<br />

Stadtteilcafés. Dort können sich Bewohner unterschiedlicher kultureller Herkunft im Stadtteil<br />

begegnen, austauschen und Informationen über die angebotenen Projekte erhalten. Das<br />

interkulturelle Stadtteilcafé bietet ebenfalls niedrigschwellige Deutschkurse und<br />

Kinderbetreuung für Mütter an.<br />

Der dritte Baustein des Projektes ist ein Videoprojekt namens LENAU.TV. Die Adressaten sind<br />

Jugendliche im Stadtteil, die im Rahmen des Projektes eigene Videos produzieren und<br />

veröffentlichen können. Sie befassen sich mit stadtteilspezifischen Themen aus Sicht der<br />

Jugendlichen und tragen somit zur Ansprache dieser Zielgruppe bei.<br />

Projektwebsite: www.leonhard-­‐schweinau.info<br />

94


4.3.3 Handlungsfeld 3: Integrationspolitik – Humanvermögen sichern<br />

Für eine nachhaltige und positive Förderung der Integration von Zuwanderern bedarf es<br />

kultureller und sozialer Inklusionsbemühungen 51. Beide sind besonders durch Spracherwerb<br />

und informelle soziale, nachbarschaftliche und/oder familiäre Netzwerke zu erreichen.<br />

4.3.3.1 Handlungsempfehlung zum Handlungsfeld 3<br />

Der Erwerb der deutschen Sprache muss so früh wie möglich beginnen, bei Kindern bereits im<br />

Vorschulalter, wobei die Eltern miteinbezogen werden sollten. Zudem müssen Spracherwerbs-­‐<br />

angebote auch über das Schulalter hinaus für fremdsprachliche Zuwanderer im Quartier<br />

angeboten werden. Dazu bedarf es zum einen der Information der Sockelbevölkerung über die<br />

Angebote und zum anderen ist konkretes Wissen über die Lebenswirklichkeit der Zuwanderer<br />

notwendig, damit passgenaue Angebote entwickelt werden können. Hierdurch können Projekte<br />

initialisiert werden, die über die Anforderungen für den Einbürgerungstest hinausreichen.<br />

Neben dem Spracherwerb ist die interkulturelle Begegnung zwischen Zuwanderern und länger<br />

ansässiger Bevölkerung zu fördern. Außer einmaligen Events bieten sich dafür drei<br />

unterschiedliche Wege an:<br />

• Erstens die Begegnung durch Umstände derselben Lebenslage, wie z.B. Kinder im selben<br />

Alter. Dazu braucht es Orte wie Kinderbetreuungseinrichtungen, die auch<br />

elternbezogene Angebote umsetzen.<br />

• Zweitens die Themensetzung an Orten der Begegnung im öffentlichen Raum, wie z.B.<br />

durch mehrsprachige Informationstafeln neben Bänken an Bushaltestellen oder<br />

Spielplätzen.<br />

• Drittens die Schaffung gemeinsamer Interessensorte, an denen Kommunikation möglich<br />

gemacht wird. Dafür bieten sich sogenannte Nachbarschaftsgärten an, wie sie bereits in<br />

vielen Städten zu finden sind. Solche Orte können auch mit Angeboten des<br />

Spracherwerbs ergänzt werden.<br />

Mülheim an der Ruhr ist mit seinen Erfahrungen aus der Programmumsetzung Soziale Stadt<br />

bereits für diese Themenvielfalt sensibilisiert. Es gilt diesen eingeschlagenen Weg reflektiert<br />

und zugleich konsequent – auch nach Auslaufen der Landesförderung – langfristig<br />

durchzuhalten.<br />

51 Inklusion ist definiert als Konzept für die Teilhabe von Personen an gesellschaftlichen Teilsystemen (vgl. Schimank<br />

2007, S. 296).<br />

95


4.3.3.2 Praxisbeispiel zum Handlungsfeld 3<br />

Der Prinzessinnengarten in Berlin ist ein Beispiel für einen interkulturellen Austauschort. Das<br />

Projekt befindet sich im zum Teil armutsgeprägten Stadtteil Kreuzberg und wird von einer<br />

Vielzahl von Menschen unterschiedlicher Nationalitäten genutzt. Im sogenannten<br />

Prinzessinnengarten können Bürger, ohne eine Parzelle zu mieten, Gemüse, Obst oder Blumen<br />

anbauen. Durch gemeinsame Aktivitäten entstehen nachbarschaftliche und interkulturelle<br />

Austauschbeziehungen. Der Prinzessinnengarten betreibt mobilen Gartenanbau, da der Boden<br />

durch Schwermetalle belastet ist und in seiner Qualität nicht für eine Bepflanzung geeignet ist.<br />

Die Pflanzen befinden sich in selbst gebauten Blumenkästen 52 oder umgenutzten Behältern<br />

verschiedenster Art. Neben dem Anbau von Pflanzen wird dort ein Gartencafé betrieben und<br />

Bildungsprojekte z.B. für Schulklassen angeboten. Auf diesem Weg können auch Kinder, die<br />

sonst wenig in Kontakt mit Landwirtschaft kommen, einiges über Anbau und Verarbeitung von<br />

Lebensmitteln erfahren.<br />

Website des Projekts: http: //www.prinzessinnengarten.net<br />

4.3.4 Handlungsfeld 4: Quartiersentwicklung – Von Bedarfs-­‐ zu Bedürfnisorientierung<br />

Die städtebauliche Gestaltung und Planung unterliegt zu erheblichen Teilen gesetzlichen<br />

Vorgaben. Allerdings können Wünsche und Bedürfnisse der Bewohner in die Gestaltung ihres<br />

Quartiers mit einfließen, wenn sie konsequent beteiligt werden. Dazu gehört, dass es nicht nur<br />

Beteiligungs-­‐ und Informationsveranstaltungen gibt, wenn konkrete Maßnahmen bereits<br />

umgesetzt werden, sondern die Bedürfnisse der Bewohner abgefragt werden und<br />

Stadtentwicklung danach ausgerichtet wird.<br />

4.3.4.1 Handlungsempfehlung zum Handlungsfeld 4<br />

Im Rahmen des Programms Soziale Stadt wird dies bereits projektbezogen befolgt. Ein einfaches<br />

Beispiel dafür sind abgesenkte Bürgersteige für Kinderwagen, Rollstühle oder Rollatoren, wo<br />

dies lebenspraktisch notwendig ist. Bedürfnisse können durch Stadtteilbegehungen mit Bürgern<br />

ermittelt werden. Auf diese Weise werden Bürger aktiv zu Mitgestaltern ihres Quartiers, und<br />

zugleich treten sie in einen Dialog, der ihnen auch die Grenzen kommunaler Planung vermitteln<br />

kann. Die Umkehr der üblichen Planungspraxis von städtebaulichen Bedarfen zu<br />

52 Diese könnten in der Stadtteilwerkstatt gebaut werden; Siehe Abschnitt4.3.1.1 der vorliegenden Arbeit.<br />

96


Bewohnerbedürfnissen ist somit das Credo. Auch hier kann auf positive Erfahrungen aus dem<br />

Programm Soziale Stadt oder dem 100-­‐Häuser-­‐Programm der Stadt Mülheim an der Ruhr<br />

aufgebaut werden. Die Stadt verfügt bereits über das Know-­‐how, sie kann es auch in weiteren<br />

Projekten nutzen.<br />

4.3.4.2 Praxisbeispiel zum Handlungsfeld 4<br />

Die saarländische Landeshauptstadt Saarbrücken hat ein städtebauliches Entwicklungskonzept<br />

entwickelt, das die frühe Beteiligung der Bürger bei Planungsvorhaben berücksichtigt. Das<br />

Konzept sieht vor, dass es gesamtstädtische Belange gibt, die auf der Stadtteilebene<br />

konkretisiert werden sollen. Dazu werden sozialräumlich orientierte integrierte<br />

Stadtteilentwicklungskonzepte aufgestellt und jeweils in einem mehrstufigen Verfahren<br />

entwickelt. Die erste Stufe bildet ein Fachworkshop von Planern und ortsansässigen Akteuren.<br />

Die Ergebnisse werden dem Stadtrat vorgelegt, der weiterhin festlegt, dass vom ersten<br />

konkreten Planungsschritt die Bürger ernsthaft miteinbezogen werden müssen. Dazu werden<br />

Projektteams gegründet, die mit der ortsansässigen Bevölkerung regelmäßig in Dialog treten.<br />

Bei der konkreten Ausgestaltung von Projekten wie z.B. Spielplatzbau ist es durch das<br />

städtebauliche Entwicklungskonzept Standard geworden, zielgruppenspezifische<br />

Beteiligungsworkshops durchzuführen.<br />

Da der Planungsprozess allerdings auch gesetzlichen Regelungen unterworfen ist, können<br />

Bürger oftmals nicht als „Entscheider“ eingebunden werden. Allerdings werden durch das<br />

Verfahren ihre Wünsche nun stärker berücksichtigt. Wer genau angesprochen wird, hängt<br />

jeweils vom Projekt selbst ab. Bei Projekten zur gesamtstädtischen Zukunft, wie z.B. der<br />

Gestaltung der Uferpromenade, werden alle Bürger eingeladen, bei stadtteilspezifischen<br />

Belangen wiederum lediglich die Anwohner. Durch die frühe Einbindung soll zum einen<br />

Konflikten vorgebeugt und zugleich bedürfnisgerechte Planung erreicht werden. Das Beispiel<br />

zeigt, dass es einer verwaltungsinternen Steuerung bedarf, um bedürfnisorientiert zu handeln.<br />

Projektwebsite:<br />

www.saarbruecken.de/de/rathaus/stadtentwicklung/stadtentwicklungskonzept<br />

und unterwww.netzwerk-­‐buergerbeteiligung.de/fileadmin/Inhalte/PDF-­‐<br />

Dokumente/newsletter_beitraege/beitrag_kunz_120322.pdf<br />

97


Zusammenfassung: Abschnitt 4<br />

• Die Forschungshypothese 1, die nach dem Vorhandensein einer urbanen<br />

Integrationszone fragt, ist bestätigt worden. Es handelt sich dabei um Altstadt<br />

II Südwest.<br />

• Die Forschungshypothese 2, die nach der Sockelbevölkerung fragt, ist bestätigt<br />

worden. Die Sockelbevölkerung ist vorhanden, kleiner als die der Gesamtstadt,<br />

und ihr Ausländeranteil ist höher als der der Sockelbevölkerung der<br />

Gesamtstadt.<br />

• Die Forschungshypothese 3, die nach der Verteilerfunktion der urbanen<br />

Integrationsschleuse fragt, ist angenommen, da zwei Drittel derjenigen, die das<br />

Gebiet Altstadt II Südwest durch einen innerstädtischen Umzug verlassen<br />

haben, in ein „statushöheres“ Gebiet gezogen sind.<br />

• Kommunalpolitik hat die Möglichkeiten, mit Leuchtturmprojekten und<br />

kleinteiliger Förderung in den Politikbereichen Arbeitsmarkt, Integration,<br />

Bildung und Stadtentwicklung z.B. mit einem Existenzgründerhaus oder auch<br />

einem Nachbarschaftsgarten die Schleusenfunktion auf unterschiedliche<br />

Weise zu unterstützen und damit nachhaltige Gesellschaftspolitik zu<br />

betreiben.<br />

98


5 Zusammenfassung und Fazit<br />

Fokus der Untersuchung lag auf der Beobachtung, dass es in Städten Bereiche mit vermehrtem<br />

Zu-­‐ und Fortzug gibt, die zugleich multiethnisch geprägt sind. Viele, wenn nicht jede Großstadt<br />

hat ein solches Gebiet, das unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Allen gemeinsam ist, dass der<br />

Integrationsprozess der Zugewanderten räumlich dort beginnt. Wir leben zwar nicht mehr in<br />

den Zeiten Georg Simmels, als die Zuwanderung vom Land in die Stadt eine Art Schock war, doch<br />

stellt der neue Lebensabschnitt, der mit der Zuwanderung beginnt, jeden Menschen vor neue<br />

Herausforderungen. Das gilt insbesondere, wenn es sich um internationale Zuwanderung<br />

handelt. Zuwanderer ziehen dann oftmals zu Zuwanderern, was bereits die Forscher der<br />

Chicagoer Schule zu Beginn des 20. Jahrhunderts beobachten konnten. Sie nannten diese Orte<br />

zone in transition. Wie der erste Abschnitt der Arbeit gezeigt hat, ist diese, wie alle anderen<br />

städtischen Strukturen, ein Produkt funktionaler Differenzierung, das durch soziale<br />

Differenzierung ausgestaltet wird. Es wandern zwar relativ viele Menschen von außen in dieses<br />

Gebiet zu, doch verlassen sie es, wenn sie können, nach relativ kurzer Zeit wieder. Von daher hat<br />

dieser Ort für die Menschen eine Schleusenfunktion inne. Es ist die urbane Integrationsschleuse<br />

der Stadt. Dort finden Zuwanderer erste Orientierung und die Chance erste<br />

Arbeitsgelegenheiten wahrzunehmen. Die urbane Integrationsschleuse kann allerdings nur ihre<br />

Funktion erfüllen, wenn es Menschen gibt, die den Zuwanderern grundlegende Wohn-­‐ und<br />

Arbeitsmöglichkeiten geben, die sogenannte Sockelbevölkerung 53. Diese fungiert als eine Art<br />

Brückenkopf in die alte Heimat, denn bei der Sockelbevölkerung handelt es sich ebenfalls um<br />

Zuwanderer. Doch leben sie bereits seit längerer Zeit in der urbanen Integrationszone. Sie haben<br />

soziale Netzwerke im Stadtteile und kennen die Aufnahmegesellschaft. Dadurch können sie dem<br />

Neuankömmling wichtige Informationen geben und Zugang zu informellen nachbarschaftlichen<br />

Hilfenetzwerken verschaffen.<br />

Nach einiger Zeit, wenn z.B. die Sprache oder auch Qualifikationen erworben worden sind,<br />

können die neu Zugewanderten an einem anderen Ort der Stadt eine besser bezahlte Arbeit<br />

finden und ziehen weg, da der Wohnraum im Gebiet der urbanen Integrationsschleuse zumeist<br />

in schlechtem Zustand ist. Die meisten ziehen entweder, da sie einen sozialen Aufstieg erlebt<br />

haben, in sozial besser gestellte Orte, oder sie suchen sich andere Bleibemöglichkeiten, da sie es<br />

nicht geschafft haben, sich sozial oder ökonomisch in der neuen Stadt zu etablieren. Somit hat<br />

die urbane Integrationsschleuse eine Verteilerfunktion inne. In ihr wird die „Platzkarte“ für die<br />

Zukunft eines Zuwanderers entscheidend mitgeprägt. Solche Ankunftsorte bringen daher für die<br />

53 Dietrich von Oppen hat die Sockelbevölkerung als Gruppe als „Stützpunkt“ für nachziehende Verwandte benannt<br />

(vgl. von Oppen 1958, S. 17).<br />

99


Kommunalpolitik eine Reihe von Herausforderungen mit sich, die primär die Arbeitsmarkt-­‐,<br />

Integrations-­‐, Bildungs-­‐ und Stadtentwicklungspolitik betreffen.<br />

Das Konzept der urbanen Integrationsschleuse ist als Antwort auf die erste Leitfrage zu<br />

verstehen, die nach Wesen und Leistung passiv sozial segregierter Stadtteile hinsichtlich ihrer<br />

sozialen Schleusenfunktion fragt. Aus diesen theoretischen Annahmen wurden<br />

Forschungshypothesen formuliert, um am Praxisbeispiel Mülheim an der Ruhr diekonkrete<br />

Ausprägung einer urbanen Integrationsschleuse zu untersuchen. Zum einen wurde ein solches<br />

Gebiet mit Altstadt II Südwest identifiziert, und zum anderen wurde das Vorhandensein einer<br />

Sockelbevölkerung und die tatsächliche Verteilerfunktion analysiert. Zur Operationalisierung<br />

wurde für jeden statistischen Bezirk von Mülheim die soziale, die ethnische unddie<br />

demografische Segregation gemeinsam mit der Fluktuation betrachtet. Dieses Vorgehen<br />

beantwortet die zweite Leitfrage nach der Operationalisierung der Identifikation einer urbanen<br />

Integrationsschleuse. Die Ergebnisse bestätigen die theoretischen Annahmen. Die dritte<br />

Leitfrage befasst sich mit der Untersuchung, welche Bevölkerungsgruppen dort wie lange leben.<br />

Zusammengefasst kann gesagt werden,dass es zumeist ausländische Zuwanderer im bildungs-­‐<br />

und arbeitsrelevanten Alter sind, die eine Wohndauer von unter 5 Jahren an der jeweiligen<br />

Adresse haben. Zugleich leben dort aber auch zu einem Drittel Menschen seit mindestens<br />

10 Jahren an der gleichen Adresse.<br />

Die Arbeit erschöpft sich nicht allein in der Beantwortung der Hypothesen, sondern bietet auch<br />

Handlungsempfehlungen für die Stadt Mülheim an der Ruhr, um zu zeigen, wie auf<br />

kommunalpolitischem Wege auf eine urbane Integrationsschleuse reagiert werden kann. Diese<br />

Handlungsempfehlungen orientieren sich an den in diesem Bereich relevanten Politikfeldern:<br />

Arbeitsmarkt, Integration, Bildung und Stadtentwicklung. Sie zielen auf die nachhaltige<br />

Verbesserung der Beschäftigungssituation und damit der Lebensumstände im Quartier ab.<br />

Allerdings, und das bleibt zu betonen und beantwortet dabei zugleich die vierte Leitfrage der<br />

Arbeit, kann Stadtpolitik mit den vorgeschlagenen und weiteren Maßnahmen wie<br />

arbeitsmarktunterstützenden Leistungen oder der Einrichtung interkultureller Begegnungsorte<br />

die Schleusenfunktion des Quartiers unterstützen. Aber der politische Wille dazu muss<br />

nachhaltig und über die Legislaturperiode hinaus parteiübergreifend vorhanden sein. Es muss<br />

auch für gering Qualifizierte in unserer Gesellschaft möglich sein, den Lebensunterhalt<br />

zumindest in Teilen aus eigener Kraft zu bestreiten. Bildung und Bildungsförderung ist eine sehr<br />

wichtige Investition in die Zukunft, doch solange Bildungsabschlüsse vergeben werden, wird es<br />

immer Menschen geben, die den formalen Leistungsanforderungen zum Prüfungszeitpunkt nicht<br />

entsprechen und somit keinen Bildungsabschluss erwerben, oder die aus einem anderen Staat<br />

zugewandert sind und dort vielleicht nie die Möglichkeit hatten, einen Bildungsabschluss zu<br />

erwerben. Auch diese Menschen sollten eine Chance haben, ihr Leben selber gestalten zu<br />

100


können, und dafür bedarf es der Integrationskraft des Arbeitsmarktes und der bewussten<br />

politischen Gestaltung.<br />

Eine Schleusenfunktion ist in der postindustriellen Stadt weder einmalig noch zu verhindern.<br />

Verantwortungsvolle und zukunftsorientierte Politik sollte sich somit der daraus resultierenden<br />

Herausforderung bewusst stellen und adäquat reagieren. Zwar ist Stadtpolitik alleine nicht in<br />

der Lage, alle Probleme und Herausforderungen in diesem Bereich alleine zu schultern, was<br />

allerdings auch keine Legitimation für Nichthandeln ist.<br />

Neben diesen Erkenntnissen und den daraus abgeleiteten politischen Handlungsempfehlungen<br />

sind im Laufe des Forschungsprozess jedoch auch immer wieder Grenzen deutlich geworden, die<br />

in weiteren Forschungsarbeiten anzugehen sind. Dazu gehört der Datenzugang, der zum Teil<br />

datenschutzrechtlichen Restriktionen unterliegt. Die Stadt Mülheim an der Ruhr hat ihrerseits<br />

alles dazu beigetragen, um diese Arbeit zu unterstützen. Nur wäre es, um z.B. den sozialen<br />

Aufstieg zu untersuchen, sinnvoll, in der geschlossenen Statistikstelle die Möglichkeit zu<br />

offerieren, adressbezogene Daten auf der Individualebene miteinander zu verknüpfen. In<br />

Teilbereichen ist das möglich, jedoch ist es nicht zulässig, adressbezogene Daten mit ALG-­‐II-­‐<br />

Bezug und dem Indikator Migrationshintergrund zu verknüpfen, um ein Beispiel zu nennen.<br />

Somit muss sozialer Aufstieg über die Klassifikation von Quell-­‐ und Zielgebiet definiert werden,<br />

was zu Irrtümern führen kann. Zudem wäre eine Erweiterung des Methodensets durch<br />

qualitative Methoden wünschenswert gewesen, was allerdings den Rahmen der vorliegenden<br />

Arbeit bei Weitem gesprengt hätte. Allerdings würde eine lebensweltzentrierte qualitative<br />

Forschung dazu beitragen, ein tieferes individualbezogenes Verständnis der urbanen<br />

Integrationsschleuse zu erhalten. Darüber hinaus sollten in weiteren Untersuchungen mehrere<br />

Fallbeispiele untersucht werden und hierbei das städtebauliche Profil mit berücksichtigt<br />

werden. Dazu gehört auch – und das war im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht möglich –,<br />

dass Orte der Relegation/sozialen Endstation mit untersucht werden, da auch sie ein ähnliches<br />

soziales Profil aufweisen wie die urbane Integrationsschleuse. Durch die gemeinsame<br />

Untersuchung beider Konzepte in einer Arbeit würden auch die raumbezogenen<br />

integrationsfördernden Mechanismen sichtbar gemacht werden können.<br />

Alles in allem zeigt die Arbeit, dass sozial passiv segregierte Stadtteile eine wichtige Funktion<br />

und Rolle für die gesamtstädtische Struktur innehaben. Es sollte nicht als gesellschaftliche<br />

Aufgabe angesehen werden, solche Orte zu verhindern. Vielmehr muss es Ziel sein, dass jeder<br />

die Möglichkeiten, die die urbane Integrationsschleuse nachweislich bietet, bestmöglich nutzen<br />

kann und niemand, egal woher er kommt, dort länger lebt, als er möchte. Dazu muss<br />

Zuwanderern ermöglicht werden durch eigene Leistung sozialen Aufstieg zu erreichen. Urbane<br />

Integrationsschleusen übernehmen dafür eine grundlegende Funktion und Rolle, die es von<br />

Seiten politischer Akteure zu nutzen gilt.<br />

101


6 Verzeichnis genutzter Medien<br />

6.1 Monographien/Beiträge in Sammelbänden<br />

Adam, Heribert/Moodley, Kogile (1998): Südafrika ohne Apartheid?, Frankfurt am Main<br />

Apolte, Thomas / Funcke, Antje (Hrsg.) (2008): Frühkindliche Bildung und Betreuung –<br />

Reformen aus ökonomischer, pädagogischer und psychologischer Perspektive, Baden-­‐Baden<br />

Bacher, Johann / Pöge, Andreas / Wenzig, Knut (2010): Clusteranalyse – Anwendungsorientierte<br />

Einführung in Klassifikationsverfahren, München<br />

Backhaus, Klaus / Erichson, Bernd / Plinke, Wulff / Weiber, Rolf (2011): Multivariate<br />

Analysemethoden. Eine anwendungsorientierte Einführung, Heidelberg/Dordrecht/London/<br />

New York<br />

Baum, Detlef (2012): Soziale Arbeit, in: Eckhardt, Frank (Hrsg.): Handbuch Stadtsoziologie,<br />

Wiesbaden, S.571–592<br />

Bell, Wendell / Shevky,Eshref (1974): Sozialraumanalyse, in: Atteslander, Peter / Hamm, Bernd<br />

(Hrsg.): Materialien zur Siedlungssoziologie, Köln, S.125–139<br />

Blasius, Jörg / Friedrichs, Jürgen / Klöckner, Jennifer (2009): Doppelt benachteiligt? Leben in<br />

einem deutsch-­‐türkischen Stadtteil, Wiesbaden<br />

Bogumil, Jörg / Holtkamp, Lars (2006): Kommunalpolitik und Kommunalverwaltung – Eine<br />

policyorientierte Einführung, Wiesbaden<br />

Bude, Heinz (2008): Die Ausgeschlossenen – Ende vom Traum einer gerechten Gesellschaft,<br />

Bonn<br />

Bundesministerium für Frauen, Senioren, Jugend und Familie (BMSJF) (Hrsg.) (2005): Zwölfter<br />

Kinder-­‐ und Jugendbericht – Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die<br />

Leistungen der Kinder-­‐ und Jugendhilfe in Deutschland, Berlin<br />

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) (Hrsg.) (2008a): Gutachten<br />

– Evaluierung des Bund-­‐Länder-­‐Programms Stadtumbau Ost, Berlin<br />

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) (Hrsg.) (2008b):<br />

Statusbericht 2008 zum Programm Soziale Stadt, Berlin<br />

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) (Hrsg.) (2010): Migration/<br />

Integration und Stadtteilpolitik – Städtebauliche Strategien und Handlungsansätze zur<br />

Förderung der Integration, Bonn<br />

Bundesinstitut für Bau-­‐, Stadt-­‐ und Raumforschung imBundesamt für Bauwesen und<br />

Bauordnung (BBSR) (Hrsg.) (2011): Zurück in die Stadt, oder: Gibt es eine neue Attraktivität der<br />

Städte?, BBSR-­‐Berichte Kompakt, Bonn<br />

Burgess, Ernest (1984): The Growth of the City, in: Burgess, Ernest / Park, Robert: The City,<br />

Chicago, S.47–62<br />

102


Bralich, Adam / Germes, Mélina / Schirmel, Henning / Glasze, Georg / Pütz, Robert (2008): Die<br />

diskursive Konstitution von Großwohnsiedlungen in Deutschland, Frankreich und Polen, in:<br />

Leibniz-­‐Institut für Länderkunde (Hrsg.): Europa Regional, Band 16, Heft 3 2008, S.113–128<br />

Braun, Karl Heinz (2004): Raumentwicklung als Aneignungsprozess, in: Deinet, Ulrich /<br />

Reutlinger, Christian (Hrsg.): „Aneignung“ als Bildungskonzept der Sozialpädagogik, Wiesbaden,<br />

S. 19–48<br />

Ceylan, Rauf (2006): Ethnische Kolonien – Entstehung, Funktion und Wandel am Beispiel<br />

türkischer Moscheen und Cafés, Wiesbaden<br />

Croon, Helmuth / Utermann, Kurt (1958): Zeche und Gemeinde – Untersuchung über den<br />

Strukturwandel einer Zechengemeinde im nördlichen Ruhrgebiet, Tübingen<br />

Dangschat, Jens (1994): Segregation – Lebensstile im Konflikt, soziale Ungleichheiten und<br />

räumliche Disparitäten, in: Dangschat, Jens / Blasius, Jörg (Hrsg.): Lebensstile in den Städten.<br />

Konzepte und Methoden, Opladen, S. 335–354<br />

Dangschat, Jens (1999): Armut durch Wohlstand, in: Dangschat, Jens (Hrsg.): Modernisierte<br />

Stadt – Gespaltene Gesellschaft – Ursachen von Armut und sozialer Ausgrenzung, Opladen, S. 13–<br />

44<br />

Deinet, Ulrich (2010): Sozialraumorientierung als Brücke zwischen Jugendhilfe und Schule, in:<br />

Deinet, Ulrich / Icking, Maria (Hrsg.): Jugendhilfe und Schule – Analyse und Konzepte für die<br />

kommunale Kooperation, Opladen, S. 21–34<br />

Detmers, Hendrik (2008): Integration als kommunalpolitische Aufgabe: Beispiel Oberhausen, in:<br />

Kissau, Kathrin / Kortmann, Mattihas / Tietze, Klaudia / Cordier, Clémentine / Aksünger,<br />

Handan / Musch, Elisabeth (Hrsg.): Migration steuern oder verwalten? – Deutschland im<br />

internationalen Vergleich, Münster<br />

Durkheim, Emil (1992): Über soziale Arbeitsteilung – Studie über die Organisation höherer<br />

Gesellschaften, Frankfurt am Main<br />

Eckhard, Frank (2004): Soziologie der Stadt, Bielefeld<br />

Eichner, Volker (2006): Vorwort, in: Ceylan, Rauf (2006): Ethnische Kolonien – Entstehung,<br />

Funktion und Wandel am Beispiel türkischer Moscheen und Cafés, Wiesbaden, S. 5–7<br />

Eickhoff, Antje (2006): Handlungsempfehlungen zum Programm „Soziale Stadt“ aus Sicht einer<br />

Quartiersmanagerin, in: Deinet, Ulrich / Gilles, Christoph / Knopp, Reinhold (Hrsg.): Neue<br />

Perspektiven in der Sozialraumorientierung, Dimensionen – Planung – Gestaltung, Berlin<br />

Elias, Norbert / Scotson, John L. (1993): Etablierte und Außenseiter, Baden-­‐Baden<br />

Engels, Friedrich (1954): Die Lage der arbeitenden Klasse in England, in: Marx, Karl / Engels,<br />

Friedrich, Werke, Band 2, Berlin, S. 91–106<br />

Engels, Friedrich / Marx, Karl (1969): Die Deutsche Ideologie – Kritik der neuesten deutschen<br />

Philosophie in ihren Repräsentanten, Berlin<br />

Farwick, Andreas (2009): Segregation und Eingliederung – Zum Einfluss der räumlichen<br />

Konzentration von Zuwanderern auf den Eingliederungsprozess, Wiesbaden<br />

Fevel, Bernhard / Dietz, Berthold (2004): Sozialpolitik kompakt, Wiesbaden<br />

103


Fincke, Gunilla (2008): Abgehängt, chancenlos, unwillig? – Eine empirische Reorientierung von<br />

Integrationstheorien zu MigrantInnen der zweiten Generation in Deutschland, 2008<br />

Florida, Richard (2003): The rise of the Creative Class: And how it’s transforming work, leisure,<br />

community & everyday life, New York<br />

Förster, Caharis / Taubert, Steffen (2008): Qualität frühkindlicher Betreuung – Welche Kriterien<br />

müssten aus frühpädagogischer Sicht erfüllt werden?, in: Apolte, Thomas / Funcke, Antje<br />

(Hrsg.): Frühkindliche Bildung und Betreuung – Reformen aus ökonomischer, pädagogischer<br />

und psychologischer Perspektive, Baden-­‐Baden, S. 131–140<br />

Friedrichs, Jürgen (1995): Stadtsoziologie, Opladen<br />

Friedrichs, Jürgen (1997): Kleinräumige Daten für vergleichende Stadtforschung, in: Sodeur,<br />

Wolfgang (Hrsg.): Regionale Analyse, Opladen<br />

Friedrichs, Jürgen (2011): Ist die Besonderheit des Städtischen auch die Besonderheit der<br />

Stadtsoziologie?, in: Hermann Heike / Keller, Carsten / Neef, Rainer / Ruhne, Renate (Hrsg.): Die<br />

Besonderheit des Städtischen – Entwicklungslinien der Stadtsoziologie, Wiesbaden<br />

Friedrichs, Jürgen / Blasius, Jörg (2000): Leben in benachteiligten Wohngebieten, Opladen<br />

Friedrichs, Jürgen / Triemer, Sascha (2009): Gespaltene Städte? – Soziale und ethnische<br />

Segregation in deutschen Großstädten, Wiesbaden<br />

Fuhr, Gabriela (2011): Armutsgefährdung von Menschen mit Migrationshintergrund –<br />

Ergebnisse des Mikrozensus 2010, in: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Wirtschaft und Statistik,<br />

Wiesbaden, S. 549–562<br />

Gebauer, Ronald (2007): Arbeit gegen Armut – Grundlagen historischer Genese und empirischer<br />

Überprüfung des Armutsfallentheorems, Wiesbaden<br />

Gehne, David (2012): Bürgermeister – Führungskraft zwischen Bürgerschaft, Rat und<br />

Verwaltung, Stuttgart<br />

Gehring, Uwe W. / Weins, Cornelia (2009): Grundkurs Statistik für Politologen und Soziologen,<br />

Wiesbaden<br />

Geißler, Rainer (2008): Die Sozialstruktur Deutschlands – Zur gesellschaftlichen Entwicklung<br />

mit einer Bilanz zur Vereinigung, Wiesbaden<br />

Gesemann, Frank / Roth, Roland (Hrsg.) (2009): Kommunale Integrationspolitik in Deutschland<br />

– einleitende Bemerkungen, in: Lokale Integrationspolitik in der Einwanderungsgesellschaft –<br />

Migration und Integration als Herausforderung von Kommunen, Wiesbaden, S. 11–29<br />

Häußermann, Hartmut (2008): Wohnen im Quartier: Ursachen sozialräumlicher Segregation, in:<br />

Huster, Ernst-­‐Ulrich / Boeck, Jürgen / Mogge-­‐Grothjahn, Hildegard (Hrsg.): Handbuch Armut<br />

und soziale Ausgrenzung, Wiesbaden, S. 335–349<br />

Häußermann, Hartmut (2009): Die soziale Dimension unserer Städte – von der<br />

„Integrationsmaschine“ zu neuen Ungleichheiten, in: Biedenkopf, Kurt / Bertram, Hans / Niejahr,<br />

Elisabeth im Auftrag der Robert-­‐Bosch-­‐Stiftung: Starke Familie – Solidarität, Subsidiarität und<br />

kleine Lebenskreise, Bericht der Kommission „Familie und demographischer Wandel“, Stuttgart,<br />

S. 148–155<br />

104


Häußermann, Hartmut / Läpple, Dieter / Siebel, Walter (2008): Stadtpolitik, Frankfurt am Main<br />

Häußermann, Hartmut / Siebel, Walter (1987): Neue Urbanität, Frankfurt am Main<br />

Häußermann, Hartmut / Siebel, Walter (2001): Soziale Integration und ethnische Schichtung –<br />

Zusammenhänge zwischen räumlicher und sozialer Integration, Berlin/Oldenburg<br />

Häußermann, Hartmut / Siebel, Walter (2004): Stadtsoziologie – Eine Einführung, Wiesbaden<br />

Hahn, Hans-­‐Werner (2011): Die Industrielle Revolution in Deutschland, München<br />

Hamm, Bernd (1977): Die Organisation der städtischen Umwelt – Ein Beitrag zur<br />

sozialökologischen Theorie der Stadt, Fraunfeld<br />

Hamm, Bernd / Neumann, Ingo (1996): Siedlungs-­‐, Umwelt-­‐ und Planungssoziologie, Opladen<br />

Haug, Sonja (2000): Soziales Kapital, Migrationsentscheidungen und Kettenmigrationsprozesse,<br />

Leipzig<br />

Hebborn, Klaus (2007): Inhalt und Perspektiven kommunaler Bildungsplanung, in:<br />

Serviceagentur Ganztag (Hrsg.): GanzGut – Lokale Bildungslandschaften, 04: 2007, Potsdam,<br />

S. 9–12<br />

Heckmann, Friedrich (2005): Ghettobildung in der Großstadt? – Aspekte sozialräumlicher<br />

Integration, Bamberg<br />

Heine, Heinrich (2006): Reisebilder, Zürich<br />

Heinrich, Bettina (2012): Globalisierung, Migration, Integration, Segregation.<br />

Herausforderungen für eine moderne Stadtgesellschaft, Stadtpolitik und Kulturpolitik – ein<br />

Problemaufriss, in: Texte zum Kongress Mythos Kreuzberg, Heinrich-­‐Böll-­‐Stiftung (Hrsg.),<br />

Berlin, S. 1–16<br />

Herberer, Thomas / Rudolph, Jörg-­‐M. (2010): China – Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – Zwei<br />

alternative Sichten, Wiesbaden<br />

Hider, Katharina (2011): Kreativwirtschaft und Quartiersentwicklung – Strategische Ansätze zur<br />

Entwicklung kreativer Räume in der Stadt, in: Frey, Oliver / Koch, Florian (Hrsg.): Die Zukunft<br />

der Europäischen Stadt – Stadtpolitik, Stadtplanung und Stadtgesellschaft im Wandel,<br />

Wiesbaden<br />

Hoeckel, Kathrin / Schwartz, Robert (2010): Lernen für die Arbeitswelt – OECD-­‐Studien zur<br />

Berufswelt – Deutschland, Paris<br />

Institut für Landes-­‐ und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-­‐Westfalen (ILS)<br />

(2003): Wohnbedürfnisse von Migrantinnen und Migranten – Erfahrungen, Ansätze, Strategien,<br />

Dortmund<br />

Institut für Landes-­‐ und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-­‐Westfalen (ILS) /<br />

Zentrum für interdisziplinäre Regionalforschung (ZEFIR) der Ruhr-­‐Universität Bochum in<br />

Kooperation mit Hartmut Häußermann (2003): „Sozialraumanalyse – Soziale, ethnische und<br />

demografische Segregation in den nordrhein-­‐westfälischen Städten“, Gutachten für die<br />

105


Enquetekommission „Zukunft der Städte in NRW“ des Landtags Nordrhein-­‐Westfalen, ILS-­‐NRW-­‐<br />

Schriften Bd. 201, Dortmund/Bochum<br />

Institut für Landes-­‐ und Stadtentwicklungsforschung (ILS) / Zentrum für Türkeistudien (ZfT)<br />

(2008): Soziale und räumliche Mobilität von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in<br />

nordrhein-­‐westfälische Städte – Qualitative Untersuchung über das Wohnstandortverhalten von<br />

türkischen Migrantinnen und Migranten in ethnisch-­‐sozial segregierten Stadtteilen, Dortmund<br />

Institut für Stadtteilentwicklung, Sozialraumorientierte Arbeit und Beratung (ISSAB) (Hrsg.)<br />

(2008): Integrierte Stadtteilentwicklung: Vom Modellprojekt zur Regelstruktur – Fachdialog am<br />

23.9.2008 in Essen, Essen<br />

Kersting, Volker / Meyer, Christian / Strohmeier, Klaus Peter/ Terporten, Tobias (2009): Die A<br />

40 – Der »Sozialäquator« des Ruhrgebiets, in: Prossek, Achim / Schneider, Helmut / Wtterau,<br />

Burkhard / Wessel, Horst A. / Wiktorin, Dorothea (Hrsg.) (2009): Atlas der Metropole Ruhr -­‐<br />

Vielfalt und Wandel des Ruhrgebiets im Kartenbild, S. 142-­‐ 145, Köln<br />

Kissinger, Henry (2011): China – Zwischen Herausforderung und Moderne, München<br />

Kopp, Johannes (2009): Bildungssoziologie – Eine Einführung anhand empirischer Studien,<br />

Wiesbaden<br />

Kuckartz, Udo / Rädiker, Stefan / Ebert, Thomas / Schehl, Julia (2010): Statistik – Eine<br />

verständliche Einführung, Wiesbaden<br />

Kühnel, Steffen-­‐M. / Krebs, Dagmar (2010): Statistik für die Sozialwissenschaften – Grundlagen,<br />

Methoden, Anwendungen, Reinbek bei Hamburg<br />

Lichtenberg, Georg Christoph (1979): London-­‐Tagebuch – September 1774 bis April 1775,<br />

Hildesheim<br />

Löffler, Bernd (2011): Integration in Deutschland, München<br />

Löw, Martina / Steets, Silke / Stoetzer, Sergej (2007): Einführung in die Stadt-­‐ und<br />

Raumsoziologie, Opladen<br />

Löw, Martina (2010): Soziologie der Städte, Frankfurt am Main<br />

Lust, Stefan / Schimany, Peter (Hrsg.) (2010): Integration von Zuwanderern – Erfahrungen,<br />

Konzepte, Perspektiven, Bielefeld<br />

Mackensen, Rainer et al. (1959): Daseinsformen der Großstadt – Typische Formen sozialer<br />

Existenz in Stadtmitte, Vorstadt und Gürtel der industriellen Großstadt, Tübingen<br />

Mansury, Homaira (2007): „Auf Augenhöhe“ – Integration zum kommunalen Thema machen,<br />

Friedrich-­‐Ebert-­‐Stiftung (Hrsg.), Berlin<br />

McKenzie, Roderick (1925): The Ecological Approach, in: Park, Robert / Burgess, Ernest: The<br />

City – Suggestions for Investigation of Human Behavior in the Urban Environment, Chicago,<br />

S. 63–79<br />

Münch, Claudia (2006): Emanzipation der lokalen Ebene? – Kommunen auf dem Weg nach<br />

Europa, Wiesbaden<br />

106


Neu, Marc (2007): Sozialraumstrukturen im Wandel – Eine Längsschnittanalyse des Essener<br />

Stadtgebietes 1970 – 1987 – 2006, Bochum<br />

Neu, Marc / Strohmeier, Klaus Peter / Kersting, Volker (2011): Sozialberichterstattung als<br />

Grundlage für eine kommunale Politik gegen Segregation, in: Alisch, Walter (Hrsg.): Die Zukunft<br />

der „Sozialen Stadt“ – Strategien gegen soziale Spaltung und Armut in den Kommunen,<br />

Wiesbaden, S. 219–240<br />

Niedersächsischer Landtag (2007): Bericht der Enquete-­‐Kommission – Demografischer Wandel<br />

– Herausforderung an ein zukunftsfähiges Niedersachsen, Hannover<br />

Noe, Torsten (2010): Dezentrale Arbeitsmarktpolitik – Die Implementierung der<br />

Zusammenlegung von Arbeitslosen-­‐ und Sozialhilfe, Wiesbaden<br />

Oppen, Dietrich von(1958): Familien in ihrer Umwelt –Äußere Bindungen von Familien im<br />

Prozeß der industriellen Verstädterung einer Zechengemeinde, Köln/Opladen<br />

Park, Robert (1974): Die Stadt als räumliche Struktur und als sittliche Ordnung, in: Atteslander,<br />

Peter / Hamm, Bernd (Hrsg.): Materialien zur Siedlungssoziologie, Köln, S. 90–100<br />

Pasler, Stefanie (2007): „Integrationspolitik in den Kommunen“ – Eine thematische Einführung,<br />

Konrad-­‐Adenauer-­‐Stiftung e.V. (Hrsg.), Berlin<br />

Pethe, Heike (2006): Internationale Migration hochqualifizierter Fachkräfte – Die Greencard-­‐<br />

Regelung in Deutschland, Wiesbaden<br />

Ramsauer, Peter (2012): Vorwort, in: Bundesministerium für Verkehr, Bau und<br />

Stadtentwicklung (BMVBS), 10 Jahre Stadtumbau Ost – Berichte aus der Praxis, Berlin, S. 3–4<br />

Riege, Marlo / Schubert, Herbert (Hrsg.) (2005): Sozialraumanalyse – Grundlagen, Methoden,<br />

Praxis, Wiesbaden<br />

Sassen, Saskia (2006): Cities in a world economy, Thousand Oaks, California<br />

Saunders, Doug (2011): Arrival City, München<br />

Saunders, Peter (1987): Soziologie der Stadt, Frankfurt am Main<br />

Schäfers, Bernd (2010): Stadtsoziologie – Stadtentwicklung und Theorien, Grundlagen und<br />

Praxisfelder, Wiesbaden<br />

Schimank, Uwe (2007): Inklusion, in: Fuchs-­‐Heinritz, Werner / Lautmann, Rüdiger / Rammstedt,<br />

Ottheim / Wienold, Hanns (Hrsg.): Lexikon zur Soziologie, Wiesbaden, S. 296<br />

Schnur, Olaf (2008): Neighbourhood Treck – Vom Chicago Loop nach Bochum-­‐Hamme –<br />

Quartiersforschungskonzepte im Überblick, Berlin<br />

Schwalbach, Gerrit (2009): Stadtanalyse, Berlin<br />

Schwarz, Patrik (Hrsg.) (2010): Die Sarrazin-­‐Debatte – Eine Provokation – Alle Antworten,<br />

Hamburg<br />

Siebel, Walter (2007): Krise der Stadtentwicklung und die Spaltung der Städte, in: Baum, Detlef<br />

(Hrsg.): Die Stadt in der Sozialen Arbeit – Ein Handbuch für pädagogische und soziale Berufe,<br />

Wiesbaden, S. 123–135<br />

107


Simmel, Georg (2010): Die Großstädte und das Geistesleben, in: Simmel, Georg: Das Abenteuer<br />

und andere Essays, Frankfurt am Main, S. 9–25<br />

Statistisches Bundesamt (2012): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit – Ausländische<br />

Bevölkerung, Ergebnisse des Ausländerzentralregisters, Fachserie 1, Reihe 2, Wiesbaden<br />

Stolpe, Manfred (2003): Vorwort, in: Deutsches Institut für Urbanistik (Difu): Strategien für die<br />

Soziale Stadt – Erfahrungen und Perspektiven, Umsetzung des Bund-­‐Länder-­‐Programms<br />

„Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt“, Berlin, S. 5<br />

Strohmeier, Klaus Peter (1983): Quartier und soziale Netzwerke – Grundlage einer sozialen<br />

Ökologie der Familie, Bielefeld<br />

Strohmeier, Klaus Peter (2001): Sozialraumanalyse Gelsenkirchen – stadträumliche<br />

Differenzierungen und Lebensformen der Bevölkerung, Armut und Partizipation, Bochum<br />

Strohmeier, Klaus Peter (2006a): Segregation in den Städten, Friedrich-­‐Ebert Stiftung (Hrsg.),<br />

Bonn<br />

Strohmeier, Klaus Peter (2007): Familien in der Stadt – Herausforderungen der städtischen<br />

Sozialpolitik, in: Baum, Detlef (Hrsg.): Die Stadt in der Sozialen Arbeit, Wiesbaden, S. 246–261<br />

Strohmeier, Klaus Peter (2008): Unterstadt – Für wen ist Segregation gefährlich?, in:<br />

Groenemeyer, Axel / Wieseler, Silvia / Albrecht, Günter (Hrsg.): Soziologie sozialer Probleme<br />

und sozialer Kontrolle – Realitäten, Repräsentationen und Politik, S. 488–501<br />

Strohmeier, Klaus Peter (2009): Die Stadt im Wandel – Wiedergewinnung von Solidarpotenzial,<br />

in: Biedenkopf, Kurt / Bertram, Hans / Niejahr, Elisabeth im Auftrag der Robert-­‐Bosch-­‐Stiftung:<br />

Starke Familie – Solidarität, Subsidiarität und kleine Lebenskreise, Bericht der Kommission<br />

„Familie und demographischer Wandel“, Stuttgart, S. 156–173<br />

Teicke, Michael (2012): Sozialräumliche Wanderung in Mülheim an der Ruhr, Bochum<br />

Twickel, Christoph (2010): Gentrifidingsbums oder eine Stadt für Alle – Nautilus Flugschrift,<br />

Hamburg<br />

Ulrich, Herbert (1985): Vom Kruppianer zum Arbeitnehmer, in: Nietzhammer, Lutz / von Plato,<br />

Alexander (Hrsg.): Wir kriegen jetzt andere Zeiten – Auf der Suche nach der Erfahrung des<br />

Volkes in nachfaschistischen Ländern, Berlin/Bonn, S. 233–276<br />

Wacquant, Loïc J.D. (2004): Roter Gürtel, Schwarzer Gürtel – Rassentrennung,<br />

Klassenungleichheit und der Staat in der französischen Peripherie und im amerikanischen<br />

Ghetto, in: Häußermann, Hartmut / Kronauer, Martin / Siebel, Walter (2004): An den Rändern<br />

der Städte, Frankfurt am Main, S. 148–202<br />

Weber, Max (2006): Wirtschaft und Gesellschaft, Paderborn<br />

Weischer, Christoph (2007): Fordismus, in: Fuchs-­‐Heinritz, Werner / Lautmann, Rüdiger /<br />

Rammstedt, Ottheim / Wienold, Hanns (Hrsg.): Lexikon zur Soziologie, Wiesbaden, S. 203<br />

Werheim, Jan (2007): Segregation, ethnische, in: Fuchs-­‐Heinritz, Werner / Lautmann, Rüdiger /<br />

Rammstedt, Ottheim / Wienold, Hanns (Hrsg.): Lexikon zur Soziologie, Wiesbaden, S. 580<br />

108


Werheim, Jan (2007): Segregation, funktionale, in: Fuchs-­‐Heinritz, Werner / Lautmann, Rüdiger<br />

/ Rammstedt, Ottheim / Wienold, Hanns (Hrsg.): Lexikon zur Soziologie, Wiesbaden, S. 580<br />

Werheim, Jan (2007): Segregation, soziale, in: Fuchs-­‐Heinritz, Werner / Lautmann, Rüdiger /<br />

Rammstedt, Ottheim / Wienold, Hanns (Hrsg.): Lexikon zur Soziologie, Wiesbaden, S. 580<br />

Wienold, Hanns(2007): Segregation, in: Fuchs-­‐Heinritz, Werner / Lautmann, Rüdiger /<br />

Rammstedt, Ottheim / Wienold, Hanns (Hrsg.): Lexikon zur Soziologie, Wiesbaden, S. 580<br />

Wildner, Kathrin (2012): Transnationale Urbanität, in: Eckhard, Frank (Hrsg.): Handbuch<br />

Stadtsoziologie, Wiesbaden<br />

Wilhelmsen, Elisabeth (2009): Regionale Schulentwicklung im Netzwerk Garbsener Schulen. Wir<br />

kooperieren – einfach so, in: Buchen, Herbert / Horster, Leonhard / Rolff, Hans-­‐Günter (Hrsg.):<br />

Schulverbünde und Schulfusion – Notlösung oder Impuls, Stuttgart, S. 95–116<br />

6.2 Artikel aus Fachzeitschriften<br />

Banner, Gerhard (1991): Von der Behörde zum Dienstleistungsunternehmen – Ein neues<br />

Steuerungsmodell für die Kommunen, in: VOP 13/4, S. 3–7<br />

Bomba, Rainer (2011): Erfolge und künftige Herausforderungen beim Umbau der Städte, in:<br />

Stadtumbau West: Motor des Strukturwandels – 2. Statusbericht der Bundestransferstelle<br />

Stadtumbau West, Berlin, S. 8–12<br />

Farwick, Andreas (2004): Soziale Segregation in schrumpfenden Städten – Entwicklungen und<br />

soziale Folgen, in: vhw FW 5 / Oktober/November 2004, S. 257–261<br />

Hanesch, Walter (2001): Armut und Integration in den Kommunen, in: Deutsche Zeitschrift für<br />

Kommunalwissenschaften, Berlin, S. 27–47<br />

Hesse, Markus (2004): Mitten am Rand – Vorstand, Suburbia, Zwischenstadt, in: Kommune, Heft<br />

5/2004, Frankfurt am Main<br />

Kaiser, Andreas / Pohlan, Jörg (2008): Wachsende Stadt, schrumpfende Quartiere –<br />

Kleinräumige Analyse der demografischen Entwicklung in Hamburg, in: Maretzke, Steffen<br />

(Hrsg.): Städte im demografischen Wandel – Wesentliche Strukturen und Trends des<br />

demografischen Wandels in den Städten Deutschlands, Materialien zur<br />

Bevölkerungswissenschaft, Heft 125, S. 65–74<br />

Park, Robert (1936): Human Ecology, in: The American Journal of Sociology, Volume XLII,<br />

Number 1, Chicago, S. 1–15<br />

Schuetze, Heinz (2006): International concepts and agendas of Lifelong Learning, Compare, in:<br />

University of British Columbia (Hrsg.): A Journal of Comparative and International Education,<br />

36: 3, S. 289–306<br />

Spiegel (2010): Es gibt viele Sarrazins, Ausgabe 36, Hamburg, S. 22–33<br />

Weiß, Wolfgang (2009): Kommunale Bildungspolitik – Entwicklungen, Begrifflichkeiten und<br />

Perspektiven, in: Deutsche Zeitschrift für Kommunalwissenschaften, Heft 1/2009, Berlin<br />

109


6.3 Online-­‐Quellen<br />

Bertelsmann Stiftung (2012): www.wegweiser-­‐kommune.de, abgerufen am 16.11.2012<br />

Bundesinstitut für Siedlungs-­‐ und Raumwesen (BBSR) (2012):<br />

www.bbsr.bund.de/nn_21972/BBSR/DE/Stadtentwicklung/Staedtebaufoerderung/Grundlagen<br />

ZieleFinanzierung/grundlagen__node.html?__nnn=true, abgerufen am 16.11.2012<br />

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) (Hrsg.) (2010):<br />

Migration/Integration und Stadtteilpolitik – Städtebauliche Strategien und Handlungsansätze<br />

zur Förderung der Integration, BMVBS-­‐Online-­‐Publikation 08/2010, Bonn<br />

Im Internet unter:<br />

www.bbsr.bund.de/cln_032/nn_21890/BBSR/DE/FP/ExWoSt/Studien/MigrationundStadtteilp<br />

olitik/05__Veroeffentlichungen.html, abgerufen am 01.12.2012<br />

Bertelsmann Stiftung (2012): Indikatoren, Gütersloh<br />

Im Internet unter:<br />

www.wegweiser-­‐kommune.de/global/methodik/Methodik.action?renderIndikatoren&,<br />

abgerufen am 01.12.2012<br />

Deutscher Landkreistag (2012): www.kommunenfuerarbeit.de, abgerufen am 11.07.2012<br />

Europäischer Sozialfonds (ESF)(2012): www.esf.de, abgerufen am 12.11.2012<br />

HafenCity Universität Hamburg (2012): www.suburbanisierung.de, abgerufen am 11.11.2012<br />

Kultusministerkonferenz(KMK) (2012): www.kmk.org/wir-­‐ueber-­‐uns/gruendung-­‐und-­‐<br />

zusammensetzung/rechtsgrundlagen.html, abgerufen am 16.11.2012<br />

Landesförderinstitut Mecklenburg-­‐Vorpommern (2012): http: //www.lfi-­‐<br />

mv.de/cms2/LFI_prod/LFI/content/de/Foerderungen/Wohnungsbaufoerderung/_Foerderunge<br />

n/Stadtumbau_Ost__Rueckbau/index.jsp?&view=911, abgerufen am 16.11.2012<br />

Landeszentrale für politische Bildung Baden-­‐Württemberg (LzPB BW) (2009): Indien, in: Der<br />

Bürger im Staat, Ausgabe 3/2009, Stuttgart<br />

Im Internet unter:<br />

www.buergerimstaat.de/34_09/indien.pdf, abgerufen am 4.11.2012<br />

Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales 
des Landes Nordrhein-­‐Westfalen:<br />

www.integration.nrw.de/foerderung/index.php, abgerufen am 15.11.2012<br />

NRW.INVEST GmbH: www.nrwinvest.com, abgerufen am 12.11.2012<br />

Soziale Stadt 2012: www.soziale-­‐stadt.de/praxisdatenbank, abgerufen am 5.11.2012<br />

Stadt Bergheim (2012): www.eg-­‐bm.de, abgerufen am 15.11.2012<br />

Stadt Mülheim an der Ruhr (2012): www. http: //www.muelheim-­‐<br />

ruhr.de/cms/statistik_und_stadtentwicklung1.html, abgerufen am 02.12.2012<br />

Strohmeier, Klaus Peter (2006b): Segregierte Armut in den Städten – Strategien sozial<br />

integrativer Politik, Bochum<br />

Im Internet unter:<br />

110


www.wegweiserkommune.de/themenkonzepte/sozialelage/download/pdf/Segregierte_Armut.<br />

pdf, abgerufen am 4.11.2012<br />

United Nations (2012): Population Ageing and the Non-­‐communicable Diseases, Department of<br />

Economic and Social Affairs/Population Division, No.1/2012, New York<br />

Im Internet unter:<br />

www.un.org/esa/population/publications/popfacts/popfacts__2012-­‐1.pdf, abgerufen am<br />

4.11.2012<br />

Universität Zürich (2012): www.methodenberatung.uzh.ch, abgerufen am 08.11.2012<br />

Urbano -­‐ Urban Research & Consultancy (2012): www.stadtumbaunrw.de, abgerufen am<br />

16.11.2012<br />

111


7 Anhang<br />

112


8 Eigenständigkeitserklärung<br />

Hiermit versichere ich, dass ich die Masterarbeit selbständig verfasst und keine anderen als die<br />

angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe, alle bildlichen Darstellungen und<br />

Ausführungen, die anderen Schriften wörtlich oder sinngemäß entnommen wurden, kenntlich<br />

gemacht sind und die Arbeit in gleicher oder ähnlicher Fassung noch nicht Bestandteil einer<br />

Prüfungsleistung an dieser oder einer anderen Fakultät oder Prüfungsbehörde war.<br />

Bochum, den<br />

-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐-­‐<br />

(Unterschrift)<br />

113

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!