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ES IST HEISS, MAN DARF NICHT RAUCHEN UND ... - Robert Kropf

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Chef<br />

Es ist heiss, man darf nicht rauchen<br />

und schon gar nichts angreifen.<br />

Trotzdem ist der Kitchen Table in<br />

der Küche eines restaurants ein elitärer<br />

Platz, an den meist nur der Hausherr<br />

bittet. ein Blick hinter die Koch-Kulissen.<br />

Von <strong>Robert</strong> <strong>Kropf</strong> und Hans Brenner<br />

Tisch der<br />

Auserwählten<br />

Acht Gäste finden<br />

an Gordon<br />

Ramsays Chef‘s<br />

Table im „The<br />

London“ in<br />

New York Platz.<br />

Sie können 30<br />

Köchen auf die<br />

Finger schauen<br />

Fotos: Julia Stix, Helge Kirchberger, <strong>Robert</strong> <strong>Kropf</strong><br />

New York, ein Samstagabend im Restaurant<br />

„Gordon Ramsay at The London“. Im Gourmettempel<br />

an der 54th Street brummt es<br />

wie in einem Bienenstock. 160 Gäste warten<br />

auf ihr Essen, die Kellner fliegen förmlich durch das<br />

ausgebuchte Restaurant. Nichts, was Neil Ferguson aus<br />

der Fassung bringt. Der Küchenchef sitzt mit Gästen am<br />

Chef‘s Table in der Küche und erklärt, „dass dieser Tisch<br />

hier nichts für Romantiker ist. Es ist heiß und eigentlich<br />

darf man nur essen und zusehen. Aber das ist dafür spannend<br />

und elitär“, sagt Ferguson. Dabei lässt er seine 30 Köche<br />

keine Sekunde aus den Augen. Jedes Gericht, das die<br />

Küche verlässt, läuft durch seine Hand. Die Stimmung ist<br />

gespenstisch. Niemand schreit, im Gegenteil: Man kann<br />

einen Schneebesen fallen hören – und das, obwohl draußen<br />

im Restaurant die Hölle los ist.<br />

Gordon Ramsay, der legendäre Koch aus England und<br />

Fergusons Chef, hat den „Tisch der Auserwählten“ zum<br />

Programm gemacht. In all seinen Restaurants in London<br />

(Petrus, Maze, Savoy Grill, The Connaught) und nun<br />

auch in New York lässt er betuchtes Klientel kräftig in die<br />

Taschen greifen, damit sie in der Küche speisen und dabei<br />

den Köchen in die Töpfe schauen können. 1700 Dollar<br />

kostet das Acht-Gang-Menü für acht Personen, Getränke<br />

exklusive. „Die Idee des Chef‘s Table stammt<br />

aus dem Mittelalter“, sagt er. Die Könige haben ihre<br />

Gäste zu Dinnerpartys in die Küche eingeladen, damit<br />

sie sehen, was der Koch des Königs alles zubereitet.“ New<br />

York, so Ramsay, sei mittlerweile das Mekka der elitären<br />

Küchentische: Bei Daniel Boulud steigt man über eine<br />

schmale Treppe (ein Balanceakt für den Kellner) in das<br />

klimatisierte Küchen-Kämmerchen des Restaurants Daniel.<br />

Im Waldorf Astoria darf man Küchenchef John Doherty<br />

in den Topf blicken, ebenso wie in Ssäms Bar, dem<br />

neuen „Asian Burrito“ von David Chang. Eines haben sie<br />

gemeinsam – sie sind die kulinarische Version der Basidemokratie.<br />

Jeder hat Zutritt, niemand ist ausgeschlossen.<br />

Wer zahlt, darf im Bauch des Restaurants speisen.<br />

<br />

Im Bauch. Zehn<br />

Gäste lässt<br />

Roland Trettl<br />

im Restaurant<br />

„Ikarus“ zu<br />

(links). Auf<br />

Reinhard Gerers<br />

Kitchen Table<br />

im Korso verlängern<br />

Künstler<br />

ihr Mittagessen<br />

bis in die<br />

Abendstunden<br />

Es ist heiss, man darf nicht rauchen,<br />

dafür ist der Chef‘s Table elitär.<br />

Das ist nicht überall so, etwa in Österreich: Toni Mörwald,<br />

der einen Chef‘s Table im Kloster Und führt, erklärt die<br />

klaren heimischen Regeln. Nummer 1: „Der Chef‘s Table<br />

ist nicht klassisch über die Reservierung zu buchen.“<br />

Grund dafür ist die Chef‘s-Table-Regel Nummer 2: „Nur<br />

der Küchenchef oder Restaurantbesitzer vergibt den Küchentisch<br />

an ausgewählte Gäste“. Wer in die Küche will,<br />

muss an den beiden vorbei und sich auch an die sonstigen<br />

24 schaufenster schaufenster 25


Im Blickfeld. Im<br />

Kloster Und von<br />

Toni Mörwald<br />

blickt man vom<br />

Kitchen Table<br />

direkt in die<br />

Küche (li.), im<br />

Daniel in New<br />

York speisen<br />

die Gäste klimatisiert,<br />

dafür<br />

beengt über der<br />

Küche (re.).<br />

<br />

Regeln halten: keine Zigaretten, keine Haustiere und keine<br />

Kinder. Das gilt nicht nur für Mörwalds Restaurant, auch<br />

Chefkoch Roland Trettl im „Ikarus“ im Hangar 7 sucht sich<br />

die Klientel selbst aus, die am Küchentisch sitzt. Eine Speisekarte<br />

gibt es nicht, gegessen wird, was am Tisch kommt.<br />

Dafür dürfen diese Gästen in der Küche herummarschieren.<br />

Ähnlich elitär geht es bei Reinhard Gerer zu: Böse<br />

Zungen behaupten ja, der eigentliche Chef‘s Table von<br />

Meisterkoch Reinhard Gerer sei der Urbanek am Naschmarkt.<br />

Aber erstens ist das ein falsches Gerücht, zweitens<br />

kann man im Feinkoststand an der Wienzeile nicht sitzen<br />

und drittens steht der Küchentisch Gerers natürlich in seinem<br />

Korso. Streng genommen steht er gar nicht in seiner<br />

Küche, sondern davor, aber dennoch nennt ihn die ganze<br />

Stadt so. Denn Gerers Marketingtalent, das nur von seiner<br />

Fertigkeit in der Küche übertroffen wird, hat dafür gesorgt,<br />

dass jeder Korso-Besucher in dem logenartigen Tisch im<br />

Onyx-Block sitzen will. Dort kocht der Meister einen Kapaun<br />

für eine kleine Partie, oder die Künstlerrunde dehnt<br />

das Mittagessen bis in den Abend aus.<br />

Zurück ins Kloster Und: Während Thomas Höhn, der<br />

Maitre d‘Hotel, die vielen Geheimcodes in der Küche erklärt<br />

(„21 ist abgerufen“<br />

heißt, dass die<br />

„wenn Gäste am Küchentisch sitzen, Köche das nächste<br />

Gericht für den<br />

rennt ein anderer Schmäh.“<br />

Chef‘s Table zubereiten<br />

können), hat<br />

man den Eindruck, es gehe in der Küche entspannt zu.<br />

Am späten Abend findet Erwin Windhaber, der 24-jährige<br />

Küchenchef, sogar Zeit, sich kurz an den Tisch zu setzen:<br />

„Natürlich, wenn Gäste in der Küche sind, rennt ein anderer<br />

Schmäh. Aber wenn wir für 200 Menschen kochen<br />

und das Restaurant voll ist, vergessen wir alles rundherum.<br />

Dann kann es schon laut und ruppig werden.“ u<br />

Im Bauch des Restaurants<br />

Das Küchen-Abteil<br />

Korso. Reinhard Gerer verfügt über<br />

einen Abteil-Küchentisch vor seiner<br />

Wirkungsstätte. Der zuletzt von den<br />

Restaurant-Guides gebeutelte Gerer<br />

hat sich wieder an neue, betont<br />

leichte Kreationen gewagt – er setzt<br />

stärker auf österreichische Produkte<br />

und Gerichte. Mahlerstraße 2, Wien,<br />

Tel: 01/515 165 46<br />

Der Kloster-Tisch<br />

Kloster Und. Im Haubenlokal<br />

schaut man dem vielversprechenden,<br />

24-jährigen Küchenchef Erwin Windhaber<br />

dienstags bis samstags auf die<br />

Finger – wenn es Meister Toni Mörwald<br />

erlaubt. Undstraße 6, Krems,<br />

Tel: 02732/704 93.<br />

Chef‘s Table mit Flügel<br />

Ikarus. Küchenchef Roland Trettl<br />

muss seinen Segen geben, dann<br />

darf man auf einen der zehn Plätze<br />

am Chef‘s Table im Red-Bull-Hangar<br />

7. Wilhelm-Spazier-Straße 7a, Salzburg.<br />

Tel: 0662/21 97 77.<br />

Großmeister des Chef‘s Table<br />

Gordon Ramsay. Der Brite hat den<br />

Chef‘s Table zur fixen Einrichtung<br />

erhoben. Details auf der Homepage<br />

www.gordonramsay.com<br />

Im Bauch des Daniel<br />

Daniel Boulud. Klimatisierter<br />

Chef‘s Table mit Blick über die Küche.<br />

www.danielny.com<br />

Fotos: Julia Stix, beigestellt Erratum: die fotos von s 24 bis s 27 in schaufenster nr. 13 stammten von julia stix<br />

26 schaufenster

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