PDF-Datei, 3.021 KB - Religionspädagogisches Institut Loccum
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Seit Johann Amos Comenius’ Zeiten wird darüber nachgedacht, wie eine solche bildungstheoretische<br />
Begründung aussehen kann.<br />
In dieser Traditionslinie ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Güte des Unterrichts<br />
nicht nur im Blick auf den Umfang und die Nachhaltigkeit der vermittelten Kompetenzen<br />
definiert wird. Auch die Erziehungsaufgaben, die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung<br />
und die Ausbildung einer demokratischen Unterrichtskultur spielen eine zentrale<br />
Rolle.<br />
Besonders wichtig ist für mich die von Lothar Klingberg (1926-1999) vorgenommene<br />
theoretische Grundlegung guten Unterrichts. Er hat für die Unterrichtsgestaltung ein<br />
einziges Grundprinzip formuliert. Es lautet:<br />
These: „Der dialektische Widerspruch von Führung und Selbsttätigkeit treibt den<br />
Unterrichtsprozess voran.“<br />
Lehrpersonen zwingen die Schülerinnen und Schüler, etwas zu tun, was diese - alleingelassen<br />
- gar nicht oder zumindest deutlich anders getan hätten. Aber sie tun dies<br />
nicht, weil sie die Schülerinnen und Schüler drangsalieren wollen, sondern weil sie die<br />
Hoffnung nicht aufgeben, dass diese mit ihrer Hilfe mehr Selbstständigkeit entwickeln:<br />
- Führung: Wer lehrt, leitet und führt. Deshalb ist das Lehren, so Klingberg, seiner<br />
Struktur nach systematisch und konservativ (im ursprünglichen Wortsinn). Lehren<br />
vermittelt den Wertekanon unserer Gesellschaft, aber hoffentlich so, dass er von<br />
der heranwachsenden Generation weiter entwickelt werden kann.<br />
- Selbsttätigkeit: Wer lernt, arbeitet zumindest in Ansätzen selbstgesteuert. Deshalb<br />
ist Lernen seiner Struktur nach anarchisch und revolutionär. Es folgt seinen eigenen,<br />
oft spontanen Spielregeln. Und es erlaubt den Schülerinnen und Schülern, sich<br />
von der Vormundschaft der Lehrerinnen und Lehrer zu befreien.<br />
Lehrerinnen und Lehrer sollen also liebevoll Macht ausüben, ernsthaft Spaß bereiten,<br />
locker effektiv sein, allen zusammen und dennoch jedem einzelnen zu seinem Recht<br />
verhelfen. Zugespitzt formuliert (Meyer 2007, S. 88):<br />
These: Lehrerinnen und Lehrer haben die Aufgabe, ihre Schülerinnen und Schüler<br />
mit Liebe, Gewalt (= Macht und Konsequenz) und Fachverstand zur Selbstständigkeit<br />
zu führen.<br />
Die Begriffe "Liebe" und "Gewalt" sind problematisch, aber trotz der jüngst bekannt gewordenen<br />
Missbrauchsskandale - wenn auch mit Bauchschmerzen – von mir beibehal-