05.06.2013 Aufrufe

Sebastian Kurtenbach

Sebastian Kurtenbach

Sebastian Kurtenbach

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

eschriebenen Segregationsarten (vgl. Abschnitt 1.5) überlagern. Arbeiterquartiere waren<br />

zumeist geprägt von gegenseitiger nachbarschaftlicher Solidarität, Hilfe und sozialer Kontrolle<br />

(vgl. u.a. Croon/Utermann 1958; Mackensen et al. 1959; Elias/Scotson 1993). Durch den<br />

Rückzug der Produktionsstätten aus den Städten kam es vermehrt zu Fortzügen, was bis dahin<br />

die Ausnahme war (vgl. Neu 2007, S. 8). Die nachbarschaftlichen Netzwerke erodierten, und da<br />

es sich in diesen Quartieren meist um Wohnungen in schlechtem baulichem Zustand zu geringer<br />

Miete handelte, zogen nach und nach sozial schlechter gestellte Haushalte hinzu. Nicht selten<br />

waren dies Migrantenhaushalte. Wer in diesem Quartier blieb, konnte sich in der Regel einen<br />

Umzug entweder nicht leisten oder wollte aufgrund seines Alters nicht mehr umziehen (vgl.<br />

Strohmeier 2008, S. 492).<br />

Aber nicht nur ehemalige Arbeiterquartiere sind die Armutsquartiere der postindustriellen<br />

Stadt. Großwohnsiedlungen, die nur durch Automobilisierung breiter Bevölkerungsschichten so<br />

ermöglicht werden konnten, weisen oftmals ähnliche kumulierte Problemlagen auf. Zumeist sind<br />

diese Großwohnsiedlungen an den Stadträndern errichtet und geplant worden für Haushalte mit<br />

einem Ernährer, einer Hausfrau und Kindern. Das entsprach dem Rollenbild der damaligen Zeit.<br />

Das Auto war notwendig, um die Arbeitsstätte zu erreichen, und die Häuser lagen in<br />

Grünanlagen fernab des Stadtzentrums (vgl. Brailich et al. 2008, S. 128ff.). Diese<br />

monostrukturelle Wohnweise war allerdings für breite Bevölkerungsschichten nicht lange von<br />

Interesse. Da die Mietpreise aufgrund der geringen Nachfrage fielen, zogen auch dorthin nach<br />

und nach Migranten und Arme. Somit sind die Armutsquartiere der postindustriellen Stadt zum<br />

einen ehemalige Arbeiterquartiere und zum anderen Großwohnsiedlungen der 1960er-­‐ und<br />

1970er-­‐Jahre.<br />

Armutsquartiere können allerdings im Sinne der sozialräumlichen Differenzierung zwei<br />

unterschiedliche Funktionen erfüllen: entweder die Funktion eines sozialen Relegationsgebietes<br />

oder die einer urbanen Integrationsschleuse. Beide Funktionen werden im Folgenden<br />

konzeptionell und idealtypisch beschrieben.<br />

1.5.7.1 Typisierung: Armutsquartier als „Relegationsgebiet“<br />

Quartiere, die als Relegationsgebiet oder auch Getto, soziale Endstationen oder Banlieues<br />

bezeichnet werden, beheimaten Menschen, die primär von passiver sozialer Segregation<br />

betroffen sind (vgl. Wacquant 2004, S. 148f.). Hinzu kommen ethnische wie auch demografische<br />

Segregation. Die Wanderungsbeziehungen mit anderen städtischen Quartieren oder über die<br />

Stadtgrenze hinaus sind nahezu zum Erliegen gekommen, Umzüge finden, wenn überhaupt, nur<br />

innerhalb des Quartiers statt. Trotz geringer Fluktuation sind nachbarschaftliche Hilfsnetzwerke<br />

kaum zu beobachten. Austauschbeziehungen finden primär innerhalb von familiären<br />

34

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!