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Aufsätze<br />
Litschen, Gleitzeit, Rahmenzeit, Mitbest<strong>im</strong>mung und Weisungsrecht<br />
11<br />
Arbeitnehmer aufgrund seiner Treuepflicht auch ohne eine arbeitsvertraglich verpflichtet ist, eine best<strong>im</strong>mte Arbeitszeit<br />
solche Öffnung verpflichtet sein, über die vertraglich zu leisten, es aber an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits bei Gleitzeitmo<strong>de</strong>llen keine<br />
geschul<strong>de</strong>te Arbeitszeit hinaus Arbeit zu leisten. festen Vorgaben gibt, wann dies zu geschehen hat, benötigt<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber ein Kontrollinstrument, um die vertragsgemäße<br />
1.2 Mitbest<strong>im</strong>mung<br />
Leistungserbringung zu überprüfen. Dies geschieht in<br />
Die Arbeitszeitgestaltung zählt zu <strong>de</strong>n essentiellen Gegenstän<strong>de</strong>n<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Regel <strong>im</strong> Rahmen eines Arbeitszeitkontos.<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> betrieblichen Mitbest<strong>im</strong>mung, so dass bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Festle-<br />
In <strong>de</strong>n Gleitzeitphasen ist <strong>de</strong>m Arbeitgeber das Weisungsrecht<br />
hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeit nicht vollständig entzogung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeit regelmäßig die Arbeitnehmervertretung<br />
(Personal-/Betriebsrat) als Wirksamkeitsvoraussetzung zu<br />
gen, 19 bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Abwägung nach § 315 BGB müssen jedoch<br />
beteiligen ist. Dies gilt sowohl für <strong>de</strong>n privatrechtlichen<br />
gewichtige betriebliche Grün<strong>de</strong> vorliegen, um das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht<br />
<strong>de</strong>s Arbeitnehmers aufzuheben. 20 Arbeit-<br />
Bereich nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG als auch nach <strong>de</strong>n Personalvertretungsgesetzen,<br />
z.B. §75 Abs.3 Nr.1 BPersVG. Die Mitbest<strong>im</strong>mung<br />
ist dabei ein Spiegelbild zum Weisungsrecht <strong>de</strong>s<br />
nehmer können <strong>im</strong> Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> betrieblichen Regelung ihre<br />
Gleitphasen, ihren Arbeitsbeginn und das Arbeitsen<strong>de</strong> selbst<br />
Arbeitgebers in <strong>de</strong>n Fragen <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeitgestaltung. 12<br />
„best<strong>im</strong>men“. Dadurch wird eine Regelungslücke gefüllt, die<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber durch seinen teilweisen Verzicht auf das<br />
nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage und <strong><strong>de</strong>r</strong> Verteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeit bestehen<strong>de</strong><br />
Weisungsrecht nach § 106 GewO offengelassen hat. 21<br />
Umstritten ist dabei <strong><strong>de</strong>r</strong> Umfang <strong><strong>de</strong>r</strong> Eingriffsmöglichkeit<br />
<strong>de</strong>s Arbeitgebers während <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleitzeit 22 und die Verantwortung<br />
<strong>de</strong>s Arbeitnehmers bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausübung <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitsouveränität.<br />
23 Allen Ansichten ist jedoch gemeinsam, dass<br />
11 Vgl. BAG 15..9. 2009 – 9 AZR 757/08, NZA 2009, 1333; 3.12.1980 – 5<br />
Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>im</strong> mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Arbeitsleben<br />
wer<strong>de</strong>n diese Parameter <strong><strong>de</strong>r</strong> täglichen Arbeitszeit nur noch<br />
selten als fixe Zeitpunkte festgelegt. Immer häufiger erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
die Notwendigkeiten <strong>de</strong>s Arbeitslebens eine flexible<br />
Handhabung. Da es praktisch kaum umsetzbar wäre, die<br />
Mitbest<strong>im</strong>mung für je<strong>de</strong> Weisung zur Best<strong>im</strong>mung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Arbeitszeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitarbeiter durchzuführen, wer<strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Regel in Dienst- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Betriebsvereinbarungen Rahmenregelungen<br />
geschaffen. Diese Rahmenregelungen legen generalisierend<br />
die Bedingungen fest, nach <strong>de</strong>nen <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber AZR 477/78, EzA BGB § 615 Nr. 39.<br />
sein Weisungsrecht ausüben darf. Will <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber außerhalb<br />
dieser Bedingungen abweichen<strong>de</strong> Weisungen erteilen, auch zu <strong>de</strong>n einzelnen Regelungspunkten Richardi, Betriebsverfassungs-<br />
12 MüKo Arbeitsrecht/Schüren, 3. Aufl., § 44 Gleitzeitsysteme, Rn. 1; i.E.<br />
benötigt er wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um die Zust<strong>im</strong>mung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmervertretung.<br />
Dazu zählen typischerweise die Überstun<strong>de</strong>n, die<br />
gesetz, 13.Aufl., §87, Rn.273; Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht,<br />
3. Aufl., § 75 BPersVG Rn. 240, ErfKo/Kania, 12. Aufl., BetrVG, § 87<br />
Rn.77ff.; Breier/Dassau u.a. TVöD Kommentar, §6 Rn.69.<br />
außerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> durch die Mitbest<strong>im</strong>mung geregelten Rahmenbedingungen<br />
vom Arbeitgeber angeordnet wer<strong>de</strong>n. 13 13 Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, 13. Aufl., § 87 Rn. 304.<br />
14 Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 3. Aufl., § 75 BPersVG<br />
Rn.241.<br />
Die Best<strong>im</strong>mung <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeit wird jedoch zunehmend<br />
auch in die Verantwortung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer selbst 15 Siehe grundlegend BAG 18.4.1989 – 1 ABR 3/88, AP BetrVG 1972 § 87<br />
Arbeitszeit Nr. 33; Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, 13. Aufl., § 87<br />
gelegt (z. B. Gleitzeit). Obwohl bei dieser Ausgestaltung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rn.279.<br />
Arbeitszeit das Weisungsrecht <strong>de</strong>s Arbeitgebers, ob ganz o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
nur in Teilen, gera<strong>de</strong> nicht ausgeübt wird, muss die Arbeitnehmervertretung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Einführung einer solchen Möglichkeit und Rn.1ff.<br />
17 Ausführlich MüKo Arbeitsrecht/Schüren, 3. Aufl., § 43 Gleitzeitsysteme,<br />
ihrer praktischen Ausgestaltung zust<strong>im</strong>men. 14 Verzichtet <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Arbeitgeber generell auf die Festlegung von konkreten<br />
ArbeitszeitenineinersolchenDienst-o<strong><strong>de</strong>r</strong>Betriebsvereinbarung,<br />
unterliegt auch je<strong>de</strong> <strong>de</strong>m entgegenstehen<strong>de</strong> Ausübung<br />
<strong>de</strong>s Weisungsrechts wie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitbest<strong>im</strong>mung. 15<br />
19 So wohl auch LArbG Ba<strong>de</strong>n-Württemberg 11.7.2002 – 2 TaBV 2/01, BB<br />
2002, 1751: „Stellt die Arbeitgeberin fest, dass die Abbauplanung nicht<br />
eingehalten wird, wird sie <strong>de</strong>n Vorgesetzten und <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n Mitarbeiter<br />
mittels ihres Weisungsrechtes auf die Befolgung <strong>de</strong>s Abbauplans in<br />
Anspruch nehmen müssen.“ Ähnlich schon LAG Hessen 21.12.1995 – 5<br />
TaBV 33/95 (n. v.); auch Compensis, Vertrauensarbeitszeit – arbeitnehmerbest<strong>im</strong>mte<br />
Arbeitszeit (auch) <strong>im</strong> Arbeitgeberinteresse, NJW 2007, 3089.<br />
16 ErfK/Wank, 12. Aufl., ArbZG, § 3 Rn. 17.<br />
18 ErfK/Wank, 12. Aufl., ArbZG, § 3 Rn. 18.<br />
1.3 Gleitzeit<br />
Grundsätzlich wird die Arbeitszeit durch zwei Faktoren<br />
konkretisiert: zum einem die Dauer („chronometrischer<br />
Faktor“) und zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en die zeitliche Lage <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeit<br />
(„chronologischer Faktor“) an einem Arbeitstag. 16 Regelmäßig<br />
wer<strong>de</strong>n diese Faktoren vom Arbeitgeber festgelegt. Die<br />
Entwicklung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis geht jedoch weg von einer starren<br />
Festlegung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeit hin zuflexiblenundbelastungsorientierten<br />
Regelungen. Neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> dienst-<br />
21 Schaub/Vogelsang, Arbeitsrechtshandbuch, § 160 Rn. 4.<br />
planmäßigen Verschiebung von Arbeitszeiten, setzen viele<br />
Betriebe und Verwaltungen auf die Selbstbest<strong>im</strong>mung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Arbeitszeit durch die Arbeitnehmer.<br />
Im Wesentlichen wer<strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis zwei unterschiedliche<br />
Gleitzeitmo<strong>de</strong>lle angewandt. Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> einfachen Gleitzeit wird<br />
eine sogenannte Kernzeit festgelegt, in <strong><strong>de</strong>r</strong> weiterhin eine<br />
Anwesenheitspflicht durch Weisung <strong>de</strong>s Arbeitgebers festgelegt<br />
ist. Hinsichtlich <strong>de</strong>s Beginns und <strong>de</strong>s En<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeit<br />
kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer innerhalb eines vor<strong>de</strong>finierten<br />
Zeitraums selbst best<strong>im</strong>men, wann er die Arbeit aufn<strong>im</strong>mt<br />
und wann er sie been<strong>de</strong>t. Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> sogenannten qualifizierten<br />
Gleitzeitregelung gibt es keine o<strong><strong>de</strong>r</strong> nur eine min<strong>im</strong>ale Kernzeit,<br />
so dass bei<strong>de</strong> Arbeitszeitfaktoren nahezu vollständig<br />
vom Arbeitnehmer frei gestaltet wer<strong>de</strong>n können. 17<br />
Die Dispositionsmöglichkeit über die Lage und Dauer <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
täglichen Arbeitszeit, die sogenannte „gleiten<strong>de</strong> Arbeitszeit<br />
mit Zeitausgleich“, ermöglicht in <strong>de</strong>n Gleitphasen Arbeitszeit<br />
anzusparen o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch nachzuholen. 18 Da <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer<br />
20 So kann bei einer Gleitzeitvereinbarung das Recht zur ausnahmsweisen<br />
Anordnung von Sollarbeit <strong>de</strong>s Arbeitgebers <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s vertraglich<br />
vereinbarten Arbeits<strong>de</strong>putats nicht enger sein, als bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Anordnung<br />
von überobligatorischen Überstun<strong>de</strong>n, die <strong>im</strong> Ausnahmefall unstreitig<br />
möglich sind: vgl. BAG 15.9.2009 – 9 AZR 757/08, NZA 2009, 1333,<br />
ArbG Leipzig 4.2.2003 – 7 Ca 6866/02, DB 2003, 1279; ErfK/Preis,<br />
12.Aufl.,BGB,§611Rn.663;Küttner/Reinecke, Personalbuch, 17. Aufl.,<br />
Nr. 411 Überstun<strong>de</strong>n, Rn. 6.<br />
22 Grundsätzlich keine Eingriffsmöglichkeit <strong>de</strong>s Arbeitgebers, jedoch bei<br />
Zust<strong>im</strong>mung durch Betriebsrat BAG 18.4.1989 – 1 ABR 3/88, AP<br />
BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 33; Eingriffsmöglichkeit bei Verstoß<br />
BAG 29.4.2004 – 1 ABR 30/02, NZA 2004, 670; Unterlassung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Annahme von Arbeit LAG Hessen 21.12.1995 – 5 TaBV 33/95, (n.V.);<br />
Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung von Rahmenbedingungen zulässig LAG Rheinland-Pfalz<br />
20.3.1997 – 5 TaBV 3/97, NZA-RR 1997, 390.<br />
23 Stringend diesbezüglich bei Gleitzeit in Betriebsvereinbarung BAG<br />
18.4.1989–1ABR3/88,APBetrVG1972§87ArbeitszeitNr.33;auch<br />
Reichold, Zeitsouveränität <strong>im</strong> Arbeitsverhältnis: Strukturen und Konsequenzen,<br />
NZA 1998, 393 (397); zwischenzeitlich herrschen<strong>de</strong> Meinung,<br />
dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer analog § 315 BGB ebenfalls Arbeitgeberinteressen<br />
bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Entscheidung berücksichtigen muss. Siehe etwa: Wisskirchen/Bissels,<br />
Arbeiten, wenn Arbeit da ist – Möglichkeiten und Grenzen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinbarungsbefugnis zur Lage <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeit, NZA-Beil.<br />
2006, 24 (33); Kocher, Diskontinuität von Erwerbsbiografien und das<br />
Normalarbeitsrecht – Der Umgang mit Unsicherheiten, NZA 2010, 841<br />
(843); Compensis, Vertrauensarbeitszeit – arbeitnehmerbest<strong>im</strong>mte<br />
Arbeitszeit (auch) <strong>im</strong> Arbeitgeberinteresse, NJW 2007, 3089; inzwischen<br />
sogar für eine vorrangige (!) Berücksichtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeberinteressen<br />
bei Gleitzeit ohne Kernarbeitszeit MüKo Arbeitsrecht/Schüren,<br />
3. Aufl., § 43 Gleitzeitsysteme, Rn. 30. Eine schlüssige Begründung für<br />
die unterschiedliche Behandlung bei Gleitzeit mit und ohne Kernzeit<br />
wird nicht geliefert (§ 43 Gleitzeitsysteme, Rn. 13 ff.).<br />
424 News & Service online – www.ztr-zeitschrift.<strong>de</strong><br />
8. 2012