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Aufsätze
Litschen, Gleitzeit, Rahmenzeit, Mitbestimmung und Weisungsrecht
2.1 Auswirkungen auf das Weisungsrecht
ten anzuweisen bzw. der Arbeitnehmer durch geschickte
Arbeitszeitgestaltung dies ganz verhindern könnte.
Sinn und Zweck einer Gleitzeitvereinbarung ist – vereinfacht
gesagt – die Beschränkung des Weisungsrechts des Um beide Regelungen interessengerecht zu vereinbaren,
Arbeitgebers im Hinblick auf die Arbeitszeit und Übertragung
der Bestimmung von Beginn und Ende in das Ermeszeitkorridor
als zusätzliche Einschränkungsmöglichkeit der
bietet es sich vielmehr an, die Rahmenzeit oder den Arbeitssen
des Arbeitnehmers. Dies gilt uneingeschränkt auch für Arbeitszeitsouveränität der Arbeitnehmer und damit als
den Bereich des öffentlichen Dienstes. 32 Ergänzung der Gleitzeitvereinbarung zu sehen. 38 In der
Praxis bedeutet dies, dass der Arbeitnehmer im Regelfall
Wollen die Vertragsparteien das Weisungsrecht des Arbeitgebers
für die Arbeitszeitverteilung durch eine konstitutive
weiterhin frei bestimmen kann, wann und wie lange er im
Rahmen der Gleitzeit arbeitet. Der Arbeitgeber hat im
Regelung einschränken, müssen hierfür konkrete Anhaltspunkte
bestehen. 33 Im Regelfall wird hierzu eine Dienst- oder
Bedarfsfall jedoch die Möglichkeit, auch während der Gleitzeitphase
sein Weisungsrecht auszuüben und den Arbeitnehmer
zur Arbeitsleistung zu verpflichten. Da sich das
Betriebsvereinbarung abgeschlossen. Neben den Rahmenbedingungen
der Gleitzeit können in der Vereinbarung auch
Weisungsrecht ebenfalls in den zeitlichen Bestimmungen
Ausnahmetatbestände geregelt werden, in welchen Fällen die
der Rahmenzeit oder des Arbeitszeitkorridors bewegt, ist
Arbeitszeitsouveränität des Mitarbeiters wieder eingeschränkt
werden kann. 34 Grundsätzlich muss es jedoch einen
eine Überlastung der Arbeitnehmer auch nicht zu befürchten.
39 Nur ein dauerhaftes Weisungsrecht zur Arbeitszeit
Zeitbereich geben, in dem der Mitarbeiter eigenständig entscheiden
kann, um überhaupt von Gleitzeit reden zu können.
würde wohl gegen den Sinn und Zweck der Gleitzeitvereinbarung
verstoßen und damit unzulässig sein.
Eine Rahmenzeit oder ein Arbeitszeitkorridor ist im Prinzip
der genaue Gegenentwurf zu einer Gleitzeit. Nach einhelliger 2.2 Auswirkungen auf die Mitbestimmung
Meinung ermöglichen sie dem Arbeitgeber, innerhalb des festgelegten
Zeitbudgets sein Weisungsrecht uneingeschränkt zeit oder Arbeitszeitkorridor besitzt für den Arbeitgeber
Die gleichzeitige Vereinbarung von Gleitzeit und Rahmen-
auszuüben, auch ohne besonderen betrieblichen Grund. 35
denbesonderenCharme,dassbereitszwingendeineMitbestimmung
im Vorfeld der Regelung stattgefunden hat. Wäh-
Dadurch wird das Weisungsrecht des Arbeitgebers im Hinblick
auf das sonst notwendige billige Ermessen ausgeweitet. rend er sonst bei der Ausübung seines Weisungsrechtes, insbesondere
während der Gleitzeit, für jeden Einzelfall die
Bereits tarifvertraglich ist vorgesehen, dass für die Umsetzung
ebenfalls eine betriebliche Regelung erforderlich ist.
Zustimmung der Arbeitnehmervertretung benötigt, wird
Die Zielrichtungen beider Vereinbarungen sind damit diametral
entgegengesetzt. Die Literatur hat sich bislang kaum korridors jede Ausübung mit Wirkung für die Zukunft in
mit der Vereinbarung der Rahmenzeit oder des Arbeitszeit-
damit auseinandergesetzt. Soweit überhaupt ein konkreter dem gesetzten Zeitrahmen umfasst. Der Arbeitgeber
Vorschlag angeboten wird, fehlt es an einer Auseinandersetzung
mit diesem Widerspruch. 36 Fraglich ist daher, wie eine Bestimmung der Arbeitszeit, sondern auch das Verfahren
gewinnt daher nicht nur an Flexibilität hinsichtlich der
Lösung aussehen kann, ohne dass eine der beiden Instrumente
sinnentleert wird, wenn es an einer betrieblichen Durch die kollektivrechtliche Zulassung des Weisungsrechts
der Anordnung wird vereinfacht.
Abgrenzung des Geltungsbereiches fehlt.
für die Zukunft bleibt trotzdem auch der Kern der Mitbestimmung
im Rahmen der Arbeitszeit erhalten, da dem
Für die weitere Betrachtung wird der derzeit wohl praxisnahe
Fall untersucht, dass eine alte Gleitzeitregelung
Arbeitgeber nur für einen vorher festgelegten Zeitrahmen
besteht und eine Vereinbarung, z. B. zur Rahmenzeit hinzukommt.
Für das Ergebnis spielt die zeitliche Abfolge jedoch
das Weisungsrecht ohne weitergehende Kontrolle gewährt
wird. 40 Ungeachtet dessen darf der Arbeitgeber auch bei
keine Rolle.
Weisungen in diesem Zusammenhang nicht gegen die Vorschriften
des Arbeitszeitgesetzes verstoßen. Rahmenzeit
Das Festhalten an einer bestehenden Gleitzeitregelung bei oder Arbeitszeitkorridor ermöglichen so die Leistungsbestimmung
durch den Arbeitgeber ohne weitere formale Mit-
Neuabschluss einer Rahmenzeit oder eines Arbeitszeitkorridors
vermittelt den Willen der Betriebsparteien, dass die wirkung der Arbeitnehmervertretung. 41
Arbeitnehmer weiterhin in dem bisher zugelassenen Rahmen
ihre Arbeitszeit bestimmen können sollen. Andererseits 2.3 Auswirkungen für das Arbeitszeitkonto
wird durch die neue Vereinbarung zum Ausdruck gebracht,
Der Tarifvertrag sieht zwingend bei Einführung von Rahmenzeit
oder Zeitkorridor auch die Einrichtung eines
dass das Weisungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich der
Arbeitszeit ausgedehnt werden soll. Die bewusst gleichzeitige
Anwendung beider Regelungen verbietet es, eine der
Arbeitszeitkontos vor. Dies bedeutet jedoch nicht, dass
neben dem vermutlich schon bestehenden Gleitzeitkonto
genannten Rechtsfolgen gänzlich auszuschließen. Eine
noch ein weiteres Konto notwendig ist, um die in der Rah-
Lösung, die dem Arbeitgeber während der Gleitzeit das
Weisungsrecht abspricht 37 oder dem Arbeitnehmer seine 32 Breier/Dassau u. a. TVöD Kommentar, § 6 Rn. 66 m. w. N.
Zeitsouveränität nimmt, ist mit diesem ausdrücklichen Willen
der Betriebsparteien nicht vereinbar.
34 Grundlegend vgl. Schüren/Feuerborn in Anmerkungen zu BAG
33 BAG 15.9.2009 – 9 AZR 757/08, NZA 2009, 1333 m. w. N.
18.4.1989 – 1 ABR 3/88, AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 33.
Könnte der Arbeitgeber während der Gleitzeit, insbesondere
wenn keine Kernarbeitszeit festgelegt ist, sein Weiborsky
TVöD Kommentar, § 6 Rn. 28 u. 35; Breier/Dassau u. a. TVöD Kom-
35 Insb. OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O.; ähnlich Böhle/Bepler u.a./Welkosungsrecht
nicht ausüben, würde zudem der verbleibende mentar, §6 Rn.163.
Anwendungsbereich einer Rahmenzeit oder eines Arbeitszeitkorridors
gegen Null gehen. In diesem Falle wäre es ihm koborsky TVöD Kommentar, § 6 Rn. 47.
36 Breier/Dassau u. a. TVöD Kommentar, § 6 Rn 169. Böhle/Bepler u.a./Wel-
schon nicht möglich, überhaupt Arbeit anzuordnen. Dies ist 37 So Breier/Dassau u. a. TVöD Kommentar, § 6 Rn. 169.
jedoch fundamentale Voraussetzung für die mit der Rahmenzeit
oder dem Arbeitszeitkorridor verbundene Rechts-
sich um zwei unterschiedliche Betriebs- oder Dienstvereinbarungen
38 BAG 1.7.2003 – 1 ABR 22/02, NZA 2003, 1209; Die Tatsache, dass es
handelt, steht der Zulässigkeit nicht entgegen.
folge der Zuschlagsfreiheit von „Überstunden“, die erst
39 Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O.
dann entstehen könnten, wenn ein Weisungsrecht besteht.
40 So auch OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O.; die Mitbestimmung darf
Auch eine Reduktion des Weisungsrechtes nur auf Arbeit
auch durch Betriebsvereinbarung nicht vollständig ausgehöhlt werden,
siehe BAG 1.7.2003 – 1 ABR 22/02, NZA 2003, 1209.
oberhalb der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit kann
nicht angenommen werden, da der Arbeitgeber bei Gleitzeit 41 So auch schon Schüren/Feuerborn in Anmerkungen zu BAG 18.4.1989 –
nur jeweils zum Wochenende die Möglichkeit hätte, die Zei-
1 ABR 3/88, AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 33.
426 News & Service online – www.ztr-zeitschrift.de
8. 2012