Rechtliche Grundlagen zu Holzofenbrot: Sind Brote aus Pellets ...
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Helmut Martell<br />
Zusammenfassung<br />
<strong>Rechtliche</strong> <strong>Grundlagen</strong> <strong>zu</strong> <strong>Holzofenbrot</strong>:<br />
<strong>Sind</strong> <strong>Brote</strong> <strong>aus</strong> <strong>Pellets</strong>-Holzöfen eigentlich <strong>Holzofenbrot</strong>e?<br />
1. Die Bedeutung der „allgemeinen Verkehrsauffassung“<br />
Die Begriffe „Holzofen“ und „<strong>Holzofenbrot</strong>“ sind in keinem europäischen Land explizit<br />
gesetzlich definiert, sondern bemessen sich nach der jeweiligen allgemeinen Verkehrsauffassung,<br />
die für die meisten west- und mitteleuropäischen Länder im Wesentlichen<br />
vergleichbar ist.<br />
Die „allgemeine Verkehrsauffassung“ setzt sich <strong>aus</strong> dem „redlichen Gewerbebrauch“<br />
und der „berechtigten Verbrauchererwartung“ <strong>zu</strong>sammen. Sowohl der „redliche<br />
Gewerbebrauch“ als auch die „berechtigte Verbrauchererwartung“ enthalten jeweils<br />
normative und empirische Elemente. So lässt sich der „Gewerbebrauch“ und<br />
die „Verbrauchererwartung“ im Prinzip durch Abzählen empirisch ermitteln (z. B.<br />
durch eine Branchenbefragung oder repräsentative Verbraucherbefragung). Ob die<br />
so ermittelten Sachverhalte dann jeweils einen redlichen Gewerbebrauch oder eine<br />
berechtigte Verbrauchererwartung widerspiegeln, erfordert eine Bewertung anhand<br />
rechtlicher Beurteilungsmaßstäbe, die jeweils von dem Einzelfall abhängen. Oft lässt<br />
sich feststellen, dass bei Widersprüchen zwischen dem tatsächlichen Gewerbebrauch<br />
und der festgestellten Verbrauchererwartung entweder der Gewerbebrauch<br />
nicht redlich oder die Verbrauchererwartung nicht berechtigt ist.<br />
Die Verkehrsanschauung der beteiligten Verkehrskreise ist in der Regel nicht<br />
statisch, sondern unterliegt einem mehr oder weniger raschen Wandel, der vielfältige<br />
Gründe haben kann. Oft sind hierfür Fortschritte in Wissenschaft und Technik.<br />
neue Rohstoffe, verbesserte Erkenntnisse der Ernährungswissenschaften oder auch<br />
veränderte Verzehrsgewohnheiten oder Moden ursächlich.<br />
In zahlreichen europäischen Ländern sind Gremien geschaffen worden, deren Aufgabe<br />
es ist, in der Lebensmittelwirtschaft die allgemeine Verkehrsauffassung <strong>zu</strong> Herstellungsweisen,<br />
<strong>zu</strong>r Zusammenset<strong>zu</strong>ng von Erzeugnissen und deren irreführungsfreier<br />
Kennzeichnung fest<strong>zu</strong>stellen. In Deutschland obliegt dies der Deutschen Lebensmittelbuchkommission,<br />
einem gemäß der §§ 15 und 16 LFGB geschaffenen<br />
Gremiums, dessen Aufgabe es ist, die „Herstellung, Beschaffenheit oder sonstige<br />
Merkmale von Lebensmitteln die für die Verkehrsfähigkeit der Lebensmittel von Bedeutung<br />
sind“ in Form von Leitsätzen <strong>zu</strong> beschreiben.
Diese Leitsätze haben keinen rechtsetzenden Charakter, sondern sind beschreibender<br />
Art und beziehen sich auf die festgestellte allgemeine Verkehrsauffassung,<br />
die sich in der Vergangenheit gebildet hat. Leitsätze gelten als „generalisierte<br />
Sachverständigengutachten“, 1 denen von der Rechtsprechung ein besonderes<br />
Gewicht <strong>zu</strong>gebilligt wird. Wegen des fehlenden Rechtscharakters der Leitsätze ist<br />
es daher möglich, von deren Feststellungen ab<strong>zu</strong>weichen, sofern die Abweichungen<br />
<strong>aus</strong>reichend gekennzeichnet werden.<br />
Da die Lebensmittelbuchkommission nicht die Befugnis hat, wie ein Gesetzgeber<br />
neues Recht <strong>zu</strong> schaffen, können Änderungen der bestehenden Leitsätze nur<br />
durch den Nachweis eingeleitet werden, dass sich die in den Leitsätzen beschriebene<br />
Verkehrsauffassung mittlerweile gewandelt hat.<br />
2. Was ist ein Holzofen?<br />
a) Die Leitsätze für Brot und Kleingebäck in der Fassung vom 19. September<br />
2005 beschreiben „Holzöfen“ und „<strong>Holzofenbrot</strong>“ wie folgt:<br />
„<strong>Holzofenbrot</strong> wird freigeschoben oder angeschoben und in direkt befeuerten Öfen<br />
hergestellt, deren Backräume <strong>aus</strong> steinernem oder steinartigem Material bestehen.<br />
Das Heizmaterial befindet sich im Backraum. Es wird nur naturbelassenes Holz als<br />
Heizmaterial verwendet.“<br />
(In der Leitsatz-Fassung <strong>aus</strong> dem Jahre 1999 waren angeschobene <strong>Brote</strong> noch nicht<br />
erwähnt. Die den Leitsätzen vor<strong>aus</strong>gegangenen BLL-Richtlinie für Brot und Kleingebäck<br />
<strong>aus</strong> dem Jahre 1984 hatte gefordert, dass ab einer Stunde vor Backbeginn<br />
sowie bei weiteren Aufheizphasen nur Holz als Heizmaterial verwendet werde.)<br />
Weitgehend sinngleich heißt es im Österreichischen Lebensmittelbuch unter<br />
„<strong>Holzofenbrot</strong>“ 2 .<br />
„<strong>Holzofenbrot</strong> wird nur in <strong>aus</strong> Stein gemauerten und direkt befeuerten Öfen mit fallender<br />
Hitze frei- und angeschoben gebacken. Dabei wird <strong>zu</strong>m Anheizen ab einer<br />
Stunde vor Backbeginn sowie während der weiteren Aufheizphasen nur chemisch<br />
nicht behandeltes Holz als Heizmaterial verwendet.“<br />
In diesem Sinne äußert sich auch die Richemont Fachschule Luzern in einer Veröffentlichung<br />
<strong>aus</strong> dem Jahre 2004, in der es heißt:<br />
„Direkt beheizt, unterschiedlich befeuert: Aus der technologischen Entwicklung des<br />
Backens abgeleitet ist der Holzbackofen ein direkt mit Holz beheizter Ofen, bei dem<br />
die Heizfläche mit der Backfläche identisch ist. Diese Formulierung schließt auch Ofensysteme<br />
wie Gueulard ein, bei welchem die Feuerstelle außerhalb der Backfläche<br />
angeordnet ist, die Flamme jedoch direkt in den Backraum geleitet wird. Die von Richemont<br />
seinerzeit <strong>aus</strong>gearbeitete und nach wie vor aktuelle Definition<br />
1 So <strong>aus</strong>drücklich die Einleitung A 1 <strong>zu</strong>m Österreichischen Lebensmittelbuch (CODEX ALIMENTARI-<br />
US AUSTRIACUS, Verlag Brüder Hollinek, Wien, sinngleich auch die Einleitung <strong>zu</strong>m Deutschen Lebensmittelbuch<br />
(http://www.bmelv.de/SharedDocs/Standardartikel/Ernaehrung/SichereLebensmittel/<br />
Kennzeichnung/Lebensmittelbuch/DeutschesLebensmittelbuch.html)<br />
2 Codex-Kapitel B 18 Nr. 39<br />
2
„Holzofen/<strong>Holzofenbrot</strong>“ trägt diesem System mit der Ergän<strong>zu</strong>ng Rechnung „… oder<br />
zentral beheizt und die Flamme direkt in den Backraum geleitet wird“. 3<br />
b) Die Fachliteratur unterschied bereits 1929 die direkte von der indirekten Befeuerung<br />
wie folgt: „Es lassen sich zwei Gruppen von Öfen unterscheiden, und zwar<br />
einmal die Öfen mit direkter Hei<strong>zu</strong>ng, d.h. bei denen die Backplatte direkt mit den<br />
Feuergasen in Berührung kommt und solche mit indirekter Hei<strong>zu</strong>ng, bei denen der<br />
Backraum mit Heizgasen überhaupt nicht in Berührung kommt.“ 4<br />
Die Fachliteratur fasst unter direkter Befeuerung meist neben der Rostgitter- auch die<br />
Brust- oder Seitenbefeuerung <strong>zu</strong>sammen. 5 In diesem Sinne definiert das französische<br />
„Dictionnaire Universel du Pain“ (Allgemeines Brot-Wörterbuch) die Begriffe<br />
„Holzofen“ (four à bois) und „<strong>Holzofenbrot</strong>“, wobei speziell die Gueulard-Öfen als <strong>zu</strong>lässige<br />
Holzöfen beschrieben werden. 6 Bei dem „gueulard“ handelt es sich um einen<br />
Gusseisenrost, der unter oder vor dem Backraum gelegen ist und in dem das Heizmaterial<br />
verbrannt wird, dessen Flammen in den Backraum schlagen. In der<br />
deutschsprachigen Literatur ist auch von „Öfen mit Rostfeuerung“ die Rede. 7<br />
DOOSE beschreibt den Holzofen als einen direkt befeuerten Ofen, in dem ab einer<br />
Stunde vor Backbeginn nur chemisch unbehandeltes Holz verwendet wird. 8<br />
Für den west- und mitteleuropäischen Raum lassen sich daher folgende gemeinsame<br />
Kriterien für den Begriff „Holzofen“ und – dar<strong>aus</strong> abgeleitet – „<strong>Holzofenbrot</strong>“<br />
feststellen:<br />
- Direkt befeuerte Öfen<br />
- Backräume <strong>aus</strong> steinerndem oder steinartigem Material<br />
- naturbelassenes Holz als Heizmaterial<br />
Leicht divergierende Auffassungen bestehen hinsichtlich der Identität von<br />
Brennkammer und Backraum: Bei dieser Identität erfolgt der Brennvorgang auf der<br />
Backraumsohle selbst. Die deutschen Leitsätze gehen bislang von einer solchen<br />
Identität <strong>aus</strong> („Das Brennmaterial befindet sich im Backraum“), während das Österreichische<br />
Lebensmittelbuch ebenso wie die Richemont Fachschule und die französischen<br />
Usages 9 eine direkte Befeuerung genügen lassen. Hierbei wird die Wärmeübertragung<br />
mittels Wärmet<strong>aus</strong>cher <strong>aus</strong>geschlossen.<br />
c) Die Rechtsprechung hatte verschiedentlich Gelegenheit, sich mit den Begriffen<br />
„Holzofen“ und „<strong>Holzofenbrot</strong>“ <strong>aus</strong>einander<strong>zu</strong>setzen.<br />
3<br />
Fachblatt 2/2004, Seite 24<br />
4<br />
A. Zimmermann A. Zimmermann, Ofenbau, S. 63, Wilhemshaven 1929, heute: Reprint-Verlag Leipzig<br />
(www.reprint-verlag-leipzig.de)<br />
Seite 63<br />
5<br />
z.B. Egon Schicht, Der junge Bäcker, Band 2, ISBN 8—8057-0323-6; Dr. Oetker Lexikon Lebensmittel,<br />
3. Auflage: <strong>zu</strong>m Holzofen und <strong>Holzofenbrot</strong> mit umfangreichen Herstellungsempfehlungen vgl.<br />
auch Martin Seiffert, Backen im Holzofen, http://www.agfdt.de/loads/bt02/seiffert.pdf<br />
6<br />
Dictionnaire Universel du Pain, ed. par Jean-Philippe de Tonnac et Steven Laurence Kaplan, Paris<br />
2010, Stichwörter : gueulard, four)<br />
7<br />
So z.B. bei A. Zimmermann, a.a.O., Seite 62:<br />
8<br />
Otto Doose, Verfahrenstechnik Bäckerei, 6. Auflage, Alfeld 1982<br />
9<br />
Recueil des Usages concernant les Pains en France"<br />
3
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hielt im Jahre 1994 eine gasgestützte<br />
Zuhei<strong>zu</strong>ng im Backraum <strong>zu</strong>r Unterstüt<strong>zu</strong>ng der Heizleistung des verbrannten<br />
Holzes dann für irreführend, wenn die so hergestellten <strong>Brote</strong> als „<strong>Holzofenbrot</strong>e“ bezeichnet<br />
werden. 10<br />
Einem vom BayObLG entschiedenen Fall lag folgender Sachverhalt <strong>zu</strong>grunde: Unter<br />
Nachahmung des typischen Temperaturverlaufs in einem Holzbackofen, in dem mit<br />
fallender Hitze gebacken wird, hatte ein Hersteller „Bauernbrote“ <strong>zu</strong>nächst in einem<br />
ölbeheizten Vorbackofen bei 330° C vor- und anschließend in einem ölbeheizten<br />
Netzbandofen bei 240° C fertig gebacken und dieses Erzeugnis unter der Bezeichnung<br />
„Bauernbrot nach Holzofenart“ in den Verkehr gebracht.<br />
Hier<strong>zu</strong> führt das Bayerische Oberste Landesgericht führte in seinem Strafurteil vom<br />
25.02.1971 <strong>aus</strong>:<br />
„Die vom Landgericht übernommenen Ausführungen des Amtsgerichts, die Bezeichnung<br />
„nach … Art“ sei allgemein eingeführt und dem Verbraucher bekannt als Kennzeichnung<br />
eines Produktes, das demjenigen, worauf verwiesen werde, nicht entspreche,<br />
sondern nur ähnle, können in dieser Allgemeinheit, insbesondere in hier gegebenem<br />
Falle nicht gebilligt werden. (…) Da aber im vorliegenden Falle schon „Bauernbrot“<br />
eine nicht unerhebliche Ähnlichkeit mit echtem <strong>Holzofenbrot</strong> besitzt, darf ein<br />
Brot mit der Bezeichnung „Bauernlaib“ bzw. „Bauernschnitten nach Holzofenart“<br />
echtem <strong>Holzofenbrot</strong> nicht mehr bloß ähneln; es muss diesem viel mehr insbesondere<br />
auch in seinem äußeren Aussehen und in seinen geschmacklichen<br />
Qualitäten praktisch gleichkommen, also die Art und damit alle Vorzüge des<br />
echten <strong>Holzofenbrot</strong>es praktisch erreichen. (…) Das Landgericht wird sich bei der<br />
erneuten Verhandlung und Entscheidung namentlich auch mit der Frage <strong>aus</strong>einandersetzen<br />
müssen, ob nicht die bei der Herstellung echten <strong>Holzofenbrot</strong>es angewendete<br />
direkte Holzbefeuerung geschmackliche Effekte erzeugt, die in modernen<br />
Backofenanlagen trotz Nachahmung des Backverlaufs überhaupt nicht<br />
erreicht werden können, so dass möglicherweise schon <strong>aus</strong> diesem Grunde<br />
der Hinweis „nach Holzofenart“ <strong>zu</strong>r Irreführung geeignet ist, und bei derartigen<br />
Backerzeugnissen eben doch nur ein Schwarzbrot vorliegt, das in Be<strong>zu</strong>g auf Zusammenset<strong>zu</strong>ng,<br />
Beschaffenheit, Aussehen, Qualität und Geschmack nur dem<br />
„Bauernbrot“ entspricht. So wäre es z. B. durch<strong>aus</strong> möglich, dass beim Vorheizen<br />
des Backofens mit direktem Holzfeuer das – im Gegensatz <strong>zu</strong> dem beanstandeten<br />
Brot – bei der Herstellung echten <strong>Holzofenbrot</strong>es vorgenommen wird,<br />
schwerflüchtige Stoffe entstehen, die im Backofen erhalten bleiben und den<br />
Geschmack des dann eingeschlossenen <strong>Brote</strong>s besonders beeinflussen. Auch<br />
könnten Aschereste <strong>aus</strong> der Holzverbrennung, die beim Auskehren oder Ausräumen<br />
der Holzfeuerung unvermeidlich im Backofen <strong>zu</strong>rückbleiben, den Geschmack<br />
des <strong>Brote</strong>s eine ganz besondere Note verleihen, die durch indirekte<br />
Ölbefeuerung nicht erreicht werden kann.“ 11<br />
Gleicher Auffassung war der 4.Senat des BayObLG in seinem Urteil vom 26. April<br />
1977, dem folgender Sachverhalt <strong>zu</strong>grunde lag:<br />
Das streitbefangene Brot war mit Natursauerteig hergestellt worden. Es wurde in einem<br />
modernen Netzbandofen bei hoher Anfangstemperatur (rund 400 °C) angeba-<br />
10 VGH Baden Württemberg, Beschluss vom 27. April 1994 (9 S 895/94)<br />
11 Bayerisches Oberstes Landesgericht, 8. Strafsenat, Urteil vom 25.02.1971 (8 St 185/70)<br />
4
cken und bei erheblicher niedrigerer Temperatur (ca. 160 °C) bei einer Backzeit von<br />
etwa 65 Minuten <strong>aus</strong>gebacken. Die <strong>Brote</strong> hatten nach den Feststellungen des Gerichts<br />
eine weiche, helbraune bis kräftigbraune, dünne Kruste, einen stark gemehlten<br />
Boden mit Rissen, eine lockere, helle Krume und einen neutralen Geschmack.<br />
Der Senat führte hier<strong>zu</strong> knapp <strong>aus</strong>:<br />
„Das Landgericht hat die Bezeichnung des Roggenmischbrotes mit „2 mal gebacken,<br />
Doppelback, nach Holzofenart“ <strong>zu</strong> Recht als <strong>zu</strong>r Irreführung geeignet angesehen.“ 12<br />
Die zitierte Rechtsprechung zeigt einmal, dass die Gerichte <strong>zu</strong>m Entscheidungsdatum<br />
die Leitsätze für Brot und Kleingebäck als <strong>zu</strong>treffenden Ausdruck der allgemeinen<br />
Verkehrsauffassung werteten.<br />
Allerdings konnten sie wegen der andersartigen Sachverhalte nicht <strong>zu</strong> den hier interessierenden<br />
Fragen Stellung nehmen, ob die Charakteristika eines Holzbackofen<br />
erhalten bleiben, wenn die Back- und Brennkammer nicht identisch, aber räumlich so<br />
eng verbunden sind, dass der Backraum allein durch die entstehenden Rauchgase<br />
und/oder die in den Backraum eingeführten Verbrennungsprodukte aufgeheizt werden.<br />
Desgleichen stand bei diesen Entscheidungen nicht die Frage an, ob Holz-<br />
<strong>Pellets</strong> taugliches Brennmaterial für Holzöfen sind.<br />
Ferner ist <strong>zu</strong> berücksichtigen dass die zitierten Entscheidungen teilweise schon älteren<br />
Datums sind, so dass sie die mittlerweile in der Ofentechnik erzielten Verbesserungen<br />
nicht berücksichtigen konnten; <strong>zu</strong>m anderen verwendeten sie noch den inzwischen<br />
überholten Begriff „des besonders schutzbedürftigen, flüchtigen Verbrauchers“,<br />
der mittlerweile europaweit durch den "durchschnittlich interessierten und informierten<br />
Verbraucher“ („Normativverbraucher“) ersetzt worden ist.<br />
3. Trennung von Back- und Brennraum<br />
Sachlicher Kern der Holzofen-Beschreibungen in der Literatur, der Rechtsprechung<br />
und den Leitsätzen/Richtlinien ist die direkte Befeuerung der Holzöfen, also die Wärmeübertragung<br />
ohne Wärmet<strong>aus</strong>cher. Zum anderen müssen die Flammen und<br />
Rauchgase in den Backraum selbst geleitet werden, um die steinerne oder steinartige<br />
Ummantelung des Backraums <strong>zu</strong> erhitzen, von der dann mittels Kontakt und/oder<br />
Wärmestrahlung die Erhit<strong>zu</strong>ng des Backguts erfolgt. Ferner ist eine Zu-Hei<strong>zu</strong>ng mittels<br />
anderer Heizmaterialien oder Heizverfahren bei Holzöfen nicht üblich. Aus diesem<br />
Grunde wird in Holzbacköfen <strong>aus</strong>schließlich mit fallender Hitze gebacken, was<br />
<strong>zu</strong> einer deutlichen Krustenbildung der <strong>Brote</strong> führt. Schließlich spielen Bestandteile<br />
der Rauchgase selbst und ihre Migration auf das Backgut nach weitverbreiteter Meinung<br />
auch eine Rolle für den Geschmack des Backgutes.<br />
Bei dieser Sachlage scheint es mir für den Begriff „Holzofen“ nicht entscheidend <strong>zu</strong><br />
sein, ob der Verbrennungsvorgang im Backraum selbst oder in einer räumlich eng<br />
damit verbundenen Brennkammer erfolgt, sofern die hierbei entstehende Hitze und<br />
die Rauchgase alleiniges Mittel <strong>zu</strong>r Erhit<strong>zu</strong>ng der steinernen oder steinartigen Ummantelung<br />
des Backraums sind, von der dann der Backprozess bewirkt wird. Dies<br />
12 Bayerisches Oberstes Landesgericht, 4. Strafsenat, Urteil vom 26.4.1977 (4 St 3/77)<br />
5
scheint mir in Übereinstimmung mit der zitierten Fachliteratur vom Begriff der direkten<br />
Befeuerung gedeckt <strong>zu</strong> sein.<br />
Soweit (nur) die Leitsätze für Brot und Kleingebäck <strong>aus</strong>drücklich von einer Identität<br />
von Back- und Brennraum sprechen, werden diese Feststellungen von den Beschreibungen<br />
des Österreichischen Lebensmittelbuches und den Richtlinien der Richemont<br />
Fachschule relativiert, die lediglich eine direkte Befeuerung ohne expliziter<br />
Forderung nach einer Identität von Back- und Brennraum fordern. Dies deckt sich im<br />
Übrigen auch mit der französischen Verkehrsauffassung.<br />
4. <strong>Sind</strong> Holz-<strong>Pellets</strong> taugliches Heizmaterial im Sinne der Leitsätze für Brot und<br />
Kleingebäck?<br />
Die Leitsätze sprechen von „naturbelassenem Holz“ als Heizmaterial für Holzbacköfen.<br />
Was darunter <strong>zu</strong> verstehen ist, verdeutlichen die DLG-Richtlinien sowie das<br />
Österreichische Lebensmittelbuch, die übereinstimmend von „chemisch nicht vorbehandelten<br />
Holz“ sprechen.<br />
„Naturbelassenes Holz“ ist nicht gleichsinnig <strong>zu</strong> „Holz wie gewachsen“. Dass auch<br />
die Deutsche Lebensmittelbuchkommission unter „naturbelassenen Holz“ nicht „Holz<br />
wie gewachsen“ verstanden hat, wird deutlich, wenn man sich den Sinn und Zweck<br />
der Leitsatzformulierung vor Augen führt. Es sollte hiermit die Verwendung von<br />
Holzmaterialien <strong>aus</strong>geschlossen werden, die unter gesundheitlichen Aspekten bedenklich<br />
sind. Dies kann z. B. bei Verwendung von Bauholz, Paletten-Holz und sonstigen<br />
Hölzern mit anhaftenden Lack- und Farbresten sowie anderen Additiven der<br />
Fall sein, die für Lebensmittelzwecke ungeeignet sind. Hätte die Deutsche Lebensmittelkommission<br />
„Holz wie gewachsen“ als Ausdruck der Verkehrsauffassung feststellen<br />
wollen, so hätte sie dies aufgrund ihrer Sachkunde zweifellos auch in den<br />
Leitsätzen niedergelegt. 13<br />
Dar<strong>aus</strong> folgt, dass <strong>Pellets</strong> immer dann verwendet werden können, wenn sie in ihrer<br />
Zusammenset<strong>zu</strong>ng „naturbelassenem Holz“ äquivalent sind. Hierfür spricht im Blick<br />
auf die Verkehrsauffassung auch, dass dem durchschnittlich informierten und interessierten<br />
Verbraucher mittlerweile Hoz-<strong>Pellets</strong> als Heizmaterial (auch für den heimischen<br />
Kamin) bekannt sein dürften.<br />
Die DIN 51731 für Holzpellets stellt im Vergleich <strong>zu</strong>r ÖNORM 7135 für Österreich<br />
geringere Anforderungen an die Beschaffenheit von <strong>Pellets</strong>. Dies bezieht sich u. a.<br />
auf die Maximalwerte für Schwefel, Chlor und Abrieb (wichtig für die Verringerung der<br />
Staubentwicklung), so dass in Deutschland von Qualitätsherstellern häufig die<br />
DINplus <strong>zu</strong>grunde gelegt wird, deren Inhalt sich der österreichischen Norm annähert,<br />
die <strong>zu</strong>dem auch Festlegungen für den Transport und die Lagerung von Holz-<strong>Pellets</strong><br />
trifft.<br />
Um „naturbelassenes Holz“ handelt es sich bei <strong>Pellets</strong> stets dann, wenn diese <strong>aus</strong>schließlich<br />
<strong>aus</strong> geeignetem Holz 14 hergestellt werden und die Haltbarkeit der <strong>Pellets</strong><br />
<strong>zu</strong>m Beispiel durch die bei dem Druck entstehende Erwärmung des im Holz enthal-<br />
13 Dies hat die DLBK beispielsweise in den Leitsätzen für Fleischerzeugnisse deutlich unterschieden<br />
(„Fleisch wie gewachsen“ (2.19 der Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse))<br />
14 Besonders geeignet sind Laubhölzer wie Buche oder Esche.<br />
6
tenen Lignins dieses verflüssigt, so dass es als Bindemittel wirken kann. Dies ergibt<br />
sich vor allem <strong>aus</strong> den DLG-Richtlinien für Brot und Backwaren sowie dem Österreichischen<br />
Lebensmittelbuch, die übereinstimmend von „chemisch nicht behandeltem<br />
Holz“ sprechen und keine weiteren Feststellungen hinsichtlich des Zerkleinerungsgrades<br />
des verwendeten Holzes treffen. 15<br />
Bei Zugabe weiterer Bindemitttel (z. B. Stärke oder Melasse) mit Anteilen bis <strong>zu</strong> 2 %,<br />
wie sie bei verschiedenen <strong>Pellets</strong> üblich sind, entsprechen diese <strong>Pellets</strong> nicht mehr<br />
der Leitsatzbeschreibung von „naturbelassenem Holz“. Ob sie gleichwohl verwendet<br />
werden können, weil sie gesundheitlich unbedenklich sind, ist derzeit offen. Die<br />
Rechtsprechung hatte noch keine Gelegenheit, hier<strong>zu</strong> Stellung <strong>zu</strong> nehmen.<br />
4. Zusammenfassung<br />
Gemeinsamer Nenner für den Begriff „Holzofen“ sind demnach die folgenden Eigenschaften:<br />
o Die Erhit<strong>zu</strong>ng der für die Wärmeübertragung auf das Backgut erforderlichen<br />
steinernen oder steinartigen Ummantelung des Backraums erfolgt durch direkte<br />
Befeuerung, also ohne Verwendung von Wärmet<strong>aus</strong>chern, die den Backraum<br />
erhitzen.<br />
o Backraum und Brennraum sind in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang,<br />
wobei hier<strong>zu</strong> mehrere grundsätzlich gleich geeignete technische Realisierungen<br />
möglich sind (z.B. Brennmaterial auf der Backsohle selbst: Rostgitterofen<br />
(„Gueulard“), bei dem die Flammen und Rauchgase direkt in den Backraum<br />
geleitet werden; Brennkammern neben oder hinter dem Backraum, von dem<br />
nach Öffnung von Klappen die Flammen und Rauchgase und teilweise auch<br />
die Abbrennprodukte in den Backraum geleitet werden).<br />
o Die Wärmeübertragung auf das Backgut erfolgt <strong>aus</strong>schließlich von der steinernen<br />
oder steinartigen Ummantelung des Backraums, die für diesen Zweck<br />
<strong>aus</strong>reichend dimensioniert sein muss, um die für den Backvorgang erforderliche<br />
Wärmespeicherkapazität auf<strong>zu</strong>weisen. Ein Zu-Hei<strong>zu</strong>ng auf andere Weise<br />
ist nach den Leitsätzen und der einschlägigen Rechtsprechung nicht üblich.<br />
o Das Brennmaterial ist naturbelassenes Holz geeigneter harzarmer Holzarten.<br />
Naturbelassenes Holz ist chemisch nicht behandeltes Holz (z. B. durch Imprägnierung,<br />
Lacke oder Farben).<br />
o Gegen die Verwendung von Holz-<strong>Pellets</strong> anstelle von Holz „wie gewachsen“<br />
bestehen dem<strong>zu</strong>folge keine Bedenken, wenn die <strong>Pellets</strong> <strong>aus</strong>schließlich <strong>aus</strong><br />
den natürlichen Bestandteilen von Holz <strong>aus</strong> nicht harzreichen Holzarten hergestellt<br />
worden sind und nur das holzeigene Lignin als Bindemittel verwendet<br />
wird. Zudem bieten Hol-<strong>Pellets</strong> zahlreiche Handhabungs- und Produktvorteile<br />
(Z: b: automatische Zuführung, definierte Heizwerte):<br />
15 a.a.O.<br />
7
o Der Zusatz von bis <strong>zu</strong> 2 % Melasse oder Stärke ist zwar gesundheitlich unbedenklich,<br />
entspricht aber nicht der Beschreibung der Leitsätze für Brot und<br />
Kleingebäck.<br />
o „<strong>Holzofenbrot</strong>e“ werden bei fallender Hitze in Holzöfen wie vorstehend beschrieben<br />
gebacken.<br />
o Für die Zukunft wäre <strong>zu</strong> erwägen, ob im Blick auf die moderneren Holzbacköfen<br />
eine differenzierende Zusatzbezeichnung für Holzbacköfen alter Art wie<br />
„Traditionelles <strong>Holzofenbrot</strong>“ etabliert werden sollte.<br />
o Wenn die interessierten Verkehrskreise für die Zukunft eine andere Zusammenset<strong>zu</strong>ng<br />
der <strong>Pellets</strong> für Zwecke eines Holzbackofens erreichen wollen, so<br />
sollten sie bei der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission auf eine Änderung<br />
der Leitsätze hinwirken. Der Deutschen Lebensmittelbuchkommission<br />
müssen sie <strong>zu</strong> diesem Zweck nachweisen, dass von solchen mit Additiven<br />
versehenen <strong>Pellets</strong> keine im Vergleich <strong>zu</strong> naturbelassenem Holz höheren Belastungen<br />
der Backerzeugnisse <strong>aus</strong>gehen.<br />
o Wenn dieser Nachweis gelingt, stehen die Chancen gut für eine entsprechende<br />
Änderung der Leitsätze, da es nicht Aufgabe der Deutschen Lebensmittelbuchkommission<br />
ist, den technischen Fortschritt <strong>zu</strong> behindern, sondern lediglich<br />
die Qualitätsauffassungen <strong>zu</strong> den beschriebenen Lebensmitteln <strong>zu</strong> beschreiben.<br />
_______<br />
Danksagung: Ich danke insbesondere Herrn Dr. Kl<strong>aus</strong> Bernhard für seine kenntnisreiche<br />
Stellungnahme und für die verdienstvolle Zusammenstellung von Belegstellen in der Literatur.<br />
Mein Dank gilt gleichermaßen Frau Inès Stritter sowie den Herren Jürgen Mayer, Thomas<br />
Schmid, Walter Schmidt, Ingo Sonne, Hermann Späth, Franz-Josef Walter und Joachim<br />
Zickler für wertvolle Erläuterungen und Hinweise.<br />
8