4 <strong><strong>Amtsberg</strong>er</strong> <strong>Anzeiger</strong> 12. März 2012 Nichts, außer e<strong>in</strong>er hochgestapelten Ansammlung alten Dachgebälks, er<strong>in</strong>nert mehr daran, dass hier etwa 170 Jahre lang e<strong>in</strong> im größeren Umkreis bekannter Gasthof gestanden hat. Bald wird auch dieser Holzhaufen e<strong>in</strong>er Nutzung zugeführt, die ehemalige Baufläche begradigt und eventuell wie<strong>der</strong> bebaut. Das e<strong>in</strong>stige Dase<strong>in</strong> des Gasthofes ist Geschichte und wird vermutlich mit den Jahren <strong>in</strong> Vergessenheit geraten. Nach e<strong>in</strong>em Besitzerwechsel hat e<strong>in</strong>e im Auftrag stehende Baufirma den längst überfälligen Abriss des schon über Jahre dem Verfall preisgegebenen Gebäudekomplexes im August 2011 ausgeführt. Dieses Gebäude, welches im Anschluss <strong>der</strong> „Gerstenberger-Schmiede“ Dittersdorfer Straße 94 stand, ist vielen Dittersdorfern unter dem Namen „Hänels Gasthof“ Dittersdorfer Straße 96 wohlbekannt. Die Entstehung und Geschichte des Gasthofs hängt eng mit dem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nähe bef<strong>in</strong>dlichen gegenüberliegenden Erbgericht (heute Kirchsteig 10-12), auch Lehngericht genannt, zusammen. Da auf dem Erbgericht von alters her das Recht <strong>der</strong> Bier- und Schankgerechtigkeit lag, ist stark anzunehmen, dass <strong>in</strong> diesem Anwesen die älteste Schänke Dittersdorfs zu suchen ist. 1828 schreiben August Schumann und Albert Schiffner im Staats- Post- u. Zeitungslexikon von Sachsen; „…Das starke Erbgericht, mit Gastwirthschaft steht im Oberdorfe,….“. Im Jahre 1836 kauft Friedrich Wilhelm Kaden das Erbgericht für 4.000 Taler. Er ist <strong>der</strong> Sohn des Pachtmüllers Johann Gottlieb Kaden, welcher die herrschaftliche Mühle, im heutigen „Grünen Tal“ Mühlweg 1, zur Pacht hatte. Die Feld- und Waldflächen gegenüber dem Erbgericht gehörten ebenfalls zum Grundbesitz. Diese g<strong>in</strong>gen über die „Obere Straße“ h<strong>in</strong>weg bis an die Grenzen Gornaus. In vorliegenden Verkaufsurkunden wird dabei auf e<strong>in</strong> 1/8 Hufen-Beigut h<strong>in</strong>gewiesen. Aus Gründen, die nicht bekannt s<strong>in</strong>d, glie<strong>der</strong>t er die Schankwirtschaft aus dem Erbgericht heraus und erbaut stattdessen 1839 den Gasthof, damals auch Schankhaus genannt. Da das Land rechts und l<strong>in</strong>ks entlang des Dorfbachs Geme<strong>in</strong>debesitz war, erhält er von <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de, „zum Hausbau 3 Metzen Commungrund und -boden am Dorffahrweg“, heute die Dittersdorfer Straße. Das Schankhaus war e<strong>in</strong> typisch ländlicher Bau. Im Erzgebirge nennt man sie Schenken o<strong>der</strong> auch Kretscham. E<strong>in</strong> umlaufend stattliches Fachwerk des ersten und zweiten Stockes, welches aber später verschiefert wurde, zeichnete den charakteristischen Baustil <strong>der</strong> damaligen Zeit aus. Das Erdgeschoss wurde mit Bruch- und Feldgeste<strong>in</strong> gebaut. Waren <strong>in</strong> früherer Zeit Fuhrleute o<strong>der</strong> Durchreisende im Gasthof zur Übernachtung e<strong>in</strong>gekehrt, gab die h<strong>in</strong>ter dem Gasthof erbaute Stallung mit Scheune Möglichkeit zur E<strong>in</strong>stellung von Transportwagen, Reisekutschen, im W<strong>in</strong>ter die Schlitten sowie <strong>der</strong>en Zugtieren. Gemütliche Herrenrunde im damaligen Gasthof C. Pleißenberger Historisches Der "Gasthof Hänel" <strong>in</strong> Dittersdorf Diese zum größten Teil aus Bruch- und Feldgeste<strong>in</strong> erbaute Scheune hatte zwei größere E<strong>in</strong>fahrtstore. Das zur Schmiede h<strong>in</strong> gerichtete Tor war mit e<strong>in</strong>em aus Hilbersdorfer Porphyr umrahmten Portal versehen. E<strong>in</strong> zweiteiliges Holztor war an <strong>der</strong> gegenüberliegenden Seite im h<strong>in</strong>teren Teil. Bereits im September 1839 verpachtet Friedrich Wilhelm Kaden das zum Erbgericht zugeordnete „Schankhaus mit allen Räumen und Behältnissen“ an Peter Alexan<strong>der</strong> Strubel, zu dieser Zeit Buchhalter <strong>der</strong> Sp<strong>in</strong>nfabrik Auerbach <strong>in</strong> Kemtau. Im vorliegenden Pachtvertrag aus dem gleichen Jahr wird e<strong>in</strong> jährliches Pachtgeld von 100 Talern festgelegt, das <strong>in</strong> vierteljährlichen Term<strong>in</strong>en zu zahlen ist. Da <strong>der</strong> Neubau zum Zeitpunkt des Pachtbeg<strong>in</strong>ns nicht vollständig fertiggestellt war, wurde vertraglich festgelegt, welche Arbeiten und anstehende Baumaßnahmen im „Schankhaus“ und im „Gaststall“ noch erfor<strong>der</strong>lich s<strong>in</strong>d. Dazu gehörten auch die Komplettierung des Wasserhauses und das Anlegen e<strong>in</strong>es Kellers. Im Frühjahr 1840 soll auch die Kegelbahn, hier „Kegelschub“ genannt, fertig werden. Der Verpächter verpflichtet sich, weiter e<strong>in</strong>en „neuen Abtritt beim Schänkhaus“ - die Toilette also - auf se<strong>in</strong>e Kosten zu errichten. Das Obergeschoss war ebenfalls noch nicht vollendet, denn zwei Bodenkammern mussten noch ausgebaut werden. Der Inhalt des Pachtvertrages berichtet uns weiter, dass vier ste<strong>in</strong>erne Stufen zum Hause<strong>in</strong>gang aufwärts führten. Die durch den späteren Ausbau <strong>der</strong> Dorfstraße bed<strong>in</strong>gte Erhöhung <strong>der</strong>selben machte diese Stufen überflüssig und sie wurden beseitigt. E<strong>in</strong>e an vier Bän<strong>der</strong>n befestigte Doppeltür mit e<strong>in</strong>em eisernen Kastenschloss und Nachtriegel war im ste<strong>in</strong>ernen Türgewände verankert. Alle Fenster am Haus hatten stets vier Flügel. Die drei Fenster <strong>der</strong> Wohnstube waren zusätzlich mit hölzernen Fensterläden ausgestattet. E<strong>in</strong> weißer Kachelofen mit Kochröhre, dar<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong> kupferner Ofentopf und drei Wasserkannen bef<strong>in</strong>dlich, heizte die Schankstube und die danebenliegende Stube gleichzeitig. In <strong>der</strong> Küche, die sich vermutlich bis zum Abriss immer an gleicher Stelle befand, war e<strong>in</strong> größerer Feuerherd und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nähe davon das Gewölbe zur Unterbr<strong>in</strong>gung von schnell ver<strong>der</strong>bliche Lebensmittel. E<strong>in</strong>e ste<strong>in</strong>erne Treppe, die bis zuletzt vorhanden war, führte zum Vorsaal <strong>in</strong> die erste Etage h<strong>in</strong>auf. Die oberen Stuben wurden von e<strong>in</strong>em Kanonenofen beheizt. Oben, l<strong>in</strong>ks <strong>der</strong> Treppe, muss sich e<strong>in</strong>e weitere Stube befunden haben, denn von dort aus g<strong>in</strong>g es durch e<strong>in</strong>en Bogen <strong>in</strong> Richtung Tanzsaal, zu e<strong>in</strong>er weiteren Ausschankstube. Dar<strong>in</strong> befanden sich e<strong>in</strong> Schanktisch und Regale für Gläser. Zwölf Mess<strong>in</strong>ghaken an zwei Latten zum Aufhängen von Kleidungsstücke waren an <strong>der</strong> Wand befestigt. Durch e<strong>in</strong>en weiteren Bogen g<strong>in</strong>g es nun <strong>in</strong> den im Haus bef<strong>in</strong>dlichen Tanzsaal, - nicht mit dem 1886 erbauten Tanzsaal zu verwechseln. Hier befand sich e<strong>in</strong> „Orchester für die Musik, l<strong>in</strong>ks oben im W<strong>in</strong>kel bef<strong>in</strong>dlich“. Vermutlich handelte es sich um den Platz <strong>der</strong> Tanzkapelle, also um e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Bühne o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Podest. Ausgestattet war <strong>der</strong> Saal mit sieben Stück hölzernen, an den Wänden stehenden, Bänken. E<strong>in</strong>e Hängelampe aus Blech, an Mess<strong>in</strong>gketten mit 3 Armen, und drei gläsernen Zyl<strong>in</strong><strong>der</strong>n diente als Lichtquelle. Für die Tischbeleuchtung standen drei rote hölzerne Leuchter zur Verfügung. E<strong>in</strong>e Aufzählung weiterer Gegenstände, die zur damaligen Zeit Verwendung fanden, sollte nicht unerwähnt bleiben. Es handelt sich um e<strong>in</strong>e größere Anzahl von „Fidibuskästchen“ (das s<strong>in</strong>d Kästchen zur Aufbewahrung von Papierstreifen o<strong>der</strong> Holzspänen aus Fichtenholz zum Anzünden <strong>der</strong> Pfeife, Zigarren, Leuchter o.Ä.), weiter s<strong>in</strong>d es hölzerne Zuckerwasser-Löffel, Leuchter für die Musiker, Flaschenkörbe, Korkenzieher, z<strong>in</strong>nerne u. hölzerne Biertonnenhähne, 250 ste<strong>in</strong>erne Bierflaschen, 11 gläserne Branntwe<strong>in</strong>flaschen, Biergläser, Flaschengläser, Branntwe<strong>in</strong>gläser u.v.a. Strubel, <strong>der</strong> außerdem noch Aufseher <strong>in</strong> <strong>der</strong> hiesigen liedloffschen Sp<strong>in</strong>nerei war, bewirtschaftete dieses Schankhaus als Pächter bis 1842. Fortsetzung folgt………. Roland Sittel, Zschopau 14.02.2012 C M Y K
C M Y K 12. März 2012 Aus den K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätten und den Schulen <strong><strong>Amtsberg</strong>er</strong> <strong>Anzeiger</strong> 5